Protestantismus

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Protestantismus (urspr. von pro testatio, Zeugnis für (das Evangelium)) ist der Oberbegriff für das nichtorthodoxe, mehr oder weniger "papstfeindliche" Christentum. Dieser Artikel behandelt jedoch nicht die Einzelprobleme der Theologie der Reformation (siehe: dort), sondern die religionspolitische Mentalität, die diese ermöglicht hat. Der Protestantismus umfasst Staatskirchen bzw. ehem. Staatskirchen (Kirche von England, EKD) sowie, im weiteren Sinn, auch die Freikirchen, die von ersteren als Sekten gebrandmarkt und verfolgt wurden. Der ursprüngliche Protestantismus hat nichts mit der Idee der Religionsfreiheit gemeinsam, denn idealtypisch sollte allein das Evangelium die Herzen der Menschen regieren. Der Zerfall in Tausende von Konfessionen (davon ca. 200 von relevanter Größe) ist jedoch mit der Preisgabe des kirchlichen Amtes (im bisherigen Sinn) schon dem Anfang der Reformation 1517 innewohnend gewesen. Diese Frucht wird nurmehr nachträglich als Ausdruck der "Freiheit des Christenmenschen" erachtet. Ursprünglich meinte diese Freiheit die vollständige Unterwerfung der Religion unter die Landesherren, was sie aber angeblich von der "Hure Babylon" (=Rom; ein von manchen Predigern z.B. in USA immer noch gern strapazierter Vergleich) "befreite".

Dieser "Altprotestantismus" (ca.1555-1794) hat die Folgen der unter dem Einfluss der Aufklärung stehende deutsche Exegese der Bibel aber nie verwunden und ist, bis auf geringfügige Reste, im 19. Jahrhundert untergegangen. Da die staatskirchlichen Strukturen aber den späteren Untergang der deutschen Fürstentümer im Jahr 1918 überlebt hatten, wurde "evangelischer" Predigtinhalt nunmehr, wenn auch meist in moralisierender Kontemplation nur implizit enthalten, der "neue Staat" (zeitweilig so auch der Nationalsozialismus, seither wahlweise Liberalismus oder Sozialismus) bzw. das Christsein nach Maßgabe der "Gegenwart". Dagegen protestierte wiederum seit 1933 die bekennende Kirche, in deren Tradition sich heutige "Kirchenoffizielle" seit 1945 wie u.a. Wolfgang Huber gern sehen, nicht immer zu Unrecht. Die nationale Politik wird vom organisierten Protestantismus jedoch in jeder Epoche nahezu ausnahmslos mit "kritischer Sympathie" begleitet; in der Monarchie die Monarchie, in der Diktatur die Diktatur, in der Demokratie die Demokratie.

Im internationalen Kontext ist das helvetische Bekenntnis (insb. der Calvinismus), neben den Freikirchen, bedeutender als das Luthertum, dessen Einflussbereich kaum über die deutsch-skandinavischen Gebiete hinausreicht (abgesehen von einigen Missionen und kleinen Gemeinden in Amerika). Dieser "deutsche Sonderweg"* erachtet sich im ökumenischen Dialog für sehr wichtig, wie es für den deutschen Nationalismus (und auch die Schweiz) typisch ist. [*Religiös darf im deutschen Protestantismus inzwischen nahezu jede Lehre vertreten werden, die mithilfe irgendeiner Interpretation an Bibelzitate anzuknüpfen vorgibt. "Gestrichen" aus der Bibel wurde jedoch Mt. 16,18 und die Funktion des Hl. Petrus in den Evangelien und der Apostelgeschichte, da diese Texte das Papsttum stützen können.]

Würdigung

Wie schon zu Beginn des Protestantismus, so besteht dort auch heute (und vermutlich in Zukunft) der einzige Konsens darin, die Ablehnung des im Kollegium der Bischöfe verbindlich und supranational handelnden Petrusnachfolgers als "vom Evangelium" gefordert zu behaupten. Diese Forderung ist aber immer im aktuellen Staatsinteresse. (Daher die fast stets größere Popularität protestantischer Kirchenführer bei den Regierungen.) "Was" das Evangelium positiv fordert, darüber gibt dann fast jeder leitende protestantische Kirchenpolitiker eine andere (subjektive) Auslegung ab; im Zweifel argumentiert man "christlich" zugunsten der Staatsraison. Die Freikirchen verzichten jedoch weitestgehend auf eine öffentlich wirksame Funktion der Religion. Seitdem der Katholizismus seine Position zur Religionsfreiheit (vgl. Dignitatis humanae, 1965) neu akzentuiert hat, ergeben sich mehr und mehr ökumenische Kooperationsmöglichkeiten zwischen frommen Katholiken und frommen "Freikirchlern". Zwischen diesen beiden "Flügeln" des Christentums verlieren die protestanischen Großorganisationen zunehmend an Bedeutung, insbesondere in Europa.

Wegen dieser eklatanten Notlage der ehem. reformierten Staatskirchen, die durch das deutsche Kirchensteuersystem noch einigermaßen verschleiert wird, muss dem Katholizismus, der zur "Schadenfreude" ja angesichts eigener Sorgen keinerlei Veranlassung hat, darin liegen, die weithin ruinierten protestantischen Groß-Konfessionen mit Milde, Demut und Geduld zu behandeln; die dort vorzufindende geistige Leere und permanente Flucht in die Politik ist aber nicht nachzuahmen.