Iampridem
Iampridem nobis |
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von Papst
Leo XIII.
an die Erzbischöfe und Bischöfe Preußens
über die feindselige Gesetzgebung in Deutschland und die Bestrebungen zu einer erträglichen Abänderung derselben
6. Januar 1886
(Offizieller lateinischer Text: ASS XVIII [1885] 387-394)
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Gruß und Apostolischen Segen.
Schon längst war es Unser Wunsch, ehrwürdige Brüder, Uns an euch zu wenden, um die gegenwärtige Lage der Katholischen Kirche in Deutschland vor euch zu besprechen. - Danach hatten wir sehr verlangt, in ganz besonderer Weise Unser Wohlwollen und Unsere große väterliche Liebe zu bezeugen, , die Wir zu euch und zu euren geliebten Söhnen tragen und zugleich euch Glück zu wünschen, wegen der wahrhaft apostolischen Fürsorge für eure Herde, die, wie Wir sehen, euch alle, ehrwürdige Brüder durchdringt und entflammt. Habt ihr doch ohne Unterlass Sorge getragen, dass die eurer Obhut anvertrauten Katholiken niemals vom Wege des Heils in Tugend und Frömmigkeit sich abwenden ließen Vornehmlich war uns auch daran gelegen, euch kund zu tun, wie höchst erfreulich und trostbringend es für Uns ist, wenn Wir sowohl die große Ergebenheit sehen, mit welcher alle Katholiken Deutschlands euch zugetan sind und auf euer Wort hören, als auch die kirchliche Zucht und Eintracht, die mehr und mehr unter ihnen erstarkt.
Da Wir nunmehr es an der Zeit finden, diesem Unserem Wunsche Ausdruck zu geben, so haben Wir Uns entschlossen, dieses Schreiben an Euch zu richten. Wir sind dabei von der tröstlichen Hoffnung beseelt, es werde bald durch Gottes gnädige Fügung der Tag anbrechen, welcher für die Religion und Kirche in Deutschland die freudigen Anfänge besser Zustände bringt.
Euch allen ist es bekannt, ehrwürdige Brüder, dass die Eintracht, welche längere Zeit hindurch glücklich und Segen bringend zwischen diesem Apostolischen Stuhle und dem Königreiche Preußen bestand, mit einem Male stark getrübt wurde und dass einige Gesetze erlassen worden sind, durch welche die Katholiken sehr beängstigt wurden und in eine äußerst schwierige Lage sich versetzt sahen. - Doch dieses unselige Ereignis, welches Unseren Vorfahrer Pius IX. hochseligen Andenkens und auch Uns auf+s tiefste betrübt hat, ist durch Gottes Fügung Anlass geworden, dass die Tugend der Oberhirten sowohl wie der Katholiken Deutschlands und ihre Standhaftigkeit im Glauben ihrer Väter in noch höherer Weise hervorleuchtete. Es ist aber diese Tugend und Standhaftigkeit darum umso höher zu erachten, weil, während jene mannhaft für die Sache der Kirche eintraten, sie niemals die Treue brachen, die sie der Majestät des Königs schulden, noch unbotmäßig sich erwiesen und niemals in ihrer Liebe zum Vaterlande wankten. Sie haben sich durch die Tat selbst ihren Anklägern gegenüber kund getan, dass es nicht politische Motive sind, die sie bestimmen, sondern dass einzig ihre religiöse Pflicht sie leitet, die da gebietet, Gottes Sache heilig zu halten und unentweiht. - So ist es dann auch gekommen, dass der große Gott, der Urheber und Vergelter aller guten Werke, nicht bloß über euch, ehrwürdige Brüder, sondern über alle eurer Diözesanen die Schätze seiner Gnade und Barmherzigkeit in reichstem Maße ausgegossen hat. Denn wenngleich von Tag zu Tag die Anzahl der Priester in Folge der neuen Gesetze in Preußen abnahm und nicht wenige Pfarrkirchen in die traurige Lage versetzt wurden, dass sie keinen Priester mehr hatten, um den Gläubigen die Sakramente zu spenden, wenngleich es nicht an Verführern fehlte, welche unter dem Namen von Altkatholiken neue und verderbliche Lehre verbreiteten und darauf ausgingen, die Gemüter arglistig zu berücken und für sich zu gewinnen, so gewähren Uns trotz alledem Unsere geliebten katholischen Söhne in Deutschland den erhebenden Anblick standhafter und felsenfester Treue in dem Glauben ihrer Väter. Nirgends fanden die Lockungen der Leher der Ungerechtigkeit bei ihnen Gehör, mit wahrhaft christlicher Seelengröße trotzen sie allen Gefahren und je schwerer die Stürme über ihre Kirche hereinbrachen, desto stärker ward die Liebe, mit der sie sich hingaben.
Solche Erweise hoher und herrlicher Tugend haben Uns einigen Trost gegeben in der Trauer, welche wir ob der genannten Gesetze empfanden und in der Inbrunst Unseres Herzens haben Wir Gott Lob und Dank gesagt, weil er seinen Söhnen in wunderbarer Weise eine solche Kraft verliehen. Darum konnten Wir auch bei gegebener Gelegenheit nicht umhin, euere und euerer katholischen Völker Tugend vor aller Welt nasch Verdienst zu rühmen. - Doch das Alles durfte Uns nicht genügen, denn Unser Apostolisches Amt gebietet Uns, zu wachen, dass die Kirche in ihrem Bestand keinen Schaden leide und in ihrem inneren Leben keine Störungen eintreten. Darum waren wir zugleich angelegentlich bemüht, durch Unsere Autorität dahin zu wirken, dass die gegenwärtigen Schwierigkeiten gehoben würden. Und Wir haben alle Sorgfalt angewendet und nichts unversucht gelassen, um die Zurücknahme jener Gesetze zu erwirken, welche der Kirche andauernde Bedrängnisse und euch so mannigfache Mühsale gebracht haben. Und so groß was Unser Bestreben und ist es noch, auf festen Grundlagen ein friedliches Einvernehmen herzustellen, dass Wir es nicht unterließen, vor der Staatsregierung die Erklärung abzugeben, Wir seien gewillt, in der Nachgiebigkeit ihr gegenüber bis zur äußersten Grenze zu gehen, so weit es nur immer Gottes Gesetze und Unser Gewissen erlauben. Ja, Wir haben kein Bedenken getragen, diese Unsere Willensmeinung durch tatsächliche Beweise zu beurkunden. Und es steht bei uns fest, auch für die Zukunft alles aufzubieten, was zur Wiederherstellung und Befestigung der Eintracht beitragen kann.
Niemals aber wird dieses glückliche Ereignis eintreten, welches Wir so sehnlichst wünschen, wenn man nicht Sorge trägt, dass die Staatsgesetze nichts enthalten, wodurch sie in Gegensatz treten zur katholischen Disziplin in dem, was die Frömmigkeit der Gläubigen hoch und heilig hält. Ebenso muss das den Bischöfen zustehende Recht wohl gewahrt bleiben, frei nach den Gesetzen des Evangeliums ihre Kirchen zu regieren und die Jugendlichen in den geistlichen Erziehungsanstalten nach den kanonischen Satzungen auszubilden. - Denn so sehr Wir auch von dem aufrichtigsten Streben durchdrungen sind, dass wieder Friede werde, so ist es Uns doch nicht erlaubt, etwas zu unternehmen gegen Gottes Ordnung und Gesetz. Wahrhaftig, dieses zu verteidigen, wenn es notwendig sein sollte, würden Wir nach dem Beispiel Unserer Vorfahren auch das Äußerste erdulden.
Euch aber, ehrwürdige Brüder, ist es wohlbekannt, was das innerste Wesen der Kirche bildet, welche Beschaffung ihr göttlicher Stifter ihr gegeben hat und was für Rechte hieraus folgen. Diese ihr zu entreißen oder zu verkümmern, ist niemandem erlaubt. Es ist nämlich die Kirche, wie wir selbst in Unserem Rundschreiben "Immortale Dei" dargelegt haben, eine übernatürliche und in ihrer Art vollkommene Gesellschaft. Ihre Aufgabe ist es, hinzuführen ihre Söhne zur ewigen Seligkeit. Darum hat auch ihr göttlicher Stifter sie mit allen jenen Gnaden und Heilmitteln ausgestattet, durch welche diese in den Besitz der ewigen Güter gelangen mögen. Hier auf Erden, unter den Kämpfen dieses Lebens, hat dieser Gottesbau der Kirche seinen Anfang, dort im Himmel wird er vollendet sein in seiner ganzen Glorie. Der Kirche allein kommt es zu, Bestimmungen zu treffen über das, was zu ihrem inneren Leben gehört, wie es Jesus Christus, der Wiederbringer unseres Heiles, angeordnet hat. Nach Christi Befehl ruht diese freie und von niemand abhängige Gewalt in Petrus und seinen Nachfolgern und unter Petri Autorität und Lehramt bei den Bischöfen für ihre Diözesen. Diese Gewalt der Bischöfe bezieht sich ganz besonders und ihrer Natur nach auf die Disziplin des Klerus, sowohl hinsichtlich dessen, was ihr heiliges Amt betrifft, als in Bezug auf das priesterliche Lebensordnung. Denn der Priester soll mit dem Bischof zusammenstimmen wie die Saiten einer Leier (Ingnat. M. Ep. ad Ephes. c. XV.).
Da nun der Priesterstand eine so erhabne Würde empfangen und in der ununterbrochenen Reihenfolge seiner Träger im Laufe der Jahrhunderte unverändert immer wieder sich erneuert, so ist es notwendig, dass jene, welche zu diesem Stande sich berufen fühlen, so viel als möglich durch reine Lehre und unbescholtenes Leben dem Vorbild der ersten Glaubensboten folgen, die Christus selbst sich erwählt hat. Darum kann es niemandem zweifelhaft sein, dass nur den Bischöfen das Recht und die Pflicht zusteht, jene Jünglinge zu unterrichten und zu bilden, welche Gott in seiner besonderen Gnade aus den Menschen sich erlesen, auf dass sie seine Diener seien und Ausspender seiner Geheimnisse. - In der Tat, wenn von jenen, an welche der Befehl erging: "Lehrt alle Völker§, die Welt die religiöse Lehre empfangen soll, um wie viel mehr sind die Bischöfe berechtigt, in der Weise, welche sie für die Beste halten und durch Lehrer, die ihnen besonders genehm sind, jenen die Speise der reinen Lehre zu reichen, die dereinst durch ihr heiliges Amt ein Salz der Erde sein sollen und Abgesandte Christi zu den Menschen ? Doch hiermit haben die Bischöfe in ihrem schweren Amt noch nicht genug getan. Ihre feste Sorge sollen sie den Alumnen des Priestertums widmen, frühzeitig den Geist echter Frömmigkeit ihnen einflößen, ohne welchen sie weder der Ehre des Priestertums würdig sein, noch im Stande, dessen Obliegenheiten nach Gebühr zu erfüllen.
Ihr wisst es recht gut, ehrwürdige Brüder, was euch die Natur der Sache und die Erfahrung lehren, wie mühevoll es ist, welch' langwierige Arbeit es erfordert, solche Jünglinge zu erziehen und heranzubilden. Denn da jene, welche von früher Jugend an Gott erwählt haben zu ihrem Erbe, nach der Mahnung des Apostelfürsten als lebendige Vorbilder in Tugend und Reinheit dastehen sollen vor dem christlichen Volk, so müssen sie, unter der Leitung der Bischöfe und von auserlesenen Lehrern unterrichtet, frühzeitig lernen, ihre Begierden zu beherrschen, das Irdische zu verachten und nach dem Himmlischen zu verlangen. Stark durch die Betrachtung der himmlischen Dinge werden sie dann leichter mitten unter den Verführungen der Welt rein und unbefleckt sich bewahren. Auch müssen sie ohne Säumen sich gewöhnen, unerschrocken und standhaft zu sein in ihrem Beruf als Lehrer des Volkes und Verteidiger der katholischen Wahrheit, welche die Welt verachtet und mit hartnäckigem Hass verfolgt. Fürwahr, ehrwürdige Brüder, wenn Zeiten kommen, da es gilt, in schwerem Kampfe einzustehen für die Sache der Kirche, was stände dann bevor, wären die Priester nicht längst schon durch heilige Zucht und Liebe tüchtig geworden, treu zu ihrem Bischof zu halten, auf seine Stimme zu hören und sich nicht zu scheuen, Widerwärtigkeiten jeder Art um des Namens Christi willen zu erdulden ? Das ist eben der Segen dieser Erziehung, welche die Jugend in den Seminaren und in den übrigen religiösen Bildungsanstalten empfängt, dass die Zöglinge des Heiligtums, unberührt von dem Andrang irdischer Sorgen, zur rechtmäßigen Verwaltung der Apostolischen Ämter ausgebildet werden und auch dazu, um freudigen Herzens alle Not des Lebens und jegliches Mühsal zum Heile der Seelen auf sich zu nehmen. So, unter der Hut und Leitung der Bischöfe und der von ihnen bestellten und bewährten Priester, denen eine langjährige Erfahrung in der Erziehung von Geistlichen zu Gebote steht, ist die Möglichkeit gegeben, dass die Alumnen lernen, sich selbst genau zu prüfen und ihre sittliche Kraft zu erproben. Die Oberhirten dagegen lernen die Sinnesart und die Sitten eines jeden von ihnen kennen und sind darum im Stande, nach bestem Wissen und Gewissen zu bestimmen, welche der Ehre des Heiligtums würdig sind und zu verhüten, dass nicht Unwürdigen oder auf Ungehörige Weise die heiligen Weihen erteilt werden. Wie kann man aber solch heilsame Früchte erwarten, wenn den Oberhirten nicht die volle Gewalt zusteht, alle Hindernisse zu entfernen und alle geeigneten Mittel anzuwenden, um derartige Erfolge zu erzielen ? - Außer anderen Vorzügen zeichnet die deutsche Nation auch durch rühmliche Waffentaten sich aus. Würden aber die Regierungen jemals zugeben, dass die jungen Leute, welche in den Kriegsschulen Unterricht empfangen, um Truppen zu führen und Stelen im Heere dereinst zu übernehmen, besser von den anderen den Waffendienst lernten, als von Meistern in der Kriegskunst und dass andere fähiger wären. Mannszucht, praktische Tüchtigkeit und kriegerischen Geist ihnen beizubringen, als im Kriegswesen wohl erfahrene Lehrer ?
Hieraus lässt sich unschwer erkennen, warum seit den ältesten Zeiten der Kirche die römischen Päpste und die katholischen Bischöfe höchst angelegentlich bestrebt waren, Anstalten zu gründen, in denen die Kandidaten des Priestertums ein gemeinsames Leben führten und entweder durch die Oberhirten selbst oder durch bewährte Lehrer, die man zuweilen aus der Domgeistlichkeit nahm, ihre Ausbildung in der Literatur und in den höheren Wissenschaften empfingen, besonders aber zu einem sittlichen Wandel, würdig ihres zukünftigen Berufes, angeleitet wurden, Noch stehen in rühmlichem Andenjen, welche inst Bischöfe und Ordensmänner gegründet haben, unter ihnen jene vielgefeierte Schule bei der Patriarchalkirche vom Lateran, aus der gleichwie aus einer Hochburg so viele durch Heiligkeit und Wissenschaft hervorragende Päpste und Bischöfe hervorgegangen sind.
So sehr trug man Sorge für eine aufmerksame und gründliche Erziehung der Kleriker, dass schon zu Anfang des sechsten Jahrhunderts die Synode von Toledo in Bezug auf jene, welche schon von frühester Jugend an durch den Willen ihrer Eltern dem Dienst im Heiligtum gewidmet wurden, die Bestimmung traf, sie sollten alsbald nach dem Empfang der Tonsur oder des Lektorats in Gegenwart des Bischofs durch ihren Vorgesetzten Unterricht empfangen. - Hieraus erhellt, wie schwerwiegend und gerecht die Gründe sind, warum Wir so angelegentlich darauf dringen, dass in Euren Diözesen Seminare gegründet, eingerichtet und geregelt werden nach den allbekannten Vorschriften der Väter des Konzils von Trient. Das war auch die Ursache, welche diesem Apostolischen Stuhl bewog, so oft zwischen ihm und den verschiedenen Staaten nach Maßgabe der besonderen Zeitverhältnisse Verträge abgeschlossen wurden, dass er jedes Mal dabei ganz besondere Fürsorge traf, dass die Seminare sichergestellt würden und das Recht der Bischöfe, die ohne Einmischung jedweder fremden Gewalt zu leiten, wohl gewahrt bleibe. Zeugnis hierfür gibt die Apostolische Bulle "De salute animarum" vom 18. Juli des Jahres 1821, als Unser Vorfahrer Pius VII. hochseligen Andenkens ein Übereinkommen zwischen dem Apostolischen Stuhle und dem König von Preußen abschloß und in dessen Reich eine neue Diözeseneinteilung vorgenommen wurde.
So bleibe denn den Bischöfen volles Recht und Freiheit, in den Übungsstätten der Seminare sanftmütige Streiter Christi heranzubilden. Volles Recht, nach eigenem Ermessen ihre Priester zu wählen, ihnen die verschiedenen Ämter zu übertragen und ungestört ihren oberhirtlichen Pflichten obzuliegen.
Aus dem nun, was Wir hier ausgesprochen, möget ihr ersehen, ehrwürdige Brüder, wie wahr und gerecht es gewesen, wenn Wir erklären: sollte es zu der so lange und heißersehnten glücklichen und dauerhaften Eintracht zwischen Staat und Kirche kommen, so müssten die gegebnen Gesetze notwendig der Art geordnet werden, dass der Kirche jenes Maß an Freiheit gewahrt bleibt, ohne welches sie nicht bestehen noch sich betätigen kann. Wir vertrauen auch, dass jene, in deren Händen die Staatsgeschäfte liegen, Unsere Sache gerecht werden und Uns gewähren, was wir auf Grind hochheiliger Rechte verlangen.
Es sind aber auch Unsere Forderungen der Art, dass sie den Regierungen in ihrer Würde und Macht durchaus keinen Eintrag tun. Vielmehr sind sie für das allgemeine Wohl von großem und nachhaltigem Nutzen. Denn die Lehren, die ihr, ehrwürdige Brüder und eure Mitarbeiter in der Predigt des göttlichen Wortes dem Volk verkündet bezüglich seiner Pflichten, der weltlichen Obrigkeit gegenüber, sind wesentlich diese: Dass der obrigkeitlichen Gewalt sich jedermann unterwerfen solle, nicht bloß um der Strafe willen, sondern um des Gewissens willen (Röm 13, 5), dass man die öffentlichen Lasten willig tragen, allen Anschlägen und versuchen zur Empörung fern bleiben, wahre Bruderliebe sich gegenseitig erweisen und alle wechselseitigen Pflichten in der menschlichen Gesellschaft treu erfüllen solle. Hättet ihr mehr Mitarbeiter zur Seite, als dies jetzt der Fall ist, dann wäre zugleich auch größer die schar derer, denen die Aufgabe geworden, diese für die menschliche Gesellschaft so heilbringenden Lehren unter dem Volk zu verbreiten. Auch könnten die Pfarreien, die schon so lange des Trostes ihrer Seelsorger entbehren, wieder mit bewährten Priestern besetzt werden, was der sehnlichste Wunsch des katholischen Volkes ist.
Es liegen aber außerdem im Schoß der menschlichen Gesellschaft, wie ihr wisst, ehrwürdige Brüder, so manche Keime politischer Wirren und ein Zündstoff ist hie und da ausgestreut, der leicht zu einem verheerenden Feuer entflammen kann. Es ist dies besonders die Arbeiterfrage, welche den Staatsmännern Grund zu schwerer Besorgnis gibt, die darum auf Mittel und Wege sinnen, wie man vorbeugen und der drohenden Gefahr begegnen solle. Denn die Mitglieder jener Sekten lauern auf jede Gelegenheit, um die öffentlichen Notstände zu ihren Zwecken auszubeuten und ihre Neuerungen zum großen Nachteil des Gemeinwesens ins Werk zu setzen. - Nun aber ist es geradezu Staunen erregend, welchen Segen die Wirksamkeit der katholischen Priester in dieser Beziehung der menschlichen Gesellschaft zu bringen vermag. Unter den Stürmen und schweren Schicksalsschlägen vergangener Zeiten ist solches offenkundig geworden. Ist es ja doch der katholische Priester, der, wie es kein Beruf mit sich bringt, fast jeden Tag mit den Männern aus dem Volk in Berührung kommt und in vertraulicher und herzlicher Weise mit ihnen zu verkehren pflegt. Er kennt darum alle Not und Mühsal des Volkes gar wohl und tut tiefe blicke in dessen wundes Herz. Er ist es, der da die Hilfe bringt, wie es sie braucht, der durch die Lehren unserer heiligen Religion Trost und Arznei spendet den kranken Seelen, wodurch am meisten der Schmerz bei den Leiden der Gegenwart gelindert, die ermatteten Kräfte gestählt und die schon zum Aufruhr bereiten Gemüter zurückgehalten werden.
Auch das ist ein wichtiger und hochbedeutsamer Dienst, welchen Priester, vom Geiste ihrer Kirche durchdrungen, in fernen Ländern und bei rohen Völkerschaften leisten können, unter denen gegenwärtig mehrere europäische Fürsten Kolonien gegründet haben. - Geeade die deutsche Regierung ist nicht nur eifrigst bemüht, zu diesem Zwecke Ansiedler auszusenden und ihre Besitzungen zu erweitern, sondern sie will auch eben dadurch die Insustrie und dem Handel neue Absatzquellen erschließen. Alle diese werden große Verdienste sich erwerben, im Interesse der Humanität auch dadurch, dass sie sich bestreben, wilde und grausame Stämme zur Gesittung und Bildung zu bringen. - Um aber die Gemüter dieser rohen und wilden Völkerschaften zu gewinnen, ist es von der größten Wichtigkeit, alsbald sie in den Lehren unserer heilbringenden Religion zu unterrichten, die Ideen von Recht und Sitte in ihnen zu wecken und sie zum Bewusstsein zu bringen ihrer Würde als Gotteskinder, zu der auch sie durch das Verdienst unseres Erlösers berufen sind. Weil diese Angelegenheit den Römischen Päpsten stets sehr am Herzen lag, so haben sie von jeher eifrigst Fürsorge getroffen und unter die wilden Völker Glaubensboten ausgesendet. In der Tat, ein solches Unternehmen ist nicht Sache der Heere, noch der bürgerlichen Behörden, noch der weltlichen Machthaber, wenngleich diese selbst die reichsten Früchte davon ernten. Das Vermögen nach dem Zeugnis der Geschichte nur jene Männer, die, hervorgegangen aus dem Schoß der Katholischen Kirche, opferbereit sich darbieten zu allen Mühen und Gefahren heiliger Züge in heidnisches Land und als Gottes Boten und Verkünder seines Wortes furchtlos unter fremde Völker wandern, um da freudig Blut und Leben hinzuopfern für das Heil der Brüder.
Wenn Wir Alles dieses bedenken und allseitig erwägen, so geben wir Uns der Hoffnung hin, das mit Gottes Hilfe und Beistand Unsere Wünsche glücklich in Erfüllung gehen werden. Ihr aber, ehrwürdige Brüder, lasst nicht nach, in inständigem Gebete solches von Gott zu erflehen. Und da eure Herzen dabei nicht Anderes bewegt, als allein der Eifer für Gottes Ehre ud die Liebe zur heiligen Kirche - nicht menschliches Begehren, noch irdische Absichten - so dürft ihr nicht zweifeln, dass ihr mit Gottes Gnade für Eure Standhaftigkeit den gebührenden Lohn empfangen werdet.
Weil nun aber in jeglicher Angelegenheit Eintracht der Gemüter und wechselseitige Liebe so vieles vermag, um ihr einen glücklichen Ausgang zu sichern, so möge euch nichts so sehr am Herzen liegen, als dieses heilige Band der Liebe unter euch mit allem Eifer zu bewahren. Und auch das wollen wir euch in dieser Beziehung noch zur Erwägung geben, ehrwürdige Brüder, dass die Stürme, die über euch hereingebrochen sind, die Interessen der Gesamtkirche nicht minder berühren als jene der einzelnen Diözesen. Sie zu schirmen ist, wie ihr wisst, das Amt dieses Apostolischen Stuhles, in welchem die höchste Gewalt, die Kirche zu regieren, das höchste Lehramt und der Mittelpunkt der katholischen Einheit ruht. Zu diesem Apostolischen Stuhl sei darum Euer Blick hingerichtet immerdar, in der festen Überzeugung, dass es für ihn die wichtigste Sorge ist, dahin zu wirken und zu streben, dass diese Streitigkeiten in eurem Land zu eurer und eurer Diözesanen Zufriedenheit endlich beigelegt werden.
So lasst uns denn aus tiefster Seele flehen zu dem Vater der Erbarmungen, dass er wolle herabblicken auf eure Mühsale und eure Schmerzen und unserem gemeinsamen Gebet ein gnädiges Gehör verleihe. Als Erweis Unserer besonderen Liebe und als Vorboten himmlischen Schutzes und Trostes erteilen Wir euch, ehrwürdige Brüder, dem gesamten Klerus und allen der Obhut eines jeden von euch anvertrauten Gläubigen von ganzem Herzen des Apostolischen Segen.
des achten Jahres Unseres Pontifikates