Der Weltcharakter der Laien in der Kirche

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Ansprache bei der Generalaudienz

von Papst
Johannes Paul II.
über den Weltcharakter der Laien in der Kirche
3. November 1993

(Quelle: Kleruskongregation)
Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


1. Bekanntlich nennt das II. Vatikanische Konzil den „Weltcharakter" als Merkmal des Laienstandes, wenn es die Glieder der Kirche und insbesondere die Laien von denen unterscheiden will, die dem Klerus und den Ordensinstituten angehören. „Den Laien ist der Weltcharakter in besonderer Weise eigen", bekräftigt das Konzil (Lumen Gentium, Nr. 31) und weist damit auf einen Lebensumstand hin, der die Berufung und Sendung der Laien auf Grund der gemeinsamen Taufweihe kennzeichnet, so wie der Weihestand und das Priesteramt für die Kleriker und das Bekenntnis zu den evangelischen Räten für die Ordensleute charakteristisch ist.

2. Es handelt sich um eine besondere Berufung, welche die allgemeine christliche Berufung näher bestimmt, durch die wir alle gerufen sind, entsprechend den Erfordernissen unseres „Daseins", das heißt als Glieder des mystischen Leibes Christi und in Ihm Adoptivkinder Gottes zu „wirken". Immer dem Konzil entsprechend (ebd.), sind die geweihten Diener berufen, die heiligen Handlungen mit einer besonderen Konzentration ihres Lebens in Gott zu vollziehen, um den Menschen die geistlichen Güter, die Wahrheit, das Leben und die Liebe Christi zu beschaffen. Die Ordensleute ihrerseits geben Zeugnis von der Suche nach dem „einzig Notwendigen" durch den Verzicht auf die zeitlichen Güter zugunsten des Reiches Gottes: Sie sind also Zeugen des Himmels. Die Laien als solche sind berufen und dazu bestimmt, Gott im Gebrauch der zeitlichen Dinge und durch das Mitwirken am Fortschritt der Gesellschaft zu ehren. In diesem Sinn spricht das Konzil vom Weltcharakter der Laien in der Kirche. Wenn das Konzil diesen Ausdruck auf die Berufung der Laien anwendet, hebt es die zeitliche Ordnung und, wir können sagen, die Welt hervor. Aber die Weise, in der es dann diese Berufung definiert, zeigt ihre Transzendenz über die .Ausblicke der Zeit und die Dinge der Welt.

3. Denn nach den Worten des Konzils gibt es im Laienchristen, weil er Christ ist, eine wahre Berufung, die für ihn als Laien einen besonderen Bedeutungsgehalt besitzt: Aber sie ist immer Berufung zum Reich Gottes! Der Laienchrist ist gewiß jemand, der „in der Welt" lebt, wo er sich um die zeitlichen Dinge sorgt, um die eigenen Bedürfnisse auf persönlicher, familiärer und sozialer Ebene zu befriedigen und nach dem Maß der eigenen Möglichkeiten und Fähigkeiten an der wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung der ganzen Gemeinschaft mitzuarbeiten, als deren lebendiges, tätiges und verantwortliches Glied er sich fühlen soll. In dieser Lebensform ruft und begleitet ihn Christus und erkennt und achtet ihn die Kirche. Durch seine Rolle in der Welt soll er „das Reich Gottes suchen" und die zeitlichen Dinge nach dem Plan Gottes „ordnen". Hier der Konzilstext: „Sache der Laien ist es, kraft der ihnen eigenen Berufung in der Verwaltung und gottgemäßen Regelung der zeitlichen Dinge das Reich Gottes zu suchen" (Lumen Gentium, Nr. 31). Das betonte auch die Bischofssynode von 1987 (Propositio 4, in Christifìdeles laici, Nr. 15 und Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 898).

Das Konzil erklärt weiter, daß die Laien „in der Welt leben, das heißt in all den einzelnen irdischen Aufgaben und Werken und den normalen Verhältnissen des Familien- und Gesellschaftslebens, aus denen ihre Existenz gleichsam zusammengewoben ist" (Lumen Gentium, Nr. 31). Und darin bezeugen sie, daß die Kirche, dem Evangelium getreu, die Welt nicht für, wesentlich schlecht und unkorrigierbar hält, sondern für fähig, die Heilskraft des Kreuzes anzunehmen.

4. Hier stellt sich für die Berufung der Laien und den Weltcharakter ihres Zustandes und ihrer Sendung ein Grundproblem der Evangelisierung: das Verhältnis der Kirche zur „Welt", ihr Urteil über sie und das wahrhaft christlich angelegte Heilswirken. Gewiß kann man nicht verkennen, daß im Johannesevangelium mit der Bezeichnung „Welt" oft eine Gott und dem Evangelium feindlich gesinnte Umgebung bezeichnet wird: jene menschliche Welt, die das Licht nicht aufnimmt (1,10), den Vater (17,25) und den Geist der Wahrheit (14,17) nicht erkennt und Christus und seine Jünger haßt (7,7; 15,18-19). Jesus weigert sich, für diese Welt zu bitten (17,9), und wirft den „Herrscher dieser Welt", den Satan (12,31), hinaus. In diesem Sinn sind die Jünger nicht yon der Welt, so wie Jesus selbst nicht von der Welt ist (17,14.16; 8,23). Der eindeutige Gegensatz wird auch im ersten Johannesbrief ausgedrückt: „Wir wissen: Wir sind aus Gott, aber die ganze Weit steht unter der Macht des Bösen" (5,19).

Und trotzdem darf man nicht vergessen, daß im gleichen Johannesevangelium der Begriff „Welt" auch auf den ganzen menschlichen Bereich bezogen wird, für den die Heilsbotschaft bestimmt ist: „Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat" (3,16). Wenn Gott die Welt, wo die Sünde herrscht, geliebt hat, dann erhält diese Welt durch die Menschwerdung und die Erlösung einen neuen Wert und soll geliebt werden. Die Welt ist zum Heil bestimmt: „Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird" (3,17).

5. Zahlreich sind die Stellen im Evangelium, welche die Haltung der Güte und Barmherzigkeit beweisen, die Jesus gegenüber der Welt einnimmt, weil. er ihr Retter ist: Das Brot, das vom Himmel kommt, „gibt der Welt das Leben" (Joh 6,33); in der Eucharistie wird das Fleisch Christi hingegeben „für das Leben der Welt" (Joh 6,51). Die Welt erhält so das göttliche Leben Christi. Sie empfängt vom ihm auch das Licht: Denn Christus ist „das Licht der Welt" (Joh 8,12; 9,5). Auch seine, Jünger sind berufen, „Licht der Welt" (Mt 5,14) zu sein: Sie sind wie Jesus „in die Welt" (Joh 17,18) gesandt.

Die Welt ist also das Feld der Evangelisierung und der Umkehr: der Bereich, wo die Sünde ihre Macht ausübt und spüren läßt, wo aber auch die Erlösung am Werk ist in einer Art Spannung, die - wie der Glaubende weiß dazu bestimmt ist, mit dem Sieg des Kreuzes zu enden, einem Sieg, dessen Zeichen seit dem Tag der Auferstehung in der Welt sichtbar sind.

Diesen Ausblick zeigt das II. Vatikanische Konzil besonders in der Konstitution Gaudium et spes, welche das Verhältnis der Kirche zur Welt, verstanden als „die gesamte Menschheitsfamilie", behandelt, wo die Heilskraft Christi wirksam ist und sich der Plan Gottes verwirklicht, den er nach und nach zur Vollendung führt (vgl. Gaudium et spes, Nr. 22).

Das Konzil verkennt nicht den Einfluß der Sünde auf die Welt, es unterstreicht aber, daß die Welt gut ist, weil sie von Gott geschaffen und von Christus erlöst wurde. Man versteht deshalb, daß die Welt, entsprechend dem positiven Charakter, den sie von der Schöpfung und der Erlösung empfängt, „zum Bereich und zum Mittel der Erfüllung der christlichen Berufung der Laien (wird), weil sie dazu bestimmt ist, in Christus Gott den Vater zu verherrlichen" (Christifideles laici, Nr. 15). Vor allem den Laien steht es also gemäß dem Konzil zu, sich in der Welt einzusetzen, damit in ihr das Werk der Erlösung verwirklicht werde.

6. Deshalb sind die Laien weit entfernt davon, der Welt zu entfliehen, sondern dazu berufen, sich auf sie einzulassen, um sie zu heiligen: Das wiederholen wir noch einmal mit einer schönen Aussage des Konzils, die als Abschluß dieser Katechese dienen kann: Die Laien sind „von Gott gerufen, ihre eigentümliche Aufgabe, vom Geist des Evangeliums geleitet, auszuüben und so wie ein Sauerteig zur Heiligung der Welt gewissermaßen von innen her beizutragen und vor allem durch das Zeugnis ihres Lebens, im Glanz von Glaube, Hoffnung und Liebe Christus den anderen kund zu machen" (Lumen Gentium, Nr. 31).

In deutscher Sprache sagte der Papst:

Liebe Schwestern und Brüder!

Indem ich innig dafür bete daß Ihr Eurer Berufung an der Erlösung der Welt mit zuwirken, jederzeit mit Eifer Folge leistet grüße ich Euch liebe deutschsprachige Pilger und Besucher, sehr herzlich.

Mein besonderer Willkommensgruß gilt den Mitgliedern des Cäcilienverbandes der Erzdiözese Freiburg im Breisgau, den Kimling-Chören aus dem Kreis Karlsruhe und dem Polizeichor München. Für Eure Darbietungen, mit denen Ihr Herz und Seele der Menschen erfreut, danke ich Euch und wünsche Euch zugleich, daß Ihr durch Euer Singen auch weiterhin zur Verinnerlichung der Liturgie beitragen möget. Ebenso grüße ich herzlich die Gruppen der Katholischen Militärgemeinden Regensburg und Neubiberg und den Verein „Gemeinsam Reisen mit Behinderten", Ulm.

Euch allen, Euren lieben Angehörigen und Freunden in der Heimat sowie allen, die uns in diesem Augenblick geistlich verbunden sind, erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen.

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