2. Generalversammlung der CELAM in Medellin 1968
„Die Kirche in der gegenwärtigen Umwandlung Lateinamerikas im Lichte des Konzils“
(Quelle: Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, Stimmen der Weltkirche, Nr. 8, S. 13-133; Die Anmerkungen wurden nicht wie in der Quelle am Ende der Seite, sondern am Ende des Textes wiedergegeben; wichtiges in: DH 4489-4496).
Hintergrund
Im September 1968 versammelte sich in Medellin (Kolumbien) die Generalversammlung des Lateinamerikanischen Episkopates, um die pastorale Arbeit in den einzelnen Ländern neu auszurichten. Die Beschlüsse des II. Vatikanischen Konzils sowie die Ergebnisse verschiedener bischöflicher Kommissionen, die bereits ein Jahr vor dieser Generalversammlung im ganzen Kontinent ihre Arbeit aufgenommen hatten, waren Grundlage des vorliegenden Dokumentes und bestimmten den geistigen Hintergrund. Die vorliegende Übersetzung durch die bischöfliche Aktion Adveniat soll als Arbeitspapier verstanden werden (siehe Quelle S. 13: "Statt eines Vorwortes").
Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist |
Inhaltsverzeichnis
- 1 Papst Paul VI.: Botschaft an die Völker Lateinamerikas Medellin
- 2 EINLEITUNG ZU DEN ENTSCHLIEßUNGEN
- 3 MENSCHLICHE ENTWICKLUNG
- 4 VERKÜNDIGUNG UND GLAUBENSWACHSTUM
- 5 DIE SICHTBARE KIRCHE UND IHRE STRUKTIONEN
- 6 Weblinks
Papst Paul VI.: Botschaft an die Völker Lateinamerikas Medellin
Unser Wort: Zeichen der Verpflichtung
Die Zweite Generalversammlung des Lateinamerikanischen Episkopates an die Völker Lateinamerikas: „Gnade sei mit Euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus“.<ref> 1 Kor 1, 3 </ref>
Bei Beendigung dieser Zweiten Generalversammlung möchten wir eine Botschaft an die Völker unseres Kontinents richten.
Unser Hirtenwort will Zeichen der Verpflichtung sein.
Als Lateinamerikaner nehmen wir teil an der Geschichte unseres Volkes. Die Vergangenheit gestaltete uns endgültig als lateinamerikanische Menschen; die Gegenwart stellt uns in ein entscheidendes Situationsgefüge, und die Zukunft fordert von uns eine schöpferische Aufgabe im Entwicklungsprozess.
Lateinamerika, eine Gemeinschaft in der Umwandlung
Lateinamerika ist außer einer geographischen Realität eine Gemeinschaft von Völkern mit eigener Geschichte, mit spezifischen Werten und ähnlich gelagerten Problemen. Die Auseinandersetzung damit und die Lösungen müssen dieser Geschichte, diesen Werten und diesen Problemen entsprechen.
Der Kontinent birgt sehr verschiedene Situationen in sich, die jedoch Solidarität erfordern. Lateinamerika muss eins sein und vielfältig, reich in seiner Vielfalt und stark in seiner Einheit.
Unsere Länder haben einen Reichtum an Grundkultur bewahrt, der aus religiösen und ethnischen Werten stammt, die in einem gemeinsamen Bewusstsein aufblühten und in konkreten Bemühungen zur Integration hin Frucht gebracht haben. Sein menschliches Potential, das wertvoller als die verborgenen Reichtümer seines Bodens ist, macht aus Lateinamerika eine vielversprechende Realität voller Hoffnungen. Seine beängstigenden Probleme kennzeichnen ebenfalls diese Realität mit Zeichen von Ungerechtigkeiten, die das christliche Gewissen verletzen. Die Vielfältigkeit und Schwierigkeit seiner Probleme übersteigt diese Botschaft. Lateinamerika scheint noch unter dem tragischen Zeichen der Unterentwicklung zu leben, was unsere Brüder nicht nur vom Genuß der materiellen Güter, sondern auch von ihrer eigenen menschlichen Verwirklichung trennt. Trotz der gegenwärtigen Bemühungen gibt es immer noch Hunger und Elend, Massenerkrankungen und Kindersterblichkeit, Analphabetismus und Marginalität, enorme Lohnunterschiede und Spannungen zwischen den sozialen Klassen, Anfänge der Gewalt und geringe Teilnahme des Volkes in Fragen des Gemeinwohls.
Die Kirche, die Geschichte Lateinamerikas und unser Beitrag
Als Christen glauben wir, dass diese historische Etappe Lateinamerikas eng mit der Heilsgeschichte verbunden ist.
Als Hirten mit einer gemeinsamen Verantwortung möchten wir uns mit dem Leben aller unserer Völker verpflichtend verbinden in der angstvollen Suche nach geeigneten Lösungen für ihre vielfachen Probleme. Unsere Sendung ist es, zur ganzheitlichen Entwicklung des Menschen und der Gemeinschaften des Kontinents beizutragen.
Wir glauben, dass wir uns in einem neuen historischen Abschnitt befinden. Er erfordert Klarheit zum Sehen, Deutlichkeit zum Beurteilen und Solidarität zum Handeln.
Im Lichte des Glaubens, den wir gläubig bekennen, haben wir uns bemüht, den Plan Gottes in den „Zeichen der Zeit“ zu erkennen. Wir deuten die Bestrebungen und Klagen Lateinamerikas als Zeichen, die die Ausrichtung des Gottesplanes offenbaren, der in der Erlöserliebe Christi wirkt. Diese verankert die Bestrebungen im Bewusstsein einer brüderlichen Solidarität.
Aus Treue zu diesem Plan Gottes und um den in die Kirche gesetzten Hoffnungen zu entsprechen, möchten wir das anbieten, was wir als Ureigenstes haben: eine Gesamtsicht des Menschen und der Menschheit und die ganzheitliche Sicht des lateinamerikanischen Menschen in der Entwicklung.
Darum fühlen wir uns solidarisch mit den Verantwortungen, die in dieser Etappe der Umwandlung Lateinamerikas aufgetreten sind.
Die Kirche hat – trotz ihrer Begrenzungen – als Teil der lateinamerikanischen Wirklichkeit mit unseren Völkern die Prozesse der Kolonialisierung, Befreiung und Organisation durchlebt.
Unser Beitrag will nicht mit den Lösungsversuchen anderer nationaler, lateinamerikanischer oder weltweiter Organismen wetteifern. Noch viel weniger lehnen wir sie ab oder verkennen sie. Unsere Absicht ist es, die Anstrengungen zu ermutigen, die Realisierungen zu beschleunigen, ihren Gehalt zu vertiefen und den ganzen Wandlungsprozess mit den Werten des Evangeliums zu durchdringen.
Wir möchten die Mitarbeit der Christen anbieten, die sich durch ihre Taufverpflichtung und den Ernst des Augenblicks gedrängt fühlen. Von uns allen hängt es ab, die Kraft des Evangeliums, das Kraft Gottes ist, offenbar zu machen.<ref> Röm 1, 16 </ref>
Wir besitzen weder technische Lösungen noch unfehlbare Heilmittel. Wir wollen die Probleme spüren, ihre Anforderungen wahrnehmen, die Ängste teilen, Wege entdecken und an den Lösungen mitarbeiten.
Das neue Bild des lateinamerikanischen Menschen erfordert eine schöpferische Anstrengung: Die Träger der öffentlichen Gewalt sollen mit Nachdruck die wichtigsten Ansprüche des Gemeinwohls fördern; die Techniker sollen die konkreten Wege planen; die Familien und Erzieher sollen Verantwortungen wecken und orientieren; die Völker sollen sich in die Realisierungsbemühungen einfügen; der Geist des Evangeliums soll mit der Dynamik einer umwandelnden und persönlichkeitsbildenden Liebe ermutigen.
Herausforderung des Augenblicks: Möglichkeiten, Werte, Bedingungen
Unsere Völker erstreben ihre Befreiung und ihr Wachsen in Humanität durch die Eingliederung und Beteiligung aller in demselben Personalisierungsprozess. Aus diesem Grund darf kein Sektor die politische, kulturelle, wirtschaftliche und geistige Führung ausschließlich für sich beanspruchen. Diejenigen, die die Entscheidungsgewalt besitzen, müssen sie zusammen mit den Wünschen und Optionen der Gemeinschaft ausüben. Damit diese Integration der Eigenart der lateinamerikanischen Völker entspricht, muss man ohne Ausnahme die Werte in Betracht ziehen, die allen gemeinsam und jedem einzelnen Volk zu eigen sind. Die Auferlegung fremder Werte und Kriterien wird eine neue und schwere Verwirrung schaffen.
Wir rechnen mit echt menschlichen und wesentlich christlichen Elementen und Kriterien: einem angeborenen Sinn von der Würde aller, einer Neigung zur Brüderlichkeit und Gastfreundschaft, einer Anerkennung der Frau in ihrer unersetzlichen Aufgabe in der Gesellschaft, einem weisen Gespür für Leben und Tod, einer Gewißheit um einen gemeinsamen Vater und um die übernatürliche Bestimmung aller.
Dieser Prozess verlangt von allen unseren Nationen, ihr Misstrauen zu überwinden, ihren übertriebenen Nationalismus zu läutern und ihre Konfliktsituationen zu lösen. Wir halten ferner sowohl die Geldanlage im Rüstungswettlauf, die übertriebene Bürokratie, die Ausgaben für Luxus und Prunk, als auch die mangelhafte Verwaltung der Gemeinschaft für unvereinbar mit unserer Situation auf dem Weg der Entwicklung.
Es ist Teil unserer Aufgabe, mit Nachdruck diejenigen Zustände Lateinamerikas anzuklagen, die eine Beleidigung des Geistes des Evangeliums darstellen. Ebenso kommt es uns zu, jede positive und tiefgreifende Initiative zur Überwindung der großen vorhandenen Schwierigkeiten anzuerkennen und zu unterstützen.
Die Jugend
In dieser Umwandlung bildet die lateinamerikanische Jugend die größte Bevölkerungsgruppe und stellt mit ihren eigenen Ideen und Werten und dem Wunsch, eine gerechtere Gesellschaft zu schaffen, eine neue soziale Gruppe dar.
Diese Präsenz der Jugend ist ein positiver Beitrag, der von Gesellschaft und Kirche aufgegriffen werden sollte.
Verpflichtungen der lateinamerikanischen Kirche
Wir haben uns in diesen Tagen in der Stadt Medellin versammelt, um, angetrieben vom Geist des Herrn, die Aufgaben der Kirche in einem Bemühen des Dienstes und Umdenkens neu auszurichten.
Wir haben gesehen, dass unsere dringendste Verpflichtung darin besteht, uns, das heißt alle Mitglieder und Institutionen der katholischen Kirche, im Geiste des Evangeliums zu läutern. Die Trennung von Glaube und Leben muss ein Ende haben, weil das einzige, was in Jesus Christus zählt, „der Glaube ist, der durch die Liebe wirksam ist“.<ref> Gal 5, 6 </ref>
Diese Verpflichtung fordert von uns, eine wahrhaft biblische Armut zu leben, die sich in echten Bekundungen und klaren Zeichen für unsere Völker ausdrücken soll. Nur eine solche Armut wird Christus, den Erlöser der Menschen, transparent machen und Christus, den Herrn der Geschichte, offenbaren.<ref> 2 Kor 8, 9 </ref>
Unsere Überlegungen haben das Ausmaß anderer Verpflichtungen verdeutlicht, die, wenn auch in verschiedenen Formen, vom gesamten Gottesvolk angenommen werden:
– eine neue Ordnung der Gerechtigkeit anzuregen, zu ermutigen und voranzutreiben, die alle Menschen in die Verwaltung der eigenen Gemeinschaften eingliedert;
– die Gründung und die ethischen Haltungen der Familie zu fördern, nicht nur als menschlich-sakramentale Gemeinschaft, sondern auch als Zwischenstruktur in Funktion des sozialen Wandels;
– die Erziehung dynamischer zu machen, um die Befähigung der Erwachsenen in ihren Verantwortungen der jetzigen Stunde zu beschleunigen;
– die Berufsorganisationen der Arbeiter, entscheidende Elemente des sozio- ökonomischen Wandels, zu unterstützen;
– eine neue Evangelisierung und intensive Katechese, die die Führungsschichten und Massen erreicht, zu ermutigen, um zu einem klaren und engagierten Glauben zu führen;
– die Strukturen in der Kirche, die den ständigen Dialog ermöglichen und Wege für die Zusammenarbeit der Bischöfe, Priester, Ordensleute und Laien weisen, zu erneuern und neue zu schaffen; mit anderen christlichen Konfessionen und mit allen Menschen guten Willens, die einem wirklichen Frieden verpfändet sind, der in der Gerechtigkeit und der Liebe wurzelt, zusammenzuarbeiten. Das konkrete Ergebnis dieser Überlegungen und Verpflichtungen werden wir Euch in ausführlicher und vertrauensvoller Weise im Schlussdokument übergeben, das dieser Botschaft folgt.
Schlussappell
Wir rufen alle Menschen guten Willens auf, an der Wahrheit, Gerechtigkeit, Liebe und Freiheit, an dieser Wandlungsaufgabe unserer Völker beim Anbruch eines neuen Zeitalters mitzuarbeiten.
In besonderer Weise wenden wir uns an die Kirchen und christlichen Gemeinschaften, die mit uns am selben Glauben an den Herrn Jesus teilhaben. Während dieser Konferenz haben unsere Brüder dieser christlichen Konfessionen an unserer Arbeit und unseren Hoffnungen teilgenommen. Gemeinsam mit ihnen werden wir Zeugen dieses Geistes der Zusammenarbeit sein.
Wir betrachten es auch als Gewissenspflicht, diejenigen im Hinblick auf die Gegenwart und Zukunft unseres Kontinents zu ermahnen, die die Geschicke der öffentlichen Ordnung leiten. In ihren Händen liegt eine verwaltende Aufgabe, die gleichzeitig von Ungerechtigkeiten befreit und eine Ordnungskraft im Dienste des Gemeinwohls ist. Sie soll ein Klima des Vertrauens und des Handelns schaffen, das die lateinamerikanischen Menschen für die volle Entwicklung ihres Lebens brauchen.
Aufgrund seiner eigenen Berufung wird Lateinamerika seine Befreiung mit jeder Art von Opfer versuchen; nicht, um sich in sich selbst zu verschließen, sondern um sich zur Gemeinschaft mit dem Rest der Welt zu öffnen, gebend und nehmend im Geiste der Solidarität.
In besonderer Weise halten wir in dieser Aufgabe den Dialog mit den Brudervölkern anderer Kontinente, die sich in ähnlichen Situationen wie wir befinden, für entscheidend. Verbunden in den Schwierigkeiten und Hoffnungen können wir erreichen, dass unsere Präsenz in der Welt bestimmend für den Frieden wird. Andere Völker, die bereits die Hindernisse überwunden haben, vor denen wir heute stehen, erinnern wir daran, dass der Friede auf der Respektierung der internationalen Gerechtigkeit beruht, einer Gerechtigkeit, die ihrerseits ihr Fundament und ihren Ausdruck in der Anerkennung der politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Autonomie unserer Völker hat.
Schließlich hoffen wir in der Liebe von Gott Vater, die sich uns im Sohn offenbart und durch den HI. Geist in unsere Herzen ausgegossen ist, dass uns die Aktion für das Gemeinwohl immer eint und ermutigt.<ref> Röm 5, 5 </ref>
So hoffen wir, den Verpflichtungen treu zu sein, die wir in diesen Tagen der Reflexion und des gemeinsamen Gebetes eingegangen sind, um die volle und wirksame Mitarbeit der Kirche in den Wandlungsprozess, den unser Amerika durchlebt, einzubringen.
Wir hoffen auch, mit Verständnis und gutem Willen von allen Menschen gehört zu werden, mit denen wir das gleiche Schicksal und das gleiche Streben teilen.
Wir stellen alle unsere Arbeit und diese Hoffnung unter den Schutz Mariens, der Mutter der Kirche und Patronin von ganz Amerika, damit sich das Reich Gottes schon jetzt unter uns verwirkliche. Wir glauben:
an Gott
an die Menschen
an die Werte
und an die Zukunft Lateinamerikas.
„Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen“.<ref> 2 Kor 13, 13 </ref>
Medellin, den 6. September 1968
EINLEITUNG ZU DEN ENTSCHLIEßUNGEN
Präsenz der Kirche in der gegenwärtigen Umwandlung Lateinamerikas
1. Die zur Zweiten Generalversammlung ihres Episkopates versammelte lateinamerikanische Kirche konzentrierte ihre Aufmerksamkeit auf den Menschen dieses Kontinents, der einen entscheidenden Moment seines historischen Prozesses lebt. Auf diese Weise ist sie nicht „vom Wege abgekommen“, sondern sie hat sich dem Menschen „zugewandt“,<ref> Papst Paul VI.: Ansprache während der Klausur des II. Vat. Konzils, 7. Dezember 1965 </ref> in dem Bewusstsein, dass „um Gott zu kennen, es notwendig ist, den Menschen zu kennen“.<ref> s. 1 (= siehe Anmerkung 1) </ref>
Die Kirche hat versucht, diesen historischen Augenblick des lateinamerikanischen Menschen im Lichte des Wortes, das Christus ist, in dem sich das Geheimnis des Menschen offenbart, zu verstehen.<ref> II. Vat. Konzil, Pastorale Konstitution über die Kirche in der Welt von heute „Gaudium et spes“, Nr. 22 </ref>
2. Dieses Sich-Bewusstwerden der Gegenwart wendet sich der Vergangenheit zu. Bei deren Betrachtung sieht die Kirche mit Freude das mit soviel Großmut vollbrachte Werk und spricht denjenigen ihre Anerkennung aus, die den Acker des Evangeliums in unseren Ländern bereitet haben. Denjenigen, die aktiv und hingebungsvoll in den verschiedenen Kulturen des Kontinents, besonders denen der Eingeborenen, präsent waren. Denjenigen, die die erzieherische Aufgabe der Kirche in unseren Städten und auf dem Land weiterführen. Sie erkennt auch an, dass nicht immer im Verlauf ihrer Geschichte all ihre Glieder, Kleriker oder Laien, dem Geist Gottes treu waren. Bei Betrachtung der Gegenwart stellt sie erfreut die Hingabe vieler ihrer Kinder fest, aber auch die Armseligkeit ihrer eigenen Gesandten.<ref> s. 3 Nr. 43 </ref> Sie beachtet das Urteil der Geschichte über diese Licht- und Schattenseiten und will voll und ganz die historische Verantwortung übernehmen, die in der Gegenwart auf sie zurückfällt.
3. Es genügt gewiß nicht nachzudenken, größere Klarheit zu erreichen und zu reden; man muss handeln. Die Stunde des Wortes hat noch nicht aufgehört, aber sie hat sich mit dramatischer Dringlichkeit zur Stunde des Handelns gewandelt. Jetzt ist der Augenblick, mit schöpferischem Sinn die Aktion zu entwickeln, die es zu verwirklichen gilt und die mit der Kühnheit des Geistes und der Ausgewogenheit Gottes zu Ende geführt werden soll. Diese Versammlung wurde einberufen, um „Entscheidungen zu treffen und Programme aufzustellen, jedoch nur unter der Bedingung, dass wir bereit waren, sie als unsere persönliche Verpflichtung durchzuführen, selbst wenn es Opfer koste“.<ref> Kardinal Eugenio de Araujo Sales „Die Kirche in Lateinamerika und die Förderung des Menschen“, 28. August 1968 </ref>
4. Lateinamerika steht offensichtlich unter dem Zeichen der Umwandlung und Entwicklung, einer Umwandlung, die sich nicht nur mit einer außergewöhnlichen Schnelligkeit vollzieht, sondern auch alle Bereiche des Menschen, vom Wirtschaftlichen bis zum Religiösen, berührt und bewegt.
Dies läßt erkennen, dass wir uns an der Schwelle einer neuen historischen Epoche unseres Kontinents befinden, die voller Sehnsucht nach Mündigkeit, nach Befreiung von aller Knechtschaft, nach persönlicher Reifung und Integration aller ist. Hier nehmen wir die Vorzeichen der schmerzhaften Geburt einer neuen Zivilisation wahr. Wir können nicht unterlassen, diese gigantische Anstrengung um einen raschen Wandel und eine schnelle Entwicklung als ein augenscheinliches Zeichen des Geistes zu interpretieren, der die Geschichte der Menschen und Völker ihrer Berufung entgegenführt.<ref> Papst Paul VI.: Soziale Enzyklika „Populorum progressio“, Nr. 15 </ref> Wir können nicht umhin, in diesem von Tag zu Tag unbändigeren und mehr zur Eile drängenden Wandlungswillen die Spuren des Bildes Gottes im Menschen als eine mächtige Dynamik zu entdecken. Schritt für Schritt führt diese Dynamik den Menschen zu einer immer größeren Beherrschung der Natur, zu einer tieferen Personalisierung und einem brüderlichen Zusammenhalt, und auch zu einem Zusammentreffen mit ihm, der die Werte – erreicht durch die menschliche Kraft – bestätigt, läutert und vertieft.
5. Die Tatsache, dass die Umwandlung, an der unser Kontinent beteiligt ist, mit ihrer Wirksamkeit den ganzen Menschen erreicht, erweist sich als ein Zeichen und eine Forderung.
In der Tat dürfen wir Christen nicht nachlassen, die Gegenwart Gottes, der den ganzen Menschen, Seele und Leib, erlösen will,<ref> s. 3 Nr .3 </ref> vorauszuahnen. Am endgültigen Tage der Errettung wird Gott auch unsere Leiber auferwecken, um deren Erlösung wir heute seufzen, die wir die Erstlingsgabe des Geistes besitzen.<ref> Röm 8, 22-23 </ref> Gott hat Christus auferweckt und folglich alle, die an ihn glauben. Christus, aktiv in unserer Geschichte gegenwärtig, nimmt seine eschatologische Tat nicht nur im ungeduldigen Sehnen des Menschen nach seiner totalen Erlösung vorweg, sondern auch als prophetische Zeichen in jene Errungenschaften, die der Mensch durch eine in Liebe verwirklichte Aktivität erlangt.<ref> s. 3 Nr. 38 </ref>
6. So wie einstmals Israel, das erste Volk, die rettende Gegenwart Gottes erfuhr, als er es aus der Unterdrückung Ägyptens befreite, als er es das Meer durchschreiten ließ und es zum Land der Verheißung führte, so können auch wir, das neue Volk Gottes, nicht umhin, seinen rettenden Schritt zu spüren, wenn „die wahre Entwicklung..., die für jeden einzelnen und für alle der Weg von weniger menschlichen zu menschlicheren Lebensbedingungen ist. Weniger menschlich ist die materielle Not derer, denen das Existenzminimum fehlt; die sittliche Not derer, die vom Egoismus verstümmelt sind, weniger menschlich sind Zwangsstrukturen, die im Missbrauch des Besitzes oder der Macht, in der Ausbeutung der Arbeiter, in der Ungerechtigkeit im Geschäftsverkehr ihren Grund haben. Menschlicher ist der Aufstieg aus dem Elend zum Besitz des Notwendigen, der Sieg über die sozialen Missstände, die Erweiterung des Wissens, der Erwerb von Bildung. Menschlicher ist das deutlichere Wissen um die Würde des Menschen, die Ausrichtung auf den Geist der Armut, die Zusammenarbeit zum Gemeinwohl, der Wille zum Frieden. Menschlicher ist die Anerkennung letzter Werte und die Anerkennung Gottes als deren Quelle und Ziel von seiten des Menschen. Menschlicher ist vor allem der Glaube, der als Gottes Gabe freiwillig vom Menschen guten Willens angenommen wird, und die Einheit in der Liebe Christi, der uns alle aufruft, als Kinder am Leben des lebendigen Gottes, des Vaters aller Menschen, teilzunehmen“.<ref> s. 6 Nr. 20und 21 </ref>
7. In dieser Umwandlung, hinter der sich die Sehnsucht ausdrückt, die ganze Skala der zeitlichen Werte in eine umfassende Sicht des christlichen Glaubens zu integrieren, wird uns die „ursprüngliche Berufung“ Lateinamerikas bewusst: „eine Berufung, die in einer neuen und genialen Synthese das Alte mit dem Modernen, das Geistige mit dem Zeitlichen, das, was andere uns überlieferten, und unsere eigene Originalität miteinander verbindet“.<ref> Papst Paul VI.: Predigt zur Weihe der Priester für Lateinamerika, 3. Juli 1966 </ref>
8. In dieser Generalversammlung des Lateinamerikanischen Episkopates hat sich das Pfingstgeheimnis erneuert. Mit Maria, der Mutter der Kirche, der Schutzpatronin dieses Kontinents seit dessen erster Evangelisierung, haben wir um die Erleuchtung durch den Heiligen Geist gefleht und uns, im Gebet verharrend, vom Brot des Wortes und der Eucharistie ernährt. Dieses Wort ist intensiv meditiert worden. In unseren Überlegungen machten wir uns auf den Weg zur Suche nach einer neuen und intensiveren Präsenz der Kirche in der gegenwärtigen Umwandlung Lateinamerikas im Lichte des II. Vatikanischen Konzils, in Übereinstimmung mit dem für diese Konferenz genannten Thema.
<center*
Drei große Gebiete, auf die sich unsere pastorale Sorge richtet, sind in Bezug auf den Wandlungsprozess des Kontinents angesprochen worden:
An erster Stelle das. Gebiet der Entwicklung des Menschen und der Völker in Bezug auf die Werte der Gerechtigkeit, des Friedens, der Erziehung und der Familie.
An zweiter Stelle wurde die Notwendigkeit einer angepaßten Evangelisierung und Reifung im Glauben der Völker und ihrer Führungsschichten durch die Katechese und Liturgie bedacht.
Zum Schluss wurden die Probleme bezüglich der Mitglieder der Kirche angesprochen, die eine Intensivierung ihrer Einheit und pastoralen Aktion durch sichtbare, ebenfalls an die neuen Bedingungen des Kontinents angepaßte Strukturen erfordern.
Die folgenden Beschlüsse sind das Ergebnis der in dieser Zweiten Generalversammlung des Lateinamerikanischen Episkopates geleisteten Arbeit, in der Hoffnung, dass das ganze Volk Gottes, ermutigt durch den Geist, seine Kräfte für deren Verwirklichung einsetzt.
MENSCHLICHE ENTWICKLUNG
1. GERECHTIGKEIT
I. TATSACHEN
1. Über die Situation des lateinamerikanischen Menschen gibt es viele Studien.<ref> Zusammenfassung dieser Situation im „Arbeitsdokument der Zweiten Generalversammlung des Generalversammlung des Lateinamerikanischen Episkopates: „Die Kirche in der gegenwärtigen Umwandlung Lateinamerikas im Lichte des Konzils“ Medellin 1968 Lateinamerikanischen Episkopates“, Nr. 1-9 </ref> In allen wird das Elend beschrieben, das große Menschengruppen in die Randzonen des Gemeinschaftslebens drängt. Dieses Elend als Massenerscheinung ist eine Ungerechtigkeit, die zum Himmel schreit.<ref> Papst Paul VI.: Enzyklika „Populorum progressio“, Nr. 30 </ref>
Vielleicht hat man nicht genug gesagt, dass die unternommenen Anstrengungen im allgemeinen nicht imstande gewesen sind, den Respekt vor der Gerechtigkeit und deren Verwirklichung in allen Bereichen der betreffenden nationalen Gemeinschaften zu sichern. Die Familien finden oftmals keine konkreten Erziehungsmöglichkeiten für ihre Kinder. Die Jugend verlangt ihr Recht auf Zugang zu Universitäten oder höheren Bildungseinrichtungen der intellektuellen oder berufsfachlichen Weiterbildung. Die Frau verlangt ihre rechtliche und tatsächliche Gleichstellung mit dem Mann. Die Landarbeiter verlangen bessere Lebensbedingungen oder, soweit sie Erzeuger sind, bessere Preise und Absatzsicherung. Die wachsende Mittelschicht fühlt sich durch das Fehlen von Zukunftschancen betroffen. Eine Abwanderung von Fachleuten und Technikern in entwickeltere Länder hat eingesetzt. Die kleinen Handwerks- und Industriebetriebe stehen unter dem Druck größerer Interessen, und nicht wenige große Industriebetriebe Lateinamerikas geraten mehr und mehr in die Abhängigkeit von Weltunternehmen. Wir können das Phänomen dieser fast allgemeinen Frustration gerechtfertigter Bestrebungen, die das Klima der Kollektivangst schafft, in dem wir bereits leben, nicht übersehen.
2. Das Fehlen der sozio-kulturellen Integration hat in der Mehrheit unserer Länder die Überlagerung von Kulturen verursacht. Im Wirtschaftsbereich wurden Systeme eingeführt, die ausschließlich die Möglichkeiten der Schichten mit hoher Kaufkraft in Betracht ziehen.
Dieser Anpassungsmangel an die Eigenart und an die Möglichkeiten unserer Bevölkerung verursacht seinerseits eine häufige politische Instabilität und die Verfestigung rein formeller Institutionen. Zu all dem muss noch ein Mangel an Solidarität hinzugefügt werden, was im individuellen und sozialen Bereich zu wirklichen Sünden führt, deren Kristallisation in den ungerechten Strukturen offensichtlich wird, die die Situation Lateinamerikas kennzeichnen.
II. GRUNDLEGUNG AUS DER LEHRE NACH DER KIRCHE
3. Die lateinamerikanische Kirche hat eine Botschaft für alle Menschen, die in diesem Kontinent „Hunger und Durst nach der Gerechtigkeit“ haben. Derselbe Gott, der den Menschen nach seinem Bild und Gleichnis schafft, hat die „Erde mit allem, was sie enthält, zum Nutzen aller Menschen und Völker bestimmt; darum müssen diese geschaffenen Güter in einem billigen Verhältnis allen zustatten kommen“.<ref> II. Vat. Konzil, Pastorale Konstitution über die Kirche in der Welt von heute „Gaudium et spes“, Nr. 69 </ref> Er gibt dem Menschen Macht, die Welt mitverantwortlich umzugestalten und zu vervollkommnen.<ref> Gen 1, 26; s. 3 Nr. 34 </ref> Es ist derselbe Gott, der in der Fülle der Zeit seinen Sohn sandte, der Mensch wurde, um alle Menschen aus aller Knechtschaft zu befreien, in der sie die Sünde,<ref> Joh 8, 32-35 </ref> die Unwissenheit, der Hunger, das Elend und die Unterdrückung, mit einem Wort, die Ungerechtigkeit und der Haß gefangen halten, die ihren Ursprung im menschlichen Egoismus haben.
Darum brauchen wir Menschen alle für unsere wirkliche Befreiung eine grundlegende Bekehrung mit dem Ziel, dass das „Reich der Gerechtigkeit, der Liebe und des Friedens“ zu uns kommt. Der Ursprung aller Verachtung des Menschen, aller Ungerechtigkeit, muss im inneren Ungleichgewicht der menschlichen Freiheit, die in der Geschichte eines fortwährenden Bemühens um Verbesserung bedarf, gesucht werden. Die Originalität der christlichen Botschaft besteht nicht direkt darin, die Notwendigkeit eines Strukturwandels zu bejahen, sondern darin, auf die Bekehrung des Menschen zu drängen, die hernach diesen Wandel fordern wird. Wir werden keinen neuen Kontinent haben ohne neue und erneuerte Strukturen; es wird vor allem keinen neuen Kontinent geben ohne neue Menschen, die im Lichte des Evangeliums wirklich frei und verantwortlich zu sein wissen.
4. Nur im Lichte Christi erhellt sich wahrhaft das Geheimnis des Menschen. In der Heilsgeschichte ist das Werk Gottes eine Handlung der ganzheitlichen Befreiung und Förderung des Menschen in seiner vollen Dimension, die als einzigen Beweggrund die Liebe hat. Der Mensch ist „geschaffen in Christus Jesus“,<ref> Eph 2, 10 </ref> in ihm „neues Geschöpf“ geworden.<ref> 2 Kor 5, 17 </ref> Durch den Glauben und die Taufe umgewandelt, ist der Mensch von den Gaben des Geistes mit einer neuen Dynamik erfüllt, nicht des Egoismus, sondern der Liebe, die ihn antreibt, eine neue, tiefere Beziehung zu Gott, zu den Menschen, seinen Brüdern und zu den Dingen zu suchen.
Die Liebe, das „Grundgesetz der menschlichen Vervollkommnung und deshalb auch der Umwandlung der Welt“,<ref> s. 3 Nr. 38 </ref> ist nicht nur das erste Gebot des Herrn, sie ist auch die Dynamik, die die Christen bewegen soll, auf dem Fundament der Wahrheit und im Zeichen der Freiheit, die Gerechtigkeit in der Welt zu verwirklichen.
5. So möchte die Kirche der Welt dienen, indem sie über sie ein Licht und ein Leben ausstrahlt, das die Würde der menschlichen Person heilt und erhebt,<ref> s. 3 Nr. 41 </ref> das die Einheit der Gesellschaft festigt,<ref> s. 3 Nr. 42 </ref> und das aller menschlichen Aktivität tieferen Sinn und Bedeutung gibt.
Sicher wird für die Kirche die Fülle und Vollkommenheit der menschlichen Berufung in der endgültigen Einbeziehung eines jeden Menschen in das Ostern oder in den Triumph Christi erreicht. Doch die Hoffnung auf eine derart vollzogene Verwirklichung muss, statt uns einzuschläfern, zu der „Sorge ermutigen, diese Welt, auf der uns der wachsende Leib der neuen Menschenfamilie eine umrißhafte Vorstellung von der künftigen Welt geben kann, zu vervollkommnen“.<ref> s. 3 Nr. 39 </ref> Wir verwechseln nicht den irdischen Fortschritt mit dem Reich Christi; trotzdem hat der erstere, „insofern er zu einer besseren Ordnung der menschlichen Gesellschaft beitragen kann, eine große Bedeutung für das Reich Gottes“,<ref> s. 3 Nr. 39 </ref> Die christliche Suche nach der Gerechtigkeit ist eine Forderung der biblischen Lehre. Wir Menschen sind alle bescheidene Verwalter der Güter. Auf der Suche nach der Erlösung müssen wir den Dualismus vermeiden, der die irdischen Aufgaben von der Heiligung trennt. Obwohl von Unvollkommenheiten umgeben, sind wir Menschen der Hoffnung. Wir glauben, dass die Liebe zu Christus und unseren Brüdern nicht nur die große, von der Ungerechtigkeit und Unterdrückung befreiende Kraft sein wird, sondern auch die soziale Gerechtigkeit inspiriert, die als Lebenskonzept und Impuls zur integralen Entwicklung unserer Völker verstanden wird.
III. ENTWÜRFE DER SOZIALPASTORAL
6. Unser pastoraler Auftrag ist hauptsächlich ein Dienst der Inspiration und der 10
Gewissensbildung der Gläubigen, um ihnen zu helfen, die Verantwortungen ihres Glaubens in ihrem persönlichen und gemeinschaftlichen Leben wahrzunehmen. Diese Zweite Generalversammlung des Lateinamerikanischen Episkopates zeigt unter Berücksichtigung des Werturteils der jüngsten Dokumente des kirchlichen Lehramtes über die wirtschaftliche und soziale Situation der Welt von heute, die für den lateinamerikanischen Kontinent volle Gültigkeit haben, die wichtigsten Anforderungen auf.
Orientierung des sozialen Wandels
7. Wir sind der Ansicht, dass die nationalen Gemeinschaften eine Gesamtorganisation haben müssen. In ihnen muss die ganze Bevölkerung, besonders die einfachen Volksschichten, durch territoriale und funktionale Strukturen, nehmend und gebend, schöpferisch und entscheidend am Aufbau einer Gesellschaft teilnehmen. Diese Zwischenstrukturen zwischen der Person und dem Staat müssen im Hinblick auf ihre Entwicklung und ihre konkrete Teilnahme an der Verwirklichung des gesamten Gemeinwohls frei organisiert sein, ohne ungebührliche Einmischung der Autorität oder herrschender Gruppen. Sie bilden den Lebenskern der Gesellschaft. Sie sind auch der wirkliche Ausdruck der Freiheit und der Solidarität der Bürger.
a) Die Familie
8. Ohne den unersetzlichen Charakter der Familie als natürliche Gruppe zu verkennen, betrachten wir sie hier insofern als Zwischenstruktur, als die Gesamtheit der Familien ihre Funktion im Prozess des sozialen Wandels übernehmen muss. Die lateinamerikanischen Familien müssen sich wirtschaftlich und kulturell organisieren, damit ihre legitimen Bedürfnisse und Wünsche auf den Ebenen berücksichtigt werden, wo fundamentale Entscheidungen, die sie fördern oder benachteiligen könnten, getroffen werden. So übernehmen sie eine repräsentative Rolle und die einer wirksamen Teilnahme im Leben der gesamten Gemeinschaft. Außer der Dynamik, die die Gesamtheit der Familien in jedem Land freisetzen soll, ist es notwendig, dass die Regierungen eine Familiengesetzgebung schaffen und eine gesunde und aktualisierte Familienpolitik betreiben.
b) Die Berufsorganisation
9. Die Zweite Generalversammlung des Lateinamerikanischen Episkopates richtet sich an alle, die mit täglicher Anstrengung die Güter schaffen und Dienste verrichten, die die Existenz und die Entwicklung des menschlichen Lebens ermöglichen. Wir denken ganz besonders an die Millionen lateinamerikanischer Männer und Frauen der Landarbeiter- und Arbeiterschicht. In ihrer Mehrheit leiden sie, ersehnen und bemühen sie sich um einen Wandel, der ihre Arbeit menschlicher und würdiger macht. Ohne die ganze menschliche Bedeutung der Arbeit zu verkennen, betrachten wir sie hier insofern als Zwischenstruktur, als sie die Funktion darstellt, die der beruflichen Organisation auf dem Gebiet der Produktion ihren Ursprung gibt.
c) Unternehmen und Wirtschaft
10. In der heutigen Welt findet die Produktion ihren konkreten Ausdruck in den industriellen und landwirtschaftlichen Unternehmen, die die fundamentale und dynamische Basis des gesamten wirtschaftlichen Prozesses bilden. Das lateinamerikanische Unternehmenssystem und somit die derzeitige Wirtschaft entsprechen einer irrigen Auffassung vom Eigentumsrecht an den Produktionsmitteln und von der eigentlichen Zielsetzung der Wirtschaft. In einer wirklich humanen Wirtschaft identifiziert sich das Unternehmen nicht mit den Kapitaleigentümern, weil es fundamental Gemeinschaft von Personen und Arbeit ist, die Kapital zur Güterproduktion braucht. Eine Person oder eine Gruppe von Personen kann nicht Eigentum eines einzelnen, einer Gesellschaft oder eines Staates sein.
Das liberal-kapitalistische System und die Versuchung durch das marxistische System schienen in unserem Kontinent die Möglichkeiten auszuschöpfen, die wirtschaftlichen Strukturen zu wandeln. Beide Systeme verstoßen gegen die Würde der menschlichen Person. Das erste System hat als Voraussetzung den Primat des Kapitals, seine Macht und seinen willkürlichen Gebrauch im Dienste des Gewinns. Das andere System, obwohl es ideologisch einen Humanismus verteidigt, sieht den Menschen mehr als Kollektivwesen und verwandelt sich in der Praxis in eine totalitäre Machtkonzentration des Staates. Wir müssen mit Nachdruck darauf aufmerksam machen, dass sich Lateinamerika zwischen diesen beiden Wahlmöglichkeiten eingeschlossen sieht und von dem einen oder anderen Machtzentrum, das seine Wirtschaft bestimmt, abhängig bleibt.
An die Unternehmer, ihre Organisationen und an die politischen Autoritäten richten wir aus diesem Grund einen dringenden Appell, die Wertung, Haltungen und Mittel im Hinblick auf Zielsetzung, Organisation und Führung der Betriebe radikal zu ändern. All jene Unternehmer, die als einzelne oder durch ihre Organisationen Anstrengungen unternehmen, die Betriebe nach den Richtlinien der Soziallehre der Kirche zu orientieren, verdienen Ermutigung. Von all dem wird wesentlich abhängen, ob der soziale und wirtschaftliche Wandel in Lateinamerika seinen Weg zu einer wirklich humanen Wirtschaft nehmen wird.
11. Auf der anderen Seite wird dieser Wandel für die Auslösung des wirklichen Entwicklungs- und Integrationsprozesses in Lateinamerika grundlegend sein. Wenn auch viele unserer Arbeiter ein Bewusstsein von der Notwendigkeit dieses Wandels erwerben, so durchleben sie gleichzeitig eine Situation der Abhängigkeit von den unmenschlichen wirtschaftlichen Systemen und Institutionen. Für viele von ihnen grenzt diese Situation nicht nur an physische, sondern auch an berufliche, kulturelle, bürgerliche und geistige Sklaverei.
Mit der Klarheit, die aus dem Wissen um den Menschen und um seine Erwartungen kommt, müssen wir erneut betonen, dass weder Kapitalanhäufungen noch die Einführung moderner Produktionstechniken, noch wirtschaftliche Planungen wirksam im Dienst des Menschen stehen werden, wenn nicht die Arbeiter, unbeschadet der „erforderlichen einheitlichen Werkleitung“, mit der ganzen Darstellung ihres menschlichen Seins durch die „aktive Beteiligung aller an der Unternehmensgestaltung“ einbezogen sind. „Die geeignete Art und Weise der Verwirklichung wäre näher zu bestimmen“.<ref> s. 3 Nr. 68 </ref> Das betrifft auch die Ebenen der Makroökonomie, die im nationalen und internationalen Bereich entscheidend sind.
d) Arbeiterorganisation
12. Darum muss die gewerkschaftliche Organisation der Landarbeiter und Arbeiter, auf die diese ein Anrecht haben, genügend Kraft und Präsenz in der beruflichen Zwischenstruktur erwerben. Ihre Zusammenschlüsse werden eine solidarische und verantwortliche Kraft haben, um das Recht der Vertretung und Teilnahme auf den Gebieten der Produktion und des nationalen, kontinentalen und internationalen Handels wahrzunehmen. Genauso müssen die Arbeiter ihr Recht ausüben, auch auf den politischen, sozialen und wirtschaftlichen Ebenen vertreten zu sein, wo die das Gemeinwohl betreffenden Entscheidungen gefällt werden. Aus demselben Grund müssen die gewerkschaftlichen Organisationen alle ihnen zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen, um diejenigen moralisch, wirtschaftlich und technisch zu bilden, die diese Verantwortungen wahrnehmen müssen.
e) Einheit in der Aktion
13. Die Sozialisierung, verstanden als sozio-kultureller Prozess der wachsenden Personalisierung und Solidarität, veranlaßt uns anzunehmen, dass alle Sektoren der Gesellschaft, in diesem Fall aber besonders der sozio-ökonomische, die Gegensätze durch Gerechtigkeit und Brüderlichkeit überwinden müssen, um sich in Antriebskräfte der nationalen und kontinentalen Entwicklung zu verwandeln. Ohne diese Einheit wird sich Lateinamerika weder vom Neokolonialismus, dem es unterworfen ist, befreien können, und sich folglich auch nicht in Freiheit mit seinen ihm eigenen Charakteristiken im Kulturellen, Sozialpolitischen und Wirtschaftlichen verwirklichen können.
f) Umwandlung der Landgebiete
14. Diese Zweite Generalversammlung des Lateinamerikanischen Episkopates möchte nicht unterlassen, ihre pastorale Sorge für den ausgedehnten Landsektor auszudrücken. Wenn er auch in allem Vorhergesagten bereits enthalten ist, erfordert er aufgrund seiner besonderen Eigenheiten eine dringende Beachtung. Wenn man auch die unterschiedlichen Situationen und Mittel der verschiedenen Nationen beachten muss, besteht doch kein Zweifel, dass es einen gemeinsamen Nenner für alle gibt: die Notwendigkeit einer menschlichen Entwicklung (Promocion humana) der Land- und Eingeborenenbevölkerung. Diese Entwicklung wird unmöglich sein, wenn man nicht eine echte und dringende Reform der Agrarstruktur und Agrarpolitik durchführt. Dieser Strukturwandel und seine entsprechende Politik beschränken sich nicht auf eine bloße Landverteilung. Es ist unerläßlich, diese Landzuteilung unter bestimmten Bedingungen zu betreiben, die ihre Inbesitznahme legitimieren und ihren Ertrag sichern, sowohl zum Nutzen der Landarbeiterfamilien als auch der Wirtschaft des Landes. Das wird, abgesehen von juristischen und technischen Aspekten, deren Festsetzung nicht in unserer Kompetenz liegt, die Organisation der Landarbeiter in wirksamen Zwischenstrukturen, hauptsächlich in Formen von Genossenschaften erfordern. Ebenso erfordert es einen Ansporn zur Schaffung von städtischen Zentren in Landgegenden, die der Landbevölkerung den Zugang zu den Kulturgütern, den Gesundheitsdiensten, gesunden Freizeitmöglichkeiten sowie zu ihrer geistigen Weiterentwicklung ermöglichen. Das gleiche gilt für eine Teilnahme an den lokalen Entscheidungen sowie an denen der nationalen Wirtschaft und Politik. Diese Förderung der Landgebiete wird zum notwendigen Industrialisierungsprozess und zur Teilnahme an den Vorteilen der städtischen Zivilisation beitragen.
g) Industrialisierung
15. Es besteht kein Zweifel, dass der Industrialisierungsprozess nicht rückgängig zu machen und zur Vorbereitung einer wirtschaftlichen Unabhängigkeit und Eingliederung in die moderne Weltwirtschaft notwendig ist. Die Industrialisierung wird zu einem entscheidenden Faktor für die Anhebung des Lebensstandards unserer Völker und für die Schaffung besserer Bedingungen für die ganzheitliche Entwicklung werden. Dazu ist es unerläßlich, die Planungen zu überprüfen und die nationalen Makroökonomien zu reorganisieren, wobei man die berechtigte Autonomie unserer Nationen, die gerechten Ansprüche der schwächeren Länder und die gewünschte wirtschaftliche Integration des Kontinents zu wahren hat sowie die unveräußerlichen Rechte der menschlichen Person und der Zwischenstrukturen als Vorbedingungen dieses Prozesses immer respektieren muss.
Die politische Reform
16. Angesichts der Notwendigkeit einer umfassenden Wandlung der lateinamerikanischen Strukturen halten wir in diesem Wandel die politische Reform für erforderlich.
Die Ausübung der politischen Autorität und deren Entscheidungen haben als einzige Zielsetzung das Gemeinwohl. In Lateinamerika stützen diese Ausübung und diese Entscheidungen offensichtlich häufig Systeme, die dem Gemeinwohl entgegenwirken oder privilegierte Gruppen begünstigen. Die Autorität sollte durch juristische Normen die Rechte und unveräußerlichen Freiheiten der Bürger und das freie Zusammenspiel der Zwischenstrukturen wirksam und fortlaufend sichern.
Die öffentliche Autorität hat die Aufgabe, Beteiligungsmöglichkeiten und legitime Volksvertretungen zu schaffen und zu unterstützen oder, falls es nötig sein sollte, die Schaffung neuer Formen zu begünstigen und zu stärken. Wir möchten die Notwendigkeit betonen, die städtische und kommunale Organisation als Ausgangspunkt für das Leben im Bezirk, in der Provinz, in der Region und auf nationaler Ebene zu beleben und zu stärken. Der Mangel an politischem Bewusstsein in unseren Ländern macht die erzieherische Aktion der Kirche unentbehrlich. Ihr Ziel ist es, dass die Christen ihre Beteiligung am politischen Leben der Nation als Gewissenspflicht und als Akt der Nächstenliebe in ihrem edelsten und wirksamsten Sinn für das Leben der Gemeinschaft ansehen.
Information und Bewusstseinsbildung
17. Wir möchten betonen, dass die Bildung des sozialen Gewissens und der realistischen Einschätzung der Probleme der Gemeinschaft und der sozialen Strukturen unerläßlich ist. Wir müssen das soziale Gewissen und gemeinsame Formen in allen beruflichen Schichten und Gruppen wecken, sei es, was den Dialog und das gemeinschaftliche Leben innerhalb der betreffenden Gruppe angeht, sei es in ihren Beziehungen zu umfassenderen sozialen Gruppen (Arbeiter, Landarbeiter, Freiberufliche, Klerus, Ordensleute, Beamte).
Diese Aufgabe der Bewusstseinsbildung und der sozialen Erziehung muss sich in die Pläne der „Pastoral de conjunto“ auf ihren verschiedenen Ebenen eingliedern.
18. Der Sinn für Dienst und Realismus fordert von der heutigen Hierarchie eine größere soziale Feinfühligkeit und Objektivität. Dazu ist der direkte Kontakt mit den verschiedenen sozio-professionalen Gruppen in Treffen notwendig, die allen eine umfassendere Sicht der sozialen Dynamik vermitteln. Diese Treffen betrachtet man als Instrument, das der Hierarchie eine kollegiale Aktion erleichtern könnte. Diese wäre nützlich, um eine Harmonisierung der Gedanken und Aktivitäten einer im Wandel befindlichen Gesellschaft zu garantieren.
Die Bischofskonferenzen sollen die Organisation von Kursen und Treffen als Eingliederungshilfe für die Verantwortlichen der mit der Pastoral verbundenen Sozialarbeit unterstützen. Außer Priestern, Ordensleuten und Laien sollte man Führungskräfte einladen, die in nationalen und internationalen Entwicklungsprogrammen innerhalb des Landes arbeiten. Ebenso sollten die Vorbereitungsinstitute für apostolisches Personal aus anderen Ländern ihre Aktivitäten der sozialen Pastoral mit den entsprechenden nationalen Organen koordinieren. Mehr noch: Man sollte „Soziale Wochen“ zu fördern suchen, um eine an unsere Probleme angepaßte Soziallehre zu erarbeiten. Das wird die Bildung der öffentlichen Meinung ermöglichen.
19. Besondere Aufmerksamkeit verdienen die Menschen in Schlüsselpositionen, das heißt die Personen, die sich im Erarbeitungs- und Ausführungsbereich derjenigen Entscheidungen befinden, die Auswirkungen auf die Grundstrukturen des nationalen und internationalen Lebens haben. Die Bischofskonferenzen werden ebenfalls durch ihre Kommissionen der Sozialen Aktion oder der Sozialen Pastoral zusammen mit anderen interessierten Organen die Organisation von Kursen für Techniker, Politiker, Arbeiterführer, Landarbeiter, Unternehmer und Kulturschaffende auf allen Ebenen fördern.
20. Es ist notwendig, dass sich die kleinen soziologischen Basisgemeinschaften weiterentwickeln, um ein Gleichgewicht gegenüber den Minderheitsgruppen, die die Macht haben, herzustellen. Das ist nur möglich durch die Belebung der Basisgruppen selbst mit Hilfe ihrer natürlichen und handelnden Elemente in ihren entsprechenden Lebensbereichen.
Die Kirche, das Volk Gottes, wird ihre Hilfe den Verlassenen jeder Art und aller sozialen Schichten geben, damit sie ihre eigenen Rechte kennenlernen und davon Gebrauch machen können. Dafür wird sie ihre moralische Kraft gebrauchen und die Zusammenarbeit mit Fachleuten und kompetenten Institutionen suchen.
21. Die Kommission „Gerechtigkeit und Frieden“ (Justitia et Pax) muss in allen Ländern zumindest auf Nationalebene gefördert werden. Sie soll aus Personen von hohem moralischem Niveau und fachlicher Qualifikation gebildet werden, die für die verschiedenen sozialen Schichten repräsentativ sind. Sie soll fähig werden, einen wirksamen Dialog mit Personen und Institutionen anzuknüpfen, die unmittelbar Entscheidungen für das Gemeinwohl verantworten. Sie soll auch alles aufdecken, was die Gerechtigkeit verletzen und den inneren und äußeren Frieden der nationalen und internationalen Gemeinschaft gefährden kann. Sie wird helfen, konkrete Mittel zu suchen, um die für jede Situation angemessenen Lösungen zu finden.
22. Für die Durchführung ihrer pastoralen Sendung werden alle Bischofskonferenzen ihre Kommissionen für Soziale Aktion oder Soziale Pastoral schaffen. Sie sollen die Lehre ausarbeiten und die Initiativen auf dem Gebiet übernehmen, auf dem die Kirche als Ermutigerin der weltlichen Ordnung in einer echten Diensthaltung präsent ist. Dasselbe gilt für die Diözesanebene.
Außerdem werden sich die Bischofskonferenzen und die katholischen Organisationen für die Förderung der Zusammenarbeit mit den nichtkatholischen Kirchen und Institutionen, die sich der Aufgabe der Wiederherstellung der Gerechtigkeit in den menschlichen Beziehungen widmen, auf kontinentaler und nationaler Ebene einsetzen.
Die „Caritas“, als eine in die Gesamtpastoral der Kirche eingegliederte Organisation,<ref> s.2 Nr. 46 </ref> soll nicht nur eine Wohlfahrtseinrichtung sein, sondern sie muss sich in wirksamerer Weise in den Entwicklungsprozess Lateinamerikas als eine wirklich entwicklungsfördernde Institution eingliedern.
23. Die Kirche erkennt an, dass die weltlichen Institutionen mit dem spezifischen Wirkungskreis der zivilen Gesellschaft übereinstimmen, auch wenn sie von Christen geschaffen oder veranlaßt wurden. In den konkreten aktuellen Situationen fühlt die Zweite Generalversammlung des Lateinamerikanischen Episkopates die Pflicht, diejenigen Organisationen besonders anzuspornen, die die menschliche Entwicklung und die Anwendung der Gerechtigkeit im Blickpunkt haben. Die moralische und ermutigende Kraft der Kirche wird vor allem darauf gerichtet sein, sie anzuspornen. Sie entschließt sich auf diesem Gebiet nur in subsidiärer Weise und in unaufschiebbaren Situationen zum Handeln.
Schließlich ist sich diese Zweite Generalversammlung voll bewusst, dass der durch die sozialen Kommunikationsmittel und -techniken ausgelöste Sozialisierungsprozess aus diesen ein notwendiges und geeignetes Instrument für die soziale Erziehung sowie für die Bewusstseinsbildung in Bezug auf den Strukturwandel und für die Durchsetzung der Gerechtigkeit macht. Darum bittet sie besonders die Laien dringend, die Kommunikationsmittel angemessen für die Aufgaben der menschlichen Entwicklung einzusetzen.
2. FRIEDEN
I. DIE LATEINAMERIKANISCHE SITUATION UND DER FRIEDE
1. Wenn „Entwicklung der neue Name für Frieden ist“,<ref> Papst Paul VI.: Sozialenzyklika „Populorem progressio“, Nr. 87 </ref> so ist die lateinamerikanische Unterentwicklung mit den ihr eigenen Charakteristiken in den verschiedenen Ländern eine ungerechte Situation, die den Frieden bedrohende Spannungen fördert.
Wir teilen diese Spannungen in drei große Gruppen ein und heben in jeder von ihnen jene Faktoren besonders hervor, die, da sie eine Situation der Ungerechtigkeit darstellen, eine wirkliche Bedrohung des Friedens in unseren Ländern bedeuten.
Wenn wir von einer Situation der Ungerechtigkeit sprechen, beziehen wir uns auf jene Realitäten, die einen Zustand der Sünde ausdrücken. Dabei soll nicht verkannt werden, dass das Elend in unseren Ländern manchmal natürliche Ursachen haben kann, die schwer zu überwinden sind.
Beim Aufstellen dieser Analyse übersehen wir weder die positiven Bemühungen, die auf verschiedenen Ebenen zur Errichtung einer gerechteren Gesellschaft verwirklicht werden, noch unterlassen wir es, sie zu werten. Wir schließen sie hier nicht ein, weil es unsere Absicht ist, die Aufmerksamkeit gerade auf jene Aspekte zu lenken, die eine Bedrohung oder Verneinung des Friedens darstellen.
Spannungen zwischen den Klassen und interner Kolonialismus:
2. Verschiedene Formen der Marginalität im sozio-ökonomischen, politischen, kulturellen, rassischen und religiösen Bereich, in städtischen ebenso wie in ländlichen Gebieten;
3. Übermäßige Ungleichheiten zwischen den sozialen Klassen, besonders, wenn auch nicht ausschließlich, in jenen Ländern, die durch ein markantes Zweiklassensystem gekennzeichnet sind: Wenige besitzen viel (Kultur, Reichtum, Macht, Prestige), während viele wenig besitzen. Der Heilige Vater beschreibt diese Wirklichkeit in seiner Ansprache an die kolumbianischen Landarbeiter: „Wir wissen, dass die wirtschaftliche und soziale Entwicklung auf dem großen lateinamerikanischen Kontinent ungleich gewesen ist, und während sie diejenigen begünstigte, die sie anfangs gefördert haben, hat sie die Massen der eingeborenen Bevölkerung vernachlässigt. Sie wurden fast immer auf einem niedrigen Lebensstandard belassen und zuweilen hart behandelt und ausgebeutet“.<ref> Papst Paul VI.: Ansprache an die Landarbeiter von Mosquera/Kolumbien, 23. August 1968 </ref>
4. Wachsende Frustrationen: Das weltweite Phänomen der steigenden Erwartungen nimmt in Lateinamerika ein besonders aggressives Ausmaß an. Der Grund liegt auf der Hand: Die übermäßigen Ungleichheiten verhindern systematisch die Befriedigung der legitimen Erwartungen der Übergangenen. So entstehen wachsende Frustrationen.
Eine ähnliche Gemütsverfassung stellt man auch in jenen Mittelschichten fest, die bei schweren Krisen in einen Prozess der Desintegration und Proletarisierung eintreten.
5. Formen der Unterdrückung durch die herrschenden Gruppen und Schichten: Ohne einen eventuellen Willen zur Unterdrückung auszuschließen, findet man doch häufiger eine beklagenswerte Gleichgültigkeit der begünstigten Schichten gegenüber dem Elend der Marginalschichten. Daher die Worte des Papstes an die Führenden: „dass Euer Ohr und Herz aufgeschlossen sei für die Stimmen derer, die um Brot, Interesse, Gerechtigkeit bitten“.<ref> Papst Paul VI.: Ansprache in der heiligen Messe am Tag der Entwicklung, Bogota“, 23. August 1968 </ref>
Man stellt häufig fest, dass diese Gruppen und Schichten, mit Ausnahme einiger Minderheiten, jeden Versuch, ein soziales System zu verändern, das den Fortbestand ihrer Privilegien begünstigt, als subversive Aktion bezeichnen.
6. Von gewissen herrschenden Schichten ungerecht ausgeübte Macht. Als eine normale Konsequenz der erwähnten Haltungen greifen einige Mitglieder der herrschenden Schichten manchmal zum Gebrauch der Gewalt, um drastisch jeden Versuch der Reaktion zu unterdrücken. Es wird für sie sehr leicht sein, scheinbare ideologische (z. B. Antikommunismus) oder praktische (Wahrung der „Ordnung“) Rechtfertigungen zu finden, um dieses Vorgehen zu beschönigen.
7. Wachsende Bewusstwerdung der unterdrückten Schichten. All das Vorhergehende wird immer unerträglicher durch die fortschreitende Bewusstwerdung der unterdrückten Schichten angesichts ihrer Situation. Auf sie bezog sich der Heilige Vater, als er zu den Landarbeitern sagte: „Heute hat sich das Problem zugespitzt, weil Ihr Eurer Bedürfnisse und Eurer Leiden bewusst geworden seid, und ... Ihr könnt nicht dulden, dass diese Bedingungen andauern, ohne ihnen wirksame Abhilfe entgegenzusetzen“.<ref> s. 2 </ref>
Die in den vorhergegangenen Absätzen beschriebene statische Sicht der Situation verschärft sich, wenn man sie auf die Zukunft hin projiziert; die Grunderziehung und die Alphabetisierung werden die Bewusstwerdung steigern, und die Bevölkerungsexplosion wird die Probleme und Spannungen vervielfältigen. Man darf auch nicht die Bewegungen aller Art vergessen, die immer mehr daran interessiert sind, diese Spannungen auszunützen und zu verschlimmern. Deshalb wird, wenn man heute den Frieden schon ernsthaft bedroht sieht, die automatische Verschärfung der Probleme explosive Folgen provozieren.
Internationale Spannungen und externer Neokolonialismus
8. Wir beziehen uns hier besonders auf die Konsequenzen, die für unsere Länder eine Abhängigkeit von einem wirtschaftlichen Machtzentrum in sich bergen, um das sie sich gruppieren. Daraus ergibt sich, dass unsere Länder häufig weder Eigentümer ihrer Güter, noch Herren ihrer wirtschaftlichen Entscheidungen sind. Es liegt auf der Hand, dass das nicht ohne Auswirkungen auf das Politische bleibt, im Hinblick auf die wechselseitige Abhängigkeit, die zwischen beiden Bereichen besteht.
Wir möchten auf zwei Aspekte dieses Phänomens besonders hinweisen:
9. Wirtschaftlicher Aspekt. Wir analysieren nur jene Faktoren, die am stärksten die allgemeine und relative Verarmung unserer Länder beeinflussen und aus diesem Grund eine Quelle innerer und äußerer Spannungen darstellen.
a) Wachsende Verzerrung des internationalen Handels. Infolge des relativen Absinkens der Preise im Warenaustausch sind die Rohstoffe im Vergleich zu den Kosten der Industrieprodukte immer weniger wert. Das bedeutet, dass die Rohstoffe erzeugenden Länder – vor allem, wenn sie vornehmlich ein Produkt erzeugen – immer arm bleiben, während sich die industrialisierten Länder immer mehr bereichern. Diese Ungerechtigkeit, durch „Populorum progressio“<ref> s. 1 Nr. 56-61 </ref> eindeutig verurteilt, vereitelt den möglichen positiven Effekt der Auslandshilfen; sie stellt außerdem eine permanente Bedrohung für den Frieden dar, weil unsere Länder wahrnehmen, wie „eine Hand nimmt, was die andere ihnen gibt“.<ref> s.1 Nr. 56 </ref>
b) Flucht von wirtschaftlichem und menschlichem Kapital. Die Suche nach Sicherheit und das Merkmal der persönlichen Gewinnsucht bringen viele Angehörige der wohlhabenden Schichten unserer Länder dazu, ihre Gewinne im Ausland zu investieren. Die Ungerechtigkeit dieses Verfahrens wurde schon durch „Populorum progressio“<ref> s.1 Nr. 24 </ref> kategorisch verurteilt. Hinzu kommt die Flucht von Technikern und Fachleuten, ein Faktor, der wegen der hohen Ausbildungskosten und des multiplikatorischen Wertes ihrer Tätigkeit ebenso schwerwiegend oder noch schwerwiegender ist als die Kapitalflucht.
c) Steuerflucht und Entziehung der Gewinne und Dividenden. Verschiedene ausländische Gesellschaften, die in unseren Ländern arbeiten (auch einige nationale), pflegen sich mit spitzfindigen Ausflüchten den bestehenden Steuersystemen zu entziehen. Wir stellen auch fest, dass sie manchmal die Gewinne und Dividenden ins Ausland abführen, ohne mit angemessenen Neuinvestitionen die fortschreitende Entwicklung unserer Länder zu unterstützen.
d) Progressive Verschuldung. Es ist nicht außergewöhnlich festzustellen, dass man im internationalen Kreditwesen nicht immer die wirklichen Bedürfnisse und Möglichkeiten unserer Länder beachtet. Wir laufen so Gefahr, uns mit einer Schuldenlast zu überhäufen, deren Tilgung den größten Teil unserer Gewinne absorbieren wird.<ref> s.1 Nr. 4 </ref>
e) Internationale Monopole und internationaler Geldimperialismus. Wir möchten unterstreichen, dass die Hauptschuldigen der wirtschaftlichen Abhängigkeit unserer Länder jene Kräfte sind, die, angetrieben von einem hemmungslosen Gewinnstreben, zu einer wirtschaftlichen Diktatur und zum „internationalen Geldimperialismus“<ref> s.1 Nr. 26 </ref> führen, den Pius XI. in „Quadragesimo anno“ und Paul VI. in „Populorum progressio“ verurteilten.
10. Politischer Aspekt. Wir klagen hier den Imperialismus jedweder ideologischer Prägung an, der in Lateinamerika in indirekter Form bis hin zu direkten Interventionen ausgeübt wird.
Spannungen zwischen den lateinamerikanischen Ländern
11. Wir beziehen uns hier auf ein besonderes Phänomen geschichtspolitischer Herkunft, das noch immer die herzlichen Beziehungen einiger unserer Länder trübt und einer wirklich konstruktiven Zusammenarbeit Hindernisse in den Weg legt. Trotzdem ist der richtig verstandene Integrationsprozess für Lateinamerika eine dringende Notwendigkeit. Ohne Normen zu den technischen, wirklich komplexen Aspekten dieser Notwendigkeit geben zu wollen, halten wir es für angebracht, ihren vielschichtigen Charakter hervorzuheben. Tatsächlich ist die Integration nicht ein ausschließlich wirtschaftlicher Prozess. Sie stellt sich vielmehr in breiten Dimensionen dar, die den Menschen ganz umfassen: in sozialer, politischer, kultureller, religiöser und rassischer Hinsicht.
Als Faktoren, die die Spannungen zwischen unseren Nationen begünstigen, heben wir besonders hervor:
12. Ein übersteigerter Nationalismus in einigen Ländern. Schon „Populorum progressio“<ref> s.1 Nr. 62 </ref> klagte die Schädlichkeit dieser Haltung an; besonders dort, wo die Schwäche der nationalen Wirtschaft die Bündelung der Bemühungen, Kenntnisse und finanziellen Mittel erfordert.
13. Rüstung. In bestimmten Ländern stellt man einen Rüstungswettlauf fest, der die Grenzen des Vernünftigen übersteigt. Es handelt sich dabei meistens um eine fiktive Notwendigkeit, die verschiedenen Interessen und nicht einem wirklichen Bedürfnis der nationalen Gemeinschaft entspricht. Ein Satz aus „Populorum progressio“ ist in diesem Zusammenhang besonders zutreffend: „Wenn so viele Völker Hunger leiden, wenn so viele Familien im Elend sind, wenn so viele Menschen in Unwissenheit dahinleben ..., wird jedes die Kräfte erschöpfende Rüstungsrennen ein unerträgliches Ärgernis“.<ref> s.1 Nr. 53 </ref>
II. ÜBERLEGUNGEN ZUR LEHRE DER KIRCHE
Christliche Sicht des Friedens
14. Die beschriebene Realität stellt eine Verneinung des Friedens dar, wie ihn die christliche Tradition versteht.
Drei Merkmale kennzeichnen das christliche Verständnis vom Frieden: a) Der Frieden ist vor allem Werk der Gerechtigkeit.<ref> II. Vat. Konzil, Pastorale Konstitution über die Kirche in der Welt von heute „Gaudium et spes“, Nr. 78 </ref> Er setzt voraus und erfordert die Errichtung einer gerechten Ordnung,<ref> Papst Johannes XXIII.: Enzyklika „Pacem in terris“, Nr. 167 und s. 1 Nr. 76 </ref> in der sich die Menschen als Menschen verwirklichen können, in der ihre Würde geachtet wird, ihre legitimen Erwartungen befriedigt werden, ihr Zugang zur Wahrheit anerkannt und ihre persönliche Freiheit garantiert wird. Eine Ordnung, in der die Menschen nicht Objekte, sondern Träger ihrer eigenen Geschichte sein sollen. Dort also, wo es ungerechte Ungleichheiten zwischen Menschen und Nationen gibt, wird gegen den Frieden verstoßen.<ref> Papst Paul VI.: Botschaft vom 1. Januar 1968 </ref>
Darum ist der Frieden in Lateinamerika nicht das einfache Ausbleiben von Gewalttaten und Blutvergießen. Die von den Machtgruppen ausgeübte Unterdrückung kann den Eindruck vermitteln, Frieden und Ordnung zu erhalten, ist aber in Wirklichkeit „der dauernde und unvermeidliche Keim der Rebellionen und Kriege“.<ref> s. 14 </ref>
Den Frieden erlangt man nur, indem man eine neue Ordnung schafft, die „eine vollkommenere Gerechtigkeit unter den Menschen herbeiführt“.<ref> s.1 Nr. 76 </ref> In diesem Sinne ist die ganzheitliche Entwicklung des Menschen, der Schritt von weniger menschlichen zu menschlicheren Lebensbedingungen der neue Name für Frieden.
b) Der Frieden ist an zweiter Stelle eine dauernde Aufgabe.<ref> s. 12 Nr. 78 </ref> Die menschliche Gemeinschaft verwirklicht sich in der Zeit und ist einer Bewegung unterworfen, die ständig Strukturwandel, Umwandlung der Haltungen und Bekehrung der Herzen einschließt.
Die „Ruhe der Ordnung“ nach der augustinischen Definition des Friedens ist darum weder Passivität noch Konformismus. Er ist auch nicht etwas, das man ein für allemal erwirbt; er ist das Resultat eines ständigen Bemühens um Anpassung an die neuen Umstände, an die Ansprüche und Herausforderungen einer sich wandelnden Geschichte. Einen statischen und scheinbaren Frieden kann man durch den Gebrauch von Gewalt erlangen; ein echter Friede schließt Kampf, schöpferische Fähigkeit und ständige Eroberung ein.<ref> Papst Paul VI.: Weihnachtsbotschaft 1967 </ref>
Den Frieden findet man nicht, man errichtet ihn. Der Christ ist ein Baumeister des Friedens.<ref> Mt 5, 9 </ref> Diese Aufgabe hat in unserem Kontinent auf dem Hintergrund der vorher beschriebenen Situation einen speziellen Charakter. Deshalb muss das Volk Gottes in Lateinamerika, dem Beispiel Christi folgend, mit Kühnheit und Mut dem Egoismus und der persönlichen und kollektiven Ungerechtigkeit die Stirn bieten.
c) Der Friede ist letztlich Frucht der Liebe,<ref> s. 12 Nr. 78 </ref> Ausdruck einer wirklichen Brüderlichkeit unter den Menschen: einer Brüderlichkeit, die Christus, der Friedensfürst, einbrachte, als er alle Menschen mit dem Vater aussöhnte. Die menschliche Solidarität kann sich nur in Christus wahrhaft verwirklichen, der den Frieden gibt, den die Welt nicht geben kann.<ref> Joh 14, 27 </ref> Die Liebe ist die Seele der Gerechtigkeit. Der Christ, der für soziale Gerechtigkeit arbeitet, muss immer den Frieden und die Liebe in seinem Herzen pflegen.
Der Friede mit Gott ist das tiefste Fundament des inneren Friedens und des sozialen Friedens. Darum wird überall dort, wo dieser soziale Friede nicht existiert, überall dort, wo man ungerechte soziale, politische, wirtschaftliche und kulturelle Ungleichheiten findet, die Friedensgabe des Herrn, mehr noch, der Herr selbst zurückgewiesen.<ref> Mt 25, 31-46 </ref>
Das Problem der Gewalt in Lateinamerika
15. Die Gewalt stellt eines der schwersten Probleme in Lateinamerika dar. Man darf den Impulsen des Gefühls und der Leidenschaft nicht eine Entscheidung überlassen, von der die gesamte Zukunft der Länder des Kontinents abhängt. Wir würden eine schwere pastorale Pflicht versäumen, wenn wir in diesem dramatischen Dilemma nicht die von der christlichen Lehre und der evangelischen Liebe hergeleiteten Kriterien ins Bewusstsein riefen.
Niemand wird überrascht sein, wenn wir erneut und mit Nachdruck unseren Glauben in die Fruchtbarkeit des Friedens betonen. Dies ist unser christliches Ideal. „Die Gewalt ist weder christlich noch entspricht sie dem Evangelium“.<ref> s. 3 und Papst Paul VI.: Ansprache zur Eröffnung der Zweiten Generalversammlung des Lateinamerikanischen Episkopates, Bogota, 24. August 1968 </ref> Der Christ ist friedfertig und schämt sich dessen nicht. Er ist nicht schlechthin friedliebend, weil er fähig ist zu kämpfen.<ref> s. 14 </ref> Aber er zieht den Frieden dem Krieg vor. Er weiß, dass „die plötzlichen und gewaltsamen Strukturwandlungen trügerisch wären, unwirksam in sich selbst und sicherlich nicht in Übereinstimmung mit der Würde des Volkes. Diese erfordert, dass sich die notwendigen Umwandlungen von innen her vollziehen, das heißt, durch eine entsprechende Bewusstwerdung, eine geeignete Vorbereitung und die wirksame Beteiligung aller. Die Unwissenheit und die manchmal unmenschlichen Lebensbedingungen verhindern heute, dass diese Beteiligung aller gesichert wird“.<ref> s. 3 </ref>
16. Wenn der Christ an die Fruchtbarkeit des Friedens glaubt, um zur Gerechtigkeit zu gelangen, glaubt er auch, dass die Gerechtigkeit eine unumgängliche Bedingung für den Frieden ist. Er übersieht nicht, dass sich Lateinamerika in vielen Gebieten in einer Situation der Ungerechtigkeit befindet, die man institutionalisierte Gewalt nennen kann. Nämlich dann, wenn durch Unzulänglichkeit der Strukturen der industriellen und landwirtschaftlichen Unternehmen, der nationalen und internationalen Wirtschaft, des kulturellen und politischen Lebens „ganze Völker das Notwendigste entbehren und in einer Abhängigkeit leben, die sie an der Initiative und Verantwortung sowie am kulturellen Aufstieg hindert“,<ref> s. 1 Nr. 30 </ref> und auf diese Weise fundamentale Rechte verletzt werden. Eine solche Situation erfordert vollständige, kühne, dringende und tiefgreifend erneuernde Umwandlungen. Es darf uns darum nicht wundern, dass in Lateinamerika „die Versuchung zur Gewalt“ aufbricht. Die Geduld eines Volkes, das jahrelang Bedingungen erträgt, die schwerlich von denjenigen akzeptiert würden, die ein besseres Bewusstsein der Menschenrechte haben, darf nicht missbraucht werden.
Angesichts einer Situation, die so schwerwiegend gegen die Würde des Menschen und damit gegen den Frieden verstößt, wenden wir uns als Hirten an alle Mitglieder des christlichen Volkes, damit sie ihre schwere Verantwortung in der Förderung des Friedens in Lateinamerika übernehmen.
17. Wir möchten unseren Appell in erster Linie an jene richten, die in größerem Rahmen am Reichtum, an der Kultur oder an der Macht beteiligt sind. Wir wissen, dass es in Lateinamerika Führungskräfte gibt, die den Bedürfnissen gegenüber aufgeschlossen sind und versuchen, Abhilfe zu schaffen. Sie selbst erkennen an, dass die Privilegierten in ihrer Gesamtheit häufig mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln Druck auf die Regierenden ausüben und damit die notwendigen Wandlungen verhindern. In einigen Fällen nimmt dieser Widerstand sogar drastische Formen mit der Zerstörung von Leben und Gütern an.
Deshalb ermahnen wir sie dringend, die friedfertige Haltung der Kirche nicht ausnützen zu wollen, um sich passiv oder aktiv den tiefgreifenden Umwandlungen, die notwendig sind, zu widersetzen. Wenn sie eifersüchtig an ihren Privilegien festhalten und besonders, wenn sie diese selbst unter Einsatz gewaltsamer Mittel verteidigen, machen sie sich vor der Geschichte verantwortlich, „die explosiven Revolutionen der Verzweiflung“<ref> s. 3 </ref> zu provozieren. Von ihrer Haltung hängt also weithin die friedliche Zukunft der lateinamerikanischen Länder ab.
18. Doch auch diejenigen sind für die Ungerechtigkeit verantwortlich, die nicht mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln für die Gerechtigkeit handeln und die aus Angst vor persönlichen Opfern und Risiken, die jede kühne und wahrhaft wirksame Aktion einschließt, passiv bleiben. Die Gerechtigkeit und folglich den Frieden erobert man durch eine dynamische Aktion der Bewusstseinsbildung und Organisation der Volksschichten, durch eine Aktion, die fähig ist, auf die öffentlichen Mächte, die ohne die Unterstützung des Volkes in ihren sozialen Programmen vielfach machtlos sind, Druck auszuüben.
19. Wir richten uns schließlich an all jene, die angesichts der Schwere der Ungerechtigkeit und der unrechtmäßigen Widerstände gegen den Wandel ihre Hoffnung auf die Gewalt setzen. Mit Paul VI. erkennen wir an, dass ihre Haltung „häufig ihre letzte Motivierung in edlen Beweggründen der Gerechtigkeit und Solidarität hat“.<ref> s. 3 </ref> Wir sprechen hier nicht vom reinen Verbalismus, der keine persönliche Verantwortung enthält und von fruchtbaren, friedlichen Aktionen abbringt, die unmittelbar verwirklicht werden könnten.
Wenn es auch wahr ist, dass der revolutionäre Aufstand gerechtfertigt sein kann im Falle der „eindeutigen und lange dauernden Gewaltherrschaft, die die Grundrechte der Person schwer verletzt und dem Gemeinwohl des Landes schwer schadet“<ref> s. 1 Nr. 31 </ref> – ob diese Gewaltherrschaft nun von einer Person oder von eindeutig ungerechten Strukturen ausgeübt wird –, so ist auch gewiß, dass die Gewalt oder „bewaffnete Revolution“ im allgemeinen „neues Unrecht zeugt, neue Störungen des Gleichgewichts mit sich bringt, neue Zerrüttung hervorruft. Man darf ein Übel nicht mit einem noch größeren Übel vertreiben“.<ref> s. 1 Nr. 30 </ref>
Wenn wir also die Gesamtheit der Verhältnisse unserer Länder erwägen, wenn wir in Betracht ziehen, dass der Christ dem Frieden den Vorzug gibt, wenn wir die große Schwierigkeit des Bürgerkrieges bedenken, seine Logik der Gewalt, die greulichen Übel, die er mit sich bringt, das Risiko, eine ausländische Intervention – so widerrechtlich sie auch sei – zu provozieren, die Schwierigkeit, eine Regierung der Gerechtigkeit und Freiheit – hervorgegangen aus einem Prozess der Gewalt – zu errichten, dann wünschen wir sehnlich, dass die Dynamik des bewusst gewordenen und organisierten Volkes sich in den Dienst der Gerechtigkeit und des Friedens stellt.
Wir machen uns schließlich die Worte des Heiligen Vaters zu eigen, die er an die Neupriester und Diakone in Bogota richtete, als er, sich auf alle Leidenden beziehend, folgendes sagte: „Wir werden fähig sein, ihre Ängste zu verstehen und sie zu wandeln; nicht in Haß und Gewalt, sondern in die starke und friedliche Energie der konstruktiven Werke“.<ref> Papst Paul VI.: Ansprache an die Neupriester und Diakone, Bogota, 22. August 1968 </ref>
III. PASTORALE SCHLUSSFOLGERUNGEN
20. Angesichts der Spannungen, die den Frieden bedrohen und sogar so weit gehen, dass sie eine Versuchung zur Gewalt einflößen, angesichts des christlichen Konzeptes vom Frieden, das beschrieben wurde, glauben wir, dass sich der lateinamerikanische Episkopat nicht der Übernahme sehr konkreter Verantwortungen entziehen darf. Denn die Schaffung einer gerechten Sozialordnung, ohne die der Friede illusorisch ist, ist eine höchst christliche Aufgabe.
Uns obliegt es als Hirten der Kirche, die Gewissen zu bilden, alle Initiativen, die zur Bildung des Menschen beitragen, zu beleben, anzuspornen und orientieren zu helfen. Uns kommt es auch zu, all das, was gegen die Gerechtigkeit verstößt, und damit den Frieden zerstört, anzuklagen.
Aus diesem Geist heraus halten wir es für angebracht, die folgenden pastoralen Leitlinien aufzuzeigen:
21. In den Menschen und Völkern – besonders durch die Mittel der sozialen Kommunikation – ein lebendiges Bewusstsein der Gerechtigkeit zu erwecken, indem wir ihnen einen dynamischen Sinn für Verantwortung und Solidarität vermitteln.
22. Entsprechend dem Auftrag des Evangeliums, die Rechte der Armen und Unterdrückten zu verteidigen, indem wir unsere Regierungen und Führungsschichten drängen, alles zu entfernen, was den sozialen Frieden zerstört: Ungerechtigkeit, Untätigkeit, Bestechlichkeit, Gefühllosigkeit.
23. Energisch die Mißbräuche und die ungerechten Konsequenzen der übermäßigen Ungleichheiten zwischen Reichen und Armen, Mächtigen und Schwachen anzuklagen, indem wir die Integration begünstigen.
24. Uns zu bemühen, dass unsere Verkündigung, Katechese und Liturgie die soziale und kommunitäre Dimension des Christentums beachtet, indem wir Menschen bilden, die sich dem Aufbau einer friedlichen Welt verpflichten.
25. Dafür zu sorgen, dass sich in unseren Schulen, Seminaren und Universitäten ein gesunder, kritischer Sinn für die soziale Situation heranbildet und die Berufung zum Dienst gefördert wird. Wir halten ebenfalls die Kampagnen auf diözesaner und nationaler Ebene für sehr wirksam, die alle Gläubigen und Organisationen bewegen und zu einer ähnlichen Überlegung führen.
26. Auch die verschiedenen Konfessionen und christlichen sowie nichtchristlichen Gemeinschaften zur Mitarbeit an dieser fundamentalen Aufgabe unserer Zeit einzuladen.
27. Alle Anstrengungen des Volkes zur Schaffung und Entwicklung seiner eigenen Basisorganisationen zur Geltendmachung und Festigung seiner Rechte sowie zur Suche nach einer wirklichen Gerechtigkeit zu ermutigen und zu unterstützen.
28. Die Vervollkommnung des Justizwesens zu verlangen, dessen Unzulänglichkeiten oft ernste Missstände verursachen.
29. Darauf zu drängen, dass in vielen unserer Länder der gegenwärtige Rüstungsprozess aufgehalten und überprüft wird, der manchmal in einem ausgesprochenen Mißverhältnis zu den legitimen Erfordernissen des Gemeinwohls zum Schaden der dringenden sozialen Bedürfnisse steht. Der Kampf gegen das Elend ist der eigentliche Krieg, dem sich unsere Nationen stellen müssen.
30. Die Bischöfe, die Verantwortlichen der verschiedenen religiösen Konfessionen und die Menschen guten Willens der entwickelten Nationen einzuladen, in ihren entsprechenden Einflußbereichen, vor allem unter den wirtschaftlichen und politischen Führungskräften, ein Bewusstsein größerer Solidarität mit unseren unterentwickelten Ländern zu fördern, indem sie sich unter anderem um die Anerkennung gerechter Preise für unsere Rohstoffprodukte bemühen.
31. Die Universitäten Lateinamerikas anläßlich des 20. Jahrestages der feierlichen Verkündigung der Menschenrechte anzuregen, Forschungen über den Stand der Verwirklichung dieser Forderungen in unseren Ländern anzustellen.
32. Das ungerechte Handeln anzuklagen, das mächtige Nationen auf Weltebene gegen die Selbstbestimmung der schwachen Völker ausüben, die die blutigen Auswirkungen des Krieges und der Invasion erleiden müssen, indem man von den kompetenten, internationalen Organen entschiedene und wirksame Gegenmaßnahmen fordert.
33. Die Initiativen und Arbeiten all jener zu ermutigen und zu loben, die in den verschiedenen Aktionsbereichen zur Schaffung einer neuen Ordnung beitragen, die den Frieden im Innern unserer Völker sichert.
3. FAMILIE UND DEMOGRAPHIE
1. Aus verschiedenen Gründen ist eine Reflexion über die Familie in Lateinamerika nicht leicht, da sich der Begriff der Familie in sehr verschiedenen soziologischen Wirklichkeiten verkörpert, da die Familie vielleicht mehr als andere Institutionen die Auswirkungen der sozialen Veränderungen und Umwandlungen erfahren hat, da in Lateinamerika die Familie besonders schwer unter den Konsequenzen des Teufelskreises der Unterentwicklung leidet: schlechte Lebens- und Bildungsbedingungen, niedriger Stand des Gesundheitswesens, niedrige Kaufkraft, d. h. Umwandlungen, die nicht immer angemessen aufgefangen werden können.
I. DIE LATEINAMERIKANISCHE FAMILIE IM WANDEL
2. Die Familie ist in Lateinamerika, wie auch in anderen Teilen der Welt, dem Einfluß von vier sozialen Grunderscheinungen ausgesetzt:
a) Der Schritt von einer Agrargesellschaft zu einer Industriegesellschaft, der die Familie patriarchalischen Typs zu einem neuen Familientyp führt, mit größerer Intimität, besserer Aufteilung der Verantwortungen und größerer Abhängigkeit von anderen Mikrogesellschaften.
b) Der Entwicklungsprozess bringt unermeßlichen Reichtum für einige Familien, Unsicherheit für andere und soziale Marginalität für die restlichen mit sich.
c) Der rasche Bevölkerungszuwachs – obwohl er nicht als einziges demographisches Veränderungsmoment und noch viel weniger als Ursache allen Übels in Lateinamerika gewertet werden darf – erzeugt sowohl auf sozio-ökonomischem als auch auf ethischem und religiösem Gebiet verschiedene Probleme.
d) Der Sozialisierungsprozess, der die Familie um einige Aspekte ihrer sozialen Bedeutung und ihres Einflußbereiches schmälert, aber ihre Grundwerte und ihren Rang als Basisinstitution der Gesamtgesellschaft unberührt läßt.
3. Diese Erscheinungen erzeugen in der lateinamerikanischen Familie einige Nebenwirkungen, die sich in Problemen von gewisser Schwere ausdrücken. Angesichts der Unmöglichkeit, sie alle aufzuzählen, nennen wir die, denen anscheinend größere Bedeutung zukommt, die häufiger auftreten oder größere sozial-pastorale Auswirkung haben.
a) Sehr niedriger Heiratsindex. Lateinamerika hat im Verhältnis zu seiner Bevölkerung einen außergewöhnlich niedrigen Heiratsindex. Das zeigt ein hoher Prozentsatz von illegitimen Verbindungen, die vom Zufall abhängig und fast ohne Stabilität sind, mit allen sich daraus ergebenden Konsequenzen;
b) hoher Prozentsatz außerehelicher Geburten und solche aus Gelegenheitsverbindungen, ein Faktor, der die Bevölkerungsexplosion sehr stark belastet;
c) hoher und anwachsender Index des familiären Zerfalls, sei es durch Scheidung, wie sie in nicht wenigen Gebieten sehr leicht akzeptiert und legalisiert wird, sei es durch Verlassen des Haushaltes (fast immer durch den Vater), sei es wegen der sexuellen Unordnung, die aus einem falschen Männlichkeitsbegriff erwächst;
d) Überbetonung des Hedonismus und der Erotik, die durch eine erstickende Propaganda der Konsumgesellschaft begünstigt werden;
e) Mißverhältnis von Löhnen und wirklichen Lebensbedingungen der Familie;
f) ernste Wohnungsprobleme durch unzureichende und mangelhafte Wohnraumpolitik;
g) schlechte Verteilung der Gebrauchs- und Zivilisationsgüter, wie Lebensmittel, Kleidung, Arbeit, Kommunikationsmittel, Erholung, Vergnügungen und Kultur u. a.;
h) materielles und moralisches Unvermögen vieler Jugendlicher, in würdiger Weise eine Familie zu gründen, was viele geschädigte Familienzellen entstehen läßt. Unsere Hirtenpflicht veranlaßt uns, einen eindringlichen Appell an die Regierenden und alle, die eine entsprechende Verantwortung tragen, zu richten, damit sie der Familie den ihr zukommenden Platz im Aufbau einer menschenwürdigen zeitlichen Ordnung geben und ihr helfen, die schweren Übel zu überwinden, die sie bedrücken und die ihre volle Verwirklichung verhindern können.
II. DIE ROLLE DER LATEINAMERIKANISCHEN FAMILIE
4. „Bedeutung und Stärke von Ehe und Familie als Institution zeigen sich gerade dadurch, dass sogar die tiefgreifenden Veränderungen der heutigen Gesellschaft trotz aller daraus entstehenden Schwierigkeiten sehr oft die wahre Eigenart dieser Institution in der verschiedensten Weise deutlich werden lassen“.<ref> Pastorale Konstitution über die Kirche in der Welt von heute „Gaudium et spes“, Nr. 47 </ref>
Aus diesem Grunde ist es nötig, die Lehre der Kirche in Betracht zu ziehen, um eine pastorale Aktion festzulegen, die die lateinamerikanische Familie dazu führt, die fundamentalen Werte zu bewahren oder zu erwerben, die sie befähigen, ihren Auftrag zu erfüllen. Unter diesen Werten wollen wir drei besonders hervorheben: Die Familie bildet Personen, sie erzieht im Glauben und fördert den Fortschritt.
Die Familie bildet Personen
5. „Die Familie selbst empfing von Gott die Sendung, Grund- und Lebenszelle der Gemeinschaft zu sein“.<ref> II. Vat. Konzil, Dekret über das Laienapostolat „Apostolicam actuositatem“, Nr. 11 </ref>
„Den Eltern obliegt es, die Familie derart zu einer Heimstätte der Frömmigkeit und Liebe zu Gott und den Menschen zu gestalten, dass die gesamte Erziehung der Kinder nach der persönlichen wie nach der gesellschaftlichen Seite hin davon getragen wird“.<ref> II. Vat. Konzil, Erklärung über die christliche Erziehung „Gravissimum educationis“, Nr. 3 </ref>
„Es bleibt die Verpflichtung eines jeden, die Totalität der menschlichen Person zu wahren, die vor allem durch die Werte der Vernunft, des Willens, des Gewissens und der Brüderlichkeit bestimmt ist ... Sozusagen als Mutter und Hüterin dieser Erziehung steht die Familie an erster Stelle“.<ref> s. 1 Nr 61 </ref>
Diese Lehre des II. Vatikanischen Konzils läßt uns die Dringlichkeit erkennen, dass die Familie ihren Auftrag erfüllt, ganze Persönlichkeiten heranzubilden, wofür sie über viele Elemente verfügt.
In der Tat, die Präsenz und der Einfluß von verschiedenen, sich ergänzenden Vorbildern des Vaters und der Mutter (das Männliche und das Weibliche), das Band der gegenseitigen Zuneigung, das Klima von Vertrauen, Intimität, Respekt und Freiheit, der Rahmen des sozialen Lebens mit einer natürlichen, jedoch durch dieses Klima abgestimmten Rangordnung. All das wirkt darauf hin, dass die Familie fähig wird, starke und ausgeglichene Persönlichkeiten für die Gesellschaft heranzubilden.
Die Familie erzieht im Glauben
6. „Die christlichen Eheleute sind füreinander, für ihre Kinder und für die übrigen Familienangehörigen Mitarbeiter der Gnade und Zeugen des Glaubens. Ihren Kindern sind sie die ersten Künder und Erzieher des Glaubens“,<ref> s. 2 Nr. 11 </ref> und sie müssen „die von Gott gern empfangenen Kinder mit den christlichen Lehren und den Tugenden des Evangeliums erfüllen“,<ref> II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche „Lumen gentium“, Nr. 41 </ref> und diese Mission „durch Wort und Beispiel“<ref> s. 6 Nr. 11 </ref> derart verwirklichen, „dass, wenn somit die Eltern durch ihr Beispiel und ihr gemeinsames Gebet auf dem Weg vorausgehen, auch die Kinder und alle, die in der Familiengemeinschaft leben, leichter diesen Weg des echten Menschentums, des Heils und der Heiligkeit finden“.<ref> s. 1 Nr. 48 </ref>
Wir wissen, dass viele Familien in Lateinamerika unfähig gewesen sind, im Glauben zu erziehen, weil sie nicht fest begründet oder weil sie desintegriert waren. Andere, weil sie diese Erziehung in rein traditionalistischen Begriffen, manchmal vermischt mit mystischen und abergläubischen Aspekten, vermittelten. Daher die Notwendigkeit, die heutige Familie mit Elementen auszustatten, die ihr ihre evangelisierende Fähigkeit in Übereinstimmung mit der Lehre der Kirche wiedergeben.
Die Familie fördert die Entwicklung
7. „Die Familie ist die erste Schule der sozialen Tugenden, deren kein gesellschaftliches Gebilde entraten kann ... Was gesunde menschliche Gemeinschaft und was Kirche ist, erfahren die Kinder zum ersten Male in einer solchen christlichen Familie; durch sie werden sie auch allmählich in die weltliche Gemeinschaft und in das Volk Gottes eingeführt“.<ref> s. 3 Nr. 3 </ref>
Außerdem „ist die Familie eine Art Schule reich entfalteter Humanität“,<ref> s.1 Nr. 52 </ref> und „der volle Humanismus ist ganzheitliche Entwicklung“.<ref> Papst Paul VI.: Enzyklika „Populorum progressio“, Nr. 16 </ref> „Die Familie, in der verschiedene Generationen zusammenleben und sich gegenseitig helfen, um zu größerer Weisheit zu gelangen und die Rechte der einzelnen Personen mit den anderen Notwendigkeiten des gesellschaftlichen Lebens zu vereinbaren, ist das Fundament der Gesellschaft“.<ref> s. 1 Nr. 52 </ref> „Insbesondere in der Familie lernen die Kinder, von Liebe umhegt, leichter die wahre Ordnung der Wirklichkeit; die erprobten Formen der menschlichen Kultur prägen sich gleichsam von selbst dem Geist der heranwachsenden Jugend ein“.<ref> s. 1 Nr. 61 </ref> „Es ist Sache der Eltern, schon ihre Kinder in der Familie von klein auf dazu zu befähigen, dass sie die Liebe Gottes gegen alle Menschen immer mehr erkennen. Sie mögen stufenweise, vor allem durch ihr Beispiel lehren, sich um die materiellen und geistigen Nöte ihres Nächsten zu kümmern“.<ref> s. 2 Nr. 30 </ref> So wird die Familie ihren Auftrag erfüllen, wenn sie „Gerechtigkeit und andere gute Werke zum Dienst aller notleidenden Brüder fördert“.<ref> s.2 Nr. 11 </ref> Daher ist „das Wohl der Person sowie der menschlichen und christlichen Gesellschaft zuinnerst mit einem Wohlergehen der Ehe- und Familiengemeinschaft verbunden“,<ref> s. 1 Nr. 47 </ref> denn dies ist ein sehr wichtiger Faktor in der Entwicklung.
„Deshalb müssen alle, die einen Einfluß auf Gemeinden und gesellschaftliche Gruppen haben, zur Förderung von Ehe und Familie wirksam beitragen“.<ref> s. 1 Nr. 52 </ref>
III. BEVÖLKERUNGSPROBLEME IN LATEINAMERIKA
8. Die Bevölkerungsfrage ist in unserem Kontinent von besonderer Komplexität und ein delikates Problem. Allgemein gesprochen ist sicher, dass ein rascher Bevölkerungszuwachs existiert; weniger aufgrund der Geburten als aufgrund der niedrigen Kindersterblichkeit und gleichzeitiger höherer Lebenserwartung. Ebenfalls ist sicher, dass die Mehrheit unserer Länder an Unterbevölkerung leidet und sogar demographischen Anstieg als Entwicklungsfaktor braucht. Ebenfalls sicher ist, dass die ungemein niedrigen sozio-ökonomischen und sozio-kulturellen Bedingungen einem sichtbaren Bevölkerungswachstum entgegenstehen.
9. Als Hirten sind wir aufgeschlossen für die Probleme unserer Bevölkerung, indem wir uns ihre Schmerzen und Ängste zu eigen machen. Wir halten es für nötig, einige fundamentale Punkte über diese Materie zu äußern. Jede einseitige Einstellung, ebenso wie jede vereinfachte Lösung in Bezug auf diese Probleme sind unvollständig und deshalb irrig. Als besonders schädlich erscheint die Anwendung einer geburtenverringernden Bevölkerungspolitik, die darauf abzielt, eine Entwicklungspolitik, die zwar anspruchsvoller ist, aber die einzig annehmbare wäre, zu verdrängen, zu ersetzen oder der Vergessenheit anheim zu geben. „Es handelt sich nicht darum, die Tischgenossen zu verringern, sondern darum, das Brot zu vermehren“.<ref> Papst Paul VI.: Ansprache vor der UNO-Vollversammlung, Nr. 27, 4. Oktober 1965 </ref>
10. In diesem Sinn hat die Enzyklika „Humanae vitae“ mit dem sozialen Charakter, der in ihr einen hervorragenden Platz einnimmt und der sie an die Seite von „Populorum progressio“ stellt, für unseren Kontinent besondere Bedeutung. Angesichts unserer Probleme und Bestrebungen nimmt die Enzyklika folgende Haltungen ein:
a) Sie betont die gebieterische Notwendigkeit, der Herausforderung durch die demographischen Probleme mit einer umfassenden, auf die Entwicklung ausgerichteten Antwort zu begegnen.
b) Sie klagt jede Politik an, die auf eine unterschiedslose Geburtenkontrolle – das heißt, um jeden Preis und auf jede Art – gegründet ist, besonders, wenn sie als Bedingung für wirtschaftliche Hilfen in Erscheinung tritt.
c) Sie erhebt sich zur Verteidigung der unveräußerlichen Werte: die Respektierung der menschlichen Person, besonders der Armen und Marginalgruppen, der Wertschätzung des Lebens, der ehelichen Liebe.
d) Sie enthält eine Einladung und eine Ermutigung für die integrale Bildung der Personen durch eine Selbsterziehung der Eheleute, deren prinzipielle Elemente folgende sind: die Selbstbeherrschung; das Zurückweisen einfacher, aber gefährlicher Lösungen, weil sie verwirrend und deformierend sind. Weiterhin die Notwendigkeit der Gnade Gottes, um das Gesetz zu erfüllen, der Glaube als Daseinsermutigung und ein neuer Humanismus, befreit von der Erotisierung der bürgerlichen Zivilisation.
11. Die Anwendung der Enzyklika in dem Teil, der sich auf die eheliche Ethik bezieht, wird, wie es selbst der Papst anerkennt, „leicht in den Augen vieler schwierig oder sogar unmöglich in der Praxis erscheinen“.<ref> Papst Paul VI.: Enzyklika „Humanae vitae“, Nr. 20 </ref> Im Bewusstsein dieser Schwierigkeiten und in der Seele die Fragen und Ängste aller unserer Kinder fühlend und genötigt, unsere Hilfe allen ohne Unterschied anzubieten, aber ganz besonders denen, die auf das Wort des Papstes hören und versuchen, das von ihm vorgeschlagene Ideal zu leben, machen wir auf folgende Punkte aufmerksam:
a) Die Aussage des Lehramtes in der Enzyklika ist klar und unzweideutig im Hinblick auf den Ausschluss von künstlichen Mitteln, um bewusst den ehelichen Akt unfruchtbar zu machen.
b) Allerdings bestätigte der Heilige Vater selbst bei der Eröffnung dieser Zweiten Generalversammlung des Lateinamerikanischen Episkopates: „Diese Norm bildet weder einen blinden Lauf in die Überbevölkerung, noch verringert sie die Verantwortung und die Freiheit der Eheleute, denen sie weder eine ehrenhafte und vernunftsvolle Geburtenbeschränkung verbietet, noch unterbindet sie die legitimenTherapien und den Fortgang der wissenschaftlichen Forschungen“.<ref> Papst Paul VI.: Eröffnungsansprache der Zweiten Generalversammlung des Lateinamerikanischen Episkopates, Bogota, 24. August 1968 </ref>
c) Das sakramentale Leben, besonders als Weg einer fortschreitenden menschlichen und christlichen Reife der Ehe, ist ein Recht und mehr noch eine Pflicht, und es wird uns, den Hirten zukommen, den christlichen Eheleuten diesen Weg zu erleichtern.
d) Die Hilfe, die sich die Eheleute bei den Versammlungen gegenseitig leisten, unterstützt durch Fachleute der Humanwissenschaften und durch von pastoralem Geist geprägte Priester, kann für diejenigen von unschätzbarem Wert sein, die trotz der Schwierigkeiten versuchen, das vorgeschlagene Ideal zu erreichen.
e) Wir fassen den Vorsatz und versuchen, ihn zu erfüllen, nicht nur „den Seelen in diesen großen Schwierigkeiten unseren Dienst mit dem Herzen des Guten Hirten“<ref> s. 20 </ref> zu schenken, sondern vor allem unsere eigene Solidarität mit den leidenden Eheleuten zu betonen, durch das Beispiel unserer eigenen persönlichen und gemeinschaftlichen Entsagung in der wirklichen Armut; in dem mit Aufrichtigkeit angenommenen und mit Ernsthaftigkeit und Freude gelebten Zölibat, in der Geduld und Hingabe an die Menschen; im Gehorsam gegenüber dem Wort Gottes und besonders in der bis zum Heroismus geführten Nächstenliebe.
IV. EMPFEHLUNGEN FUR EINE FAMILIENPASTORAL
12. Aufgrund verschiedener historischer, ethnischer, soziologischer und sogar charakterlicher Faktoren hat die Familie in Lateinamerika immer noch eine sehr große, umfassende Bedeutung.
Es ist wahr, dass sie in den Großstädten einen Teil dieser Bedeutung verliert. In den ländlichen Gebieten, die noch immer den größten Teil des Kontinents ausmachen, spielt die Familie trotz aller äußerlichen Veränderungen weiter eine elementare Rolle im Sozialen, Kulturellen, Ethischen und Religiösen.
Deswegen, und mehr noch, weil die Familie Personen bildet, im Glauben erzieht und den Fortschritt fördert, aber auch, um alle die Mängel zu heilen, an denen sie leidet und die schwerwiegende Nebenwirkungen haben, halten wir es für notwendig, der Familienpastoral in der Planung der „Pastoral de conjunto“ den Vorzug zu geben. Wir raten dazu, diese Pastoral im Dialog mit den Eheleuten zu planen, die durch ihre menschliche Erfahrung und die dem Sakrament der Ehe eigenen Charismen dabei wirksam mithelfen können. Diese Familienpastoral muss unter anderem einige fundamentale Ziele und Orientierungen haben, die wir im folgenden aufzeigen:
13. Bemühungen um eine bereits im Jugendalter beginnende solide Erziehung zur Liebe, die eine einfache Geschlechtserziehung einbezieht und gleichzeitig darüber hinausgeht, indem sie den Jugendlichen beiderlei Geschlechts das Gespür und das Bewusstsein der wesentlichen Werte, wie Liebe, Achtung und Selbsthingabe, einprägt.
14. Verbreitung des Gedankens einer Ehevorbereitung und ihrer Erleichterung der Praxis. Sie soll für alle, die heiraten wollen, zugänglich und in physischer, psychologischer, juristischer, moralischer und geistiger Hinsicht so umfassend wie möglich sein.
15. Erarbeitung und Verbreitung einer Ehespiritualität, die gleichzeitig auf einer klaren Sicht des Laien in der Welt und in der Kirche sowie auf einer Theologie der Ehe als Sakrament basiert.
16. Einprägung des Bewusstseins und der Überzeugung einer wirklich verantwortlichen Elternschaft in den Jugendlichen, besonders in den jungen Eheleuten.
17. Weckung der Notwendigkeit des ehelichen Dialogs in den Eheleuten, der sie zu einer tiefen Einheit und zum Geiste der Mitverantwortung und Mitarbeit führen soll.
18. Erleichterung des Dialogs zwischen Eltern und Kindern, der dazu beitragen soll, den Generationenkonflikt im Innern der Familie zu überwinden und der das Heim zu einer Stätte der Generationenbegegnung machen soll.<ref> s. 1 Nr.5223 </ref>
19. Bewirken, dass die Familie echt „Hauskirche“ sei, das heißt, Gemeinschaft des Glaubens, des Gebetes, der Liebe, der verkündenden Aktion, der katechetischen Schule.
20. Hinführung aller Familien zu einer großherzigen Öffnung, zum Miteinander mit anderen Familien, einschließlich denjenigen anderer christlicher Konfessionen und besonders zu den Familien in der Marginalität oder im Prozess der Desintegration; eine Öffnung zur Gesellschaft, zur Welt und zum Leben der Kirche.
21. Wir möchten schließlich sowohl diejenigen Ehepaare ermutigen, die sich bemühen, die eheliche Heiligkeit zu leben und das familiäre Apostolat zu verwirklichen, als auch diejenigen, „die in gemeinsamer kluger Beratung eine größere Zahl von Kindern, wenn diese entsprechend erzogen werden können, hochherzig auf sich nehmen“.<ref> s .1 Nr.50 </ref>
Eine von den so verdienstvollen Familienbewegungen oder durch andere Formen gut geplante und durchgeführte Familienpastoral wird sicherlich dazu beitragen, aus unseren Familien eine lebendige Kraft zu machen (und nicht, wie es geschehen könnte, eine tote Last), im Dienst am Aufbau der Kirche, der zu verwirklichenden Entwicklung und der notwendigen Umwandlungen in unserem Kontinent.
4. ERZIEHUNG
1. Die Zweite Generalversammlung des Lateinamerikanischen Episkopates, die sich entschlossen hat, die Kirche für den Umwandlungsprozess der lateinamerikanischen Völker mitverantwortlich zu machen, richtet ihre Aufmerksamkeit in ganz besonderer Weise auf die Erziehung als einen grundlegenden und entscheidenden Faktor in der Entwicklung des Kontinents.
I. MERKMALE DER ERZIEHUNG IN LATEINAMERIKA
2. Es muss vor allem anerkannt werden, dass in fast allen unseren Ländern sehr beträchtliche Anstrengungen unternommen werden, die Erziehung auf ihren verschiedenen Ebenen auszuweiten; sowohl den Regierungen als auch der Kirche und den übrigen verantwortlichen Sektoren der Erziehung kommen in diesem Bemühen große Verdienste zu.
Trotz allem zeigt sich uns das Gesamtbild der Erziehung mit gleichzeitig dramatischen und drohenden Merkmalen. Während wir das sagen, bewegt uns nicht pessimistischer Geist, sondern der Wille zur Überwindung.
In Anbetracht der Dringlichkeit der ganzheitlichen Entwicklung des Menschen und aller Menschen in der großen lateinamerikanischen Gemeinschaft kranken die Bemühungen um die Erziehung an ernsten Unzulänglichkeiten und schlechter Anpassung.
3. Zunächst gibt es den großen Sektor der von der Kultur Ausgeschlossenen, die Analphabeten und besonders die eingeborenen Analphabeten, die oft des elementaren Gutes der Verständigung durch eine gemeinsame Sprache entbehren. Ihre Unwissenheit ist eine unmenschliche Knechtschaft. Ihre Befreiung ist eine Verantwortung aller Menschen Lateinamerikas. Sie müssen befreit werden von ihren Vorurteilen und ihrem Aberglauben, von ihren Minderwertigkeitsgefühlen und Hemmungen, von ihrem Fanatismus, von ihrem Fatalismus, von ihrer ängstlichen Verständnislosigkeit gegenüber der Welt, in der sie leben, von ihrem Misstrauen und ihrer Passivität.
Die Aufgabe der Erziehung dieser unserer Brüder besteht nicht einfach darin, sie in die sie umgebenden kulturellen Strukturen – die ebenfalls bedrückend sein können – einzugliedern, sondern in etwas viel Tieferem. Sie besteht darin, sie zu befähigen, sich selbst als Schöpfer ihres eigenen Fortschrittes auf kreative und originäre Art eine kulturelle Welt zu entwickeln, die im Einklang steht mit ihrem eigenen Reichtum und die Frucht ihrer eigenen Bemühungen sein soll. Besonders wenn es sich um die Eingeborenen handelt, müssen die eigenen Werte ihrer Kultur respektiert werden, ohne den schöpferischen Dialog mit anderen Kulturen auszuschließen.
4. Die formale oder systematische Erziehung dehnt sich immer mehr auf die lateinamerikanischen Kinder und Jugendlichen aus, obwohl ein großer Teil von ihnen noch außerhalb der schulischen Systeme bleibt. Qualitativ ist diese Erziehung weit davon entfernt, das zu sein, was unsere Entwicklung fordert, wenn wir in die Zukunft schauen.
Ohne die Unterschiede zu vergessen, die im Hinblick auf die Erziehungssysteme zwischen den verschiedenen Ländern des Kontinents existieren, erscheint uns der programmatische Inhalt, allgemein gesehen, zu abstrakt und formalistisch. Die Unterrichtsmethoden bemühen sich mehr um die Vermittlung von Kenntnissen als - neben anderen Werten – um die Schaffung eines kritischen Geistes. Vom sozialen Gesichtspunkt aus gesehen sind die Erziehungssysteme mehr auf die Erhaltung der herrschenden sozialen und wirtschaftlichen Strukturen ausgerichtet als auf ihren Wandel. Es handelt sich um eine uniforme Erziehung, in einer Zeit, in der die lateinamerikanische Gemeinschaft den Reichtum ihrer menschlichen Pluralität geweckt hat. Sie ist passiv in einer Zeit, in der für unsere Völker die Stunde gekommen ist, ihr an Originalität überreiches eigenes Sein zu entdecken. Sie ist darauf ausgerichtet, eine Wirtschaft zu stützen, die auf der Begierde des „Mehrhabens“ begründet ist, in einer Zeit, in der die lateinamerikanische Jugend das „Mehrsein“ fordert in der Freude ihrer Selbstverwirklichung durch Dienst und Liebe.
Besonders die mittlere und höhere Berufsausbildung opfert häufig die menschliche Tiefe dem Pragmatismus und dem Unmittelbaren, um sich an die Forderungen der Arbeitsmärkte anzupassen. Eine solche Erziehung ist verantwortlich dafür, dass die Menschen in den Dienst der Wirtschaft gestellt werden und nicht die Wirtschaft in den Dienst der Menschen.
5. Gegenwärtig tritt auch eine neue Besorgnis von wachsender Bedeutung für die außerschulische Erziehung hinzu: die sozialen Kommunikationsmittel, die Jugendbewegungen und alles, was zur Schaffung einer gewissen Volkskultur und zum immer stärker werdenden Wunsch nach Wandel beiträgt.
6. Die Demokratisierung des Erziehungswesens ist ein Ideal, das noch weit davon entfernt ist, sich auf allen Ebenen zu verwirklichen, besonders im Universitätsbereich, denn unsere Universitäten haben die lateinamerikanischen Besonderheiten nicht genügend beachtet, indem sie häufig Modelle entwickelter Länder übernahmen; und sie haben nicht ausreichend auf die eigenen Probleme unseres Kontinents Antwort gegeben. Die Universität hat weitgehend am traditionellen Studium festgehalten, fast ohne Studiengänge von mittlerer Dauer, die unserer sozioökonomischen Situation angepaßt sind. Sie ist nicht immer und überall genügend offen gewesen, weder für die Forschung noch für den interdisziplinären Dialog, der unerläßlich für den kulturellen Fortschritt und die integrale Entwicklung der Gesellschaft ist.
Vor allem bezüglich der katholischen Universität weisen wir auf einen Mangel in der Wiederherstellung des Dialogs zwischen der Theologie und den verschiedenen wissenschaftlichen Fächern hin. Einen Dialog, der die angemessene Autonomie der Wissenschaften respektiert und das Licht des Evangeliums für die Orientierung der menschlichen Werte auf Christus hin beiträgt.
7. Mit einem Wort: Die lateinamerikanische Erziehung ist aufgerufen, für unseren Kontinent eine Antwort auf die Herausforderung der Gegenwart und der Zukunft zu geben. Nur so wird sie fähig sein, unsere Menschen von den kulturellen, sozialen, wirtschaftlichen und politischen Knechtschaften zu befreien, die sich unserer Entwicklung entgegenstellen. Wenn wir dies sagen, verlieren wir nicht die übernatürliche Dimension aus dem Blick, die sich derselben Entwicklung, die die Fülle des christlichen Lebens ermöglicht, verschreibt.
II. MENSCHLICHE UND CHRISTLICHE BEDEUTUNG DER ERZIEHUNG
Die „befreiende Erziehung“ als Antwort auf unsere Bedürfnisse
8. Unsere Überlegungen über diesen „Problemkreis“ führen dazu, eine Sicht der Erziehung vorzuschlagen, die der von uns verfochtenen ganzheitlichen Entwicklung für unseren Kontinent mehr entspricht; wir könnten sie die „befreiende Erziehung“ nennen, d. h., die den zu Erziehenden zum Subjekt seiner eigenen Entwicklung wandelt. Die Erziehung ist tatsächlich der Schlüssel, um die Völker aus aller Knechtschaft zu befreien und sie „von weniger menschlichen zu menschlicheren Lebensbedingungen“<ref> Papst Paul VI.: Sozialenzyklika „Populorum progressio“, Nr. 20 </ref> aufsteigen zu lassen, wobei berücksichtigt wird, dass der Mensch „für seinen Erfolg oder sein Versagen verantwortlich ist“.<ref> s 1 Nr.15 </ref>
Deshalb muss die Erziehung auf allen Ebenen schöpferisch werden, denn sie muss den neuen Gesellschaftstyp vorwegnehmen, den wir in Lateinamerika suchen. Sie muss ihre Bemühungen auf die Personalisierung der neuen Generation gründen, indem sie deren Bewusstsein von ihrer menschlichen Würde vertieft, ihre freie Selbstbestimmung begünstigt und ihren Gemeinschaftssinn fördert.
Sie muss offen sein für den Dialog, um an jenen Werten reicher zu werden, die die Jugend für die Zukunft als gültig erkennt und entdeckt, und so das Verständnis der Jugendlichen unter sich und mit den Erwachsenen fördern. Das wird die Jugendlichen befähigen, sich „das Beste des Vorbildes und der Lehren ihrer Eltern und Lehrer zunutze zu machen und die Gesellschaft von morgen zu bilden“.<ref> Botschaft des Konzils an die Jugend, 8. Dezember 1965 </ref>
Die Erziehung muss außerdem mit aufrichtiger Wertschätzung die lokalen und nationalen Besonderheiten bejahen und sie in die pluralistische Einheit des Kontinents und der Welt integrieren. Sie muss schließlich die neuen Generationen für den fortwährenden und organischen Wandel, den die Entwicklung mit sich bringt, befähigen.
Dies ist die befreiende Erziehung, die Lateinamerika braucht, um sich von den ungerechten Knechtschaften zu befreien, vor allem von unserem eigenen Egoismus. Dies ist die Erziehung, die unsere ganzheitliche Entwicklung verlangt.
Die befreiende Erziehung und die Aufgabe der Kirche
9. Weil jede Befreiung schon eine Vorwegnahme der vollkommenen Erlösung durch Christus ist, fühlt sich die lateinamerikanische Kirche mit allen erzieherischen Anstrengungen, die auf die Befreiung unserer Völker abzielen, besonders solidarisch.<ref> Jes 58, 6 und 61, 1 </ref> Der österliche Christus, „Bild des unsichtbaren Gottes“,<ref> Kol 1, 15 </ref> ist das Ziel, das die Vorsehung Gottes der menschlichen Entwicklung setzt, damit „wir alle zum Vollmaß der Gestalt gelangen“.<ref> Eph 4, 13 </ref>
Darum bringt alles „Wachsen im Menschsein“<ref> s. 1 Nr. 15,16 und 18 </ref> uns näher zur „Teilhabe an der Bildgestalt seines Sohnes, auf dass er Erstgeborener sei unter vielen Brüdern“.<ref> Röm 8, 29 </ref> Die Kirche muss im Hinblick auf ihren spezifischen Auftrag die christliche Erziehung fördern und vermitteln, auf die alle Getauften ein Anrecht haben, damit sie zur Reife ihres Glaubens gelangen. Als Dienerin aller Menschen versucht die Kirche, durch ihre Mitglieder, besonders durch die Laien, in den Aufgaben der kulturellen menschlichen Entwicklung mitzuarbeiten, in allen Formen, die für die Gesellschaft wichtig sind. Bei der Ausübung dieses Rechtes und Dienstes zusammen mit den übrigen verantwortlichen Stellen darf die erzieherische Arbeit der Kirche nicht von Diskriminierungen, gleich welcher Art, behindert werden.
Dies ist die ermutigende Sicht der Erziehung in Lateinamerika, die die Kirche heute aufzeigt. Sie, d. h. alle Christen, werden ihre Kräfte mit Demut, Selbstlosigkeit und dem Wunsch zu dienen in der Aufgabe vereinen, die neue Erziehung zu schaffen, die unsere Völker in diesem Erwachen einer neuen Welt fordern.
Ill. PASTORALE LEITLINIEN Allgemeine Richtlinien
Die Zweite Generalversammlung des Lateinamerikanischen Episkopates empfiehlt einige Kriterien und Leitlinien, die sie für grundlegend hält.
10. In Anerkennung der besonderen Bedeutung der systematischen Erziehung durch Schulen oder Kollegien für den Fortschritt des Menschen erscheint es gegeben, die Erziehung nicht mit jedwedem der konkreten Instrumente zu identifizieren.
Innerhalb des modernen Erziehungskonzeptes ist diese Bedeutung sehr groß, denn die Erziehung ist die beste Garantie der persönlichen Entwicklung und des sozialen Fortschritts, da sie ja, wenn sie richtig gesteuert wird, nicht nur die Initiatoren der Entwicklung schult, sondern auch am besten die Früchte dieser Entwicklung verteilt, die in den kulturellen Errungenschaften der Menschheit bestehen. So stellt sich die Erziehung als das nutzbringendste Element der Nation dar.
11. Dieses Konzept übersteigt die bloße Einrichtung von Lehrzentren und richtet seine apostolische Dynamik auf andere Gebiete, die dringend die Präsenz und das Engagement der Kirche erfordern. Deshalb richtet diese Bischofskonferenz einen Appell an die Verantwortlichen der Erziehung, damit sie allen Menschen in Bezug auf den vollentwickelten Besitz ihres eigenen Talents und ihrer eigenen Persönlichkeit Bildungsmöglichkeiten anbieten, damit sie durch diese Werte aus sich selbst heraus ihre Integration in die Gesellschaft, mit voller sozialer, wirtschaftlicher, kultureller, politischer und religiöser Teilnahme erreichen. Weiterhin ermahnt sie die Erziehungsträger zur Erfüllung ihrer Pflichten und Wahrung ihrer Rechte. Die Kirche verpflichtet sich ihrerseits aufgrund ihres Dienstauftrages, alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel zu gebrauchen.
12. Sie wendet sich an erster Stelle an die Eltern, „die ersten und bevorzugten Erzieher“.<ref> II. Vat. Konzil, Erklärung über die christliche Erziehung „Gravissimum educationis“, Nr. 3 </ref> Sie dürfen nicht am Rande des Erziehungsprozesses bleiben. Es ist dringend notwendig, ihnen zu helfen, sich ihrer Pflichten und Rechte bewusst zu werden und ihnen die direkte Teilnahme an den Aktivitäten und sogar an der Organisation der Lehrzentren durch die „Elternvereinigungen“ zu erleichtern. Diese müssen auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene gegründet bzw. gefördert werden, soweit sie bereits bestehen.
13. In Bezug auf die zu Erziehenden drängt die Kirche darauf, dass deren Problematik berücksichtigt wird. Die Jugend will im Zusammenhang mit ihrer eigenen Bildung gehört werden. Man darf nicht vergessen, dass der Schüler seine Selbstvervollkommnung anstrebt, und deshalb müssen ihm die Werte aufgezeigt werden, damit er bereit ist, sie persönlich anzunehmen. Die Selbsterziehung, die klug angelegt sein muss, ist ein unerläßliches Erfordernis, um die wahre Gemeinschaft der Schüler zu erreichen.
14. In Bezug auf die Erzieher muss man vor allem ihre entscheidende Aufgabe in der Umgestaltung der Gesellschaft werten und zu einer bewussten und mutigen Entscheidung bei der Ausbildung, Auswahl und Förderung der Lehrer kommen. Bei der Auswahl und Förderung wird man besonders auf die menschlichen Begabungen der Persönlichkeit und auf die sich ständig weiterentwickelnde Diensthaltung Nachdruck legen müssen. Für die Ausbildung muss die lateinamerikanische Kirche konfessionelle und nichtkonfessionelle Institute der Lehrerbildung unterstützen.
Die Kirche muss außerdem dafür arbeiten, dass man die Lehrer mit allen sozialen Leistungen in angemessener Weise entlohnt, und sie muss in deren gerechten Forderungen mit ihnen zusammenarbeiten.
15. Innerhalb der Erziehungsgemeinschaft nehmen heute die Jugendgruppen einen bevorzugten Platz ein. Sie überbrücken die wachsende Distanz zwischen der Welt der Erwachsenen und der der Jugendlichen. Deshalb empfiehlt diese Bischofskonferenz die Bildung von Jugendbewegungen, die in Übereinstimmung mit ihren eigenen Interessen und einer genügenden, allmählichen und immer stärkeren Führung durch die Jugendlichen selbst alle möglichen Tätigkeiten verwirklichen. Darüber hinaus soll denjenigen, die sich aufgrund ihrer menschlichen Qualitäten zu Leitern bilden könnten, die Möglichkeit dazu gegeben werden.
16. Die Kirche wird sich der großen Bedeutung der Grunderziehung bewusst. Mit Rücksicht auf die große Zahl der Analphabeten und Marginalgruppen in Lateinamerika engagiert sich die Kirche – ohne Opfer zu scheuen – in der Grunderziehung, die nicht nur auf die Alphabetisierung abzielt, sondern auch darauf, den Menschen zu befähigen, um ihn in einen bewussten Träger seiner ganzheitlichen Entwicklung zu wandeln.
Die Schule
17. Die im Dienste der Menschheit stehende Kirche hat sich im Laufe der Geschichte nicht nur um die katechetische, sondern auch um die ganzheitliche Erziehung des Menschen bemüht. Die Zweite Generalversammlung des Lateinamerikanischen Episkopates bekräftigt diese Diensthaltung und wird sich durch ihre Bildungsstätten, denen sie volle Gültigkeit zuerkennt, weiterhin bemühen, dieses Werk in einer den historischen Veränderungen angepaßten Weise fortzusetzen. Ebenso ermutigt sie die katholischen Erzieher und die Lehrorden, unermüdlich in ihrem aufopfernden apostolischen Dienst fortzufahren und ermahnt zu dessen Erneuerung und Aktualisierung innerhalb der vom Konzil und dieser Konferenz aufgestellten Leitlinien.
Danach empfiehlt sie den Erwerb der entsprechenden Lehrbefähigung für die Ausübung ihrer erzieherischen Tätigkeit.
18. Man sollte sich bemühen, die Empfehlung des Konzils für eine tatsächliche Demokratisierung der katholischen Schule anzuwenden, so dass alle sozialen Sektoren ohne Diskriminierung Zutritt zu ihr haben und durch sie ein echtes soziales Bewusstsein erhalten, das ihr Leben prägt.
19. Die katholische Schule soll:
a) eine wirkliche Gemeinschaft sein, gebildet aus allen Elementen, die an ihr Anteil haben;
b) sich in die lokale Gemeinschaft integrieren und der nationalen wie der lateinamerikanischen Gemeinschaft gegenüber offen sein;
c) dynamisch und lebendig innerhalb einer angemessenen und aufrichtigen Erneuerungsbemühung sein;
d) dem ökumenischen Dialog gegenüber offen sein;
e) über die Schule zur Gemeinschaft gelangen, indem sie die Schule selbst zu einem kulturellen, sozialen und geistigen Zentrum der Gemeinschaft umgestaltet; über die Kinder die Eltern und die Familien erreichen; über die schulische Erziehung zu den übrigen Bildungsmöglichkeiten gelangen.
20. Um eine aufgeschlossene und demokratische katholische Schule zu erreichen, unterstützt diese Bischofskonferenz das Recht der Eltern und Schüler, ihre eigene Schule auszuwählen und die entsprechenden wirtschaftlichen Mittel innerhalb der Erfordernisse des Gemeinwohls zu erhalten.
Die katholische Universität
21. Die Zweite Generalversammlung des Lateinamerikanischen Episkopates erinnert die katholischen Universitäten daran, dass sie vor allem Universitäten sein müssen, d. h. der Forschung und Lehre gewidmete akademische Stätten, in denen die Suche nach der Wahrheit eine gemeinsame Aufgabe der Professoren und Studenten sein soll und auf diese Weise die Kultur in ihren verschiedenen Erscheinungsformen geschaffen wird.
Um dieses aufgezeigte Ziel zu erreichen, müssen die katholischen Universitäten den Dialog der Geisteswissenschaften unter sich einerseits und mit dem theologischen Wissen andererseits herstellen, in enger Verbindung mit den tiefsten Forderungen des Menschen und der Gesellschaft, wobei die spezifische Methode jeder Disziplin respektiert werden muss.
Dafür muss die theologische Lehre in allen Sektoren der Universität harmonisch integriert sein. Man sollte sich zu diesem Zweck um eine eigene Theologische Fakultät bemühen oder zumindest um ein Höheres Institut der theologischen Bildung.<ref> II. Vat. Konzil, Pastorale Konstitution über die Kirche in der Welt von heute „Gaudium et spes“, Nr. 62 </ref>
22. In Übereinstimmung mit dem II. Vatikanischen Konzil müssen sich die katholischen Universitäten darum bemühen, ihre Professoren, Studenten und Graduierten aktiv in die Universitätsgemeinschaft zu integrieren und ihre jeweilige Verantwortung und Teilnahme am Leben und an den Arbeiten der Universität in dem Maße anzuregen, in dem die konkreten Umstände es ratsam erscheinen lassen.
23. Die Universität muss in das nationale Leben integriert sein und mit schöpferischem Geist und Mut auf die Anforderungen des eigenen Landes Antwort geben. Sie muss die wirklichen Bedürfnisse erspüren, um danach ihre Fakultäten und Institute zu schaffen und um mittlere Studiengänge technischer Ausbildung im Hinblick auf die Entwicklung der Gemeinschaft, der Nation und des Kontinents einzurichten.
24. Für die ständige Erneuerung der Aufgaben der Universität ist es wichtig, eine permanente Überprüfung der Methoden und Strukturen unserer Universitäten durchzuführen.
Die Bildungsplanung
25. Aufgrund der gegenwärtigen Komplexität der Erziehungsprobleme in den lateinamerikanischen Ländern darf sich die Pastoral der Erziehung nicht als eine Reihe von zusammenhanglosen Tätigkeiten und Normen verstehen, sondern als Ergebnis einer wirklichen, ständig erneuerten Planung, die sich aus folgenden Elementen zusammensetzt:
a) Feststellung der dringendsten Anliegen der „Pastoral de conjunto“;
b) Erarbeitung von Erziehungszielen, in denen Schwerpunkte festgelegt werden; c) Bestandsaufnahme und Zuweisung des verfügbaren Personals;
d) Bestandsaufnahme der institutionellen, finanziellen und sonstigen Instrumente und Mittel;
e) Ausarbeitung der Stufen des Planes.
26. In den Angelegenheiten der Pastoral der Erziehung sollte man sich unter Respektierung von Personen und Gruppen schrittweise um eine angemessene Verbindung zwischen den bischöflichen Erziehungsorganen und den entsprechenden Organen der Ordenskonferenzen und der „Verbände der katholischen Kollegien“ bemühen.
27. Es kommt den Christen zu, in allen möglichen Initiativen auf dem Gebiet der Erziehung und der Kultur präsent zu sein und auf sie einzuwirken, damit alle vom göttlichen Heilsplan der Erlösung erfasst werden.
28. Um eine große Zahl der Schüler nichtkatholischer Universitäten und Schulen zu betreuen, wird es notwendig sein, Arbeitsgruppen von Priestern, Ordensleuten und Laienerziehern zu bilden, die die apostolischen Aufgaben in diesen Institutionen übernehmen.
29. Die Haltung der Kirche auf dem Gebiet der Erziehung darf nicht die sein, konfessionelle und nichtkonfessionelle Schulen sowie die Privatschule und die staatliche Schule gegeneinander auszuspielen. Sie soll vielmehr für die offene und freimütige Zusammenarbeit zwischen Schule und Schule, zwischen Universität und Universität, zwischen den Schulen und den außerschulischen Bildungs- und Erziehungsinitiativen, zwischen den Erziehungsplänen der Kirche und denen des Staates, „für jene Zusammenarbeit, die das Wohl der gesamten menschlichen Gesellschaft erfordert“,<ref> s. 9 Nr. 12 </ref> eintreten. Diese Koordinierung ist keine Gefahr für den konfessionellen Charakter der katholischen Schule. Sie ist vielmehr deren nachkonziliare Pflicht, gemäß dem neuen Konzept der Präsenz der Kirche in der Welt von heute. Alle diese Hinweise bezüglich der Zusammenarbeit sind auf ganz besondere Weise dringend für den Universitätsbereich.<ref> s. 9 Nr. 12 </ref>
30. Die Kirche soll sich vorzugsweise um die Verbesserung der bestehenden katholischen Universitäten bemühen, bevor sie die Schaffung neuer Institutionen fördert.
31. Ferner soll eine tatsächliche Zusammenarbeit zwischen den Erziehungsinstitutionen der Kirche und den nationalen und internationalen, mit der Erziehung befassten Organen gesucht werden.
5. JUGEND
I. SITUATION DER JUGEND
1. Die Jugend, ein Thema „würdig des höchsten Interesses und von größter Aktualität“,<ref> Papst Paul VI.: Eröffnungsansprache der Zweiten Generalversammlung des Lateinamerikanischen Episkopates, Bogota, 24. August 1968 </ref> stellt heute nicht nur die zahlenmäßig größte Gruppe der lateinamerikanischen Gesellschaft dar, sondern auch ein große, neue und drängende Kraft.
Sie präsentiert sich in weiten Teilen des Kontinents als neue soziale Gruppe (mit der Gefahr der Benachteiligung im Hinblick auf die anderen sozialen Gruppen), als Träger ihrer eigenen Ideen und Werte und ihrer eigenen inneren Dynamik. Sie versucht, aktiv teilzunehmen, indem sie neue Verantwortungen und Funktionen innerhalb der lateinamerikanischen Gesellschaft übernimmt.
Die Unmöglichkeit, am Leben der Gesellschaft teilzunehmen, provoziert in ihr häufig eine gewisse erzwungene Marginalität.
2. Sie lebt in einer Zeit der Krisen und Wandlungen, die Ursache von Konflikten zwischen den verschiedenen Generationen sind;<ref> Papst Paul VI.: Sozialenzyklika „Populorum progressio“, Nr. 10 </ref> Konflikte, die sowohl von den Jugendlichen als auch von den Erwachsenen ein aufrichtiges Bemühen um Verständnis und Dialog erfordern. Es handelt sich um eine Krise, die alle Lebensbereiche umfasst und zugleich einen Läuterungseffekt hervorruft, aber auch häufig die Ablehnung großer Werte einschließt.
3. Während ein Teil der Jugendlichen passiv die bürgerlichen Formen der Gesellschaft akzeptiert (indem er sich manchmal von religiöser Indifferenz leiten läßt), verwirft ein anderer Teil mit deutlicher Radikalität die Welt, die ihre Vorfahren aufgebaut haben, indem er deren Lebensstil fehlende Echtheit nachsagt. Er verwirft in gleicher Weise eine Konsumgesellschaft, die den Menschen vermasst und entmenschlicht. Diese Unzufriedenheit wächst mehr und mehr.
Die Jugend, besonders empfänglich für die sozialen Probleme, verlangt tiefgreifende und schnelle Wandlungen, die eine gerechtere Gesellschaft garantieren. Sie fühlt sich häufig versucht, diese Forderungen durch die Gewalt auszudrücken.<ref> s.1 Nr. 30 </ref> Es ist eine feststellbare Tatsache, dass der übergroße Idealismus der Jugendlichen sie leicht der Aktivität von Gruppen verschiedener extremistischer Tendenzen aussetzt.<ref> s. 2 Nr. 11 </ref>
4. Die Jugendlichen sind für die positiven Werte des Säkularisierungsprozesses aufgeschlossener als die Erwachsenen. Sie bemühen sich, eine gemeinschaftlichere Welt aufzubauen, die sie vielleicht mit größerer Klarheit erahnen als die Älteren. Sie sind einer pluralistischen Gesellschaft und einer universaleren Dimension der Brüderlichkeit gegenüber offen.
Ihre religiöse Haltung ist durch die Zurückweisung eines verzerrten Gottesbildes, das ihnen manchmal vorgestellt wurde, und durch die Suche nach den echten Werten des Evangeliums gekennzeichnet.
5. Die Jugendlichen identifizieren häufig die Kirche mit den Bischöfen und den Priestern. Da sie nicht zu einer vollen Teilnahme an der kirchlichen Gemeinschaft aufgerufen wurden, fühlen sie sich selbst nicht als Kirche. Die gebräuchliche Sprache der Verkündigung (Predigten, Hirtenschreiben) erscheint ihnen oft fremd und hat aus diesem Grund keine größere Auswirkung auf ihr Leben. Sie erwarten von den Hirten nicht nur, dass sie doktrinäre Prinzipien verbreiten, sondern auch, dass sie diese durch Haltungen und konkrete Verwirklichungen bestätigen. Es gibt Jugendliche, die ihre Anhänglichkeit an ihre Hirten davon abhängig machen, ob deren Haltung mit der sozialen Dimension des Evangeliums übereinstimmt. „Die Welt“, sagt Papst Paul VI., „beobachtet uns heute in besonderer Weise in Bezug auf die Armut, auf die Einfachheit des Lebens ...“.<ref> s. 1 </ref>
6. Die Neigung, sich in Jugendgruppen oder Jugendgemeinschaften zusammenzufinden, zeigt sich immer stärker in der Dynamik der lateinamerikanischen Jugendbewegungen. Die Jugendlichen weisen die zu stark institutionalisierten Organisationen, die starren Strukturen und die Formen der Massenbewegungen zurück. Die erwähnten Jugendgemeinschaften sind im allgemeinen dadurch gekennzeichnet, dass sie natürliche Gruppen (a „medida humana“) sind, die im Hinblick auf ein christliches Engagement in der Umwelt über das Evangelium nachdenken und Lebensbetrachtung halten.
7. Ohne die Bedeutung der Massenaktionen unter den Jugendlichen zu verkennen, erschwert der übermäßige Wert, den die Hierarchie ihren Resultaten (deren Bedeutung vor allem zahlenmäßig ist) manchmal beimisst, die Arbeit jener erzieherischen und apostolischen Bewegungen, die Sauerteig sein wollen und sich um Ausstrahlung bemühen.
8. Die Jugendbewegungen erwarten von der Hierarchie der Kirche größere moralische Unterstützung, wenn sie sich in der konkreten Anwendung der von den Hirten verkündeten Prinzipien der Soziallehre engagieren.
9. Wir fassen zusammen: Die Jugend bringt zweifellos eine Sammlung von Werten ein, ungeachtet dessen, dass diese von negativen Aspekten begleitet sind. An erster Stelle kann eine Tendenz zur Personalisierung, zum Selbstbewusstsein und zur Kreativität genannt werden, die sie auf der anderen Seite dazu führt, die Werte der Tradition zu verwerfen. Die Jugend besitzt einen übergroßen Idealismus, der sie dazu bringt, unleugbare Realitäten, die anerkannt werden müßten, zu verkennen, und der sie zur Annahme eines radikalen Nonkonformismus führt, dessen charakteristische Erscheinungsformen man in fast allen Ländern findet und der sie antreibt, unter absoluter Nichtbeachtung des Vergangenen alles von neuem aufbauen zu wollen.
Charakteristisch für die Jugend ist auch die Spontaneität, die sie zu einer nicht immer gerechtfertigten Geringschätzung der institutionalisierten Formen, der Normen, der Autorität und des Formalismus führt.
Schließlich bietet sie eine Fülle von Werten auf dem Gebiet der kommunitären Beziehung an, zum Beispiel gewisse Formen der Verantwortung, einen Willen zur Echtheit und Aufrichtigkeit, eine Akzeptierung der anderen, so wie sie sind, und eine freimütige Anerkennung des pluralistischen Charakters der Gesellschaft. Diese kommunitäre Tendenz bringt sie andererseits in Gefahr, sich in kleinen aggressiven Gruppen abzukapseln.
II. GRUNDKRITERIEN FÜR EINE PASTORALE ORIENTIERUNG
10. Bevor wir dazu übergehen, konkrete Haltungen zu erwägen, die im Hinblick auf die Jugend angenommen werden sollten, erscheint es angebracht, die allgemeine Sicht zu skizzieren, die die Kirche von der Jugend hat.
Die Kirche sieht in der Jugend die ständige Erneuerung des Lebens der Menschheit und entdeckt in ihr ein Zeichen ihrer selbst: „Die Kirche ist die wahrhaftige Jugend der Welt“.<ref> Papst Paul VI.: Botschaft des Konzils an die Jugend, 8. Dezember 1965 </ref>
11. In der Tat erblickt sie in der Jugend den erneuerten Anfang und die Dauerhaftigkeit des Lebens bzw. eine Form der Überwindung des Todes. Das hat nicht nur einen biologischen, sondern auch einen sozio-kulturellen, psychologischen und geistigen Sinn.
Tatsächlich ist die Jugend angesichts der Kulturen, die Spuren von Alter und Verfall aufweisen, aufgerufen, zu einer Neubelebung beizutragen, einen „Glauben im Leben“<ref> s. 6 </ref> aufrechtzuerhalten und ihre „Fähigkeit, sich mit dem Beginnenden zu erfreuen“,<ref> s. 6 </ref> zu bewahren. Sie hat die Aufgabe, immer wieder den „Sinn des Lebens“<ref> s. 6 </ref> einzubringen. Die Kulturen und den Geist erneuern bedeutet, neue Motivierungen der Existenz einzubringen und sie lebendig zu erhalten. Die Jugend ist folglich aufgerufen, wie eine immerwährende „Reaktualisierung des Lebens zu sein“.
12. In der so verstandenen Jugend entdeckt auch die Kirche ein Zeichen ihrer selbst.
Ein Zeichen ihres Glaubens, denn der Glaube ist die eschatologische Interpretation der Existenz, seine österliche Bedeutung, und deshalb die „Neuheit“, die das Evangelium einschließt. Der Glaube, Verheißung der neuen Sinngebung der Dinge, ist die Erneuerung und Verjüngung der Menschheit. Aus dieser Sicht heraus lädt die Kirche die Jugendlichen ein, „sich in die Klarheiten des Glaubens zu vertiefen“<ref> s. 6 </ref> und auf diese Weise den Glauben in die Welt zu tragen, um die geistigen Formen des Todes zu besiegen, das heißt „die Philosophien des Egoismus, der Lust, der Verzweiflung und des Nichts“,<ref> s. 6 </ref> Philosophien, die veraltete und hinfällige Formen in die Kultur einführen.
Die Jugend ist ein Symbol der Kirche, aufgerufen zu einer ständigen Erneuerung ihrer selbst bzw. zu einer unablässigen Verjüngung.<ref> Papst Johannes XXIII.: Apostolische Konstitution „Humanae salutis“ </ref>
III. PASTORALE EMPFEHLUNGEN
13. Indem die Kirche eine offene einladende Haltung gegenüber der Jugend einnimmt, muss sie die positiven und negativen Aspekte unterscheiden, die die Jugend gegenwärtig zeigt.
Einerseits will die Kirche aufmerksam die Haltungen der Jugendlichen, die Äußerung der Zeichen der Zeit sind, untersuchen: Die Jugend äußert Werte, die die verschiedenen Epochen der Geschichte erneuern; die Kirche will sie mit Freuden in ihren Schoß und in ihre Strukturen aufnehmen und sie zu einer aktiven Teilnahme an den menschlichen und geistigen Aufgaben hin fördern.
Andererseits muss die Jugend, im Einklang mit dem Verlangen nach Aufrichtigkeit, das sie zeigt, zu einer konstanten Vertiefung ihrer Echtheit und zu einer Selbstkritik ihrer eigenen Unzulänglichkeiten aufgerufen werden, indem man ihr gleichzeitig die dauerhaften Werte aufzeigt, damit sie von ihr anerkannt werden. All das bringt den aufrichtigen Willen der Kirche zum Ausdruck, eine Haltung des Dialogs mit der Jugend anzunehmen. Da diese Zweite Generalversammung des Lateinamerikanischen Episkopates in der Jugend nicht nur ihre zahlenmäßige Stärke anerkennt, sondern auch ihre immer entscheidendere Rolle im Wandlungsprozess des Kontinents sowie auch ihre unersetzliche Rolle in der prophetischen Aufgabe der Kirche, formuliert sie innerhalb dieser pastoralen Leitlinie pastorale Empfehlungen, die sich auf die Jugend im allgemeinen und auf die Jugendbewegungen im besonderen beziehen.
Die Jugend im allgemeinen
14. Auf allen Ebenen, in den städtischen wie in den ländlichen Gebieten, soll im Rahmen der „Pastoral de conjunto“ eine echte Jugendpastoral entwickelt werden. Diese Pastoral muss auf die Glaubenserziehung der Jugendlichen abzielen und in der Weise von deren Leben ausgehen, dass sie den Jugendlichen ihre volle Beteiligung an der kirchlichen Gemeinschaft ermöglicht. So übernimmt die Jugend bewusst und christlich ihr zeitliches Engagement.
Eine solche Pastoral erfordert:
a) Die Notwendigkeit, eine organische Jugendpädagogik zu erarbeiten, durch die in den Jugendlichen eine solide humane und christliche Bildung und das Bemühen um die Formung einer echten Persönlichkeit angeregt werden; einer Persönlichkeit, die sie einerseits befähigt, sich mit klaren Kriterien und wirklicher Freiheit alle positiven Elemente der Einflüsse anzueignen, die sie durch die verschiedenen sozialen Kommunikationsmittel erreichen und die ihnen andererseits erlauben, dem Entpersonalisierungs- und Vermassungsprozess, der in besonderer Weise die Jugend bedroht, die Stirn zu bieten. Eine Pädagogik, die auch im Sinne (Wert und Relativität) des Institutionellen erziehen soll.
b) Die Notwendigkeit einer ständig zu aktualisierenden Kenntnis der sozio-religiösen Wirklichkeit der Jugend.
c) Die Notwendigkeit, Forschungs- und Studienzentren im Hinblick auf die Beteiligung der Jugend an der Lösung der Entwicklungsprobleme zu fördern.
d) Besonders von den Dienern der Kirche einen aufrichtigen und ständigen Dialog mit der Jugend, durch die Pastoralräte oder andere Formen des Dialogs, sowohl mit den organisierten Bewegungen als auch mit den nicht organisierten Sektoren.
15. Die Haltung des Dialogs schließt die Erfüllung der legitimen und dringenden pastoralen Forderungen der Jugend ein, in denen ein Anruf Gottes erkannt werden muss. Daher empfiehlt diese Bischofskonferenz:
a) dass sich in Lateinamerika immer leuchtender das Gesicht einer wirklich armen, missionarischen und österlichen Kirche zeige, losgelöst von aller zeitlichen Macht und mutig engagiert in der Befreiung des ganzen Menschen und aller Menschen;
b) dass die Predigt, die Hirtenschreiben und die Sprache der Kirche im allgemeinen einfach und aktuell seien, damit sie dem wirklichen Leben der Menschen unserer Zeit Rechnung tragen;
c) dass in der Kirche, auf allen Ebenen, die Autorität im Sinne von Dienst und befreit von Autoritarismus gelebt werde.
16. Man muss dafür sorgen, dass in allen Erziehungszentren der Kirche und in allen anderen Zentren, in denen sie ihre Präsenz verwirklichen muss, die Jugendlichen durch eine echte Berufungsorientierung (die die verschiedenen Lebensstadien beachten muss) dazu befähigt werden, ihre soziale Verantwortung als Christen im lateinamerikanischen Wandlungsprozess zu übernehmen.
Die Jugendbewegungen
17. Ganz besonders soll die Bedeutung der katholischen Jugendorganisationen und - bewegungen, speziell die nationaler und internationaler Art, in Betracht gezogen werden. Den Laienführern soll mehr Vertrauen geschenkt, und die Eigenständigkeit der Laienbewegungen soll anerkannt werden.
Die Laienbewegungen sollen bei der Erarbeitung der Jugendpastoral auf diözesaner, nationaler und kontinentaler Ebene konsultiert werden.
Ihre evangelisierende Tätigkeit in der Umwandlung der Personen und der Strukturen soll ermutigt werden.
Ihre Bemühungen um die Ausbildung von Leitern der Gemeinschaft sollen unterstützt werden.
Zur besseren Betreuung der Jugendbewegungen sollen die Priester sinnvoller verteilt werden. Die Ausbildung der Jugendberater (Priester, Ordensleute und Laien) soll die Bedeutung erhalten, wie sie einem Kontinent, in dem die Mehrheit Jugendliche sind, entspricht.
18. Auf allen Ebenen sollen die Versammlungen, der Austausch und das gemeinsame Handeln der katholischen Jugendbewegungen und -organisationen mit anderen Institutionen der Jugend gefördert werden.
19. Die Initiativen ökumenischen Charakters zwischen den Gruppen und Organisationen der Jugend sollen gemäß den Leitlinien der Kirche ermutigt werden.
20. Die Möglichkeit und Zweckmäßigkeit der Mitarbeit von Laien und auch von Jugendlichen als Berater in den verschiedenen Abteilungen des CELAM (Lateinamerikanischer Bischofsrat) soll erwogen werden.
VERKÜNDIGUNG UND GLAUBENSWACHSTUM
6. VOLKSPASTORAL
I. DIE SITUATION
1. In der großen Masse der Getauften Lateinamerikas sind die Voraussetzungen für Glauben, religiöse Anschauungen und christliche Lebensformen sehr unterschiedlich. Und das nicht nur von Land zu Land, sondern auch innerhalb der Regionen eines Landes und innerhalb der verschiedenen sozialen Schichten. Es gibt ebenso halbheidnische Bevölkerungsgruppen wie große Teile der Landbevölkerung, die eine tiefe Religiosität bewahren und große Gruppen von Randsiedlern der Gesellschaft (marginados) mit religiösen Empfindungen, aber sehr schwacher christlicher Praxis.
Es gibt einen Prozess kultureller und religiöser Umwandlung. Die Evangelisierung des Kontinents stößt auf ernste Schwierigkeiten, die durch die Bevölkerungsexplosion, die Binnenwanderung, die sozio-kulturellen Veränderungen, den Mangel an Personen im Apostolat und die unzureichende Anpassung der kirchlichen Strukturen verschärft werden.
Bis jetzt wurde hauptsächlich eine Seelsorge des Bewahrens betrieben, die auf die Spendung der Sakramente Wert legte und weniger auf eine vorausgehende Evangelisierung. Diese Seelsorge war zweifellos zu einer Zeit angebracht, in der sich die sozialen Strukturen mit den religiösen Strukturen deckten, in der die Träger der Wertevermittlung (Familie, Schule u. a.) von christlichen Werten durchdrungen waren und in der sich der Glaube fast schon durch die Trägheit der Tradition selbst übertrug.
Heute jedoch verlangen die Umwälzungen des Kontinents eine Überprüfung dieser Seelsorge, damit sie sich an die kulturelle Verschiedenheit und Vielfalt des lateinamerikanischen Volkes anpaßt.
2. Der Ausdruck der heutigen Volksreligiosität ist Frucht einer Evangelisierung, wie sie seit der Eroberung betrieben wurde und die ganz bestimmte Charakteristiken aufweist. Es ist eine Religiosität der Gelübde und Versprechen, der Pilgerfahrten und zahllosen Frömmigkeitspraktiken. Sie ist begründet im Sakramentsempfang, besonders der Taufe und der ersten heiligen Kommunion, die mehr als gesellschaftliches Ereignis gelten und weniger echten Einfluß auf die Gestaltung des christlichen Lebens ausüben.
Im Ausdruck der Volksreligiosität findet man einen großen Schatz echt christlicher Tugenden, besonders in Bezug auf die Nächstenliebe, auch wenn sie im moralischen Verhalten Mängel aufweist. Die Teilnahme des Volkes am offiziellen Kultleben ist fast Null und seine Verbundenheit mit der Organisation der Kirche sehr gering.
Diese Religiosität von mehr kosmischem Charakter, in der Gott Antwort auf alles Unbekannte und alle Bedürfnisse des Menschen ist, kann in eine Krise kommen.
Und in der Tat hat diese Krise nach den wissenschaftlichen Erkenntnissen der Welt von heute bereits begonnen.
3. Diese Religiosität stellt die Kirche vor die Entscheidung, Weltkirche zu bleiben oder sich in eine Sekte zu verwandeln, wenn sie nicht jene Menschen, die sich durch eine solche Religiosität artikulieren, in lebendiger Weise in sich aufnimmt. Weil sie Kirche und nicht Sekte ist, wird sie ihre Heilsbotschaft allen Menschen bringen müssen und dabei vielleicht das Risiko eingehen, dass nicht alle in gleicher Weise und Intensität die Botschaft annehmen.
Die Grade der Zugehörigkeit sind in der ganzen menschlichen Gesellschaft verschieden; die Treue und der Sinn für Solidarität drücken sich nicht immer auf dieselbe Weise aus. Tatsächlich erfassen die verschiedenen Personengruppen auf unterschiedliche Art die Ziele der Organisation und reagieren in anderer Weise auf die Werte und Normen, die die Gruppe bekennt.
Auf der anderen Seite zeigt die heutige Gesellschaft eine offenbar widersprüchliche Tendenz; eine Neigung zum Massenverhalten und gleichzeitig, wie eine Reaktion darauf, eine Tendenz zu kleinen Gemeinschaften, in denen sich die Menschen als Personen verwirklichen können.
Vom Gesichtspunkt des religiösen Lebens aus wissen wir, dass nicht alle Menschen die religiöse Botschaft in gleicher Weise annehmen und leben. Selbst im persönlichen Bereich durchlebt der Mensch verschiedene Etappen in seiner Antwort auf Gott, und im sozialen Bereich bekundet ein Teil der Menschen weder seine Religiosität noch seinen Glauben in eindeutiger Weise. Das Volk muss seinen Glauben in einfacher, emotionaler und gemeinschaftlicher Form ausdrücken können.
4. Bei der Beurteilung der Volksreligiosität können wir nicht von einer abendländischen Kulturvorstellung ausgehen, wie sie den mittleren und gehobenen sozialen Schichten großstädtischen Gepräges eigen ist, sondern von der Bedeutung dieser Religiosität im Zusammenhang mit der Subkultur der Randsiedler der Großstädte und Landgebiete.
Ihre Ausdrucksformen können verzerrt und in gewissem Maße vermischt sein mit einem uralten religiösen Erbgut, in dem die Tradition eine fast tyrannische Macht ausübt. Sie sind in Gefahr, leicht durch magische Praktiken und Aberglauben beeinflußt zu werden, die dem Göttlichen einen eher nutzbringenden Charakter verleihen und eine Furcht vor ihm offenbaren, die die Fürsprache von Wesen brauchen, die dem Menschen näherstehen, sowie plastischere und konkretere Ausdrucksformen. Diese religiösen Äußerungen können dennoch Stammeln einer echten Religiosität sein, ausgedrückt mit den verfügbaren kulturellen Mitteln.
Im religiösen Phänomen gibt es unterschiedliche Motivierungen, die, weil sie ihren Ursprung im Menschlichen haben, „gemischt“ sind und auf das Verlangen nach Sicherheit, Zusammenhalt und Ansehen einerseits sowie gleichzeitig auf die Notwendigkeit der Anbetung und des Dankes an das höchste Wesen Antwort geben können. Diese Motivierungen drücken sich in verschiedenen Symbolen aus. Der Glaube erreicht den Menschen immer eingehüllt in eine kulturbedingte Sprache, und deshalb können in der natürlichen Religiosität Keime eines göttlichen Anrufs enthalten sein.
Auf dem Weg zu Gott sieht sich der heutige Mensch verschiedenen Situationen gegenüber. Das verlangt von der Kirche einerseits eine Anpassung ihrer Botschaft und aus diesem Grunde verschiedene Ausdrucksformen bei deren Verkündigung. Andererseits verlangt es von jedem Menschen im Rahmen seiner Möglichkeiten eine persönlichere und gemeinschaftlichere Bejahung der Offenbarungsbotschaft.
II. THEOLOGISCHE PRINZIPIEN
5. Eine Volkspastoral kann sich auf die nachstehenden theologischen Kriterien stützen.
Der Glaube und folglich die Kirche, sät sich aus und wächst in der durch die Kulturen unterschiedlichen Religiosität der Völker. Dieser Glaube, obwohl unvollkommen, kann sich selbst in den untersten kulturellen Schichten finden. Es gehört gerade zum Evangelisierungsauftrag der Kirche, in dieser Religiosität die „verborgene Gegenwart Gottes“,<ref> II. Vat. Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche „Ad gentes“, Nr. 9 </ref> „das Licht der Wahrheit, das alle erleuchtet“,<ref> II. Vat. Konzil, Erklärung über das Verhältnis zu den nichtchristlichen Religionen „Nostra aetate“, Nr. 2 </ref> das Licht des Wortes Gottes, gegenwärtig schon vor der Menschwerdung oder der Verkündigung durch die Apostel, zu entdecken und diesen Samen fruchtbar zu machen.
Ohne das geknickte Schilfrohr zu brechen und ohne den glimmenden Docht auszulöschen,<ref> Mt 12,20 </ref> nimmt die Kirche mit Freude und Respekt die verschiedenen „religiösen und menschlichen Elemente“<ref> II. Vat. Konzil, Pastorale Konstitution über die Kirche in der Welt von heute „Gaudium et spes“, Nr. 92 </ref> auf, die sich in dieser Religiosität verborgen befinden wie „Saatkörner des Wortes Gottes“,<ref> s. 1 Nr. 11 </ref> die eine „Vorbereitung für die Frohbotschaft“<ref> II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche „Lumen gentium“, Nr. 16 </ref> sind oder sein können, läutert sie und gliedert sie in die Glaubensordnung ein.
6. Die Menschen hängen dem Glauben an und nehmen auf verschiedenen Ebenen am Leben der Kirche teil. Man kann nicht einfach hinter jeder religiösen, scheinbar christlichen Ausdrucksform die Existenz des Glaubens voraussetzen, Ebensowenig aber kann man jeglichem Ausdruck, der verfälschte oder zeitliche Elemente, ja sogar egoistische Motivierungen enthält, willkürlich den Charakter wahrhaftiger und gläubiger Anhänglichkeit und echten kirchlichen Mittuns absprechen. Tatsächlich sieht man den Glauben eben als Tun einer Menschheit auf der Pilgerfahrt in der Zeit, durchsetzt von der Unvollkommenheit gemischter Motivierungen.
7. Dem Glauben sind – noch in den Anfängen und schwach – eine Dynamik und ein Anspruch eigen, die ihn zur Überwindung seiner unechten Motivierungen führen, um sich auf andere, echtere, zu stützen. Es gehört demnach durch den Antrieb des Heiligen Geistes jene innere Dynamik zum Akt des Glaubens, durch die er fortwährend auf eine Vervollkommnung abzielt, indem sie ihn in einen Akt der Schenkung und vollständigen Selbsthingabe verwandelt.
8. Folglich ist die Kirche in Lateinamerika weit davon entfernt, bei dem Gedanken ruhig zu bleiben, dass das Volk in seiner Gesamtheit den Glauben schon besitzt und sich mit der Aufgabe zufriedenzugeben, den Glauben des Volkes auf seinem niedrigen, unzulänglichen und anfälligen Niveau zu bewahren. Sie nimmt sich deshalb vor und beginnt bereits, einer Leitlinie der pädagogischen Pastoral zu folgen, die:
a) eine ernsthafte Re-Evangelisierung der verschiedenen menschlichen Bereiche des Kontinents sichern soll;
b) eine ständige Wieder-Bekehrung unseres Volkes fördern soll sowie eine immer tiefgehendere und reifere Glaubenserziehung nach dem Grundsatz einer dynamischen Pastoral, die in Übereinstimmung mit der Natur des Glaubens das gläubige Volk zu einer doppelten Dimension, zur Persönlichkeitsentfaltung und zur Gemeinschaft anstoßen soll.
9. Nach dem göttlichen Willen sollen sich die Menschen nicht als einzelne heiligen und retten, sondern als Gemeinschaft.<ref> s. 6 Nr. 9 </ref> Diese Gemeinschaft ist in erster Linie durch die Verkündigung des Wortes des lebendigen Gottes zusammengerufen und geeint.<ref> II. Vat. Konzil, Dekret über Dienst und Leben der Priester „Presbyterorum ordinis“, Nr. 2 und 4 </ref> Dennoch, „wird keine christliche Gemeinde aufgebaut, wenn sie nicht Wurzel und Angelpunkt in der Feier der Eucharistie hat“,<ref> s. 8 Nr. 6 </ref> „aus der die Kirche immerfort lebt und wächst“.<ref> s. 6 Nr. 26 </ref>
III. PASTORALE EMPFEHLUNGEN
10. Es sollen ernsthafte und systematische Studien über die Volksreligiosität und ihre Ausdrucksformen durchgeführt werden, sei es in katholischen Universitäten, sei es in anderen Zentren sozio-religiöser Forschung.
11. Es soll eine angemessene liturgische und katechetische Pastoral studiert und realisiert werden, nicht nur der kleinen Gruppen, sondern der Gesamtheit des Gottesvolkes. Dabei soll von einer Untersuchung der eigenen Subkulturen, der Bedürfnisse und Erwartungen der Menschen ausgegangen werden.
12. Die volkstümlichen Ausdruckformen wie Pilgerfahrten, Wallfahrten und verschiedene Heiligenverehrungen sollen mit dem Wort des Evangeliums durchdrungen werden. Viele Formen der Heiligenverehrung möge man überprüfen, damit die Heiligen nicht nur als Fürsprecher angesehen werden, sondern auch als Vorbilder in der Nachfolge Christi. Die Heiligenverehrung und Sakramentalien sollten den Menschen nicht zu einer halbfatalistischen Hinnahme bringen, sondern ihn zum Mitschöpfer und Gestalter seines Schicksals zusammen mit Gott erziehen.
13. In den Pfarreien, besonders denen der ländlichen und städtischen Elendsviertel, sollte man sich um die Bildung einer größeren Zahl von kirchlichen Gemeinschaften bemühen, Gemeinschaften, die auf dem Wort Gottes basieren sollen und, wo es möglich ist, sich in der Feier der Eucharistie verwirklichen; immer in Gemeinschaft mit dem Bischof und in dessen Abhängigkeit.
Die Gemeinschaft wird sich in dem Maße bilden, in dem ihre Glieder einen Sinn der Zugehörigkeit (des „Wir“) haben werden, der sie dazu bringt, solidarisch in einer gemeinsamen Sendung zu sein, in dem Maße, in dem sie eine aktive, bewusste und fruchtbare Teilnahme am liturgischen und gemeinschaftlichen Leben erreichen. Dafür ist es notwendig, sie zum Leben als Gemeinschaft zu veranlassen und ihnen ein gemeinsames Ziel einzuprägen: das Erreichen der Erlösung durch das Leben des Glaubens und der Liebe.
14. Für die notwendige Formung dieser Gemeinschaften soll sobald wie möglich der permanente Diakonat eingeführt werden, und es sollten Ordensleute, besonders ausgebildete Katecheten sowie Laienapostel zu einer verstärkten Beteiligung aufgerufen werden.
15. Die Volkspastoral soll auf immer größere Anforderungen abzielen, um eine Personalisierung und ein gemeinschaftliches Leben auf pädagogische Art zu erreichen. Dabei sollen die verschiedenen Etappen auf dem Weg zu Gott respektiert werden. Ein Respekt, der nicht Hinnahme und Unbeweglichkeit bedeutet, sondern ständige Anforderung zu einem mehr nach dem Evangelium ausgerichteten Leben und zur erneuerten Bekehrung. Zu diesem Zweck sollen die notwendigen und zweckmäßigen Organismen geschaffen werden (nationale, diözesane und pfarrliche). Die Wichtigkeit der sozialen Kommunikationsmittel für eine angemessene Katechese soll betont werden. Schließlich sollen die Volksmissionen, besonders die der familiären Zentren und Wohnviertel angeregt werden, einen stärker nach den Anforderungen des Evangeliums ausgerichteten Lebenssinn zu vermitteln.
7. PASTORAL DER FÜHRUNGSSCHICHTEN
I. TATSACHEN
1. Führungsschichten sind, in diesem Zusammenhang allgemein gesehen: die fortschrittlicheren Führungsgruppen, die auf kulturellem, beruflichem, wirtschaftlichem und machtpolitischem Gebiet tonangebend sind. Speziell gesehen: die engagierten Minderheiten innerhalb der aufgezeigten Gruppen, die einen tatsächlichen oder potentiellen Einfluß auf die verschiedenen kulturellen, beruflichen, wirtschaftlichen, sozialen und politischen Entscheidungsbereiche ausüben.
2. Wir sind uns der Schwierigkeit bewusst, eine angemessene Klassifizierung vorzulegen. Trotzdem bezeichnen wir als Zugehörige zur Kulturelite: die Künstler, Gelehrten, Akademiker (Professoren und Studenten); als Zugehörige zur Berufselite: Ärzte, Anwälte, Erzieher (freie Berufe), Ingenieure, Agronomen, Planungstechniker, Sozialexperten, Techniker der sozialen Kommunikation (Technologen), Gewerkschaftsführer (Arbeiter und Bauern), Unternehmer, Kaufleute, Gutsbesitzer; als Zugehörige zur politischen und militärischen Machtelite: Politiker, Richter, Militärs.
3. Wenn man von dem Gesichtspunkt ausgeht, dass es sich im allgemeinen um ganz bestimmte, fest umrissene Personenkreise handelt, empfiehlt es sich, zunächst ihre Haltungen, Mentalitäten und Gruppierungen in Funktion des sozialen Wandels zu untersuchen, um später auch ihre Glaubensäußerungen, ihre kirchliche und auch ihre soziale Geisteshaltung in Konfrontation mit der aktuellen Pastoral der Kirche zu bedenken, um zum Schluss einige pastorale Empfehlungen aufzuzeigen.
4. Wir haben festgestellt, dass es aufgrund fehlender genauer Daten auf diesen verschiedenen Gebieten schwierig ist, eine exakte und tiefgehende Analyse durchzuführen. Für eine Untersuchung dieser Art wäre es notwendig, den Sachverständigen und Laien mehr Gehör zu schenken. Trotzdem legen wir die nachstehenden Beobachtungen vor.
Typen
5. Aus methodischen Gründen und im Bewusstsein des relativen Charakters einer jeden Typologie – die notwendigerweise Nuancen und Vereinfachungen enthält – und da es sich um eine Klassifizierung in Funktion des sozialen Wandels handelt, zeigen wir die folgenden Gruppen auf: die Traditionalisten oder Konservativen, die „desarrollistas“ [die der Entwicklung Aufgeschlossenen; Anm.] und die Revolutionäre, die sowohl Marxisten, als auch der nichtmarxistischen Linken zugehörig oder ideologisch nicht klassifizierbar sein können.<ref> Natürlich gibt es Zwischengruppen, die die Strukturwechsel in mehr oder weniger beschleunigter Form wollen, die aber gegen die Gewalt und auch gegen Diktaturen sind. </ref>
6. Die Traditionalisten oder Konservativen zeigen wenig oder kein soziales Bewusstsein, haben bourgeoise Mentalität und stellen aus diesem Grunde die sozialen Strukturen nicht in Frage. Im allgemeinen sind sie darum besorgt, sich ihre Privilegien zu erhalten, die sie mit der „bestehenden Ordnung“ identifizieren. Ihr Handeln in der Gemeinschaft hat paternalistischen und Wohlfahrtscharakter, ohne irgendeine Sorge um die Veränderung des Status quo.
Dennoch handeln einige Konservative, oft unter dem Einfluß der nationalen oder internationalen Wirtschaftsmacht, in gewisser Sorge um die Entwicklung.
Es handelt sich um eine Mentalität, die man häufig in einigen beruflichen Sparten auf sozialwirtschaftlichem Gebiet und bei der etablierten Macht antrifft. Das hat zur Folge, dass verschiedene Regierungssektoren im Interesse der traditionalistischen oder konservativen Gruppen handeln, was manchmal der Korruption Raum gibt und das Ausbleiben eines gesunden Personalisierungs- und Sozialisierungsprozesses der Volksklassen bewirkt. Die militärischen Kräfte unterstützen auf bestimmten Gebieten diese Struktur und intervenieren manchmal, um sie zu stärken.
7. Die „desarrollistas“ befassen sich vor allem mit den Produktionsmitteln, die – nach ihrer Ansicht – in Quantität und Qualität verändert werden müssen. Sie messen der Technisierung und Gesellschaftsplanung großen Wert bei. Sie vertreten, dass die Randsiedler der Gesellschaft (marginados) als Erzeuger und Verbraucher in die Gesellschaft integriert sein müssen. Sie betonen den wirtschaftlichen Fortschritt stärker als die soziale Entwicklung des Volkes im Hinblick auf die Beteiligung aller an den Entscheidungen, die die wirtschaftliche und politische Ausrichtung angehen.
Diese Mentalität trifft man häufig unter den Technologen und in den verschiedenen Institutionen an, die die Entwicklung der Länder fördern.
8. Die Revolutionäre stellen die sozio-ökonomische Struktur in Frage. Sie wünschen deren radikalen Wandel, sowohl in den Zielen als auch in den Mitteln. Für sie ist das Volk Subjekt dieses Wandels oder sollte es sein, damit es an den Entscheidungen für die Neuordnung des gesamten sozialen Prozesses teilnimmt. Diese Haltung kann man häufig bei den Intellektuellen, wissenschaftlichen Forschern und Akademikern feststellen.
Glaubenshaltungen
9. In Anerkennung dessen, dass in allen diesen Milieus viele den Glauben in Übereinstimmung mit ihrem Gewissen leben und sogar eine positive Arbeit der Bewusstseinsbildung und menschlichen Förderung verwirklichen, stellen wir im Hinblick auf den sozialen Wandel bestimmte Ausdrucksformen dieses Glaubens fest.
10. In der Gruppe der Konservativen oder Traditionalisten findet man häufiger die Trennung von Glaube und sozialer Verantwortung. Der Glaube erscheint mehr als eine Anhänglichkeit an ein Glaubensbekenntnis und an moralische Prinzipien. Die Zugehörigkeit zur Kirche ist mehr traditionellen Charakters und manchmal mit anderen Interessen verbunden. Innerhalb dieser Gruppen gibt es eher eine Religiositätskrise als eine wirkliche Glaubenskrise.
11. Innerhalb der „desarrollistas“ gibt es verschiedene Abstufungen des Glaubens, von der Indifferenz bis zum persönlichen Glaubensleben. Sie neigen dazu, die Kirche als mehr oder weniger günstiges Entwicklungsinstrument zu betrachten. In dieser Gruppe nimmt man aufgrund der technischen Mentalität die Wirkung der Entsakralisierung am deutlichsten wahr.
Es ist in einigen dieser Gruppen, vor allem unter den Akademikern und den jungen Berufstätigen eine Tendenz festzustellen, die in eine religiöse Indifferenz mündet oder in eine humanistische Sicht, die die Religion ausschließt. Das ist besonders auf ihre Bemühungen um die sozialen Probleme zurückzuführen.
12. Die Revolutionäre neigen dazu, den Glauben einseitig mit der sozialen Verantwortung zu identifizieren. Sie besitzen einen sehr lebendigen Sinn für den Dienst am Nächsten. Gleichzeitig durchleben sie in der liturgischen Ausdrucksform des Glaubens Schwierigkeiten in der persönlichen Beziehung zum transzendenten Gott. Innerhalb dieser Gruppen gibt es häufiger Glaubenskrisen. In Bezug auf die Kirche kritisieren sie gewisse historische Formen und einige Äußerungen von offiziellen Vertretern der Kirche in ihrer Haltung zum Sozialen und in ihrer konkreten Lebensform in dieser Hinsicht.
II. PRINZIPIEN
13. In allen diesen Lebensbereichen muss sich die Evangelisierung auf die Bildung eines persönlichen, reifen, innerlich geformten Glaubens hin orientieren, eines tätigen Glaubens, der dauernd mit den Erfordernissen des gegenwärtigen Lebens in dieser Phase des Übergangs konfrontiert wird.
Diese Evangelisierung muss mit den „Zeichen der Zeit“ verbunden sein. Sie darf weder zeitnoch geschichtslos sein. Tatsächlich stellen die „Zeichen der Zeit“, die sich in unserem Kontinent vor allem in der sozialen Ordnung ausdrücken, einen „theologischen Ort“ und Anrufe Gottes dar.
Andererseits muss sich diese Evangelisierung durch persönliches und gemeinschaftliches Zeugnis verwirklichen, das sich besonders im Zusammenhang mit dem zeitlichen Engagement ausdrücken wird. Die Evangelisierung, von der wir sprachen, muss die Werte der Gerechtigkeit und Brüderlichkeit, die in den Bestrebungen unserer Völker enthalten sind, unter einer eschatologischen Perspektive erklären. Die Evangelisierung braucht als Träger eine Kirche, die Zeichen ist.
III. PASTORALE EMPFEHLUNGEN
Im allgemeinen
14. Es ist notwendig, die engagierten Minderheiten innerhalb der Führungsschichten zu ermutigen, indem man, wenn möglich, Basisgruppen schafft, die von der Pädagogik der Lebensrevision Gebrauch machen, um ihnen gleichzeitig bewusstzumachen, dass sie Apostel ihres eigenen Milieus sind und sie zu Kontakten mit den anderen Gruppen des pfarrlichen, diözesanen und nationalen Lebens anzuregen. Diese besondere Pastoral an den Führungsschichten sollte nicht von der gesamten Pastoral der Kirche getrennt werden.
15. Man sollte versuchen, dass die Sakramente und das liturgische Leben auf dem Fundament einer persönlichen Beziehung zu Gott und der Gemeinschaft ihren Sinn als Stütze und Entwicklung erhalten, in der Liebe zu Gott und dem Nächsten, als Ausdruck der christlichen Gemeinschaft.
16. In der Ausbildung des Klerus ist es notwendig, dieser spezialisierten Pastoral mehr Aufmerksamkeit zu schenken, indem man – wenn es sich als notwendig erweisen sollte, auch durch berufliche und technische Studien – spezialisierte Seelsorger für diese Gruppen vorbereitet.
Im besonderen
Künstler und Gelehrte
17.
a) Wenn man die wichtige Rolle bedenkt, zu der die Künstler und Gelehrten in unserem Kontinent aufgerufen sind – besonders in Bezug auf dessen kulturelle Eigenständigkeit – als natürliche Interpreten der Ängste und Hoffnungen des Kontinents und als Schöpfer der volkstümlichen Werte, die das Bild der Nation prägen, hält diese Bischofskonferenz es für besonders wichtig, dass die Kirche in diesen Lebensbereichen präsent ist.
b) Diese Präsenz der Kirche muss den Charakter eines Dialogs annehmen, fern jeder moralisierenden oder konfessionellen Besorgnis, mit einer Haltung tiefen Respekts vor der schöpferischen Freiheit, ohne Einbuße der moralischen Verantwortung.
c) Die lateinamerikanische Kirche sollte in ihrem eigenen Wirkungskreis den Künstlern und Gelehrten einen gebührenden Platz einräumen und sie auffordern, sich an der ästhetischen Ausgestaltung der liturgischen Sprache, der Kirchenmusik und der Kultstätten zu beteiligen.
Studenten
18.
a) Angesichts der dringenden Notwendigkeit einer tatsächlichen Präsenz der Kirche im Universitätsbereich bittet diese Zweite Generalversammlung, die praktischen Empfehlungen des Bischofstreffens über die Universitätsseelsorge, Februar 1967 in Buga (Kolumbien), zu beachten.
b) Ebenso bittet sie die lokalen Hierarchien um größeres Verständnis für die eigenen Probleme der Studenten. Sie sollten vielmehr versuchen, unvoreingenommen die edlen Motivationen und die gerechtfertigten Bestrebungen, die oft in deren äußeren Unruhen und Protesten enthalten sind, zu werten, statt sie zu verurteilen und sich bemühen, sie durch einen offenen Dialog in die richtigen Wege zu leiten.
c) Angesichts der Tatsache, dass Tausende junger Lateinamerikaner in Europa und Nordamerika studieren, wird der CELAM (Lateinamerikanischer Bischofsrat) in Übereinstimmung mit den Kirchenleitungen dieser Länder bemüht sein, ihnen die erforderliche seelsorgliche Betreuung zukommen zu lassen, wie auch gleichzeitig in ihnen das Bewusstsein der Verpflichtung des Dienstes für ihre Heimatländer zu erhalten.
Sozio-ökonomische Gruppen
19.
a) Die Erfahrung zeigt, dass im Lebensbereich dieser Führungsschichten die Schaffung von spezialisierten Gruppen und Organisationen möglich ist, deren Ziele und Arbeitsweisen sich in der ständigen Überprüfung im Hinblick auf die lateinamerikanische Wirklichkeit und die Sozialpastoral der Kirche bewähren müssen.
b) Ohne die Wohlfahrtseinrichtungen der Sozialen Aktion zu unterschätzen, muss die Pastoral der Kirche diese Gruppen besonders auf ein Engagement im Rahmen der sozio-ökonomischen Strukturen hin orientieren, das zu deren notwendigen Reformen führt.
c) Die Kirche muss den aktiven Minderheiten (Gewerkschaftsführern und Genossenschaftsleitern), die in den ländlichen Lebensbereichen und im Arbeitermilieu eine wichtige Arbeit der Bewusstseinsbildung und menschlichen Entwicklung leisten, besondere Aufmerksamkeit zukommen lassen, indem sie seelsorglich deren Bemühungen um einen sozialen Wandel unterstützt und begleitet.
Militärmacht
20. Die Kirche soll der Armee einprägen, dass sie außer ihren spezifischen, normalen Funktionen den Auftrag hat, die politischen Freiheiten der Bürger zu garantieren, statt ihnen Hindernisse in den Weg zu stellen. Außerdem haben die Streitkräfte die Möglichkeit, innerhalb ihres eigenen Wirkungsbereiches die jungen Rekruten auf die künftige, freiheitliche und verantwortliche Teilnahme am politischen Leben des Landes hin zu erziehen.
Politische Mächte
21.
a) Man sollte dafür sorgen, dass zwischen der Kirche und der konstituierten Macht entsprechend den Erfordernissen der sozialen Moral Kontakte und Dialoge existieren, ohne auszuschließen, dass, wenn es nötig sein sollte, Ungerechtigkeiten und Machtmissbrauch ebenso energisch wie klug angeklagt werden.
b) Die pastorale Aktion der Kirche soll alle Schichten der Bürger ermutigen, an allen grundlegenden Plänen der Regierungen mitzuarbeiten und auch durch die gesunde Kritik innerhalb einer verantwortungsvollen Opposition zum Fortschritt des Gemeinwohls beizutragen.
c) Die Kirche soll immer ihre Unabhängigkeit gegenüber der konstituierten Macht und den Regierungen, die sie repräsentieren, bewahren und, falls es nötig sein sollte, selbst auf jene legitimen Formen der Präsenz verzichten, die aufgrund der sozialen Gegebenheiten den Verdacht aufkommen ließen, die Kirche sei ein Bündnis mit der konstituierten Macht eingegangen und deshalb ein pastorales Gegenzeugnis.<ref> II. Vat. Konzil, Pastorale Konstitution über die Kirche in der Welt von heute „Gaudium et spes“, Nr. 7 b </ref>
d) Trotzdem muss die Kirche durch ihre Organisationen und Bildungseinrichtungen an der politischen Bildung der Führungsschichten mitarbeiten.
c) Zum Schluss sei darauf hingewiesen, dass auch in Lateinamerika „mit der kulturellen, wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung sich in der Mehrheit der Wunsch festigt, ganzheitlicher an der Gestaltung der politischen Gemeinschaft mitzuwirken ... Das lebendige Bewusstsein der menschlichen Würde hat bewirkt ..., dass das Bestreben aufkommt, eine politische und rechtliche Ordnung zu schaffen, die im öffentlichen Leben stärker die Rechte der Person schützt; wie das Recht auf Versammlungsfreiheit, auf freien Zusammenschluss, auf freie Meinungsäußerung und auf freie Religionsausübung“.<ref> s. 2 Nr. 73 </ref>
8. KATECHESE
I. NOTWENDIGKEIT EINER ERNEUERUNG
1. Angesichts einer sich wandelnden Welt und des derzeitigen Reifungsprozesses der Kirche in Lateinamerika fühlt die Katechetische Bewegung die Notwendigkeit einer tiefgehenden Erneuerung. Einer Erneuerung, die dem Willen der Kirche und ihrer Verantwortlichen Ausdruck geben soll, ihre fundamentale Mission voranzutreiben: den Glauben der Jugendlichen und Erwachsenen in allen Schichten wirksam zu bilden. In diesem Punkte zu versagen, wäre gleichzeitig Verrat an Gott, der ihr seine Botschaft anvertraute, und am Menschen, der ihrer zu seiner Erlösung bedarf.
2. Die katechetische Erneuerung darf die Tatsache nicht übersehen, dass unser Kontinent zum großen Teil aus einer christlichen Tradition lebt, die gleichzeitig die Existenz des einzelnen, wie auch die sozialen und kulturellen Verflechtungen durchdringt. Obwohl ein Wachsen des Säkularisierungsprozesses festgestellt werden kann, ist die Volksreligiosität in Lateinamerika ein gültiges Element. Man kann nicht über sie hinweggehen wegen der Bedeutung, Ernsthaftigkeit und Echtheit, mit der sie von vielen Menschen, besonders aber von den einfachen Volksschichten gelebt wird. Die Volksreligiosität kann für eine Verkündigung des Glaubens Anlaß oder Ausgangspunkt sein. Trotzdem erscheint eine Überprüfung und ein gewissenhaftes Studium der Volksreligiosität notwendig, um sie von Elementen, die sie unecht machen, zu reinigen, nicht, indem man sie zerstört, sondern im Gegenteil, indem man ihre positiven Elemente wertet. So wird man ein Verharren in Formen der Vergangenheit vermeiden, von denen einige heute nicht nur zweideutig, sondern unangebracht und sogar schädlich erscheinen.
3. Folglich stehen die Verantwortlichen der Katechese vor einer Reihe von komplexen und schwierigen Aufgaben, die es zu lösen gilt:
– die Entwicklung der traditionellen Glaubensformen, die einem großen Teil des christlichen Volkes eigen sind, zu fördern und auch neue Formen anzuregen;
– große Massen von einfachen Leuten, meist Analphabeten, zu evangelisieren und im Glauben zu unterweisen und gleichzeitig Antwort zu geben auf die Bedürfnisse der Studenten und Intellektuellen, die die lebendigeren und dynamischeren Gruppen der Gesellschaft sind;
– traditionelle Formen der Präsenz, falls nötig, zu läutern und gleichzeitig eine neue Form der Anwesenheit in den zeitgenössischen Ausdrucks- und Kommunikationsformen einer sich säkularisierenden Gesellschaft zu entdecken;
– das Zusammenspiel dieser Aufgaben unter Inanspruchnahme aller gegenwärtigen Hilfsmittel der Kirche zu sichern und gleichzeitig auf Einfluß und Haltungen, die nicht dem Evangelium entsprechen, zu verzichten.
II. KENNZEICHEN DER ERNEUERUNG
4. Die Katechese muss bei der Darstellung ihrer erneuerten Botschaft die Einheit des Gottesplanes verdeutlichen.
Ohne in Verwechslungen oder vereinfachende Gleichsetzungen zu verfallen, muss man immer die tiefe Einheit bekunden, die zwischen dem in Christus verwirklichten Heilsplan Gottes und den Erwartungen des Menschen besteht, zwischen der Heilsgeschichte und der Menschheitsgeschichte, zwischen der Kirche, dem Volk Gottes und den zeitlichen Gemeinschaften, zwischen der Erlösungstat Gottes und der Erfahrung des Menschen, zwischen den übernatürlichen Gaben und Charismen und den menschlichen Werten. Indem sie so jede Zweiteilung oder jeden Dualismus im Christen ausschließt, bereitet die Katechese die fortschreitende Verwirklichung des Gottesvolkes auf seine eschatologische Erfüllung hin vor.
5. Die Katechese muss andererseits immer ihren dynamischen Entwicklungscharakter bewahren.
Das Bewusstwerden der christlichen Botschaft vertieft sich immer mehr im echten Verständnis der geoffenbarten Wahrheit. Aber dieses fortschreitende Sich-Bewusstwerden wächst im selben Rhythmus wie die menschlichen – individuelle und kollektive – Erfahrungen auftreten. Aus diesem Grund muss – und sie ist es – die Treue der Kirche zur Offenbarung dynamisch sein.
Die Katechese darf deshalb in ihrer Erneuerung die wirtschaftlichen, demographischen, sozialen und kulturellen Veränderungen Lateinamerikas nicht übersehen.
III. PRIORITÄTEN IN DER KATECHETISCHEN ERNEUERUNG
6. In Übereinstimmung mit dieser Offenbarungstheologie muss sich die gegenwärtige Katechese die Ängste und Erwartungen des heutigen Menschen ganz zu eigen machen, um ihm die Möglichkeiten einer vollen Befreiung sowie die Reichtümer einer vollständigen Erlösung durch Christus den Herrn anzubieten. Bei der Übermittlung der biblischen Botschaft muss sie deshalb nicht nur in ihrem geistigen Inhalt treu sein, sondern auch in ihrer verkörperten lebendigen Wirklichkeit in den Lebensumständen des heutigen Menschen.
Die geschichtlichen Situationen und die echt menschlichen Erwartungen sind unerläßliche Bestandteile des Inhalts der Katechese. Sie müssen innerhalb ihrer gegenwärtigen Verflechtungen im Lichte der gelebten Erfahrungen des Volkes Israel, Christi und der kirchlichen Gemeinschaft, in der der Geist des auferstandenen Christus immerwährend fortlebt und wirkt, ernsthaft interpretiert werden.
7. Lateinamerika durchlebt heute einen historischen Moment, den die Katechese nicht verkennen darf: den sozialen Wandlungsprozess, der durch die gegenwärtige Notlage und Ungerechtigkeit herausgefordert wurde, in der sich große Teile der Gesellschaft in einem Randdasein befinden. Die Formen dieser globalen und tiefgreifenden Entwicklung können verschieden sein: progressiv oder unterschiedlich schnell. Es ist die Aufgabe der Katechese, zur ganzheitlichen Entwicklung des Menschen beizutragen, indem sie ihm seine echte christliche Sinngebung vermittelt. Die Katechese soll im Menschen den Wunsch nach Entwicklung wecken und darauf achten, dass sie sich in Treue zum Evangelium vollzieht.
8. Es ist auch notwendig, in einer lateinamerikanischen Pastoral die Forderungen des Pluralismus zu betonen. Die Situationen, in denen sich die Katechese entwickelt, sind sehr verschieden: vom patriarchalischen Typ, in dem die traditionellen Formen noch akzeptiert werden, bis zu den fortschrittlichsten Formen der gegenwärtigen Großstadtzivilisation. Deshalb empfiehlt es sich, den Reichtum hervorzuheben, der in der Vielfalt der in der Katechese vorhandenen Gesichtspunkte und Formen existieren muss. Das um so mehr, als sie sich an die Verschiedenheit der Sprachen und Mentalitäten und an die Unterschiedlichkeit der menschlichen Situationen und Kulturen anpassen muss. Im Hinblick darauf ist es unmöglich, starre und universale Modelle auferlegen zu wollen. In einem aufrichtigen Austausch der Zusammenarbeit müssen wir die Einheit des Glaubens in der Verschiedenheit der Formen bewahren.
9. In allen Lebensbereichen hat unsere Katechese trotz dieser Vielfalt der Situationen einen gemeinsamen Aspekt: Sie muss vor allem evangelisierend sein, ohne eine Glaubenswirklichkeit vorauszusetzen, außer nach zweckdienlichen Untersuchungen.
Aufgrund der Tatsache, dass die kleinen Kinder im Vertrauen auf den Glauben der Familie getauft werden, wird schon eine „Evangelisierung der Getauften“ als eine Etappe in ihrer Glaubenserziehung notwendig. Diese Notwendigkeit wird um so dringender, wenn man die Desintegration der Familie in vielen Bereichen, die religiöse Unwissenheit der Erwachsenen und den Mangel an christlichen Basisgemeinschaften berücksichtigt.
Diese Evangelisierung der Getauften hat ein konkretes Ziel: Sie soll sie zu einem persönlichen Engagement mit Christus und zu einer bewussten Hingabe im Glaubensgehorsam führen. Daher die Wichtigkeit einer Überprüfung der Pastoral der Firmung, ebenso wie neue Formen eines Katechumenats in der Erwachsenenkatechese, die auf die Vorbereitung zum Sakramentenempfang besonderen Nachdruck legen. Auch müssen wir alles überprüfen, was in unserem Leben oder in unseren Institutionen ein Hindernis für die „Re-Evangelisierung“ der Erwachsenen sein könnte, um so das Angesicht der Kirche vor der Welt zu läutern.
10. Für die Christen hat die Form des Gemeinschaftslebens als Zeugnis der Liebe und Einheit eine besondere Bedeutung.
Folglich kann sich die Katechese nicht auf die individuellen Dimensionen des Lebens beschränken. Die offenen und mit dem Leben verflochtenen christlichen, Basisgemeinschaften müssen Frucht der Evangelisierung sein. Ebenso sollen sie Zeichen sein, das durch Taten die Heilsbotschaft bestätigt.
In dieser Gemeinschaftskatechese muss die Familie, in der sich der Christ entwikkelt, als erster natürlicher Lebensraum berücksichtigt werden. Sie muss Ziel der katechetischen Aktion sein, damit sie würdig und fähig wird, ihre Aufgabe zu erfüllen; gleichzeitig verwandelt sich die Familie als „Hauskirche“ in eine wirksame Mittlerin der katechetischen Erneuerung.
11. Man muss den völlig positiven Aspekt der katechetischen Lehre mit ihrem Inhalt der Liebe verdeutlichen. So wird man einen gesunden Ökumenismus nähren, alle Polemik vermeiden und ein günstiges Klima für Gerechtigkeit und Frieden schaffen.
12. Die Katechese steht einem Phänomen gegenüber, das die Werte sowie die Haltungen und das eigentliche Leben des Menschen zutiefst beeinflußt: den sozialen Kommunikationsmitteln. Dieses Phänomen ist eine unabänderliche, historische Tatsache, die in Lateinamerika rasch fortschreitet und in kurzer Zeit zu einer universalen Kultur führt, nämlich der „Kultur des Bildes“. Dies ist ein Zeichen der Zeit, das die Kirche nicht übersehen darf.
Von der durch dieses Phänomen geschaffenen Situation muss die Katechese ausgehen, um eine Gestalt gewordene Verkündigung der christlichen Botschaft anzubieten. Eine ernsthafte Untersuchung über die Wirkung der sozialen Kommunikationsmittel ist genauso dringend, wie die Suche nach der angemessensten Form, eine Antwort zu geben, wenn man sie für die Aufgaben der Evangelisierung benutzt. Ebenso dringend ist eine ernsthafte Überprüfung der gegenwärtigen Praktiken.
IV. MITTEL FUR DIE KATECHETISCHE ERNEUERUNG
13. Für die Durchführung der katechetischen Arbeit bedarf es eines Minimums an Organisation, die von nationaler und diözesaner Ebene ausgeht und bis zu den verschiedenen Grundgemeinschaften reicht. Die nationale Organisation mit ihren deutlichen internationalen Beziehungen wird die Arbeit in der Diözese und anderen Bereichen merklich erleichtern und beweglicher machen. Dies geschieht unter größerer und wirksamerer Nutzung der Techniken, von spezialisiertem Personal und wirtschaftlichen Möglichkeiten.
14. Diese Erneuerung erfordert angemessenes Personal, um die christliche Gemeinschaft zu bilden. Das notwendige Zeugnis des eigenen Lebens voraussetzend, ergeben sich daher die folgenden Schwerpunkte:
– Vorbereitung von katechetischen Vorstehern und Leitern im Hauptberuf;
– Ausbildung von Katecheten mit grundlegendem Wissen und umfassendem Überblick sowohl über die psycho-soziologischen Bedingungen des menschlichen Lebensbereiches, in dem sie arbeiten müssen, als auch über die primitiven Religionen in einigen Gebieten und über die Mittel, die zur Evangelisierung angewandt worden sind;
– Förderung von Laienkatecheten, besonders der Einheimischen aus den betreffenden Gebieten, und Schulung von Diakonen zur Verkündigung.
15. Die von der Kirche gesprochene Sprache hat eine besondere Bedeutung. Es handelt sich hierbei sowohl um die einfachen Lehrformen – Katechismus, Predigt – in den Ortsgemeinschaften als auch um die universaleren Formen der Verkündigung des Lehramtes. Eine ständige Arbeit ist erforderlich, um wahrnehmbar zu machen, wie die Erlösungsbotschaft, enthalten in der Heiligen Schrift, in der Liturgie, im Lehramt und im Zeugnis heute Wort des Lebens ist. Deshalb reicht es nicht aus, die Botschaft zu wiederholen oder zu erklären, sondern man muss unaufhörlich auf neue Weise das „Evangelium“ in Bezug zu den Formen menschlicher Existenz zum Ausdruck bringen. Dabei sollen die menschlichen, ethischen und kulturellen Bereiche berücksichtigt werden und die Treue zum geoffenbarten Wort immer bewahrt bleiben.
16. Damit die Erneuerung wirkungsvoll wird, ist zu den verschiedenen Aspekten der Katechese eine Arbeit der Reflexion, Orientierung und Analyse notwendig. Überall müssen die Katechetischen Institute und Arbeitsgruppen vermehrt werden, in denen Geistliche, Katecheten, Theologen und Humanwissenschaftler in einen Dialog miteinander eintreten. Von der Erfahrung ausgehend sollen sie mit dem Ziel zusammenarbeiten, neue Formen der Verkündigung und Aktion vorzuschlagen, entsprechendes pädagogisches Material zu erarbeiten und in jedem Fall deren Gültigkeit zu überprüfen und auszuwerten. Es ist notwendig, dass diese Gruppen mit angemessenen Arbeitsmitteln und der unerläßlichen Aktionsfreiheit ausgestattet werden.
V. ENTSCHLIESSUNGEN
17.
a) Erneuerung der Katechese unter Weiterentwicklung der traditionellen Glaubensformen, wobei auf die permanente Erwachsenenkatechese gedrängt werden muss (Nr. 1, 2, 3).
b) Vermeidung jeder Zweiteilung bzw. jedes Dualismus zwischen dem Natürlichen und Übernatürlichen (Nr. 4).
c) Wahrung der Treue zur geoffenbarten Botschaft, die in den aktuellen Ereignissen Gestalt annimmt (Nr. 6).
d) Orientierung und Förderung der integralen Entwicklung des Menschen und des sozialen Wandels durch die Katechese (Nr. 7).
e) Respektierung des Pluralismus verschiedener Situationen bei aller Einheit (Nr. 8).
f) Weiterentwicklung der Evangelisierung der Getauften durch die Firmung der Heranwachsenden und Jugendlichen und durch ein neues Katechumenat für die Erwachsenen (Nr. 9).
g) Vermittlung ihres vollen katechetischen Wertes an die Familie und die Ehevorbereitungskurse (Nr. 10).
h) Einsatz der sozialen Kommunikationsmittel (Nr. 12).
i) Förderung der Organisation der Katechese auf nationaler und diözesaner Ebene (Nr. 13).
j) Ausbildung, vor allem einheimischer Laienkatecheten (Nr. 14).
k) Anpassung der kirchlichen Sprache an den Menschen von heute unter Wahrung der Integrität der Botschaft (Nr. 15).
l) Anregung zur Arbeit der Reflexion und zu Experimenten, zu Instituten und Arbeitsgruppen von ausreichender Weite und Freiheit (Nr. 16).
9. LITURGIE
I. ALLGEMEINE LINIEN DER HEUTIGEN LATEINAMERIKANISCHEN SITUATION
1. In der Erneuerung der Liturgie läßt sich eine Vielfalt von Situationen feststellen: Während sich in einigen Bereichen die genannte Erneuerung mit wachsenden Bemühungen realisiert, ist sie in anderen noch schwach. Im allgemeinen erscheint sie ungenügend. Es fehlt an einer Aufgeschlossenheit für den Inhalt der Reform, was besonders für den Klerus wichtig ist, dem eine grundlegende Rolle in der liturgischen Erneuerung zukommt. Im übrigen muss man anerkennen, dass die Vielfalt der Kulturen schwierige Probleme der Ausbreitung mit sich bringt (Sprache, Zeichen).
Man hat den Eindruck, dass der Bischof nicht immer wirksam genug seine Rolle als Liturgie, Förderer, Erklärer und Ausrichter des Kultes ausübt.
Wenn auch die liturgischen Übersetzungen einen Schritt nach vorn bedeutet haben, erlaubten die dafür aufgestellten Kriterien nicht, zum erforderlichen Grad der Anpassung zu kommen.
Die Liturgie ist nicht organisch in die religiöse Erziehung integriert, und man vermisst die gegenseitige Durchdringung.
Fähige Fachleute zur Unterstützung der liturgischen Erneuerung sind nur in ungenügender Zahl vorhanden.
II. THEOLOGISCHE UND PASTORALE BEGRÜNDUNG
Elemente der Lehre der Kirche
2. Die Gegenwart des Erlösungsgeheimnisses gipfelt in der Feier der kirchlichen Liturgie, während die Menschheit zu ihrer vollen Verwirklichung in der Herrlichkeit des Herrn pilgert.<ref> II. Vat. Konzil, Konstitution über die heilige Liturgie „Sacrosanctum concilium“, Nr. 8 und 10 </ref> Die Liturgie ist das Werk des Hauptes und des Leibes Christi, der die Kirche ist.<ref> s.1 Nr.7 </ref> Sie enthält deshalb die Erlösungsinitiative, die vom Vater durch das Wort und im Heiligen Geiste kommt, sowie die Antwort der Menschheit, derjenigen Menschen, die im Glauben und in der Liebe zu Christus, dem Erneuerer der Dinge,<ref> Eph 1,10 </ref> aufgehen. Weil wir noch nicht in der Fülle des Gottesreiches leben,<ref> II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche „Lumen gentium“, Nr. 3 und 5 </ref> ist die ganze liturgische Feier von der Spannung zwischen dem, was bereits Wirklichkeit ist und dem, was noch nicht ganz gefolgt ist, wesentlich gekennzeichnet;<ref> s. 4 Nr.48; s. 1 Nr. 8 </ref> sie ist Bild der Kirche, die zugleich heilig ist und der Reinigung bedarf;<ref> s. 4 Nr. 8; s. 1 Nr. 2 </ref> sie hat einen Sinn für die Freude und ein schmerzhaftes Bewusstsein der Sünde. In einem Wort: Sie lebt in der Hoffnung.<ref> s. 4 Nr. 48; s. 1 Nr. 8 </ref>
3. Die Liturgie ist der Moment, in dem die Kirche auf vollkommenste Weise sie selbst ist. Sie verwirklicht unauflöslich verbunden die Gemeinschaft mit Gott einerseits und die Gemeinschaft der Menschen untereinander andererseits;<ref> s. 4 Nr. 1; s.1 Nr. 47 </ref> derart, dass die erste Verbindung Ursache der zweiten ist.<ref> „Es scheint uns angebracht, dieserhalb auf zwei doktrinäre Punkte aufmerksam zu machen: Der erste ist die Abhängigkeit der Nächstenliebe von der Gottesliebe. Ihr wißt um die Kritik, der diese Doktrin klarster und unbestreitbarster biblischer Herkunft ausgesetzt ist ...“ (Papst Paul VI., Eröffnungsansprache der Zweiten Generalversammlung der Lateinamerikanischen Bischofskonferenz, Bogota, 24. 8. 1968) </ref> Wenn sie vor allem das Lob der Herrlichkeit der Gnade<ref> Eph 1, 6.12.14; s. 1 Nr. 10 </ref> sucht, ist sie sich auch bewusst, dass die Menschen der Herrlichkeit Gottes<ref> Röm 3, 23; s. 1 Nr. 10 </ref> bedürfen, um wahrhaft Menschen zu sein. Aus demselben Grund ist die liturgische Handlung nicht echt, wenn sie nicht eine Verpflichtung zur Liebe, eine immer neue Anstrengung, wie Jesus Christus zu fühlen,<ref> Phil 2, 5 </ref> und eine fortwährende Umkehr einschließt.
Die göttliche Einsetzung der Liturgie darf man keinenfalls als eine zufällige Ausschmückung des kirchlichen Lebens ansehen, denn es wird „keine christliche Gemeinde aufgebaut, wenn sie nicht Wurzel und Angelpunkt in der Feier der Eucharistie hat; von ihr muss darum alle Erziehung zum Geist der Gemeinschaft ihren Anfang nehmen.
Diese Feier ist aber nur dann aufrichtig und vollständig, wenn sie sowohl zu den verschiedenen Werken der Nächstenliebe und zur gegenseitigen Hilfe, als auch zu missionarischer Tat und zu den vielfältigen Formen christlichen Zeugnisses führt“.<ref> II. Vat. Konzil, Dekret über Dienst und Leben der Priester „Presbyterorum ordinis“, Nr. 6 </ref>
4. In der gegenwärtigen Stunde Lateinamerikas, wie zu allen Zeiten, krönt und beinhaltet die liturgische Feier eine Verpflichtung für die menschliche Realität,<ref> II. Vat. Konzil, Pastorale Konstitution über die Kirche in der Welt von heute, „Gaudium et spes“, Nr. 43 </ref> für die Entwicklung und für die Förderung, eben weil die ganze Schöpfung eingefügt ist in den Heilsplan Gottes, der die Gesamtheit des Menschen umfasst.<ref> s. 14 Nr. 41 </ref>
Pastorale Grundsätze
5. In der gegenwärtigen Stunde unseres Kontinents haben bestimmte Zustände oder Augenblicke des Lebens und bestimmte menschliche Aktivitäten eine lebendige Bedeutung für die Zukunft. Unter den ersten kann man die Familie, die Jugend, das Ordensleben und das Priestertum hervorheben; unter den zweiten die Entwicklung des Menschen und alles, was in deren Dienst steht oder gestellt werden kann: die Erziehung, die Evangelisierung und die verschiedenen Formen apostolischer Tätigkeit.
6. Weil die heilige Liturgie die Vergegenwärtigung des Erlösungsgeheimnisses ist, schaut sie in erster Linie auf die Herrlichkeit des Vaters.<ref> s.1 Nr. 2 </ref> Doch dieselbe Herrlichkeit<ref> Zum biblischen Sinn der „Verherrlichung“ vgl. „Wörterbuch der biblischen Theologie“, Herder</ref> wird dem Menschen zuteil.
Deshalb bringt die liturgische Feier durch die Gesamtheit der Zeichen, mit der sie den Glauben ausdrückt, folgendes mit sich:
a) ein tieferes Glaubenswissen und Glaubensleben;<ref> s. 1 Nr. 38 </ref>
b) ein Bewusstsein der Transzendenz der menschlichen Berufung;<ref> s. 14 Nr. 41 </ref>
c) ein Erstarken des Gemeinschaftsgeistes;<ref> s. 13 Nr. 26 und 27 </ref>
d) eine christliche Botschaft der Freude und Hoffnung;<ref> s.1 Nr. 5und 6 </ref>
e) die missionarische Dimension des kirchlichen Lebens;<ref> s. 1 Nr. 2 und Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche „Ad gentes“, Nr. 15 </ref>
f) die aus dem Glauben erwachsende Anforderung, sich in den menschlichen Realitäten zu engagieren.<ref> s. 4 Nr. 43 „Das Volk Gottes in der hierarchischen und gemeinschaftlichen Feier der heiligen Riten vereinigen ... und die brüderliche Nächstenliebe nicht nur formell, sondern auch aufrichtig und von Herzen üben.“ (Papst Paul VI., Eröffnungsansprache der Zweiten Generalversammlung des Lateinamerikanischen Episkopates, Bogota, 24. B. 1968) </ref>
Alle diese Dimensionen müßten dort gegenwärtig sein, wo jeder Lebensstand eine menschliche Tätigkeit verwirklicht.
7. Damit die Liturgie im ganzen Umfang diese Beiträge leisten kann, braucht sie:
a) eine vorausgehende Katechese über das christliche Mysterium und seinen liturgischen Ausdruck;<ref> s. 1 Nr. 9 und 35, 3 </ref>
b) eine Anpassung und Eingliederung in den Geist der verschiedenen Kulturen;<ref> s. 1 Nr. 37; s .22 Nr. 22; s.14 Nr. 44 </ref>
c) die positive Annahme der Pluralität in der Einheit und die Vermeidung, die Vereinheitlichung – a priori – zum Prinzip zu erheben;<ref> s. 1 Nr. 37 und s.4 Nr.13 </ref>
d) eine dynamische Haltung, die alles Gesunde im Entwicklungsprozess der Menschheit begleitet;<ref> s. 14 Nr.1 und 42 </ref>
e) die Führung zu einer lebendigen Erfahrung der Einheit zwischen dem Glauben, der Liturgie und dem alltäglichen Leben, durch die der Christ zum Zeugnis Christi gelangen wird;<ref> s. 1 Nr.11 und 48 </ref>
Nichtsdestoweniger darf die Liturgie, die den Menschen anruft, nicht auf den ausschließlichen Ausdruck einer menschlichen Realität beschränkt sein, die häufig einseitig oder durch die Sünde gekennzeichnet ist, sondern die Liturgie muss sie bewerten und sie so zu ihrer vollen christlichen Bedeutung führen.<ref> So zum Beispiel darf eine liturgische Trauerfeier nicht nur den natürlichen Sinn der Traurigkeit ausdrücken, sondern auch den des Glaubens und der christlichen Hoffnung in die Auferstehung. (Einführung in „Neue Exequienrituale“) </ref>
III. EMPFEHLUNGEN
Für die Bischöfe
8. Das II. Vatikanische Konzil erkennt dem Bischof das Recht zu, die Liturgie zu ordnen und legt ihm die dringende Verpflichtung auf, sie innerhalb der Ortskirche zu fördern.<ref> s. 1 Nr. 22,1 und 41; Dekret über die Hirtenaufgabe der Bischöfe in der Kirche „Christus Dominus“, Nr. 15; s. 4 Nr. 15 und 26 </ref>
Dem Bischof steht zu:
a) vor allem die pastorale Verantwortung, im einzelnen und im gesamten das liturgische Leben zu fördern;
b) häufig als „Hoherpriester seiner Herde“, umgeben von seinem Presbyterium und den Dienern des Altares, inmitten seines Volkes zu zelebrieren;<ref> s. 1 Nr. 41 </ref>
c) die Funktion des Moderators „ad normam iuris“ und entsprechend dem Geist der „Konstitution über die heilige Liturgie“ auszuüben;<ref> s. 1 Nr. 22, 1; und Instruktion „Inter oecumenici“, Nr. 22 </ref> und
d) sich der diözesanen oder überdiözesanen Kommissionen, wie sie das Konzil empfiehlt, zusammengesetzt aus Experten der Liturgie, der Heiligen Schrift, der Pastoral, der Kirchenmusik und der Kirchenkunst,<ref> s. 1 Nr. 45 und 46; und 32b; Nr. 47 </ref> zu bedienen.
Bezüglich der Bischofskonferenzen
9. Die gemeindliche und hierarchische Erneuerung benötigt außerdem die Vermittlung von „rechtmäßig konstituierten, für bestimmte Gebiete zuständigen Bischofsvereinigungen“.<ref> s. 1 Nr. 22, 2 </ref> Ihnen kommt eine Funktion der Reglementierung innerhalb der festgelegten Grenzen zu. Sie sollen die Treue des kirchlichen Bildes sichern, das jede christliche Gemeinschaft von der Weltkirche vermitteln muss.
10. Um diese Ziele besser zu erreichen, wünscht die Zweite Generalversammlung des Lateinamerikanischen Episkopates:
a) dass man den Bischofskonferenzen größere Befugnisse in der liturgischen Materie anvertraut, um besser die notwendigen Anpassungen verwirklichen zu können, unter Beachtung der Forderungen einer jeden Versammlung. Sie empfiehlt:
b) dass sich im Hinblick auf die besonderen Situationen der Missionsgebiete deren Obere versammeln, um die notwendigen Anpassungen zu untersuchen und sie der zuständigen Autorität zu unterbreiten.<ref> s. 1 Nr. 40 </ref>
11. Die Übereinstimmung gemeinsamer Probleme und die Notwendigkeit, Gruppen von angemessen ausgebildeten Fachleuten heranzuziehen, empfehlen die Ausdehnung der Dienste, die durch die Abteilung für Liturgie des CELAM geleistet werden können. Diese sind:
a) ein Informationsdienst, bibliographische Dokumentation und Koordination, geleistet vom Sekretariat der Abteilung, das sich vornimmt, mit allen lateinamerikanischen Episkopaten in ständigem Austausch zu bleiben;
b) ein Forschungs- und Bildungsdienst, der bereits durch das „Institut der Pastoralen Theologie“ von Medellin begonnen wurde, im Hinblick auf eine bessere Anpassung der Liturgie an die Bedürfnisse und Kulturen Lateinamerikas;<ref> s. 1 Nr.1 5,16 und 44 </ref> dafür ist es notwendig, dass man den Zusammenschluss von Experten berücksichtigt und erleichtert; Experten, sowohl der Liturgie, der Heiligen Schrift und der Pastoral als auch der anthropologischen Wissenschaften, deren Arbeiten den Weg zu einem wirklichen Fortschritt bereiten werden;<ref> s.1 Nr. 23 </ref>
c) eine Koordinierungsstelle der Musiksachverständigen, Künstler und Komponisten, um die Bemühungen zusammenzutragen, die sich in unseren Nationen im Hinblick darauf entwickeln, eine Musik zu schaffen, die der heiligen Mysterien würdig ist;<ref> s.1 Nr.46 und 119 </ref>
d) ein technischer Beratungsdienst, sowohl für die Erhaltung des künstlerischen Erbgutes als auch für die Förderung neuer künstlerischer Formen;<ref> s. 1 Nr. 126, 127 und 129 </ref>
e) ein Verlagsdienst für verschiedene Publikationen, die der liturgischen Pastoral als nützliches Instrument dienen sollen, ohne den Bereich anderer Publikationen zu beeinträchtigen.
Die erwähnten Dienste setzen das Vorhandensein spezialisierter Bibliotheken voraus, die angemessen ausgestattet sein müssen.
Besondere Anregungen
12. Die Feier der Eucharistie kann in kleinen Basisgemeinschaften eine echte pastorale Wirksamkeit haben; es steht den Bischöfen zu, sie unter Berücksichtigung der Situation jeder Gemeinschaft zu erlauben.
13. Damit in der gegenwärtigen Situation Lateinamerikas die Sakramente den Glauben nähren und stärken, rät man, eine gemeinschaftliche Sakramentenpastoral zu planen und zu intensivieren durch ernsthafte, stufenweise und angemessene Vorbereitung auf Taufe (Eltern und Paten), Firmung, erste heilige Kommunion und Ehe.<ref> s. 1 Nr. 59 </ref>
Es empfiehlt sich die gemeinschaftliche Bußfeier im Rahmen eines Wortgottesdienstes, wobei man die heute gültige Gesetzgebung beachten soll; trägt sie doch dazu bei, die kirchliche Dimension dieses Sakramentes hervorzuheben und die Teilnahme daran fruchtbarer zu machen.
14. Man möge die Wortgottesdienste fördern und ihre Verbindung mit den Sakramenten, besonders dem der Eucharistie, wahren, in denen sie ihre höchste Wirksamkeit erlangen.<ref> s. 1 Nr. 35, 4 </ref> Die ökumenischen Wortgottesdienste mögen gemäß dem „Dekret über den Okumenismus“ Nr. 8 und nach den Normen des Direktoriums Nr. 33-35 gefördert werden.
15. Weil in unserem Volk bestimmte volkstümliche Heiligenverehrungen sehr stark verwurzelt sind, empfiehlt es sich, Formen mit dem Ziel zu suchen, dieser Frömmigkeitsform einen liturgischen Inhalt zu geben, um sie auf diese Weise zu Vermittlern des Glaubens und der Verbindung zu Gott und zu den Menschen zu machen.<ref> s. 1 Nr. 13 </ref>
DIE SICHTBARE KIRCHE UND IHRE STRUKTIONEN
10. LAIENBEWEGUNGEN
I. TATSACHEN
1. Wir haben uns vorgenommen, die apostolische Dimension der Rolle der Laien im gegenwärtigen Wandlungsprozess unseres Kontinents zu überprüfen.
Für eine umfassendere Überprüfung müssen andere Betrachtungen dieser Bischofskonferenz im Hinblick auf das Engagement der Laien bezüglich der Gerechtigkeit und des Friedens, der Familie und Demographie, der Jugend und anderer berücksichtigt werden.
2. Wir erinnern nochmals an die gegenwärtigen Merkmale unserer Völker in sozialer Hinsicht. Objektiv gesehen: eine Situation der Unterentwicklung, entlarvt durch massive Erscheinungsformen von Marginalität, Verwirrung und Armut und letzten Endes bedingt durch Strukturen wirtschaftlicher, politischer und kultureller Abhängigkeit von den industrialisierten Metropolen, die die Monopole der Technik und der Wissenschaft unrechtmäßig vorenthalten (Neokolonialismus).<ref> Papst Paul VI.: Sozialenzyklika „Populorum progressio“, Nr. 19, 26, 57, 59 u. a. </ref> Subjektiv gesehen: das Sich-Bewusstwerden dieser Situation, das in großen Teilen der lateinamerikanischen Bevölkerung eine Haltung des Protestes und Bestrebungen nach Befreiung, Entwicklung und sozialer Gerechtigkeit provoziert.<ref> s. 1 Nr. 9 </ref>
Diese komplexe Realität stellt die Laien Lateinamerikas historisch gesehen vor die Herausforderung eines befreienden und humanisierenden Engagements.
3. Andererseits äußert sich die offenkundige Modernisierung der dynamischsten Teile der lateinamerikanischen Gesellschaft, die vom Anwachsen der Technisierung und der städtischen Ballungszentren begleitet ist, in Erscheinungsbildern der Mobilität, Sozialisierung und Arbeitsteilung. Ergebnis dieser Phänomene ist die wachsende Bedeutung der funktionalen Gruppen und Bereiche – gegründet auf die Arbeit, den Beruf oder die Funktion – im Gegensatz zu den traditionellen Gemeinschaften nachbarlichen oder örtlichen Charakters.
Die genannten funktionalen Medien stellen in unseren Tagen die wichtigsten Entscheidungszentren im Prozess des sozialen Wandels dar und sind die Brennpunkte, in denen sich das Bewusstsein der Gemeinschaft im höchsten Grade konzentriert.
Diese neuen Lebensbedingungen zwingen die lateinamerikanischen Laienbewegungen, die Herausforderung anzunehmen, die ein Engagement der Präsenz, der permanenten Anpassung und der Kreativität in sich birgt.
4. Die ungenügende Antwort auf diese Herausforderungen und ganz besonders die Unangepaßtheit an die neuen Lebensformen, die die dynamischen Teile unserer Gesellschaft charakterisieren, erklären zum großen Teil die verschiedenen Formen der Krisen, von denen die apostolischen Laienbewegungen erschüttert werden. Tatsächlich erfüllten sie zu ihrer Zeit eine entscheidende Aufgabe. Aber sie verschlossen sich aufgrund späterer Umstände in sich selbst oder klammerten sich in unangemessener Weise an allzu straffe Strukturen, bzw. wußten ihr Apostolat nicht in den Zusammenhang eines historischen befreienden Engagements einzuordnen.
Andererseits spiegeln viele von ihnen keine soziologisch festgefugten Lebensbereiche wider und haben vielleicht auch nicht die geeignetste Organisation und Pädagogik für ein Apostolat der Präsenz und des Engagements in den funktionalen Bereichen übernommen, in denen sich größtenteils der Prozess des sozialenWandels vollzieht.
5. Unter den Faktoren, die die Krise vieler Bewegungen beschleunigen, können auch folgende genannt werden: die schwache Integration des lateinamerikanischen Laienstandes in der Kirche, die in der Praxis häufig anzutreffende Unkenntnis ihrer legitimen Autonomie und das Fehlen von entsprechend ausgebildeten geistlichen Beratern für die neuen Anforderungen des Laienapostolates.
6. Es ist schließlich nicht möglich, die wertvollen Dienste zu verkennen, die die Laienbewegungen zur christlichen Förderung des lateinamerikanischen Menschen geleistet haben und mit neuer Kraft zu leisten fortfahren. Ihre Präsenz ist in vielen Lebensbereichen immer wirksamer und offenkundiger, trotz der Hindernisse und schmerzhaften Wachstumskrisen. Andererseits kann auch die Arbeit und das Denken vieler Generationen von militanten Christen nicht übersehen werden.
II. PASTORAL-THEOLOGISCHE KRITERIEN
7. Im Schoße des Gottesvolkes, das die Kirche ist, gibt es Einheit im Auftrag und Vielfalt der Charismen, Dienste und Funktionen, Werk ein und desselben Geistes,<ref> 1 Kor 12,11 </ref> derart, dass alle auf ihre Weise einmütig am gemeinsamen Werk zusammenarbeiten.<ref> II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche „Lumen gentium“, Nr. 32 und 33.</ref>
8. Die Laien, wie alle Glieder der Kirche, nehmen im Hinblick auf die Erfüllung ihres kirchlichen Auftrages an der dreifachen prophetischen, priesterlichen und königlichen Funktion Christi teil. Aber sie verwirklichen diese Aufgabe im Rahmen des Zeitlichen, im Hinblick auf den Aufbau der Geschichte, indem sie „alle zeitlichen Dinge ... so durchleuchten und ordnen, dass sie immer Christus entsprechend geschehen“.<ref> s. 4 Nr. 31 </ref>
9. Das Wesenselement des Laien ergibt sich tatsächlich durch das Engagement in der Welt, das als Rahmen menschlicher Solidaritäten, Verflechtung bezeichnender Ereignisse und Tatsachen, mit einem Wort, als Geschichte verstanden wird.
Sich engagieren heißt, aktiv die Solidarität bestätigen, in der sich alle Menschen eingetaucht befinden, indem sie Aufgaben der menschlichen Entwicklung auf der Linie eines konkreten Sozialprogrammes übernehmen.
Das so verstandene Engagement muss in Lateinamerika durch die besonderen Umstände seines heutigen historischen Prozesses, durch ein Zeichen der Befreiung, Humanisierung und Entwicklung gekennzeichnet sein.
Im übrigen ist zu sagen, dass der Laie sich in der Wahl seines zeitlichen Engagements eigener Autonomie und eigener Verantwortung erfreut. So erkennt es ihm „Gaudium et spes“ zu, wenn gesagt wird, dass die Laien „in Anerkennung der Forderungen des Glaubens und in seiner Kraft, wo es geboten ist, mit Entschlossenheit Neues planen und ausführen sollen ... Sie mögen aber nicht meinen, ihre Seelsorger seien immer in dem Grade kompetent, dass sie in jeder, zuweilen auch schweren Frage, die gerade auftaucht, eine konkrete Lösung schon fertig haben könnten oder die Sendung dazu hätten. Die Laien selbst sollen vielmehr im Licht christlicher Weisheit und unter Berücksichtigung des kirchlichen Lehramtes darin ihre eigene Aufgabe wahrnehmen“.<ref> II. Vat. Konzil, Pastorale Konstitution über die Kirche in der Welt von heute „Gaudium et spes“, Nr. 43 </ref> Und wie der Schlussappell von „Populorum progessio“ sagt: „Es ist Aufgabe der Laien, in freier Initiative und ohne erst Weisungen und Direktiven abzuwarten, das Denken und die Sitten, die Gesetze und die Strukturen ihrer Lebensgemeinschaft mit christlichem Geist zu durchdringen“.<ref> s. 1 Nr. 81 </ref>
10. Durch das Gewissen ist der durch die Nächstenliebe wirkende Glaube im zeitlichen Engagement des Laien als Beweggrund, Erleuchtung und eschatologische Perspektive gegenwärtig. Dieser Glaube gibt den Werten der menschlichen Würde, der brüderlichen Einheit und Freiheit ihren umfassenden Sinn; Werte, die wir von allen Flecken befreit, erleuchtet und verklärt am Tag des Herrn wiederfinden werden.<ref> s. 4 Nr. 39 </ref> „Außerdem lehrt die Kirche, dass durch die eschatologische Hoffnung die Bedeutung der irdischen Aufgaben nicht gemindert wird, dass vielmehr ihre Erfüllung durch neue Motive unterbaut wird“.<ref> s. 6 Nr. 21 </ref>
11. Weil der Glaube erfordert, mitgeteilt zu werden und aus diesem Grunde eine Forderung der Kommunikation oder der Verkündigung einschließt, versteht sich die apostolische Berufung der Laien innerhalb und nicht außerhalb ihres eigenen zeitlichen Engagements.
Mehr noch: Indem dieses Engagement in die Dynamik des Glaubens und der Nächstenliebe übernommen wird, erwirbt es in sich selbst einen Wert, der mit dem christlichen Zeugnis übereinstimmt. Unter diesem Aspekt ist die Evangelisierung des Laien nichts weiter als die Erklärung oder die Verkündigung der transzendentalen Bedeutung dieses Zeugnisses.
„Indem sie in der Welt leben, das heißt, in all den einzelnen irdischen Aufgaben und Werken und den normalen Verhältnissen des Familien- und Gesellschaftslebens, aus denen ihre Existenz gleichsam zusammengewoben ist“, sind die Laien von Gott gerufen, „ihre eigentümliche Aufgabe, vom Geist des Evangeliums geleitet, auszuüben und so wie ein Sauerteig zur Heiligung der Welt gewissermaßen von innen her beizutragen ... Ihre Aufgabe ist es also in besonderer Weise, alle zeitlichen Dinge, mit denen sie eng verbunden sind, zu durchleuchten und zu ordnen“.<ref> s. 4 Nr. 31 </ref>
12. Das Apostolat der Laien hat größere Transparenz der Zeichen und mehr kirchliche Dichte, wenn es sich auf das Zeugnis von Gruppen oder Glaubensgemeinschaften stützt, denen Christus besonders seine einende Gegenwart versprochen hat.<ref> Mt 18, 20 </ref> Auf diese Weise werden die Laien vollkommener ihren Auftrag erfüllen, die Kirche in der Welt, in der menschlichen Aufgabe und in der Geschichte „geschehend“ zu machen.
III. PASTORALE EMPFEHLUNGEN
13. In Übereinstimmung mit den klaren Prioritäten, die von der oben beschriebenen lateinamerikanischen Situation abgeleitet sind und die im Einklang mit den Fortschritten der vom II. Vatikanischen Konzil inspirierten Theologie des Laienstandes stehen, soll mit besonderem Nachdruck und Dringlichkeit die Schaffung von apostolischen Gruppen oder Laienbewegungen in den funktionalen Lebensbereichen oder Strukturen gefördert werden, in denen zum großen Teil der Prozess der Befreiung und Humanisierung der Gesellschaft, zu der sie gehören, erarbeitet und entschieden wird. Man sollte diese Gruppen mit einer angemessenen Koordinierung und einer auf die Beurteilung der Zeichen der Zeit in der Verflechtung der Ereignisse basierenden Pädagogik ausstatten.
14. Wo diese Gruppen und Bewegungen bereits existieren, sollen sie entschieden unterstützt und ermutigt werden, und ihre Mitglieder sollen nicht im Stich gelassen werden, wenn sie durch die sozialen Anforderungen des Evangeliums zu Engagements geführt werden, die schmerzhafte Konsequenzen mit sich bringen.<ref> Papst Paul VI.: Ansprache in der Messe am Tag der Entwicklung, Bogota, 23. August 1968 </ref>
15. Indem man die wachsende wechselseitige Abhängigkeit zwischen den Nationen und das Gewicht der internationalen Machtstrukturen erkennt, die in entscheidender Form die Unterentwicklung der peripheren Völker bedingen, sollen auch die Laien ihr christliches Engagement auf der Ebene der internationalen Bewegungen und Organismen annehmen, um den Fortschritt der ärmeren Völker zu fördern und die Gerechtigkeit der Nationen zu begünstigen.
16. Die Bewegungen des Laienapostolats, die soviel zur Aktion der Kirche beigetragen haben, behalten, in den Plan einer engeren Zusammenarbeit mit der Kirche gestellt, ihre Gültigkeit als organisiertes Apostolat. Sie müssen deshalb gefördert werden. Trotzdem soll man es vermeiden, an veralteten Vereinigungen und Methoden festzuhalten.<ref> II. Vat. Konzil, Dekret über das Laienapostolat „Apostolicam actuositatem“, Nr. 19 </ref>
17. Eine unverfälschte Spiritualität der Laien sollte, von ihrer eigenen Erfahrung des Engagements in der Welt ausgehend, gefördert werden, indem man die Laien unterstützt, sich im Dienst an den Menschen Gott zu schenken, und indem man sie lehrt, den Sinn des Gebetes und der Liturgie als Ausdruck und Nahrung dieser doppelten gegenseitigen Hingabe zu entdecken. „Die Christen sollen froh sein, in der Nachfolge Christi, der als Handwerker gearbeitet hat, ihre ganze irdische Arbeit so leisten zu können, dass sie ihre menschlichen, häuslichen, beruflichen, wissenschaftlichen oder technischen Anstrengungen mit den religiösen Werten zu einer lebendigen Synthese verbinden; wenn diese Werte nämlich die letzte Sinngebung bestimmen, wird alles auf Gottes Ehre hingeordnet“.<ref> s. 6 Nr. 43 </ref>
18. Die verschiedenen internationalen Laienapostolatsbewegungen, die durch ihre Koordinierungsorganismen unter so vielen Opfern dieses Apostolat im Kontinent fördern und aufbauen und dabei die besonderen Anforderungen seiner sozialen Problematik beachten, sollen die gebührende Anerkennung und Unterstützung erhalten.
IV. ANTRÄGE
19. Die Zweite Generalversammlung des Lateinamerikanischen Episkopates gibt dem Wunsch Ausdruck, dass die Nationalen Bischofskonferenzen so bald wie möglich die Verwirklichung der notwendigen Studien in Angriff nehmen, um das in der Nr. 26 des Dekretes „Apostolicam actuositatem“ Aufgestellte in ihrem eigenen Nationalbereich zu erfüllen, um einen Rat zu schaffen, der die „apostolische Arbeit der Kirche sowohl auf dem Gebiet der Evangelisierung und der Heiligung als auch in karitativen, sozialen und ähnlichen Bereichen unterstützt“.
20. Sie bittet den CELAM, dass er auch in Zusammenarbeit mit den interessierten Laien in den verschiedenen lateinamerikanischen Nationen mit der Verwirklichung einer Studie über die Möglichkeit, Gelegenheit und Form der Schaffung eines ähnlichen Rates auf regionaler lateinamerikanischer Ebene beginnt, wie er in dem zitierten Abschnitt vorgesehen ist, um über eine angemessene Plattform der Begegnung, des Studiums, des Dialogs und des Dienstes auf kontinentaler Ebene zu verfügen.
11. PRIESTER
BEMERKUNGEN ÜBER DIE AUGENBLICKLICHE SITUATION
Begründung
1. Die umfassenden Wandlungen der heutigen lateinamerikanischen Welt berühren notwendigerweise die Priester in ihrem Amt und ihrem Leben.
Darum wollten wir Bischöfe mit dem Ziel nachdenken, zur Orientierung der priesterlichen Erneuerung in dieser schweren Stunde des Kontinents beizutragen.
Verschiedenheit der konkreten Situationen
2. Die Folgen der Wandlungen sind weder in allen Ländern noch in allen Sektoren innerhalb eines jeden Landes die gleichen. Sie berühren in besonderer Weise die jungen Menschen und jene Priester, die an den Brennpunkten der gegenwärtigen Situation des Wandels engagiert sind.
Diese Folgen sind auf besondere Weise durch die größere Wertung einiger Aspekte des Priesteramtes und des priesterlichen Lebens und den Wegfall anderer Aspekte gekennzeichnet.
In beiden Fällen sind positive und negative Elemente vorhanden. Deren Zusammenfassung erscheint jedoch eher konstruktiv und berechtigt zu Hoffnungen.
Quantitative und qualitative Verteilung der Priester
3. Als allgemeine Ursache der pastoralen Unzulänglichkeiten in Lateinamerika wird häufig der zahlenmäßige Mangel an Priestern angeführt, besonders dann, wenn man ihn in Relation zum Bevölkerungswachstum misst.
Trotz der großzügigen Integration von Priestern aus anderen Ortskirchen und obwohl nicht wenige Orden versuchen, in solchen Gebieten Niederlassungen zu errichten, in denen der diözesane Klerus nicht ausreicht, ist das eine Tatsache. Wir erkennen trotz alledem an, dass es Irrtümer hinsichtlich der Verteilungsordnung gibt, die die Qualität der Pastoralarbeit beeinflussen:
a) Das erste, was ins Auge sticht, ist die ausgesprochene Personalanhäufung in den entwickelten Ortskirchen und der Mangel an Personal in bedürftigen Regionen ein und desselben Landes und sogar ein und derselben Diözese oder Stadt;
b) es gibt Ortskirchen, in denen reichlich Pfarrklerus vorhanden ist, denen es aber an spezialisierten Priestern mangelt. Es gibt Regionen und Diözesen, für die es von Nutzen wäre, wenn sie (wenn auch nur vorübergehend) Hilfe von spezialisierten Priestern erhielten, deren Dienste man bisher nicht genügend nutzt.
Betrachtung der priesterlichen Charismen
4. Das hierarchische Priestertum ist sicherlich bereichert durch das erneuernde Wirken des Heiligen Geistes, der seine Kirche immer mit Charismen ausstattet. Dennoch ist auf diesem Gebiet festzustellen, dass die Oberen der charismatischen Differenzierung nicht immer genügend Beachtung schenken, eine Tatsache, die eine größere Wirksamkeit des priesterlichen Amtes in negativer Weise beeinflußt. Andererseits fehlt es nicht an Priestern, die die Gaben des Heiligen Geistes mit lediglich natürlichen Neigungen und individuellen Interessen verwechseln, ohne dabei ausreichend die Perspektiven der Gemeinschaft, für deren Dienst die Charismen gewährt werden, zu berücksichtigen.
Aspekte der persönlichen Krise
5. Es besteht vor allem für den persönlichen Glauben des heutigen Priesters Gefahr. Dazu trägt eine Menge Elemente von besonderer Komplexität bei.
Es muss vor allem eine gewisse Oberflächlichkeit in der geistigen Bildung und eine doktrinäre Unsicherheit genannt werden, die sowohl durch den vorherrschenden ideologischen Relativismus und eine gewisse theologische Verwirrung<ref> Papst Paul VI.: Ansprache bei der Eröffnung der Zweiten Generalversammlung des Lateinamerikanischen Episkopates Bogota, 24. August 1968 </ref> verursacht wird als auch durch die gegenwärtigen Vorstöße der Offenbarungswissenschaften und vor allem der anthropologischen Wissenschaften, über die viele Priester nicht die notwendige Information besitzen oder noch nicht zur vollkommenen Annahme einer Synthese gekommen sind.
Man nimmt außerdem in dieser Stunde des Übergangs ein wachsendes Misstrauen gegenüber den historischen Strukturen der Kirche wahr, was bei einigen zur Verachtung alles Institutionellen führt und eben diese Aspekte der göttlichen Institution gefährdet.
Uns scheint, dass diese Gefahr für den Glauben letztlich das schädlichste Element für den Priester von heute ist.
6. Der Priester von heute spürt die Notwendigkeit eines lebendigeren Ausdrucks seines Gebetes, seiner Askese und seiner Weihe.
Die Überwindung der Zweiteilung von Kirche und Welt und die Notwendigkeit einer stärkeren Präsenz des Glaubens in den zeitlichen Werten verlangt die Annahme neuer Formen der Spiritualität gemäß den Richtlinien des II. Vatikanischen Konzils.
Ohne vorher einen gültigen Übergang zu neuen Formen zu sichern, befreien sich nicht wenige Priester mit dem Risiko, vom Traditionellen in eine unheilvolle Schwächung ihres geistigen Lebens zu geraten.
Dieser Verfall der Spiritualität ist besonders gefährlich, weil der Priester leicht seine eigene Krise auf die Gemeinschaft überträgt, in der er lebt.
7. In Bezug auf den priesterlichen Zölibat haben eine lobenswerte Vertiefung der Gemütswerte der menschlichen Person, aber auch eine Erotisierung der Umwelt, verbunden mit der häufigen Vernachlässigung des geistlichen Lebens und andere Gründe den Weg für eine neue und differenzierte Problematik freigemacht.
Einige stützen ihre Argumente auf pastorale oder psychologische Gründe oder bringen theologische Überlegungen bei, die die Unterscheidung zwischen Charisma und Amt abgrenzen, während andere die Kraft der mit der Weihe übernommenen Verpflichtungen selbst zu schmälern suchen.
8. Heute ist im priesterlichen Amt leicht eine Spannung zwischen den neuen Anforderungen des Auftrags und einer gewissen Form der Autoritätsausübung festzustellen, die eine Gehorsamskrise mit sich bringen kann.
Das lebendigere Bewusstsein für die Würde und Verantwortung der Person, die gegenwärtig größere Aufgeschlossenheit für die Ordnung der Werte als für die Ordnung der Normen, die neue Konzeption des hierarchischen Amtes als kollegiale Struktur, das Verständnis der Autorität als Dienst, die Unterscheidung zwischen dem spezifischen Gehorsam des Ordensangehörigen und dem Gehorsam des Priesters<ref> II. Vat. Konzil, Dekret über die zeitgemäße Emeuerung des Ordenslebens „Perfectae caritatis“, Nr. 14, verglichen mit dem Dekret über Dienst und Leben der Priester „Presbyterorum ordinis“, Nr. 15 </ref> sind Anzeichen eines neuen, sehr positiven, aber spannungsvollen Klimas.
Wenn dazu noch die unvermeidlichen Unvollkommenheiten der Personen kommen, wird man leicht das Zusammentreffen schwieriger Probleme in der Ausübung des priesterlichen Amtes verstehen.
In diesem Zusammenhang kann besonders eine gefährliche Verblendung einiger Priester in Bezug auf das päpstliche und bischöfliche Amt erwähnt werden, die nicht nur einen Mangel an Gehorsam, sondern auch an Glauben mit sich bringen kann.
9. Auch tauchen Zweifel über die eigene priesterliche Berufung auf, die durch verschiedene charakteristische Faktoren in dieser Stunde der kirchlichen Erneuerung motiviert werden:
a) die wachsende Wertung der Rolle des Laien in der Entwicklung der Welt und der Kirche;
b) die moderne Auseinandersetzung über die Rolle und die Gestalt des Priesters in der Gesellschaft;
c) die Oberflächlichkeit, mit der das eigene Priestertum in religiösen Routinediensten und in einer verbürgerlichten Lebensform wahrgenommen und gelebt wird.
10. Es gibt auch eine Krise unter denjenigen Priestern, die sich durch ihr Alter und durch die erhaltene Bildung nicht befähigt fühlen, die vom Konzil geförderten Erneuerungswandlungen zu übernehmen.
11. Viele Priester beklagen, dass die Überprüfung des Kollektensystems, die schon wegen ihrer eigenen Komplexität langsam verläuft, ihre Kirchen noch in bedauernswerter Not beläßt und bitten, soweit sie von den unvermeidlichen administrativen Reformen berührt werden, dass man die schnelle Annahme der konziliaren Hinweise erleichtern möge.
II. ELEMENTE DER PASTORALEN ÜBERLEGUNG
Priestertum Christi
12. Im Neuen Bund ist Jesus Christus, der auferstandene Herr, der einzige Priester und unermüdliche Fürsprecher beim Vater für die Menschen. Das hierarchische Amt der Kirche – Sakrament dieser einzigen Mittlerschaft auf Erden – bewirkt, dass die Priester unter den Menschen „in persona Christi“ handeln.
Sie haben Anteil an dem, was Paul VI. über Christus, den Höchsten und Ewigen Priester sagte: „... Du bist nicht Scheidewand, sondern Ursprung; du bist nicht Hindernis, sondern Weg; du bist nicht irgendein Prophet, sondern der einzige und notwendige Interpret des religiösen Geheimnisses ... Du bist die Brücke zwischen dem Königreich der Erde und dem Königreich des Himmels ... Du bist notwendig und ausreichend für unsere Rettung ...“.<ref> Papst Paul VI.: Ansprache an die Neupriester und Diakone, Bogota, 22. August 1968 </ref>
13. In seinem Priestertum hat Christus die dreifache Funktion des Propheten, Liturgen und Hirten vereinigt; so richtete er im Priesteramt seiner Kirche eine spezifische Besonderheit ein.
Darum dürfen die Priester, obwohl sie mit Amtsaufgaben befasst sind, in denen einer der Aspekte dieser dreifachen Mission betont wird, weder die anderen vergessen noch die innerliche Einheit der ganzheitlichen Tätigkeit ihres Amtes schwächen, weil das Priestertum Christi unteilbar ist.<ref> II. Vat. Konzil, Dekret über Dienst und Leben der Priester „Presbyterorum ordinis“, Nr. 8 </ref>
Hierarchische Einheit
14. Im mystischen Leib Christi sind die Bischöfe und Priester durch das Sakrament geweiht, um das Priesteramt als organisches Ganzes auszuüben, das Christus als Haupt offenbart und vergegenwärtigt. Die Priester, sowohl die diözesanen als auch die Ordenspriester, sind in dieses organische Ganze eingefügt, um Mitarbeiter im Bischofsamt zu sein.<ref> II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche „Lumen gentium“, Nr. 21 </ref>
Daraus folgt als unvermeidliche Konsequenz die innige Gemeinschaft der Freundschaft, der Liebe, der Bemühungen, Interessen und Arbeiten zwischen Bischöfen und Priestern, derart, dass man sich weder einen Bischof getrennt oder fern von seinen Priestern noch einen Priester fern vom Amt des Bischofs vorstellen kann. So müssen alle Priester – unter sich verbunden durch eine wahre „sakramentale Bruderschaft“<ref> s. 4 Nr. 8 </ref> – in der Solidarität ein und derselben Weihe fähig sein, zusammenzuleben und vereint zu handeln.
15. Die angemessene Mitverantwortung zwischen Bischöfen und Priestern erfordert einen Dialog, in dem auf beiden Seiten Freiheit und gegenseitiges Verständnis vorhanden sein sollten, sowohl in Bezug auf die zu behandelnden Angelegenheiten als auch in der Art, wie sie diskutiert werden.
Das wird dazu beitragen, die gemeinsame Aufgabe des Priesteramtes besser zu verstehen und ein neues Klima schaffen, in dem es einfacher sein wird, gewisse Spannungen des Gehorsams durch die gemeinsame Suche nach dem Willen des Vaters zu überwinden.
Kirchliche Gemeinschaft
16. Die Bischöfe haben zusammen mit den Priestern den Dienst an der Gemeinschaft<ref> s. 5 Nr. 20 </ref> übernommen, durch den sie sich dem Aufbau und der Leitung der kirchlichen Gemeinschaft als Zeichen und Instrumente ihrer Einheit widmen müssen.<ref> s. 4 Nr. 6 </ref>
Die Priester handeln in der Gemeinschaft als besondere Mitglieder, die mit dem ganzen Volk Gottes dasselbe Mysterium und denselben und einzigen Erlösungsauftrag teilen.
In dieser Gemeinschaft haben die Laien wegen ihres allgemeinen Priestertums das Recht und die Pflicht, eine unersetzliche Mitarbeit in der pastoralen Arbeit zu leisten. Darum ist es die Pflicht der Priester, mit ihnen den Dialog nicht nur von Zeit zu Zeit, sondern als ständige Einrichtung zu führen.<ref> II. Vat. Konzil, Dekret über das Laienapostolat „Apostolicam actuositatem“, Nr. 3 </ref>
Das gleiche gilt in Bezug auf die Ordensfrauen und die Ordensmänner, die nicht Priester sind.
Dienst an der Welt
17. Jeder geweihte Priester ist „aus den Menschen genommen und für die Menschen bestellt in ihren Anliegen vor Gott“.<ref> Hebr 5, 1 </ref>
Die sakramentale Weihe stellt den Priester zum Dienst an den Menschen in die Welt.
Es ist von besonderer Bedeutung zu betonen, dass die priesterliche „Weihe“ von Christus zur „Mission“ der Rettung des Menschen eingesetzt wurde. Das erfordert in jedem Priester eine besondere Bereitschaft des Dienstes am Menschen, die sich in einer lebendigen missionarischen Dimension ausdrücken soll und ihn veranlaßt, seine amtlichen Bemühungen in den Dienst der Welt mit ihrem großartigen Dasein und ihren demütigenden Sünden zu stellen. Außerdem bringt das einen klugen und andauernden Kontakt mit der Realität mit sich, in der Weise, dass die Weihe des Priesters eher eine besondere Art der Präsenz in der Welt darstellt als eine persönliche Absonderung.<ref> s. Nr. 3 </ref>
18. Die lateinamerikanische Welt hat sich einer gigantischen Anstrengung verpflichtet, den Entwicklungsprozess im Kontinent zu beschleunigen.
In dieser Aufgabe kommt dem Priester eine spezifische und unerläßliche Rolle zu. Er ist nicht bloß Förderer des menschlichen Fortschritts.
Indem er die Bedeutung der zeitlichen Werte entdeckt, muss er sich bemühen, „die menschlichen, häuslichen, beruflichen, wissenschaftlichen oder technischen Anstrengungen mit den religiösen Werten zu einer lebendigen Synthese zu verbinden; wenn diese Werte nämlich die letzte Sinngebung bestimmen, wird alles auf Gottes Ehre hingeordnet“.<ref> II. Vat. Konzil, Pastorale Konstitution über die Kirche in der Welt von heute „Gaudium et spes“, Nr. 43 </ref>
Darum soll er durch sein Wort und sein apostolisches Handeln und durch das Handeln der kirchlichen Gemeinschaft versuchen, dass alle zeitliche Tätigkeit ihren ganzen Sinn geistlicher Liturgie erhält, indem sie lebendig in die Eucharistiefeier eingegliedert wird.
19. Um die ganzheitliche Entwicklung des Menschen zu fördern, soll der Priester die Laien bilden und sie ermutigen, aktiv und mit christlichem Bewusstsein an der Technik und der Ausarbeitung des Fortschritts teilzunehmen. Aber in Bezug auf die wirtschaftliche und soziale, und vor allem auf die politische Ordnung, in der sich verschiedene konkrete Wahlmöglichkeiten anbieten, obliegt dem Priester als solchem in direkter Weise weder die Entscheidung noch die Führerschaft und auch nicht die Strukturierung von Lösungen.
III. EINIGE SchlussFOLGERUNGEN ZUR ORIENTIERUNG
Spiritualität
20. Die priesterliche Spiritualität muss persönlich gelebt und mit der Ausübung des Amtes wesentlich verbunden sein.<ref> s. 4 Nr. 13 </ref>
Unter allen Anforderungen dieser Spiritualität ist keine größer und notwendiger als die eines vertieften und beständigen Glaubenslebens.
Durch dieses Glaubensleben muss der Priester die vollkommene Einheit Christi mit dem Vater sichtbar machen: „Wer mich sieht, sieht den Vater“,<ref> Joh. 14, 9 </ref> und mit dem heiligen Paulus bezeugen können: „Ahmt mein Beispiel nach, wie auch ich Christi Nachahmer bin“.<ref> 1 Kor 11, 1 </ref>
Daher ist vor allem wichtig, dass der Priester ein Mann des Gebetes ist.
Ein Priester, dessen Leben nicht Zeugnis dieses Glaubensgeistes wäre, könnte niemals als würdiger Amtsträger Christi, des Herrn, anerkannt werden.
21. Die Hirtenliebe, die durch das Sakrament der Weihe verliehen wird, muss heute die Priester antreiben, mehr denn je für die Einheit der Menschen zu arbeiten, bis zur Hingabe des Lebens für sie, wie es der Gute Hirte tun würde.<ref> s. 4 Nr. 13 </ref> In der Ausübung dieser Liebe, die den Priester innigst mit der Gemeinschaft verbindet, wird man das Gleichgewicht der menschlichen Personalität, die für die Liebe geschaffen ist, finden, und man wird die großen Reichtümer wiederentdecken, die im Charisma des Zölibats in seiner ganzen christologischen, ekklesiologischen, eschatologischen und pastoralen Sicht enthalten sind.<ref> s. 4 Nr. 16 und Papst Paul VI.: Enzyklika „Sacerdotalis coelibatus“ </ref>
Amt
22. Eine klare Konsequenz der konziliaren Ausrichtung ist die Überwindung der Einförmigkeit des Priesterbildes. Die Priester „ob sie nun ein Pfarramt oder ein überpfarrliches Amt ausüben, ob sie sich der Wissenschaft widmen oder ein Lehramt versehen, ob sie ... sogar Handarbeit verrichten und damit selbst am Los der Arbeiter teilhaben oder sich anderen apostolischen oder auf das Apostolat ausgerichteten Werken widmen“,<ref> s 4 Nr. 8 </ref> üben ihr Amt in Übereinstimmung mit den pastoralen Anforderungen der charismatischen Verschiedenheiten aus. Trotzdem muss man in Bezug auf die Charismen daran erinnern, dass es denjenigen, die der Kirche vorstehen, zukommt, über die Echtheit und den ordnungsgemäßen Gebrauch jener Gaben zu urteilen.<ref> s. 5 Nr. 12; s. 9 Nr. 3 </ref> Auf diesem Gebiet muss man eine Pastoralplanung zur besseren Verteilung der Priester, sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht berücksichtigen.
Dialog und Zusammenarbeit
23. Im Hinblick auf die hierarchische Einheit des Priesteramtes scheint es geraten, die angemessene Mitverantwortung der Priester mit dem Bischofsamt in institutionalisierter Form zu sichern.
24. Es ist von außerordentlicher Bedeutung, „Pastoralräte“ ins Leben zu rufen, die unleugbar zu den originärsten, durch das Konzil angeregten Institutionen gehören und mit das wirksamste Instrument der Erneuerung der Kirche in ihrer Tätigkeit der „Pastoral de conjunto“ darstellen.
25. Die Isolierung, in der viele Priester leben, steht im Gegensatz zum tiefen Sinn der Einheit des Priestertums.
Damit die gemeinsame Verantwortung sich auch wirklich über die lokale Kirche verteilen kann, empfehlen wir dringend, dass man das Leben der priesterlichen Gruppen in seinen verschiedenen Formen fördert.
Es sollen Priesterzentren geschaffen werden, in denen sich alle Priester zu ihrer persönlichen Vervollkommnung in einem brüderlichen Klima und in häufigem Kontakt mit dem Bischof treffen können.
Kulturelle Werte
26. Es ist heute dringend, die kulturelle Erneuerung der Priester zu ermöglichen, indem man ihnen angemessene Zeit und Mittel zur Verfügung stellt.
An erster Stelle wird es notwendig sein, ihnen dabei zu helfen, sich die großen theologischen Orientierungen des Konzils und die wichtigsten Fortschritte der Offenbarungswissenschaften mit Gründlichkeit anzueignen.<ref> s. 4 Nr. 19 </ref>
Damit wird auch eine größere Anpassung an jeglichen menschlichen Fortschritt notwendig. Die Aufgabe des Priesters erfordert tatsächlich eine verkörperte und dynamische, fortwährend aktualisierte und vertiefte Kultur, die sich nicht auf eine bloße intellektuelle Kultivierung beschränkt, sondern den ganzen Sinn des Menschseins umfasst, bereichert durch seine lebendigen, priesterlich gelebten Werte.<ref> s. 4 Nr. 3 </ref>
Lebensstil und Lebensunterhalt
27. Eines der unerläßlichen Charakteristiken der priesterlichen Spiritualität, besonders erforderlich aufgrund unserer kontinentalen Situation, ist die evangelische Armut.
Die Priester sollen Zeugen des Gottesreiches sein, indem sie arm im Herzen sind und Jesus Christus nacheifern, aber auch indem sie die wirtschaftlichen Güter zugunsten des armen Christus, der täglich in den Bedürftigen gegenwärtig ist, pastoral nutzen und werten.<ref> s. 4 Nr. 17 </ref>
Die evangelische Armut, die in der Kirche den verschiedenen Berufungen entsprechend gelebt wird, muss sich für die Diözesanpriester in einem Lebensstil konkretisieren, der ihnen die wirtschaftlichen Möglichkeiten gibt, sich an ein Amt mit besonderer gemeinschaftlicher Situation anzupassen.
Es soll das Bemühen der Bischöfe und ihrer Priesterschaft sein, für die konkrete Verwirklichung eines Unterhaltssystems der Priester Sorge zu tragen, das einerseits jeden Anschein von Gewinnsucht bei dem Geweihten vermeidet und andererseits die gemeinsam zusammengetragenen diözesanen Einkünfte gerecht auf alle Pfarreien verteilt.<ref> s. 4 Nr. 21 </ref>
Besonders die Bischofskonferenzen sollen sobald wie möglich eine angemessene Sozialversicherung für den Klerus schaffen.
IV. BRÜDERLICHER GRUSS
An unsere Priester
28. Wir Bischöfe fühlen uns mit allen geliebten Brüdern verbunden, die sich in heiterer Gelassenheit und Frieden, die den Reichtum ihrer Liebe zur Kirche und zu den Menschen augenscheinlich machen, den Problemen und Unruhen stellen. Gemeinsam werden wir versuchen, unsere Antwort auf die Probleme des heutigen Menschen zu geben. Gestützt auf die Gnadenbitte Gottes werden wir gemeinsam nachdenken, um die Zeichen der Zeit zu erkennen. Im Evangelium werden wir das leuchtende Bild Christi, des Herrn, finden.
Wir rechnen mit der Hilfe der Priester, um diesen Dienst in einer Kirche zu leisten, die mit Freude und Vertrauen die Aufgabe ergreift, mit Christus, dem Ewigen Hirten, alle Menschen zum Haus des Vaters zu führen.
Es ist in besonderem Maße gerecht, all jenen Priestern unsere Anerkennung auszusprechen, die in entfernter und jüngster Vergangenheit für die Völker Lateinamerikas gelebt, gearbeitet und sich hingegeben haben.
Wir dürfen auch nicht unterlassen, unsere innigste Anerkennung gegenüber den zahlreichen Priestern und Ordensleuten der Ortskirchen zu bezeugen, die ihre Heimat, Traditionen und Freunde verlassen haben und kamen, um sich der apostolischen Aufgabe anzuschließen, die wir allein nicht hätten erfüllen können.
An diejenigen, die sich in einer Krise befinden
29. Wir richten uns auch an die geliebten Mitarbeiter, die nach Jahren der Treue und des Verzichts an den Nöten sehr verschiedener Krisen leiden. Wir wissen, dass ihre Situation manchmal und zum Teil Frucht der Aufrichtigkeit und Echtheit ist. Es soll zwischen ihnen und uns ein gegenseitiges Vertrauen herrschen, und trotz unserer Unzulänglichkeiten bis hin zu möglichen, wenn auch nicht beabsichtigten Fehlern, sollen sie mit ungebrochenem Geist glauben, dass wir durch göttliche Anordnung auch für sie vor dem Vater verantwortlich sind.
Sie mögen uns erlauben, ihnen zu helfen, und im Zusammenleben mit den Priesterbrüdern, die im Weinberg des Herrn leben und leiden, sollen sie Unterstützung und Solidarität suchen. Vor allen Dingen mögen sie sich nicht vom innigen und vertrauenden Kontakt mit Christus entfernen, der sie nicht als Knechte, sondern als Freunde betrachtet. Sie sollen wissen, dass wir für sie zum Vater des Lichtes beten.
An diejenigen, die sich entfernten
30. Den Priestern, die sich mit der Zustimmung der zuständigen Autoritäten oder ohne deren Zustimmung als Folge einer Krise, über die letztlich nur Gott ein Urteil zukommt, vom Priesteramt entfernten, sagen wir, dass wir sie mit dem Siegel des Priestertums gezeichnet wissen und dass wir sie wie Brüder respektieren und wie Söhne lieben.
Sie werden immer unser Herz geöffnet finden, ihnen im Rahmen unserer Möglichkeiten Hilfe zu gewähren, damit sie, indem sie das sichtbare Band der Wesenseinheit in der Kirche Christi bewahren oder erneuern, Zeugnis vom Reich Gottes geben, für das sie geweiht wurden.
12. ORDENSLEUTE
I. SENDUNG DER ORDENSLEUTE
1. Die Liebe zu Gott und zum Nächsten ist die einzige Heiligkeit, die all jene üben, die, geführt vom Heiligen Geiste, Christus in jedem Lebensstand und Beruf, zu dem sie gerufen worden sind, nachfolgen.<ref> II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche „Lumen gentium“, Nr. 41 und 42 </ref>
In der Kirche „sind alle zur Heiligkeit berufen“,<ref> s. 1 Nr. 39 </ref> sowohl diejenigen, die zur Hierarchie gehören, als auch die Laien und Ordensleute; zu einer Heiligkeit, die sich in der Nachfolge des Herrn, durch die Liebe verwirklicht. Der Christ wurde durch die Taufe Christus gleichgestaltet,<ref> s. 1 Nr. 7 </ref> was nachher durch das Wirken Gottes und die Treue des Menschen wachsen muss bis zum „Vollmaß der Gestalt in der Fülle Christi“.<ref> Eph 4, 13 </ref> Jeder einzelne soll versuchen, die Heiligkeit durch gelebte Nächstenliebe, entsprechend den eigenen Charakteristiken seines Lebensstandes zu erlangen.
2. In dieser Zeit der Revision fragen sich viele nach der Stellung der Ordensleute in der Kirche und nach ihrer besonderen Berufung innerhalb des Gottesvolkes. Im Laufe der Kirchengeschichte hatte das Ordensleben immer – und hat es jetzt mit größerem Grund – eine prophetische Aufgabe, nämlich eschatologisches Zeugnis zu sein. Jeder Christ – sei er Ordensangehöriger oder Laie – muss das Reich Gottes suchen, indem er sich durch die Liebe mit Christus identifiziert, im Geheimnis seiner Fleischwerdung, seines Todes und seiner Auferstehung, die in der Eschatologie gipfelt. Aber das Eigentliche und Charakteristischste des Ordensangehörigen ist, dass er sein ganzes Leben in den Dienst Gottes stellt, und so die Nächstenliebe durch „eine besondere Weihe, die zutiefst in der Taufweihe wurzelt und diese voller zum Ausdruck bringt“,<ref> II. Vat. Konzil, Dekret über die zeitgemäße Erneuerung des Ordenslebens „Perfectae caritatis“, Nr. 5 </ref> lebt. Diese besondere Weihe ist eine Verpflichtung, mit größerer Intensität den eschatologischen Aspekt des Christentums zu leben, um innerhalb der Kirche auf spezielle Weise „Zeuge der Stadt Gottes“ zu sein.
3. Das heißt einerseits, dass der Ordensangehörige sich heute mit größerer Kühnheit als zu anderen Zeiten in die reale Welt eingliedern muss: Er darf sich weder den sozialen Problemen, dem demokratischen Sinn, der pluralistischen Mentalität, noch den Menschen, die in seiner Umgebung leben, fern fühlen. Und so fordern die konkreten Lebensumstände Lateinamerikas (Nationen auf dem Entwicklungsweg, Priestermangel) von den Ordensleuten, entsprechend dem eigenen Charisma, eine besondere Bereitschaft, sich in eine wirksame Pastoral einzufügen.
Andererseits muss der Ordensangehörige in einer Welt, die in gefährlicher Weise versucht ist, sich im Zeitlichen häuslich einzurichten, mit einer daraus folgenden Abkühlung des Glaubens und der Nächstenliebe, Zeichen dafür sein, dass das Volk Gottes keine bleibende Heimstatt in dieser Welt hat, sondern, dass es die zukünftige sucht. Der Ordensstand, „der seine Glieder von den irdischen Sorgen mehr befreit, macht mehr die himmlischen Güter, die schon in dieser Zeit gegenwärtig sind, auch allen Gläubigen kund, bezeugt das neue und ewige, in der Erlösung Christi erworbene Leben und kündigt die zukünftige Auferstehung und die Herrlichkeit des Himmelsreiches an“.<ref> s. 1 Nr. 44 </ref> Oder, wie es an anderer Stelle ausgedrückt wird: „Die Ordensleute geben durch ihren Stand ein deutliches und hervorragendes Zeugnis dafür, dass die Welt nicht ohne den Geist der Seligpreisungen verwandelt und Gott dargebracht werden kann“.<ref> s. 1 Nr. 31 </ref>
Wenn es wahr ist, dass die Ordensleute einen gewissen Abstand von den Realitäten der gegenwärtigen Welt halten, tun sie es nicht aus Verachtung vor der Welt, sondern mit der Absicht, an deren vorübergehenden und relativen Charakter zu erinnern.
4. Das Zeugnis der Ordensleute ist nicht irgend etwas Abstraktes, sondern etwas Existentielles, Zeichen der transzendenten Heiligkeit der Kirche. Durch diese spezielle Weihe will man in größerer Fülle jene persönliche Identifikation mit Christus leben, die in der Taufe begonnen hat. Diese Identifikation drückt sich hauptsächlich durch die heilige Keuschheit aus, durch die die Ordensleute „dem Herrn mit ungeteilter Liebe anhangen“<ref> II. Vat. Konzil, Dekret über die Ausbildung der Priester „Optatam totius“, Nr. 10 </ref> und durch die Nächstenliebe im Gemeinschaftsleben, die ein Vorzeichen der vollkommenen Einheit im zukünftigen Gottesreich ist.
In den tätigen Kongregationen ist das apostolische Wirken als missionarische Tätigkeit, das auch auf die eschatologische Fülle<ref> II. Vat. Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche „Ad gentes“, Nr. 9 </ref> abzielt, keine herausgelöste Aufgabe des Ordenslebens, sondern eine Bekundung des Gottesplanes in der Heilsgeschichte.
5. Das Zeugnis der künftigen Welt drückt sich auf besondere Weise im kontemplativen Ordensleben aus, das eine Gegenwart und Vermittlung des Gottesgeheimnisses in der Welt ist. Ihm kommt in der lateinamerikanischen Situation dadurch eine bedeutende Rolle zu, dass die Kontemplativen mit ihrem Glaubensleben und ihrer Entsagung zu einer christlicheren Sicht des Menschen und der Welt einladen.
Damit dieses Zeugnis authentisch werde, ist sowohl im tätigen als auch im kontemplativen Ordensleben eine innige Beziehung zu Gott nötig, und zwar durch das persönliche Gebet und eine Vertiefung im Sinne der Nächstenliebe, deren bester Ausdruck die Feier der Eucharistie ist.
6. Von diesen Prinzipien ausgehend, werden wir besonderen Nachdruck auf jene Aspekte des Ordenslebens legen, die direkten Bezug zur Entwicklung und zur Pastoral in Lateinamerika haben, den Themen dieser Konferenz.
II. „AGGIORNAMENTO“
7. Die durch den Entwicklungsprozess in der lateinamerikanischen Welt verursachten Wandlungen einerseits und die Pläne der „Pastoral de conjunto“, durch die die lateinamerikanische Kirche sich in unsere konkreten Realitäten von heute einfügen will andererseits, erfordern eine ernsthafte und methodische Überprüfung des Ordenslebens und der Struktur der Gemeinschaft. Dies ist eine unerläßliche Bedingung, damit die Ordensleute ein deutliches und wirksames Zeichen innerhalb der heutigen Welt sind.
8. Manchmal wird die Trennung zwischen dem Ordensleben und der Welt nicht richtig interpretiert: Es gibt Gemeinschaften, die künstliche Schranken aufrechterhalten oder schaffen, weil sie vergessen, dass das Gemeinschaftsleben sich zum menschlichen Milieu hin öffnen muss, das es umgibt, um die Nächstenliebe auszustrahlen und alle menschlichen Werte zu umfassen.
Ergebnis der wahren Nächstenliebe ist die Flexibilität des Geistes, um sich an jede Art von Lebensumständen anzupassen. Der Ordensangehörige muss eine vollkommene Bereitschaft haben, um dem Rhythmus der Kirche und der heutigen Welt in dem Rahmen zu folgen, den der Ordensgehorsam aufzeigt. Er muss sich an die kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen anpassen, auch wenn das die Reform von Gebräuchen und Regeln oder die Abschaffung von Werken, die heute ihre Wirksamkeit verloren haben, voraussetzen würde. Die Gebräuche, die Tagesordnungen und die Regeln, sollen die apostolischen Aufgaben erleichtern.
9. Es ist notwendig, die Unruhen und Fragen der Jugend, die im allgemeinen eine Haltung der Großzügigkeit und des Engagements gegenüber der Umwelt entwickelt, in Betracht zu ziehen. Andererseits muss der „Generationenkonflikt“ ernsthaft angesprochen werden, der nicht nur als Konflikt zwischen einem System der Normen und einem System der Werte gekennzeichnet ist, sondern auch durch die Tatsache, dass gewissen Werten kein absoluter Charakter mehr zugebilligt wird. Dieser „Relativismus“ verursacht in der Jugend, und mehr noch in den Erwachsenen, einen Zustand der Unsicherheit, der die Werte des religiösen Lebens und sogar des Glaubens berührt. Es ist deshalb notwendig, eine persönlichkeitsbildende Erziehung zu vermitteln, die sie dazu führt, sich durch stufenweise persönliche Entscheidungen, die als Ziel das echte Leben der evangelischen Werte haben sollen, zu verwirklichen.
Wir bemerken auch, dass durch diese Situation des Wandels und der Unsicherheit zahlreiche Austritte aus dem Ordensleben vorkommen. In diesen Fällen ist ein Geist des brüderlichen Verständnisses notwendig, der denjenigen, die ihre Institute verlassen, die psychologische und soziale Wiedereingliederung weitgehend erleichtert.
Ordensleben und Teilnahme an der Entwicklung
10. Die brüderliche Liebe zu allen Gliedern des mystischen Leibes muss aus dem „mit Christus verborgenen Leben in Gott“ geboren werden und die Quelle allen Apostolats sein.<ref> s. 5 Nr. 6 </ref> Das Apostolat seinerseits muss zur Einheit der Nächstenliebe führen. Für die Angehörigen der tätigen Orden kann die apostolische Tätigkeit nicht als etwas Zweitrangiges angesehen werden, „sondern sie gehört eher zum eigentlichen Wesen des Ordensleben ... Das ganze Ordensleben der Mitglieder muss dann vom apostolischen Geist durchdrungen und alle apostolische Arbeit vom Ordensgeist geprägt sein“.<ref> s. 3 Nr. 8 </ref>
Die Integration des apostolischen Lebens (in allen seinen Äußerungen) in das eigene Leben der Ordensinstitute stellt sich in Lateinamerika als Problem dramatischer Ausmaße dar, besonders unter den jungen Ordensleuten, die durch die Bedingtheiten des Humanisierungsprozesses des Kontinents aufgeschlossener sind.
Nach Ansicht dieser jungen Ordensleute gibt es eine praktische Spaltung zwischen der Gesamtheit der Ordensregeln, denen man den Namen „Leben nach der Regel“ gibt und der Teilnahme an der Entwicklung des lateinamerikanischen Menschen.
Das verursacht eine harte Kritik an ihren eigenen Instituten und Gemeinschaften, weil sie das so verstandene Ordensleben einer fundamentalen Veräußerlichung in Bezug auf das christliche Leben und der Unangepaßtheit an die heutige Welt anklagen.
Die Krise der Ordensgemeinschaften nimmt an Umfang zu, während die Zahl derjenigen abnimmt, die in sie eintreten wollen.
11. Darum empfehlen wir den Ordensleuten:
a) eine Theologie und Spiritualität des apostolischen Lebens zu entwickeln und zu vertiefen, denn es ist notwendig, eine Mentalität zu erwerben, die in übernatürlicher Weise die Bußelemente wertet, die das Apostolat einschließt, und die Ausübung der theologischen und moralischen Tugenden betont, die es mit sich bringt;
b) sich der schweren sozialen Probleme breiter Schichten des Volkes, in dem wir leben, bewusst zu werden.
12. Die gegenwärtige Situation darf die Ordensleute nicht untätig lassen. Obwohl sie nicht in die Leitung des Zeitlichen eingreifen sollen, müssen sie doch in zweifacher Hinsicht direkt mit den Personen arbeiten: Einmal sollen sie die Menschen dazu führen, ihre fundamental menschliche Würde zu leben, zum anderen sollen sie den Menschen in Bezug auf die Heilsgüter dienen.
Wir halten die Mitarbeit der Ordensleute in der Entwicklung für etwas Vitales und mit ihrer eigenen Berufung eng Verbundenes. „Alle müssen sich hochherzig daran beteiligen, vor allem jene, die durch Erziehung, Stellung und Einfluß große Möglichkeiten haben“.<ref> Papst Paul VI.: Sozialenzyklika „Populorum progressio“, Nr. 32 </ref>
13. Im Hinblick darauf, erinnern wir die Ordensleute an die Notwendigkeit:
a) auf eine ernsthafte geistige, theologische, tiefgehende und andauernde Bildung, im Einklang mit der Kultivierung und Achtung der menschlichen Werte zu drängen;
b) das Apostolat und seine Erfordernisse als wesentliches Element des Ordenslebens zu werten. Die Treue zu diesem wesentlichen Aspekt verlangt von den Ordensleuten die ständige Erneuerung ihrer Methoden innerhalb der Kontinuität ihres eigenen Erbgutes. So werden sie alles Bessere, was die Kirche hervorbringt, annehmen und ihre Systeme an die neuen Methoden und Notwendigkeiten anpassen;
c) zu bedenken, dass die Entwicklung sich notwendigerweise mit den Dimensionen der Gerechtigkeit und Nächstenliebe verbindet. Die Theologie muss mitarbeiten, um diese Dimensionen in Bezug auf eine Pastoral zu erwägen, die immer größere Aktualisierung im Hinblick auf die Dynamik des menschlichen Fortschritts braucht;
d) aufrichtig die soziale Bildung, die den Ordensleuten vermittelt wird, unter besonderer Beachtung der Lebenserfahrungen und im Hinblick auf die Erlangung einer sozialen Gesinnung zu überprüfen;
e) besonders die Marginalgruppen zu betreuen, zu bilden, zu evangelisieren und zu fördern. Mit überaus missionarischem Geist sollen sie sich um die zahlreichen Eingeborenengruppen des Kontinents bemühen;<ref> s. 5 Nr. 20 </ref>
f) einen echten Geist der Armut zu fördern, der dazu führt, die Güter, die man besitzt, wirklich in den Dienst der anderen zu stellen;<ref> s. 5 Nr. 13 </ref>
g) dem Wunsch Pauls VI. bezüglich der Landreformen zu entsprechen, falls sie Ländereien besitzen, die für die apostolische Arbeit nicht notwendig sind.<ref> Ansprache von Papst Paul VI. an den Lateinamerikanischen Episkopat, 23.November 1965 </ref>
III. „PASTORAL DE CONJUNTO“
14. Es ist notwendig, dass sich die Ordenskongregationen in Übereinstimmung mit dem Charisma, den spezifischen Zielsetzungen eines jeden Instituts und den pastoralen Prioritäten in unsere Pläne der „Pastoral de conjunto“ eingliedern können, auch wenn es dafür manchmal notwendig wäre, bestimmte Werke aufzugeben, um andere, die man für dringlicher und notwendiger hält, zu berücksichtigen.
Diese enge Teilnahme der Ordensleute muss sich vom Stadium der Reflexion und der Planung bis hin zur Verwirklichung vollziehen, ohne zu vergessen, dass man die wirkliche Integration nur erreicht, wenn sich die Ordensgemeinschaften selbst (auf Provinzebene und lokaler Ebene) der kollegialen pastoralen Verantwortung bewusst werden und im Gleichklang mit den anderen Gruppen und Mitgliedern des Gottesvolkes nachdenken.
15. Wir sind uns der unersetzlichen apostolischen Arbeit bewusst, die die Ordensleute verwirklichen. Sie werden zusammen mit dem diözesanen Klerus die Basis der Evangelisierung Lateinamerikas bleiben. Trotzdem raten wir, dass sich die Ordensleute bemühen, die Laien in die apostolische Arbeit zu integrieren, indem sie aufrichtig deren Befähigung in Bezug auf das Weltliche achten und deren Eigenverantwortung innerhalb der Kirche anerkennen.
16. Da die Aufgabe der Evangelisierung Dauerhaftigkeit und Stabilität voraussetzt, bittet schließlich diese Zweite Generalversammlung des Lateinamerikanischen Episkopates die Ordensoberen inständig, dem Ordenspersonal, das apostolische Aufgaben in Lateinamerika erfüllt, in Übereinstimmung mit den Vereinbarungen, die mit den Ortsbischöfen getroffen werden, Stabilität zu verleihen.
Geweihte Laien im Ordensleben und in den Säkularinstituten
17. Das immer klarere Bewusstsein, das die Laien von dem ihnen aufgrund ihrer Taufe innerhalb der Kirche zukommenden Platz haben, läßt uns das enorme Potential, das die zahlreichen Männer und Frauen für Lateinamerika darstellen, die sich, ihren Laienstand bewahrend, dem Herrn im Ordensleben oder in den Säkularinstituten geweiht haben, in besonderer Weise sehen und schätzen.
18. Wir erinnern vor allem daran, dass „das Ordensleben der Laien, der Männer wie der Frauen, in vollwertiger Weise den Stand der Verpflichtung auf die evangelischen Räte verwirklicht“.<ref> s. 5 Nr. 10 </ref>
Damit die Ordensleute im Laienstand aber ihre spezifische Aufgabe im heutigen Lateinamerika erfüllen können, ist es notwendig, dass sie ihre Rolle als solche bewusst werten. Wegen ihrer apostolischen und beruflichen, gemeinschaftlichen und persönlichen Aufgaben müssen sie ein wertvolles Zeugnis und eine wirksame Stütze für diejenigen Laien sein, die in denselben Tätigkeiten arbeiten.
19. Auf dem Gebiet der menschlichen Entwicklung sollten sich die Institute der Ordensleute im Laienstand im Lichte einer richtig verstandenen Präsenz der Kirche in einer sich entwickelnden Welt gut verteilen. Eine Form dieser Präsenz stellen die kleinen Gemeinschaften dar, die von der eigenen Arbeit leben.
20. Die Ordensleute im Laienstand werden dem hierarchischen Amt häufig eine wertvolle Unterstützung leisten können. In diesem Sinne bekommt in der gegenwärtigen Situation Lateinamerikas jene Arbeit eine besondere Bedeutung, die zum Beispiel die Ordensfrauen leisten, die mit Pfarreien betraut sind, in denen nicht ständig ein Priester ist.
21. Diese ganze Aktualisierung erfordert eine gewissenhafte Vorbereitung, die die Ordensgemeinschaften zu einer tiefgehenden christlichen Reflexion über die in Lateinamerika gegebenen menschlichen Bedingungen und zu einer beruflichen Befähigung auf verschiedenen Gebieten zwingt. 22. Die häuslichen Arbeiten, obwohl notwendig und verdienstvoll, sollen kein Hindernis für die spezifische Arbeit der Institute des direkten Apostolats sein.
23. Besondere Aufmerksamkeit soll auf die geistige Bildung und auf das „aggiornamento“ der Ordensleute im Laienstand verwandt werden, damit sie ein deutliches Zeichen sein können, das dem lateinamerikanischen Menschen seine Berufung offenbart.
Säkularinstitute
24. Die Säkularinstitute verwirklichen wegen ihres eigenen und besonderen Weltcharakters, d. h. des säkularen Charakters,<ref> s. 5 Nr. 11 </ref> eine besondere Präsenz der Kirche in der Welt. Darum sollten die Mitglieder von Säkularinstituten durch eine Eingliederung und eine tiefgehende und wirksame Aktion inmitten der Laien des Gottesvolkes ein wahrhafter Sauerteig in der Masse sein. Ihnen kommt es zu, die Präsenz der Kirche auf spezielle Weise in säkularen Lebensbereichen und Tätigkeiten der heutigen Welt zu verwirklichen.
Notwendigkeit regionaler Entscheidungszentren
25. Da die Situation Lateinamerikas in jeder Beziehung sehr verschieden von der anderer Regionen ist, ist es sehr wichtig, dass die Entscheidungen für die konkrete Anwendung der generellen Normen der Religioseninstitute von der zuständigen Autorität auf nationaler oder regionaler Ebene gefällt werden. Anderenfalls läuft man Gefahr, die konkreten Situationen zum schweren Schaden für den Bestand und die Aktivität der Ordensgemeinschaften falsch zu interpretieren.
Die Ordensleute im Leben des Volkes Gottes unter der Koordinierung der Hierarchie
26. Das Spezifische der Ordensleute kann man nur verstehen, wenn man sie zu den anderen Mitgliedern, Diensten und Ämtern des Gottesvolkes in Beziehung setzt.
Die Ordenspriester befinden sich in einer besonderen Situation. Im Priestertum sind sie mit den Bischöfen vereint, sie sind geweiht, um Mitarbeiter des Bischofsamtes zu sein, und gehören insoweit zum Klerus der Diözese, als sie an Arbeiten des Apostolats unter der Autorität der Bischöfe teilnehmen.<ref> II. Vat. Konzil, Dekret über Dienst und Leben der Priester „Presbyterorum ordinis“, Nr. 7, und Dekret über die Hirtenaufgabe der Bischöfe in der Kirche „Christus Dominus“, Nr. 34 </ref>
Die Ordensleute gliedern sich auf verschiedenen Ebenen in die hierarchische Pastoral ein: in das Priestertum, in den Pastoralrat, in die überdiözesanen Organismen.
27. Die Unterschiedlichkeit der Integrationsebenen setzt für die Ordensoberen die Aufgabe der Koordinierung und Ermutigung der verschiedenen Formen der Zusammenarbeit voraus. Es ist ihre Aufgabe, den Gemeinschaftssinn, der das Ordensleben in seinen verschiedenen Funktionen und Ämtern mit dem Gottesvolk verbindet, zu entwickeln und zu erhalten. Dementsprechend muss sich die Tätigkeit der Oberen, besonders die der höheren Oberen, oft in Ebenen integrieren, die über die der lokalen Kirche hinausgehen.
28. Zum Wohle der diözesanen und nationalen Pastoral ist es unerläßlich, dass sich die Bischöfe periodisch mit den Ordensoberen treffen, und die Bischofskonferenzen zu ihren Versammlungen die Konferenz der Ordensleute einladen und umgekehrt, um in einem Klima des Verständnisses und der Herzlichkeit das zu verhandeln, was sich auf die Teilnahme der Ordensleute in der „Pastoral de conjunto“ bezieht.<ref> II. Vat. Konzil, Dekret über die Hirtenaufgabe der Bischöfe in der Kirche „Christus Dominus“, Nr. 35 </ref>
29. Einem sehr gut gelungenen Beispiel dieser so notwendigen Koordinierung begegnen wir auf kontinentaler Ebene dank der schon bestehenden institutionalisierten Beziehungen zwischen dem CELAM und der Lateinamerikanischen Konföderation der Ordensleute (CLAR). Dies sei die Gelegenheit, alle Ordensleute des Kontinents zu bitten, die Tätigkeit ihrer Nationalkonferenzen und die der CLAR mit dem Ziel zu unterstützen, dass diese Organismen für den Episkopat immer wertvollere Gesprächspartner und wirksamere Träger unseres Interesses für das Ordensleben werden.
30. Andererseits hält es diese Zweite Generalversammlung des Lateinamerikanischen Episkopates für sehr nützlich, dass die Ordensleute der verschiedenen lateinamerikanischen Regionen in den Römischen Kongregationen und besonders in der Kongregation der Ordensleute anwesend sind.
13. AUSBILDUNG DES KLERUS
I. REALITÄT
Lage der Kirche in Lateinamerika
1. „Lateinamerika zeigt eine raschen und tiefgreifenden Wandlungen unterworfene Gesellschaft im Umbruch“.<ref> Ansprache von Papst Paul VI. an den Lateinamerikanischen Episkopat, 23. November 1965, Nr. 8 </ref> Das wirkt auf die Kirche selbst zurück und fordert von ihr eine Stellungnahme angesichts dieser Situation. Die lateinamerikanische Kirche muss ihr Zeugnis und ihren Dienst in diesem Kontinent, der mit solch beängstigenden Problemen, wie dem der Integration, der Entwicklung, der tiefgreifenden Wandlungen und des Elends konfrontiert ist, zum Ausdruck bringen.
Andererseits, im Hinblick auf die vielfältigen Probleme ausschließlich religiöser Natur, findet die Kirche eine immer geringere Priesterzahl sowie unzureichende und manchmal für eine wirksame apostolische Arbeit unangemessene Amtsstrukturen vor.
In diesen Zusammenhang stellen wir die Priesterausbildung, die grundlegendes Instrument der Erneuerung unserer Kirche und Antwort auf die religiösen und menschlichen Anforderungen unseres Kontinents sein muss.
Gegenwärtiger Zustand der Priesterausbildung
2. Die Wiedereinführung des permanenten Diakonats und die besonderen Probleme, die die priesterliche Existenz heute aufwirft, veranlassen uns, die gegenwärtige Situation der Priesterausbildung zu untersuchen.
Permanenter Diakonat
3. In einigen lateinamerikanischen Ländern schreiten die Erfahrungen in der Diakonatsausbildung fort. Da sie gerade erst beginnen, haben sie noch nicht den ausreichenden Reifegrad erreicht, der ihre Beurteilung erlauben würde. Dennoch ist festzustellen, dass die Wiedereinführung des permanenten Diakonats unter Berücksichtigung bestimmter pastoraler Anforderungen begonnen hat. Das hat zu einer relativen Pluralität der Formen für die Konzeption und Vorbereitung der Kandidaten zu Diakonen in Übereinstimmung mit den Lebensbereichen geführt.
Priesterliche Ausbildung
Seminaristen
4. Die Jugend unserer Seminare ist an den Unruhen und Werten der heutigen Jugend beteiligt. Man bemerkt bei ihr das Verlangen nach Authentizität, Aufgeschlossenheit gegenüber sozialen Problemen, den Wunsch nach Gerechtigkeit und nach verantwortlicher Teilnahme an den heutigen Wandlungen, ein größeres Verlangen nach echt gemeinschaftlichem Leben, nach Dialog, nach Verständnis der Kirche als Katholizität, Streben nach Armut und das Suchen nach den Werten des Evangeliums, Respekt vor der menschlichen Person, Unternehmungsgeist in der Seelsorge, Sinn für Freiheit und Selbstbestimmung, den Wunsch zu arbeiten, um sich in lebendiger Weise in die Umwelt einzufügen und zur eigenen Ausbildung beizutragen, sowie Hochschätzung der grundlegenden Werte.
Andererseits spiegeln sich im Seminarleben die Krisen wider, die die Jugend und die Gesellschaft heute durchmachen. Zum Beispiel: Spannungen zwischen Autorität und Gehorsam, Sehnsucht nach völliger Unabhängigkeit, Mangel an Ausgeglichenheit, um das Positive vom Negativen in den Neuerungen, die im Leben der Kirche und der Welt auftauchen, zu unterscheiden; Ablehnung gewisser traditioneller religiöser Werte, übertriebener Aktivismus, der zur Vernachlässigung des persönlichen Beziehungslebens mit Gott führt sowie Misstrauen gegenüber den Erwachsenen.
Seminarien
5. Man stellt eine Krise in den Seminarien fest, die sich hauptsächlich in einem merklichen Rückgang in der Beharrlichkeit und einem immer geringeren Eintritt von Seminaristen ausdrückt. Hier einige Punkte, die diese Situation verdeutlichen: ungenügend vorbereitete Erzieher, Mangel an einheitlichen Kriterien in der Gruppe der Ausbilder und deren Unsicherheit, gewisse grundlegende Werte in der Ausbildung zu verteidigen; Unsicherheit in der Ausrichtung bezüglich des Wachstums im Glauben und der spezifischen priesterlichen Berufung der Kandidaten, zuweilen jähe Öffnung der Seminarien ohne die angemessene Vorbereitung und Anleitung für die Seminaristen; Fehler in der Ausbildung auf eine volle menschliche Reife hin; Fehlen eines echten Familiengeistes in einigen Seminarien; Nachlassen in der geistigen Leitung des Seminars. Ebenfalls scheinen einige äußere Faktoren Einfluß genommen zu haben, wie z. B.: die Krise des gegenwärtigen Priesterbildes, die Wertung des Laienstandes und der Ehe als Möglichkeiten der Teilnahme an der Mission der Kirche und die neuen Möglichkeiten des sozialen Aufstiegs, die die heutige Welt bietet.
6. Gleichzeitig nimmt man ein eifriges Suchen nach Lösungen wahr. Unter den hauptsächlichen Versuchen, die im Moment unternommen werden, erwähnen wir die folgenden:
a) Bezüglich der Seminare im allgemeinen stellt man fest: eine größere Integration in der Ausbildergruppe, Aktualisierung derselben durch Kurse und Treffen zur Reflexion; Bemühungen um eine persönlichere Ausbildung der Seminaristen innerhalb eines familiären Klimas; Eingliederung des Seminars in die kirchliche und menschliche Gemeinschaft; mehr Kontakt des Bischofs und der Pfarrer zum Seminar; größere Öffnung zu den Realitäten der gegenwärtigen Welt und zur Familie; Erneuerung der pädagogischen Methoden; Anwendung einer gesunden Psychologie bei der Beurteilung und Ausrichtung der Kandidaten;
b) bezüglich der Kleinen Seminare: immer größere Einbeziehung von Laienpersonal, einschließlich Frauen; Öffnung in Richtung auf eine pluralistische Berufungsausrichtung; Schaffung neuer Formen der Kleinen Seminare, wie Halbtagsinternate, Externat, Teilnahme am Unterricht an staatlichen Schulen, Privatschulen;
c) bezüglich der Großen Seminare: eine persönlichkeitsformendere Ausbildung auf der Basis von Gruppen und kleinen Gemeinschaften, über die der Heilige Stuhl präzise Anweisungen gegeben hat.<ref> Kardinal Gabriel Maria Garrone, Brief vom 23. Mai 1968 </ref> Auf dem Gebiet der intellektuellen Bildung gibt es die Tendenz zur Vereinigung des Personals aus verschiedenen Diözesen und Gemeinschaften in gemeinsame Studienzentren und dazu, dass die Seminaristen an katholischen und staatlichen Universitäten studieren. Das betrifft besonders das Philosophiestudium.
Wie klar ersichtlich ist, schließt die vorausgegangene Beschreibung des gegenwärtigen Zustandes der Priesterausbildung kein Werturteil über oben beschriebene Tatsachen, Erfahrungen oder Methoden ein.
II. THEOLOGISCHE VORAUSSETZUNG
7. Die Daseinsberechtigung des Seminars muss innerhalb der biblischen Perspektive des Berufenen und seiner Antwort eingeordnet werden. Als Mittelpunkt der priesterlichen Bildung muss von der biblischen Sicht „ex hominibus assumptus ... pro hominibus constitutus“ mit dem Ziel ausgegangen werden, in den Kandidaten jene menschliche Reife zu erreichen, die sie befähigt, Menschenführer zu sein. Darüber hinaus verlangt man von den Seminaristen als Getauften jene christliche Reife, die sie für das priesterliche Charisma vorbereitet, durch das sie zur Gestaltung mit Christus, dem Haupt,<ref> II. Vat. Konzil, Dekret über Leben und Dienst der Priester „Presbyterorum ordinis“, Nr. 6, und Dogmatische Konstitution über die Kirche „Lumen gentium“, Nr. 28 </ref> aufgerufen sind. Diese besondere Gestaltung im Priestertum Christi stellt sie auf eine vom gemeinsamen Priestertum der Gläubigen wesentlich verschiedene Ebene.<ref> II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche „Lumen gentium“, Nr. 10 </ref>
III. PASTORALE ORIENTIERUNGEN
8. In Übereinstimmung mit dem Vorhergesagten unter Berücksichtigung der lateinamerikanischen Situation und ohne zu versuchen, alle Aspekte der Ausbildung zu erschöpfen, die außerdem in den Dokumenten des II. Vatikanischen Konzils und des Heiligen Stuhls enthalten sind, bieten wir im folgenden einige pastorale Orientierungen an:
Geistliche Bildung
9. Unter Berücksichtigung der besonderen Rolle des Priesters in Lateinamerika und der pastoralen Aufgaben, die diese Bischofskonferenz betont, halten wir es für angebracht, dass die spezifische Ausbildung in den Seminarien besonders auf einige Haltungen und Tugenden drängen muss, ohne zu behaupten, dass sie die einzigen oder wichtigsten wären.
Fähigkeit, das Wort Gottes gläubig zu hören<ref> II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die göttliche Offenbarung „Dei verbum“, Nr. 24, und Dekret über die Ausbildung der Priester „Optatam totius“, Nr. 4, 8 und 16 </ref>
10. Man verlangt vom heutigen Priester, dass er im Lichte des Glaubens die Situationen und Bedürfnisse der Gemeinschaft in gewohnter Weise zu interpretieren weiß. Diese prophetische Aufgabe verlangt einerseits die Fähigkeit, mit der Hilfe des Laienstandes die menschliche Realität zu verstehen, und andererseits als spezifisches Charisma des mit dem Bischof verbundenen Priesters, diese Realitäten in Bezug auf den Erlösungsplan beurteilen zu können. Um zu dieser Fähigkeit zu gelangen, braucht man:
a) eine tiefgehende und fortwährende innere Läuterung, die dem Menschen hilft, die echten Anforderungen des Gotteswortes (den Sinn der geistigen Führung) zu erfassen;
b) einen „sensus fidei“, der besonders vertieft wird durch:
– die Heilige Schrift, die in lebendiger Weise im persönlichen Gebet angenommen wird, ein ernsthaftes Studium der Botschaft und eine aktive, bewusste und fruchtbare Teilnahme an der Liturgie;<ref> II. Vat. Konzil, Konstitution über die heilige Liturgie „Sacrosanctum concilium“, Nr. 17 </ref>
– eine ständige Konfrontation mit den Lehrern des kirchlichen Lehramtes. Zum gleichen Zweck scheint es notwendig, eine starke Wahrheitsliebe und eine selbstverständliche Bereitschaft zu entwickeln, um sich durch ein gemeinsames Suchen und Prüfen vor Einseitigkeit zu schützen.
Durch die evangelischen Räte gekennzeichnete Spiritualität<ref> II. Vat. Konzil, Dekret über die Ausbildung der Priester „Optatam totius“, Nr. 9 </ref>
11. In einer Zeit, in der die lateinamerikanische Pastoral in der menschlichen Entwicklung engagiert ist, damit jeder Mensch sich selbst verwirkliche und die Güter der Natur genieße, ist es notwendig, dass der Priester seinen Brüdern auf überzeugende Weise Zeugnis davon gibt, in Ausgeglichenheit und Freiheit den Verzicht auf diese Güter leben zu können, ohne ihnen einen absoluten Wert beizumessen. So verhindert er, dass sich schon bekannte Irrtümer wiederholen.
12. Das II. Vatikanische Konzil und die Päpste haben jüngst die Gültigkeit des Zölibates für die Priester bestätigt.<ref> II. Vat. Konzil, Dekret über die Ausbildung der Priester „Optatam totius“, Nr. 10, Dekret über Leben und Dienst der Priester „Presbyterorum ordinis“, Nr. 16, Papst Paul VI.: Enzyklika „Sacerdotalis coelibatus“, 24. Juli 1967, Papst Pius XII.: Enzyklika „Sacra virginitas“, 25. März 1964, Nr. 51 </ref> Da das zentrale Motiv des Zölibates die Hingabe an Christus und mit ihm an die Kirche ist, und gleichzeitig eine Form der pastoralen Nächstenliebe darstellt, die in die volle Heiligung übergeht und vor den Menschen eschatologisches Zeugnis gibt, ist es notwendig, dem Seminaristen sehr solide Fundamente zu geben, um ihn freudig und in der Fülle der Liebe zu leben. So ist denn, angesichts der konkreten Umstände, unter denen der lateinamerikanische Priester häufig leben muss, eine sorgfältige Ausbildung der Seminaristen in diesem Sinne besonders wichtig. Das erfordert: in erster Linie eine stufenweise, mit der physischen und psychischen Entwicklung übereinstimmende Ausbildung; in der Lage zu sein, eine reife, bewusste und freie Wahl zu treffen; die Fähigkeit zu lieben und zur restlosen Hingabe, die ihrerseits einen starken Glauben verlangt, der ihn befähigt, auf den Ruf Gottes zu antworten; asketische Disziplin und Gebetsleben, das ihn zur Reife in den Beziehungen zum anderen Geschlecht führt; Realisierung des Sinnes für Freundschaft und die Fähigkeit, im Team zu arbeiten.<ref> Papst Paul VI.: Enzyklika „Sacerdotalis coelibatus“, 24. Juli 1967, Nr. 60-72, II. Vat. Konzil, Dekret über die Ausbildung der Priester „Optatam totius“, Nr. 3, 10, 11, Dekret über die zeitgemäße Erneuerung des Ordenslebens „Perfectae caritatis“, Nr. 12 </ref>
Geist des Dienstes
13. Der Priester ist, wie Christus, zum Dienst am Volke eingesetzt. Das verlangt von ihm, die Forderungen und Konsequenzen des Dienstes an den Brüdern ohne Einschränkung zu akzeptieren und an erster Stelle die Fähigkeit, sich die Realitäten und „das Fühlen des Volkes“ in seinen Realitäten und Mentalitäten anzueignen. Im Geiste der Demut und Armut muss er lernen, bevor er lehrt, wobei er allen alles werden soll, um sie zu Christus zu führen.<ref> II. Vat. Konzil, Dekret über die Ausbildung der Priester „Optatam totius“, Nr. 4 und 19, Papst Paul VI.: Enzyklika „Ecclesiam suam“, 6. August 1964, Ansprache an die Neupriester und Diakone, Bogota,22. August 1968 </ref>
Persönliche Erfahrung und Christusliebe
14. Wie von Petrus wird Christus vom heutigen Seminaristen einen Dienst vollständiger Hingabe verlangen, der aus einer persönlichen Liebe zu ihm und zum Vater durch den Geist kommt, denn er will nicht Diener, sondern Freunde.<ref> II. Vat. Konzil, Dekret über die Ausbildung der Priester „Optatam totius“, Nr. 8, Papst Paul VI.: Ansprache an die Neupriester und Diakone, Bogota, 22. August 1968 </ref>
Disziplin
15. Die Disziplin ist nicht nur für die gute Ordnung unerläßlich, sondern vor allem auch für die Persönlichkeitsbildung. Darum ist es notwendig, dass die Disziplin Gegenstand innerer Überzeugung wird. Dies ist nur möglich, wenn die Jugendlichen den Wert der Disziplin erkennen und diese wesentliche Ziele zum Gegenstand hat.<ref> s. 7 Nr. 11 </ref>
Intellektuelle Bildung
16. Heute ist es dringender denn je, das Studium in Übereinstimmung mit den Weisungen des Konzils zu erneuern, indem besonders jene Aspekte betont werden, die in speziellem Maße die gegenwärtige Situation des Kontinents betreffen.
17. Die doktrinäre Festigkeit soll vor einer Tendenz zu nicht genügend fundierten Neuheiten bewahrt werden. Es soll außerdem auf eine Vertiefung gedrängt werden, die, wenn es möglich ist, ein hohes intellektuelles Niveau erreichen soll, wobei vor allem die Bildung des Hirten berücksichtigt wird.<ref> II. Vat. Konzil, Dekret über die Ausbildung der Priester „Optatam totius“, Nr. 15 und 16, Ansprache von Papst Paul VI. bei der Eröffnung der Zweiten Generalversammlung des Lateinamerikanischen Episkopates, Bogota, 24. August 1968 </ref>
18. Eine besondere Bedeutung soll dem Studium und der Erforschung unserer lateinamerikanischen Realitäten in ihren religiösen, sozialen, anthropologischen und psychologischen Aspekten beigemessen werden.
19. In Bezug auf das Professorat muss, wenn man die Befähigung der künftigen Lehrer betrachtet, dafür gesorgt werden, sie durch Treffen, Kurse und Institute auf nationaler und lateinamerikanischer Ebene auf den neuesten Stand zu bringen. Außerdem muss die Mitarbeit von spezialisierten Lehrern, die ihren Dienst in den verschiedenen Zentren leisten könnten, gesucht werden.<ref> s. 7 Nr. 5 </ref>
Pastorale Bildung
20. Man sollte darauf achten, dass die Lehrer der Seminare pastorale Erfahrung mitbringen und dass außerdem der Klerus in genügendem Maße zeitnah ist, damit er so in wirksamer Weise an der Ausbildung der zukünftigen Priester mitarbeiten kann.<ref> s. 7 </ref>
21. In konkreterer Form und im Hinblick auf ihre künftige pastorale Tätigkeit muss für die Vorbereitung der Seminaristen, in einigen Aspekten, die in unserem lateinamerikanischen Lebensbereich von besonderer Bedeutung sind, gesorgt werden: Grundausbildung in der „Pastoral de conjunto“; Vorbereitung für die Einführung und Betreuung von Basisgemeinschaften; genügende Information über und Einübung in Gruppendynamik und zwischenmenschliche Beziehungen; angemessene Information über den Gebrauch der sozialen Kommunikationsmittel.<ref> II. Vat. Konzil, Dekret über die sozialen Kommunikationsmittel „Inter mirificam“, Nr. 16 </ref>
22. Andererseits muss man sich bemühen, dass die Seminaristen besonders in den Ferien in stufenweiser, fortschrittlicher und kluger Form an den pastoralen Tätigkeiten teilnehmen.<ref> s. 7 Nr. 21 </ref>
Berufungspastoral
23. Die Berufungspastoral ist die Aktion der kirchlichen Gemeinschaft unter Leitung der Hierarchie, um die Menschen zu ihrer Entscheidung für die Kirche zu führen. Aus demselben Grund ist die ganze christliche Gemeinschaft, geeint und geleitet vom Bischof, solidarisch verantwortlich für die Berufungsentwicklung, sowohl in ihrem fundamental christlichen Aspekt, das heißt, der Berufung im allgemeinen, als auch in ihren spezifischen Aspekten, nämlich der priesterlichen Berufung sowie der Ordens- und Laienberufung.<ref> s. 7 Nr. 12, II. Vat. Konzil, Dekret über die Hirtenaufgabe der Bischöfe in der Kirche „Christus Dominus“, Nr. 15, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche „Ad gentes“, Nr. 38, Dekret über die zeitgemäße Erneuerung des Ordenslebens „Perfectae caritatis“, Nr. 24 </ref>
24. Der Priester muss aufgrund seiner eigenen Sendung direkter Mittler in den Anrufen Gottes sein: sowohl wegen des Ideals, das er vor der Jugend verkörpern soll, als auch deshalb, weil er, wenn er seiner Berufung treu ist, feinfühliger sein wird für die Anrufe Gottes in den anderen.<ref> s. 7 Nr. 2, II. Vat. Konzil, Dekret über Leben und Dienst der Priester „Presbyterorum ordinis“, Nr. 11, Dekret über die zeitgemäße Erneuerung des Ordenslebens „Perfectae caritatis“, Nr. 24 </ref>
25. Angesichts des Phänomens einer wachsenden Zahl von Berufungen Jugendlicher und Erwachsener soll man der Förderung und Pflege dieser Berufungen besondere Sorgfalt widmen. Aus demselben Grunde ist eine Jugendpastoral notwendig, die, wenn sie echt sein soll, die Jugendlichen durch eine persönliche und gemeinschaftliche Reife zur Übernahme eines konkreten Engagements gegenüber der kirchlichen Gemeinschaft in einer der genannten Lebensformen führen muss.<ref> II. Vat. Konzil, Dekret über Leben und Dienst der Priester „Presbyterorum ordinis“, Nr. 11, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche „Ad gentes“, Nr. 39 und 41, s. 7 Nr. 3 </ref>
Verschiedene Punkte
26. Man soll im Seminar für eine andauernde Reflexion über die Realität, die wir leben, sorgen, damit man in der Lage ist, die Zeichen der Zeit zu interpretieren und adäquate pastorale Haltungen und Denkformen zu schaffen.<ref> s. 7 Nr. 4, Papst Paul VI.: Enzyklika „Ecclesiam suam“, Nr. 25 </ref>
27. Alle, die am Leben des Seminars, wenn auch in verschiedenem Maße, teilnehmen, sollen sich als Erzieher betrachten.
28. In Lateinamerika findet eine Suche nach neuen Formen in der Priesterausbildung statt. Damit diese Erfahrungen fruchtbarer werden, müssen sie reiflich vorbereitet, durch die zuständige Autorität approbiert und von den Interessierten gut verstanden sein. Außerdem müssen ihre Resultate verfolgt, kontrolliert und ausgewertet werden, wobei beachtet werden muss, dass sie austauschbar sein sollen. Es wäre auch zu wünschen, dass, wenn einmal ihre Gültigkeit demonstriert ist, sie den Bischofskonferenzen der verschiedenen Länder zu gemeinsamem Nutzen mitgeteilt werden.
29. Aus einleuchtenden Gründen ist es ratsam, die Ausbildung der Seminaristen gewöhnlich in deren eigener Umgebung vorzunehmen.
30. Man hält es für günstig, dass die aus anderen Ländern stammenden Priester, die zur Arbeit in der Priesterausbildung in Lateinamerika bestimmt sind, an Adaptationskursen nationaler oder internationaler Zentren teilnehmen und dass sie diese Anpassung durch eine angemessene Zeit der pastoralen Arbeit vervoll- ständigen.<ref> s.7 Nr.5 </ref>
31. Im Hinblick auf eine größere Kräfteersparnis und eine Verbesserung des Unterrichts werden Initiativen, wie die der regionalen und interdiözesanen Seminare, empfohlen, wobei beachtet werden soll, dass sich gleichzeitig eine Integration der verantwortlichen Bischöfe vollzieht und, wenn es möglich ist, menschlich und pastoral homogene Zonen erfasst werden. Ebenso werden für die Kandidaten des Diözesan- und des Ordensklerus gemeinsame Institute und Fakultäten für Philosophie und Theologie empfohlen. Letzteres wird außerdem zu einer größeren Integration in der künftigen Pastoralarbeit und zu einer besseren Eingliederung in die Realitäten der heutigen Welt beitragen.<ref> s.7 Nr.7 </ref>
32. Man hält es für sehr nützlich, die wechselseitige Zusammenarbeit und die Beziehungen zwischen dem CELAM und OSLAM (Organisation der Lateinamerikanischen Seminarien) mit den Bischöflichen Kommissionen für Seminare und den Nationalen Ordenskonferenzen in allen Fragen, die die Information über Probleme der Priesterausbildung betreffen, zu intensivieren.
Diakonat
33. Wir zeigen im folgenden einige allgemeine Orientierungen in Bezug auf die Ausbildung für den permanenten Diakonat auf.<ref> „Sacrum diaconatus ordinem“ vom 18. Juni 1967 </ref>
a) Unerläßlicher Faktor in der Ausbildung des zukünftigen Diakons wird der gegenseitige Beitrag zwischen ihm und der Gemeinschaft sein, das heißt, dass der Kandidat seine Ausbildung in der Gemeinschaft handelnd, vervollkommnet und dass die Gemeinschaft ebenfalls dazu beiträgt, ihn zu bilden. Außerdem sollen die Ausbildungsmethoden die Psychologie des Erwachsenen beachten, dabei jede Art von Massenbildung ausschließen und aktive Methoden anwenden.
b) Die erste Sorge der für die zukünftigen Diakone Verantwortlichen muss es sein, diese zum Aufbau neuer christlichen Gemeinschaften oder zur Anregung der bestehenden zu befähigen, damit sich in diesen Gemeinschaften das Mysterium der Kirche in größerer Fülle verwirklichen kann.
c) In Hinblick auf das Vorausgegangene ist es notwendig, in den Kandidaten eine eigene Diakonatsspiritualität zu wecken, die sich bei den Verheirateten mit einer echten Ehespiritualität verbinden muss.
d) Angesichts der Verschiedenheit der Aufgaben, in denen das Diakonatsamt in Lateinamerika ausgeübt werden muss, wird es notwendig sein, dass die intellektuelle Bildung gleichzeitig an die Funktionen, die sie erfüllen muss sowie an das kulturelle Niveau der Umwelt angepaßt ist.
e) In Übereinstimmung mit den Bedingungen der Kirche in Lateinamerika soll man sich in der Ausbildung des Diakons auch bemühen, ihn zu einer wirksamen Aktion auf den Gebieten der Evangelisierung und der ganzheitlichen Entwicklung zu befähigen.
f) Es wird empfohlen, dass in der Diözese, der Region oder dem Land verantwortliche Gruppen für die Kandidatenausbildung vorhanden sind, zu denen Priester, Diakone, Ordensleute und Laien gehören können.
14. ARMUT DER KIRCHE
I. LATEINAMERIKANISCHE REALITÄT
1. Der lateinamerikanische Episkopat darf angesichts der ungeheuren sozialen Ungerechtigkeiten in Lateinamerika nicht gleichgültig bleiben; Ungerechtigkeiten, die die Mehrheit unserer Völker in einer schmerzhaften Armut halten, die in sehr vielen Fällen an unmenschliches Elend grenzt.
2. Es erhebt sich ein stummer Schrei von Millionen von Menschen, die von ihren Hirten eine Befreiung erbitten, die ihnen von keiner Seite gewährt wird. „Ihr hört uns jetzt schweigend zu, aber wir hören den Schrei, der aus euren Leiden emporsteigt“, sagte Papst Paul VI. den Landarbeitern in Kolumbien.<ref> Papst Paul VI.: Ansprache an die Landarbeiter in Mosquera/Kolumbien, 23. August 1968 </ref>
Und auch uns erreichen die Klagen, dass die Hierarchie, der Klerus und die Ordensleute reich und mit den Reichen verbündet sind. Dazu müssen wir feststellen, dass sehr häufig der Schein mit der Wirklichkeit verwechselt wird. Viele Ursachen haben dazu beigetragen, dieses Bild einer reichen kirchlichen Hierarchie zu schaffen. Die großen Gebäude, die Häuser der Pfarrer und der Ordensleute – wenn sie größer sind als die des Stadtviertels, in dem sie stehen –, die eigenen, manchmal aufwendigen Fahrzeuge, die aus früheren Epochen stammende Art sich zu kleiden, sind einige dieser Gründe gewesen.
Das System der Sakramentengebühren und die Schulgelder zur Sicherung des Unterhalts für den Klerus und zur Erhaltung der Bildungseinrichtungen wird schlecht angesehen und führt zu einer übertriebenen Vorstellung von der Menge der einkommenden Gelder.
Wir wollen noch die übertriebene Geheimhaltung erwähnen, mit der man den Finanzhaushalt der Schulen, Pfarreien und Diözesen umgab – ein mysteriöses Klima, das die Schatten vergrößert und Phantasien schaffen hilft.
Es gibt auch vereinzelte Fälle verwerflicher Bereicherung, die verallgemeinert wurden.
Dies alles hat zu der Überzeugung geführt, dass die Kirche in Lateinamerika reich ist.
3. Die Wirklichkeit sehr vieler Pfarreien und Diözesen, die unendlich arm sind, und die so vieler Bischöfe, Priester und Ordensleute, die voller Entbehrungen leben und sich unter großem Verzicht in den Dienst der Armen stellen, entgeht gewöhnlich der Anerkennung vieler und vermag das verzerrte Bild, das man hat, nicht zu verwischen.
In der Situation der Armut und sogar des Elends, in der der größte Teil des lateinamerikanischen Volkes lebt, haben wir Bischöfe, Priester und Ordensleute das Nötige zum Leben und eine gewisse Sicherheit, während den Armen das Notwendigste fehlt und sie in Angst und Unsicherheit leben. Es gibt genügend Fälle, in denen die Armen fühlen, dass ihre Bischöfe oder ihre Pfarrer und Ordensleute sich nicht wirklich mit ihnen, mit ihren Problemen und Ängsten, identifizieren und dass sie nicht immer diejenigen unterstützen, die mit den Armen arbeiten oder sich für sie einsetzen.
II. BEGRÜNDUNG AUS DER LEHRE DER KIRCHE
4. Wir müssen unterscheiden:
a) Die Armut als Mangel an den Gütern dieser Welt ist als solche ein Übel. Die Propheten klagen sie als gegen den Willen des Herrn gerichtet und in den meisten Fällen als Frucht der Ungerechtigkeit und der Sünde der Menschen an.
b) Die geistige Armut ist das Thema der Armen Jahwes<ref> Zefania 2,3; Lk 1,46-55 </ref> und die Haltung der Öffnung zu Gott, die Bereitschaft dessen, der alles vom Herrn erwartet.<ref> Mt 5, 3 </ref> Obwohl er die Güter dieser Welt wertet, hängt er nicht an ihnen und erkennt den höheren Wert der Güter des Reiches Gottes an.<ref> Amos 2, 6-7, 4,1, 5,7; Jer 5, 28; Mi 6, 12-13; Jes 10, 2 </ref>
c) Die Armut als Engagement, das die Bedingungen der Armen dieser Welt freiwillig und aus Liebe annimmt, um Zeugnis zu geben von dem Übel, das sie darstellt und von der geistigen Freiheit gegenüber den Gütern, folgt damit dem Beispiel Christi, der alle Konsequenzen der Sünde der Menschen auf sich nahm<ref> Phil 2, 5-8 </ref> und der, da er reich war, sich arm machte,<ref> 2 Kor 8, 9 </ref> um uns zu retten.
5. In diesem Zusammenhang nimmt eine arme Kirche folgende Haltung ein:
– Sie klagt den ungerechten Mangel der Güter dieser Welt und die Sünde an, die ihn hervorbringt;
– sie predigt und lebt die geistige Armut als Haltung der geistigen Kindschaft und Öffnung zu Gott;
– sie verpflichtet sich selbst zur materiellen Armut. Die Armut der Kirche ist eine unveränderliche Größe in der Heilsgeschichte.
6. Alle Mitglieder der Kirche sind aufgerufen, die biblische Armut zu leben, aber nicht alle auf dieselbe Weise, weil es verschiedene Berufungen dazu gibt, die verschiedene Lebensstile und Handlungsweisen mit sich bringen. Selbst unter den Ordensleuten, die dieses Zeugnis innerhalb der Kirche mit besonderer Sendung leben, wird es je nach den eigenen Charismen Unterschiede geben.
7. Nachdem wir dies alles gesagt haben, muss mit Nachdruck betont werden, dass das Beispiel und die Lehre Christi, die beängstigende Lage von Millionen Armen in Lateinamerika und die dringenden Ermahnungen des Papstes und des Konzils die lateinamerikanische Kirche vor eine Herausforderung und eine Aufgabe stellen, denen sie nicht ausweichen kann und auf die sie mit Sorgfalt und Kühnheit – der Dringlichkeit der Zeit angemessen – Antwort geben muss.
Christus, unser Erlöser, liebt nicht nur die Armen, sondern „er, der reich war, machte sich arm“, lebte in Armut, konzentrierte seine Sendung darauf, dass er den Armen ihre Befreiung verkündete und gründete seine Kirche als Zeichen dieser Armut unter den Menschen.
Die Kirche hat sich immer bemüht, diese Berufung zu erfüllen, trotz „unserer vielen Schwächen und unserer Zusammenbrüche in der Vergangenheit“.<ref> Papst Paul VI.: Enzyklika „Ecclesiam suam“, Nr. 50 </ref> Die Kirche in Lateinamerika spürt angesichts der Bedingungen der Armut und der Unterentwicklung des Kontinents die Dringlichkeit, diesen Geist der Armut in Gesten, Haltung und Normen auszudrücken, die sie zu einem leuchtenderen und echteren Zeichen ihres Herrn macht. Die Armut so vieler Brüder und Schwestern schreit nach Gerechtigkeit, Solidarität, Zeugnis, Engagement, Anstrengung und Überwindung für die volle Erfüllung des von Christus anvertrauten Heilsauftrages.
Die gegenwärtige Situation fordert somit von den Bischöfen, Priestern, Ordensleuten und Laien den Geist der Armut, der „die Fesseln des egoistischen Besitzes der irdischen Güter sprengend, den Christen ermuntert, die Wirtschaft und die Macht in organischer Weise in den Dienst der Gemeinschaft zu stellen“.<ref> Papst Paul VI.: Predigt in der Messe zum Entwicklungstag, Bogota, 23. August 1968 </ref>
Die Armut der Kirche und ihrer Mitglieder in Lateinamerika muss Zeichen und Verpflichtung sein, Zeichen des unschätzbaren Wertes des Armen in den Augen Gottes, und Verpflichtung zur Solidarität mit denen, die leiden.
III. PASTORALE LEITLINIEN
8. Deshalb wollen wir, dass die Kirche Lateinamerikas den Armen die Frohe Botschaft verkündet und mit ihnen solidarisch ist. Sie soll den Wert der Güter des Gottesreiches bezeugen und demütige Dienerin aller Menschen unserer Völker sein. Ihre Hirten und die übrigen Mitglieder des Gottesvolkes müssen ihrem Leben und ihren Worten, ihren Haltungen und ihren Taten den notwendigen Zusammenhang mit den Forderungen des Evangeliums und den Bedürfnissen der lateinamerikanischen Menschen geben.
Vorrang und Solidarität
9. Der besondere Auftrag des Herrn, „den Armen die Frohe Botschaft zu verkünden“, muss uns zu einer Verteilung der Kräfte und des apostolischen Personals führen, die den ärmeren und bedürftigeren und aus irgendwelchem Grunde ausgeschlossenen Sektoren wirklichen Vorrang gibt, indem man die Initiativen und Studien, die mit diesem Ziel bereits unternommen werden, ermutigt und beschleunigt.
Wir Bischöfe wollen uns in Einfachheit und aufrichtiger Brüderlichkeit immer mehr den Armen nähern, indem wir ihnen Zugang zu uns ermöglichen und leicht machen.
10. Wir müssen das Gewissen zur solidarischen Verpflichtung mit den Armen, zu der die Nächstenliebe uns führt, schärfen. Diese Solidarität bedeutet, dass wir uns ihre Probleme und Kämpfe zu eigen machen und für sie zu sprechen wissen.
Dies muss sich in der Anklage der Ungerechtigkeit und Unterdrückung konkretisieren, im christlichen Kampf gegen die unerträgliche Situation, die der Arme häufig erleiden muss, in der Bereitschaft zum Dialog mit den für diese Lage verantwortlichen Gruppen, um ihnen ihre Pflichten begreiflich zu machen.
11. Wir geben unserem Wunsch Ausdruck, denjenigen immer sehr nahe zu sein, die in apostolischer Entsagung mit den Armen arbeiten, damit sie unsere Ermutigung spüren und wissen, dass wir nicht auf die Stimmen derer hören werden, die daran interessiert sind, ihre Arbeit abzuwerten.
Die menschliche Entwicklung muss Richtlinie unserer Aktion zum Wohle des Armen sein, und zwar in der Weise, dass wir seine persönliche Würde achten und ihn lehren, sich selbst zu helfen. Im Hinblick darauf erkennen wir die Notwendigkeit der rationalen Strukturierung unserer Pastoral und der Eingliederung unserer Bemühungen in die anderer Bereiche an.
Zeugnis
12. Wir möchten, dass unser Wohnstil und Lebensstil bescheiden sind, unsere Kleidung einfach, unsere Werke und Institutionen funktionsgerecht, ohne Pomp und Prunksucht. Wir richten an die Priester und Gläubigen die Bitte, uns eine Behandlung zukommen zu lassen, die unserer Sendung als Väter und Hirten entspricht, denn wir möchten auf die Ehrentitel verzichten, die einer früheren Zeit angehören.
13. Mit Hilfe des gesamten Gottesvolkes hoffen wir, das System der Sakramentengebühren zu überwinden und es durch andere Formen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zu ersetzen, die unabhängig von der Sakramentenspendung sind. Die Verwaltung der diözesanen oder pfarrlichen Güter soll mit kompetenten Laien besetzt sein und zum besten Nutzen zum Wohle der ganzen Gemeinschaft geleitet werden.<ref> II. Vat. Konzil, Dekret über Leben und Dienst der Priester „Presbyterorum ordinis“, Nr. 17 </ref>
14. In unserer pastoralen Aufgabe vertrauen wir vor allem auf die Kraft des Gotteswortes. Wenn wir technische Mittel gebrauchen müssen, werden wir die angemessensten Mittel für den Lebensbereich suchen, in dem sie angewandt werden sollen, und sie in den Dienst der Gemeinschaft stellen.<ref> II. Vat. Konzil, Pastorale Konstitution über die Kirche in der Welt von heute „Gaudium et spes“, Nr. 69 </ref>
15. Wir ermahnen die Priester, Zeugnis von der Armut und dem Verzicht auf die materiellen Güter zu geben, wie es viele, besonders in den ländlichen Gegenden und in den armen Stadtvierteln tun.
Mit Eifer werden wir dafür sorgen, dass sie einen gerechten, wenn auch bescheidenen Unterhalt und die notwendige soziale Sicherung haben. Dafür werden wir uns bemühen, einen gemeinsamen Fonds zwischen allen Pfarreien und der Diözese, wie auch zwischen den Diözesen ein und desselben Landes einzurichten.<ref> s. 9 Nr. 21 </ref> Wir ermutigen diejenigen, die sich gerufen fühlen, das Los der Armen zu teilen, indem sie mit ihnen leben und sogar körperliche Arbeit verrichten, in Übereinstimmung mit dem Dekret „Presbyterorum ordinis“.<ref> s. 9 Nr. 8 </ref>
16. Die Ordensgemeinschaften müssen aufgrund ihrer besonderer Berufung Zeugnis von der Armut Christi geben. Diejenigen, die sich gerufen fühlen, unter ihren Mitgliedern kleine Gemeinschaften zu bilden, die sich wirklich in die Armenmilieus einfügen, sollen unsere Unterstützung erhalten. Sie werden für das ganze Gottesvolk ein ständiger Aufruf zur biblischen Armut sein.
Wir erwarten auch, dass sie immer mehr die anderen an ihren Gütern teilnehmen lassen werden, insbesondere die Bedürftigsten, indem sie mit ihnen nicht nur den Überfluss teilen, sondern das Notwendige, und bereit sind, die Gebäude und Mittel ihrer Werke in den Dienst der menschlichen Gemeinschaft zu stellen.<ref> s. 10 Nr. 69 </ref>
Die Unterscheidung zwischen dem, was der Gemeinschaft zusteht und dem, was zu den Werken gehört, wird eine Verwirklichung all dieser Dinger leichter machen. Ebenso wird sie erlauben, neue Formen für diese Werke zu finden, an denen andere Mitglieder der christlichen Gemeinschaft in Verwaltung oder Besitz teilnehmen.
17. Diese echten Beispiele der Entsagung und geistigen Freiheit werden Anlaß dafür sein, dass auch die anderen Mitglieder des Gottesvolkes entsprechendes Zeugnis der Armut geben. Eine aufrichtige Umkehr muss die individualistische Mentalität in eine andere, die der sozialen Gesinnung und Sorge für das Gemeinwohl, wandeln. Die Erziehung der Kinder und der Jugend auf allen Ebenen, angefangen im Elternhaus, muss diesen grundlegenden Aspekt des christlichen Lebens einschließen.
Diese Liebe zum Nächsten wird ausgedrückt, wenn man vor allem als Vorbereitung oder Verwirklichung eines Dienstes an der Gemeinschaft studiert und arbeitet und wenn die Wirtschaft und die Macht organischer zum Wohl der Gemeinschaft eingesetzt werden.
Dienst
18. Die Kirche wird von keinem irdischen Ehrgeiz angetrieben, sondern sie will bescheidene Dienerin aller Menschen sein.<ref> s. 10 Nr. 3, Papst Paul VI.: Sitzungsansprache des II. Vat. Konzils, 7. Dezember 1965 </ref>
Diesen Geist müssen wir in unserem Lateinamerika betonen. Wir möchten, dass unsere lateinamerikanische Kirche frei wird von irdischen Fesseln, von geheimen Abmachungen und zweideutigem Prestige; dass ihre Dienstaufgabe „frei im Geiste in Bezug auf die Bande des Reichtums“,<ref> Papst Paul VI.: Eröffnungsansprache der Zweiten Generalversammlung des Lateinamerikanischen Episkopates, Bogota, 24. August 1968 </ref> durchsichtiger und stärker sei. Sie soll im Leben und in den zeitlichen Aufgaben gegenwärtig sein, wobei sie das Licht Christi widerspiegelt, der im Aufbau der Welt gegenwärtig ist.
Wir möchten den ganzen Wert und die legitime Autonomie der zeitlichen Aufgaben anerkennen. Indem wir sie verwalten, wollen wir sie weder entkräften, noch von ihren Zwecken abbringen.<ref> s. 10 Nr. 36 </ref>
Wir möchten aufrichtig alle Menschen respektieren und sie anhören, um ihnen in ihren Problemen und Ängsten zu dienen.<ref> s. 10 Nr. 1-3 18 s. 6 </ref> So wird die Kirche, die das Werk Christi fortsetzt, „der um unseretwillen arm wurde, da er reich war, damit wir durch seine Armut reich würden“18, vor der Welt klares und unmißverständliches Zeichen der Armut ihres Herrn sein.
15. PASTORAL DE CONJUNTO
I. TATSACHEN
1. In unserem Kontinent befinden sich Millionen von Menschen am Rande der Gesellschaft und werden gehindert, die ganze Fülle ihrer Bestimmung zu erreichen, sei es durch das Bestehen unangepaßter und ungerechter Strukturen, sei es durch andere Faktoren, wie durch den Egoismus oder die Gefühllosigkeit. Andererseits drängt sich in diesem Kontinent das Bewusstsein auf, dass es notwendig ist, einen Integrationsprozess auf allen Ebenen in Gang zu bringen oder zu aktivieren: angefangen bei der Integration der Marginalgruppen in die Vorteile des sozialen Lebens bis hin zur wirtschaftlichen und kulturellen Integration unserer Länder.
2. Die Kirche muss dieser Situation mit geeigneten pastoralen Strukturen begegnen, das heißt mit Strukturen, die klar durch Organisation und Einheit gekennzeichnet sind. Wenn man die Realität von diesem Gesichtspunkt aus prüft, stellt man Tatsachen mit positiven und negativen Vorzeichen fest.
3. Unter den ersteren können wir erwähnen:
a) Das ziemlich verbreitete, wenn auch manchmal ungenaue und vage Bewusstsein von den Ideen der „Pastoral de conjunto“ und der „Pastoralplanung“, wie auch von verschiedenen tatsächlichen Verwirklichungen in dieser Richtung.
b) Die Belebung der Dekanate, die Schaffung von Pastoralzonen und die Bildung von Priestergruppen aufgrund von Erfordernissen einer gemeinsamen Aktion.
c) Die Abhaltung von Synoden und die bereits an vielen Orten begonnene Einsetzung von Priester- und Pastoralräten, die durch das Konzil angeregt worden sind.
d) Der Wunsch der Laien, an den pastoralen Strukturen der Kirche teilzunehmen.
e) Die Bedeutung, die die Bischofskonferenzen erlangt haben, sowie die Existenz der Generalversammlung des lateinamerikanischen Episkopates und des CELAM selbst.
4. Unter den Tatsachen negativen Vorzeichens sind folgende:
a) Die traditionelle Struktur vieler Pfarreien ist nicht sehr geeignet, ein Gemeinschaftsleben zu ermöglichen;
b) die ziemlich verallgemeinerte Auffassung, dass die diözesanen Kurien bürokratische und administrative Organismen sind;
c) das Unbehagen vieler Priester, das aus dem Nichtfinden einer klaren und befriedigenden Stellung in der pastoralen Struktur herrührt. Dies ist häufig ein entscheidender Faktor bei manchen Krisen von Priestern, wie auch aufgrund analoger Situationen, bei Krisen einer bedeutenden Anzahl von Ordensleuten und Laien gewesen;
d) die eigenbrötlerischen Haltungen von Personen und Institutionen bei Angelegenheiten, die Koordination erfordern;
e) die Fälle von ungeschickter Anwendung der „Pastoral de conjunto“ oder der „Pastoralplanung“, sei es durch Improvisation oder technisches Unvermögen, sei es durch Überbewertung der „Pläne“ oder durch eine zu enge und autoritäre Konzeption in ihrer Verwirklichung.
II. PRINZIPIEN AUS DER LEHRE DER KIRCHE
5. Jede Überprüfung der kirchlichen Strukturen muss in dem, was an ihnen reformierbar ist, zwar auf die Befriedigung der Forderungen der konkreten historischen Situationen hinauslaufen, aber auch im Hinblick auf die Natur der Kirche geschehen. Die Überprüfung, die heute in unserer kontinentalen Situation durchgeführt werden muss, soll von zwei im Konzil besonders hervorgehobenen Leitgedanken inspiriert und orientiert werden: dem der Gemeinschaft und dem der Katholizität.<ref> II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche „Lumen gentium“, Nr. 13 </ref>
6. Tatsächlich ist die Kirche vor allem ein Geheimnis der katholischen Gemeinschaft, denn im Schoß ihrer sichtbaren Gemeinde können durch den Anruf des Wortes Gottes und durch die Gnade seiner Sakramente, besonders dem der Eucharistie, alle Menschen brüderlich an der gemeinsamen Würde der Gotteskinder teilhaben,<ref> s.1 Nr.9 und 32 </ref> und alle können auch die Verantwortung und Arbeit teilen, um die gemeinsame Sendung zu verwirklichen: Zeugnis des Gottes zu geben, der sie rettete und sie zu Brüdern in Christus machte.<ref> II. Vat. Konzil, Dekret über das Laienapostolat „Apostolicam actuositatem“, Nr. 3 und s. 1 Nr. 17 </ref>
7. Diese Gemeinschaft, die alle Getauften eint, erfordert –weit entfernt davon zu hemmen –, dass innerhalb der kirchlichen Gemeinde eine Vielfalt spezifischer Funktionen vorhanden ist. Denn damit sie sich aufbaut und ihre Sendung erfüllen kann, regt Gott selbst in ihr verschiedene Ämter und Charismen an, die jedem eine besondere Rolle im Leben und Handeln der Kirche zuweisen. Unter den Ämtern haben jene eine besondere Stellung, die mit einem sakramentalen Charakter verbunden sind. Diese führen in die Kirche eine strukturelle Dimension des göttlichen Rechtes ein. Die verschiedenen Ämter sollten nicht nur der Einheit der Gemeinschaft dienen, sondern sich ihrerseits in solidarischer Form zusammenfinden und handeln. Besonders die Ämter, die mit pastoraler Funktion verbunden sind – Bischofs- und Priesteramt –, sollen immer in kollegialem Geist geführt werden. Und so sind Bischöfe und Priester, immer wenn sie als Glieder eines Leibes (Bischofskollegium oder Priesterschaft) handeln müssen: „Beispiel“ der Gemeinschaft „forma facti gregis“.<ref> 1 Petr 5,3 </ref>
8. Es ist wesentlich, dass alle kirchlichen Gemeinschaften sich für die Dimension der katholischen Gemeinschaft offen halten; derart, dass sich keine in sich selbst verschließt. Die Erfüllung dieser Forderung zu sichern, ist eine Aufgabe, die besonders die hierarchischen Amtsträger angeht und in ganz besonderer Weise die Bischöfe, die – in kollegialer Weise verbunden mit dem Papst, ihrem Haupt – der Anfang der Katholizität der Ortskirchen sind. Damit die genannte Öffnung wirksam werde und nicht nur eine juristische Angelegenheit bleibe, muss es eine wirkliche Kommunikation von unten nach oben und von oben nach unten, zwischen der Basis und der Spitze geben.
9. Aus all dem Gesagten ergibt sich, dass die pastorale Aktion der kirchlichen Gemeinschaft, die dazu bestimmt ist, den ganzen Menschen und alle Menschen zur vollen Lebensgemeinschaft mit Gott in der sichtbaren Gemeinschaft der Kirche zu führen, notwendigerweise umfassend, organisch und gegliedert sein muss. Daraus ergibt sich, dass die kirchlichen Strukturen periodisch überprüft und in der Weise neu angepaßt werden müssen, so dass sich in harmonischer Weise das entwickeln kann, was „Pastoral de conjunto“ genannt wird; das heißt, all jene gemeinsame Heilsarbeit, die durch die Sendung der Kirche unter ihrem umfassenden Aspekt „als Sauerteig und Seele der in Christus zu erneuernden und in die Familie Gottes umzugestaltenden menschlichen Gesellschaft“<ref> II. Vat. Konzil, Pastorale Konstitution über die Kirche in der Welt von heute „Gaudium et spes“, Nr. 40 </ref> gefordert ist.
III. PASTORALE LEITLINIEN
Erneuerung der pastoralen Strukturen
Christliche Basisgemeinschaften
10. Das Leben der Gemeinschaft, zu dem der Christ aufgerufen wurde, muss er in seiner „Basisgemeinschaft“ finden; das heißt, in einer Gemeinschaft am Ort oder in der Umgebung, die der Wirklichkeit einer homogenen Gruppe entspricht und eine solche Dimension hat, dass sie die persönliche brüderliche Begegnung unter ihren Mitgliedern erlaubt. Daher soll die pastorale Bemühung der Kirche auf die Umwandlung dieser Gemeinschaften in eine „Familie Gottes“ ausgerichtet sein, indem sie beginnt, in ihnen als Sauerteig durch einen Kern – wenn er auch klein ist – wirksam zu sein; einen Kern, der eine Glaubensgemeinschaft, eine Gemeinschaft der Hoffnung und der Nächstenliebe<ref> s.1 Nr. 8 </ref> bilden soll. Die christliche Basisgemeinschaft ist so der erste und fundamental kirchliche Kern, der sich in seinem eigenen Bereich für den Reichtum und die Ausbreitung des Glaubens, wie auch für die des Kults, der sein Ausdruck ist, verantwortlich machen muss. So ist sie Kernzelle kirchlicher Strukturierung, Quelle der Evangelisierung und gegenwärtig der Hauptfaktor der menschlichen Förderung und Entwicklung.
11. Wichtigstes Element für die Existenz von christlichen Basisgemeinschaften sind ihre Leiter und Führungskräfte. Diese können Priester, Diakone, Ordensleute oder Laien sein. Es ist zu wünschen, dass sie der von ihnen angeregten Gemeinschaft angehören. Leiter zu finden und zu bilden, muss vordringlichstes Ziel der Sorge der Pfarrer und Bischöfe sein, die sich immer vergegenwärtigen sollen, dass die geistige und moralische Reife zum großen Teil von der Übernahme der Verantwortungen in einem Klima der Selbstbestimmung abhängt.<ref> s. 5 Nr. 55 </ref>
Die Mitglieder dieser Gemeinschaften, „würdig der Berufung, die sie empfangen haben, sollen die Ämter, die Gott ihnen anvertraut hat, ausüben: das priesterliche, das prophetische und das königliche Amt“, und auf diese Weise ihre Gemeinschaft „zum Zeichen der Gegenwart Gottes in der Welt“<ref> II. Vat. Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche „Ad gentes“, Nr. 15 </ref> machen.
12. Es werden ernsthafte Untersuchungen theologischen, soziologischen und historischen Charakters über diese heute entstehenden christlichen Basisgemeinschaften empfohlen, nachdem sie der Angelpunkt in der Pastoral der Missionare gewesen sind, die den Glauben und die Kirche in unserem Kontinent eingepflanzt haben. Es wird auch empfohlen, die Experimente, die gemacht werden, durch den CELAM bekanntzugeben und im Rahmen des Möglichen zu koordinieren.
Pfarreien, Dekanate und Pastoralzonen
13. Die dargestellte Sicht führt uns dazu, aus der Pfarrei eine belebende und einende pastorale Gesamtheit der Basisgemeinschaften zu machen. So soll die Pfarrei ihre Pastoral in Bezug auf Orte, Funktionen und Personen dezentralisieren, gerade um das, „was immer sie in ihrem Raum an menschlichen Unterschiedlichkeiten vorfindet, zusammenzuschließen und es dem Ganzen der Kirche einzufügen“.<ref> s. 3 Nr.10 </ref>
14. Der Pfarrer muss in einer solchen Pfarrei das Zeichen und das Prinzip der Einheit sein, wobei er im pastoralen Amt durch die Mitarbeit von Vertretern seines Volkes – Laien, Ordensleuten und Diakonen – unterstützt wird. Einer besonderen Erwähnung wert sind die geistlichen Mitarbeiter, die, obwohl der Autorität des Pfarrers unterstellt, nicht mehr einfach als Ausführende seiner Anordnungen angesehen werden können, sondern als seine Mitarbeiter, da sie ja an demselben und einzigen Priestertum teilhaben.<ref> II. Vat. Konzil, Dekret über Dienst und Leben der Priester „Presbyterorum ordinis“, Nr. 8 </ref>
15. Wenn eine Pfarrei nicht in normaler Weise betreut werden kann oder keinen dort wohnhaften Pfarrer hat, kann sie der Sorge eines Diakons oder einer Gruppe von Ordensleuten anvertraut werden, gemäß dem Beispiel, das man in einigen Gebieten mit sehr positiven Ergebnissen gemacht hat.
16. Die Pfarrgemeinde ist Teil einer größeren Einheit, der des Dekanates, dessen Leiter berufen ist, die „gemeindliche pastorale Aktion in dem ihm anvertrauten Gebiet zu fördern und zu leiten“.<ref> Papst Paul VI.: Enzyklika „Ecclesiae sanctae“, Nr. 19,1 </ref> Wenn mehrere Nachbardekanate in ausreichender Weise in ihrer pastoralen Problematik homogen sind, ist es günstig, aus ihnen eine Zone zu bilden, die unter Verantwortung eines bischöflichen Vikars verbleiben könnte.<ref> s. 11 Nr. 14,2 </ref>
Diözese
17. Die Tatsache, dass die Diözese von einem Bischof geleitet wird, bringt mit sich, dass ein Teil des Gottesvolkes „eine Teilkirche bildet, in der die eine, heilige katholische und apostolische Kirche wahrhaft wirkt und gegenwärtig ist“.<ref> II. Vat. Konzil, Dekret über die Hirtenaufgabe der Bischöfe in der Kirche „Christus Dominus“, Nr. 11 </ref> Der Bischof ist „Zeuge Christi vor allen Menschen“<ref> s. 13 Nr. 11 </ref> und seine Hauptaufgabe ist es, sein Volk in die Lage zu versetzen, in Leben und Tat Zeugnis vom Evangelium zu geben. Daher soll er sich, ohne Beeinträchtigung des Apostolats, das allen Getauften bezüglich ihrer Aktion aufgetragen ist, in besonderer Weise bemühen, dass sich die apostolischen Milieubewegungen, die einen so wichtigen Platz in der diözesanen Pastoralstruktur einnehmen, in harmonischer Weise in die Verfolgung dieser Ziele eingliedern. Mit einem Wort: Der Bischof hat die Verantwortung für die „Pastoral de conjunto“ als solche, und alle in der Diözese sollen ihre Aktion mit den von ihm aufgezeigten Zielen und Prioritäten koordinieren.
18. Um diese Aufgabe und Verantwortung zu übernehmen, muss der Bischof vor allem auf den Priesterrat zählen, d. h. seinen Senat in der Leitung der Diözese, der „als sein notwendiger Helfer und Ratgeber im Dienstamt der Belehrung, der Heiligung und der Leitung des Gottesvolkes betrachtet wird“.<ref> s.10 Nr. 7 </ref>
Es ist sehr wünschenswert, dass der Bischof auch mit einem Pastoralrat rechnen kann, der Bestand hat und funktionsfähig ist.<ref> Papst Paul VI.: Bei der Eröffnung der Zweiten Generalversammlung des Lateinamerikanischen Episkopates, Bogota, 24. August 1968 </ref> Es ist Sache dieses Rates, der das Gottesvolk in der Vielfalt seiner Bedingungen und Lebensstände (Priester, Diakone, Ordensleute, Laien) vertritt, das, was die pastoralen Werke betrifft, zu studieren und zu erwägen, „und zwar derart, dass die Übereinstimmung des Lebens und des Handelns des Gottesvolkes mit dem Evangelium gefördert wird“.<ref> s. 11 Nr. 16, 1 </ref>
So wie der Priesterrat das wichtigste Organ für den Dialog des Bischofs mit seinen Priestern sein soll, so soll es der Pastoralrat für seinen Dialog mit der ganzen Diözese sein.
19. Die Diözesankurie soll als verlängerter Arm des Bischofs selbst in allen ihren Aspekten und Tätigkeiten einen in ursprünglicher Weise pastoralen Charakter haben,<ref> s. 13 Nr. 27 </ref> und es wäre zu wünschen, wenn sie auch innerhalb des Priesterrates vertreten wäre.
Es wird empfohlen, den Laien jene Aufgaben der Kurie zu übertragen, die von ihnen erfüllt werden können.
20. Von weitreichender Bedeutung ist die Gestalt des Bischofsvikars. Die Funktion der sogenannten Bischofsvikare und der wesentlich pastorale Aspekt ihrer durch das Konzil skizzierten Rolle<ref> s. 13 Nr. 27 </ref> bedürfen keines weiteren Kommentars. Aber es ist angebracht zu betonen, dass man nicht fortfahren kann, den Generalvikar als bloßen Administrator der Diözese anzusehen. Da er das „alter ego“ des Bischofs ist, muss er Hirte sein. In demselben Maße, in dem die Zahl der spezialisierten Bischofsvikare<ref> s. 11 Nr. 14,2 </ref> zunimmt, ist es unumgänglich, dass der Generalvikar von der ganzen Breite derbischöflichen Sendung durchdrungen ist.
21. „Die Bischöfe werden kraft der sakramentalen Weihe und durch die hierarchische Gemeinschaft mit dem Haupt und den Gliedern des Kollegiums zu Gliedern der Bischofskörperschaft“.<ref> s.13 Nr. 4 </ref> Folglich müssen sie „sich immer einander verbunden wissen und sich für alle Kirchen besorgt zeigen. Durch göttliche Einsetzung und Vorschrift ist ja jeder einzelne gemeinsam mit den übrigen Bischöfen mitverantwortlich für die apostolische Aufgabe der Kirche“.<ref> s.13 Nr. 6 </ref> Die Erfüllung dieser Pflicht kommt der eigenen Diözese zugute, denn so öffnet sich die kirchliche Gemeinschaft der Gläubigen zu den Dimensionen der Katholizität.
Bischofskonferenzen
22. Die Bischofskonferenz muss in jedem Land oder jeder Region den konkreten Ausdruck des Geistes der Kollegialität darstellen, die jeden Bischof ermutigen soll. Sie muss ihre interne Struktur stärken, indem sie die entsprechenden Verantwortungen durch Kommissionen, die aus zuständigen Bischöfen und spezialisierten Beratern gebildet werden, genau bestimmt. Es ist empfehlenswert, von einer wirksamen Gruppendynamik und Organisationstechnik bei umfassendem Einsatz der sozialen Kommunikationsmittel und der öffentlichen Meinung Gebrauch zu machen.
23. Ihre Tätigkeit soll sich im Rahmen einer echten „Pastoral de conjunto“ und von Pastoralplänen entwickeln, eine Tätigkeit, die immer der menschlichen Realität und den religiösen Bedürfnissen des Gottesvolkes entsprechen soll. Die Bischofskonferenz soll Integrationselement der verschiedenen Diözesen und vor allem ausgleichender Faktor in der Aufteilung des Personals und der Mittel sein.<ref> s. 13 Nr. 6, s. 11 Nr. 2, Papst Paul VI.: Ansprache an den Lateinamerikanischen Episkopat, 23. November 1965 </ref> Es soll sich um eine echte Integration des ganzen apostolischen Personals, das sich von außen für das Land anbietet, bemüht werden, besonders durch den Dialog mit den bischöflichen Organismen, die dieses Personal anbieten.
24. Die Bischofskonferenzen müssen in entscheidender Weise alle Befugnisse wahrnehmen, die ihnen das Konzil in ihren Kompetenzbereichen und in Übereinstimmung mit ihrer konkreten Kenntnis der unmittelbaren Wirklichkeit zuerkannt oder verliehen hat.
25. Die Bischofskonferenzen sollen sich bemühen, dass sie die Stimme der Priester und des Laienstandes des Landes treu erreicht. Ebenso sollen sie sich um eine engere oder wirksamere Integration mit der Konföderation der Ordensoberen bemühen, indem sie diese in das Studium, die Erarbeitung und die Ausübung der Pastoral eingliedern.
26. Damit die Aktion wirksamer wird, ist es notwendig, das anzuwenden, was das Konzil sagt: „Das Heil der Seelen verlangt nicht nur eine geeignete Abgrenzung der Diözesen, sondern auch der Kirchenprovinzen ... So kann für die Bedürfnisse der Seelsorge entsprechend den sozialen und örtlichen Verhältnissen besser gesorgt werden“.<ref> s. 13 Nr. 39 </ref> Es ist angebracht, die Zweckmäßigkeit der Personalprälaturen<ref> s.10 Nr.10,s.11 Nr.4 </ref> für eine bessere Betreuung bestimmter ethnischer Gruppen in verschiedenen kirchlichen Verwaltungsbezirken und in unterschiedlichen Situationen zu bedenken, wobei darin das Problem der Binnenwanderung eingeschlossen wird.
27. Die Bischofskonferenzen sollen die Organe für die Durchführung der Vereinbarungen der Generalversammlungen des Lateinamerikanischen Episkopates sein.
28. Um in vertiefter Weise den katholischen Geist zu leben, werden die Bischofskonferenzen nicht nur mit dem Papst und den Organismen des Heiligen Stuhls in Kontakt stehen, sondern auch mit den Ortskirchen anderer Kontinente, sowohl zur gegenseitigen Erbauung als auch für die Förderung der Gerechtigkeit und des Friedens in der Welt.
Kontinentale Organismen
29. Auf kontinentaler Ebene drückt sich der Geist der Kollegialität der lateinamerikanischen Bischöfe in der Lösung gemeinsamer Probleme, sowohl in der Generalversammlung des Lateinamerikanischen Episkopates als auch im Lateinamerikanischen Bischofsrat, wenn auch auf verschiedene Weise, aus.<ref> Papst. Paul VI.: Ansprache an den Lateinamerikanischen Episkopat, 23. November 1965 </ref> Wenn die Integrität des CELAM als Organismus kontinentalen Charakters gewahrt bleibt, steht dem Zusammenschluss verschiedener, mit ähnlichen Problemen und Situationen belasteter Länder, zu einer besseren Koordinierung der pastoralen Arbeiten nichts im Wege.
30. Der CELAM, als Organ des Kontaktes, der Zusammenarbeit und des Dienstes, ist eine unersetzliche Hilfe für die Reflexion und Aktion der ganzen lateinamerikanischen Kirche.<ref> s. 26 Nr 27 </ref>
31. Für eine bessere Festigkeit und Funktionsfähigkeit dieses Organismus ist eine größere Kommunikation zwischen den Abteilungen des CELAM und den entsprechenden Kommissionen der Nationalen Bischofskonferenzen hinsichtlich der Arbeitsgruppen dringend notwendig.
32. Der CELAM muss sich in dieser Epoche sehr um eine ganzheitliche und andauernde Reflexion und um einen bereichernden Erfahrungsaustausch auf pastoralem Sektor bemühen. Unter den Materien, deren Studium zu beginnen angebracht wäre, müßten heute die Basisgemeinschaften stehen.
33. Der CELAM muss für einen besseren Dienst am Kontinent seine Beziehungen zu lateinamerikanischen und Weltorganismen erweitern.
Andere Erfordernisse der „Pastoral de conjunto“
34. Wenn man die gegenwärtige Situation der Kirche in Lateinamerika berücksichtigt, erfordert die „Pastoral de conjunto“ neben der schon erwähnten Strukturreform:
a) eine persönliche Erneuerung und
b) eine in Übereinstimmung mit dem Entwicklungsprozess Lateinamerikas angemessen geplante pastorale Aktion.
35. Die persönliche Erneuerung schließt einen Prozess der andauernden Bewusstseinsbildung und des „aggiornamento“ von zwei Gesichtspunkten aus ein:
a) theologisch-pastoral ist sie begründet in den Konzilsdokumenten und in der gültigen Theologie; und
b) pädagogisch gesehen kommt er aus einem ständigen Dialog, der sich auf die Gruppendynamik und auf eine Überprüfung der Aktion durch Pastoralformen stützt, die darauf abzielen, einen echten Gemeinschaftsgeist zu schaffen, ohne den eine unverfälschte „Pastoral de conjunto“ völlig unmöglich ist. Diese persönliche Erneuerung muss alle Schichten des Gottesvolkes erreichen, wobei sie in den Bischöfen, Priestern und Laien, Bewegungen und Vereinigungen ein einziges kirchliches Bewusstsein schafft.
36. Eine geplante pastorale Aktion erfordert:
a) Studium der Realität der Umwelt unter der technischen Mitarbeit spezialisierter Organismen und Personen;
b) theologische Reflexion über die vorgefundene Wirklichkeit;
c) Erfassung und Verteilung des verfügbaren Personals und des Arbeitsmaterials. Das spezialisierte Personal soll sich in den verschiedenen nationalen oder lateinamerikanischen Instituten vorbereiten;
d) Festlegung der Prioritäten der Aktion;
e) Erarbeitung des Pastoralplanes. Dafür sollen die technischen und sachlichen Prinzipien einer echten Planung innerhalb einer Integration in Pläne auf höherer Ebene weiterverfolgt werden;
f) periodische Bewertung der geleisteten Arbeit.
16. SOZIALE KOMMUNIKATIONSMITTEL
I. SITUATION
1. Die soziale Kommunikation ist heute eine der hauptsächlichsten Dimensionen der Menschheit. Sie eröffnet eine neue Epoche. Sie übt einen Einfluß aus, der in dem Maße steigt, in dem die Satelliten, die Elektronik und die Wissenschaft im allgemeinen fortschreiten.
Die sozialen Kommunikationsmittel umfassen die ganze Person. Sie formen den Menschen und die Gesellschaft. Sie füllen immer mehr seine Freizeit aus. Sie schaffen eine neue Kultur, Produkt der audiovisuellen Zivilisation, die, wenn sie auch einerseits dazu neigt, den Menschen zu vermassen, andererseits seine Personalisierung unterstützt. Diese neue Kultur ist zum erstenmal allen zugänglich, seien sie alphabetisiert oder nicht, eine Tatsache, die es in der traditionellen Kultur, die lediglich eine Minderheit begünstigte, nicht gab.
Andererseits bringen diese sozialen Kommunikationsmittel Menschen und Völker einander näher; sie verwandeln sie in einander nahestehende und solidarische Menschen und tragen so zum Phänomen der Sozialisierung<ref> Johannes XXIII.: Enzyklika „Mater et magistra“, Nr. 59 </ref> bei, das eine der Errungenschaften der modernen Zeit ist.
2. In Lateinamerika sind die sozialen Kommunikationsmittel einer der Faktoren, die am meisten dazu beigetragen haben und noch dazu beitragen, das Bewusstsein der großen Massen über ihre Lebensbedingungen zu wecken, wodurch Wünsche und Forderungen nach radikalen Umwandlungen hervorgerufen wurden. Obwohl erst in den Anfängen, wirken sie durch die Grunderziehung, Bildungsprogramme und öffentliche Meinung auch als positive Wandlungskräfte.
Viele dieser Mittel sind jedoch mit wirtschaftlichen und politischen Gruppen nationaler und ausländischer Herkunft verbunden, die daran interessiert sind, den sozialen „Status quo“ zu erhalten.
3. Die Kirche hat auf diesem Gebiet eine Reihe von Initiativen ergriffen. Wenn einige davon ihren pastoralen Zweck nicht erfüllten, so ist das in erster Linie auf ein mangelhaftes Verständnis davon zurückzuführen, was soziale Kommunikation als solche ist, und auf die Unkenntnis der Bedingungen, die deren Anwendung auferlegt.
II. BEDEUTUNG
4. Die Weltkirche begrüßt und fördert die wunderbaren Erfindungen der Technik, wie Presse, Film, Rundfunk, Fernsehen, Theater, Schallplatten,<ref> II. Vat. Konzil, Dekret über die Kommunikationsmittel „Inter mirifica“, Nr. 1 </ref> die sich hauptsächlich an den menschlichen Geist richten und die der Kommunikation unter den Menschen neue Wege erschlossen haben.
Die Kirche in Lateinamerika nimmt auch freudig die providentielle Hilfe dieser Mittel an mit Vertrauen und Hoffnung darauf, dass sie immer mehr zur menschlichen und christlichen Förderung des Kontinents beitragen werden.
5. Die sozialen Kommunikationsmittel sind wichtig, um die öffentliche Meinung für den Wandlungsprozess, den Lateinamerika durchlebt, aufgeschlossen zu machen. Sie sind wesentlich, um diesen Prozess in die rechten Wege zu leiten. Sie sollen die Machtzentren, die die Entwicklungspläne beeinflussen, anregen, indem man sie nach den Bedürfnissen des Gemeinwohls ausrichtet. Die sozialen Kommunikationsmittel sind wichtig, um die erwähnten Pläne zu verbreiten und die aktive Teilnahme der ganzen Gesellschaft, besonders der führenden Schichten, bei deren Durchführung zu fördern.
6. Die sozialen Kommunikationsmittel verwandeln sich in gleicher Weise in aktive Kräfte des Wandlungsprozesses, wenn sie sich in den Dienst einer echten, ganzheitlichen Erziehung stellen, die geeignet ist, den ganzen Menschen zu entwickeln, indem sie ihn dazu befähigt, Urheber seiner eigenen Entwicklung zu sein. Das gleiche wird auch auf die Evangelisierung und auf das Glaubenswachstum angewandt.
Andererseits kann man nicht verkennen, dass der Gebrauch der sozialen Kommunikationsmittel immer mehr die Freizeit von Personen aller Schichten ausfüllt, die in ihnen Zerstreuung suchen. Dieser Gebrauch vermittelt ihnen zur gleichen Zeit Information, Wissen, positive und negative moralische Einflüsse.
7. In der heutigen Welt kann die Kirche ihren von Christus anvertrauten Auftrag, die Frohe Botschaft „bis an die Grenzen der Erde“ zu tragen, nicht erfüllen, wenn sie nicht die sozialen Kommunikationsmittel in Anspruch nimmt, die allein fähig sind, alle Menschen wirksam zu erreichen.
Das Wort ist das normale Ausdrucksmittel des Glaubens: fides ex auditu.<ref> Röm 10,17 </ref> In unserer Zeit wird das „Wort“ auch zu Bild, Farbe und Ton, weil es durch die verschiedenen sozialen Kommunikationsmittel mannigfaltige Formen annimmt. So verstandene Kommunikationsmittel sind ein Imperativ der gegenwärtigen Zeit, damit die Kirche ihren Evangelisierungsauftrag verwirklichen kann.
8. Für die Kirche ist schließlich die soziale Kommunikation und der Gebrauch ihrer Instrumente das Mittel, um diesem Kontinent ein genaueres und treueres Bild ihrer selbst zu geben, indem sie der großen Öffentlichkeit nicht nur die Nachrichten über Ereignisse des kirchlichen Lebens und ihrer Aktivitäten vermittelt, sondern vor allem, indem sie die Ereignisse im Licht des christlichen Denkens interpretiert.
9. Aus allen diesen Gründen drängt das Dekret „Inter mirifica“ alle Kinder der Kirche, die sozialen Kommunikationsmittel ohne das geringste Zögern und mit größtem Einsatz zu gebrauchen. Die Hirten sollen ihre Mission auf diesem Gebiet erfüllen, die aufs tiefste mit ihrer alltäglichen Pflicht des Predigens verbunden ist.<ref> s. 2 Nr. 3 </ref>
III. PASTORALE EMPFEHLUNGEN
10. Der ständig wachsende und überwältigende Einfluß, den die soziale Kommunikation auf das ganze Leben des modernen Menschen ausübt, veranlaßt die Kirche, auf diesem Gebiet mit einer dynamischen Pastoral gegenwärtig zu sein, die alle Bereiche dieser weiten Welt umfasst.
11. Wenn man das Recht der Kirche anerkennt, eigene Kommunikationsmittel, die in einigen Fällen für sie notwendig sind, zu besitzen, ist es ein unumgängliches Erfordernis, um diesen Besitz zu rechtfertigen, nicht nur auf eine Organisation zu zählen, die ihre berufliche, wirtschaftliche und administrative Wirksamkeit garantiert, sondern die auch der Gemeinschaft einen wirklichen Dienst erweist.
12. Die Eingliederung der Christen in die heutige Welt verpflichtet sie dazu, im Sinne des Dialogs und des Dienstes, den die Konstitution „Gaudium et spes“ aufzeigt, in den sozialen Kommunikationsmitteln zu arbeiten, die der Kirche fernstehen. Der katholische Fachmann, der berufen ist, Sauerteig in der Masse zu sein, wird seine Aufgabe besser erfüllen, wenn er sich in diese Kommunikationsmittel integriert, um die Kontakte zwischen der Kirche und der Welt zu erweitern und ebenfalls zu ihrer Umwandlung beizutragen.
13. Wegen der sozialen Dimension dieser Medien und des Mangels an qualifiziertem Personal, das in ihnen arbeitet, ist es dringend, auf dem Gebiet der sozialen Kommunikation, besonders unter den Laien, Berufungen anzuregen und zu fördern.
14. Dieses Personal muss in Übereinstimmung mit den verschiedenen Ebenen und Kategorien seiner Funktionen eine angemessene apostolische und berufliche Ausbildung erhalten. Die erwähnte Ausbildung muss jene theologischen, soziologischen und anthropologischen Kenntnisse einschließen, die durch die kontinentalen Realitäten erforderlich sind.
15. Die Bildungsarbeit in Verbindung mit der sozialen Kommunikation wird sich auf alle Menschen, insbesondere auf die Jugendlichen, ausdehnen. Sie sollen sie als ein fundamentales Mittel erkennen, bewerten und schätzen, mit dem sich die heutige Welt Ausdruck verleiht, indem man den kritischen Sinn und die Fähigkeit, mit Verantwortung eigene Entscheidungen zu treffen, entwickelt. Es ist angebracht, schon in den unteren Erziehungsstufen mit der Hinführung zu dieser Fähigkeit zu beginnen und sie auch in die Katechese einzuschließen.<ref> s. 2 Nr. 16 </ref>
16. Wegen ihres Charakters als Diener des Wortes und Erzieher des Volkes Gottes ist es ebenso notwendig, den Bischöfen, Priestern und Ordensleuten Kurse anzubieten, die sie über die Bedeutung der sozialen Kommunikation unterrichten und sie in der Handhabung der Instrumente trainieren. Diese Ausbildung muss Gegenstand systematischen Studiums in den Seminaren und religiösen Bildungsstätten sein.<ref> s. 2 Nr.15 und Nr. 16 </ref>
Aufgrund der Bedeutung, die die Kirche den sozialen Kommunikationsmitteln beimisst, bitten wir die kirchlichen Oberen, die Ausbildung und den Einsatz der Priester und Ordensleute für die spezifische Bildung, Beratung und Inspiration der apostolischen Werke, die mit diesem Gebiet verbunden sind,<ref> s 2 Nr. 15 </ref> zu erleichtern.
17. Die Akademiker, Intellektuellen und besonders die Spezialabteilungen der Universitäten und Institute für soziale Kommunikation werden gebeten, das Phänomen der sozialen Kommunikation in seinen verschiedenen Aspekten, einschließlich der Theologie der Kommunikation, gründlich zu untersuchen, um immer mehr die Dimensionen dieser neuen Kultur und ihre künftigen Ausmaße zu spezifizieren. In gleicher Weise wird gebeten, jede Art von Forschung zu fördern, zu unterstützen und zu nutzen, die hilft, die Arbeit der sozialen Kommunikationsmittel besser an eine wirksame Förderung der verschiedenen Gemeinschaften anzupassen.
18. Es muss die Produktion von Material angeregt werden, das an die verschiedenen lokalen Kulturen angepaßt ist (z. B. Zeitungsartikel, Rundfunk- und Fernsehsendungen), damit es die einheimischen Werte fördert und von den Empfängern in angemessener Weise aufgenommen wird.
19. Um die spezifischen Ziele der Kirche zu erreichen, ist es notwendig, in jedem Land Lateinamerikas nationale Presse-, Film-, Radio- und Fernsehbüros mit der für ihre Arbeit erforderlichen Autonomie und wirksamen Koordination untereinander zu schaffen oder zu stärken.<ref> s. 2 Nr. 21 </ref>
20. Diese Büros sollen in enger Verbindung mit den kontinentalen und internationalen Organismen (ULAPC, UNDA-AL und SAL-OCIC) stehen. Ebenso müssen die erwähnten Organismen ihre ganze Zusammenarbeit der Abteilung für soziale Kommunikation des CELAM zur Verfügung stellen, um Pläne auf lateinamerikanischer Ebene zu strukturieren und ihre Durchführung zu fördern.
21. Es ist unumgänglich, einen aufrichtigen und wirksamen Dialog zwischen der Hierarchie und all jenen zu fördern, die in den sozialen Kommunikationsmitteln arbeiten. Dieser Dialog wird besonders mit denen geführt werden müssen, die in den kircheneigenen, sozialen Kommunikationsmitteln arbeiten, um sie pastoral anzuregen und zu orientieren.
22. Diese offene Haltung fördert die notwendige Freiheit der Meinungsäußerung, die – dem Zweiten Vatikanischen Konzil zufolge – innerhalb der Kirche unerläßlich ist. „Die Kirche ... wird zum Zeichen jener Brüderlichkeit, die einen aufrichtigen Dialog ermöglicht und gedeihen läßt. Das aber verlangt von uns, dass wir vor allem in der Kirche selbst, bei Anerkennung aller rechtmäßigen Verschiedenheiten, gegenseitige Hochachtung, Ehrfurcht und Eintracht pflegen, um ein immer fruchtbareres Gespräch zwischen allen in Gang zu bringen, die das eine Volk Gottes bilden, Geistliche und Laien. Stärker ist, was die Gläubigen eint, als was sie trennt. Es gelte im Notwendigen Einheit, im Zweifel Freiheit, in allem die Liebe“.<ref> II. Vat. Konzil, Pastorale Konstitution über die Kirche in der Welt von heute „Gaudium et spes“, Nr. 92 </ref>
23. Diese Bischofskonferenz erinnert die nationalen Episkopate an die Anordnungen des Dekretes „Inter mirifica“<ref> s. 2 Nr. 18 </ref> in Bezug auf die Feier des Welttages der Sozialen Kommunikation, der eine außergewöhnliche Gelegenheit bietet, die Gläubigen für die Tragweite der sozialen Kommunikation im Leben des Menschen und der Gesellschaft aufgeschlossen zu machen.
24. Die vorausgegangenen pastoralen Feststellungen und Orientierungen heben die Bedeutung hervor, die die sozialen Kommunikationsmittel heute haben. Ohne sie werden die Entwicklung des lateinamerikanischen Menschen und die notwendigen Umwandlungen des Kontinents nicht gelingen können. Daraus ergibt sich nicht nur die Nützlichkeit und Zweckmäßigkeit, sondern die absolute Notwendigkeit, sie auf allen Ebenen und in allen Formen des pastoralen Wirkens der Kirche einzusetzen, um die Ziele zu erreichen, die sich diese Versammlung gesetzt hat.
Anmerkungen
<references />
Weblinks
- Der original spanische Text bei www.diocese-braga.pt
- Reise Papst Pauls VI. vom 22. bis 25. August 1968 nach Bogotá in Kolumbien (italienisch und spanisch)