Vos estis lux mundi 2023

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Motu proprio
Vos estis lux mundi

von Papst
Franziskus
Normen im Fall von Meldungen in Bezug auf Verbrechen sexuellen Missbrauchs (vgl. Krise durch sexuellen Missbrauch)
25. März 2023

(Quelle: Die aktualisierte deutsche Fassung auf der Vatikanseite - VAS 239)
Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


Einleitend

»Ihr seid das Licht der Welt. Eine Stadt, die auf einem Berg liegt, kann nicht verborgen bleiben« (Mt 5,14). Unser Herr Jesus Christus ruft jeden Gläubigen, ein leuchtendes Vorbild an Tugend, Integrität und Heiligkeit zu sein. Wir alle sind nämlich berufen, in unserem Leben und insbesondere in unserer Beziehung zum Nächsten konkretes Zeugnis für den Glauben an Christus zu geben.

Die Verbrechen sexuellen Missbrauchs beleidigen unseren Herrn, verursachen physische, psychische und spirituelle Schäden bei den Opfern und verletzten die Gemeinschaft der Gläubigen. Damit solche Phänomene in all ihren Formen nicht mehr geschehen, braucht es eine ständige und tiefe Umkehr der Herzen, die durch konkrete und wirksame Handlungen bezeugt wird; diese beziehen alle in der Kirche mit ein, sodass die persönliche Heiligkeit und der moralische Einsatz dazu beitragen können, die volle Glaubwürdigkeit der Verkündigung des Evangeliums und die Wirksamkeit der Sendung der Kirche zu fördern. Dies wird nur mit der Gnade des Heiligen Geistes, der in die Herzen ausgegossen ist, möglich, denn wir müssen immer des Wortes Jesu eingedenk sein: »Getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen« (Joh 15,5). Auch wenn schon vieles getan wurde, müssen wir weiter aus den bitteren Lektionen der Vergangenheit lernen, um hoffnungsvoll in die Zukunft zu blicken.

Diese Verantwortung fällt in erster Linie auf die Nachfolger der Apostel, denen Gott die pastorale Leitung seines Volkes anvertraut hat, und fordert von ihnen den Einsatz, den Spuren des Göttlichen Meisters nahe zu folgen. Aufgrund ihres Dienstamtes nämlich leiten sie »die ihnen zugewiesenen Teilkirchen als Stellvertreter und Gesandte Christi durch Rat, Zuspruch, Beispiel, aber auch in Autorität und heiliger Vollmacht, die sie indes allein zum Aufbau ihrer Herde in Wahrheit und Heiligkeit gebrauchen, eingedenk, dass der Größere werden soll wie der Geringere und der Vorsteher wie der Diener« (Zweites Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen gentium, 27).

Was die Nachfolger der Apostel dringender betrifft, geht auch alle an, die auf verschiedene Weise Dienste in der Kirche übernehmen, die evangelischen Räte leben oder gerufen sind, dem christlichen Volk zu dienen. Daher ist es gut, auf universalkirchlicher Ebene Verfahrensweisen anzuwenden, um diesen Straftaten, die das Vertrauen der Gläubigen verraten, vorzubeugen und entgegenzuwirken.

Mit diesem Ziel habe ich am 7. Mai 2019 ein Apostolisches Schreiben in Form eines Motu Proprio mit Normen ad experimentum für einen Zeitraum von drei Jahren promulgiert. Nachdem die festgelegte Zeit abgelaufen ist, die von den Bischofskonferenzen und den Dikasterien der Römischen Kurie eingegangenen Stellungnahmen berücksichtigt und die Erfahrungen dieser Jahre ausgewertet worden sind,

verfüge ich nun,

um eine bessere Umsetzung der Vorgaben voranzubringen, unbeschadet dessen, was im Kodex des kanonischen Rechts und im Kodex der Canones der Orientalischen Kirchen zu straf- und verfahrensrechtlichen Fragen vorgesehen ist:

TITEL 1: ALLGEMEINE BESTIMMUNGEN

Art. 1 – Anwendungsbereich

§ 1. Die vorliegenden Normen finden Anwendung im Fall von Meldungen in Bezug auf Kleriker oder auf Angehörige von Instituten des geweihten Lebens oder Gesellschaften des apostolischen Lebens und auf die Vorsitzenden der vom Apostolischen Stuhl anerkannten oder errichteten internationalen Vereine von Gläubigen, die Folgendes betreffen:

a)

  • eine Straftat gegen das sechste Gebot des Dekalogs, die mit Gewalt oder durch Drohung oder durch Missbrauch der Autorität begangen wird, oder indem jemand gezwungen wird, sexuelle Handlungen zu vollziehen oder zu erleiden;
    • eine Straftat gegen das sechste Gebot des Dekalogs, die mit einem Minderjährigen oder einer Person, die dauernd einen unvollständigen Vernunftgebrauch besitzt, oder mit einem schutzbedürftigen Erwachsenen begangen wurde;
      • den sittenwidrigen Erwerb, die Aufbewahrung, die Darbietung oder die Verbreitung von pornografischen Bildern von Minderjährigen oder von Personen, die dauernd einen unvollständigen Vernunftgebrauch besitzen, in jedweder Form und mit jeglichen Mitteln;
        • das Anwerben oder das Verleiten eines Minderjährigen oder einer Person, die dauernd einen unvollständigen Vernunftgebrauch besitzt, oder eines schutzbedürftigen Erwachsenen, sich pornografisch darzustellen oder an echten oder simulierten pornografischen Darbietungen teilzunehmen;

b) die Verhaltensweisen, die von den in Artikel 6 genannten Personen verwirklicht werden und in Handlungen oder Unterlassungen bestehen, die darauf gerichtet sind, die zivilen Untersuchungen oder kirchenrechtlichen Untersuchungen verwaltungsmäßiger oder strafrechtlicher Natur gegenüber einer der im vorstehenden § 1 genannten Personen bezüglich der unter dem Buchstaben a) dieses Paragraphen genannten Vergehen zu beeinflussen oder zu umgehen.

§ 2. Bezüglich der vorliegenden Normen versteht man unter:

a) »minderjährig«: jede Person, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat; dem Minderjährigen wird die Person gleichgestellt, die dauernd einen unvollständigen Vernunftgebrauch besitzt;

b) »schutzbedürftiger Erwachsener«: jede Person im Zustand von Krankheit, von physischer oder psychischer Beeinträchtigung oder von Freiheitsentzug, wodurch faktisch, auch gelegentlich, ihre Fähigkeit zu verstehen und zu wollen eingeschränkt ist, zumindest aber die Fähigkeit, der Schädigung Widerstand zu leisten.

c) »pornografisches Material von Minderjährigen«: jede Darstellung einer minderjährigen Person, die unabhängig vom verwendeten Mittel in explizite sexuelle Handlungen, seien sie real oder simuliert, verwickelt ist, oder jede Darstellung der Geschlechtsorgane von Minderjährigen zu Zwecken sexueller Begierde oder des Profits.

Art. 2 – Annahme der Meldungen und Datenschutz

§ 1. Unter Berücksichtigung der Weisungen, die eventuell von den jeweiligen

Bischofskonferenzen, Synoden der Bischöfe der Patriarchatskirchen und der großerzbischöflichen Kirchen oder von den Hierarchenräten der Metropolitankirchen sui iuris in Kraft gesetzt wurden, müssen die Diözesen oder Eparchien – einzeln oder gemeinsam – über Einrichtungen oder Ämter verfügen, die der Öffentlichkeit leicht zugänglich sind, um Meldungen entgegenzunehmen. Die Meldungen müssen bei diesen kirchlichen Einrichtungen oder Ämtern eingereicht werden.

§ 2. Die Informationen, von denen in diesem Artikel die Rede ist, werden so geschützt und behandelt, dass die Sicherheit, die Unversehrtheit und die Vertraulichkeit gemäß can. 471, 2° CIC und can. 244 § 2, 2° CCEO gewährleistet ist.

§ 3. Vorbehaltlich der Bestimmung in Artikel 3 § 3 leitet der Ordinarius, der die Meldung erhalten hat, diese unverzüglich an den Ordinarius des Ortes, wo die Taten stattgefunden haben sollen, sowie an den eigenen Ordinarius der angezeigten Person weiter. Unbeschadet einer anderslautenden Vereinbarung zwischen den beiden Ordinarien obliegt es dem Ordinarius des Ortes, an dem die Ereignisse stattgefunden haben sollen, nach Maßgabe des Rechts entsprechend dem, was für den spezifischen Fall vorgesehen ist, vorzugehen.

§ 4. Im Sinne dieses Titels sind die Eparchien den Diözesen gleichgestellt und der Hierarch dem Ordinarius.

Art. 3 – Meldung

§ 1. Außer im Falle der Kenntnisnahme der Nachricht durch einen Kleriker in Ausübung seines Dienstes im forum internum, hat ein Kleriker oder ein Angehöriger eines Instituts des geweihten Lebens oder einer Gesellschaft des apostolischen Lebens jedes Mal, wenn er Nachricht darüber oder triftige Gründe zur Annahme hat, dass eine der Taten nach Artikel 1 begangen wurde, die Pflicht, sie beizeiten dem Ordinarius des Ortes, wo die Taten stattgefunden haben sollen, oder einem anderen Ordinarius gemäß can. 134 CIC und can. 984 CCEO zu melden, unbeschadet der Bestimmung des § 3 dieses Artikels.

§ 2. Jeder, insbesondere die Laien, die ein Amt oder einen Dienst in der Kirche ausüben, kann eine Meldung im Hinblick auf eine der Taten nach Artikel 1 machen, indem er von den im vorstehenden Artikel genannten Modalitäten oder von jeder anderen geeigneten Art und Weise Gebrauch macht.

§ 3. Wenn die Meldung eine der in Artikel 6 genannten Personen betrifft, wird diese der Autorität gemacht, die auf Grundlage der Artikel 8 und 9 festgestellt wurde. Die Meldung kann immer direkt oder über den Päpstlichen Vertreter an das zuständige Dikasterium gerichtet werden. Im ersten Fall informiert das Dikasterium den Päpstlichen Vertreter.

§ 4. Die Meldung muss möglichst alle erforderlichen Umstände enthalten, wie Angaben zu Zeit und Ort der Taten, der beteiligten oder informierten Personen, sowie jede andere Gegebenheit, die hilfreich sein kann, um eine genaue Beurteilung der Taten zu gewährleisten.

§ 5. Die Nachrichten können auch ex officio erworben worden sein.

Art. 4 – Schutz dessen, der die Meldung macht

§ 1.Eine Meldung gemäß Artikel 3 zu erstatten, stellt keine Verletzung des Amtsgeheimnisses dar.

§ 2. Unbeschadet dessen, was in can. 1390 CIC und cann. 1452 und 1454 CCEO vorgesehen ist, sind Beeinträchtigungen, Vergeltung oder Diskriminierungen wegen des Einreichens einer Meldung verboten und können die Verhaltensweisen nach Artikel 1 § 1, Buchstabe b) ergänzen.

§ 3. Demjenigen, der eine Meldung erstattet, der Person, die behauptet, geschädigt worden zu sein, und den Zeugen kann kein Schweigegebot hinsichtlich ihres Inhalts auferlegt werden, unbeschadet der Bestimmungen von Artikel 5 § 2.

Art. 5 – Sorge für die Personen =

§ 1. Die kirchlichen Autoritäten setzen sich dafür ein, dass diejenigen, die sagen, verletzt worden zu sein, zusammen mit ihren Familien mit Würde und Respekt behandelt werden; sie bieten ihnen im Besonderen:

a) Annahme, Gehör und Begleitung, auch mittels spezifischer Dienste;

b) spirituelle Betreuung;

c) medizinische, therapeutische und psychologische Betreuung entsprechend dem spezifischen Fall;

§ 2. In jedem Fall müssen der legitime Schutz des guten Rufs und der Privatsphäre aller beteiligten Personen genauso wie die Vertraulichkeit personenbezogener Daten sichergestellt werden. Für gemeldete Personen gilt die Vermutung nach Artikel 13 § 7, unbeschadet dessen, was in Artikel 20 vorgesehen ist.

TITEL 2: BESTIMMUNGEN HINSICHTLICH DER BISCHÖFE UND GLEICHGESTELLTEN

Art. 6 – Subjektsbezogener Anwendungsbereich

Die Verfahrensnormen des vorliegenden Titels betreffen die unter Artikel 1 aufgeführten Straftaten und Verhaltensweisen folgender Personen:

a) Kardinäle, Patriarchen, Bischöfe und Gesandte des Papstes;

b) Kleriker, die der pastoralen Leitung einer Teilkirche oder einer ihr gleichgestellten lateinischen oder ostkirchlichen Struktur, einschließlich der der Personalordinariate, vorstehen oder vorstanden, für während der Amtszeit (durante munere) begangene Taten;

c) Kleriker, die der pastoralen Leitung einer Personalprälatur vorstehen oder vorstanden, für während der Amtszeit (durante munere) begangene Taten;

d) Kleriker, die einen öffentlichen klerikalen Verein mit der Befugnis zur Inkardination leiten oder leiteten, für während der Amtszeit (durante munere) begangene Taten;

e) diejenigen, die oberste Leiter von Instituten des geweihten Lebens oder Gesellschaften des apostolischen Lebens päpstlichen Rechts wie auch von Klöstern sui iuris sind oder waren, für während der Amtszeit (durante munere) begangene Taten;

f) Laien, die Vorsitzende von internationalen Vereinen von Gläubigen sind oder waren, die vom Apostolischen Stuhl anerkannt oder errichtet worden sind, für während der Amtszeit (durante munere) begangene Taten.

Art. 7 – Zuständiges Dikasterium

§ 1. Im Sinne des vorliegenden Titels sind unter »zuständiges Dikasterium« das Dikasterium für die Glaubenslehre hinsichtlich der ihm von den geltenden Normen reservierten Straftaten zu verstehen. Hinzu kommen in allen anderen Fällen, je nach Zuständigkeit aufgrund des Eigenrechts der Römischen Kurie:

- das Dikasterium für die Orientalischen Kirchen;

- das Dikasterium für die Bischöfe;

- das Dikasterium für die Evangelisierung;

- das Dikasterium für den Klerus;

- das Dikasterium für die Institute des geweihten Lebens und die Gesellschaften des apostolischen Lebens.

- das Dikasterium für die Laien, die Familie und das Leben.

§ 2. Zur Gewährleistung der besseren Abstimmung informiert das zuständige Dikasterium über die Meldung und den Ausgang der Untersuchung das Staatssekretariat und die anderen unmittelbar betroffenen Dikasterien.

§ 3. Die in diesem Titel erwähnten Kommunikationen zwischen Metropoliten und dem Heiligen Stuhl erfolgen über den Päpstlichen Vertreter.

Art. 8 – Verfahren, das im Fall einer Meldung über einen Bischof der Lateinischen Kirche und andere in Artikel 6 genannte Personen anzuwenden ist

§ 1. Die Autorität, die eine Meldung erhält, leitet diese sowohl an das zuständige Dikasterium als auch an den Metropoliten der Kirchenprovinz weiter, in der die gemeldete Person ihren Wohnsitz hat.

§ 2. Wenn die Meldung den Metropoliten betreffen oder der Metropolitansitz vakant sein sollte, wird diese sowohl an den Heiligen Stuhl als auch an den dienstältesten Suffraganbischof übermittelt, für den in diesem Fall die folgenden Bestimmungen hinsichtlich des Metropoliten anzuwenden sind. Ebenso wird dem Heiligen Stuhl die Meldung weitergeleitet, die diejenigen betrifft, die die pastorale Leitung kirchlicher Jurisdiktionsbezirke innehaben, die demselben Heiligen Stuhl unmittelbar unterstellt sind.

§ 3. Falls die Meldung einen Päpstlichen Gesandten betrifft, wird diese direkt dem Staatssekretariat übermittelt.

Art. 9 – Verfahren, das gegenüber Bischöfen der Ostkirchen und anderen in Artikel 6 genannten Personen anzuwenden ist

§ 1. Im Fall von Meldungen über einen Bischof oder eine gleichgestellte Person einer Patriarchatskirche, einer großerzbischöflichen Kirche oder einer Metropolitankirche sui iuris werden diese an den jeweiligen Patriarchen, Großerzbischof oder Metropoliten der Kirche sui iuris weitergeleitet.

§ 2. Falls die Meldung einen Metropoliten einer Patriarchatskirche oder großerzbischöflichen Kirche betrifft, der sein Amt innerhalb des Territoriums dieser Kirchen ausübt, wird diese an den jeweiligen Patriarchen oder Großerzbischof weitergeleitet.

§ 3. In den oben genannten Fällen leitet die Autorität, die die Meldung erhalten hat, diese auch an das Dikasterium für die Orientalischen Kirchen weiter.

§ 4. Falls die gemeldete Person ein Bischof oder Metropolit außerhalb des Territoriums der Patriarchatskirche, der großerzbischöflichen Kirche oder Metropolitankirche sui iuris sein sollte, wird die Meldung an das Dikasterium für die Orientalischen Kirchen weitergeleitet, das den zuständigen Patriarchen, Großerzbischof oder den Metropoliten sui iuris unterrichtet, wenn es dies für angebracht hält.

§ 5. Falls die Meldung einen Patriarchen, einen Großerzbischof oder einen Metropoliten einer Kirche sui iuris oder einen Bischof der anderen Ostkirchen sui iuris betrifft, wird diese an das Dikasterium für die Orientalischen Kirchen weitergeleitet.

§ 6. Die folgenden Bestimmungen bezüglich des Metropoliten finden Anwendungen auf die kirchliche Autorität, an die die Meldung auf Grundlage des vorliegenden Artikels ergeht.

Art. 10 – Verfahren, das für die obersten Leiter von Instituten des geweihten Lebens oder Gesellschaften des apostolischen Lebens anzuwenden ist

Betrifft die Meldung solche, die oberste Leiter von Instituten des geweihten Lebens oder Gesellschaften des apostolischen Lebens päpstlichen Rechts sind oder waren, sowie von Klöstern sui iuris, die sich in Rom und in den suburbikarischen Diözesen befinden, so wird sie an das zuständige Dikasterium weitergeleitet.

Art. 11 – Anfängliche Pflichten des Metropoliten

§ 1. Der Metropolit, der die Meldung erhält, bittet das zuständige Dikasterium unverzüglich um den Auftrag, die Untersuchung einzuleiten.

§ 2. Das Dikasterium sorgt umgehend dafür, jedenfalls innerhalb von dreißig Tagen nach Erhalt der ersten Meldung seitens des Päpstlichen Vertreters oder der Bitte um Beauftragung seitens des Metropoliten, angemessene Anweisungen bezüglich der Vorgehensweise im konkreten Fall zu erteilen.

§ 3. Hält der Metropolit die Meldung für offenkundig haltlos, setzt er über den Päpstlichen Vertreter das zuständige Dikasterium darüber in Kenntnis und verfügt deren Archivierung, außer letzteres hat etwas anderes angeordnet.

Art. 12 – Übertragung der Untersuchung an eine andere Person als den Metropoliten

§ 1. Sollte das zuständige Dikasterium nach Anhörung des Päpstlichen Vertreters es für angebracht halten, die Untersuchung einer anderen Person als dem Metropoliten zu übertragen, so wird dieser informiert. Der Metropolit übergibt alle relevanten Informationen und Dokumente an die vom Dikasterium beauftrage Person.

§ 2. In dem im vorhergehenden Paragraphen behandelten Fall sind die folgenden Bestimmungen bezüglich des Metropoliten auf die mit der Durchführung der Untersuchung beauftragten Person anzuwenden.

Art. 13 – Durchführung der Untersuchung

§ 1. Nach Erhalt des Auftrags durch das zuständige Dikasterium und unter Beachtung der erhaltenen Anweisungen zur Vorgehensweise wird der Metropolit persönlich oder mittels einer oder mehrerer geeigneter Personen:

a) die bezüglich der Taten relevanten Informationen sammeln;

b) die für die Untersuchung notwendigen Informationen und Dokumente, die in den Archiven der kirchlichen Behörden aufbewahrt sind, einsehen;

c) die Mitarbeit anderer Ordinarien oder Hierarchen, wo erforderlich, erhalten;

d) die Personen und Einrichtungen, auch auf ziviler Seite, die für die Untersuchung nützliche Informationen liefern können, um Auskunft bitten, wenn er es für angebracht hält und unter Beachtung der Bestimmungen des folgenden § 7.

§ 2. Wenn es erforderlich sein sollte, einen Minderjährigen oder einen schutzbedürftigen Erwachsenen anzuhören, wird der Metropolit dies auf eine angemessene Art und Weise tun, die ihrer Verfassung und den Gesetzen des Staates Rechnung trägt.

§ 3. Falls es triftige Gründe zur Annahme gibt, dass die Untersuchung betreffende Informationen oder Dokumente unterschlagen oder vernichtet werden könnten, trifft der Metropolit die für ihre Bewahrung notwendigen Maßnahmen.

§ 4. Auch wenn er auf die Hilfe anderer Personen zurückgreift, bleibt der Metropolit dennoch für die Leitung und Durchführung der Untersuchungen wie auch für den genauen Vollzug der im Artikel 11 § 2 enthaltenen Anweisungen verantwortlich.

§ 5. Dem Metropoliten steht ein gemäß can. 483 § 2 CIC und can. 253 § 2 CCEO frei gewählter Notar zur Seite.

§ 6. Der Metropolit ist gehalten, unparteiisch und frei von Interessenskonflikten zu handeln. Falls er meint, sich in einem Interessenskonflikt zu befinden oder nicht imstande zu sein, die notwendige Unparteilichkeit zur Gewährleistung der Integrität der Untersuchung zu bewahren, ist er verpflichtet, sich zu enthalten und den Umstand dem zuständigen Dikasterium zu melden.

Ebenso ist jeder verpflichtet, sich an das zuständige Dikasterium zu wenden, der glaubt, dass im jeweiligen Fall ein solcher Interessenkonflikt vorliegt.

§ 7. Für die Person, gegen die ermittelt wird, gilt immer die Unschuldsvermutung und der legitime Schutz ihres guten Rufs.

§ 8. Sofern es vom zuständigen Dikasterium gefordert wurde, informiert der Metropolit die Person über die Untersuchung zu ihren Lasten, hört sie hinsichtlich der Tatsachen an und lädt sie dazu sein, einen Schriftsatz zur Verteidigung einzureichen. In diesen Fällen kann die Person, gegen die ermittelt wird, von einem Prokurator Gebrauch machen.

§ 9. Der Metropolit übermittelt in regelmäßigen Abständen entsprechend den erhaltenen Weisungen dem zuständigen Dikasterium ein Informationsschreiben über den Stand der Untersuchungen.

Art 14 – Einbeziehung qualifizierter Personen

§ 1. In Übereinstimmung mit den allfälligen Leitlinien der Bischofskonferenz, der Synode der Bischöfe oder des Hierarchenrats über die Art und Weise, dem Metropoliten bei seinen Untersuchungen zu helfen, ist es sehr zweckmäßig, dass die Bischöfe der jeweiligen Provinz einzeln oder gemeinsam Verzeichnisse qualifizierter Personen erstellen, aus denen der Metropolit diejenigen auswählen kann, die am geeignetsten sind, ihn den Erfordernissen des Falls entsprechend in der Untersuchung zu unterstützen, insbesondere unter Beachtung der Mitwirkung, die gemäß can. 228 CIC und can. 408 CCEO von Laien geleistet werden kann.

§ 2. Dem Metropoliten steht es in jedem Fall frei, andere gleichermaßen qualifizierte Personen zu wählen.

§ 3. Jeder, der den Metropoliten in der Untersuchung unterstützt, ist gehalten, unparteiisch und frei von Interessenskonflikten zu handeln. Falls er meint, sich in einem Interessenskonflikt zu befinden oder nicht imstande zu sein, die notwendige Unparteilichkeit zur Gewährleistung der Integrität der Untersuchung zu bewahren, ist er verpflichtet, sich zu enthalten und den Umstand dem Metropoliten zu melden.

§ 4. Die Personen, die den Metropoliten unterstützen, leisten den Eid, den Auftrag angemessen und treu zu erfüllen, unter Beachtung dessen, was in Artikel 13 § 7 vorgesehen ist.

Art. 15 – Dauer der Untersuchung

§ 1. Die Untersuchungen müssen innerhalb kurzer Zeit und in jedem Fall bis zu der in den Anweisungen gemäß Artikel 11 § 2 angegebenen Frist abgeschlossen werden.

§ 2. Bei Vorliegen gerechter Gründe und nach Übermittlung eines Informationsschreibens über den Stand der Ermittlungen kann der Metropolit das zuständige Dikasterium um Fristverlängerung bitten.

Art. 16 – Vorbeugende Maßnahmen

Falls die Tatsachen oder die Umstände es erfordern, schlägt der Metropolit dem zuständigen Dikasterium die Anwendung von vorbeugenden Vorkehrungen oder Maßnahmen vor, die gegenüber der Person, gegen die ermittelt wird, angemessen sind. Das Dikasterium wendet die Vorkehrungen nach Anhörung des Päpstlichen Vertreters an.

Art. 17 – Einrichtung eines Fonds

§ 1. Die Kirchenprovinzen, die Bischofskonferenzen, die Synoden der Bischöfe und die Hierarchenräte können einen Fond einrichten, der für die Bestreitung der Untersuchungskosten bestimmt ist. Dieser wird nach Vorschrift der cann. 116 und 1303 § 1, 1° CIC und des can. 1047 CCEO eingerichtet und entsprechend den Normen des kanonischen Rechts verwaltet.

§ 2. Auf Antrag des beauftragten Metropoliten werden ihm die für die Untersuchung notwendigen Summen vom Verwalter des Fonds zur Verfügung gestellt, unbeschadet der Verpflichtung, ihm eine Rechnungslegung beim Abschluss der Untersuchung vorzulegen.

Art. 18 – Übermittlung der Akten und des Votums

§ 1. Nach Beendigung der Untersuchung übermittelt der Metropolit dem zuständigen Dikasterium das Original der Akten zusammen mit seinem Votum über die Untersuchungsergebnisse und als Antwort auf die allenfalls gemäß Artikel 11 § 2 ergangenen Anweisungen. Eine Kopie der Akten wird im Archiv des zuständigen Päpstlichen Vertreters aufbewahrt.

§ 2. Unbeschadet anschließender Anweisungen des zuständigen Dikasteriums erlöschen die Vollmachten des Metropoliten mit der Beendigung der Untersuchung.

§ 3. Unter Beachtung der Anweisungen des zuständigen Dikasteriums informiert der Metropolit die Person, die behauptet, geschädigt worden zu sein, und gegebenenfalls die Person, welche die Meldung gemacht hat, oder ihre gesetzlichen Vertreter auf Anfrage über den Ausgang der Untersuchung.

Art. 19 – Anschließende Maßnahmen

Das zuständige Dikasterium verfährt nach Maßgabe des Rechts entsprechend dem, was für den spezifischen Fall vorgesehen ist, außer es verfügt eine zusätzliche Untersuchung.

Art. 20 – Einhaltung der staatlichen Gesetze

Die vorliegenden Normen finden Anwendung, ohne die jeweils von den staatlichen Gesetzen festgelegten Rechte und Pflichten zu beeinträchtigen, insbesondere diejenigen in Bezug auf allfällige Meldepflichten an die zuständigen zivilen Behörden.

Ich lege fest, dass das vorliegende Apostolische Schreiben in Form eines Motu proprio durch Veröffentlichung im L’Osservatore Romano promulgiert wird, am 30. April 2023 in Kraft tritt und dann in den Acta Apostolicae Sedis publiziert wird. Mit seinem Inkrafttreten wird das vorherige Apostolische Schreiben in Form eines Motu proprio, das am 7. Mai 2019 promulgiert wurde, aufgehoben.

Gegeben zu Rom, bei Sankt Peter, am 25. März des Jahres 2023, dem Hochfest der Verkündigung des Herrn,

im elften Jahr meines Pontifikats.

Franziskus

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