Weihnachtsansprachen Papst Johannes' XXIII.

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Weihnachtsansprachen

von Papst
Johannes XXIII.
an das Kardinalskollegium bzw. am Rundfunk der ganzen Welt

(Quelle: Herder-Korrespondenz)
Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


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Inhaltsverzeichnis

1958

(Herder-Korrespondenz, 13 Jg., S. 239-242)
(Offizielle italienische Fassung: Signor cardinale AAS 51 [1959] 5-12)

Hintergrund

Die Feier des Weihnachtsfestes 1958 in Rom fand ihre Gestaltung durch den neuen Stil der Persönlichkeit Papst Johannes' XXIII. Er zelebrierte die Mitternachtsmesse nicht im engsten Kreis des päpstlichen Hofes in seiner Privatkapelle, sondern in Gegenwart des beim Heiligen Stuhl akkreditierten Diplomatischen Korps. Das feierliche Weihnachtshochamt zelebrierte er im Petersdom. Am Nachmittag besuchte er zwei große römische Kinderkrankenhäuser, ließ Weihnachtsgaben verteilen und spendete den Kranken, den Ärzten und dem Pflegepersonal den Segen. Am zweiten Weihnachtsfeiertag stattete Johannes XXIII. in seiner Eigenschaft als Bischof von Rom dem großen römischen Gefängnis "Regina Coeli" einen Besuch ab.

Schon am 23. Dezember übermittelten die Kurienkardinäle und Kurienbeamten dem Heiligen Vater ihre Weihnachtswünsche. Als ihr Sprecher stellte der Dekan des Kardinalkollegiums, [[Eugen Tisserant|Eugen Kardinal Tisserant, noch einmal die spontane Anteilnahme und die Trauer der ganzen Welt beim Ableben Papst Pius' XII. heraus. "Während das Getriebe der Weltpolitik alles andere als beruhigend ist, hatten Millionen von Menschen beim Tod Pius' XII. den Eindruck, eine Garantie der Sicherheit verloren zu haben." Kardinal Tisserant betonte, dass für das Konklave, über das soviel Falsches geredet und gedruckt worden sei, nur eine richtige Behauptung gelte: "Der allmächtige Gott hat die Wahl gelenkt und bestimmt." Nach einer Würdigung der Persönlichkeit des neuen Papstes, der schon so viel Sympathie auf sich gezogen habe, und einem Rückblick auf die Veränderungen im Kardinalskollegium während des verflossenen Jahres wünschte der Kardinal dem Papst ein glückliches Jahr 1959 und viele weitere Jahre eines friedengesegneten Pontifikates. Darauf antwortete Johannes XXIII. mit seiner ersten Weihnachtsbotschaft :

Ansprache

Die Freude des Volkes über den neuen Hirten

Herr Kardinal! Wir sind Ihnen dankbar für die werten und schönen Worte, die Sie an Uns im Namen des ganzen Heiligen Kollegiums richteten, über dessen Bild erneuerter Jugend Wir Uns an diesem Tage freuen, dankbar dafür, dass Sie in glücklicher Weise hindeuten wollten auf die Freude und auf die Empfindung der ganzen Welt, der vornehmen Vertreter der verschiedenen Nationen sowie der römischen Geistlichkeit beim Beginn dieses neuen Pontifikates. In der inneren, wenn auch unvollkommenen Kenntnis Unserer selbst und in der Demut Unseres Herzens glauben Wir feststellen zu dürfen, dass es nicht einfach hin der Menschlichkeit und Herzlichkeit Unserer bescheidenen Person zukam, Uns sofort - wie Sie so wohlwollend sagen - die Sympathie der Völker und der Regierenden zu erwerben, die besonders in den unmittelbaren Ausbrüchen der Freude und der Achtung des römischen Volkes sichtbar wurde. Es war vielmehr die erneute Ausgießung der Gnade des Heiligen Geistes, der der Kirche des Herrn versprochen ist und nicht aufhört, verschiedene Formen der Gnadengaben zu erwecken, die rings um Uns so große Verwunderung hervorrufen. Gerne erinnern Wir Uns daran, Herr Kardinal, wie Wir zusammen mit Ihnen und Kardinal Pizzardo gerade vor einem Monat, am 23. November, nach der Besitzergreifung Unserer Kathedrale Sankt Johann im Lateran durch die Straßen der Stadt von dort nach dem Vatikan zurückkehrten. Wir erinnern Uns an jene dichtgedrängte Menschenmenge, die Uns so froh, ehrerbietig und fromm grüßte, genauso wie später am 8. Dezember auf der Piazza di Spagna und in Santa Maria Maggiore. Welch triumphierender Jubel in den Augen, Stimmen und Herzen durch die Verbindung der beiden den Römern so teuren Namen: Die Immakulata und der Papst!

Die gleiche Kundgebung der Volksstimmung erneuert sich, sooft Menschen Uns hier in den weiten Räumen des apostolischen Palastes erwarten oder begegnen.

Es ist für Uns eine besondere Freude, festzustellen, dass die große Menge, die Uns sucht, die Uns ruft und nicht aufhört, Beifall zu spenden, vor allem aus jungen, von treu er und lebendiger Bewunderung sowie von unverdorbener Begeisterung erfüllten Menschen aller Schichten besteht. Das zeigt Uns, dass die Jugend mehr als die Alten, mehr als die Reifen bereit und stark ist, das Erbe Christi zu verteidigen und dem glorreichen und unsterblichen König über Welt und Zeit zu huldigen.

Ehrung Papst Pius' XII.

Diese ersten und ehrerbietigen Ergebenheitskundgebungen für den neuen Papst heben in keiner Weise die allgemeine Trauer auf, die die gesegnete und reine Seele Unseres unmittelbaren Vorgängers, Papst Pius' XII., bis an die Schwelle der himmlischen Heimat begleitete. Im Gegenteil, ihm sind sie zum guten Teile zu verdanken. Gerade Pius XII. und dem Geheimnis der Gnade, dem er im Laufe eines großen Pontifikates von fast zwanzig Jahren gedient hat, gebührt das Verdienst, über die Herde Christi leuchtende Schätze himmlischer Weisheit und lebendigsten seelsorglichen Eifers ausgegossen zu haben. Der schlichte Sohn des Volkes, der von der göttlichen Vorsehung berufen wurde, ganz nach dem Lauf der menschlichen und göttlichen Dinge - "Ich erwählte ihn aus meinem Volk und erhöhte ihn" (Ps. 88, 19) - an seine Stelle zu treten, erstrebt nichts anderes, als das christliche Volk auf dem Wege der Güte und der Barmherzigkeit, der rettet, erhebt und ermutigt, weiterzuführen. Alles trägt unter diesem Gesichtspunkt dazu bei, die Trauer über den Heimgang unseres Vaters und Papstes zu mildern, den wir uns gerne bereits unter den Heiligen Gottes in den himmlischen Gefilden vorstellen, dass er auch von dort neue Kräfte über das christliche Volk ausgieße, das ihn überlebt und das nicht aufhören wird, durch die Jahrhunderte hin sein teures und heiliges Andenken zu ehren.

Die Weihnachtsbotschaften Pius' XII.

Bei der jährlichen Wiederkehr des Festes der Geburt des Herrn hatte Seine Heiligkeit Pius XII. die Sitte eingeführt, den alten, einfachen, liebenswürdigen Austausch von Glückwünschen in eine gehaltvolle und überaus gedankenreiche Ansprache umzuwandeln. Bei dieser Gelegenheit erläuterte er seine hohen oberhirtlichen Gedanken mit der Tiefe und Breite theologischer Gedankenschärfe und mit feinfühlig praktischer Mystik in Bezug auf die sich wandelnden Gegebenheiten der individuellen, familiären, staatlichen und gesellschaftlichen Ordnung oder oft auch Unordnung.

Die modernen Erfindungen zur Übertragung des Gedankens und des Wortes, welche die päpstliche Unterweisung und Mahnung unmittelbar an alle Orte der Erde brachten, ließen viele gewissenhafte Denker ihr Haupt beugen und regten sie zu ernsthafter Überlegung an sowie zu lebhafter und sauberer Trennung zwischen Wahrheit und Irrtum, zwischen dem, was wirklich Anziehungskraft besitzt, und dem, was als trügerische und gefährliche Versuchung zu Unordnung und Untergang führt.

Als Wir in diesen Tagen der Vorbereitung auf Weihnachten Uns für die Begegnung der Herzen rüsteten, schien es Uns das beste, dem Echo jener Ansprachen oder Rundfunkbotschaften unseres verstorbenen Heiligen Vaters, Papst Pius' XII., an die ganze Welt zu lauschen. Auch ihre bloße Erwähnung scheint Uns eine Huldigung zu sein, die seiner und der Umstände nicht unwürdig ist. Es ist wie in einem Haus, das nach dem Heimgang des alten Vaters in die Ewigkeit durch Leere seine Gegenwart vermissen lässt. Seinen um das gleichsam erloschene Herdfeuer versammelten Söhnen ist es ein Trost, seine teure Stimme, seine kostbaren Worte und seine heilsamen Ermahnungen in Erinnerung zu rufen.

Welche Pflicht, welche Freude für den Geist ist es, selbst aus der Ferne einfach ihre Aufzählung zu vernehmen! Von 1939 bis 1957 hielt Pius XII. neunzehn dieser Rundfunkbotschaften, Meisterwerke theologischer, aszetischer, politischer und sozialer Wissenschaft! Jede von ihnen steht im Lichtglanz der Lehre, die als Mittelpunkt das Kind von Bethlehem hat. Die große Flamme des Hirteneifers für die Seelen und für die Völker belebt sie alle. Ihre Gesamtheit ist schließlich hingerichtet auf den geheimnisvollen Stern, der ewig gültige Richtlinien für das spirituelle und universelle Leben sowie für das geschichtliche Sein der Menschen und der Völker ankündigte.

Die Reihe beginnt Weihnachten 1939 mit der Beschreibung der wesentlichen Punkte für das friedliche Zusammenleben der Völker und fährt im Jahre 1940 fort mit den Voraussetzungen für die Neuordnung Europas, im Jahre 1941 für die internationale Neuordnung. Im Jahre 1942 geht es um die innere Ordnung der Staaten und Völker, 1943 um das Licht des Sterns von Bethlehem für die Enttäuschten, für die Trostlosen und für die Gläubigen, verbunden mit Grundsätzen für ein Friedensprogramm. 1944, im sechsten Kriegsjahr, werden Fragen der Demokratie dargelegt und erläutert. In den folgenden Jahren stand der Friede im Mittelpunkt der Ansprachen: 1945, 1946, 1947, 1948, immer geht es um den Frieden unter verschiedenen Gesichtspunkten! 1949 wird die Verkündigung des Heiligen Jahres erklärt, das ein Jahr der großen Rückkehr und der großen Vergebung sein sollte. Im Jahre 1950 wird dann wieder der innere und äußere Frieden der Völker, im Jahre 1951 das Verhältnis von Kirche und Frieden behandelt. 1952 folgen ergreifende Worte über den Menschen im Elend und über den Trost Christi. Im Jahre 1953 sind es genaue, unmißverständliche Ausführungen über den technischen Fortschritt der Welt und über den Frieden; 1954 wird die Koexistenz der Menschen in Furcht, im Irrtum und in der Wahrheit erläutert. 1955 wird die Haltung des modernen Menschen gegenüber dem Weihnachtsgeheimnis und Christus im geschichtlichen und sozialen Leben der Menschheit beschrieben. Im Jahre 1956 bilden die Würde und die Grenzen der Menschennatur eine sehr inhaltsreiche Ansprache voll reiner Lehre mit Anwendungen auf die konkreten Wirklichkeiten und das individuelle Leben. Endlich im Jahre 1957 wird Christus als Quell und Unterpfand der Harmonie in der Welt gezeigt in bewundernswerten und tröstlichen Worten, die nochmals die ganze Gedankenwelt von Papst Pius XII. zusammenfassen.

Sein ruhmreiches Grab im Vatikan an der Seite der Ruhestätte des heiligen Petrus könnte nicht glänzender und treffender ausgeschmückt werden als durch die Titel der Weihnachts- und Rundfunkbotschaften seines Pontifikates. Man wird noch tiefer ergriffen, wenn man bedenkt, dass dies nur neunzehn Ausstrahlungen einer Lehre sind, die eine Reihe von eng gedruckten Bänden in ihrer Gesamtheit kaum zu fassen vermag. In Wahrheit eine bewundernswürdige Lehr- und Seelsorgstätigkeit, die dem Namen Pius' XII. einen Platz in der Nachwelt sichert! Noch fern von jeder offiziellen Erklärung, die verfrüht wäre, kommt seinem gesegneten Andenken als einem Papst unserer stürmischen Zeit heute schon sehr wohl der dreifache Titel zu: "doctor optimus, ecclesiae sanctae lumen, divinae legis amator" (ausgezeichneter Lehrer, Licht der heiligen Kirche, Freund des göttlichen Gesetzes).

Einheit und Friede

Will man in zwei Worten die lebendige Substanz dieser Lehre zusammenfassen, die in den neunzehn Weihnachtsbotschaften und in den zwanzig Bänden der überaus reichen Sammlung der Reden und Briefe Papst Pius' XII. enthalten ist, so genügt es, die Worte auszusprechen: Einheit und Friede. Sie halten die ganze Welt von ihrer Erschaffung bis zur Vollendung ihrer Geschichte zusammen. Sie bringen das wohltuende und befruchtende Licht der Gnade Christi, des Sohnes Gottes, des Heilands und Seligmachers des Menschengeschlechtes zum Ausdruck. Einzige Bedingung von Seiten der Menschen ist die "bona voluntas", der gute Wille, der ebenfalls Gnade Gottes ist, der aber durch das Mitwirken des Menschen in Freiheit erzeugt werden will. Diese fehlende Antwort aus der menschlichen Freiheit heraus auf den Anruf Gottes zur Erfüllung seiner Pläne der Barmherzigkeit bildet das erschreckendste Problem der Menschheitsgeschichte und des Lebens der Menschen und Völker.

Die Gedächtnisfeier der Geburt Jesu vergegenwärtigt unbeirrt jedes Jahr die Verkündigung derselben Lehre mit dem gleichen Klang: Einheit und Friede. Leider verzeichnet die menschliche Geschichte in ihren Anfängen ein blutiges Ereignis: Der Bruder wurde vom Bruder erschlagen. Das Gesetz der Liebe, das der Schöpfer dem Herzen des Menschen eingepflanzt hatte, wurde zerrissen durch die "mala voluntas", den schlechten Willen, der die Menschheit sofort auf den Weg der Ungerechtigkeit und Unordnung führte. Die Einheit wurde zerbrochen, und so war das Eingreifen des Sohnes Gottes selbst notwendig, der es auf sich nahm, durch Gehorsam die heiligen, aber plötzlich preisgegebenen Bande der Menschheitsfamilie wiederherzustellen, und sie um den Preis seines Blutes wieder zusammenfügte.

Dieses Zusammenfügen vollzieht sich immer: Jesus gründete eine Kirche, deren Antlitz er den Charakter der Einheit aufprägte, um alle Völker der Menschheit unter ihren unermesslichen Gezelten zu sammeln, die sich von einem Meere zum anderen erstrecken. Und warum sollte diese Einheit der Katholischen Kirche, die unmittelbar durch göttliche Berufung auf die Ziele der geistigen Ordnung ausgerichtet ist, nicht auch hingeordnet werden können auf das harmonische Zusammenleben der verschiedenen Rassen und Nationen, die ja nach einer Weltordnung suchen, die von den Gesetzen der Gerechtigkeit und Brüderlichkeit bestimmt ist?

Die Einheit der Christen

Hier kehrt das den Gläubigen vertraute Prinzip wieder, dass der treue Dienst für Gott und seine Gerechtigkeit auch dem Wohl der bürgerlichen Gemeinschaft der Völker und Nationen förderlich ist. Noch steht die Erinnerung lebendig vor Unserem Geist, wie vor einigen Jahrzehnten im Nahen Osten einige Vertreter der Orthodoxen Kirchen daran dachten, in praktischer Zusammenarbeit mit den Regierungen eine Vereinigung der Nationen anzusteuern, die mit einer Verständigung unter den mannigfachen christlichen Bekenntnissen mit verschiedenem Ritus und verschiedener Geschichte beginnen sollte. Leider ließ das überhandnehmen von stärkeren konkreten Interessen und nationalistischen Voreingenommenheiten jene an sich guten und beachtenswerten Absichten scheitern. Das beängstigende Problem der gespaltenen Einheit des Erbes Christi besteht noch immer als große Verwirrung und Erschwernis der Arbeit für Christi Reich. Der Weg zur Einheit ist voll bedrückender Schwierigkeiten und Unsicherheiten.

Die Trauer über diese schmerzliche Feststellung hält weder jetzt noch in Zukunft das Bemühen Unseres Herzens auf, die liebevolle Einladung an Unsere getrennten Brüder fortzusetzen. Denn auch sie tragen den Namen Christi auf der Stirn, sie lesen sein heiliges und gesegnetes Evangelium und sind nicht unempfänglich für die Anregungen der religiösen Frömmigkeit und der wohltätigen, segnenden Nächstenliebe.

Wir erinnern an die zahlreichen Worte Unserer Vorgänger; von Papst Leo XIII. über den heiligen Papst Pius X., Benedikt XV., Pius XI. bis zu Pius XII., alles überaus würdige und glorreiche Päpste, die die Aufforderung zur Einheit ergehen ließen. Wir erlauben Uns, nein, Wir haben die feste Absicht, in aller Demut, aber voll Eifer Unseren Auftrag auszuführen, zu dem Uns das Wort und Beispiel Jesu, des göttlichen Guten Hirten, im Hinblick auf die reifende Ernte. auf den weiten Missionsfeldern verpflichten: "Auch diese muss ich herbeiführen, und es wird eine Herde und ein Hirt sein" (Joh. 10,16). Dieser Auftrag liegt schließlich auch in dem Seufzer, den der Herr in den letzten Stunden, in der unmittelbaren Nähe des äußersten Opfers zum Vater emporsteigen ließ: "Vater, dass doch alle eins seien, wie du, Vater, in mir und ich in dir, dass auch sie in uns eins seien und dass die Welt glaube, dass du mich gesandt hast" (Joh. 17,21). Gerade über diesen tiefen und hehren Hinweisen schwebt der Friede, der Friede der Weihnacht, der Friede Christi, das Verlangen der Herzen und der Völker, die Erfüllung jeglicher Gnade des Himmels und der Erde, der Friede, ohne den - wo und solange er fehlt - die Welt im Todeskampf liegt. Wo er aber geschenkt wird, so wie die Engel von Bethlehem ihn verkündeten, erfüllt er mit Frohlocken Geist und Herz.

Herr Kardinal! Der so edle und vom ersten bis zum letzten Worte von Liebe getragene Glückwunsch, den Sie Uns entboten haben im Namen aller Kardinäle, die seit langem oder vor kurzem kreiert sind, und im Namen aller römischen Prälaten, dieser Glückwunsch, Wir möchten es wiederholen, bewegt Uns tief, und Wir danken Ihnen dafür.

Geburt des Herrn! Botschaft der Einheit und des Friedens für die ganze Erde! Erneuter Einsatz des guten Willens im Dienste der Ordnung, der Gerechtigkeit, der Brüderlichkeit bei allen christlichen Völkern, die zusammen herbeieilen in einer gemeinsamen Sehnsucht nach gegenseitigem Verständnis und nach strengster Beachtung der heiligen Freiheiten des Lebens der Menschheit in der dreiLichen, der religiösen, staatlichen und gesellschaftlichen Ordnung.

Es wird Uns von einem liebenswürdigen und einfallsreichen Plan des italienischen Rundfunks berichtet: Man will beim Einläuten des Weihnachtsfestes den Klang der Glocken jener kleinen Pfarre, wo der Diener der Diener Gottes, der jetzt zu euch spricht, geboren und getauft wurde, zusammenklingen lassen mit den Glocken von Venedig, von wo er zu der unerwarteten, von der Vorsehung ihm anvertrauten Aufgabe wegging, und mit dem feierlichen Geläute von St. Peter im Vatikan. Das soll den festlichen Akkord der Verbundenheit aller harmonischen Stimmen der Welt zur Verkündigung der universalen Botschaft und zur Aufforderung für Einheit und Frieden anklingen lassen.

Die verfolgte Kirche und die zertretene Menschlichkeit

Gebe der Herr, dass diese beglückende Einladung überall gehört werde. In manchen Teilen der Welt hat man kein Gehör für diese Einladung. Dort, wo die heiligsten Begriffe der christlichen Kultur erstickt oder ausgelöscht sind, wo die geistliche und göttliche Ordnung erschüttert wird und wo es gelungen ist, die übernatürliche Lebensauffassung zu schwächen, dort muss man, so traurig es ist, das "initium malorum", den Ausgangspunkt aller Übel, feststellen, deren Folgen nunmehr allgemein bekannt sind. Auch wenn man zurückhaltend sein will im Urteilen, Entschuldigen und Mitfühlen der bedrückenden, gottlosen und materialistischen Lage, der einige Nationen unterworfen wurden und unter deren Last sie seufzen, so ist die Sklaverei für die einzelnen und für die Massen, eine Sklaverei des Denkens und eine Sklaverei des Handelns, nicht zu leugnen. Die Heilige Schrift erzählt uns von einem Turm zu Babel, der in den ersten Jahrhunderten der Geschichte in der Ebene von Senaar errichtet wurde und dessen Bau in der Verwirrung endete. In manchen Gegenden ist man heute daran, weitere Türme dieser Art zu bauen. Sicher werden sie so enden wie der erste. Doch die Täuschung ist groß für viele, und der Zusammenbruch droht. Nur die Einheit und die Geschlossenheit in der Stärkung des Apostolats der Wahrheit und der wahren menschlichen und christlichen Brüderlichkeit werden die schweren drohenden Gefahren aufhalten können. Hinsichtlich der Freiheit der Kirche in einigen Teilen der Welt, z. B. im unermesslichen China, hatten Wir schon Gelegenheit, auf sehr schwerwiegende Tatsachen aus jüngster Zeit hinzuweisen. Was sich seit Jahren in diesen unermesslichen Gebieten jenseits des Eisernen Vorhangs vollzieht, ist zu bekannt, als dass es noch weiterer Ausführungen bedürfe.

Wachsamkeit und tätige Liebe

Nichts Militärisches oder Gewaltsames findet sich in unserer Haltung als Menschen des Glaubens. Es ist jedoch notwendig, zu wachen in der Nacht, deren Dunkel immer dichter wird. Wir müssen Bescheid wissen über die Nachstellungen aller, die Gottes Feinde sind, bevor sie noch uns zum Feind werden. Und wir müssen uns vorbereiten auf jede nur mögliche Verteidigung der christlichen Grundsätze, die jetzt und immer der Schutzschild wahrer Gerechtigkeit sind.

Weihnachtszeit, Zeit der guten Werke und eifriger Nächstenliebe! Ihre Ausübung, die der Kultur, die von Christus ihren Namen hat, Inhalt und Farbe gibt, hat die vierzehn Werke der Barmherzigkeit zum Gegenstand. Weihnachten muss den Höhepunkt des religiösen und friedlichen Eifers bilden, der zum Strom der Einheit und Liebe zu den bedürftigen und kranken Brüdern, zu den Kleinen, den Leidenden jeder Art und jeden Namens wird. Es soll eine Weihnacht der Tat sein! Alle, die diese Stimme über die Ätherwellen und im Geläute der Glocken hören, die zur Einheit und zum Gebet für die bescheidene Person des neuen Papstes einladen, sie alle mögen ihre guten Vorsätze für die Heiligung des neuen Jahres festigen, damit es für die ganze Welt werde ein Jahr der Gerechtigkeit, des Segens, der Güte und des Friedens. Amen.

1959

(Herder-Korrespondenz, 14 Jg., S. 226-229)
(Offizielle italienische Fassung: Eccoci a natale AAS 52 [1960] 27-35) (englisch)

Hintergrund

Am 23. Dezember 1959, mittags um 12 Uhr, hat Papst Johannes XXIII. seine Weihnachtsbotschafi an die Bischöfe, Priester, Gläubigen und an die Völker der ganzen Welt ausgesandt. Ihr Hauptgegenstand war der Friede unter alt seinen verschiedenen Aspekten. Die Weihnachtsansprache, die in italienischer Sprache gehalten wurde, hatte folgenden Wortlaut (wir geben sie in eigener Übertragung; die Zwischenüberschriften sind der Veröffentlichung der Botschaft im "Osservatore Romano", 24. 12.59, entnommen):

Die Rundfunkbotschaft Papst Johannes' XXIII. zu Weihnachten

Ehrwürdige Brüder, geliebte Söhne!

Wieder ist Weihnachten nahe: das zweite Weihnachten Unseres Pontifikats. Wenn wir es noch aus der Ferne vor uns sehen und noch im Geiste wie Maria und Joseph nach Bethlehem unterwegs sind, so kosten wir schon einige Tage im voraus die Süße, die uns der Gesang der Engel bringen wird, wenn er den himmlischen Frieden verkündet, der allen Menschen guten Willens angeboten wird; und so überdenken wir von Tag zu Tag, dass die Wanderschaft nach Bethlehem uns wirklich den richtigen Weg zu dem Frieden vorzeichnet, von dem alle reden, den alle ersehnen, den alle im Herzen erhoffen.

Von Papst Leo dem Großen stammen die Worte der Liturgie, die uns schon mit festlicher Aufforderung ermahnen: "Lobpreiset den Herrn, Geliebteste: freut euch in geistigem Entzücken, denn der Tag der Erlösung erneuert sich, der Tag der alten Erwartung, die Verheißung der ewigen Seligkeit" (Serm. XX in Nativitate Domini, PL 54, 193). Und neben dieser feierlichen und ergreifenden Stimme, die aus dem 5. Jahrhundert zu uns herüber tönt, und mit ihr zum Chor vereint, hören wir, gleichsam alle zusammen, die Stimmen der Päpste vor und nach den beiden Kriegen, die die Menschheit in unserem Jahrhundert zerrissen haben, und uns am nächsten die Stimme der neunzehn Weihnachtsbotschaften Unseres Heiligen Vaters Pius XII. teuren und seligen Angedenkens.

Eine ununterbrochene Aufforderung also, unsere Schritte auf den Wegen nach Bethlehem, die für uns Wege des Friedens sind, zu beschleunigen.

Wie viele Wege zum Frieden werden der heutigen Welt vorgeschlagen und aufgezwungen: wie viele werden auch von Uns empfohlen, die Wir doch, wie Maria und Joseph, die Sicherheit besitzen, Unseren Weg zu kennen, und nicht zu befürchten brauchen, dass Wir Uns irren.

Seit dem Ende des zweiten Weltkriegs bis heute, wie viele verschiedene Formulierungen: und auch wie viel Missbrauch mit diesem heiligen Wort: Friede, Friede (Jer. 6, 14).

Wir sprechen dem guten Willen all der Friedenssucher und Friedenskünder in der Welt Unsere Hochachtung und Anerkennung aus: den Staatsmännern, erfahrenen Diplomaten und ausgezeichneten Schriftstellern.

Aber die menschlichen Bemühungen um einen allgemeinen Frieden sind doch noch weit entfernt von den Berührungspunkten zwischen Himmel und Erde.

Der wahre Friede kann nur von Gott kommen; er hat nur einen einzigen Namen: Pax Christi - der Friede Christi; er hat nur ein Gesicht: jenes, das Christus ihm gegeben hat. Und Er hat, gleichsam um den Missbräuchen des Menschen zuvorzukommen, unterstrichen: "Den Frieden lasse ich euch; meinen Frieden gebe ich euch" (Joh. 14,27).

Der christliche Friede

Der wahre Friede hat drei Aspekte:

Er ist ein Friede der Herzen: Der Friede ist vor allem ein inneres Gut, ein geistiger Zustand, und seine Grundvoraussetzung ist die liebevolle, kindliche Abhängigkeit vom Willen Gottes: "O Herr, Du hast uns zu Dir hin erschaffen, und unser Herz ist unruhig, bis dass es ruht in Dir" (Augustinus. Confessiones 1. 1, 1, 1. PL 32, 661). Alles, was diese Übereinstimmung und Vereinigung des Willens schwächt, zerbricht, zerstört, stellt sich dem Frieden entgegen, in erster Linie und vor allem die Schuld, die Sünde. "Wer böte Ihm Trotz und bliebe heil?" (Job 9,4). Der Friede ist das glückliche Erbteil derer, die das göttliche Gesetz befolgen: "Die Dein Gesetz lieben, haben Frieden in Fülle" (Ps. 118, 165).

Der gute Wille seinerseits ist nichts anderes als der aufrichtige Vorsatz, das ewige Gesetz Gottes zu achten, sich seinen Geboten anzugleichen, seinen Wegen zu folgen, kurz: in der Wahrheit zu stehen. Das ist die Ehre, die Gott von den Menschen erwartet. Friede den Menschen guten Willens.

Der Friede hat auch einen sozialen Aspekt. Der soziale Friede kann nur auf der gegenseitigen Achtung vor der persönlichen Würde des Menschen sicher begründet werden. Gottes Sohn ist Mensch geworden, und seine Erlösung betrifft nicht nur die Gesamtheit, sondern auch jeden einzelnen Menschen: "Er hat mich geliebt und hat sich für mich hingegeben", sagt der hl. Paulus im Brief an die Galater (Ga1. 2,20). Und wenn Gott den Menschen so sehr geliebt hat, so bedeutet das, dass der Mensch ihm gehört und dass die menschliche Person absolut geachtet werden muss. Das ist die Lehre der Kirche, die zur Lösung der sozialen Fragen immer die menschliche Person in den Mittelpunkt gestellt hat und lehrt, dass die Dinge und die Einrichtungen - Güter, Wirtschaft, Staat - vor allem für den Menschen da sind, und nicht der Mensch für sie. Die Unruhen, die den inneren Frieden der Nationen erschüttern, haben hauptsächlich den Grund, dass der Mensch fast ausschließlich als Werkzeug, als Ware, als armseliges Rädchen im Getriebe einer großen Maschine, als bloßer Produktionsfaktor betrachtet worden ist. Nur wenn man die persönliche Würde des Menschen zum Maßstab seiner Wertung und seiner Tätigkeit nimmt, hat man ein Mittel an der Hand, z. B. die soziale Zwietracht, die Gegensätze zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, die oft tief gehen, zu befrieden, vor allem auch der Institution der Familie jene Lebens- und Arbeitsbedingungen und jene Sicherheit zu geben, die es ihr ermöglichen, ihre Funktion als Zelle der Gesellschaft und erste, von Gott selber eingesetzte Gemeinschaft zur Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit besser zu erfüllen.

Nein: der Friede kann keine solide Grundlage haben, wenn in den Herzen kein Gefühl von Brüderlichkeit genährt wird, wie es doch bestehen muss zwischen Menschen, die den gleichen Ursprung und die gleiche Bestimmung haben. Das Bewusstsein, einer einzigen Familie anzugehören, erstickt in den Herzen Habsucht, Gier, Hochmut, Herrschsucht, die die Wurzeln von Zwietracht und Krieg sind; es verbindet alle durch ein Band höherer, freigiebigerer Solidarität.

Schließlich hat der Friede einen internationalen Aspekt: Das Fundament internationalen Friedens bildet vor allem die Wahrheit. Denn auch in den internationalen Beziehungen gilt das Wort des Evangeliums: "Die Wahrheit macht euch frei" (Joh. 8, 32). Gewisse irrige Ideen müssen also überwunden werden: die Mythen der Gewalt, des Nationalismus und andere, die das Gemeinschaftsleben der Völker vergiftet haben, und an ihre Stelle muss ein friedliches Zusammenleben gemäß den Moralprinzipien treten, die die gesunde Vernunft und die christliche Doktrin lehren.

Daneben, und von der Wahrheit erleuchtet, muss die Gerechtigkeit herrschen. Sie räumt die Gründe zu Kampf und Krieg weg, löst die Streitigkeiten, umreißt die Kompetenzen, präzisiert die Pflichten, gibt jedem das Seine. Die Gerechtigkeit ihrerseits muss durch die christliche Liebe ergänzt und gestützt werden. Die Liebe zum Nächsten und zur eigenen Nation darf nicht selbstbezogen bleiben, nicht zu einem in sich verschlossenen Egoismus werden, der dem Wohl des anderen misstraut, sondern sie muss weit und offen in spontanem Gemeinschaftsgefühl alle Völker umfangen und mit ihnen lebendige Beziehungen anknüpfen. Dann wird man von Zusammenleben und nicht bloß von Koexistenz reden können; denn diese errichtet, eben weil ihr das Gefühl der Solidarität fehlt, Schranken, hinter denen sich gegenseitiges Misstrauen, Angst und Terror einnisten.

Menschliche Irrwege auf der Suche nach Frieden

Der Friede ist ein unvergleichliches Geschenk Gottes. Aber ebenso ist er die höchste Sehnsucht des Menschen. Er ist unteilbar. Keiner der Züge, die sein unverwechselbares Antlitz kennzeichnen, kann übergangen oder ausgeschlossen werden.

Da auch die Menschen unserer Zeit die Forderungen des Friedens nicht ungeschmälert verwirklicht haben, hat es sich ergeben, dass die Wege Gottes zum Frieden mit denen des Menschen nicht zusammenfallen. Daher die anormale Situation dieser Nachkriegszeit, die sozusagen zwei Blöcke mit ihrem Missbehagen geschaffen hat. Es ist kein Kriegszustand, aber es ist auch kein Friede, nicht jener wahre Friede, nach dem sich die Völker so glühend sehnen.

Eben aus dem Grunde, weil der wahre Friede etwas in seinen verschiedenen Aspekten Unteilbares ist, kann er auf sozialer und internationaler Ebene nicht verwirklicht werden, wenn er nicht auch und vor allem eine innere Wirklichkeit ist. Vor allem sind daher - Wir müssen es wiederholen - "Menschen guten Willens" nötig: genau diejenigen, denen die Engel von Bethlehem den Frieden verkündigt haben: "Friede den Menschen guten Willens" (Lk. 2, 14). Der Friede Christi den Menschen guten Willens. Nur sie können die Bedingungen verwirklichen, die in der Definition des Friedens bei Thomas von Aquin angegeben sind: die geordnete Eintracht der Bürger (Contra Gent. III, c. 146), Ordnung also und Eintracht. Wie kann aber diese zweifache Blüte von Ordnung und Eintracht erblühen, wenn die Persönlichkeiten, die die öffentliche Verantwortung tragen, nicht vor allem, noch ehe sie die Vorteile und die Risiken ihrer Entschlüsse sichten, anerkennen, dass sie selber, persönlich, den ewigen Moralgesetzen unterstehen?

Die Hindernisse, die die menschliche Bosheit aufrichtet, müssen entschlossen weggeräumt werden. Das Vorhandensein solcher Hindernisse merkt man an der Propaganda der Immoralität, an sozialen Ungerechtigkeiten, an der Arbeitslosigkeit, am Elend im Kontrast zu den Privilegien derer, die verschwenden können, an dem erschreckenden Missverhältnis zwischen technischem und moralischem Fortschritt der Völker, an dem zügellosen Wettrüsten, ohne dass man bis jetzt eine ernstliche Möglichkeit sieht, zu einer Lösung des Abrüstungsproblems zu gelangen.

Das Werk der Kirche

Die jüngsten Ereignisse haben eine Atmosphäre sogenannter Entspannung geschaffen. Dadurch sind in vielen Herzen wieder Hoffnungen wach geworden, nachdem man so lange in einer Zeit des Scheinfriedens, einer äußerst unsicheren Situation gelebt hat, die mehr als einmal am Rand der Explosion stand.

Das alles beweist nur, wie tief in den Herzen aller das Verlangen nach Frieden verwurzelt ist.

Auf dass dieses allgemeine Verlangen bald erfüllt werde, betet die Kirche voll Vertrauen zu dem, der die Geschicke der Völker lenkt und die Herzen der Regierenden zum Guten wenden kann. Nicht Kind dieser Welt, doch in dieser Welt lebend und wirkend, hat sie seit Anbeginn der christlichen Zeit - wie Paulus an Timotheus schreibt "Bitten, Gebete, Fürbitten und Danksagungen verrichtet für alle Menschen: für Könige und alle Obrigkeiten, damit wir ein stilles und ruhiges Leben führen können in aller Frömmigkeit und Würde" (1 Tim. 2, 1-2); und so begleitet sie auch heute mit ihrem Gebet alles, was in den internationalen Beziehungen zur guten Atmosphäre der Begegnungen, zur friedlichen Regelung der Streitfragen, zur Annäherung der Völker und zur gegenseitigen Zusammenarbeit beitragen kann.

Außer dem Gebet stellt die Kirche ihre mütterlichen Dienste zur Verfügung, sie verweist auf die unvergleichlichen Schätze ihrer Lehre, drängt ihre Söhne dazu, aktiv an der Verwirklichung des Friedens mitzuarbeiten, indem sie sie an die berühmte Mahnung des heiligen Augustinus erinnert: "Es ist ein größerer Ruhm, die Kriege mit dem Wort zu töten als die Menschen mit dem Eisen: und wahrer Ruhm ist es, Frieden durch Frieden zu erlangen" (Aug. Epist. CCXXIX, 2; PL 1019).

Sich um den Frieden zu bemühen gehört zur eigentlichen Aufgabe und Pflicht der Kirche, und sie weiß, dass sie nichts versäumt hat, was in ihrer Macht stand, um ihn den Völkern und den einzelnen zu sichern. Jede ernstliche Initiative, die dazu beitragen kann, der Menschheit neue Verluste, neue Metzeleien, neue unermessliche Zerstörungen zu ersparen, findet den Beifall der Kirche.

Leider sind bis jetzt die Ursachen, die die internationale Ordnung gestört haben und stören, noch nicht beseitigt worden. Die Quellen des Übels müssen abgestellt werden, sonst bleibt die Bedrohung des Friedens als ständige Gefahr bestehen.

Die Ursachen des internationalen Unbehagens hat Unser Vorgänger Pius XII. unvergesslichen Angedenkens klar aufgewiesen, insbesondere in seinen Weihnachtsbotschaften 1942 und 1943. Es ist gut, sie nochmals aufzuzählen. Diese Ursachen sind: die Vergewaltigung der Rechte und der Würde der menschlichen Person und die Verletzung derjenigen der Familie und der Arbeit; die Umkehrung der Rechtsordnung und des gesunden Staatsbegriffs nach christlicher Auffassung; die Verletzung der Freiheit, der Integrität und der Sicherheit der anderen Nationen, welchen Umfang sie auch haben mögen; die systematische Unterdrückung der kulturellen und sprachlichen Besonderheiten der nationalen Minderheiten; die egoistischen Berechnungen derer, die sich die Wirtschaftsquellen und die Rohstoffe gemeinschaftlichen Nutzens aneignen wollen zum Schaden der anderen Völker; und besonders die Religions- und Kirchenverfolgung.

Es sei noch darauf hingewiesen, dass die Befriedung, die die Kirche erhofft, keinesfalls mit Nachgeben oder Lockerung ihrer Festigkeit gegenüber Ideologien und Lebensformen verwechselt werden darf, die in offenem und unauflöslichem Widerspruch zur katholischen Lehre stehen, noch Gleichgültigkeit gegenüber dem Seufzen bedeutet, das noch aus den unglücklichen Gebieten zu Uns dringt, in denen die Menschenrechte unbekannt sind und die Lüge zum System erhoben worden ist. Noch viel weniger können Wir den schmerzlichen Leidensweg der Kirche des Schweigens vergessen, wo die Glaubensbekenner wie Nachfolger der ersten christlichen Märtyrer um Christi willen unendlichen Leiden und Folterqualen ausgesetzt sind. Diese Feststellungen warnen vor einem übertriebenen Optimismus; gleichzeitig aber geben sie unserm Gebet um eine wirkliche allgemeine Rückkehr zur Hochachtung vor der menschlichen und christlichen Freiheit noch größere Glut.

Ach, dass doch alle Menschen guten Willens zurückkehren, zu Christus zurückkehren, die Stimme seiner göttlichen Lehre hören mögen, die auch die seines Stellvertreters auf Erden und der rechtmäßigen Hirten, der Bischöfe, ist! Dann werden sie die Wahrheit finden, die von Irrtum und Lüge und Täuschung befreit; sie werden die Verwirklichung des Friedens von Bethlehem, wie die Engel ihn den Menschen guten Willens verheißen haben, beschleunigen.

Väterliche Ermahnungen und Wünsche

Während wir dies erhoffen und darum beten, sind wir alle wie Maria und Joseph, wie die einfachen Hirten von den Hügeln um Bethlehem, wie die Weisen aus dem Morgenland vor der Hütte angelangt, in der der Erlöser geboren worden ist.

O Jesus, wie ergreift uns diese Ankunft unserer Seele vor der Armut der Krippe; welch fromme Ergriffenheit erfüllt unser Herz, welch lebendiger Wunsch, dass wir alle an dem großen Werk des universalen Friedens mitarbeiten möchten vor Dir, göttlicher Urheber und Urgrund des Friedens!

In Bethlehem müssen alle ihren Platz finden. In erster Linie die Katholiken. Die Kirche wünscht ganz besonders heute, dass sie sich mit allen Kräften darum bemühen, sich ihre Friedensbotschaft anzueignen, die eine Aufforderung ist, sich uneingeschränkt der Erfüllung des göttlichen Gesetzes hinzugeben, das die entschlossene Nachfolge aller bis zur Aufopferung verlangt. Mit dem vertieften Verständnis muss die Tat Hand in Hand gehen. Keinesfalls dürfen die Katholiken sich mit der bloßen Haltung von Beobachtern zufriedengeben, sie müssen sich vielmehr gleichsam mit einer Mission von oben beauftragt fühlen. Die Bemühung darum ist zweifellos lang und mühsam. Aber das Weihnachtsgeheimnis gibt allen die Gewissheit, dass nichts von dem guten Willen der Menschen, von dem, was sie in gutem Willen tun, vielleicht ohne sich dessen ganz bewusst zu sein, für die Ankunft des Reiches Gottes auf Erden verlorengeht, denn der irdische Staat wird nach dem Vorbild des Gottesstaates geformt. Ach, der Gottesstaat, die "Civitas Dei" des heiligen Augustinus, im Glanz der Wahrheit, die rettet, der Liebe, die lebendig macht, der Ewigkeit, die Sicherheit gibt! (vgl. Epist. CXXXVIII, 3; PL 33, 533).

Ehrwürdige Brüder und geliebte Söhne in der ganzen Welt!

Die letzten Worte dieser zweiten Weihnahtsbotschaft rufen Uns die erste Botschaft ins Gedächtnis zurück, die Wir am 23. Dezember 1958 in die Welt ausgesandt haben. Vor einem Jahr dachte der neue Nachfolger Petri, noch ganz ergriffen von den ersten Erschütterungen der hohen Aufgabe als Hirte der universalen Kirche, die ihm zugefallen war, in der Schüchternheit des Namens Johannes, den er zum Ausdruck seines zugleich angstvollen und entschlossenen guten Willens angenommen hatte, die Wege des Herrn zu bereiten, sogleich an die Täler, die auszufüllen, die Berge, die abzutragen sind, und er machte sich auf den Weg. Tag für Tag geschah es ihm dann in großer Demut des Geistes, dass wahrhaftig die Hand des Herrn mit ihm war. Das Schauspiel der frommen und gläubigen Mengen, die von allen Enden der Erde nach Rom oder nach Castelgandolfo kamen, um ihn zu grüßen, ihn zu hören, seinen Segen zu erbitten, hörte nicht auf und war ergreifend, oft überraschend und wunderbar.

Auch Geschenke sind Uns gebracht worden, die Wir in lebhafter Dankbarkeit aufbewahren. Zu den willkommensten und bedeutungsvollsten gehört ein gutes altes Gemälde aus der venezianischen Schule, das eine heilige Unterhaltung darstellt: Maria und Joseph mit Jesus und einem lieblichen kleinen Johannes, der Jesus eine Frucht hinhält: dieser nimmt sie mit leisem Lächeln, das das ganze Bild mit himmlischer Anmut erfüllt. Das Bild hat jetzt einen Ehrenplatz in Unserer Privatkapelle und ist Unserm täglichen Gebet verbunden.

Erlaubt Uns, geliebte Brüder und Söhne, daraus die glücklichste Eingebung für Unsern Weihnachtswunsch abzuleiten, den Wir mit Freuden und mit offenem, vertrauensvollem Blick der ganzen heiligen Kirche und der gesamten Welt aussprechen.

Die Sorge um den Frieden von Bethlehem steht an erster Stelle unter Unsern Bemühungen. Aber jene heilige Unterhaltung erweitert sich vor Unsern Augen, so dass sie alle um jene, nämlich um Jesus, Maria, Joseph und Johannes, versammelt, die mit euch zusammen im Geiste des universalen Dienstes, der Unserer demütigen Person anvertraut wurde, Unserm Herzen "in visceribus Christi" besonders teuer sind. Damit meinen Wir alle, die unter den Ängsten und dem Elend des Lebens leiden und für die Weihnachten ein sanfter Strahl des Trostes und der Hoffnung ist; die Kranken und Gebrechlichen, Gegenstand Unserer ständigen wachsamen Sorge und besonderen Liebe: die geistig und seelisch Leidenden infolge der Ungesichertheit ihrer Zukunft, der materiellen Sorgen, der Erniedrigung, die ihnen wegen irgendeiner Schuld, die sie auf sich geladen haben, auferlegt worden ist; die Kinder, die Jesus besonders liebt und die wegen ihrer Schwäche und Verletzlichkeit besonders heilige Achtung fordern und die zarteste Aufmerksamkeit verlangen; die Alten, die so leicht der Versuchung der Melancholie und dem Gefühl des Überflüssigseins erliegen.

Angesichts dieser Vorstellung empfiehlt die Kirche ihre Gebetsintentionen und Wünsche und ihre Hirtensorgen für all diese, die ihr besonders teuer sind, doch nicht nur für diese: sondern auch für alle die Niedrigen, Armen, die Arbeiter, die Arbeitgeber und die Träger der öffentlichen Macht.

Und wie könnten Wir in dieser Vorweihnacht nicht Unserer Ehrwürdigen Bischöfe sowohl des lateinischen wie des östlichen Ritus gedenken, deren Eifer um ihre persönliche Heiligung und Hingabe für die Seelen Wir in ihrer ganzen brüderlichen Güte in den häufigen Begegnungen kennenlernen konnten? Und der hochherzigen und kühnen Scharen der Missionare, Missionsschwestern und Katecheten; der breiten Schicht edlen Welt- und Ordensklerus und der Ordensfrauen der unzähligen verdienstvollen Institutionen; und der gesamten katholischen Laienschaft mit ihrem Eifer für die Werke christlicher Frömmigkeit, der Fürsorge, Wohltätigkeit und Erziehung? Und wir wollen auch unsere getrennten Brüder nicht vergessen, für die Wir unaufhörlich Unser Gebet zum Himmel senden, auf daß sich die Verheißung Christi erfülle: "unus pastor et unum ovile".

Die Aufgabe des demütigen Papstes Johannes ist die, "dem Herrn ein vollkommenes Volk zu bereiten" (Lk. 1,17), genau wie es die seines Namensgenossen und Schutzpatrons, des Täufers, war. Eine höhere und teurere Vollkommenheit lässt sich nicht denken als die des christlichen Friedens: er ist Friede des Herzens, der sozialen Ordnung, des Lebens, des Gedeihens, der gegenseitigen Achtung, der Brüderlichkeit aller Nationen.

Ehrwürdige Brüder und geliebte Söhne: zu diesem Frieden Christi, dem großen leuchtenden Frieden des Weihnachtsfestes, lasst uns noch einmal Herz und Gedanken erheben: euch allen in der ganzen Welt Unsern Glückwunsch alles umfassender Freude und Unsern Apostolischen Segen!

1960

(Herder-Korrespondenz, 15 Jg., S. 221-225)
(Offizielle italienische Fassung: Vogliate accogliere AAS 53 [1961] 5-15)

Hintergrund

Der Heilige Vater richtete am 22. Dezember 1960, 20 Uhr, über den Rundfunk und das Fernsehen seine Weihnachtsbotschaft an die Gläubigen in aller Welt. Sie war der Wahrheit und dem Frieden gewidmet. Der italienische Urtext wurde im "Osservatore Romano" (24. Dezember 1960) veröffentlicht und ist hier in eigener Übersetzung wiedergegeben. Die Zwischenüberschriften sind der Originalwiedergabe entnommen.

Die Weihnachtsrundfunkbotschaft Papst Johannes' XXIII.

"Wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit des Eingeborenen vom Vater, voll der Gnade und Wahrheit" (Joh. 1, 14).

Ehrwürdige Brüder und geliebte Söhne, überall in der ganzen Welt: Gruß und Apostolischen Segen!

Der Prolog zum vierten Evangelium

Möget ihr Unsern Wunsch für ein gesegnetes Weihnachtsfest so aufnehmen, wie Wir ihn euch entbieten!

Er wird angeregt von der ersten Seite des Evangeliums des heiligen Johannes, von seinem Prolog mit dem Leitmotiv der erhabenen Dichtung, die das Geheimnis und die Tatsache der innigen und heiligen Verbindung verherrlicht, die das Wort Gottes mit den Menschenkindern, der Himmel mit der Erde, die Ordnung der Natur mit der Gnade eingegangen sind. Sie wirft ihren Schein und entfaltet ihren Triumph über die Geister von Anbeginn der Zeiten bis zu deren Vollendung.

"Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott. Alles ist durch es geschaffen worden. In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen, und das Licht leuchtet in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht begriffen" (Joh. 1, 1 3-5). Da war ein Mensch mit Namen Johannes, um Zeugnis für das Licht zu geben; er war nicht das Licht, sondern nur ein Zeuge, der einlud, das Licht aufzunehmen. Mit einem unaussprechlichen Zug göttlicher Herablassung nahm das Wort Gottes die menschliche Natur an und begann, auf der Erde unter den Menschen zu wohnen und vertraulich mit ihnen umzugehen.

Alle, die es erkannten und in ihm das Wort Gottes aufnahmen, das Mensch geworden war - nennen Wir seinen heiligen und gebenedeiten Namen: Jesus Christus, Sohn Gottes und Sohn Mariä -, wurden seiner persönlichen Gottessohnschaft angegliedert. "Er gab ihnen die Macht, Kinder Gottes zu werden." Deshalb wurden sie als seine Brüder anerkannt und zu Erben der Ewigkeit auserwählt.

Mit diesem schlichten und grundlegenden Anruf der Lehre und der Geschichte kommt die Botschaft von Weihnachten und von Bethlehem zu uns. Geheiligte Worte sind es, die wie in einer schönen Symphonie immer wiederkehren, liebliche Anmut ausströmen und dann zur Fülle einer so großen Komposition anschwellen, wie sie das dreifache Drama der Schöpfung, der Erlösung um den Preis des Blutes Christi und der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche darstellt. Alles das wird angeboten zu göttlicher Belehrung und Heiligung des irdischen Lebens für die Seelen und für die Völker, die daraus Nutzen zu ziehen verstehen.

Da ist zuerst die Herrlichkeit des himmlischen Vaters im Abglanz seines Sohnes, die uns einlädt zur Bewunderung der unaussprechlichen Beziehungen zwischen den Personen der Heiligsten Dreifaltigkeit. Und dann ist der Evangelist, der andere Johannes, bemüht, zu uns zu sprechen von den Werken der Dreifaltigkeit zum Wohl der Menschen, der Kirche, des mystischen Leibes Christi, und der einzelnen Seelen: "Wir haben seine Herrlichkeit gesehen."

Gnade und Wahrheit

Bei diesen Worten hält der Prolog inne. An dieser Stelle bricht er aus in den feierlichen Ruf: "Wir haben seine Herrlichkeit gesehen."

Welche Herrlichkeit? Die Glorie des Wortes, das da war "am Anfang und vor aller Zeit" und das in seiner Menschwerdung als eingeborener Sohn des Vaters "in der Fülle der Gnade und Wahrheit" erschien. Beachtet genau diese beiden denkwürdigen Worte: Gnade und Wahrheit!

Gnade

Das Wort "Gnade" ist das erste, das auf den Lippen des Engels erscheint, als er Maria das göttliche Geheimnis ankündigt. Es bedeutet die Fülle der Gnade: "Gegrüßet seist du, voll der Gnade." Es wiederholt sich dann in dem Heiligen Buch in verschiedener Tönung, immer als Ausdruck der Güte und des Wohlwollens.

"Wie kostbar ist Dein Erbarmen, o Herr!", so singt der Psalmist mit zärtlichem Anschlag, der das Herz rührt, "die Menschenkinder flüchten sich in den Schatten Deiner Flügel; sie berauschen sich an der Fülle Deines Hauses, und der Strom Deiner Wonnen stillt ihren Durst. Ja, bei Dir ist die Quelle des Lebens; in Deinem Licht werden wir das Licht schauen. Bewahre, o Herr, Deine Gnade denen, die Dich kennen, und gewähre Deine Gerechtigkeit denen, die rechten Herzens sind" (Ps. 35, 8-11).

Wie gern würden Wir mit euch lange von dieser Gnade sprechen, von dieser Güte, von diesem Erbarmen!

Wahrheit

Doch, geliebte Söhne, Wir müssen euch gestehen, dass Unser Sinnen sich vor allem zur Wahrheit hingezogen fühlt, und zwar um so mehr, als die Erfahrung des Seelsorgerlebens immer deutlichere Beispiele liefert für das, was vor allem wichtig und der Vertiefung bedürftig ist. Wo der heilige Augustinus für das göttliche Wort, das zu Bethlehem erschienen ist, einen Namen sucht, da nennt er es geradeheraus und spontan "die Wahrheit". Ist es doch der Eingeborene des Vaters, der den Reichtum seiner Natur strahlen lässt zur Erleuchtung aller Kreatur, sichtbar und unsichtbar, körperhaft und geistig, menschlich und übermenschlich (vgl. De Trin. 15, 11; PL 42,1071).

Die beiden Testamente enthalten die Verkündigung einer Lehre, deren Ursprünge in der Ewigkeit liegen. Diese ist der Inbegriff und die Kristallisation der Wahrheit. Sie leuchtet durch alle Jahrhunderte und scheint auf vor dem Menschen, der als das Meisterwerk und als der Priester des sichtbaren Alls gilt. Sie ist lebendig in ihrem Gehalt an Wegweisung für alle Fortschritte der zweifachen, natürlichen und übernatürlichen Ordnung.

Die ersten Worte des Alten Testamentes beschreiben tatsächlich die Ursprünge der Welt; die letzten des Neuen Testamentes, "Komm, Herr Jesus", sind die Zusammenfassung der Geschichte, des Gesetzes und der Gnade.

Für die Seelen, die von Gott geschaffen und einer ewigen Bestimmung vorbehalten sind, ist die Erforschung und Entdeckung der Wahrheit etwas Natürliches. Sie ist der erste Gegenstand der inneren Tätigkeit des menschlichen Geistes.

Warum spricht man von Wahrheit? Weil sie eine Mitteilung Gottes ist. Zwischen dem Menschen und der Wahrheit besteht nicht nur einfach eine zufällige, sondern eine notwendige und wesentliche Beziehung.

Wahrheit im Menschen und im Christen

Diese Wahrheit, die aus dem göttlichen Wort hereinbricht, die die Vergangenheit ins volle Licht setzt, mit ihrem Strahl die Gegenwart belebt, sie ist wie der Atemhauch, der die Gewissheit gibt, dass wir auch in Zukunft leben werden, bis hinaus über das letzte Erscheinen Gottes hinieden, zum Jüngsten Gericht, das über das ewige Schicksal eines jeden Menschen entscheiden wird.

Dieses belebende Strahlen und Schwingen ist in der physischen Welt zu spüren, aber mehr noch in der geistigen, die sich kundtut und erfahren lässt im Leben des Menschen; leuchten doch auf seinem Antlitz die Linien Gottes: "Das Licht Deines Angesichtes ist über uns gezeichnet, o Herr" (Ps. 4, 7). Und so ist die Wahrheit Quelle der Freude für jede Seele: "Du legtest Freude in mein Herz" (ebd.).

Aber wichtiger ist es, zu sehen und sich zu merken, dass die Befähigung zur Erkenntnis der Wahrheit seitens des Menschen eine heilige und sehr schwere Verantwortung darstellt, mit dem Plan des Schöpfers, des Erlösers und des Seligmachers mitzuwirken. Noch weit mehr muss man das vom Christen sagen, der mittels der Gnade der Sakramente sichtbar das Zeichen seiner Zugehörigkeit zur Familie Gottes trägt. Hier liegt und erhebt sich die höchste Würde und Verantwortung, die dem Menschen auferlegt ist, und das ist in noch erhabenerer Weise von jedem Christen zu sagen, dass er dem Sohn Gottes Ehre machen soll, dem fleischgewordenen Worte, das die Gesamtheit des menschlichen Wesens und der sozialen Ordnung belebt.

Jesus opferte dreißig Jahre des Schweigens den Menschen zur Nachahmung, damit sie lernen sollten, in ihm die Wahrheit zu schauen, und drei Jahre unermüdlichen und überzeugenden Lehrens, damit sie darin Beispiel und Wegweisung für das Leben fänden.

Das göttliche Buch reicht hin, um uns mit dieser Lehre zu erfüllen und an ihr aufzurichten.

Die Vereinigung mit Christus, dem Herrn und Meister, wie er sich nannte, ist darum der Triumph der Wahrheit, die Wissenschaft der Wissenschaften, die Lehre der Lehren. Der Evangelist Johannes sagte von ihm, den beide Testamente als das Wort Gottes ins Licht heben: "Das Gesetz wurde durch Moses gegeben; durch Jesus Christus ist die Gnade und Wahrheit geworden" (Joh. 1, 17). Ein anderes Mal wiederholte der göttliche Lehrer: "Ich bin das Licht der Welt. Wer mir folgt, der wandelt nicht in der Finsternis" (Joh. 8, 12).

Geliebte Söhne! Was ist dieses Licht, wenn nicht die Wahrheit?

In den Büchern des Alten Testamentes ist die Bezugnahme auf die Wahrheit geläufig.

Der Psalmist ruft die Wahrheit in vielen Wiederholungen an. "Dein Erbarmen und Deine Wahrheit hielten mich immer aufrecht, o Herr" (Ps. 39, 12). "Die Wahrheit und das Gericht waren und sind immer bei Dir" (v gl. Ps. 88, 15). "Deine Wahrheit umgibt mich wie ein Schild" (vgl. Ps. 90, 5). "Deine Gerechtigkeit Deine Gerechtigkeit in Ewigkeit, und Dein Gesetz ist Wahrheit" (Ps. 118, 142). "O Herr, die Wahrheit besteht in Ewigkeit" (Ps. 116,2). "Die Wahrheit gereicht allen zum Gewinn, die sie zu gebrauchen wissen" (Ekkli. 27, 10). "Alle Wege des Herrn sind Wahrheit" (vgl. Ps. 118, 151). "Der Herr liebt die Wahrheit, die Gnade und die Herrlichkeit" (vgl. Ps. 83, 12).

Das achte Gebot

Wie schön ist in diesem Licht die Einladung an den Menschen, mit seinem Nächsten immer die Wahrheit zu reden, wie mächtig und furchterregend das Gebot, niemals wider seinen Nächsten die Unwahrheit zu sprechen: "Du sollst kein falsches Zeugnis geben wider Deinen Nächsten!" (Ex. 20, 16), und an der Schwelle der Haustür nach der Wahrheit und in der Gesinnung des Friedens zu sprechen: "Redet die Wahrheit ein jeder mit seinem Nächsten, nach Wahrheit und dem Richterspruch des Friedens richtet in eueren Toren" (Sach. 8, 16).

Der heilige Kirchenlehrer Petrus Canisius hat in seiner berühmten "Summa Doctrinae Christianae" (Authoritatum Sacrae Scripturae et Sanctorum Patrum quae in Summa Doctrinae Christianae Doctoris Petri Canisii theologi Societatis Jesu citantur et nunc primum ex ipsis fontibus fideliter collectae ipsis Catechismi verbi subscriptae sunt. Venetiis, ex BibI. Aldina, 1571, S. 141), die ganzen Generationen als Katechismus diente, die negative und die positive Seite dieses Gebotes mit eindringlichen und überzeugenden Worten dargelegt.

Zum Negativen: Verboten ist jede falsche und irreführende Aussage, durch die vor Gericht und auch außerhalb des Gerichtes der gute Ruf des Nächsten in irgendeiner Weise bloßgestellt werden könnte, wie es geschehen kann "durch Ohrenbläser, Neider, böse Zungen, Verleumder und Schmeichler". Verboten ist jede Lüge und jeder Missbrauch der Sprache wider den Nächsten, und das in demselben Maß und Ton wie die drei Gebote, die diesem vorausgehen, das heißt nicht töten, nicht Unkeuschheit treiben, nicht stehlen.

Positiv dagegen wird gerühmt, dass man vom Nächsten gut und höflich spricht, zu seiner Verteidigung und seinem Vorteil, "ohne Täuschung, Verstellung und Hinterlist". Die ganze Lehre ist geschöpft aus dem Alten Testament, das überreich ist an Hinweisen auf das Thema der Wahrheit im Dienste der Unschuld, der Gerechtigkeit und der Liebe.

Und im Neuen Testament, im Evangelium und in den Apostelschriften, was für eine Belehrung über die Schönheit, das Wesen, die erhabene Weisheit der Wahrheit und des Gebotes des Herrn, wenn man sie erfasst und lebt! Wenn wir uns wieder dem Worte des heiligen Evangelisten Johannes zuwenden, dann fesselt uns die Haltung Jesu gegenüber denjenigen, deren Bekehrung ihm gelungen war: "Wenn ihr in der Wahrheit bleibet, seid ihr wahrhaft meine Jünger. Ihr werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen" (Joh. 8,30-32). Aber die fesselnde Unterredung nimmt eine furchterregende Wendung, sobald Jesus seine Fragesteller zu Folgerungen führt, die jeden Leugner der erkannten Wahrheit entmutigen.

"Ihr nennt euch Söhne Abrahams. Dann tut auch Abrahams Werke. Ich weiß aber, dass ihr mich zu töten sucht, weil ich euch die Wahrheit gesagt habe, die Wahrheit, die ich von Gott selber weiß. Wenn Gott euer Vater wäre, würdet ihr auch mich lieben, weil ich von Gott komme, der mich gesendet hat. Ihr dagegen seid Söhne des Teufels und wollt die Wünsche von ihm erfüllen, der euer Vater ist."

Als sie diese Worte hörten, sagt der heilige Johannes, hoben diese Unglücklichen Steine auf, um sie auf Jesus zu werfen. Aber er verbarg sich und ging aus dem Tempel fort (Joh. 8, 39-59). Es bewahrheitete sich, was im Psalm geschrieben steht,,: "Liebet den Herrn, ihr alle seine Getreuen; denn der Herr sucht die Treue und vergilt reichlich denen, die mit Hochmut handeln" (Ps. 30, 24). Wie geschrieben steht im Buch der Sprüche: "Erwerbt die Wahrheit, und verkauft nicht die Weisheit" (vgl. Spr. 23, 23). Und weiter unten: "Eine lügenhafte Zunge liebt die Wahrheit nicht" (ebd. 26, 28). Und schließlich noch: "Wer bei Gericht parteiisch ist, der wird auch für ein Stück Brot die Wahrheit verraten" (ebd. 28, 21).

Im Denken, Reden und Tun die Wahrheit ehren

Und nun der Mensch, der Gläubige im Angesicht der Wahrheit, die sich mit Milde und Festigkeit durchsetzt. Die Worte Christi stellen wirklich jeden Menschen vor seine Verantwortung, die Wahrheit anzunehmen oder abzulehnen. Sie laden einen jeden mit gewinnendem Nachdruck ein, zur Wahrheit zu stehen, die eigenen Gedanken mit Wahrheit zu nähren und gemäß der Wahrheit zu handeln.

Diese Glückwunschbotschaft, die Wir euch entbieten möchten, ist deshalb ein feierlicher Aufruf, in ihr zu leben im Sinne der vierfachen Pflicht, die Wahrheit zu denken, zu ehren, zu sagen und zu tun. Diese Pflicht ergibt sich klar und unbestreitbar aus den Worten der Heiligen Schrift, an die Wir erinnert haben, Worten, in deren Eindringlichkeit und Ernst das Alte und das Neue Testament voll übereinstimmen.

Es geht also vor allem darum, die Wahrheit zu denken, klare Vorstellungen zu haben von den großen göttlichen und menschlichen Wirklichkeiten, der Erlösung, der Kirche, der Moral und dem Recht, der Philosophie und der Kunst. Richtige Begriffe zu haben oder zu suchen, sie zu bilden mit Gewissenhaftigkeit und in der rechten Gesinnung.

Leider erlebt man fast täglich eine unglaubliche Leichtfertigkeit bei der Wiedergabe oder Erörterung von Themen, und das in einer Weise, die, gelinde ausgedrückt, die Unzulänglichkeit der Urheber beweist. Deshalb haben Wir unlängst in einer Ansprache, die der Erhaltung der Familie gewidmet war, die Aufforderung ausgesprochen, dass "alle, die den Willen und die Möglichkeit haben, die öffentliche Meinung zu beeinflussen, stets der Klärung, nicht der Verwirrung der Ideen, der Rechtschaffenheit, der Ehrfurcht" dienen mögen (Ansprache an die Römische Rota vom 25. Oktober 1960, AAS 52, 1960, S. 901).

Die Wahrheit ehren! Das ist eine Einladung zu leuchtendem Vorbild auf allen Gebieten des persönlichen, familiären, beruflichen und sozialen Lebens. Die Wahrheit macht uns frei (vgl. Joh. 8, 32). Sie adelt den, der sie offen und ohne Menschenfurcht bekennt. Warum also Angst haben, ihr Ehre zu erweisen und zu Achtung zu verhelfen? Weshalb sich herbeilassen zu Anpassungen des eigenen Gewissens durch Annahme von Kompromissen, die mit dem praktischen Christenleben in schreiendem Widerspruch stehen, während doch allein derjenige, der die Wahrheit hat, überzeugt sein darf, dass er das Licht besitzt, das alle Finsternis zerstreut, und die hinreißende Kraft, die die Welt verwandeln kann? Nicht nur der ist schuldig, der bewusst die Wahrheit entstellt, sondern ebenso auch, wer sie durch die Zweideutigkeit seiner Haltung verrät, weil er fürchtet, nicht auf der Höhe und modern zu erscheinen.

Also die Wahrheit ehren mit der Festigkeit, dem Mut und der Besonnenheit desjenigen, der starke Überzeugungen besitzt.

Dann die Wahrheit sagen. Ist nicht die Mahnung der Mutter an ihr Kind, sich Vor Lügen zu hüten, die erste Schule der Wahrheit, und macht sie nicht aus einer Gewohnheit, einem von Jugend an geübten Brauch eine zweite Natur, die den Grund legt für den Ehrenmann, den vollendeten Christen des schlagfertigen und freimütigen Wortes, der, wenn notwendig, auch den Mut zum Märtyrer und Bekenner hat? Das ist das Zeugnis, das der Gott der Wahrheit von jedem seiner Söhne fordert.

Und schließlich die Wahrheit tun. Sie ist das Licht, in das die ganze Persönlichkeit eintauchen muss und die den einzelnen Handlungen des Lebens den Ton angibt. Sie ist die Liebe, die den Antrieb gibt, das Apostolat der Wahrheit auszuüben, die Kenntnis von ihr zu verbreiten, ihre Rechte zu verteidigen, die Seelen, besonders die offenen und hochherzigen Seelen der jungen Menschen, dafür bereit zu machen, dass sie sich von ihr bis in die letzten Fasern durchdringen lassen.

Der Gegen-Dekalog

Die Wahrheit denken, ehren, sagen und tun! Wenn man diese Grundforderungen des menschlichen und des christlichen Lebens ausspricht, dann steigt aus dem Herzen eine Klage auf die Lippen: Wo bleibt auf Erden die Achtung vor der Wahrheit? Stehen wir nicht bisweilen oder gar sehr oft vor einem frechen und schamlosen Gegen- Dekalog, der das " Nein" abschafft, das in allen fünf Geboten des Herrn, die auf das "Ehre Vater und Mutter" folgen, den klaren und deutlichen Anweisungen voraus gestellt ist? Verläuft das Leben vor unseren Augen nicht praktisch in der vorbedachten Übung des Gegenteils: fünftens - töten, sechstens - Unkeuschheit treiben, siebtens - stehlen, achtens - falsches Zeugnis geben, wie in einer teuflischen Verschwörung gegen die Wahrheit?

Und doch besteht für immer in seiner Klarheit und Gültigkeit das Gebot des göttlichen Gesetzes, das dem Moses auf dem Berge gegeben wurde: "Du sollst kein falsches Zeugnis geben wider deinen Nächsten" (Ex. 20, 16; Deut. 5, 20). Dieses Gebot, ebenso wie die anderen, lebt mit allen seinen Folgerungen, den positiven und den negativen: der Pflicht der Wahrhaftigkeit, der Redlichkeit, der Aufrichtigkeit, die in der "Angleichung des Urteils an die Wirklichkeit" (S. Th. I q. 16 art. 1 C.; vgl. Avicenna Metaphys. tract. VIII cap. 6) besteht. Anderseits die traurige Möglichkeit und die noch traurigere Tatsache der Lüge, der Heuchelei, der Verleumdung bis zur Verdunklung der Wahrheit.

Es ist unser Los, zwischen zwei Auffassungen von menschlichem Zusammenleben zu existieren. Da ist auf der einen Seite die Wirklichkeit der Welt, wie Gottes Plan sie uns zur Forschung, Ergründung und Verwirklichung aufgibt; auf der anderen - Wir scheuen uns nicht, es zu wiederholen - die Fälschung dieser Wirklichkeit, leicht gemacht durch die Technik und moderne, modernste menschliche Kunstgriffe.

Angesichts des vielfachen Ideals, die Wahrheit zu denken, zu ehren, zu sagen und zu tun, und des täglichen Schauspiels von offenem oder getarntem Verrat an diesem Ideal kann das Herz seine Angst nicht bezwingen, und Unsere Stimme zittert.

Allem und allen zum Trotz "bleibt die Wahrheit des Herrn in Ewigkeit" (Ps. 116,2), und sie will immer strahlender vor den Augen leuchten, um von den Herzen vernommen zu werden.

Bei manchen ist wohl das Empfinden verbreitet, dass die Welt im Augenblick wieder einmal bange Stunden durchlebt. Aber die Geschichte der Vergangenheit hat schlimmere gekannt. Ungeachtet der geräuschvollen oder verschlagenen Stimmen der Gewalttätigen sind Wir ganz sicher, dass der geistige Sieg Jesus Christus gehören wird, deI" "am Holze hängt".

Angstvolle Stunden

Die immer ernstere Wahrnehmung des Sturmes, der über einigen Gegenden der Welt tobt und die soziale Ordnung, vor allem aber viele mehr schwache und unsichere als böswillige und verdorbene Geister, bedroht, drängt Uns, in diesem Weihnachtsaufruf Unser Wort an diejenigen zu richten, die die höchste Verantwortung für die öffentliche und soziale Ordnung tragen, und sie im Namen Christi einzuladen, sie möchten die Hand aufs Herz legen und sich Ehre machen in diesen Tagen allgemeiner Gefahr. In Wahrheit handelt es sich doch um die Sache aller, und alle Unterschiede zwischen den Großen des Lebens und den Kleinen müssen verschmelzen in einmütiger und gemeinsamer Anstrengung.

Wir wollen deshalb Unsere priesterlichen Arme erheben zu den obersten Trägern der Verantwortung an der Spitze der politischen Organisationen, zu den Oberhäuptern der Staaten und der regionalen oder kommunalen Verwaltungen, aber auch zu allen insgesamt: zu den Erziehern, den Eltern und Lehrern, zu allen Arbeitern des Kopfes, der Faust und des Herzens, zu den Verantwortlichen für die öffentliche Meinung, und zu ihnen ganz besonders; denn diese wird ja gebildet oder missbildet durch Presse, Rundfunk und Fernsehen, durch den Film, durch Wettbewerbe und Ausstellungen aller Art, literarische und künstlerische - zu den Schriftstellern, Künstlern, Produzenten, Regisseuren und Bühnenbildnern.

An alle Unsere Söhne, und zumal an jene, die durch eine besondere Sendung berufen sind, für die Wahrheit Zeugnis abzulegen, an alle, die gesonnen sind, ihr persönliches und ihr familiäres Leben im heiligen Licht der christlichen Lehre zu führen, an sie alle richten sich Unsere Gedanken, die Uns ganz spontan von Herzen kommen, und Wir sind gewiss, dass sie von den redlichsten und aufrichtigsten Geistern nachdenklich aufgenommen werden.

Geliebte Söhne! Nein! Niemals gebt euch her zur Verfälschung der Wahrheit! Habt Abscheu davor!

Bedienet euch nicht dieser wunderbaren Gaben Gottes, des Lichtes, der Töne, der Farben und ihrer technischen und künstlerischen Verwendungsweisen im Druck, im Zeitungswesen, in Hör- und Schaudarbietungen, um die natürliche Neigung des Menschen zur Wahrheit zu vergewaltigen; denn auf ihr bauen sich sein Adel und seine Größe auf. Bedient euch ihrer nicht, um die noch unfertigen oder schwankenden Gewissen zu ruinieren.

Habt einen heiligen Schrecken davor, die Saat auszustreuen, die die Liebe entweiht, die Familie auflöst, die Religion verspottet und die Fundamente der sozialen Ordnung erschüttert, welche sich auf die Beherrschung der selbstsüchtigen Triebe und auf die einträchtige Brüderlichkeit und die Achtung der Rechte jedes einzelnen gründet. Im Gegenteil, wirket zusammen, damit die Luft, die wir atmen, immer reiner und immer freier wird von den Bazillen, deren erste Opfer die Unschuldigen und die Schwachen sind. Bietet euer Wissen auf, um mit freudiger Ausdauer und unermüdlicher Anstrengung die Vorbedingungen zu schaffen für bessere, gesündere, gerechtere und gesichertere Zeiten.

Unerschütterliches Vertrauen

Geliebte Söhne! Von neuem werden wir hingezogen zu dem Schauspiel von Bethlehem, zum Lichte des fleischgewordenen Wortes, zu seiner Gnade und Wahrheit, die alle für sich gewinnen will.

Das Schweigen der Heiligen Nacht und die Betrachtung jener Szene des Friedens sind beredt. Wenden wir uns nach Bethlehem mit ungetrübtem Blick und offenem Herzen.

Aus der Nähe dieses Wortes Gottes, das für uns Mensch geworden ist, aus der Nähe dieser "Güte und Menschlichkeit unseres Gottes und Erlösers" (v gl. Tit. 3, 4) wollen Wir nun noch ganz besonders mit großer Achtung und Zuneigung Unsere Blicke lenken auf die höchsten Repräsentanten der öffentlichen Gewalten, die in mannigfachen Formen verteilt sind auf die verschiedenen Schlüsselstellungen der Erde, auf die Träger der Verantwortung für die Erziehung der künftigen Generationen und für die öffentliche Meinung. Wir wollen einen jeden ermutigen, mit immer reiferem Gewissen die eigenen Aufgaben und Verantwortungen auf sich zu nehmen und aufrichtig und mutig auf seinem Platz zu stehen.

Wir vertrauen auf Gott und auf sein Licht. Wir vertrauen auf die Menschen guten Willens und sind zufrieden, dass Unsere Worte in allen gerecht empfindenden Herzen den Pulsschlag mannhafter Großmut anregen.

Zuweilen geschieht es, dass eine leise Stimme in sozusagen prophetischem Klang an Unser Ohr dringt und Uns eine übertriebene Furcht einflüstern möchte, wie sie dann schwache Vorstellungskräfte erhitzt.

Der heilige Matthäus, der erste Evangelist, erzählt uns von Jesus, dass er am Abend eines anstrengenden Tages sich allein auf einen Berg zurückzog, um zu beten. Das Schifflein der Seinen war auf dem See zurückgeblieben und wurde von Winden hin und her geworfen. Nachts stieg Jesus leichten Fußes auf die Wogen hernieder und rief mit lauter Stimme: Habt Vertrauen und fürchtet euch nicht; denn ich bin es. Herr, wenn Du es bist, sprach Petrus, dann mache, dass ich über das Wasser zu Dir kommen kann. Und Jesus sprach zu ihm: Komm! Petrus stieg aus der Barke und wollte sich an die Seite des Meisters begeben. Aber bei der Heftigkeit des Windes bekam er Angst, begann zu sinken und schrie: Herr, rette mich! Jesus reichte ihm sogleich die Hand, zog ihn empor und sprach zu ihm: Du Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt? Und als alle auf dem Schifflein versammelt waren, hörte der Sturm auf (Mt. 14,22-32).

Geliebte Söhne! Auch in der Nacht auf dem See ist diese Episode von bezaubernder Durchsichtigkeit. Der demütige Nachfolger des heiligen Petrus empfindet bis jetzt keine Versuchung, zu erschrecken. Wir fühlen uns im Glauben stark, und an der Seite Jesu können Wir nicht bloß den kleinen See in Galiläa, sondern alle Meere der Welt überqueren. Das Wort Jesu genügt zur Rettung und zum Sieg.

Dies ist eine der schönsten Seiten des Neuen Testamentes. Sie ist ermutigend und voll glücklicher Verheißung. In dieser Schau wollen Wir Unsere Weihnachtsbotschaft beschließen mit zwei Worten des Alten Testamentes, um das Thema des Gesprächs zusammenzufassen, das Uns die Freude bereitete, das Herz des Vaters und Hirten vor den geistlichen Söhnen aufzutun.

Es ist der letzte Moment der Begegnung zwischen dem heiligen König Ezechias und Isaias, dem größten Propheten von Israel. Dieser hatte ihn erschreckt mit den Drohungen einer nicht mehr fernen Invasion und unermesslicher Ruinen. Da gab ihm der König Ezechias zur Antwort: "Gut ist das Wort des Herrn, das du mir berichtet hast. Allein mir genügt der Friede und die Wahrheit für meine Jahre" (Jes. 39, 8).

1961

(Herder-Korrespondenz, 16 Jg., S. 228-231)
(Offizielle italienische Fassung: Le variazioni AAS 54 [1962] 46-48)

Hintergrund

Wie alljährlich, richtete der Heilige Vater auch im vergangenen Jahr seine Weihnachtsbotschaft an die Gläubigen in aller Welt. Die Botschaft, die der Papst am 21. Dezember, 20 Uhr, im Clementinen-Saal des Vatikanischen Palastes verlas und die von Radio Vatikan und zahlreichen angeschlossenen Rundfunkanstalten übertragen wurde, ist dem Anliegen des Friedens und der Güte gewidmet. Die Botschaft wurde im "Osservatore Romano" vom 23. Dezember 1961 veröffentlicht. Wir bringen sie in eigener Übertragung,'

Die Weihnachtsbotschaft

Ehrwürdige Brüder, geliebte Kinder!

Das Fest der Geburt des Herrn ist ein Fest des Friedens. Man könnte nach anderen, gleich tiefen Inhalten dieses Geheimnisses suchen, um die Fülle der Gnade auszudrücken, über die sich jeder gläubige Christ in diesen Tagen freut. Man kann aber über das Geheimnis des Friedens nicht hinweggehen.

Der Inhalt der Botschaft von Bethlehem ist: die Ehre Gottes, der wahre Friede und die bereitwillige Annahme eines so kostbaren Geschenkes durch den Menschen. Gloria in altissimis Deo, pax hominibus bonae voluntatis (Luk. 2, 14). Das Schrifttum der Länder, in die das Licht Christi gedrungen ist, ist durch alle Jahrhunderte nicht über diese dreifache Offenbarung, die in der Ankunft des Menschensohnes der Menschheit geschenkt worden ist, hinausgegangen.

I. Das beherrschende Thema der Weihnachtsbotschaften

Und siehe da, zum vierten Mal stellt sich der einfache Sohn aus dem Volke, der zum Hohenpriester und zur Leitung der Kirche berufen worden ist - lasst Uns es so sagen, wie Wir es denken -, gestützt auf die Gnade des Herrn, in den Dienst dieser großen Friedensbotschaft. In den vergangenen Jahren haben Wir der ganzen Menschheit den Frieden von Bethlehem unter drei Gesichtspunkten nahezubringen versucht.

Es ist jedes Mal derselbe Friede Christi in seinen erhabensten Offenbarungen: Friede und Gerechtigkeit, Friede und Einheit und Friede und Wahrheit.

Der dreifache Aspekt

In dieser dreifachen Ausstrahlung lebt die Erinnerung auf an die höchsten und kostbarsten Güter der Menschheit. Wollte man die Glückwünsche zusammenfassen und wiederholen, die dieser Tage gewechselt werden, so gäbe es nichts Ausdrucksvolleres als den vielfältigen Gnadenreichtum, den das göttliche Wort durch seine Menschwerdung der Welt gebracht hat zur allumfassenden Erlösung und Heiligung.

Ihr wisst ja, geliebte Kinder, dass die Väter der östlichen und westlichen Kirche, die Kirchenlehrer und Päpste, deren Stimmen sich zu einer harmonischen Einheit verschmelzen, die treuesten und anerkanntesten Interpreten der alten und doch immer neuen Verkündigung der göttlichen Offenbarungen sind.

Übereinstimmung durch die Jahrhunderte

Eine von diesen Stimmen, die Uns von Jugend anvertraut ist, ist die Stimme des heiligen Leo des Großen, der in diesem Jahre wieder zu neuen apostolischen Bemühungen aufmuntert. Haben wir doch mit der jüngsten Enzyklika Aeterna Dei die 1500jährige Wiederkehr seines Todes gefeiert.

Im vergangenen November ergab sich für Uns der besonders glückliche Umstand, Uns durch die Worte dieses großen Lehrers anregen lassen zu können. Auch heute möchten Wir aus seinen Weihnachtshomilien, in denen sein persönlicher Stil lebendig geblieben ist, euch auf den Stall von Bethlehem aufmerksam machen. Hört nur zu: "Generatio Christi origo est populi christiani, et natalis capitis est natalis corporis." Was für tiefe Worte sind das, geliebte Kinder. "Die Geburt Christi ist die Geburt des christlichen Volkes; die Geburt des Hauptes ist auch die Geburt des Leibes." Und dann fährt er fort: "Wohl kommt jedem, der berufen ist, sein eigener Rang zu, und wohl unterscheiden sich die Kinder der Kirche durch das zeitliche Nacheinander, aber die Gesamtheit der Gläubigen ist doch geboren aus dem Wasser der Taufe ... , ist mit Christus mitgeboren in seiner Geburt ... Deshalb verlangt die große Gnade, die uns zuteil wurde, eine ehrfurchtsvolle Achtung von uns, die ihres Glanzes würdig ist."

Der besondere Schwerpunkt des Jahres

Was könnten wir also finden, das der Würde des heutigen Festes angemessener und der Geburt des Herrn besser entspräche als der Friede, der gerade bei der Geburt des Herrn zum ersten Mal von den Engeln verkündet worden ist? Der Friede begründet die Kindschaft Gottes, nährt die Güte und ist der Ursprung der Einheit ... Die Geburt des Herrn ist der Anfang des Friedens; denn der Apostel sagt: "Er ist unser Friede" (Eph. 2, 14).

Der Friede der wohlmeinenden und rechtschaffenen Menschen - so möchten Wir sagen, indem Wir den Gedanken des heiligen Leo weiterführen - kommt von oben und führt nach oben; er läßt sich nicht vereinbaren mit den oberflächlichen Neigungen der Liebhaber dieser Welt. Er widersteht allen Hindernissen, reißt den Menschen aus den gefahrvollen Zerstreuungen und führt ihn zu den wahren Freuden. So wie wir uns vereint fühlen in einem einzigen Willen, in ein und derselben Überzeugung, in dem einen Glauben, der einen Hoffnung und der einen Liebe, möge uns der Geist des Friedens dorthin führen (vgl. Leonis I, Sermo XXVI [in Nativ. Dom. VI], II, III, V; Migne PL 54, 213, 214, 216).

Vorausblick und Glückwunsch

Diese Worte des heiligen Leo sind voll bezaubernder Würde. Sie enthalten genaue Hinweise auf Lehre und praktisches Leben.

An alles ist dabei gedacht: an die heilige Kirche mit den verschiedenen Ordnungen der Gläubigen, an das hochheilige Priestertum, an das oberste Hirtenamt als gottgewolltes Instrument für die Einigung der Völker, an diese Einheit der Völker selbst, die hingeordnet ist auf die wahre und dauerhafte Entfaltung der menschlichen Kultur. Ja wirklich, alles, was wir in diesen drei Jahren an Weihnachten bei der Begegnung mit dem Geheimnis von Bethlehem sagten, ist darin enthalten. Erinnert ihr euch noch daran? Vor allem die Erkenntnis der Wahrheit, pax et veritas, eine Erkenntnis, die zur Anbetung des Gottessohnes führt, des Sohnes Gottes, der für uns Mensch geworden ist; pax et veritas: jene Wahrheit, die eine edle Gesinnung weckt und uns in der Suche nach Erkenntnis und im Dienst der Wahrheit stärkt. Pax et unitas: das ist die dringende Aufforderung zur Treue gegenüber diesem Apostolischen Stuhl, dem Mittelpunkt der Einheit. Sodann: pax et iustitia. Diese Schau der einzigartigen Realität der Kirche enthält wertvolle Elemente zur Sicherung einer gesunden Ordnung der menschlichen Gesellschaft und für den Abschluss von Vereinbarungen für ein friedliches Zusammenleben. Das gilt einerseits für die Bürger ein und desselben Landes und für Beziehungen in der Arbeitswelt, anderseits aber auch für die gesamte Welt, der alle angehören und die allen Arbeit und ein ruhiges Leben sichern muss.

Meint ihr nicht, Wir könnten zu diesen Ausstrahlungen des Friedens: in veritate, in unitate, in iustitia für diese Weihnacht noch ein Viertes hinzufügen? Wir meinen die Güte, den Frieden Christi in der Güte, zu unserer größeren und wirksameren geistlichen Erhebung.

Wie gut und wie vollkommen drückt doch die heilige Liturgie Unsere Gedanken über die Herrlichkeit des Reiches Christi aus. "Der Friedenskönig, dessen Antlitz die ganze Erde zu schauen verlangt, ist verherrlicht. Der König des Friedens herrscht über alle Könige der Erde" (aus der Weihnachtsvesper).

II. Das Reich Christi als Reich der Güte

Sprechen Wir also über den Frieden Christi in der Güte! Das erste Bild, das wir schauen dürfen, ist das Bild dessen, der uns von der Krippe entgegen strahlt. Hier nimmt der göttliche Meister die Begegnungen aus der späteren Zeit vorweg, wo er als geachteter und gefeierter Rabbi (Lehrer) der bewegten Volksmenge zurufen wird: "Lernet von mir, denn ich bin sanftmütig und demütig von Herzen" (Mt. 11,29).

Die Stimme aus der Krippe strömt die Güte aus, deren leibhafte Wirklichkeit, deren göttliche Quelle Christus ist; seine Gnade ist die alles umfassende Lehrerin des Friedens in der ganzen Welt.

Eine Welt des Widerspruchs

Diese Lehrmeisterin, voller Demut und Milde und offen für die Freuden eines allgemeinen Friedens, bleibt leider durch die Jahrhunderte ein Anstoß zum Widerspruch und zum unversöhnlichen Aufbegehren innerhalb der menschlichen Gesellschaft. Denken Wir an die Ereignisse, die uns am nächsten liegen, so möchte man sagen, dass Angst und Schrecken eine Atmosphäre der Hast und des gegenseitigen Missbehagens schaffen, das zwar bei vielen vielleicht nur im Unterbewusstsein vorhanden ist, sich aber in allen zwischenmenschlichen Beziehungen feststellen lässt. Das führt wiederholt zu Störungen des familialen und sozialen, des bürgerlichen und des internationalen Lebens. Eine solche Feststellung ist um so schmerzlicher, wenn man bedenkt, dass der Schöpfer nach dem Plan seiner Vorsehung die Menschen so geschaffen hat, dass sie sich verstehen, sich helfen und sich gegenseitig ergänzen: durch brüderliche Zusammenarbeit in ihren Vorhaben, durch geduldigen Ausgleich der Gegensätze, durch eine gerechte Verteilung der irdischen Güter: "geführt durch Gerechtigkeit und begleitet von der Liebe" (Pius XII., Enzyklika Sertum laetitiae vom 1. November 1939).

Wie klar sind doch die Worte der Propheten und Psalmen, wenn sie im Auftrag Gottes Güte und Liebe einschärfen! Hört, was Isaias sagt: "Löse die beschwerlichen Lasten; befreie die Bedrückten und zerbrich jedes Joch. Brich dein Brot mit den Hungernden und führe die Armen und Obdachlosen in dein Haus; wenn du einen Nackten siehst, bekleide ihn und verachte nicht dein eigenes Fleisch... Und der Herr wird dir immer Ruhe geben und deine Seele mit Glanz erfüllen" (Jes. 58, 6-7 11).

Der Geist des Widerspruchs

Wenn Wir die gesamten zwischenmenschlichen Beziehungen auf nationaler und internationaler Ebene betrachten, so müssen Wir feststellen, dass man noch weit von der göttlichen Lehre entfernt ist, die in den Jahrhunderten des Alten Testamentes verkündet worden ist und in der Fülle der Zeiten, durch die Ankunft des göttlichen Meisters, in vollem Lichte erstrahlte. Dort bedeutet alles eine Einladung zum Frieden, weil die Seligkeit des Friedens verkündet wird. Hier aber herrscht hinter schönen Worten (sofern man die Form wahrt, was leider oft vergessen wird) häufig ein Geist, der mit dem Frieden im Widerspruch steht. Es herrscht in der Welt der Geist des Hochmuts und der Unterdrückung bei den Mächtigen, die Gier des Geizkragens, der sein Herz vor den Nöten der Brüder verschließt (vgl. 1 Joh. 3, 17); die Teilnahmslosigkeit des Genießers, der die Schreie der Notleidenden überhört; der Egoismus derer, die nur an sich selbst denken.

Immer ist es die Güte Christi, die fehlt. Gerade sie aber müsste vor allem ein Gegenmittel schaffen gegen diesen Geist des Widerspruchs und der Härte, müsste eine Anleitung sein für eine ausgeglichenere Wertung der Dinge.

Übernatürliche Heilmittel

In Unserer Enzyklika Mater et magistra haben Wir besonders darauf hingewiesen: "Wer sich von der christlichen Liebe leiten lässt, muss auch andere lieben; so empfindet er deren Nöte, Krankheiten und Freuden als seine eigenen. Sein Wirken, wo immer es geschieht, ist kraftvoll, ist voller Menschlichkeit und bemüht um das Wohl der andern. Denn die ,Liebe ist langmütig, die Liebe ist freundlich ... , sucht nicht ihren eigenen Vorteil ... ,sie freut sich nicht über das Unrecht, sie freut sich mit an der Wahrheit ... , alles hofft sie, alles erduldet sie' (1 Kor. 13,4-7)" (Mater et Magistrat, Nr. 257).

Deswegen möchte das Friedensgebet, das von der Krippe von Bethlehem aufsteigt, dieses Jahr ein Gebet um Güte sein, ein Gebet um die Wertschätzung der wahren Brüderlichkeit, ein Gebet um Bereitschaft zur ehrlichen Zusammenarbeit, ohne Intrigen und ohne zersetzende Elemente, die Wir hier noch einmal ganz offen nennen müssen: Stolz, Gier, Gleichgültigkeit, Egoismus.

Die Einladung ist um so drängender, je mehr das gegenseitige Misstrauen der Grund für das steigende Unbehagen ist. Denkt nur: Schon allein der Zustand der Angst, in den die Menschen hineingerissen sind, wenn sie die von offener Gewalttätigkeit und Feindschaft provozierten Ereignisse verfolgen, wird immer dichter und lässt die Menschen erkalten. In solchen Zuständen ist es naheliegend, an das feierliche und ernste Wort Christi zu denken wie an eine drohende Voraussage: "Refrigescet caritas multorum" (Mt. 24,12): "Weil die Bosheit überhandnimmt, wird die Liebe vieler erkalten." Der Mensch ist dem Mitmenschen nicht mehr ein guter, ein barmherziger und ein liebenswürdiger Bruder; er ist ihm ein Fremder geworden, ein Mensch voll Berechnung und Misstrauen, ein Egoist.

Wie dringend ist es deswegen, zur Annahme Christi in Bethlehem aufzurufen, des einzigen Heilmittels, des Lammes Gottes, das hinwegnimmt die Sünden der Welt (vgl. Joh. 1, 29), sich zu flüchten in seine Gnade und seine Lehre der Barmherzigkeit praktisch zu üben.

Ausstrahlende Güte

Das ist die gnadenreiche Weihnacht: ein Sichbegegnen der einfachen Seelen, eine Einladung zur inneren Reinigung, eine Einladung zum Gutsein mit allen; denn "erschienen ist die Güte und die Menschenfreundlichkeit Gottes unseres Erlösers" (Tit. 3, 4).

Übel beklagen macht traurig. Doch wissen Wir, dass Klagen allein Übel nicht beseitigen. Wir müssen das Gute wollen, vollbringen und verherrlichen. Die Güte muss verkündet werden vor dem Angesicht der Welt, damit sie in sie ausstrahle und jedes Individuum und jedes gesellschaftliche Gebilde durchdringe. Gut muss der einzelne Mensch sein, und zwar deshalb, weil er als Widerschein eines reinen Gewissens keine Zwielichtigkeit, keine Berechnung und keine Herzenshärte in sich eindringen lassen darf. Er muss gut sein, wenn er sich ständig um innere Sauberkeit und Vollkommenheit müht. Er muss gütig sein, wenn er seinem festen und unabänderlichen Vorsatz treu bleiben will, nach dem er all sein Denken und Tun auszurichten hat.

Gut muss die Familie sein. In ihr muss das Feuer gegenseitiger Liebe brennen, in der Übung jeglicher Tugend. Die Güte vermenschlicht und stärkt die väterliche Autorität, sie fließt aus der zarten Liebe der Mutter, sie erleichtert ebenso den Gehorsam der Kinder, zügelt die überschäumenden Kräfte und stärkt die Bereitschaft für die unausbleiblichen Opfer. Die Güte muss auch jede Lebensäußerung beherrschen, die nicht zum häuslichen Leben im strengen Sinne gehört, aber doch mit diesem zusammenhängt. Wir möchten nur einige Anwendungsmöglichkeiten nennen, die sich gerade anbieten: die Schule in den verschiedenen Stufen, die verschiedenen Einrichtungen des bürgerlichen Lebens, das geordnete Zusammenleben der Bürger in Ruhe, gegenseitiger Achtung und in Eintracht. Alle Beziehungen der gesellschaftlichen Ordnung müssen etwas von der Güte an sich haben, zu der auch Leo der Große mit besonders nachdrücklichen Worten mahnt: "Unrecht verüben und Unrecht vergelten", so sagt er, "das ist die Klugheit dieser Welt; aber niemandem Böses mit Bösen vergelten ist der reine Ausdruck christlicher Nachsicht ... Man liebe also die Demut, und die Gläubigen mögen sich jeder Anmaßung enthalten. Jeder ziehe den Bruder sich selbst vor, und keiner suche den eigenen Vorteil, sondern den des anderen, damit das Gift der Feindschaft durch das Übermaß an Wohlwollen aus allen verdrängt werde" (Serm. XXXVII [In Epiphaniae solemn. VII], IV; Migne PL 54, 259).

Gut muss auch die Menschheit sein. Diese Stimmen, die wir aus frühen Jahrhunderten vernehmen und die heute noch höchst aktuell sind, schärfen allen Menschen die Pflicht zum Gutsein ein. Gutsein heißt aber: gerecht sein, aufrichtig sein, großmütig, ehrlich und bereit sein zu verstehen und zu verzeihen. Gutsein verlangt Bereitschaft zur Nachsicht und Großmut. Als Einladung zur Erfüllung dieser Pflicht möchten Wir wieder auf den vertrauensvollen Anlass dieser unserer Rundfunkbotschaft hinweisen: auf die Bereitschaft zum Frieden und zur Beseitigung der Umstände, die ihn behindern.

III. Mahnung an die verantwortlichen Führer der Völker

Wir weigern Uns, an den Sieg menschlicher Gewalttätigkeit zu glauben. Neben Furcht und Angst gibt es auch Anzeichen einer guten, aufbauenden und fruchtbaren Bereitschaft. Während Wir dem Herrn, dem Geber alles Guten, danken, richten Wir die Einladung an euch, die Uns am Herzen liegt: eine Einladung an die Mächtigen der Wirtschaft, alles zu wagen, nur nicht den Frieden und das Leben der Menschen, jedes Mittel zu nutzen, das der moderne Fortschritt zur Steigerung des Wohlstandes und der Sicherheit in der Welt in die Hand gibt, nicht um Misstrauen und gegenseitige Verdächtigungen zu verbreiten. Um noch einmal die Worte Unserer Enzyklika Mater et magistra zu gebrauchen: "Mit großer innerer Trauer stellen Wir heute zwei widersprüchliche Erscheinungen fest. Auf der einen Seite malt man den Mangel an Unterhaltsmitteln so düster, dass danach die Menschheit vor Elend und Hunger zugrunde gehen müsse. Auf der anderen Seite verwandeln sich die wissenschaftlichen und technischen Errungenschaften sowie der wirtschaftliche Wohlstand in Werkzeuge, die das Menschengeschlecht an den Rand einer Katastrophe eines schrecklichen Todes treiben" (Mater et Magistrat, Nr. 198).

Eine Einladung an jene, die die Mittel zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung in der Hand haben und darin womöglich ein Monopol besitzen: das strenge Gericht Gottes und auch das Gericht der Geschichte zu fürchten und daher vorsichtig, maß- und rücksichtsvoll ihr Werk zu tun. Nicht wenige Male in der modernen Zeit hat die Presse - Wir sagen das offen, wenn auch ungern - ein Klima der Abneigung, der Animosität und der Feindschaft geschaffen.

Eine Einladung an die verantwortlichen Führer der Völker, an jene, die das Schicksal der Menschheit in der Hand haben: Auf euch, die ihr gebrechliche und sterbliche Menschen seid, blicken mit Angst jene, die zunächst eure Brüder und nicht eure Untergebenen sind. Mit der Autorität, die Uns von Christus gegeben wurde, sagen Wir euch: Haltet die Versuchung zur Gewalt von euch fern. Zittert vor der Möglichkeit, eine unabsehbare Kette von Fakten, Urteilen und Stimmungen zu schaffen, die unüberlegte und nicht mehr gut zu machende Folgen haben könnten. Die große Macht ist euch nicht gegeben worden, um zu zerstören, sondern um aufzubauen, nicht um zu trennen, sondern zu einen, nicht um Tränen hervorzurufen, sondern um allen Arbeit und Sicherheit zu geben.

= Gerechtigkeit und Billigkeit

Ihr seht, es gibt verschiedene Anwendungsmöglichkeiten der Güte, die sich auf alle Gebiete des menschlichen Zusammenlebens erstrecken muß. Diese Güte bedeutet Kraft und Beherrschung seiner selbst, Geduld mit den anderen, Liebe, die nicht nachlässt, die nicht den Mut verliert, weil sie das Gute in ihrer Umgebung verwirklichen will. Nach den Worten des heiligen Augustinus bleibt sie "ruhig bei Beleidigungen, wohlwollend inmitten des Hasses; im Zorn ist sie sanftmütig, bei Nachstellungen einfältig; sie leidet unter der Böswilligkeit und atmet in der Wahrheit" (Sermo 350, 3; Migne PL 39, 1535).

Ehrwürdige Brüder, geliebte Kinder!

Aus dieser neuerlichen Betrachtung des menschgewordenen Sohnes Gottes möge allen Menschen die Botschaft von der Güte und Liebe des Evangeliums in ihrer ganzen Klarheit aufgehen. Diese Botschaft möge für die Gläubigen ein Anreiz sein, sie in ihrem ganzen Umfange zu leben und der angsterfüllten Menschheit dadurch ein Beispiel zu geben. Sie möge für alle Menschen guten Willens eine Ermunterung sein zu fruchtbarer Überlegung über die dauerhafte Anwendung der Prinzipien, auf die sich ein geordnetes Gesellschaftsleben gründet.

Mit diesen Ermahnungen wollte der Stellvertreter Christi noch klarer und eindeutiger auf die gemeinsame Pflicht hinweisen, die sich aus dem Wesensgehalt des Weihnachtsfestes selbst ergibt.

Am Schluss Unserer Ansprache wenden Wir Uns nun bewegten Herzens an die ganze Menschheit, für deren Heil das göttliche Wort Mensch geworden ist; in besonderer Weise an die Leidenden, an die Betrübten dem Geiste und dem Leibe nach, an alle die, die Gerechtigkeit und Liebe erwarten. An alle ergeht der väterliche Wunsch nach jeder möglichen Tröstung. Wir können auch nicht Unsere Herzenssorge verschweigen, dass es beim kommenden, nun schon unmittelbar bevorstehenden Weihnachtsfest Völker geben wird ohne Friede, ohne Sicherheit, ohne religiöse Freiheit, geängstigt durch das Gespenst von Hunger und Krieg. Für sie erheben Wir Unser flehentliches und schmerzerfülltes Gebet zu Christus, verbunden mit den väterlichen Wünschen für die Lösung aller Schwierigkeiten und Gegensätze und mit der erneuten Einladung an die verantwortlichen Führer der Völker, durch ihr gemeinsames Werk für Gerechtigkeit, Billigkeit und den ersehnten Frieden zu arbeiten.

Dieses Unser durch die wahre Güte begründete Friedenswort soll Unsere Botschaft schließen. Mit ihm verbinden Wir zugleich Unsere Glückwünsche und das Geschenk des Apostolischen Segens.

1962

(Herder-Korrespondenz, 17 Jg., S. 231-233)
(Offizielle italienische Fassung: Il natale AAS 55 [1963] 13-19)

Hintergrund

Am 22. Dezember 1962 um 20 Uhr richtete Papst Johannes XXIII. seine traditionelle Weihnachtsbotschafl an die Welt. Mit beschwörenden Worten ruft der Papst darin zum Frieden und zur Suche nach der Einheit der Christen auf. Noch einmal gibt der Papst damit zu erkennen, dass die Sorge um den Frieden und die Einheit der Christen zum zentralen Anliegen seines Pontifikats geworden ist. Der italienische Text der Weihnachtsbotschaft wurde im "Osservatore Romano" (24./25. 12. 62) veröffentlicht. Wir geben den Wortlaut in eigener Übersetzung wieder.

Die Weihnachtsbotschaft

Das Weihnachtsfest dieses Jahres steht im Zeichen des ökumenischen Konzils, das dank der Hilfe des Herrn schon so gut voran geschritten ist.

Vom 11. Oktober bis zum 8. Dezember erlebte man hier in Rom zwei Monate tiefer religiöser Bewegung. Über allen in der Welt zerstreuten Christen öffneten sich beglückende und lichtvolle Ausblicke. Sie sollten gleichsam eine Einladung sein an die am meisten Fernstehenden, auf den Ruf des menschgewordenen Sohnes Gottes, des Kindes von Bethlehem, des Erlösers aller Menschen und des Lehrers aller Völker, zu hören.

Gewiss würde kein Fest der Kirche besser zur Feier des Konzils passen und seine Umrisse besser verdeutlichen als das Fest der Geburt Jesu, die in der hohen Herrlichkeit der Himmel verkündet wurde und sich in der Freude menschlicher Brüderlichkeit für alle Bewohner der Erde erneuert, die geschaffen worden sind und einander folgen werden. In der Tat: Welch glückliche Zusammenhänge kann der christliche Geist auch unmittelbar finden zwischen den Beifallskundgebungen der Väter des Zweiten Vatikanischen Konzils und den Stimmen der Engel, die jedes Jahr zu Weihnachten über den wachenden Hirten erklingen und sich in der Heiligen Nacht des großen Jubels über die göttliche Begegnung zwischen Himmel und Erde wiederholen. Welch freudige Erregung ruft jene himmlische Botschaft hervor, die die große Freude kundtut, "die allen Völkern zuteil wird". Und dann die dichte Schar der Engelschöre, die Gott loben und singen: "Ehre sei Gott in der Höhe und Friede den Menschen auf Erden, die guten Willens sind" (Lk. 2,14).

So lasst Uns denn, Ehrwürdige Brüder und geliebte Söhne, an diesem Weihnachtsfest die Freude, ein wenig zu verweilen: Wir sind alle noch tief bewegt von den Ereignissen des Konzilsbeginns. Lasst uns deshalb also verweilen bei den Worten der weihnachtlichen Liturgie.

Drei harmonische Schwingungen kommen vom bevorstehenden Fest, das wir im hellen Licht des Konzilsereignisses feiern, auf uns zu:

1. die im Gesang der Engel verkündete Herrlichkeit des Herrn;

2. die Verwirklichung und die Früchte des Friedens auf Erden in Übereinstimmung mit dem Verlangen der Menschen und der Völker und

3. das Apostolat und der Triumph der Einheit der Kirche im Denken, im Gebet und im Opfer Christi zum geistlichen Wohl der ganzen Menschheit.

I. Die verkündete Herrlichkeit des Herrn

"Ehre sei Gott in der Höhe." Zu solcher liturgischer Höhe steigt vor allem der Weihnachtshymnus auf. Es ist zugleich der Hymnus der im Konzil versammelten Kirche, die sich aufschließt gleichsam wie das Erblühen einer neuen, mit dem Schöpfer versöhnten und durch Christus den Erlöser in der Freude und im Frieden des einzelnen und der Völker wieder geborenen Menschheit.

Welchen Jubel löste jeden Tag zu Beginn der Konzilsarbeiten das "Gloria in excelsis Deo" aus. Es wurde gesungen in vielen Sprachen nach der Verschiedenheit der Riten, von denen glücklicherweise zahlreiche und anziehende Beispiele gezeigt wurden: nach dem Römischen und Ambrosianischen, dem Griechischen und Slawischen, dem Armenischen, Antiochenischen und Alexandrinischen, nach dem Byzantinischen, Chaldäischen, Melkitischen, nach dem Syrischen und Maronitischen und noch nach anderen Riten von erbaulicher Lobpreisung und liebevoller Begegnung.

So vernahmen und verstanden wir diesen Lobgesang. Er übertrifft alle Freude und jede mögliche Huldigung an die barmherzige Güte des himmlischen Vaters.

Wer es miterlebt hat, wer sein wohlklingendes Echo vernahm, wird jenes "Ehre sei Gott in der Höhe" nicht vergessen können, auf das mehr als 2000 Bischöfe, die hier am Feste der Unbefleckten Empfängnis, der im Glanz dieses besonderen Merkmals der Auserwählung erstrahlenden Mutter Gottes und unserer Mutter, aus aller Welt versammelt waren, nicht nur in der gewöhnlichen Volksweise, sondern im wunderbaren Gregorianischen Choral geantwortet haben.

II. Der Friede: das höchste Gut auf Erden

Und mit der Ehre Gottes in den Höhen des Himmels verbindet das Geheimnis der Geburt Christi und deren Gedächtnisfeier für uns Pilger hienieden den Wunsch nach Frieden für die ganze Welt: "Friede den Menschen auf Erden, die guten Willens sind."

Das Wort Himmel findet sich häufig in den beiden Testamenten. Aber es wird auf vielen, vielen Seiten an Häufigkeit bei weitem übertroffen durch das Wort Erde. Nun ist aber das kostbarste und erstrebenswerteste Gut der Welt der Friede. Friede auf Erden, so singen wir mit den Engeln in Bethlehem, Friede den Menschen auf Erden, die guten Willens sind.

Von allen Werten des Lebens, der Geschichte, der einzelnen, der Familien und der Völker ist der Friede in der Tat der wichtigste und kostbarste. Seine Verwirklichung und der Eifer für den Frieden bringt Sicherheit für die Ruhe in der Welt. Dazu gehört als Voraussetzung der gute Wille aller und eines jeden einzelnen: "Friede den Menschen, die guten Willens sind." Wo dieser Wille fehlt, hofft man vergebens auf Freude und Segen.

Es heißt also immerdar den Frieden suchen, ihn um uns herum verwirklichen, damit er sich in der Welt ausbreite, ihn vor jeder Gefahr schützen, ihn jedem Wagnis vorziehen, um ihn nicht zu verlieren oder zu verletzen. Was ist das für eine große Aufgabe für jeden Papst, für jetzt und für immer! Die Bemühungen, die diese vier Jahre Unseres niedrigen Dienstes begleiten, so wie Wir ihn verstehen und verstehen werden "bis ans Ende", ist Dienst des Dieners der Diener des Herrn, der der wahre Herr und Fürst des Friedens ist.

Indem Wir diese Worte aussprechen und über Radio und Fernsehen ausstrahlen, denken Wir, dass alle, die Uns im guten Glauben und mit reinem Gewissen anhören, in ihnen nochmals das Echo Unseres jüngsten Friedensaufrufes zu Einigkeit und Eintracht der Völker aus Unserer Radiobotschaft vom 25. Oktober vernehmen wollen: "Wir erneuern heute diesen feierlichen Aufruf. Wir beschwören alle Regierenden, diesem Schrei der Menschheit gegenüber nicht taub zu bleiben. Mögen sie alles, was in ihrer Macht steht, tun, den Frieden zu erhalten. Sie werden so der Welt die Schrecken eines Krieges ersparen, dessen mögliche furchtbare Folgen niemand absehen kann. Mögen sie fortfahren zu verhandeln, denn ein solches loyales und offenes Verhalten hat eine große Zeugniskraft vor dem Gewissen des einzelnen und vor der Geschichte. Verhandlungen vorzuschlagen, zu ermöglichen und anzunehmen auf jeder Ebene und zu jeder Zeit ist eine Weisheits- und Klugheitsregel, die den Segen des Himmels und der Erde auf sich zieht".

Auf diese Einladung kommen Wir um so lieber und bereitwilliger zurück, Ehrwürdige Brüder und geliebte Söhne, als untrügliche Zeichen hoher Anerkennung Uns die Gewissheit geben, dass es nicht Worte waren, die in den Wind gesprochen wurden, sondern Herzen und Verstand gerührt haben und nun neue Aussichten auf brüderliches Vertrauen und lichtvolle Ausblicke auf wahren sozialen und internationalen Frieden eröffnen.

Angesichts dieser glücklichen Entwicklung der inneren und internationalen Ordnung der Völker, die auch ein Wendepunkt zu einer neuen Geschichte der gegenwärtigen Welt ist, ist Uns die Feststellung äußerst willkommen, dass das, was Wir in Unserer Radiobotschaft ausgesprochen haben, in harmonischer Übereinstimmung mit dem Weltepiskopat der Katholischen Kirche gesagt worden ist, der in jenen Tagen hier in Rom unter der milden Leitung des Nachfolgers des heiligen Petrus in dessen Tempel in die Konzilsarbeiten vertieft war. Es ist der erhabene Geist des Evangeliums, es ist die lebendige Flamme des reinen katholischen Apostolates, der das Gebot des Herrn verwirklicht und heiligt: "Suchet zuerst das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit, und alles übrige wird euch dazugegeben werden" (Mt. 6,33).

Es versteht sich von selbst, dass in dieser Erwartung und dann im festlichen Geschehen von Weihnachten das Wohlergehen zu Hause in der Familie als Frucht des christlichen Friedens besonders im Mittelpunkt stehen muss. Die dreifache Offenbarung von Bethlehem und Nazareth mit den drei Personen: Jesus, Maria und Joseph, welche Quelle der Freude, der Wonne und des Friedens! Und welche Tiefe liegt in der Lehre des kleinen Büchleins von der Nachfolge Christi, dort, wo die Gestalt des gütigen und friedlichen Menschen beschrieben wird, von dem es heißt, dass "er alles zum Guten wendet" (Nachfolge Christi, 2. Buch, 3. Kapitel).

III. Das Konzil: die brüderliche Versammlung der Bischöfe

Die dritte harmonische und jubelnde Schwingung des Weihnachtsfestes, die in Verbindung steht mit der innigen Freude, die die ehrwürdigen Prälaten durch ihre persönliche Teilnahme an der Feier des Konzils verkosten konnten, findet ihren ergreifenden Ausdruck in der heiligen Brüderlichkeit der Bischöfe. In der Tat! Die Gnade des Herrn hat sich in einem Maße über die Kirche ergossen, dass sie jede Erwartung übertraf. Wir zitterten bei dem Gedanken daran, dass sich die Barmherzigkeit Jesu den Erbärmlichkeiten einer Welt zuneigen wolle, deren Retter und Erlöser er ist, die aber nach 2000jähriger Geschichte noch weit davon entfernt ist, mit voller Zustimmung auf seine Einladung zu antworten.

Das, was wirklich geschehen ist, hat bei weitem jede Erwartung übertroffen. "Der Herr hat das gemacht, und es ist wunderbar in unseren Augen" (Mt. 21,42). Gott hat das Gebet der ihm geweihten Seelen, der Kinder, der Kranken und Leidenden angenommen und erhört. Er hat auch das Flehen jener gehört, die beten möchten, es aber nicht können, derer, die danach verlangen, in ihrem Bewusstsein die ewigen Gesetze mit den Erfordernissen ihrer persönlichen Berufung in Einklang zu bringen.

Das charakteristischste Ereignis des Ökumenischen Konzils war das spontane, von nahezu allen unerwartete Sich-Öffnen des Sinnes für Einheit, besser würde man sagen: für eine bewusste, anerkannte und gut aufgenommene Ausrichtung auf die christliche Brüderlichkeit, die im Apostolischen Glaubensbekenntnis der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche überzeugend ausgedrückt ist, einer Kirche, die nicht zur Herrschaft über die Völker, sondern zum Dienst an den Völkern da ist, für welche der Plan Christi ein ehrlich erstrebtes, wenn auch nicht immer in seinen Umrissen und seiner Entfaltung erkanntes Ziel ist.

Aufruf zur Einheit

Auf dem weiten, undurchsichtigen und noch sehr ungeordneten Horizont der Schöpfung, wie sie in den ersten Zeilen der Genesis beschrieben wird, "ruhte der Geist Gottes über den Wassern". Sicher ist, von genauerer Erklärung und Anwendung abgesehen, dass in den Beziehungen zum überlebenden geistigen Erbe der Kirche auch dort, wo es nicht in seiner Fülle gegeben ist, wenige Male nur in der christlichen Ära von zwei Jahrtausenden eine so drängende Hinneigung in den Herzen zu der vom Herrn gewollten Einheit verspürt worden ist. Die Aufgeschlossenheit, die man bei dieser ersten Begegnung unserer Zeitgenossen mit den religiösen Fragen über den Weg des Ökumenischen Konzils feststellen konnte, diese Aufgeschlossenheit schart sie alle vornehmlich um das Bild von dem einen Schafstall und dem einen Hirten. Es ist ein manchmal zögerndes und manchmal durch Vorurteile belastetes Sich-Begegnen. Vorurteile, die Wir Uns vorstellen können und die Wir auch verstehen wollen, damit man sie mit der Gnade Gottes überwinden kann.

Das Wort von dem einen Schafstall und dem einen Hirten, das in dem Worte "dass alle eins seien" beim letzten Abendmahl einen flehenden Ausdruck findet, steigt als drängendes Echo aus der Tiefe von zwanzig christlichen Jahrhunderten auf und klopft an das Herz eines jeden. Dass sie eins seien, dass sie eins seien! "Dass alle eins seien wie du, Vater, in mir und ich in dir; dass sie eins seien in uns, damit die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast" (Joh. 17,21). Das ist die letzte Erklärung für das Wunder der Liebe, das in Bethlehem begonnen hat und dessen Erstlingsfrüchte die Hirten und die Magier waren: die Rettung der Menschen, ihre Vereinigung im Glauben und in der Liebe in der sichtbaren von Christus gegründeten Kirche.

Dass sie eins seien! Es ist der Plan des göttlichen Erlösers, den wir verwirklichen müssen, Ehrwürdige Brüder! Das ist die große Aufgabe, die dem Gewissen eines jeden einzelnen gestellt ist. Am letzten Tag des besonderen und allgemeinen Gerichtes wird dieses Gewissen nicht danach gefragt werden, ob es die Einheit geschaffen hat, sondern ob es dafür gebetet, gearbeitet und gelitten hat. Ob es sich weise, kluge, geduldige und weit blickende Zurückhaltung auferlegt hat und ob es den Regungen der Liebe Auftrieb gegeben hat.

Dieser Herzschlag Christi soll eine Einladung sein, neu darauf hinzuwirken, dass unter den Katholiken die Liebe und die Zeugniskraft für das erste Merkmal der Kirche unversehrt erhalten bleibe, damit dann bei den zahlreichen christlichen Gemeinschaften und über diese hinaus jene Einheit verwirklicht werden kann, um die sich die aufrichtigen und großmütigen Herzen bemühen. Ehrwürdige Brüder und geliebte Söhne! In der Erwartung des Weihnachtsfestes, das von den Ausstrahlungen des Ökumenischen Konzils, dessen Arbeiten fortgesetzt werden, belebt wird, öffnet sich auch Unser Herz in väterlicher Sorge.

Das Weihnachtsfest von 1962 soll ein Weihnachtsfest von inniger Freude und tiefem Frieden des Geistes sein für die ganze menschliche Gesellschaft und vor allem für deren Fundament, die Familie. Es soll ein Weihnachten des Gebetes und des Nachdenkens sein, um der Sorge unseres Herrn Jesus Christus um die Einheit der Gläubigen in seinem Namen und nach seinem Evangelium nachzueifern. Es soll ein Weihnachten der gelebten Liebe sein in den gegenseitigen Beziehungen der Glieder des mystischen Leibes durch großmütige Verwirklichung des Wohles des einzelnen, der Familien, der sozialen und internationalen Gemeinschaften. Unser Herz, das vom Zauber dieser Stunde gerührt ist, kommt zu einem jeden von euch, Ehrwürdige Brüder und geliebte Söhne. Durch die mächtige und doch bescheidene Hilfe von Radio und Fernsehen hat es Zutritt zu euren Häusern, die in heiliger Erwartung der Geburt des göttlichen Erlösers erstrahlen, und öffnet sich zu herzlichem Gruß und väterlichen Wünschen. Wir möchten verweilen am Tisch der Armen, an den Arbeitsstätten, in den Studiensälen und den Laboratorien der Wissenschaft, am Bett der Leidenden und Alten, überall dort, wo Menschen sind, die beten und leiden, die für sich und die anderen arbeiten in der Übung und Beherrschung des Verstandes, des Herzens und der Arme. Wir möchten Unsere Hand auf die Häupter der Kleinen legen, den Jugendlichen in die Augen schauen, die Väter und Mütter in der Ausübung ihrer täglichen Pflichten aneifern. Wir möchten allen die Worte des Engels wiederholen: "Ich verkünde euch eine große Freude, heute ist euch der Heiland geboren", und möchten fortfahren mit den Überlegungen des heiligen Augustinus: "Christus ist geboren und liegt in der Krippe, aber er regiert die Welt ... Er ist umhüllt von armseligen Windeln, aber er bekleidet uns mit Unsterblichkeit ... Er fand keinen Platz in der Herberge, aber er will sich in den Herzen der Gläubigen einen Tempel bauen ... Entzünden wir also die Liebe, damit wir zu seiner ewigen Herrlichkeit gelangen" (Sermo 190, In Natali Domini VII, 4 Migne, PL 38, 1009). Das ist die Wirklichkeit des Weihnachtsfestes, und diese wünschen Wir euch ganz und mit Freude, indem Wir diesen väterlichen Wunsch mit innigem und beharrlichem Gebet begleiten.

Ewiges Wort des Vaters, Sohn Gottes und Mariens, erneuere nochmals in der geheimnisvollen Tiefe der Seelen das Wunderzeichen deiner Geburt! Bekleide die Kinder deiner Erlösung mit Unsterblichkeit, entflamme sie mit Liebe, führe alle zusammen durch die Bande deines mystischen Leibes, damit deine Ankunft die wahre Freude, den sicheren Frieden, die tatkräftige Brüderlichkeit den einzelnen und den Völkern bringe. Amen, Amen.

Als Widerschein des himmlischen Wohlgefallens an dem göttlichen Kinde von Bethlehem komme auf euch alle, Ehrwürdige Brüder und geliebte Söhne, die tröstende Kraft des Apostolischen Segens, den der bescheidene Stellvertreter dessen, der der Friedensfürst und der Vater der kommenden Zeiten ist (vgl. Joh. 9, 6), allen aus der Fülle väterlicher Liebe spendet.