Lucia von Syrakus
Die heilige Lucia von Syrakus (*, + am 13. Dezember) Gedenktag ist der 13. Dezember. Sie ist Patronein für Augenleidende.
Leben und Legende
Um das Leben der Heiligen ranken sich zahlreiche Legenden, doch ist die historische Existenz seit der Entdeckung der Katakombe San Giovanni in Syrakus gesichert; darin wird auf einer Grabinschrift eine junge Frau genannt, die „am Fest der hl. Lucia“ starb. Syrakus (Siracusa) in Sizilien war ein Zentrum frühchristlichen Glaubens.
Den Legenden gemäß soll die Christin Lucia einer vornehmen Familie angehört haben; ihr Name bedeutet soviel wie die Lichtvolle, die Lichtträgerin oder die Leuchtende. Mit ihrer an Blutfluss erkrankten Mutter pilgerte sie von Syrakus zum Grab der hl. Märtyrerin Agatha nach Catania, und die Mutter wurde tatsächlich geheilt. Lucia bekam daraufhin von ihrer Mutter die Erlaubnis, ihr als Aussteuer zugesagtes Vermögen zu verkaufen, um den Erlös unter den Armen zu verteilen. Der darüber erboste heidnische Verlobte Lucias lieferte seine Braut den Christenverfolgern aus. Einer späteren Legende nach hat sich Lucia ihre wunderschönen Augen ausgerissen und ihrem Bräutigam auf einer Schüssel zugesandt, um zu demonstrieren, dass es ihr mit der Beendigung der Verlobung ernst war; die Muttergottes ließ ihr aber noch schönere Augen nachwachsen.
Da Lucia ihrem Glauben nicht abschwören wollte, beschloss der Präfekt, die Christin zur Strafe in ein Bordell bringen zu lassen, damit „der Heilige Geist von ihr weiche“ (nach der im 13. Jahrhundert entstandenen „Legenda Aurea“ des Dominikaners Jacobus de Voragine). Doch „etliche Joch Ochsen“ und „tausend Männer“ waren nicht in der Lage, die Gefesselte von der Stelle zu bewegen. Weder ein um sie entfachtes Feuer, noch siedendes Öl, das über sie gegossen wurde, konnten ihr etwas anhaben. Erst ein Schwert, das ihr durch die Kehle gestoßen wurde, bereitete ihrem jungen Leben ein Ende. Dieses entsetzliche Ereignis soll sich unter Kaiser Diokletian um das Jahr 303 zugetragen haben. Lucia wurde von Papst Gregor I. dem Großen, der sein Amt 590–604 ausübte, in den römischen Messkanon als heilige Märtyrerin aufgenommen.
Über Lucias vermeintlichem Grab in Syrakus wurde eine Kirche errichtet. Ein Gemälde von Caravaggio zeigt dort die „Bestattung der hl. Lucia“ (1608). Wo die Reliquien der Heiligen ruhen, ist nicht geklärt. Einerseits sollen sie 1040 von Syrakus nach Konstantinopel gebracht worden sein und von dort 1204 nach Venedig, zuerst nach S. Giorgio Maggiore und schließlich – nach etlichen Zwischenstationen – 1860 in die Kirche Ss. Geremia e Lucia, die in der Nähe des Bahnhofes Santa Lucia liegt. Am 7. November 1981 raubten in Venedig zwei maskierte Ganoven die Gebeine der hl. Lucia, nachdem sie den Pfarrer Don Giuseppe Manzato mit einer Pistole bedroht hatten. Auf wundersame Weise tauchten die Reliquien in der Nacht vom 12. auf den 13. Dezember 1981 wieder auf. Daneben gibt es eine zweite Version, nach der die Gebeine im 8. Jahrhundert nach Corfínio in Italien gebracht wurden, und von dort 970 in das kurz zuvor gegründete Benediktinerkloster St. Vincent in Metz (Frankreich), das kirchlich der Erzdiözese Trier unterstand. Dadurch wurde die Verehrung der hl. Lucia im Westen Deutschlands begründet. Lucia hat in Italien nicht nur im Volkslied ihren Niederschlag gefunden, das weltberühmte Lied „Santa Lucia“ sei hier erwähnt, auch Dante Alighieri lässt sie in seiner „Göttlichen Komödie“ auftreten. Im deutschsprachigen Raum treten Lucien-Darstellungen in der Kunst erst ab dem späten 15., in Italien schon ab dem 6. Jahrhundert auf. Die Attribute der Heiligen sind: zwei Augen auf einer Schüssel (gemäß der Legende), ein Buch, ein Dolch oder Schwert durch den Hals gestoßen, eine Halswunde, eine Lampe oder Kerze (als Symbole des Lichts) und ein Palmzweig, das Zeichen des Martyriums. Gekleidet ist die junge Heilige meist in schlichtem, langem Gewand.
Verehrung der hl. Lucia
Der kirchliche Kult um die hl. Lucia verbreitete sich von Sizilien über Italien nach Slowenien und von dort nach Kärnten. In Altersberg (Bezirk Spittal) in Kärnten ist in der 940 m hoch gelegenen Pfarrkirche zur hl. Lucia ein „Augenbründl“. Die Quelle befand sich ursprünglich außerhalb des Gotteshauses, wurde jedoch im Barock, als die spätgotische Kirche umgebaut wurde, in die Kirche geleitet. Gelegentlich holen sich heute noch sehschwache Kärntner aus der Gegend um Spittal und Gmünd vom Altersberg Wasser für ihre Augen. Das Hochaltarbild in der Kirche zeigt die Ermordung der hl. Lucia. Die hl. Lucia ist Schutzpatronin der Bauern, Glaser, Kutscher, Messerschmiede, Näherinnen, Notare, Pedelle, der reuigen Prostituierten, der Sattler, Schneider und der Weber. Sie wird von den Gläubigen nicht nur bei Augenkrankheiten und Blindheit angerufen, sondern auch bei Blutfluss, Halsweh, Infektionen und Ruhr; auch Mütter von kranken Kindern suchen bei ihr Hilfe.
Brauchtum um die hl. Lucia
Volkskultur rankt sich nur scheinbar um die hl. Lucia. Zum Verständnis ist eine Vorbemerkung zum Aspekt „Licht“ notwendig: Gott sprach am ersten Schöpfungstag: Es werde Licht. Und es wurde Licht (Gen 1,3). Er sah, dass das Licht gut war und schied das Licht von der Finsternis. Licht ist für die Bibel mehr als der für das menschliche Auge sichtbare Bereich eines Spektrums elektromagnetischer Strahlung, mehr als eine physikalische Realität. Im Neuen Testament ist Christus das „wahre Licht“ (Joh 1,9), und die Gläubigen sind „Kinder des Lichts“ (Eph 5,8). Auch in der Liturgie spielt Licht eine Rolle, z.B., wenn während der Osternachtfeier die Osterkerze mit gesegnetem Feuer angezündet wird. Im Volksglauben wehrt das Licht Unheil ab. So verwendete man geweihte, schwarze Wetterkerzen, um Sturm und Gewitter fernzuhalten. Das gesamte Lucienbrauchtum hat seine Wurzeln im Datum. Bis zur Gregorianischen Kalenderreform (1582) war der 13. Dezember Mittwintertag, also der kürzeste Tag, mit dem wenigsten Tageslicht, im Jahr. Brauchtum, das sich als Lucienbrauchtum ausgibt, hat mit der Heiligen aus Syrakus meistens nichts gemein. Es handelt sich dabei um das Treiben einer „Mittwinterfrau“, die aufgrund mythischer Überlieferungen im vor- und außerchristlichen Brauchtumsleben vorwiegend im Norden, im Osten und im Südosten Mitteleuropas nachgewiesen werden kann. Sie hat ihren Auftritt in der Kette der Gedenktage Barbara, Nikolaus, Lucia, Hl. Abend, Silvester und Dreikönig. Die perchtenartige Schicksalsfrau (Pudelfrau, Pudelmutter, Luz, Luzl oder Luzelfrau genannt) bewegt sich im Spannungsfeld zwischen Hochreligion und Volksglauben.
In Österreich ist das Lucienbrauchtum auf den slowenischen Teil Kärntens, den Osten der Oststeiermark und auf das mittlere und südliche Burgenland beschränkt. Während dieses Brauchtum vor 50 Jahren noch lebendig war, ist es jetzt fast erloschen. Zwei Orte, wo es noch am Leben ist, sollen erwähnt werden: Im burgenländischen Unterwart (Bezirk Oberwart), in einer zum Teil ungarischsprachigen Gemeinde, gehen am Vorabend des Lucientages Kinder und Jugendliche als „Luzelfrauen“. Sie sind weiß vermummt, besuchen die Häuser von Bekannten und Verwandten, sind mit Kochlöffeln ausgerüstet, mit denen sie drohen und Schläge austeilen, sprechen gute Wünsche in ungarischer Sprache und erhalten bei diesem Heischegang kleine Gaben, meistens Geld.
Im südlichen Burgenland droht man heute noch den unfolgsamen Kindern mit der „Luzl“, dass diese sie „holen“ werde – Drohungen, die anderswo mit dem Krampus in Verbindung gebracht werden. Früher hieß es, die „Luzl“ würde den Kindern die Augen ausstechen, die Fersen abschneiden oder die Bäuche aufschlitzen.
In Vorau (Bezirk Hartberg) in der Oststeiermark kommt am Vorabend vor Dreikönig bei Einbruch der Dunkelheit die Pudelmutter. Ein vermummtes, hexenähnliches Wesen „pudelt“, d.h. wirft wahllos, Äpfel, Nüsse und Süßigkeiten in die Stube oder durch die Stubentür. Nach erhaltener Geldspende verschwindet sie wieder lautlos.
In Slowenien, auch im slowenischen Teil Kärntens, wo die Luzelfrau „Licije“ genannt wird, galt am Lucientag ein Arbeitsverbot für Schuster, Näher und Schneider. Ein Hantieren mit spitzen Werkzeugen, d.h. mit Nadel oder Pfriem kann Unglück auslösen; dies glaubte man einst, weil ja ein Schwert oder Dolch der hl. Lucia den Märtyrertod gebracht hatte.
Luzelfrauen-Brauchtum hat es nicht in Oberösterreich, Salzburg, Tirol und Vorarlberg gegeben, wohl aber in Bayern; dort jedoch ist dieses Brauchtum um den Kinderschreck nur mehr in Überlieferungen lebendig.
Eher in den Bereich des Lichterbrauchtums einzuordnen sind die „Lucienhäuschen“ von Fürstenfeldbruck in Oberbayern. Nach einer Überschwemmung 1785 gelobten die Bürger, am Lucientag kleine, erleuchtete Häuschen, die zuvor in der Kirche gesegnet wurden, in der Amper zum Schwimmen zu bringen. Dieser Brauch war bis 1851 lebendig und wurde 1949 wiederbelebt. Heute ist der Lucientag ein Fest der Kinder, die die Häuschen liebevoll basteln. Mit unserer Märtyrerin hat dies nicht viel zu tun und ist dem Brauch des Lichterschwemmens im kärntnerischen Bad Eisenkappel (Bezirk Völkermarkt) ähnlich. Dort setzen Kinder am 1. Februar, am Vorabend des Lichtmesstages, mit Kerzen erleuchtete, selbst gebastelte Miniaturkirchen aus Pappe und Holz beim sogenannten „Kirchleintragen“ in die Vellach, um sie flussabwärts treiben zu lassen. Zurück geht dieser Votivgaben-Brauch auf eine Sage, nach der die Bevölkerung durch Flucht in die erhöht gelegene Wallfahrtskirche Maria Dorn Rettung fand.
In Dalmatien machte Lucia den Kindern Geschenke, ähnlich wie der Nikolaus. In Kroatien stellten Kinder am Lucientag ihre Schuhe ins Fenster; die Eltern füllten sie dann mit Nüssen und Schleckereien. In Südtirol beschenkte die hl. Lucia die Mädchen, der hl. Nikolaus die Buben. Nur hier gelang es der Kirche, den heidnischen Kult der Mittwinterfrau einigermaßen christlich umzudeuten. Lediglich das Datum 13. Dezember, sonst absolut nichts mit der hl. Lucia gemein hat die Lucienbraut („Lussibrud“) in Schweden. An diesem Tag tritt im protestantischen Schweden eine Lichttragende auf. Ein weißgekleidetes Mädchen mit Kranz oder Diadem, auf dem brennende Kerzen stecken, bringt auf ihren Händen einen köstlichen Kuchen in die gute Stube. Begleitet wird die Lucienbraut von einem Sternträger und Kindern in weißen Kleidern. Dieser schwedische Vorweihnachtsbrauch ist erstmals 1780 belegt und wurde nach dem Zweiten Weltkrieg wiederbelebt; er ist bei uns durch die Medien bekannt geworden.
Mit Einverständnis des Autors gekürzter Auszug aus einem Aufsatz von Dr. Reinhard Rinnerthaler: „Hülfe fürs Augenlicht“ - Die heiligen Fürsprecherinnen Ottilia und Lucia; Kunst, Verehrung und Brauchtum (Zeitschrift Salzburger Volkskultur, 24. Jg., April 2000). Darin ist ein ausführliches Literaturverzeichnis zum Thema enthalten.