Naturalismus
Naturalismus bezeichnet, entgegen dem Wortsinn von natura, der die Natur als die Geborene kennzeichnet (die Schöpfung also auf den Schöpfer verweist), einen weltanschaulichen Monismus, der den Ausgangspunkt der Natur, also alles "Vorhandenen", in ihr selbst sieht bzw. auf die Frage nach dem Ursprung von Welt und Zeit nur schweigt. Die christliche Schöpfungslehre ist zwar auch kein echter Dualismus, jedoch vermag sie zwischen der (ewigen) Erstursache und den (zeitlichen) Folge-Ursachen der Natur zu unterscheiden.
Geistesgeschichtlich wurde der Naturalismus begünstigt durch moderne Erkenntnisse der Naturwissenschaften, die es seit etwa dem 16. Jahrhundert, erstmals seit der Antike, wieder für "denkbar" erklärten, dass es eine Welt ohne "übernatürlichen" Ursprung geben könne. Die moderne Physik sagt jedoch heute, dass sie keine wissenschaftlich vertretbare Auskunft über den ersten Anfang geben kann (vgl. Max Planck, 1900; womit die Gottesfrage auch von wissenschaftlicher Seite her (unwiderruflich) wieder offen ist).
Neben dem philosophischen Naturalismus, der seit Lessing, Kant und Hegel allmählich auch in die deutsche Exegese und Theologie eintrat, hat sich seit dem 19. Jahrhundert auch ein politischer Naturalismus etabliert (als Liberalismus, Sozialismus, Totalitarismus), den der Katholizismus von Papst Gregor XVI. (1831) bis zu Benedikt XV. (1914) stets und vehement bekämpft hat. Vermittelt durch die Idee der Menschenrechte lernte jedoch die Politik im 20. Jahrhunderts ihrerseits, dass sie, um der Zukunft der Menschheit willen, keine totalen Ansprüche formulieren darf.
Die Selbstrelativierung des wissenschaftlichen Anspruchs seit etwa 1900 wie auch die Selbstbeschränkung des modernen politischen Programms (seit etwa 1948) ermöglichten es dem "totgeglaubten" Katholizismus seinerseits, aus der Defensive zu treten und den Dialog mit den Andersdenkenden zu suchen.