Katechismus der Katholischen Kirche I. Teil: Das Glaubensbekenntnis

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Katechismus der Katholischen Kirche
Erster Teil: Das Glaubensbekenntnis

(Quelle: Die deutsche Fassung auf der Vatikanseite)

Abkürzungen im Prolog|
Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


Inhaltsverzeichnis

ERSTER ABSCHNITT: „ICH GLAUBE“ - „WIR GLAUBEN“

26 Wenn wir unseren Glauben bekennen, sagen wir zu Beginn: „Ich glaube“ oder „wir glauben“. Bevor wir den Glauben der Kirche darlegen, wie er im Credo bekannt, in der Liturgie gefeiert, im Befolgen der Gebote und im Gebet gelebt wird, fragen wir uns also, was „glauben“ bedeutet. Der Glaube ist die Antwort des Menschen an Gott, der sich dem Menschen offenbart und schenkt und ihm so auf der Suche nach dem letzten Sinn seines Lebens Licht in Fülle bringt. Wir betrachten folglich zunächst dieses Suchen des Menschen (erstes Kapitel), sodann die göttliche Offenbarung, durch die Gott dem Menschen entgegenkommt (zweites Kapitel), und schließlich die Antwort des Glaubens (drittes Kapitel).

ERSTES KAPITEL: DER MENSCH IST „GOTTFÄHIG“

I Das Verlangen nach Gott

27 Das Verlangen nach Gott ist dem Menschen ins Herz geschrieben, denn der Mensch ist von Gott und für Gott erschaffen. Gott hört nie auf, ihn an sich zu ziehen. Nur in Gott wird der Mensch die Wahrheit und das Glück finden, wonach er unablässig sucht (Vgl. dazu auch 355, 1701, 1718):

„Ein besonderer Grund für die menschliche Würde liegt in der Berufung des Menschen zur Gemeinschaft mit Gott. Zum Dialog mit Gott wird der Mensch schon von seinem Ursprung her eingeladen: er existiert nämlich nur, weil er, von Gott aus Liebe geschaffen, immer aus Liebe erhalten wird; und er lebt nicht voll gemäß der Wahrheit, wenn er diese Liebe nicht frei anerkennt und sich seinem Schöpfer anheimgibt“ (GS 19, 1).

28 Von jeher geben die Menschen durch ihre Glaubensanschauungen und religiösen Verhaltensweisen (wie Gebet, Opfer, Kult und Meditation) ihrem Suchen nach Gott mannigfach Ausdruck. Diese Ausdrucksweisen können mehrdeutig sein, sind aber so allgemein vorhanden, dass man den Menschen als ein religiöses Wesen bezeichnen kann (Vgl. dazu auch 2095–2109, 843, 2566):

Gott „hat aus einem einzigen Menschen das ganze Menschengeschlecht erschaffen, damit es die ganze Erde bewohne. Er hat für sie bestimmte Zeiten und die Grenzen ihrer Wohnsitze festgesetzt. Sie sollten Gott suchen, ob sie ihn ertasten und finden könnten; denn keinem von uns ist er fern. Denn in ihm leben wir, bewegen wir uns und sind wir“ (Apg 17, 26–28)

29 Diese „innigste und lebenskräftige Verbindung mit Gott“ (GS 19, 1) kann jedoch vom Menschen vergessen, verkannt, ja ausdrücklich zurückgewiesen werden. Solche Haltungen können verschiedenste Ursachen haben [Vgl. GS 19–21]: Auflehnung gegen das Übel in der Welt, religiöse Unwissenheit oder Gleichgültigkeit, irdische Sorgen und Reichtum [Vgl. Mt 13, 22], schlechtes Beispiel der Gläubigen, religionsfeindliche Denkströmungen und schließlich die Neigung des sündigen Menschen, sich aus Angst vor Gott zu verbergen [Vgl. Gen 3, 8–10] und vor dem Ruf des Herrn zu fliehen [Vgl. Jona 1, 3] (Vgl. dazu auch 2123–2128, 398).

30 „Alle, die den Herrn suchen, sollen sich von Herzen freuen“ (Ps 105, 3). Mag auch der Mensch Gott vergessen oder zurückweisen, hört Gott doch nicht auf, jeden Menschen zu rufen, damit dieser ihn suche und dadurch lebe und sein Glück finde. Dieses Suchen fordert aber vom Menschen die ganze Anstrengung des Denkens und die gerade Ausrichtung des Willens, „ein aufrichtiges Herz“, und auch das Zeugnis anderer, die ihn lehren, Gott zu suchen (Vgl. dazu auch 2567, 845, 368).

„Groß bist du, Herr, und überaus lobwürdig; groß ist deine Stärke und unermeßlich deine Weisheit. Und loben will dich der Mensch, der selbst ein Teilchen deiner Schöpfung ist, der Mensch, der seine Sterblichkeit mit sich herumträgt und in ihr das Zeugnis seiner Sündhaftigkeit und das Zeugnis, dass du den Stolzen widerstehst. Und dennoch will er dich loben, der Mensch, der selbst ein Teilchen deiner Schöpfung ist. Du treibst uns an, so dass wir mit Freuden dich loben, denn du hast uns auf dich hin geschaffen, und ruhelos ist unser Herz, bis es ruhet in dir“ (Augustinus, conf. 1,1,1).

II Die Wege zur Gotteserkenntnis

31 Da der Mensch nach dem Bilde Gottes erschaffen und dazu berufen ist, Gott zu erkennen und zu lieben, entdeckt er auf der Suche nach Gott gewisse „Wege“, um zur Erkenntnis Gottes zu gelangen. Man nennt diese auch „Gottesbeweise“, nicht im Sinn naturwissenschaftlicher Beweise, sondern im Sinn übereinstimmender und überzeugender Argumente, die zu wirklicher Gewissheit gelangen lassen. Diese „Wege“ zu Gott haben die Schöpfung – die materielle Welt und die menschliche Person –zum Ausgangspunkt.

32 Die Welt. Aus der Bewegung und dem Werden, aus der Kontingenz, der Ordnung und der Schönheit der Welt kann man Gott als Ursprung und Ziel des Universums erkennen (Vgl. dazu auch 54, 337).

Der hl. Paulus behauptet von den Heiden: „Was man von Gott erkennen kann, ist ihnen offenbar; Gott hat es ihnen offenbart. Seit Erschaffung der Welt wird seine unsichtbare Wirklichkeit an den Werken der Schöpfung mit der Vernunft wahrgenommen, seine ewige Macht und Gottheit“ (Röm 1, 19–20) [Vgl. Apg 14, 15.17; 17, 27–28; Weish 13, 1–9]

Und der hl. Augustinus sagt: „Frage die Schönheit der Erde, frage die Schönheit des Meeres, frage die Schönheit der Luft, die sich ausdehnt und sich verbreitet, frage die Schönheit des Himmels, frage alle diese Dinge. Alle antworten dir: Schau, wie schön wir sind! Ihre Schönheit ist ein Bekenntnis [confessio]. Wer hat diese der Veränderung unterliegenden Dinge gemacht, wenn nicht der Schöne [Pulcher], der der Veränderung nicht unterliegt?“ (serm. 241, 2).

33 Der Mensch. Mit seiner Offenheit für die Wahrheit und Schönheit, mit seinem Sinn für das sittlich Gute, mit seiner Freiheit und der Stimme seines Gewissens, mit seinem Verlangen nach Unendlichkeit und Glück fragt der Mensch nach dem Dasein Gottes. In all dem nimmt er Zeichen seiner Geist – Seele wahr. „Da sich der Keim der Ewigkeit, den er in sich trägt, nicht auf bloße Materie zurückführen läßt“, (GS 18, 1) [Vgl. GS 14, 2], kann seine Seele ihren Ursprung nur in Gott haben. (Vgl. dazu auch 2500, 1730, 1776, 1703, 366)

34 Die Welt und der Mensch bezeugen, dass sie weder ihre erste Ursache noch ihr letztes Ziel in sich selbst haben, sondern dass sie am ursprungslosen und endlosen Sein schlechthin teilhaben. Auf diesen verschiedenen „Wegen“ kann also der Mensch zur Erkenntnis gelangen, dass eine Wirklichkeit existiert, welche die Erstursache und das Endziel von allem ist, und diese Wirklichkeit „wird von allen Gott genannt“ (Thomas v. A., s. th. 1,2,3) (Vgl. dazu auch 199).

35 Die Fähigkeiten des Menschen ermöglichen ihm, das Dasein eines persönlichen Gottes zu erkennen. Damit aber der Mensch in eine Beziehung der Vertrautheit mit Gott eintreten könne, wollte dieser sich dem Menschen offenbaren und ihm die Gnade geben, diese Offenbarung im Glauben annehmen zu können. Die Beweise für das Dasein Gottes können indes zum Glauben hinführen und zur Einsicht verhelfen, dass der Glaube der menschlichen Vernunft nicht widerspricht (Vgl. dazu auch 50, 159).

III Die Gotteserkenntnis nach der Lehre der Kirche

36 „Die heilige Mutter Kirche hält fest und lehrt, dass Gott, der Ursprung und das Ziel aller Dinge, mit dem natürlichen Licht der menschlichen Vernunft aus den geschaffenen Dingen gewiss erkannt werden kann“ (1. Vatikanisches K.: DS 3004) [Vgl. DS 3026; DV 6]. Ohne diese Befähigung wäre der Mensch nicht imstande, die Offenbarung Gottes aufzunehmen. Der Mensch besitzt diese Fähigkeit, weil er „nach dem Bilde Gottes“ erschaffen ist [Vgl. Gen 1, 26] (Vgl. dazu auch 355).

37 In den geschichtlichen Bedingungen, in denen sich der Mensch befindet, ist es jedoch für ihn recht schwierig, Gott einzig mit dem Licht seiner Vernunft zu erkennen (Vgl. dazu auch 1960).

„Wenn auch die menschliche Vernunft, um es einfach zu sagen, durch ihre natürlichen Kräfte und ihr Licht tatsächlich zur wahren und sicheren Erkenntnis des einen persönlichen Gottes, der die Welt durch seine Vorsehung schützt und leitet, sowie des natürlichen Gesetzes, das vom Schöpfer in unsere Herzen gelegt wurde, gelangen kann, so hindert doch nicht weniges, dass dieselbe Vernunft diese ihre angeborene Fähigkeit wirksam und fruchtbar benütze. Was sich nämlich auf Gott erstreckt und die Beziehungen angeht, die zwischen den Menschen und Gott bestehen, das sind Wahrheiten, die die Ordnung der sinnenhaften Dinge gänzlich übersteigen; wenn sie auf die Lebensführung angewandt werden und diese gestalten, verlangen sie Selbstaufopferung und Selbstverleugnung. Der menschliche Verstand aber ist sowohl wegen des Antriebes der Sinne und der Einbildung als auch wegen der verkehrten Begierden, die aus der Ursünde herrühren, beim Erwerb solcher Wahrheiten Schwierigkeiten unterworfen. So kommt es, dass die Menschen sich in solchen Dingen gerne einreden, es sei falsch oder wenigstens zweifelhaft, von dem sie selbst nicht wollen, dass es wahr sei“ (Pius XII., Enz. „Humani Generis“: DS 3875).

38 Deshalb ist es nötig, dass der Mensch durch die Offenbarung Gottes nicht nur über das erleuchtet wird, was sein Verständnis übersteigt, sondern auch über „das, was in Fragen der Religion und der Sitten der Vernunft an sich nicht unzugänglich ist“, damit es „auch bei der gegenwärtigen Verfaßtheit des Menschengeschlechtes von allen ohne Schwierigkeit, mit sicherer Gewissheit und ohne Beimischung eines Irrtums erkannt werden kann“ (ebd.: DS 3876) [Vgl. 1. Vatikanisches K.: DS 3005; DV 6; Thomas v. A., s th. 1, 1, 1] (Vgl. dazu auch 2036).

IV Wie von Gott sprechen?

39 Die Kirche vertritt die Überzeugung, dass die menschliche Vernunft Gott zu erkennen vermag. Damit bekundet sie ihre Zuversicht, dass es möglich ist, zu allen Menschen und mit allen Menschen von Gott zu sprechen. Diese Überzeugung liegt ihrem Dialog mit den anderen Religionen, mit der Philosophie und den Wissenschaften, aber auch mit den Ungläubigen und den Atheisten zugrunde (Vgl. dazu auch 851).

40 Da unsere Gotteserkenntnis begrenzt ist, ist es auch unser Sprechen von Gott. Wir können nur von den Geschöpfen her und gemäß unserer beschränkten menschlichen Erkenntnis– und Denkweise von Gott sprechen.

41 Alle Geschöpfe weisen eine gewisse Ähnlichkeit mit Gott auf, insbesondere der Mensch, der nach Gottes Bild, ihm ähnlich erschaffen ist. Darum widerspiegeln die vielfältigen Vollkommenheiten der Geschöpfe (ihre Wahrheit, ihre Güte, ihre Schönheit) die unendliche Vollkommenheit Gottes. Daher können wir von den Vollkommenheiten seiner Geschöpfe her über Gott Aussagen machen, „denn von der Größe und Schönheit der Geschöpfe läßt sich auf ihren Schöpfer schließen“ (Weish 13, 5) (Vgl. dazu auch 213, 299).

42 Gott ist über jedes Geschöpf erhaben. Wir müssen deshalb unser Sprechen von ihm unablässig von allem Begrenztem, Bildhaftem, Unvollkommenem läutern, um nicht den „unaussagbaren, unbegreiflichen, unsichtbaren, unfaßbaren“ Gott (Liturgie des hl. Johannes Chrysostomus, Hochgebet) mit unseren menschlichen Vorstellungen von ihm zu verwechseln. Unsere menschlichen Worte reichen nie an das Mysterium Gottes heran (Vgl. dazu auch 212, 300, 370).

43 Wenn wir auf diese Weise von Gott sprechen, drückt sich unsere Sprache zwar menschlich aus, bezieht sich aber wirklich auf Gott selbst, ohne ihn jedoch in seiner unendlichen Einfachheit zum Ausdruck bringen zu können. Wir müssen uns bewusst sein: „Zwischen dem Schöpfer und dem Geschöpf kann man keine so große Ähnlichkeit feststellen, dass zwischen ihnen keine noch größere Unähnlichkeit festzustellen wäre“ (4. Konzil im Lateran: DS 806). „Wir können von Gott nicht erfassen, was er ist, sondern bloß, was er nicht ist und wie sich die anderen Wesen auf ihn beziehen“ (Thomas v. A., s. gent. 1, 30) (Vgl. dazu auch 206).

KURZTEXTE

44 Der Mensch ist seiner Natur und Berufung nach ein religiöses Wesen. Da er von Gott kommt und zu Gott geht, lebt der Mensch nur in freiwilliger Verbindung mit Gott ein vollmenschliches Leben.

45 Der Mensch ist dazu geschaffen, in Gemeinschaft mit Gott zu leben, in dem er sein Glück findet: „Wenn ich dir anhängen werde mit meinem ganzen Wesen, dann wird mich keinerlei Schmerz und Trübsal mehr bedrücken, und mein ganz von dir erfülltes Leben wird erst wahrhaftiges Leben sein“ (Augustinus, conf. 10, 28, 39).

46 Wenn der Mensch auf die Botschaft der Geschöpfe und die Stimme seines Gewissens hört, kann er zur Gewissheit gelangen, dass Gott als Ursache und Ziel von allem existiert.

47 Die Kirche lehrt, dass sich der einzige und wahre Gott, unser Schöpfer und Herr, dank dem natürlichen Licht der Vernunft aus seinen Werken mit Gewissheit erkennen läßt [Vgl. 1. Vatikanisches Konzil: DS 3026].

48 Wir können wirklich von Gott sprechen, wenn wir von den vielfältigen Vollkommenheiten der Geschöpfe ausgehen, durch die sie dem unendlich vollkommenen Gott ähnlich sind. Unsere begrenzte Sprache vermag aber sein Mysterium nicht auszuschöpfen.

49 „Das Geschöpf sinkt ohne den Schöpfer ins Nichts“ (GS 36). Darum wissen sich die Glaubenden durch die Liebe Christi gedrängt, denen, die ihn nicht kennen oder zurückweisen, das Licht des lebendigen Gottes zu bringen.

ZWEITES KAPITEL: GOTT GEHT AUF DEN MENSCHEN ZU

50 Durch seine natürliche Vernunft kann der Mensch Gott aus dessen Werken mit Gewissheit erkennen. Es gibt jedoch noch eine andere Erkenntnisordnung, zu der der Mensch nicht aus eigenen Kräften zu gelangen vermag: diejenige der göttlichen Offenbarung [Vgl. 1. Vatikanisches Konzil: DS 3015]. Durch einen ganz freien Entschluss offenbart und schenkt sich Gott dem Menschen, indem er sein innerstes Geheimnis enthüllt, seinen gnädigen Ratschluss, den er in Christus für alle Menschen von aller Ewigkeit her gefaßt hat. Er enthüllt seinen Heilsplan vollständig, indem er seinen geliebten Sohn, unseren Herrn Jesus Christus, und den Heiligen Geist sendet (Vgl. dazu auch 36, 1066).

ARTIKEL 1: DIE OFFENBARUNG GOTTES

I Gott offenbart seinen „gnädigen Ratschluss“

51 „Es hat Gott in seiner Güte und Weisheit gefallen, sich selbst zu offenbaren und das Geheimnis seines Willens bekannt zu machen, dass die Menschen durch Christus, das Fleisch gewordene Wort, im Heiligen Geist Zugang zum Vater haben und der göttlichen Natur teilhaftig werden“ (DV 2) (Vgl. dazu auch 2823, 1996).

52 Gott, „der in unzugänglichem Licht wohnt“ (1 Tim 6, 16), will den Menschen, die er in Freiheit erschaffen hat, sein eigenes göttliches Leben mitteilen, um sie in seinem einzigen Sohn als Söhne anzunehmen [Vgl. Eph 1, 4–5]. Indem Gott sich offenbart, will er die Menschen befähigen, ihm zu antworten, ihn zu erkennen und ihn weit mehr zu lieben, als sie von sich aus imstande wären.

53 Der göttliche Offenbarungsratschluss verwirklicht sich „in Taten und Worten, die innerlich miteinander verknüpft sind“ und einander erhellen (DV 2). In ihm liegt eine eigenartige göttliche „Erziehungsweisheit“: Gott teilt sich dem Menschen stufenweise mit; er bereitet ihn etappenweise darauf vor, seine übernatürliche Selbstoffenbarung aufzunehmen, die in der Person und Sendung des fleischgewordenen Wortes Jesus Christus gipfelt (Vgl. dazu auch 1153, 1950).

Der hl. Irenäus von Lyon spricht unter dem Bild der gegenseitigen Angewöhnung Gottes und des Menschen wiederholt von dieser göttlichen Pädagogik: „Das Wort Gottes wohnte im Menschen und wurde zum Menschensohn, damit der Mensch sich gewöhne, Gott aufzunehmen, und Gott sich gewöhne, im Menschen zu wohnen nach dem Wohlgefallen des Vaters“ (hær. 3, 20, 2) [Vgl. z.B. hær. 3, 17, 1; 4, 12, 4; 4, 21, 3].

II Die Stufen der Offenbarung

Gott läßt sich von Anfang an erkennen

54 „Gott, der durch das Wort alles erschafft und erhält, gewährt den Menschen in den geschaffenen Dingen ein ständiges Zeugnis von sich und hat, weil er den Weg des übernatürlichen Heiles eröffnen wollte, darüber hinaus sich selbst schon von Anfang an den Stammeltern kundgetan“ (DV 3). Er hat sie zu einer innigen Gemeinschaft mit sich berufen, indem er sie mit strahlender Gnade und Gerechtigkeit umkleidete (Vgl. dazu auch 32, 374).

55 Diese Offenbarung wurde durch die Sünde unserer Stammeltern nicht abgebrochen. Denn Gott hat sie nach „ihrem Fall ... durch die Verheißung der Erlösung zur Hoffnung auf das Heil [wieder] aufgerichtet und ohne Unterlass für das Menschengeschlecht gesorgt, um allen das ewige Leben zu geben, die in der Beharrlichkeit des guten Werkes nach dem Heil streben“ (DV 3). (Vgl. dazu auch 410, 397)

Als der Mensch „im Ungehorsam deine Freundschaft verlor und der Macht des Todes verfiel, hast du ihn dennoch nicht verlassen ... Immer wieder hast du den Menschen deinen Bund angeboten“ (MR, Viertes Hochgebet 118) (Vgl. dazu auch 761).


Der Bund mit Noach

56 Als durch die Sünde die Einheit des Menschengeschlechtes zerbrochen war, suchte Gott die Menschheit zunächst auf dem Weg über jedes einzelne Bruchstück zu retten. Im Bund, den er nach der Sintflut mit Noach schloß [Vgl. Gen 9, 9], äußert sich der göttliche Heilswille gegenüber den „Völkern“, das heißt gegenüber den Menschen, die „in ihren verschiedenen Ländern ..., jedes nach seiner Sprache und seinen Sippenverbänden“, geordnet sind (Gen 10, 5) [Vgl. Gen 10, 20–31] (Vgl. dazu auch 401, 1219).

57 Die zugleich kosmische, gesellschaftliche und religiöse Ordnung der Vielzahl der Völker [Vgl. Apg 17, 26–27], die von der göttlichen Vorsehung der Obhut der Engel anvertraut wurde [Vgl. Dtn 4, 19; 32, 8 LXX] soll den Stolz einer gefallenen Menschheit dämpfen, die in einmütiger Schlechtigkeit [Vgl. Weish 10, 5] sich selbst zu einer Einheit in der Art von Babel [Vgl. Gen 11, 4–6] machen möchte. Doch infolge der Sünde [Vgl. Röm 1, 18–25] droht diese vorläufige Ordnung immer wieder in die heidnische Abwegigkeit der Vielgötterei und der Vergötzung des Volkes und seines Führers abzugleiten.

58 Der Bund mit Noach bleibt so lange in Kraft, wie die Zeit der Völker dauert [Vgl. Lk 2l, 24], bis zur Verkündigung des Evangeliums in der ganzen Welt. Die Bibel verehrt einige große Gestalten der „Völker“: „Abel den Gerechten“, den Priesterkönig Melchisedek [Vgl. Gen 14, 18] als ein Abbild Christi [Vgl. Hebr 7, 3], die Gerechten „Noach, Daniel und Ijob“ (Ez 14, 14). So bringt die Schrift zum Ausdruck, zu welch hoher Heiligkeit die gelangen können, die dem Noachbund entsprechend darauf harren, dass Christus kommt, „die versprengten Kinder Gottes wieder zu sammeln“ (Joh 11, 52) (Vgl. dazu auch 675, 2569).


Gott erwählt Abraham

59 Um die versprengte Menschheit wieder zur Einheit zusammenzuführen, erwählt Gott Abram und ruft ihn aus seinem Land, von seiner Verwandtschaft und aus seinem Vaterhaus [Vgl. Gen 12, 1], um ihn zu Abraham, das heißt zum „Stammvater einer Menge von Völkern“ (Gen 17, 5) zu machen: „In dir sollen gesegnet werden alle Völker der Erde“ (Gen 12, 3 LXX) [Vgl. Gal 3, 8] (Vgl. dazu auch 145, 2570).

60 Das aus Abraham hervorgegangene Volk wird zum Träger der den Patriarchen gemachten Verheißung, zum auserwählten Volk [Vgl. Röm l1, 28], das dazu berufen ist, die Sammlung aller Kinder Gottes in der Einheit der Kirche [Vgl. Joh 11, 52; 10, 16] vorzubereiten. Dieses Volk wird zum Wurzelstock, dem die gläubig gewordenen Heiden eingepfropft werden [Vgl. Röm 11, 17–18. 24] (Vgl. dazu auch 706, 762, 781).

61 Die Patriarchen, die Propheten und weitere große Gestalten des Alten Testamentes wurden und werden in allen liturgischen Traditionen stets als Heilige verehrt.


Gott bildet sich sein Volk Israel heran

62 In der Zeit nach den Patriarchen machte Gott Israel zu seinem Volk. Er befreite es aus der Sklaverei in Ägypten, schloß mit ihm den Sinaibund und gab ihm durch Mose sein Gesetz, damit es ihn als den einzigen, lebendigen und wahren Gott, den fürsorglichen Vater und gerechten Richter anerkenne, ihm diene und den verheißenen Erlöser erwarte [Vgl. DV 3] (Vgl. dazu auch 2060, 2574, 1961).

63 Israel ist das priesterliche Volk Gottes [Vgl. Ex 19, 6], über dem „der Name des Herrn ... ausgerufen ist“ (Dtn 28, 10). Es ist das Volk derer, „zu denen Gott zuerst gesprochen hat“ (MR, Karfreitag 13: große Fürbitte 6), das Volk der „älteren Brüder“ im Glauben Abrahams (Vgl. dazu auch 204, 2810, 839).

64 Durch die Propheten bildet Gott sein Volk heran in der Hoffnung auf das Heil, im Harren auf einen neuen, ewigen Bund, der für alle Menschen bestimmt ist [Vgl. Jes 2, 2–4] und in die Herzen geschrieben wird [Vgl. Jer 31, 31–34; Hebr 10, 16]. Die Propheten künden eine radikale Erlösung des Gottesvolkes an, die Reinigung von allen seinen Vergehen [Vgl. Ez 36], ein Heil, das alle Völker umfassen wird [Vgl. Jes 49, 5–6; 53, 11]. Vor allem die Armen und Demütigen des Herrn [Vgl. Zef 2, 3] werden zu Trägern dieser Hoffnung. Heilige Frauen wie Sara, Rebekka, Rahel, Mirjam, Debora, Hanna, Judit und Ester erhalten die Heilshoffnung Israels lebendig; deren reinste Gestalt ist Maria [Vgl. Lk l, 38] (Vgl. dazu auch 711, 1965, 489).

III Christus Jesus – der Mittler und die Fülle der ganzen Offenbarung

In seinem Wort hat Gott alles gesagt

65 „Viele Male und auf vielerlei Weise hat Gott einst zu den Vätern gesprochen durch die Propheten; in dieser Endzeit aber hat er zu uns gesprochen durch den Sohn“ (Hebr 1, 1–2). Christus, der menschgewordene Sohn Gottes, ist das vollkommene, unübertreffbare, eingeborene Wort des Vaters (Vgl. dazu auch 102). In ihm sagt der Vater alles, und es wird kein anderes Wort geben als dieses. Das bringt der hl. Johannes vom Kreuz in seiner Auslegung von Hebr 1, 1–2 lichtvoll zum Ausdruck:

„Seit er uns seinen Sohn geschenkt hat, der sein Wort ist, hat Gott uns kein anderes Wort zu geben. Er hat alles, zumal in diesem einen Worte gesprochen. Denn was er ehedem nur stückweise zu den Propheten geredet, das hat er nunmehr im ganzen gesprochen, indem er uns das Ganze gab, nämlich seinen Sohn. Wer demnach jetzt noch ihn befragen oder von ihm Visionen oder Offenbarungen haben wollte, der würde nicht bloß unvernünftig handeln, sondern Gott geradezu beleidigen, weil er seine Augen nicht einzig auf Christus richten würde, ohne jegliches Verlangen nach anderen oder neuen Dingen“ (Carm. 2, 22) (Vgl. dazu auch 516, 2717).


Es wird keine andere Offenbarung mehr geben

66 „Daher wird die christliche Heilsordnung, nämlich der neue und nun endgültige Bund, niemals vorübergehen, und es ist keine neue öffentliche Offenbarung mehr zu erwarten vor der glorreichen Erscheinung unseres Herrn Jesus Christus“ (DV 4). Obwohl die Offenbarung abgeschlossen ist, ist ihr Inhalt nicht vollständig ausgeschöpft; es bleibt Sache des christlichen Glaubens, im Lauf der Jahrhunderte nach und nach ihre ganze Tragweite zu erfassen (Vgl. dazu auch 94).

67 Im Laufe der Jahrhunderte gab es sogenannte „Privatoffenbarungen“, von denen einige durch die kirchliche Autorität anerkannt wurden. Sie gehören jedoch nicht zum Glaubensgut. Sie sind nicht dazu da, die endgültige Offenbarung Christi zu „vervollkommnen“ oder zu „vervollständigen“, sondern sollen helfen, in einem bestimmten Zeitalter tiefer aus ihr zu leben. Unter der Leitung des Lehramtes der Kirche weiß der Glaubenssinn der Gläubigen zu unterscheiden und wahrzunehmen, was in solchen Offenbarungen ein echter Ruf Christi oder seiner Heiligen an die Kirche ist (Vgl. dazu auch 84, 93).

Der christliche Glaube kann keine „Offenbarungen“ annehmen, die vorgeben, die Offenbarung, die in Christus vollendet ist, zu übertreffen oder zu berichtigen, wie das bei gewissen nichtchristlichen Religionen und oft auch bei gewissen neueren Sekten der Fall ist, die auf solchen „Offenbarungen“ gründen.

KURZTEXTE

68 Gott hat sich aus Liebe dem Menschen geoffenbart und geschenkt. Er gibt so eine überreiche und endgültige Antwort auf die Fragen nach dem Sinn und Ziel des Lebens, die sich der Mensch stellt.

69 Gott offenbarte sich dem Menschen dadurch, dass er ihm sein Mysterium stufenweise durch Taten und Worte mitteilte.

70 Über seine Selbstbezeugung in den geschaffenen Dingen hinaus hat sich Gott selbst unseren Stammeltern kundgetan. Er sprach zu ihnen; nach dem Sündenfall verhieß er ihnen das Heil [Vgl. Gen 3, 15] und bot ihnen seinen Bund an.

71 Gott schloß mit Noach einen ewigen Bund, einen Bund zwischen sich und allen lebenden Wesen[Vgl. Gen 9, 16]. Solange die Welt dauert, dauert auch dieser Bund.

72 Gott erwählte Abraham und schloß mit ihm und seiner Nachkommenschaft einen Bund. Aus ihr bildete er sich ein Volk heran, dem er durch Mose das Gesetz offenbarte. Er bereitete dieses Volk durch die Propheten darauf vor, das für die ganze Menschheit bestimmte Heil zu empfangen.

73 Gott offenbarte sich ganz, indem er seinen eigenen Sohn sandte, in welchem er seinen Bund für immer schloß. Christus ist das endgültige Wort des Vaters, so dass es nach ihm keine weitere Offenbarung mehr geben wird.

ARTIKEL 2: DIE WEITERGABE DER GÖTTLICHEN OFFENBARUNG

74 Gott „will, dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen“ (1 Tim 2,4), das heißt zur Erkenntnis Jesu Christi [Vgl. Joh 14, 6]. Deshalb muß Christus allen Völkern und Menschen verkündet werden und die Offenbarung bis an die Grenzen der Erde gelangen (Vgl. dazu auch 851).

„Was Gott zum Heil aller Völker geoffenbart hatte, das sollte – so hat er in seiner großen Güte verfügt – auf ewig unversehrt fortdauern und allen Geschlechtern weitergegeben werden“ (DV 7).

I Die apostolische Überlieferung

75 „Christus, der Herr, in dem die ganze Offenbarung des höchsten Gottes sich vollendet, hat den Aposteln den Auftrag gegeben, das Evangelium, das, vordem durch die Propheten verheißen, er selbst erfüllt und mit eigenem Munde verkündet hat, als die Quelle aller heilsamen Wahrheit und Sittenlehre allen zu predigen und ihnen so göttliche Gaben mitzuteilen“ (DV 7) (Vgl. dazu auch 171).


Die apostolische Predigt ...

76 Dem Willen des Herrn entsprechend geschah die Weitergabe des Evangeliums auf zwei Weisen:

mündlich „durch die Apostel, die in mündlicher Predigt, durch Beispiel und Einrichtungen das weitergaben, was sie entweder aus Christi Mund, im Umgang mit ihm und durch seine Werke empfangen oder unter der Eingebung des Heiligen Geistes gelernt hatten“;

schriftlich „durch jene Apostel und apostolischen Männer, die unter der Inspiration desselben Heiligen Geistes die Botschaft vom Heil niederschrieben“ (DV 7).


... weitergeführt in der apostolischen Sukzession

77 „Damit aber das Evangelium in der Kirche stets unversehrt und lebendig bewahrt werde, haben die Apostel als ihre Nachfolger Bischöfe zurückgelassen, denen sie ihr eigenes Lehramt übergaben“ (DV 7). Denn es musste „die apostolische Predigt, die in den inspirierten Büchern in besonderer Weise ausgedrückt wird, in ununterbrochener Folge bis zur Vollendung der Zeiten bewahrt werden“ (DV 8) (Vgl. dazu auch 861).

78 Diese lebendige Weitergabe, die im Heiligen Geist geschieht, wird – als von der Heiligen Schrift verschieden, aber doch eng mit ihr verbunden – „Überlieferung“ genannt. „So setzt die Kirche in ihrer Lehre, ihrem Leben und ihrem Kult fort und übermittelt allen Geschlechtern alles, was sie selber ist, alles, was sie glaubt“ (DV 8). „Die Aussagen der heiligen Väter bezeugen die lebendigmachende Gegenwart dieser Überlieferung, deren Reichtümer sich in Tun und Leben der glaubenden und betenden Kirche ergießen“ (DV 8) (Vgl. dazu auch 174, 1124, 2651).

79 So bleibt die Selbstmitteilung des Vaters durch sein Wort im Heiligen Geist in der Kirche zugegen und wirksam: „Und so ist Gott, der einst gesprochen hat, ohne Unterlass im Gespräch mit der Braut seines geliebten Sohnes, und der Heilige Geist, durch den die lebendige Stimme des Evangeliums in der Kirche und durch sie in der Welt widerhallt, führt die Gläubigen in alle Wahrheit ein und läßt das Wort Christi in Überfülle unter ihnen wohnen“ (DV 8).

II Die Beziehung zwischen der Überlieferung und der Heiligen Schrift

Eine gemeinsame Quelle ....

80 „Die Heilige Überlieferung und die Heilige Schrift sind eng miteinander verbunden und haben aneinander Anteil. Demselben göttlichen Quell entspringend, fließen beide gewissermaßen in eins zusammen und streben demselben Ziel zu“ (DV 9). Beide machen in der Kirche das Mysterium Christi gegenwärtig und fruchtbar, der versprochen hat, bei den Seinen zu bleiben „alle Tage bis zum Ende der Welt“ (Mt 28,20).


... zwei verschiedene Arten der Weitergabe

81 „Die Heilige Schrift ist Gottes Rede, insofern sie unter dem Anhauch des Heiligen Geistes schriftlich aufgezeichnet worden ist.“

„Die Heilige Überlieferung aber gibt das Wort Gottes, das von Christus, dem Herrn, und vom Heiligen Geist den Aposteln anvertraut wurde, unversehrt an deren Nachfolger weiter, damit sie es unter der erleuchtenden Führung des Geistes der Wahrheit in ihrer Verkündigung treu bewahren, erklären und ausbreiten“ (DV 9) (Vgl. dazu auch 113).

82 „So ergibt sich, dass die Kirche“, der die Weitergabe und Auslegung der Offenbarung anvertraut ist, „ihre Gewissheit über alles Geoffenbarte nicht aus der Heiligen Schrift allein schöpft. Daher sind beide mit dem gleichen Gefühl der Dankbarkeit und der gleichen Ehrfurcht anzunehmen und zu verehren“ (DV 9).


Apostolische Überlieferung und kirchliche Überlieferungen

83 Die Überlieferung (oder Tradition), von der wir hier sprechen, kommt von den Aposteln her und gibt das weiter, was diese der Lehre und dem Beispiel Jesu entnahmen und vom Heiligen Geist vernahmen. Die erste Christengeneration hatte ja noch kein schriftliches Neues Testament, und das Neue Testament selbst bezeugt den Vorgang der lebendigen Überlieferung.

Die theologischen, disziplinären, liturgischen oder religiösen Überlieferungen (oder Traditionen), die im Laufe der Zeit in den Ortskirchen entstanden, sind etwas anderes. Sie stellen an die unterschiedlichen Orte und Zeiten angepaßte besondere Ausdrucksformen der großen Überlieferung dar. Sie können in deren Licht unter der Leitung des Lehramtes der Kirche beibehalten, abgeändert oder auch aufgegeben werden (Vgl. dazu auch 1202, 2041, 2684).

III Die Auslegung des Glaubenserbes

Das Glaubenserbe ist der Kirche als ganzer anvertraut

84 Das in der Heiligen Überlieferung und in der Heiligen Schrift enthaltene „heilige Erbe“ [Vgl. Tim 6, 20; 2 Tim 1, 12–14] des Glaubens (depositum fidei) ist von den Aposteln der Kirche als ganzer anvertraut worden. „Ihr anhängend verharrt das ganze heilige Volk, mit seinen Hirten vereint, ständig in der Lehre und Gemeinschaft der Apostel, bei Brotbrechen und Gebeten, so dass im Festhalten am überlieferten Glauben, in seiner Verwirklichung und in seinem Bekenntnis ein einzigartiger Einklang zwischen Vorstehern und Gläubigen zustande kommt“ (DV 10) (Vgl. dazu auch 857, 871, 2033).


Das Lehramt der Kirche

85 „Die Aufgabe aber, das geschriebene oder überlieferte Wort Gottes authentisch auszulegen, ist allein dem lebendigen Lehramt der Kirche“ – das heißt den Bischöfen in Gemeinschaft mit dem Nachfolger Petri, dem Bischof von Rom – „anvertraut, dessen Vollmacht im Namen Jesu Christi ausgeübt wird“ (DV 10) (Vgl. dazu auch 888–892, 2032–2040).

86 „Das Lehramt steht also nicht über dem Wort Gottes, sondern dient ihm, indem es nur lehrt, was überliefert ist, da es ja dieses (Wort Gottes) nach göttlichem Auftrag und mit dem Beistand des Heiligen Geistes ehrfürchtig hört, heilig bewahrt und treu erklärt und all das, was es als von Gott geoffenbart zu glauben vorlegt, aus diesem einen Erbe des Glaubens schöpft“ (DV 10) (Vgl. dazu auch 688).

87 Die Gläubigen rufen sich das Wort Christi an die Apostel ins Gedächtnis: „Wer euch hört, der hört mich“ (Lk 10, 16) [Vgl. LG 20] und nehmen die Lehren und Weisungen, die ihnen ihre Hirten in verschiedenen Formen geben, willig an (Vgl. dazu auch 1548, 2037).


Die Dogmen des Glaubens

88 Das Lehramt der Kirche setzt die von Christus erhaltene Autorität voll ein, wenn es Dogmen definiert, das heißt wenn es in einer das christliche Volk zu einer unwiderruflichen Glaubenszustimmung verpflichtenden Form Wahrheiten vorlegt, die in der göttlichen Offenbarung enthalten sind, oder auch wenn es auf endgültige Weise Wahrheiten vorlegt, die mit diesen in einem notwendigen Zusammenhang stehen.

89 Unser geistliches Leben und die Dogmen stehen in organischer Verbindung. Die Dogmen sind Lichter auf unserem Glaubensweg, sie erhellen und sichern ihn. Umgekehrt werden durch ein rechtes Leben unser Verstand und unser Herz geöffnet, um das Licht der Glaubensdogmen aufzunehmen [Vgl. Joh 8, 31–32] (Vgl. dazu auch 2625).

90 Die wechselseitigen Verbindungen zwischen den Dogmen und ihr innerer Zusammenhang sind in der Offenbarung des Mysteriums Christi als ganze zu finden [Vgl. 1. Vatikanisches Konzil: „nexus mysteriorum“: DS 3016; LG 25]. Es gibt „eine Ordnung oder ,Hierarchie‘ der Wahrheiten der katholischen Lehre, da ihr Zusammenhang mit dem Fundament des christlichen Glaubens verschieden ist.“ (UR 11). (Vgl. dazu auch 114, 158, 234)


Der übernatürliche Glaubenssinn

91 Alle Gläubigen sind an der Erfassung und Weitergabe der geoffenbarten Wahrheit beteiligt. Sie haben die Salbung des Heiligen Geistes empfangen, der sie unterrichtet [Vgl. 1 Joh 2, 20. 27] und in die ganze Wahrheit führt [Vgl. Joh 16, 13] (Vgl. dazu auch 737).

92 „Die Gesamtheit der Gläubigen ... kann im Glauben nicht fehlgehen, und diese ihre besondere Eigenschaft macht sie mittels des übernatürlichen Glaubenssinns des ganzen Volkes dann kund, wenn sie von den Bischöfen bis zu den letzten gläubigen Laien ihre allgemeine Übereinstimmung in Sachen des Glaubens und der Sitten äußert“ (LG 12) (Vgl. dazu auch 785).

93 „Durch jenen Glaubenssinn nämlich, der vom Geist der Wahrheit geweckt und erhalten wird, hängt das Volk Gottes unter der Leitung des heiligen Lehramtes ... dem einmal den Heiligen übergebenen Glauben unwiderruflich an, dringt mit rechtem Urteil immer tiefer in ihn ein und wendet ihn im Leben voller an“ (LG 12) (Vgl. dazu auch 889).


Das Wachstum im Glaubensverständnis

94 Dank des Beistands des Heiligen Geistes kann das Verständnis der Wirklichkeiten wie auch der Formulierungen des Glaubenserbes im Leben der Kirche wachsen:

„aufgrund des Nachsinnens und des Studiums der Gläubigen, die sie in ihrem Herzen erwägen“ (DV 8); insbesondere „die theologische Forschung soll sich ... um eine tiefe Erkenntnis der geoffenbarten Wahrheit bemühen“ (GS 62, 7) [Vgl. Gs 44, 2; DV 23; 24; UR 4]; „aufgrund der inneren Einsicht in die geistlichen Dinge, die sie erfahren“ (DV 8); „die göttlichen Worte wachsen mit den Lesenden“ (Gregor d. Gr., hom. Ez. 1,7,8); „aufgrund der Verkündigung derer, die mit der Nachfolge im Bischofsamt die sichere Gnadengabe der Wahrheit empfangen haben“ (DV 8).

95 „Es zeigt sich also, dass die Heilige Überlieferung, die Heilige Schrift und das Lehramt der Kirche gemäß dem überaus weisen Ratschluss Gottes so miteinander verknüpft und einander zugesellt sind, dass das eine nicht ohne die anderen besteht und alle zusammen, jedes auf seine Weise, durch das Tätigsein des einen Heiligen Geistes wirksam zum Heil der Seelen beitragen“ (DV 10, 3).

KURZTEXTE

96 Was Christus den Aposteln anvertraut hatte, haben diese, vom Heiligen Geist inspiriert, in ihrer Predigt und schriftlich allen Generationen bis zur herrlichen Wiederkunft Christi weitergegeben.

97 „Die Heilige Überlieferung und die Heilige Schrift bilden die eine der Kirche anvertraute heilige Hinterlassenschaft des Wortes Gottes “ (DV 10). Darin betrachtet die pilgernde Kirche wie in einem Spiegel Gott, den Quell all ihrer Reichtümer.

98 „So setzt die Kirche in ihrer Lehre, ihrem Leben und ihrem Kult fort und übermittelt allen Geschlechtern alles, was sie selber ist, alles, was sie glaubt “ (DV 8).

99 Dank seinem übernatürlichen Glaubensinn empfängt das ganze Volk Gottes unablässig die Gabe der göttlichen Offenbarung, dringt tiefer in sie ein und lebt voller aus ihr.

100 Die Aufgabe, das Wort Gottes verbindlich auszulegen, wurde einzig dem Lehramt der Kirche, dem Papst und den in Gemeinschaft mit ihm stehenden Bischöfen anvertraut.

ARTIKEL 3: DIE HEILIGE SCHRIFT

I Christus - das einzige Wort der Heiligen Schrift

101 Um sich den Menschen zu offenbaren, spricht Gott in seiner entgegenkommenden Güte zu den Menschen in menschlichen Worten: „Gottes Worte, durch Menschenzunge ausgedrückt, sind menschlicher Rede ähnlich geworden, wie einst des ewigen Vaters Wort durch die Annahme des Fleisches menschlicher Schwachheit den Menschen ähnlich geworden ist“ (DV 13).

102 Durch alle Worte der Heiligen Schrift sagt Gott nur ein Wort: sein eingeborenes Wort, in dem er sich selbst ganz aussagt [Vgl. Hebr 1, 1–3] (Vgl. dazu auch 65, 2763):

„Das eine gleiche Wort Gottes erstreckt sich durch alle Schriften; das eine gleiche Wort ertönt im Mund aller heiligen Schriftsteller. Da es im Anfang Gott bei Gott war, benötigt es keine Silben, denn es ist nicht zeitbedingt“ (Augustinus, Psal. 103, 4, 1) (Vgl. dazu auch 426–429).

103 Aus diesem Grund hat die Kirche die Heiligen Schriften immer verehrt wie den Leib des Herrn selbst. Sie reicht den Gläubigen ohne Unterlass das Brot des Lebens, das sie vom Tisch des Wortes Gottes und des Leibes Christi empfängt [Vgl. DV 21] (Vgl. dazu auch 1100, 1184, 1378).

104 In der Heiligen Schrift findet die Kirche ständig ihre Nahrung und ihre Kraft [Vgl. DV 24], denn in ihr empfängt sie nicht nur ein menschliches Wort, sondern was die Heilige Schrift wirklich ist: das Wort Gottes [Vgl. l Thess 2, 13]. „In den Heiligen Büchern kommt nämlich der Vater, der in den Himmeln ist, seinen Kindern liebevoll entgegen und hält mit ihnen Zwiesprache“ (DV 21).

II Inspiration und Wahrheit der Heiligen Schrift

105 Gott ist der Urheber [Autor] der Heiligen Schrift. „Das von Gott Geoffenbarte, das in der Heiligen Schrift schriftlich enthalten ist und vorliegt, ist unter dem Anhauch des Heiligen Geistes aufgezeichnet worden.“

„Denn die heilige Mutter Kirche hält aufgrund apostolischen Glaubens die Bücher sowohl des Alten wie des Neuen Testamentes in ihrer Ganzheit mit allen ihren Teilen für heilig und kanonisch, weil sie, auf Eingebung des Heiligen Geistes geschrieben, Gott zum Urheber [Autor] haben und als solche der Kirche übergeben sind“ (DV 11).

106 Gott hat die menschlichen Verfasser [Autoren] der Heiligen Schrift inspiriert. „Zur Abfassung der Heiligen Bücher aber hat Gott Menschen erwählt, die ihm durch den Gebrauch ihrer eigenen Fähigkeiten und Kräfte dazu dienen sollten, all das und nur das, was er – in ihnen und durch sie wirksam – selbst wollte, als wahre Verfasser [Autoren] schriftlich zu überliefern“ (DV 11).

107 Die inspirierten Bücher lehren die Wahrheit. „Da also all das, was die inspirierten Verfasser oder Hagiographen aussagen, als vom Heiligen Geist ausgesagt gelten muß, ist von den Büchern der Schrift zu bekennen, dass sie sicher, getreu und ohne Irrtum die Wahrheit lehren, die Gott um unseres Heiles willen in heiligen Schriften aufgezeichnet haben wollte“ (DV 11) (Vgl. dazu auch 702).

108 Der christliche Glaube ist jedoch nicht eine „Buchreligion“. Das Christentum ist die Religion des „Wortes“ Gottes, „nicht eines schriftlichen, stummen Wortes, sondern des menschgewordenen, lebendigen Wortes“ (Bernhard, hom. miss. 4, 11). Christus, das ewige Wort des lebendigen Gottes, muß durch den Heiligen Geist unseren Geist „für das Verständnis der Schrift“ öffnen (Lk 24, 45), damit sie nicht toter Buchstabe bleibe.

III Der Heilige Geist ist der Ausleger der Schrift

109 In der Heiligen Schrift spricht Gott zum Menschen nach Menschenweise. Um die Schrift gut auszulegen, ist somit auf das zu achten, was die menschlichen Verfasser wirklich sagen wollten und was Gott durch ihre Worte uns offenbaren wollte [Vgl. DV 12, 1].

110 Um die Aussageabsicht der Schriftautoren zu erfassen, sind die Verhältnisse ihrer Zeit und ihrer Kultur, die zu der betreffenden Zeit üblichen literarischen Gattungen und die damals geläufigen Denk–, Sprech– und Erzählformen zu berücksichtigen. „Denn die Wahrheit wird in Texten, die auf verschiedene Weise geschichtlich, prophetisch oder poetisch sind, oder in anderen Redegattungen jeweils anders dargelegt und ausgedrückt“ (DV 12, 2).

111 Da aber die Heilige Schrift inspiriert ist, gibt es noch ein weiteres, nicht weniger wichtiges Prinzip zur richtigen Auslegung, ohne das die Schrift toter Buchstabe bliebe: „Die Heilige Schrift ist in demselben Geist, in dem sie geschrieben wurde, auch zu lesen und auszulegen“ (DV 12, 3).

Für eine Auslegung der Schrift gemäß dem Geist, der sie inspiriert hat, gibt das Zweite Vatikanische Konzil drei Kriterien an [Vgl. DV 12, 3]:

112 1. Sorgfältig „auf den Inhalt und die Einheit der ganzen Schrift“ achten. Wie unterschiedlich auch die Bücher sind, aus denen sie sich zusammensetzt, bildet die Schrift doch eine Einheit aufgrund der Einheit des Planes Gottes, dessen Zentrum und Herz Jesus Christus ist. Seit Ostern ist dieses Herz geöffnet [Vgl. Lk 24, 25–27. 44–46] (Vgl. dazu auch 168, 328):

„Unter ,Herz [Vgl. Ps 22, 15] Christi‘ ist die Heilige Schrift zu verstehen, die das Herz Christi kundtut. Dieses Herz war vor der Passion verschlossen, denn die Schrift war dunkel. Nach der Passion aber ist die Schrift geöffnet, damit diejenigen, die sie jetzt verstehen, erwägen und unterscheiden, wie die Weissagungen auszulegen sind“ (Thomas v. A., Psal. 21, 11).

113 2. Die Schrift „in der lebendigen Überlieferung der Gesamtkirche“ lesen. Einem Sinnspruch der Väter zufolge ist „die Heilige Schrift eher ins Herz der Kirche als auf Pergament geschrieben“. Die Kirche bewahrt ja in ihrer Überlieferung das lebendige Gedächtnis des Gotteswortes, und der Heilige Geist gibt ihr die geistliche Auslegung der Schrift, „ ... nach dem geistlichen Sinn, den der Geist der Kirche schenkt“ (Origenes, hom. in Lev. 5, 5) (Vgl. dazu auch 81).

114 3. Auf die „Analogie des Glaubens“ achten [Vgl. Röm 12, 6]. Unter „Analogie des Glaubens“ verstehen wir den Zusammenhang der Glaubenswahrheiten untereinander und im Gesamtplan der Offenbarung (Vgl. dazu auch 90).


Der mehrfache Schriftsinn

115 Nach einer alten Überlieferung ist der Sinn der Schrift ein doppelter: der wörtliche Sinn und der geistliche Sinn. Dieser letztere kann ein allegorischer, ein moralischer und ein anagogischer Sinn sein. Die tiefe Übereinstimmung dieser vier Sinngehalte sichert der lebendigen Lesung der Schrift in der Kirche ihren ganzen Reichtum.

116 Der wörtliche Sinn ist der durch die Worte der Schrift bezeichnete und durch die Exegese, die sich an die Regeln der richtigen Textauslegung hält, erhobene Sinn. „Jeder Sinn [der Heiligen Schrift] gründet auf dem wörtlichen“ (Thomas v. A., s. th. 1,1,10, ad 1) (Vgl. dazu auch 110).

117 Der geistliche Sinn. Dank der Einheit des Planes Gottes können nicht nur der Schrifttext, sondern auch die Wirklichkeiten und Ereignisse, von denen er spricht, Zeichen sein (Vgl. dazu auch 1101).

1. Der allegorische Sinn. Wir können ein tieferes Verständnis der Ereignisse gewinnen, wenn wir die Bedeutung erkennen, die sie in Christus haben. So ist der Durchzug durch das Rote Meer ein Zeichen des Sieges Christi und damit der Taufe [Vgl. 1 Kor 10, 2].

2. Der moralische Sinn. Die Geschehnisse, von denen in der Schrift die Rede ist, sollen uns zum richtigen Handeln veranlassen. Sie sind „uns als Beispiel ... uns zur Warnung ... aufgeschrieben“ (1 Kor 10, 11) [Vgl. Hebr 3, 1–4, 11].

3. Der anagogische Sinn. Wir können Wirklichkeiten und Ereignisse in ihrer ewigen Bedeutung sehen, die uns zur ewigen Heimat hinaufführt [griechisch: „anagogé“]. So ist die Kirche auf Erden Zeichen des himmlischen Jerusalem [Vgl. Offb 21, 1–22, 5]

118 Ein Distichon des Mittelalters faßt die Bedeutung der vier Sinngehalte zusammen:

„Littera gesta docet, quid credas allegoria, Moralis quid agas, quo tendas anagogia.“

[Der Buchstabe lehrt die Ereignisse; was du zu glauben hast, die Allegorie; die Moral, was du zu tun hast; wohin du streben sollst, die Anagogie]

119 „Aufgabe des Exegeten ... ist es, nach diesen Regeln auf ein tieferes Verstehen und Erklären des Sinnes der Heiligen Schrift hinzuarbeiten, damit so gleichsam auf Grund wissenschaftlicher Vorarbeit das Urteil der Kirche reife. Alles das nämlich, was die Art der Schrifterklärung betrifft, untersteht letztlich dem Urteil der Kirche, die den göttlichen Auftrag und Dienst verrichtet, das Wort Gottes zu bewahren und auszulegen“ (DV 12, 3) (Vgl. dazu auch 94).

„Ich würde selbst dem Evangelium keinen Glauben schenken, wenn mich nicht die Autorität der katholischen Kirche dazu bewöge“ (Augustinus, fund. 5, 6) (Vgl. dazu auch 113).

IV Der Schriftkanon

120 Die apostolische Überlieferung ließ die Kirche unterscheiden, welche Schriften in das Verzeichnis der heiligen Bücher aufgenommen werden sollten [Vgl. DV 8, 3]. Diese vollständige Liste wird „Kanon“ der Heiligen Schriften genannt. Danach besteht das Alte Testament aus 46 (45, wenn man Jeremia und die Klagelieder zusammennimmt) und das Neue Testament aus 27 Schriften [Vgl. DS 179; 1334–1336; 1501–1504]:

Altes Testament: Genesis, Exodus, Levitikus, Numeri, Deuteronomium, Josua, Richter, Rut, die zwei Bücher Samuel, die zwei Bücher der Könige, die zwei Bücher der Chronik, Esra und Nehemia, Tobit, Judit, Ester, die zwei Bücher der Makkabäer, Ijob, die Psalmen, die Sprichwörter, Kohelet, das Hohelied, die Weisheit, Jesus Sirach, Jesaja, Jeremia, die Klagelieder, Baruch, Ezechiel, Daniel, Hosea, Joël, Amos, Obadja, Jona, Micha, Nahum, Habakuk, Zefanja, Haggai, Sacharja, Maleachi.

Neues Testament: Die Evangelien nach Matthäus, Markus, Lukas und Johannes, die Apostelgeschichte, die Paulusbriefe an die Römer, der erste und der zweite an die Korinther, an die Galater, an die Epheser, an die Philipper, an die Kolosser, der erste und der zweite an die Thessalonicher, der erste und der zweite an Timotheus, an Titus, an Philemon, der Hebräerbrief, der Jakobusbrief, der erste und der zweite Petrusbrief, die drei Briefe des Johannes, der Brief des Judas und die Offenbarung des Johannes.


Das Alte Testament

121 Das Alte Testament ist ein unaufgebbarer Teil der Heiligen Schrift. Seine Bücher sind von Gott inspiriert und behalten einen dauernden Wert [Vgl. DV 14], denn der Alte Bund ist nie widerrufen worden (Vgl. dazu auch 1093).

122 „Der Heilsplan des Alten Testamentes war vor allem darauf ausgerichtet, die Ankunft Christi, des Erlösers von allem, ... vorzubereiten“. Obgleich die Bücher des Alten Testamentes „auch Unvollkommenes und Zeitbedingtes enthalten“, zeugen sie dennoch von der Erziehungskunst der heilschaffenden Liebe Gottes: Sie enthalten „erhabene Lehren über Gott, heilbringende Weisheit über das Leben des Menschen und wunderbare Gebetsschätze“; in ihnen ist „schließlich das Geheimnis unseres Heils verborgen“ (DV 15) (Vgl. dazu auch 702, 762, 708, 2568).

123 Die Christen verehren das Alte Testament als wahres Wort Gottes. Den Gedanken, das Alte Testament aufzugeben, weil das Neue es hinfällig gemacht habe [Markionismus], wies die Kirche stets entschieden zurück.


Das Neue Testament

124 „Das Wort Gottes, das Gottes Kraft zum Heil für jeden, der glaubt, ist, zeigt sich und entfaltet seine Kraft auf vorzügliche Weise in den Schriften des Neuen Testamentes“ (DV 17). Diese Schriften bieten uns die endgültige Wahrheit der göttlichen Offenbarung. Ihr zentrales Thema ist Jesus Christus, der menschgewordene Sohn Gottes, seine Taten, seine Lehre, sein Leiden und seine Verherrlichung, sowie die Anfänge seiner Kirche unter dem Walten des Heiligen Geistes [Vgl. DV 20].

125 Die Evangelien sind das Herzstück aller Schriften als „Hauptzeugnis für Leben und Lehre des fleischgewordenen Wortes, unseres Erlösers“ (DV 18). (Vgl. dazu auch 515)

126 Bei der Bildung der Evangelien lassen sich drei Stufen unterscheiden:

1. Das Leben und die Lehrtätigkeit Jesu. Die Kirche hält entschieden daran fest, dass die vier Evangelien, „deren Geschichtlichkeit sie ohne Bedenken bejaht, zuverlässig überliefern, was Jesus, der Sohn Gottes, in seinem Leben unter den Menschen zu deren ewigem Heil wirklich getan und gelehrt hat bis zu dem Tag, da er [in den Himmel] aufgenommen wurde“.

2. Die mündliche Überlieferung. Die Apostel haben „nach dem Aufstieg des Herrn das, was er selbst gesagt und getan hatte, ihren Hörern mit jenem volleren Verständnis überliefert, über das sie, durch die wunderbaren Ereignisse um Christus unterwiesen und durch das Licht des Geistes der Wahrheit belehrt, verfügten“ (Vgl. dazu auch 76).

3. Die Abfassung der Evangelien. „Die heiligen Verfasser aber haben die vier Evangelien geschrieben, indem sie manches aus dem vielen auswählten, das entweder mündlich oder schon schriftlich überliefert war, indem sie anderes zusammenfaßten oder mit Rücksicht auf den Stand der Kirchen erklärten, indem sie schließlich die Form der Verkündigung beibehielten, [doch] immer so, dass sie uns Wahres und Aufrichtiges über Jesus mitteilten“ (DV 19) (Vgl. dazu auch 76).

127 Das viergestaltige Evangelium nimmt in der Kirche eine einzigartige Stellung ein. Dies bezeugen seine Verehrung in der Liturgie und die unvergleichliche Anziehungskraft, die es jederzeit auf die Heiligen ausübte (Vgl. dazu auch 1154).

„Es gibt keine Lehre, die besser, kostbarer und herrlicher wäre als der Text des Evangeliums. Seht und haltet fest, was unser Herr und Meister, Christus, in seinen Worten gelehrt und in seinen Taten gewirkt hat“ (Cäsaria die Jüngere).

„Vor allem das Evangelium spricht mich während meiner inneren Gebete an; in ihm finde ich alles, was meiner armen Seele nottut. Ich entdecke darin stets neue Einsichten, verborgene, geheimnisvolle Sinngehalte“ (Theresia vom Kinde Jesu, ms. autob. A 83v) (Vgl. dazu auch 2705).


Die Einheit des Alten und des Neuen Testamentes

128 Schon zur Zeit der Apostel [Vgl. 1 Kor 10, 6.11; Hebr 10, 1; 1 Petr 3, 21] und sodann in ihrer ganzen Überlieferung wurde die Einheit des göttlichen Plans in den beiden Testamenten von der Kirche durch die Typologie verdeutlicht. Diese findet in den Werken Gottes im Alten Bund „Vorformen“ [Typologien] dessen, was Gott dann in der Fülle der Zeit in der Person seines menschgewordenen Wortes vollbracht hat (Vgl. dazu auch 1094, 489).

129 Die Christen lesen also das Alte Testament im Licht Christi, der gestorben und auferstanden ist. Diese typologische Lesung fördert den unerschöpflichen Sinngehalt des Alten Testamentes zutage. Sie darf nicht vergessen lassen, dass dieses einen eigenen Offenbarungswert behält, den unser Herr selbst ihm zuerkannt hat [Vgl. Mk 12, 29–31]. Im übrigen will das Neue Testament auch im Licht des Alten Testamentes gelesen sein. Die christliche Urkatechese hat beständig auf dieses zurückgegriffen [Vgl. 1 Kor 5, 6–8; 10, 1–11]. Einem alten Sinnspruch zufolge ist das Neue Testament im Alten verhüllt, das Alte im Neuen enthüllt: „Novum in Vetere latet et in Novo Vetus patet“ (Augustinus, Hept. 2, 73) [Vgl. DV 16] (Vgl. dazu auch 651, 2055, 1968).

130 Die Typologie bedeutet das Hindrängen des göttlichen Plans auf seine Erfüllung, bis schließlich „Gott alles in allen“ sein wird (1 Kor 15, 28). Zum Beispiel verlieren die Berufung der Patriarchen und der Auszug aus Ägypten nicht dadurch ihren Eigenwert im Plan Gottes, dass sie darin auch Zwischenstufen sind.

V Die Heilige Schrift im Leben der Kirche

131 „Dem Wort Gottes aber wohnt eine so große Macht und Kraft inne, dass es für die Kirche Stütze und Leben, und für die Kinder der Kirche Glaubensstärke, Seelenspeise und reiner, unversiegbarer Quell des geistlichen Lebens ist“ (DV 21). „Der Zugang zur Heiligen Schrift muß für die Christgläubigen weit offenstehen“ (DV 22).

132 „Das Studium der Heiligen Schrift sei gleichsam die Seele der heiligen Theologie. Aber auch der Dienst des Wortes, nämlich die pastorale Verkündigung, die Katechese und alle christliche Unterweisung, in der die liturgische Homilie einen hervorragenden Platz haben muß, holt aus demselben Wort der Schrift gesunde Nahrung und heilige Kraft“ (DV 24) (Vgl. dazu auch 94).

133 Die Kirche „ermahnt ... alle Christgläubigen ... besonders eindringlich, durch häufige Lesung der Göttlichen Schriften, die ,überragende Erkenntnis Jesu Christi‘ (Phil 3, 8) zu erlangen. ,Unkenntnis der Schriften ist nämlich Unkenntnis Christi‘ (Hieronymus, Is. prol.)“ (DV 25) (Vgl. dazu auch 2653, 1792).

KURZTEXTE

134 „Die ganze Heilige Schrift ist ein einziges Buch, und dieses eine Buch ist Christus, denn die ganze göttliche Schrift spricht von Christus, und die ganze göttliche Schrift geht in Christus in Erfüllung“ (Hugo v. Sankt Viktor, Noe 2, 8).

135 „Die Heiligen Schriften enthalten das Wort Gottes, und weil inspiriert, sind sie wahrhaft Wort Gottes“ (DV 24)

136 Gott ist der Urheber [Autor] der Heiligen Schrift: er hat ihre menschlichen Verfasser [Autoren] inspiriert; er handelt in ihnen und durch sie. Er verbürgt somit, dass ihre Schriften die Heilswahrheit irrtumsfrei lehren [Vgl. DV 11].

137 Die Auslegung der inspirierten Schriften muß vor allem auf das achten, was Gott durch die heiligen Verfasser zu unserem Heil sagen will. „Was vom Geiste kommt, kann nur durch das Wirken des Geistes voll verstanden werden “ (Origenes, hom. in Ex 4, 5).

138 Die 46 Bücher des Alten und die 27 Bücher des Neuen Testamentes werden von der Kirche als inspiriert angenommen und verehrt.

139 Die vier Evangelien nehmen eine zentrale Stellung ein, weil Jesus Christus ihre Mitte ist.

140 Die Einheit der beiden Testamente ergibt sich aus der Einheit des Planes und der Offenbarung Gottes. Das Alte Testament bereitet das Neue vor, während dieses das Alte vollendet. Beide erhellen einander; beide sind wahres Wort Gottes.

141 „Die Kirche hat die Göttlichen Schriften wie auch den Herrenleib selbst immer verehrt“ (DV 21). Beide nähren und bestimmen das ganze christliche Leben. „Dein Wort ist meinem Fuß eine Leuchte, ein Licht für meine Pfade“ (Ps 119, 105) [Vgl. Jes 50, 4].

DRITTES KAPITEL: DIE ANTWORT DES MENSCHEN AN GOTT

142 Durch seine Offenbarung „redet ... der unsichtbare Gott aus dem Übermaß seiner Liebe die Menschen wie Freunde an und verkehrt mit ihnen, um sie in die Gemeinschaft mit sich einzuladen und in sie aufzunehmen“ (DV 2). Die dieser Einladung angemessene Antwort ist der Glaube (Vgl. dazu auch 1102).

143 Durch den Glauben ordnet der Mensch seinen Verstand und seinen Willen völlig Gott unter. Er gibt Gott, der sich offenbart, mit seinem ganzen Wesen seine Zustimmung [Vgl. DV 5]. Die Heilige Schrift nennt diese Antwort des Menschen auf den sich offenbarenden Gott „Glaubensgehorsam“ [Vgl. Röm 1, 5; 16, 26]. (Vgl. dazu auch 2087)

ARTIKEL 4: ICH GLAUBE

I Der Glaubensgehorsam

144 Im Glauben gehorchen [ob–audire] heißt, sich dem gehörten Wort in Freiheit unterwerfen, weil dessen Wahrheit von Gott, der Wahrheit selbst, verbürgt ist. Als das Vorbild dieses Gehorsams stellt die Heilige Schrift uns Abraham vor Augen. Die Jungfrau Maria verwirklicht ihn am vollkommensten.


Abraham – „der Vater aller Glaubenden“

145 In seiner Lobrede auf den Glauben der Vorfahren betont der Hebräerbrief ganz besonders den Glauben Abrahams: „Aufgrund des Glaubens gehorchte Abraham dem Ruf, wegzuziehen in ein Land, das er zum Erbe erhalten sollte; und er zog weg, ohne zu wissen, wohin er kommen würde“ (Hebr 11, 8) [Vgl. Gen 12, 1–4]. Aufgrund des Glaubens hielt er sich als Fremder und Pilger im verheißenen Land [Vgl. Gen 23, 4] auf. Aufgrund des Glaubens empfing Sara den verheißenen Sohn. Aufgrund des Glaubens endlich brachte Abraham seinen einzigen Sohn als Opfer dar [Vgl. Hebr 11, 7]. (Vgl. dazu auch 59, 2570, 489)

146 Abraham verkörpert somit die Definition des Glaubens, die der Hebräerbrief vorlegt: „Glaube ist Feststehen in dem, was man erhofft, Überzeugtsein von Dingen, die man nicht sieht“ (Hebr 11, 1). „Abraham glaubte Gott, und das wurde ihm als Gerechtigkeit angerechnet“ (Röm 4, 3) [Vgl. Gen 15, 6]. Weil er „stark im Glauben“ war (Röm 4, 20), ist Abraham „zum Vater aller, die ... glauben“, geworden (Röm 4, 11) [Vgl. Röm 4, 18; Gen 15, 5]. (Vgl. dazu auch 1819)

147 Das Alte Testament ist reich an Zeugnissen solchen Glaubens. Der Hebräerbrief hält eine Lobrede auf den vorbildlichen Glauben der Vorfahren, der ihnen „ein ruhmvolles Zeugnis“ verschaffte (Hebr 11, 2) [Vgl. Hebr 11, 39]. Doch Gott hatte „für uns etwas Besseres vorgesehen“ (Hebr 11, 40): die Gnade, an seinen Sohn Jesus zu glauben, an den „Urheber und Vollender des Glaubens“ (Hebr 12, 2) (Vgl. dazu auch 839)


Maria – „Selig ist die, die geglaubt hat!“

148 Die Jungfrau Maria übt den vollkommensten Glaubensgehorsam. Da sie glaubte, dass für Gott „nichts unmöglich“ ist (Lk 1, 37) [Vgl. Gen 18, 14], nahm sie die vom Engel gebrachte Ankündigung und Verheißung im Glauben entgegen und gab ihre Einwilligung: „Siehe, ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe nach deinem Wort“ (Lk 1, 38). Elisabet begrüßte sie: „Selig ist die, die geglaubt hat, dass sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ“ (Lk 1, 45). Um dieses Glaubens willen werden alle Geschlechter sie seligpreisen [Vgl. Lk 1, 48] (Vgl. dazu auch 494, 2617, 506).

149 Während ihres ganzen Lebens, auch in ihrer letzten Prüfung [Vgl. Lk 2, 35], als Jesus, ihr Sohn, am Kreuz starb, wankte ihr Glaube nicht. Maria gab ihren Glauben, dass das Wort Gottes „in Erfüllung gehen wird“, nie auf. Darum verehrt die Kirche in Maria die lauterste Glaubensgestalt (Vgl. dazu auch 969, 507, 829).

II „Ich weiß, wem ich Glauben geschenkt habe“

An Gott allein glauben

150 Der Glaube ist eine persönliche Bindung des Menschen an Gott und zugleich, untrennbar davon, freie Zustimmung zu der ganzen von Gott geoffenbarten Wahrheit. Als persönliche Bindung an Gott und Zustimmung zu der von ihm geoffenbarten Wahrheit unterscheidet sich der christliche Glaube von dem Glauben, den man einem Menschen schenkt. Sich ganz Gott anheimzugeben und das, was er sagt, absolut zu glauben, ist richtig und gut. Nichtig und falsch wäre es hingegen, einem Geschöpf einen solchen Glauben zu schenken [Vgl. Jer 17, 5–6]. (Vgl. dazu auch 222)


An Jesus Christus, den Sohn Gottes, glauben

151 Für den Christen hängt der Glaube an Gott unzertrennlich zusammen mit dem Glauben an den, den er gesandt hat, an seinen „geliebten Sohn“, an dem er Gefallen hat (Mk 1, 11) und auf den er uns zu hören hieß [Vgl. Mk 9, 7]. Der Herr selbst sagte zu seinen Jüngern: „Glaubt an Gott, und glaubt an mich!“ (Joh 14, 1). Wir können an Jesus Christus glauben, weil er selbst Gott, das menschgewordene Wort ist: „Niemand hat Gott je gesehen. Der Einzige, der Gott ist und am Herzen des Vaters ruht, er hat Kunde gebracht“ (Joh 1, 18). Weil er „den Vater gesehen“ hat (Joh 6, 46), ist er der Einzige, der ihn kennt und ihn offenbaren kann [Vgl. Mt 11, 27] (Vgl. dazu auch 424).


An den Heiligen Geist glauben

152 Man kann nicht an Jesus Christus glauben, ohne an seinem Geist Anteil zu haben: Der Heilige Geist offenbart den Menschen, wer Jesus ist. „Keiner kann sagen: Jesus ist der Herr!, wenn er nicht aus dem Heiligen Geist redet“ (1 Kor 12, 3). „Der Geist ergründet nämlich alles, auch die Tiefen Gottes ... So erkennt auch keiner Gott – nur der Geist Gottes“(1 Kor 2, 10–11). Gott allein kennt Gott ganz. Wir glauben an den Heiligen Geist, weil er Gott ist. (Vgl. dazu auch 243, 683)

Die Kirche bekennt unaufhörlich ihren Glauben an den einen Gott, den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist. (Vgl. dazu auch 232)

III Die Merkmale des Glaubens

Der Glaube ist eine Gnade

153 Als Petrus bekennt, dass Jesus der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes ist, sagt Jesus zu ihm: „Nicht Fleisch und Blut haben dir das offenbart, sondern mein Vater im Himmel“ (Mt 16, 17) [Vgl. Gal 1, 15; Mt 11, 25]. Der Glaube ist ein Geschenk Gottes, eine von ihm eingegossene übernatürliche Tugend. „Damit dieser Glaube geleistet wird, bedarf es der zuvorkommenden und helfenden Gnade Gottes und der inneren Hilfen des Heiligen Geistes, der das Herz bewegen und zu Gott umkehren, die Augen des Verstandes öffnen und ,allen die Freude verleihen soll, der Wahrheit zuzustimmen und zu glauben‘ “ (DV 5) (Vgl. dazu auch 552, 1814, 1996, 2609).


Der Glaube ist ein menschlicher Akt

154 Nur durch die Gnade und den inneren Beistand des Heiligen Geistes ist man imstande, zu glauben. Und doch ist Glauben ein wahrhaft menschlicher Akt. Es widerspricht weder der Freiheit noch dem Verstand des Menschen, Gott Vertrauen zu schenken und den von ihm geoffenbarten Wahrheiten zuzustimmen. Schon in den menschlichen Beziehungen verstößt es nicht gegen unsere Würde, das, was andere Menschen uns über sich selbst und ihre Absichten sagen, zu glauben, ihren Versprechen Vertrauen zu schenken (z. B. wenn ein Mann und eine Frau heiraten) und so mit ihnen in Gemeinschaft zu treten. Folglich verstößt es erst recht nicht gegen unsere Würde, „dem offenbarenden Gott im Glauben vollen Gehorsam des Verstandes und des Willens zu leisten“ (1. Vatikanisches Konzil: DS 3008) und so in enge Gemeinschaft mit ihm zu treten (Vgl. dazu auch 1749, 2126).

155 Beim Glauben wirken Verstand und Wille des Menschen mit der göttlichen Gnade zusammen: „Glauben ist ein Akt des Verstandes, der auf Geheiß des von Gott durch die Gnade bewegten Willens der göttlichen Wahrheit beistimmt“ (Thomas v. A., s. th. 2–2,2,9) [Vgl. 1. Vatikanisches Konzil: DS 3010] (Vgl. dazu auch 2008).


Der Glaube und der Verstand

156 Der Beweggrund, zu glauben, liegt nicht darin, dass die geoffenbarten Wahrheiten im Licht unserer natürlichen Vernunft wahr und einleuchtend erscheinen. Wir glauben „wegen der Autorität des offenbarenden Gottes selbst, der weder sich täuschen noch täuschen kann“ (1. Vatikanisches Konzil: DS 3008). „Damit nichtsdestoweniger der Gehorsam unseres Glaubens mit der Vernunft übereinstimmend sei, wollte Gott, dass mit den inneren Hilfen des Heiligen Geistes äußere Beweise seiner Offenbarung verbunden werden“ (ebd.: DS 3009). So sind die Wunder Christi und der Heiligen [Vgl. Mk 16, 20; Hebr 2, 4], die Weissagungen, die Ausbreitung und Heiligkeit der Kirche, ihre Fruchtbarkeit und ihr Fortbestehen „ganz sichere und dem Erkenntnisvermögen aller angepaßte Zeichen der göttlichen Offenbarung“ (DS 3009), Beweggründe der Glaubwürdigkeit [Vgl. DS 3013], die zeigen, dass „die Zustimmung zum Glauben keineswegs eine blinde Regung des Herzens ist“ (DS 3010) (Vgl. dazu auch 1063, 2465, 548, 812).

157 Der Glaube ist gewiss, gewisser als jede menschliche Erkenntnis, denn er gründet auf dem Wort Gottes, das nicht lügen kann. Zwar können die geoffenbarten Wahrheiten der menschlichen Vernunft und Erfahrung dunkel erscheinen, aber „die Gewissheit durch das göttliche Licht ist größer als die Gewissheit durch das Licht der natürlichen Vernunft“ (Thomas v. A., s. th. 2–2, 171, 5, obj. 3). „Zehntausend Schwierigkeiten machen keinen einzigen Zweifel aus“ (J. H. Newman, apol.) (Vgl. dazu auch 2088).

158 „Der Glaube sucht zu verstehen“ (Anselm, prosl. proœem.). Wer wirklich glaubt, sucht den, in den er seinen Glauben setzt, besser zu erkennen und das von ihm Geoffenbarte besser zu verstehen. Eine tiefere Erkenntnis wiederum wird einen stärkeren, immer mehr von Liebe beseelten Glauben hervorrufen. Die Gnade des Glaubens öffnet „die Augen des Herzens“ (Eph 1, 18) zu einem lebendigen Verständnis der Offenbarungsinhalte, das heißt der Gesamtheit des Ratschlusses Gottes und der Mysterien des Glaubens sowie ihres Zusammenhangs miteinander und mit Christus, dem Zentrum des geoffenbarten Mysteriums. „Damit das Verständnis der Offenbarung immer tiefer werde, vervollkommnet der Heilige Geist den Glauben ständig durch seine Gaben“ (DV 5). Es verhält sich so, wie der hl. Augustinus gesagt hat:

„Ich glaube, um zu verstehen, und ich verstehe, um besser zu glauben“ (serm. 43,7,9) (Vgl. dazu auch 2705, 1827, 90, 2518).

159 Glaube und Wissenschaft. „Auch wenn der Glaube über der Vernunft steht, so kann es dennoch niemals eine wahre Unstimmigkeit zwischen Glauben und Vernunft geben: denn derselbe Gott, der die Geheimnisse offenbart und den Glauben eingießt, hat in den menschlichen Geist das Licht der Vernunft gelegt; Gott aber kann sich nicht selbst verleugnen, noch [kann] jemals Wahres Wahrem widersprechen“ (1. Vatikanisches Konzil: DS 3017). „Deshalb wird die methodische Forschung in allen Disziplinen, wenn sie in einer wirklich wissenschaftlichen Weise und gemäß den sittlichen Normen vorgeht, niemals dem Glauben wahrhaft widerstreiten, weil die profanen Dinge und die Dinge des Glaubens sich von demselben Gott herleiten. Ja, wer bescheiden und ausdauernd die Geheimnisse der Dinge zu erforschen versucht, wird, auch wenn er sich dessen nicht bewusst ist, gleichsam an der Hand Gottes geführt, der alle Dinge trägt und macht, dass sie das sind, was sie sind“ (GS 36,2). (Vgl. dazu auch 283, 2293)


Die Freiheit des Glaubens

160 Damit der Glaube menschlich sei, soll „der Mensch freiwillig durch seinen Glauben Gott antworten“; darum darf „niemand gegen seinen Willen zur Annahme des Glaubens gezwungen werden ... Denn der Glaubensakt ist seiner eigenen Natur nach freiwillig“ (DH 10) [Vgl. CIC. can. 748, § 2]. „Gott ruft die Menschen zu seinem Dienst im Geiste und in der Wahrheit, und sie werden deshalb durch diesen Ruf im Gewissen verpflichtet, aber nicht gezwungen ... Dies aber ist vollendet in Christus Jesus erschienen“ (DH 11). Christus hat wohl zum Glauben und zur Bekehrung eingeladen, aber keineswegs gezwungen. „Er gab der Wahrheit Zeugnis, und dennoch wollte er sie denen, die ihr widersprachen, nicht mit Gewalt aufdrängen. Sein Reich ... wächst in der Kraft der Liebe, in der Christus, am Kreuz erhöht, die Menschen an sich zieht“ (DH 11) (Vgl. dazu auch 1738, 2106, 616).


Die Notwendigkeit des Glaubens

161 An Jesus Christus und an den zu glauben, der ihn um unseres Heiles willen gesandt hat, ist notwendig, um zum Heil zu gelangen [Vgl. z. B. Mk 16, 16; Joh 3, 36; 6, 40]. „Weil es aber ,ohne Glauben unmöglich ist, Gott zu gefallen‘ (Hebr 11, 6) und zur Gemeinschaft seiner Söhne zu gelangen, so wurde niemandem jemals ohne ihn Rechtfertigung zuteil, und keiner wird das ewige Leben erlangen, wenn er nicht in ihm ,ausgeharrt hat bis ans Ende‘ (Mt 10, 22; 24, 13)“ (1. Vatikanisches Konzil: DS 3012) [Vgl. Konzil v. Trient: DS 1532] (Vgl. dazu auch 432, 1257, 846).


Das Ausharren im Glauben

162 Der Glaube ist ein Gnadengeschenk, das Gott dem Menschen gibt. Wir können dieses unschätzbare Geschenk verlieren. Der hl. Paulus macht Timotheus darauf aufmerksam: „Kämpfe den guten Kampf, gläubig und mit reinem Gewissen. Schon manche haben die Stimme ihres Gewissens mißachtet und haben im Glauben Schiffbruch erlitten“ (1 Tim 1, 18–19). Um im Glauben zu leben, zu wachsen und bis ans Ende zu verharren, müssen wir ihn durch das Wort Gottes nähren und den Herrn anflehen, ihn zu mehren [Vgl. Mk 9, 24; Lk 17, 5; 22, 32]. Er muß „in der Liebe wirksam“ (Gal 5, 6) [Vgl. Jak 2, 14–26], von der Hoffnung getragen [Vgl. Röm 15, 13] und im Glauben der Kirche verwurzelt sein. (Vgl. dazu auch 2089, 1037, 2016, 2573, 2849)


Der Glaube – Beginn des ewigen Lebens

163 Der Glaube läßt uns schon im voraus die Freude und das Licht der beseligenden Gottesschau genießen, die das Ziel unseres irdischen Weges ist. Wir werden dann Gott „von Angesicht zu Angesicht“ (1 Kor 13, 12), „wie er ist“ (1 Joh 3, 2), sehen. Der Glaube ist somit schon der Beginn des ewigen Lebens (Vgl. dazu auch 1088).

„Wir erwarten den Genuß der uns aus Gnade verheißenen Güter. Wenn wir sie im Glauben wie in einem Spiegel betrachten, sind sie uns schon gegenwärtig“ (Basilius, Spir. 15, 36) [Vgl. Thomas v. A., s. th. 2–2,4,1].

164 Jetzt aber gehen wir „als Glaubende ... unseren Weg, nicht als Schauende“ (2 Kor 5, 7), und erkennen Gott wie in einem Spiegel, rätselhaft und unvollkommen [Vgl. 1 Kor 13, 12]. Der Glaube wird von Gott, auf den er sich richtet, erhellt; dennoch wird er oft im Dunkel gelebt. Der Glaube kann auf eine harte Probe gestellt werden. Die Welt, in der wir leben, scheint von dem, was der Glaube uns versichert, oft sehr weit entfernt. Die Erfahrungen des Bösen und des Leidens, der Ungerechtigkeiten und des Todes scheinen der Frohbotschaft zu widersprechen. Sie können den Glauben erschüttern und für ihn zur Versuchung werden (Vgl. dazu auch 2846, 309, 1502, 1006).

165 Dann müssen wir uns den Glaubenszeugen zuwenden: Abraham, der „gegen alle Hoffnung voll Hoffnung“ glaubte (Röm 4, 18); der Jungfrau Maria, die auf dem „Pilgerweg des Glaubens“ (LG 58) sogar in die „Nacht des Glaubens“ (Johannes Paul II., Enz. „Redemptoris Mater“ 18) hineinging, indem sie am Leiden ihres Sohnes und der Nacht seines Grabes Anteil nahm; und vielen weiteren Zeugen des Glaubens: „Da uns eine solche Wolke von Zeugen umgibt, wollen auch wir alle Last und die Fesseln der Sünde abwerfen. Lasst uns mit Ausdauer in dem Wettkampf laufen, der uns aufgetragen ist, und dabei auf Jesus blicken, den Urheber und Vollender des Glaubens“ (Hebr 12, 1–2). (Vgl. dazu auch 2719)

ARTIKEL 5: WIR GLAUBEN

166 Der Glaube ist ein persönlicher Akt: die freie Antwort des Menschen auf die Einladung des sich offenbarenden Gottes. Doch der Glaube ist kein isolierter Akt. Niemand kann für sich allein glauben, wie auch niemand für sich allein leben kann. Niemand hat sich selbst den Glauben gegeben, wie auch niemand sich selbst das Leben gegeben hat. Der Glaubende hat den Glauben von anderen empfangen; er muß ihn anderen weitergeben. Unsere Liebe zu Jesus und den Menschen drängt uns, zu anderen von unserem Glauben zu sprechen. Jeder Glaubende ist so ein Glied in der großen Kette der Glaubenden. Ich kann nicht glauben, wenn ich nicht durch den Glauben anderer getragen bin, und ich trage durch meinen Glauben den Glauben anderer mit (Vgl. dazu auch 875).

167 „Ich glaube“ (Apostolisches Glaubensbekenntnis): das ist der Glaube der Kirche, wie ihn jeder Glaubende, vor allem bei der Taufe, persönlich bekennt. „Wir glauben“ (Glaubensbekenntnis von Nizäa–Konstantinopel gr.): das ist der Glaube der Kirche, wie ihn die zum Konzil versammelten Bischöfe oder, allgemeiner, die zur Liturgie versammelten Gläubigen bekennen. „Ich glaube“: So spricht auch die Kirche, unsere Mutter, die durch ihren Glauben Gott antwortet und uns sagen lehrt: „Ich glaube“, „wir glauben“ (Vgl. dazu auch 1124, 2040).

I „Herr, schau auf den Glauben deiner Kirche“

168 Zunächst ist es die Kirche, die glaubt und so meinen Glauben trägt, nährt und stützt. Zunächst ist es die Kirche, die den Herrn überall bekennt („Dich preist über das Erdenrund die heilige Kirche“, singen wir im Hymnus „Te Deum“), und mit ihr und in ihr kommen auch wir dazu, ebenfalls zu bekennen: „Ich glaube“, „wir glauben“. Durch die Kirche empfangen wir in der Taufe den Glauben und das neue Leben in Christus. Im römischen Ritus fragt der Taufspender den Täufling: „Was erbittest du von der Kirche Gottes?“ Die Antwort lautet: „Den Glauben“ – „Was gibt dir der Glaube?“ – „Das ewige Leben“ (RR, OBA) (Vgl. dazu auch 1253).

169 Das Heil kommt von Gott allein, aber weil wir das Leben des Glaubens durch die Kirche empfangen, ist sie unsere Mutter: „Wir glauben die Kirche als die Mutter unserer Wiedergeburt, und nicht an die Kirche, als ob sie die Urheberin unseres Heils wäre“ (Faustus v. Riez, Spir. 1,2). Als unsere Mutter ist sie auch unsere Erzieherin im Glauben (Vgl. dazu auch 750, 2030).

II Die Sprache des Glaubens

170 Wir glauben nicht an Formeln, sondern an die Wirklichkeiten, die diese ausdrücken und die der Glaube uns zu „berühren“ erlaubt. „Der Akt des Glaubenden hat seinen Zielpunkt nicht bei der Aussage, sondern bei der [ausgesagten] Wirklichkeit“ (Thomas v. A., s. th. 2–2,1,2, ad 2). Doch wir nähern uns diesen Wirklichkeiten mit Hilfe der Glaubensformeln. Diese ermöglichen, den Glauben auszudrücken und weiterzugeben, ihn in Gemeinschaft zu feiern, ihn uns anzueignen und immer mehr aus ihm zu leben. (Vgl. dazu auch 186)

171 Als „die Säule und das Fundament der Wahrheit“ (1 Tim 3, 15) bewahrt die Kirche treu „den überlieferten Glauben, der den Heiligen ein für allemal anvertraut ist“ (Jud 3). Sie behält die Worte Christi im Gedächtnis; sie gibt das Glaubensbekenntnis der Apostel von Generation zu Generation weiter. Wie eine Mutter, die ihre Kinder sprechen und damit zu verstehen und zusammenzuleben lehrt, lehrt uns die Kirche, unsere Mutter, die Sprache des Glaubens, um uns in das Verständnis und das Leben des Glaubens einzuführen (Vgl. dazu auch 78, 84, 857, 185).

III Ein einziger Glaube

172 Seit Jahrhunderten bekennt die Kirche in all den vielen Sprachen, Kulturen, Völkern und Nationen ihren einzigen, vom einen Herrn empfangenen, durch eine einzige Taufe weitergegebenen Glauben, der in der Überzeugung wurzelt, dass alle Menschen nur einen Gott und Vater haben [Vgl. Eph 4, 4–6]. Der hl. Irenäus von Lyon, ein Zeuge dieses Glaubens, erklärt (Vgl. dazu auch 813):

173 „Die Kirche erstreckt sich über die ganze Welt bis an die äußersten Grenzen der Erde. Sie hat von den Aposteln und ihren Schülern den Glauben empfangen ... und bewahrt [diese Botschaft und diesen Glauben], wie sie sie empfangen hat, als ob sie in einem einzigen Hause wohnte, glaubt so daran, als ob sie nur eine Seele und ein Herz hätte, und verkündet und überliefert ihre Lehre so einstimmig, als ob sie nur einen Mund hätte“ (hær. 1,10,1–2) (Vgl. dazu auch 830).

174 „Und wenn es auch auf der Welt verschiedene Sprachen gibt, so ist doch die Geltung der Überlieferung ein und dieselbe. Die in Germanien gegründeten Kirchen glauben und überliefern nicht anders als die in Spanien oder bei den Kelten, als die im Orient oder in Ägypten, die in Libyen oder in der Mitte der Welt ...“(ebd.). „Wahr und zuverlässig ist die Botschaft der Kirche, denn bei ihr erscheint in der gesamten Welt ein und derselbe Weg zum Heil“ (hær. 5,20,1) (Vgl. dazu auch 78).

175 „Diesen Glauben, den wir von der Kirche empfangen haben, behüten wir sorgfältig. Wie ein kostbarer Schatz, der in einem ausgezeichneten Gefäß verschlossen ist, wird der Glaube durch die Wirkung des Geistes Gottes immer verjüngt und verjüngt das Gefäß, das ihn enthält“ (hær. 3,24,1).

KURZTEXTE

176 Der Glaube ist eine persönliche Bindung des ganzen Menschen an den sich offenbarenden Gott. In ihm liegt eine Zustimmung des Verstandes und des Willens zur Selbstoffenbarung Gottes in seinen Taten und Worten.

177 „Glauben“ hat also einen doppelten Bezug: den zur Person und den zur Wahrheit; der Glaubensakt bezieht sich auf die Wahrheit durch das Vertrauen in die Person, die sie bezeugt.

178 Wir sollen an niemand anderen glauben als an Gott, den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist.

179 Der Glaube ist eine übernatürliche Gabe Gottes. Um zu glauben, bedarf der Mensch der inneren Hilfe des Heiligen Geistes.

180 „Glauben“ ist ein bewusster und freier menschlicher Akt, der der Würde der menschlichen Person entspricht.

181 „Glauben“ ist ein kirchlicher Akt. Der Glaube der Kirche geht unserem Glauben voraus, zeugt, trägt und nährt ihn. Die Kirche ist die Mutter aller Glaubenden. „Niemand kann Gott zum Vater haben, der die Kirche nicht zur Mutter hat“ (Cyprian, unit. eccl.).

182 „Wir glauben alles, was im geschriebenen oder überlieferten Wort Gottes enthalten ist und was die Kirche als von Gott geoffenbarte Wahrheit zu glauben vorlegt“ (SPF20).

183 Der Glaube ist heilsnotwendig. Der Herr selbst sagt: „Wer glaubt und sich taufen läßt, wird gerettet; wer aber nicht glaubt, wird verdammt werden“ (Mk 16, 16).

184 „Der Glaube ist ein Vorgeschmack der Erkenntnis, die uns im künftigen Leben selig machen wird“ (Thomas v. A., comp. 1, 2).

Apostolisches Glaubensbekenntnis
Ich glaube an Gott,
den Vater, den Allmächtigen,
den Schöpfer des Himmels und der Erde,
und an Jesus Christus,
seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn,
Empfangen durch den Heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria,
gelitten unter Pontius Pilatus, gekreuzigt, gestorben und begraben,
hinabgestiegen in das Reich des Todes, am dritten Tage auferstanden von den Toten,v aufgefahren in den Himmel; er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters;
von dort wird er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten.
Ich glaube an den Heiligen Geist,
Die heilige katholische Kirche,
Gemeinschaft der Heiligen,
Vergebung der Sünden,
Auferstehung der Toten und das ewige Leben.
Amen.

Glaubensbekenntnis von Nizäa-Konstantinopel
Wir glauben an den einen Gott,
den Vater, den Allmächtigen,
der alles geschaffen hat, Himmel und Erde,
die sichtbare und die unsichtbare Welt.
Und an den einen Herrn Jesus Christus, Gottes eingeborenen Sohn, aus dem Vater geboren vor aller Zeit: Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott, gezeugt, nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater;
durch ihn ist alles geschaffen.
Für uns Menschen und zu unserem Heil ist er vom Himmel gekommen, hat Fleisch angenommen durch den Heiligen Geist von der Jungfrau Maria und ist Mensch geworden. Er wurde für uns gekreuzigt unter Pontius Pilatus, hat gelitten und ist begraben worden,
Ist am dritten Tage auferstanden nach der Schrift
Und aufgefahren in den Himmel. Er sitzt zur Rechten des Vaters

und wird wiederkommen in Herrlichkeit, zu richten die Lebenden und die Toten; seiner Herrschaft wird kein Ende sein.

Wir glauben an den Heiligen Geist, der Herr ist und lebendig macht, der aus dem Vater und dem Sohn hervorgeht, der mit dem Vater und dem Sohn angebetet und verherrlicht wird, der gesprochen hat durch die Propheten,
und die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche.

Wir bekennen die eine Taufe zur Vergebung der Sünden.

Wir erwarten die Auferstehung der Toten und das Leben der kommenden Welt.
Amen.

ZWEITER ABSCHNITT: DAS CHRISTLICHE GLAUBENSBEKENNTNIS

Die Glaubenssymbola

185 Wer sagt: „Ich glaube“, sagt: „Ich bejahe das, was wir glauben“. Die Gemeinschaft im Glauben bedarf einer gemeinsamen Glaubenssprache, die für alle verbindlich ist und im gleichen Bekenntnis des Glaubens eint (Vgl. dazu auch 171, 949).

186 Von Anfang an hat die apostolische Kirche ihren Glauben in kurzen, für alle maßgebenden Formeln ausgedrückt und weitergegeben [Vgl. etwa Röm 10, 9; 1 Kor 15, 3–5]. Schon sehr bald aber wollte die Kirche das Wesentliche ihres Glaubens auch in organische, gegliederte Zusammenfassungen einbringen, die vor allem für die Taufbewerber bestimmt waren:

„Nicht menschliche Willkür hat diese Zusammenschau des Glaubens verfaßt, sondern die wichtigsten Lehren der ganzen Schrift sind in ihr zusammengestellt zu einer einzigen Glaubenslehre. Gleichwie der Senfsamen in einem kleinen Körnlein die vielen Zweige birgt, so enthält diese Zusammenfassung des Glaubens in wenigen Worten alle religiösen Kenntnisse des Alten und des Neuen Testamentes“ (Cyrill v. Jerusalem, catech. ill. 5,12).

187 Diese Kurzfassungen des Glaubens nennt man „Glaubensbekenntnisse“, weil sie den Glauben, den die Christen bekennen, kurz zusammenfassen. Man nennt sie auch „Credo“, weil sie auf lateinisch für gewöhnlich mit „Credo“ [Ich glaube] beginnen. Eine weitere Bezeichnung für sie ist „Glaubenssymbola“.

188 Das griechische Wort „symbolon“ bezeichnete eine Hälfte eines entzweigebrochenen Gegenstandes (z. B. eines Siegels), die als Erkennungszeichen diente. Die beiden Teile wurden aneinandergefügt, um die Identität des Trägers zu überprüfen. Das „Glaubenssymbol“ ist also ein Erkennungs– und Gemeinschaftszeichen für die Gläubigen. „Symbolon“ bedeutet dann auch Sammlung, Zusammenfassung, Übersicht. Im „Glaubenssymbolon“ sind die Hauptwahrheiten des Glaubens zusammengefaßt. Deshalb dient es als erster Anhaltspunkt, als Grundtext der Katechese.

189 Das Glaubensbekenntnis wird zum ersten Mal bei der Taufe abgelegt. Das „Glaubenssymbolon“ ist zunächst Taufbekenntnis. Weil die Taufe im „Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes“ (Mt 28, 19) gespendet wird, werden die Glaubenswahrheiten, zu denen man sich bei der Taufe bekennt, nach ihrem Bezug zu den drei Personen der heiligsten Dreifaltigkeit gegliedert (Vgl. dazu auch 1237, 232).

190 Das Symbolum hat somit drei Hauptteile: „Im ersten Teil ist von der ersten Person in Gott und vom wunderbaren Schöpfungswerk die Rede; im zweiten von der zweiten Person und vom Geheimnis der Erlösung des Menschen; im dritten von der dritten Person, dem Urheber und Quell unserer Heiligung“ (Catech. R. 1,1,4). Das sind „die drei Hauptstücke unseres [Tauf–] Siegels“ (Irenäus, dem. 100).

191 Diese drei Teile unterscheiden sich voneinander, hängen aber miteinander zusammen. „Wir nennen sie nach einem von den Vätern häufig gebrauchten Vergleich Artikel [Glieder]. Wie man nämlich die Einzelteile eines Körpers nach Gliedern unterscheidet, so bezeichnen wir auch in diesem unserem Glaubensbekenntnis jeden Einzelsatz, der uns zu glauben vorgelegt wird, ganz entsprechend als Artikel“ (Catech. R. 1,1,4). Nach einer alten, schon vom hl. Ambrosius [Vgl. symb. 8] bezeugten Tradition zählt man für gewöhnlich zwölf Artikel des Credo, um mit der Zahl der Apostel das Ganze des apostolischen Glaubens zu versinnbilden.

192 Den Bedürfnissen der verschiedenen Epochen entsprechend entstanden im Lauf der Jahrhunderte zahlreiche Bekenntnisse oder Symbola des Glaubens: die Symbola der verschiedenen alten, apostolischen Kirchen [Vgl. DS 1–64] das sogenannte Athanasianische Symbolum „Quicumque“ [Vgl. DS 75–76], die Glaubensbekenntnisse bestimmter Konzilien und Synoden [Vgl. 11. Synode v. Toledo: DS 525–541; 4. Konzil im Lateran: DS 800–802; 2. Konzil v. Lyon: DS 851–861; Konzil v. Trient: DS 1862–1870] oder einzelner Päpste, z. B. die „fides Damasi“ [Vgl. DS 71–72] und das „Credo des Gottesvolkes“ (SPF) Pauls VI. von 1968.

193 Keines der Bekenntnisse aus den verschiedenen Epochen der Kirche kann als überholt und wertlos angesehen werden. Sie alle fassen den Glauben aller Zeiten kurz zusammen und helfen uns heute, ihn zu erfassen und tiefer zu verstehen.


Zwei Bekenntnisse nehmen im Leben der Kirche eine ganz besondere Stellung ein:

194 Das Apostolische Glaubensbekenntnis, das so genannt wird, weil es mit Recht als treue Zusammenfassung des Glaubens der Apostel gilt. Es ist das alte Taufbekenntnis der Kirche von Rom. Von daher hat es seine große Autorität: „Es ist das Symbolum, das die römische Kirche bewahrt, wo Petrus, der erste der Apostel, seinen Sitz hatte und wohin er die gemeinsame Glaubenslehre gebracht hat“ (Ambrosius, symb. 7).

195 Auch das sogenannte Nizäno–konstantinopolitanische Glaubensbekenntnis besitzt eine große Autorität, weil es aus den beiden ersten Ökumenischen Konzilien (325 und 381) hervorging und noch heute allen großen Kirchen des Ostens und des Westens gemeinsam ist (Vgl. dazu auch 242, 245, 465).

196 Unsere Darlegung des Glaubens wird sich an das Apostolische Glaubensbekenntnis halten, das gewissermaßen „den ältesten römischen Katechismus“ darstellt. Die Darlegung wird jedoch durch beständige Verweise auf das Nizäno–konstantinopolitanische Bekenntnis ergänzt werden, das oft ausführlicher und eingehender ist.

197 Machen wir uns das Bekenntnis unseres Leben schenkenden Glaubens zu eigen wie am Tag unserer Taufe, als unser ganzes Leben „der Gestalt der Lehre“ (Röm 6, 17) anvertraut wurde. Gläubig das Credo beten heißt, mit Gott dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist in Verbindung treten; es heißt aber auch, mit der Gesamtkirche verbunden zu werden, die uns den Glauben überliefert und in deren Gemeinschaft wir glauben (Vgl. dazu auch 1064).

„Dieses Symbolum ist das geistige Siegel, die Betrachtung unseres Herzens und die stets anwesende Wache; es ist sicherlich der Schatz unserer Seele“ (Ambrosius, symb. 1).

ERSTES KAPITEL: „ICH GLAUBE AN GOTT DEN VATER“

198 Unser Glaubensbekenntnis beginnt mit Gott, denn Gott ist „der Erste“ und „der Letzte“ (Jes 44, 6), der Anfang und das Ende von allem. Das Credo beginnt mit Gott dem Vater, denn der Vater ist die erste göttliche Person der heiligsten Dreifaltigkeit; es beginnt mit der Erschaffung des Himmels und der Erde, denn die Schöpfung ist der Anfang und die Grundlage aller Werke Gottes.

ARTIKEL 1: „ICH GLAUBE AN GOTT, DEN VATER, DEN ALLMÄCHTIGEN, DEN SCHÖPFER DES HIMMELS UND DER ERDE“

ABSATZ 1: „ICH GLAUBE AN GOTT“

199 „Ich glaube an Gott“: diese erste Aussage des Glaubensbekenntnisses ist auch die grundlegendste. Das ganze Bekenntnis spricht von Gott, und wenn es auch vom Menschen und von der Welt spricht, geschieht dies im Blick auf Gott. Die Artikel des Credo hängen alle vom ersten ab, so wie die weiteren Gebote des Dekalogs das erste Gebot entfalten. Die folgenden Artikel lassen uns Gott besser erkennen, wie er sich Schritt für Schritt den Menschen geoffenbart hat. „Mit Recht bekennen die Gläubigen zuerst, dass sie an Gott glauben“ (Catech. R. 1,2,6) (Vgl. dazu auch 2083).

I „Wir glauben an den einen Gott“

200 Mit diesen Worten beginnt das Credo von Nizäa–Konstantinopel. Das Bekenntnis der Einzigkeit Gottes, das in der göttlichen Offenbarung des Alten Bundes wurzelt, läßt sich vom Bekenntnis des Daseins Gottes nicht trennen und ist ebenso grundlegend. Gott ist der Eine; es gibt nur einen Gott. „Der christliche Glaube hält fest und bekennt ... dass Gott nach Natur, Substanz und Wesen Einer ist“ (Catech. R. 1,2,2) (Vgl. dazu auch 2085).

201 Israel, dem von ihm erwählten Volk, hat sich Gott als der Eine geoffenbart: „Höre, Israel! Der Herr, unser Gott, der Herr ist einzig. Darum sollst du den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft“ (Dtn 6,4–5). Durch die Propheten ruft Gott Israel und alle Völker auf, sich ihm, dem einzigen Gott, zuzuwenden: „Wendet euch mir zu, und lasst euch erretten, ihr Menschen aus den fernsten Ländern der Erde; denn ich bin Gott, und sonst niemand ... Vor mir wird jedes Knie sich beugen, und jede Zunge wird bei mir schwören: Nur beim Herrn ... gibt es Rettung und Schutz“ (Jes 45,22–24) [Vgl. Phil 2,10–11] (Vgl. dazu auch 2083).

202 Jesus selbst bekräftigt, dass Gott „der einzige Herr“ ist und dass man ihn mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit allen Gedanken und aller Kraft lieben soll [Vgl. Mk 12,29–30]. Gleichzeitig gibt er zu erkennen, dass er selbst „der Herr“ ist [Vgl. Mk 12, 35–37]. Zwar ist das Bekenntnis „Jesus ist der Herr“ das Besondere des christlichen Glaubens. Es widerspricht jedoch dem Glauben an den einen Gott nicht. Auch der Glaube an den Heiligen Geist, „der Herr ist und lebendig macht“, bringt in den einzigen Gott keine Spaltung (Vgl. dazu auch 446, 152):

„Wir glauben fest und bekennen aufrichtig, dass nur Einer der wahre, ewige, unermeßliche und unveränderliche, unbegreifliche, allmächtige und unaussprechliche Gott ist, der Vater, Sohn und Heilige Geist: zwar drei Personen, aber eine Wesenheit, Substanz oder gänzlich einfache Natur“ (4. K. im Lateran: DS 800) (Vgl. dazu auch 42).

II Gott offenbart seinen Namen

203 Seinem Volk Israel hat Gott sich dadurch geoffenbart, dass er es seinen Namen wissen ließ. Der Name drückt das Wesen, die Identität der Person und den Sinn ihres Lebens aus. Gott hat einen Namen. Er ist nicht eine namenlose Kraft. Seinen Namen preisgeben heißt sich den anderen zu erkennen geben; es heißt gewissermaßen sich selbst preisgeben, sich zugänglich machen, um tiefer erkannt und persönlich gerufen werden zu können. (Vgl. dazu auch 2143, 2808)

204 Gott hat sich seinem Volk Schritt für Schritt und unter verschiedenen Namen zu erkennen gegeben. Die Grundoffenbarung für den Alten und den Neuen Bund war jedoch die Offenbarung des Gottesnamens an Mose bei der Erscheinung im brennenden Dornbusch vor dem Auszug aus Ägypten und dem Sinaibund. (Vgl. dazu auch 63)


Der lebendige Gott

205 Gott ruft Mose an aus der Mitte eines Dornbusches, der brennt, ohne zu verbrennen. Er sagt zu Mose: „Ich bin der Gott deines Vaters, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs“ (Ex 3,6). Gott ist der Gott der Väter, der die Patriarchen gerufen und sie auf ihren Wanderungen geleitet hat. Er ist der treue und mitfühlende Gott, der sich an die Väter und an seine Verheißungen erinnert. Er kommt, um ihre Nachkommen aus der Sklaverei zu befreien. Er ist der Gott, der dies unabhängig von Zeit und Raum kann und tun will. Er verwirklicht diesen Plan durch seine Allmacht. (Vgl. dazu auch 2575, 268)


„Ich bin der Ich – bin“

„Da sagte Mose zu Gott: Gut, ich werde also zu den Israeliten kommen und ihnen sagen: Der Gott eurer Väter hat mich zu euch gesandt. Da werden sie mich fragen: Wie lautet sein Name? Was soll ich ihnen darauf sagen? Da antwortete Gott dem Mose: Ich bin der Ich–bin. Und er fuhr fort: So sollst du zu den Israeliten sagen: Der Ich–bin hat mich zu euch gesandt ... Das ist mein Name für immer, und so wird man mich nennen in allen Generationen“ (Ex 3,13–15).

206 Indem er seinen geheimnisvollen Namen JHWH – „Ich bin der, der ist“ oder „Ich bin der Ich–bin“ – offenbart, sagt Gott, wer er ist und mit welchem Namen man ihn anreden soll. Dieser Gottesname ist geheimnisvoll, wie Gott selbst Geheimnis ist. Er ist ein geoffenbarter Name und zugleich gewissermaßen die Zurückweisung eines Namens. Gerade dadurch bringt er jedoch das, was Gott ist, am besten zum Ausdruck: der über alles, was wir verstehen oder sagen können, unendlich Erhabene. Er ist der „verborgene Gott“ (Jes 45,15); sein Name ist unaussprechlich [Vgl. Ri 13,18]; und er ist zugleich der Gott, der den Menschen seine Nähe schenkt. (Vgl. dazu auch 43)

207 Mit seinem Namen offenbart Gott zugleich seine Treue, die von jeher war und für immer bleibt: Er war treu („Ich bin der Gott deines Vaters“: Ex 3,6) und wird treu bleiben („Ich bin mit dir“: Ex 3,12). Gott, der sich „Ich–bin“ nennt, offenbart sich als der Gott, der immer da ist, immer bei seinem Volk, um es zu retten.

208 Angesichts der geheimnisvollen und faszinierenden Gegenwart Gottes wird der Mensch seiner Kleinheit inne. Angesichts des brennenden Dornbusches zieht Mose seine Sandalen aus und verhüllt vor der göttlichen Herrlichkeit sein Gesicht [Vgl. Ex 3,5–6]. Angesichts der Herrlichkeit des dreimal heiligen Gottes ruft Jesaia aus: „Weh mir, ich bin verloren. Denn ich bin ein Mann mit unreinen Lippen“ (Jes 6,5). Angesichts der göttlichen Zeichen, die Jesus wirkt, ruft Petrus aus: „Herr, geh weg von mir; ich bin ein Sünder“ (Lk 5,8). Doch da Gott heilig ist, kann er dem Menschen verzeihen, der sich vor ihm als Sünder erkennt: „Ich will meinen glühenden Zorn nicht vollstrecken ..., denn ich bin Gott, nicht ein Mensch, der Heilige in deiner Mitte“ (Hos 11,9). So sagt auch der Apostel Johannes: „Wir werden unser Herz in seiner Gegenwart beruhigen. Denn wenn das Herz uns auch verurteilt – Gott ist größer als unser Herz, und er weiß alles“ (1 Joh 3, 19–20) (Vgl. dazu auch 724, 448, 388).

209 Aus Ehrfurcht vor Gottes Heiligkeit spricht das Volk Israel den Namen Gottes nicht aus. Bei der Lesung der Heiligen Schrift wird der geoffenbarte Name durch den göttlichen Würdetitel „Herr“ [„Adonai“, auf griechisch „Kyrios“] ersetzt. Unter diesem Titel wird die Gottheit Jesu feierlich bekannt: „Jesus ist der Herr“. (Vgl. dazu auch 446)


„Ein barmherziger und gnädiger Gott“

210 Nachdem Israel gesündigt und sich so von Gott abgewandt hat, um das goldene Kalb anzubeten [Vgl. Ex 32], hört Gott auf die Fürbitte des Mose und nimmt es auf sich, mit seinem untreuen Volk mitzuziehen. So zeigt er seine Liebe [Vgl. Ex 33,12–17]. Als Mose darum bittet, seine Herrlichkeit schauen zu dürfen, antwortet ihm Gott: „Ich will meine ganze Schönheit an dir vorüberziehen lassen und den Namen JHWH vor dir ausrufen“ (Ex 33,18–19). Und der Herr zieht an Mose vorüber und ruft: „JHWH, JHWH ist ein barmherziger und gnädiger Gott, langmütig, reich an Huld und Treue“ (Ex 34,6). Da bekennt Mose, dass der Herr ein verzeihender Gott ist [Vgl. Ex 34,9] (Vgl. dazu auch 2112, 2577).

211 Der Gottesname „Ich–bin“ oder „Er–ist“ drückt die Treue Gottes aus. Trotz der Untreue, die in der Sünde der Menschen liegt, und trotz der Bestrafung, die sie verdient, bewahrt Gott „Tausenden Huld“ (Ex 34,7). Gott offenbart, dass er „voll Erbarmen“ (Eph 2,4) ist, und geht darin so weit, dass er seinen eigenen Sohn dahingibt. Jesus opfert sein Leben, um uns von der Sünde zu befreien, und offenbart so, dass er selbst den göttlichen Namen trägt: „Wenn ihr den Menschensohn erhöht habt, dann werdet ihr erkennen, dass Ich bin“ (Joh 8,28). (Vgl. dazu auch 604)


Gott allein ist

212 Im Lauf der Jahrhunderte konnte der Glaube Israels die Reichtümer, die in der Offenbarung des Namens Gottes enthalten sind, ausfalten und sich in sie vertiefen. Gott ist einzig; außer ihm gibt es keinen Gott [Vgl. Jes 44,6]. Er ist über Welt und Geschichte erhaben. Er hat Himmel und Erde geschaffen: „Sie werden vergehen, du aber bleibst; sie alle zerfallen wie ein Gewand ... Du aber bleibst, der du bist, und deine Jahre enden nie“ (Ps 102, 27–28). Bei ihm gibt es „keine Veränderung und keine Verfinsterung“ (Jak 1,17). Er ist der „Er–ist“ von jeher und für immer und so bleibt er sich selbst und seinen Verheißungen stets treu (Vgl. dazu auch 42, 469, 2086).

213 Die Offenbarung des unaussprechlichen Namens „Ich bin der Ich–bin“ enthält somit die Wahrheit, dass allein Gott ist. In diesem Sinn haben schon die Übersetzung der Septuaginta und die Überlieferung der Kirche den Namen Gottes verstanden: Gott ist die Fülle des Seins und jeglicher Vollkommenheit, ohne Ursprung und ohne Ende. Während alle Geschöpfe alles, was sie sind und haben, von ihm empfingen, ist er allein sein Sein, und er ist alles, was er ist, von sich aus (Vgl. dazu auch 41)

III Gott, „Er, der ist“, ist Wahrheit und Liebe

214 Gott, „Er, der ist“, hat sich Israel geoffenbart als „reich an Huld und Treue“ (Ex 34,6). Diese beiden Begriffe drücken das Wesentliche des Reichtums des göttlichen Namens aus. In all seinen Werken zeigt Gott sein Wohlwollen, seine Güte, seine Gnade, seine Liebe, aber auch seine Verläßlichkeit, seine Beharrlichkeit, seine Treue und seine Wahrheit. „Ich will ... deinem Namen danken für deine Huld und Treue“ (Ps 138,2) [Vgl. Ps 85,11]. Er ist die Wahrheit, denn „Gott ist Licht, und keine Finsternis ist in ihm“ (1 Joh 1,5); er ist „die Liebe“, wie der Apostel Johannes lehrt (1 Joh 4,8) (Vgl. dazu auch 1062).


Gott ist Wahrheit

215 „Das Wesen deines Wortes ist Wahrheit, deine gerechten Urteile haben alle auf ewig Bestand“ (Ps 119,160). „Ja, mein Herr und Gott, du bist der einzige Gott, und deine Worte sind wahr“ (2 Sam 7,28); deswegen gehen Gottes Verheißungen immer in Erfüllung [Vgl. Dtn 7,9]. Gott ist die Wahrheit selbst; seine Worte können nicht täuschen. Darum kann man voll Vertrauen sich in allem seiner Wahrheit und der Verläßlichkeit seines Wortes überantworten. Am Anfang der Sünde und des Falls des Menschen stand eine Lüge des Versuchers, die zum Zweifel an Gottes Wort, seinem Wohlwollen und seiner Treue führte. (Vgl. 2465, 1063, 156, 397)

216 Die Wahrheit Gottes ist auch seine Weisheit, die die ganze Ordnung der Schöpfung und den Lauf der Welt bestimmt [Vgl. Weish 13,1–9]. Gott, der Einzige, der Himmel und Erde erschaffen hat [Vgl. Ps 115,15], ist auch der Einzige, der die wahre Erkenntnis alles Geschaffenen in seinem Bezug zu ihm schenken kann [Vgl. Weish 7, 17–21]. (Vgl. dazu auch 295, 32)

217 Gott ist auch wahr, wenn er sich offenbart: Die Lehre, die von Gott kommt, ist „zuverlässige Belehrung“ (Mal 2,6). Er sendet seinen Sohn in die Welt, damit dieser „für die Wahrheit Zeugnis ablege“ (Joh 18,37). „Wir wissen aber: Der Sohn Gottes ist gekommen, und er hat uns Einsicht geschenkt, damit wir [Gott] den Wahren erkennen“ (1 Joh 5,20) [Vgl. Joh 17,3] (Vgl. dazu auch 851, 2466).


Gott ist Liebe

218 Im Laufe seiner Geschichte konnte Israel erkennen, dass Gott nur einen einzigen Grund hatte, sich ihm zu offenbaren und es unter allen Völkern zu erwählen, damit es ihm gehöre: seine gnädige Liebe [Vgl. Dtn 4,37; 7,8; 10,15]. Dank seiner Propheten hat Israel begriffen, dass Gott es aus Liebe immer wieder rettet [Vgl. Jes 43,1–7] und ihm seine Untreue und seine Sünden verzeiht [Vgl. Hos 2]. (Vgl. dazu auch 295)

219 Die Liebe Gottes zu Israel wird mit der Liebe eines Vaters zu seinem Sohn verglichen [Vgl. Hos 11,1]. Diese Liebe ist größer als die Liebe einer Mutter zu ihren Kindern [Vgl. Jes 49,14–15]. Gott liebt sein Volk mehr als ein Bräutigam seine Braut [Vgl. Jes 62,4–5]. Diese Liebe wird sogar über die schlimmsten Treulosigkeiten siegen [Vgl. Ez 16; Hos 11] sie wird so weit gehen, dass sie selbst das Liebste hergibt: „Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab“ (Joh 3,16). (Vgl. dazu auch 239, 796, 458)

220 Die Liebe Gottes ist „ewig“ (Jes 54,8): „Auch wenn die Berge von ihrem Platz weichen und die Hügel zu wanken beginnen – meine Huld wird nie von dir weichen“ (Jes 54,10). „Mit ewiger Liebe habe ich dich geliebt, darum habe ich dir so lange die Treue bewahrt“ (Jer 31,3).

221 Der hl. Johannes geht noch weiter und sagt: „Gott ist die Liebe“ (1 Joh 4,8.16): Liebe ist das Wesen Gottes. Indem er in der Fülle der Zeit seinen einzigen Sohn und den Geist der Liebe sendet, offenbart Gott sein innerstes Geheimnis [Vgl.1 Kor 2,7–16; Eph 3,9–12]: Er selbst ist ewiger Liebesaustausch – Vater, Sohn und Heiliger Geist – und hat uns dazu bestimmt, daran teilzuhaben (Vgl. dazu auch 733, 851, 257).

IV Die Bedeutung des Glaubens an den einzigen Gott

222 An Gott, den Einzigen, zu glauben und ihn mit unserem ganzen Wesen zu lieben, hat für unser ganzes Leben unabsehbare Folgen:

223 Wir wissen um Gottes Größe und Majestät: „Sieh, Gott ist groß, nicht zu begreifen“ (Ijob 36,26). Darum gilt: „Gott kommt an erster Stelle“ (Jeanne d‘Arc) (Vgl. dazu auch 400).

224 Wir leben in Danksagung: Wenn Gott der Einzige ist, kommt alles, was wir sind und haben, von ihm: „Was hast du, das du nicht empfangen hättest?“ (1 Kor 4,7). „Wie kann ich dem Herrn all das vergelten, was er mir Gutes getan hat?“ (Ps 116,12) (Vgl. dazu auch 2637).

225 Wir wissen um die Einheit und die wahre Würde aller Menschen: Sie alle sind nach dem Abbild Gottes ihm ähnlich erschaffen [Vgl. Gen 1,26]. (Vgl. dazu auch 356, 360, 1700, 1934)

226 Wir gebrauchen die geschaffenen Dinge richtig: Der Glaube an den einzigen Gott läßt uns alles, was nicht Gott ist, soweit gebrauchen, als es uns ihm näher bringt, und uns soweit davon lösen, als es uns von ihm entfernt [Vgl. Mt 5,29–30; 16,24; 19,23–24] (Vgl. dazu auch 339, 2402, 2415).

„Mein Herr und mein Gott, nimm alles von mir, was mich hindert zu dir. Mein Herr und mein Gott, gib alles mir, was mich fördert zu dir. Mein Herr und mein Gott, o nimm mich mir und gib mich ganz zu eigen dir“ (Niklaus von Flüe, Gebet)

227 Wir vertrauen auf Gott in jeder Lage, selbst in Widerwärtigkeiten. Ein Gebet der hl. Theresia von Jesus bringt dies eindrucksvoll zum Ausdruck: (Vgl. dazu auch 313, 2090)

Nichts dich verwirre; / nichts dich erschrecke. Alles geht vorbei. / Gott ändert sich nicht. Geduld erlangt alles. / Wer Gott hat, dem fehlt nichts. / Gott allein genügt.

(poes. 30) (Vgl. dazu auch 2830, 1723)

KURZTEXTE

228 „Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist der einzige Herr“ (Dtn 6,4 nach Mk 12,29). „Was als höchste Größe gelten soll, muß einzig dastehen und darf seinesgleichen nicht haben ... Wenn Gott nicht einzig ist, so ist er nicht Gott“ (Tertullian, Marc. 1,3).

229 Der Glaube an Gott bewegt uns, ihm allein uns zuzuwenden als unserem ersten Ursprung und unserem letzten Ziel und nichts ihm vorzuziehen oder an seine Stelle zu setzen.

230 Obwohl Gott sich offenbart, bleibt er doch ein unaussprechliches Geheimnis:„Verstündest du ihn, es wäre nicht Gott“ (Augustinus, serm. 52, 6, 16).

231 Der Gott unseres Glaubens hat sich als der, der ist, geoffenbart; er hat sich als „reich an Huld und Treue“ zu erkennen gegeben (Ex 34,6). Wahrheit und Liebe sind sein Wesen.

ABSATZ 2: DER VATER

I „Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“

232 Die Christen werden im „Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ (Mt 28,19) getauft. Vorher antworten sie auf die dreifache Frage, ob sie an den Vater, an den Sohn und an den Heiligen Geist glauben, mit: „Ich glaube“. „Der Inbegriff des Glaubens aller Christen ist die Dreifaltigkeit“ (Cæsarius v. Arles, symb.) (Vgl. dazu auch 189, 1223).

233 Die Christen werden „im Namen“ (Einzahl) und nicht „auf die Namen“ (Mehrzahl) des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes getauft [Vgl. das Glaubensbekenntnis des Papstes Vigilius im Jahre 552: DS 415], denn es gibt nur einen einzigen Gott, den allmächtigen Vater und seinen eingeborenen Sohn und den Heiligen Geist: die heiligste Dreifaltigkeit.

234 Das Mysterium der heiligsten Dreifaltigkeit ist das zentrale Geheimnis des christlichen Glaubens und Lebens. Es ist das Mysterium des inneren Lebens Gottes, der Urgrund aller anderen Glaubensmysterien und das Licht, das diese erhellt. Es ist in der „Hierarchie der Glaubenswahrheiten“ (DCG 43) die grundlegendste und wesentlichste. „Die ganze Heilsgeschichte ist nichts anderes als die Geschichte des Weges und der Mittel, durch die der wahre, einzige Gott – Vater, Sohn und Heiliger Geist – sich offenbart, sich mit den Menschen, die sich von der Sünde abwenden, versöhnt und sie mit sich vereint“ (DCG 47) (Vgl. dazu auch 2157, 90, 1449).

235 In diesem Absatz wird kurz dargelegt, wie das Mysterium der heiligsten Dreifaltigkeit geoffenbart wurde (II), wie die Kirche die Glaubenslehre über dieses Mysterium formulierte (III) und wie der Vater durch die göttlichen Sendungen des Sohnes und des Heiligen Geistes seinen „gnädigen Ratschluss“ der Erschaffung, Erlösung und Heiligung verwirklicht (IV).

236 Die Kirchenväter unterscheiden zwischen der „Theologia“ und der „Oikonomia“. Mit dem ersten Begriff bezeichnen sie das Mysterium des inneren Lebens des dreifaltigen Gottes, mit dem zweiten alle Werke, durch die dieser sich offenbart und sein Leben mitteilt. Durch die „Oikonomia“ wird uns die „Theologia“ enthüllt; umgekehrt aber erhellt die „Theologia“ die ganze „Oikonomia“. Die Werke Gottes offenbaren uns sein inneres Wesen, und umgekehrt läßt uns das Mysterium seines inneren Wesens alle seine Werke besser verstehen. Ähnlich verhält es sich in der Beziehung zwischen menschlichen Personen: Die Person äußert sich in ihrem Tun, und je besser wir eine Person kennen, desto besser verstehen wir ihr Handeln. (Vgl. dazu auch 1066, 259)

237 Die Trinität ist ein Glaubensmysterium im strengen Sinn, eines der „in Gott verborgenen Geheimnisse ... die, wenn sie nicht von Gott geoffenbart wären, nicht bekannt werden könnten“ (1. Vatikanisches K.: DS 3015). Zwar hat Gott in seinem Schöpfungswerk und in seiner Offenbarung im Laufe des Alten Bundes Spuren seines trinitarischen Wesens hinterlassen. Aber sein innerstes Wesen als heilige Dreifaltigkeit stellt ein Geheimnis dar, das der Vernunft nicht zugänglich ist und vor der Menschwerdung des Sohnes Gottes und der Sendung des Heiligen Geistes auch dem Glauben Israels unzugänglich war (Vgl. dazu auch 50).

II Die Offenbarung Gottes als Dreifaltigkeit

Der Vater wird geoffenbart durch den Sohn

238 In vielen Religionen wird Gott als „Vater“ angerufen. Die Gottheit wird oft als „Vater der Götter und der Menschen“ betrachtet. In Israel wird Gott „Vater“ genannt als Erschaffer der Welt [Vgl. Dtn 32,6; Mal 2,10]. Gott ist erst recht Vater aufgrund des Bundes und der Gabe des Gesetzes an Israel, seinen „Erstgeborenen“ (Ex 4,22). Er wird auch Vater des Königs von Israel genannt [Vgl. 2 Sam 7,14]. Ganz besonders ist er „der Vater der Armen“, der Waisen und Witwen [Vgl. Ps 68,6], die unter seinem liebenden Schutz stehen (Vgl. dazu auch 2443).

239 Wenn die Sprache des Glaubens Gott „Vater“ nennt, so weist sie vor allem auf zwei Aspekte hin: dass Gott Ursprung von allem und erhabene Autorität und zugleich Güte und liebende Besorgtheit um alle seine Kinder ist. Diese elterliche Güte Gottes läßt sich auch durch das Bild der Mutterschaft zum Ausdruck bringen [Vgl. Jes 66,13; Ps 131,2], das mehr die Immanenz Gottes, die Vertrautheit zwischen Gott und seinem Geschöpf andeutet. Die Sprache des Glaubens schöpft so aus der Erfahrung des Menschen mit seinen Eltern, die für ihn gewissermaßen die ersten Repräsentanten Gottes sind. Wie die Erfahrung aber zeigt, können menschliche Eltern auch Fehler begehen und so das Bild der Vaterschaft und der Mutterschaft entstellen. Deswegen ist daran zu erinnern, dass Gott über den Unterschied der Geschlechter beim Menschen hinausgeht. Er ist weder Mann noch Frau; er ist Gott. Er geht auch über die menschliche Vaterschaft und Mutterschaft hinaus [Vgl. Ps 27,10], obwohl er deren Ursprung und Maß ist [Vgl. Eph 3,14; Jes 49,15]: Niemand ist Vater so wie Gott. (Vgl. dazu auch 370, 2779)

240 Jesus hat geoffenbart, dass Gott in einem ungeahnten Sinn „Vater“ ist: nicht nur als Schöpfer, sondern von Ewigkeit her Vater seines eingeborenen Sohnes, der von Ewigkeit her nur in bezug auf seinen Vater Sohn ist: „Niemand kennt den Sohn, nur der Vater, und niemand kennt den Vater, nur der Sohn und der, dem es der Sohn offenbaren will“ (Mt 11,27) (Vgl. dazu auch 2780, 441–445).

241 Deshalb bekannten die Apostel Jesus als das Wort, das bei Gott war und Gott ist [Vgl. Joh 1,1], als „das Ebenbild des unsichtbaren Gottes“ (Kol 1,15), als „der Abglanz seiner Herrlichkeit und das Abbild seines Wesens“ (Hebr 1,3).

242 Ihr Bekenntnis wird von der apostolischen Überlieferung bewahrt, in deren Gefolge die Kirche im Jahr 325 auf dem ersten Ökumenischen Konzil in Nizäa bekannt hat, dass der Sohn „eines Wesens [homoúsios, consubstantialis] mit dem Vater“, das heißt mit ihm ein einziger Gott ist. Das zweite Ökumenische Konzil, das sich 381 in Konstantinopel versammelt hatte, behielt in seiner Formulierung des Credo von Nizäa diesen Ausdruck bei und bekannte „Gottes eingeborenen Sohn“ als „aus dem Vater geboren vor aller Zeit: Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott, gezeugt, nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater“ (DS 150) (Vgl. dazu auch 465).


Der Vater und der Sohn werden durch den Geist geoffenbart

243 Vor seinem Pascha kündigt Jesus die Sendung eines „anderen Parakleten“ [Beistandes] an: des Heiligen Geistes. Dieser war schon bei der Schöpfung tätig [Vgl. Gen 1,2] und hatte „gesprochen durch die Propheten“ (Glaubensbekenntnis von Nizäa–Konstantinopel). Er wird fortan bei den Jüngern und in ihnen sein [Vgl. Joh 14,17], sie lehren [Vgl. Joh 14,26] und „in die ganze Wahrheit führen“ (Joh 16,13). Der Heilige Geist wird also mit Jesus und dem Vater als eine weitere göttliche Person geoffenbart. (Vgl. dazu auch 683, 2780, 687)

244 Der ewige Ursprung des Geistes offenbart sich in seiner zeitlichen Sendung. Der Heilige Geist wird den Aposteln und der Kirche vom Vater im Namen des Sohnes sowie vom Sohn selbst gesandt, nachdem dieser zum Vater zurückgekehrt ist [Vgl. Joh 14,26; 15,26; 16,14]. Die Sendung der Person des Geistes nach der Verherrlichung Jesu [Vgl. Joh 7,39] offenbart das Mysterium der heiligsten Dreifaltigkeit in seiner Fülle (Vgl. dazu auch 732).

245 Der apostolische Glaube an den Geist wurde 381 vom zweiten Ökumenischen Konzil in Konstantinopel bekannt: „Wir glauben ... an den Heiligen Geist, der Herr ist und lebendig macht, der aus dem Vater hervorgeht“ (DS 150). Die Kirche anerkennt dadurch den Vater als den „Quell und Ursprung der ganzen Gottheit“ (6. Syn. v. Toledo 638: DS 490). Der ewige Ursprung des Heiligen Geistes ist jedoch nicht ohne Zusammenhang mit dem ewigen Ursprung des Sohnes: „Der Heilige Geist, der die dritte Person in der Dreifaltigkeit ist, ist ein und derselbe Gott mit Gott, dem Vater und dem Sohn ... von einer Substanz, auch einer Natur ... Gleichwohl wird er nicht nur der Geist des Vaters und nicht nur der Geist des Sohnes, sondern zugleich der Geist des Vaters und des Sohnes genannt“ (11. Syn. v. Toledo 675: DS 527). Das Credo der Kirche bekennt: Er wird „mit dem Vater und dem Sohn [zugleich] angebetet und verherrlicht“ (DS 150) (Vgl. dazu auch 152, 685).

246 Die lateinische Tradition des Credo bekennt, dass der Geist „aus dem Vater und dem Sohn [filioque] hervorgeht“. Das Konzil von Florenz erklärt 1438, „dass der Heilige Geist ... sein Wesen und sein in sich ständiges Sein zugleich aus dem Vater und dem Sohne hat und aus beiden von Ewigkeit her als aus einem Prinzip und durch eine einzige Hauchung hervorgeht ... Und weil der Vater selbst alles, was des Vaters ist, seinem einziggeborenen Sohn in der Zeugung gab, außer dem Vatersein, hat der Sohn selbst eben dieses, dass der Heilige Geist aus dem Sohn hervorgeht, von Ewigkeit her vom Vater, von dem er auch von Ewigkeit her gezeugt ist“ (DS 1300–1301).

247 Das filioque kam im Glaubensbekenntnis von Konstantinopel (381) nicht vor. Aufgrund einer alten lateinischen und alexandrinischen Tradition jedoch hatte der hl. Papst Leo 1. es schon 447 dogmatisch bekannt [Vgl. DS 284], noch bevor Rom das Symbolum von 381 kannte und 451 auf dem Konzil von Chalkedon übernahm. Die Verwendung dieser Formel im Credo wurde in der lateinischen Liturgie zwischen dem 8. und dem 11. Jahrhundert nach und nach zugelassen. Die von der lateinischen Liturgie vorgenommene Einfügung des „filioque“ in das Credo von Nizäa–Konstantinopel stellt jedoch noch heute einen für die orthodoxen Kirchen strittigen Punkt dar.

248 Die östliche Tradition bringt vor allem zum Ausdruck, dass der Vater der erste Ursprung des Geistes ist. Indem sie den Geist als den, „der vom Vater ausgeht“ (Joh 15,26) bekennt, sagt sie, dass er durch den Sohn aus dem Vater hervorgeht [Vgl. AG 2]. Die westliche Tradition bringt vor allem die wesensgleiche Gemeinschaft zwischen dem Vater und dem Sohn zum Ausdruck, indem sie sagt, dass der Geist aus dem Vater und dem Sohn [filioque] hervorgeht. Sie sagt das „erlaubtermaßen und vernünftigerweise“ (K. v. Florenz 1439: DS 1302), denn gemäß der ewigen Ordnung der göttlichen Personen in ihrer wesensgleichen Gemeinschaft ist der Vater der erste Ursprung des Geistes als „Ursprung ohne Ursprung“ (DS 1331), aber auch als Vater des eingeborenen Sohnes zusammen mit diesem das „eine Prinzip“, aus dem der Heilige Geist hervorgeht (2. K. v. Lyon 1274: DS 850). Werden diese berechtigten, einander ergänzenden Sehweisen nicht einseitig überbetont, so wird die Identität des Glaubens an die Wirklichkeit des einen im Glauben bekannten Mysteriums nicht beeinträchtigt.

III Die heiligste Dreifaltigkeit in der Glaubenslehre

Die Bildung des Trinitätsdogmas

249 Die Offenbarungswahrheit der heiligen Dreifaltigkeit ist, vor allem aufgrund der Taufe, von Anfang an der Urgrund des lebendigen Glaubens der Kirche. Sie findet ihren Ausdruck in der Glaubensregel des Taufbekenntnisses, die in der Predigt, der Katechese und im Gebet der Kirche formuliert wird. Solche Formulierungen finden sich schon in den Schriften der Apostel, so der in die Eucharistiefeier übernommene Gruß: „Die Gnade Jesu Christi des Herrn, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch“ (2 Kor 13,13) [Vgl. 1 Kor 12, 4–6; Eph 4,4–6] (Vgl. dazu auch 683, 189).

250 Im Laufe der ersten Jahrhunderte suchte die Kirche ihren trinitarischen Glauben ausführlicher zu formulieren, um ihr Glaubensverständnis zu vertiefen und gegen entstellende Irrtümer zu verteidigen. Das war das Werk der ersten Konzilien, die durch die theologische Arbeit der Kirchenväter untermauert und durch den Glaubenssinn des christlichen Volkes gestützt wurden (Vgl. dazu auch 94).

251 Um das Trinitätsdogma zu formulieren, musste die Kirche mit Hilfe von Begriffen aus der Philosophie – „Substanz“, „Person“ oder „Hypostase“, „Beziehung“ – eine geeignete Terminologie entwickeln. Dadurch unterwarf sie den Glauben nicht menschlicher Weisheit, sondern gab diesen Begriffen einen neuen, noch nicht dagewesenen Sinn, damit sie imstande wären, das unaussprechliche Mysterium auszudrücken, das „unendlich all das überragt, was wir auf menschliche Weise begreifen“ (SPF 2) (Vgl. dazu auch 170).

252 Die Kirche verwendet den Begriff „Substanz“ (zuweilen auch mit „Wesen“ oder „Natur“ wiedergegeben), um das göttliche Wesen in seiner Einheit zu bezeichnen; den Begriff „Person“ oder „Hypostase“, um den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist in ihrer realen Verschiedenheit voneinander zu bezeichnen; den Begriff „Beziehung“, um zu sagen, dass ihre Verschiedenheit in ihren gegenseitigen Beziehungen liegt.


Das Dogma der heiligsten Dreifaltigkeit

253 Die Trinität ist eine. Wir bekennen nicht drei Götter, sondern einen einzigen Gott in drei Personen: die „wesensgleiche Dreifaltigkeit“ (2. K. v. Konstantinopel 553: DS 421). Die göttlichen Personen teilen die einzige Gottheit nicht untereinander, sondern jede von ihnen ist voll und ganz Gott: „Der Vater ist dasselbe wie der Sohn, der Sohn dasselbe wie der Vater, der Vater und der Sohn dasselbe wie der Heilige Geist, nämlich von Natur ein Gott“ (11. Syn. v. Toledo 675: DS 530). „Jede der drei Personen ist jene Wirklichkeit, das heißt göttliche Substanz, Wesenheit oder Natur“ (4. K. im Lateran 1215: DS 804). (Vgl. dazu auch 2789, 590)

254 Die drei göttlichen Personen sind real voneinander verschieden. Der eine Gott ist nicht „gleichsam für sich allein“ (Fides Damasi: DS 71). „Vater“, „Sohn“, „Heiliger Geist“ sind nicht einfach Namen, welche Seinsweisen des göttlichen Wesens bezeichnen, denn sie sind real voneinander verschieden: „Der Vater ist nicht derselbe wie der Sohn, noch ist der Sohn derselbe wie der Vater, noch ist der Heilige Geist derselbe wie der Vater oder der Sohn“ (11. Syn. v. Toledo 675: DS 530). Sie sind voneinander verschieden durch ihre Ursprungsbeziehungen: Es ist „der Vater, der zeugt, und der Sohn, der gezeugt wird, und der Heilige Geist, der hervorgeht“ (4. K. im Lateran 1215:DS 804). Die göttliche Einheit ist dreieinig (Vgl. dazu auch 468, 689).

255 Die drei göttlichen Personen beziehen sich aufeinander. Weil die reale Verschiedenheit der Personen die göttliche Einheit nicht zerteilt, liegt sie einzig in den gegenseitigen Beziehungen: „Mit den Namen der Personen, die eine Beziehung ausdrücken, wird der Vater auf den Sohn, der Sohn auf den Vater und der Heilige Geist auf beide bezogen: Obwohl sie im Hinblick auf ihre Beziehung drei Personen genannt werden, sind sie, so unser Glaube, doch eine Natur oder Substanz“ (11. Syn. v. Toledo 675: DS 528). In ihnen ist „alles ... eins, wo sich keine Gegensätzlichkeit der Beziehung entgegenstellt“ (K. v. Florenz 1442: DS 1330). „Wegen dieser Einheit ist der Vater ganz im Sohn, ganz im Heiligen Geist; der Sohn ist ganz im Vater, ganz im Heiligen Geist; der Heilige Geist ist ganz im Vater, ganz im Sohn“ (ebd.: DS 1331). (Vgl. dazu auch 240)

256 Den Katechumenen von Konstantinopel vertraut der hl. Gregor von Nazianz, den man auch den „Theologen“ nennt, folgende Zusammenfassung des Trinitätsglaubens an (Vgl. dazu auch 236, 684):

„Bewahrt mir vor allem dieses gute Vermächtnis, für das ich lebe und kämpfe, mit dem ich sterben will und das mich alle Übel ertragen und alle Vergnügungen geringschätzen läßt: nämlich das Bekenntnis des Glaubens an den Vater und den Sohn und den Heiligen Geist. Ich vertraue es euch heute an. In ihm werde ich euch in dieser Stunde ins Wasser tauchen und daraus herausheben. Ich gebe es euch zum Begleiter und Beschützer eures ganzen Lebens. Ich gebe euch eine einzige Gottheit und Macht, die als Eine in den Dreien existiert und die Drei auf je verschiedene Weise enthält. Eine Gottheit ohne Ungleichheit der Substanz oder Natur nach, ohne erhöhenden höheren Grad oder erniedrigenden niederen Grad ... Es ist die unendliche Naturgleichheit dreier Unendlicher. Gott als ganzer, jeder in sich selbst betrachtet ... Gott als die Drei, zusammen betrachtet ... Kaum habe ich begonnen, an die Einheit zu denken, und schon taucht die Dreifaltigkeit mich in ihren Glanz. Kaum habe ich begonnen, an die Dreifaltigkeit zu denken, und schon überwältigt mich wieder die Einheit“ (or. 40,41) (Vgl. dazu auch 84).

IV Die Werke Gottes und die trinitarischen Sendungen

257 „O seliges Licht, Dreifaltigkeit und Ureinheit!“ (LH, Hymnus „O lux beata, Trinitas“). Gott ist ewige Glückseligkeit, unsterbliches Leben, nie schwindendes Licht. Gott ist Liebe: Vater, Sohn und Heiliger Geist. Aus freiem Willen will Gott die Herrlichkeit seines glückseligen Lebens mitteilen. Darin besteht der „gnädige Ratschluss“ [Vgl. Eph 1,9], den er in seinem geliebten Sohn schon vor der Erschaffung der Welt gefaßt hat. Er hat uns ja „im voraus dazu bestimmt, seine Söhne zu werden durch Jesus Christus“ (Eph 1,5), das heißt „an Wesen und Gestalt seines Sohnes teilzuhaben“ (Röm 8,29) dank dem „Geist –.., der ... zu Söhnen macht“ (Röm 8,15). Dieser Plan ist eine „Gnade, die uns schon vor ewigen Zeiten ... geschenkt wurde“ (2 Tim 1,9) und unmittelbar aus der trinitarischen Liebe hervorging. Er entfaltet sich im Schöpfungswerk, in der ganzen Heilsgeschichte nach dem Sündenfall, in den Sendungen des Sohnes und des Geistes, die in der Sendung der Kirche weitergeführt werden [Vgl. AG 2–9] (Vgl. dazu auch 221, 758, 292, 850).

258 Die gesamte göttliche Ökonomie ist das gemeinsame Werk der drei göttlichen Personen. So wie die Dreifaltigkeit ein und dieselbe Natur hat, so hat sie auch nur ein und dasselbe Wirken [Vgl. 2. K. v. Konstantinopel 553: DS 421]. „Der Vater und der Sohn und der Heilige Geist sind nicht drei Ursprünge der Schöpfung, sondern ein Ursprung“ (K. v. Florenz 1442: DS 1331). Und doch wirkt jede göttliche Person das gemeinsame Werk gemäß ihrer persönlichen Besonderheit. Im Anschluss an das Neue Testament [Vgl. 1 Kor 8,6] bekennt die Kirche: Es ist „ein Gott und Vater, aus dem alles, ein Herr Jesus Christus, durch den alles, und ein Heiliger Geist, in dem alles“ ist (2. K. v. Konstantinopel 553: DS 421). Vor allem die göttlichen Sendungen der Menschwerdung und der Spendung des Heiligen Geistes lassen die Eigenarten der göttlichen Personen zutage treten (Vgl. dazu auch 236, 686).

259 Als zugleich gemeinsames und persönliches Werk läßt die göttliche Ökonomie sowohl die Eigenart der göttlichen Personen als auch ihre einzige Natur erkennen. Darum steht das ganze christliche Leben in Gemeinschaft mit jeder der göttlichen Personen, ohne sie irgendwie zu trennen. Wer den Vater preist, tut es durch den Sohn im Heiligen Geist; wer Christus nachfolgt, tut es, weil der Vater ihn zieht [Vgl. Joh 6,44] und der Geist ihn bewegt [Vgl. Röm 8,14] (Vgl. dazu auch 236).

260 Das letzte Ziel der ganzen göttlichen Ökonomie ist die Aufnahme der Geschöpfe in die vollständige Vereinigung mit der glückseligen Trinität [Vgl. Joh 17, 21–23]. Aber schon jetzt sind wir dazu berufen, eine Wohnstätte der heiligsten Dreifaltigkeit zu sein. Der Herr sagt: „Wenn jemand mich liebt, wird er an meinem Wort festhalten; mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und bei ihm wohnen“ (Joh 14,23) (Vgl. dazu auch 1050, 1721, 1997).

„O mein Gott, Dreifaltiger, den ich anbete, hilf mir, mich ganz zu vergessen, um in dir, begründet zu sein, unbewegt und friedvoll, als weilte meine Seele schon in der Ewigkeit. Nichts vermöge meinen Frieden zu stören, mich herauszulocken aus dir, o mein Wandelloser; jeder Augenblick trage mich tiefer hinein in deines Geheimnisses Grund! Stille meine Seele, bilde deinen Himmel aus ihr, deine geliebte Bleibe und den Ort deiner Ruhe. Nie will ich dort dich alleinlassen, sondern als ganze anwesend sein, ganz wach im Glauben, ganz Anbetung, ganz Hingabe an dein erschaffendes Wirken ...“ (Elisabeth von der Dreifaltigkeit, Gebet) (Vgl. dazu auch 2565).

KURZTEXTE

261 Das Mysterium der heiligsten Dreifaltigkeit ist das zentrale Geheimnis des christlichen Glaubens und Lebens. Einzig Gott kann uns von ihm Kenntnis geben, indem er sich als Vater, Sohn und Heiliger Geist offenbart.

262 Die Menschwerdung des Sohnes Gottes offenbart, dass Gott der ewige Vater und dass der Sohn eines Wesen mit dem Vater ist, das heißt, dass er in ihm und mit ihm der einzige Gott ist.

263 Die Sendung des Heiligen Geistes, der vom Vater im Namen des Sohnes [Vgl. Joh 14,26] und vom Sohn „vom Vater aus“ (Joh 15,26) gestand wird, offenbart, dass er zusammen mit ihnen der gleiche einzige Gott ist. Er wird „mit dem Vater und dem Sohn angebetet und verherrlicht“.

264 „Der Heilige Geist geht vom Vater als dem ersten Ursprung aus und da dieser es ohne zeitlichen Abstand [auch] dem Sohn schenkt, vom Vater und vom Sohn gemeinsam“ (Augustinus, Trin. 15, 26, 47).

265 Durch die Gnade der Taufe „im Namen des Vater und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ sind wir dazu berufen, am Leben der glückseligen Dreifaltigkeit teilzuhaben, hier auf Erden im Dunkel des Glaubens und jenseits des Todes im ewigen Licht [Vgl. SPF 9].

266 „Der katholische Glaube ... besteht darin, dass wir den einen Gott in der Dreifaltigkeit in der Einheit verehren, indem wir weder die Personen vermischen noch die Substanz trennen: Eine andere nämlich ist die Person des Vaters, eine andere die [Person] des Sohnes, eine andere die [Person] des Heiligen Geistes; aber Vater, Sohn und Heiliger Geist besitzen eine Gottheit, gleiche Herrlichkeit, gleich ewige Erhabenheit“ (Symbolum „Quicumque“: DS 75).

267 Unzertrennlich in dem, was sie sind, sind die göttlichen Personen auch unzertrennlich in dem, was sie tun. Doch im gemeinsamen göttlichen Handeln äußert jede Person der Trinität ihre Eingenart, vor allem in den göttlichen Sendungen der Menschwerdung des Sohnes und der Gabe des Heiligen Geistes.

ABSATZ 3: DER ALLMÄCHTIGE

268 Von den Attributen Gottes wird im Symbolum einzig die Allmacht angeführt; sie zu bekennen, ist für unser Leben von großer Bedeutung. Wir glauben, dass sie sich auf alles erstreckt, denn Gott, der alles erschaffen hat [Vgl. Gen 1,1; Joh 1,3], lenkt alles und vermag alles. Wir glauben auch, dass sie liebend ist, denn Gott ist unser Vater [Vgl. Mt 6,9] ferner, dass sie geheimnisvoll ist, denn einzig der Glaube vermag sie auch dann wahrzunehmen, wenn sie „ihre Kraft in der Schwachheit“ erweist (2 Kor 12,9) [Vgl. 1 Kor 1,18]. (Vgl. dazu auch 222)

„Alles, was ihm gefällt, das vollbringt er“

269 Die Heiligen Schriften bekennen wiederholt, dass sich die Macht Gottes auf alles erstreckt. Sie nennen ihn den „Starken Jakobs“ [Vgl. Jes 1,24], den „Herrn der Heerscharen“ (Ps 24, 10), „stark und gewaltig“ (Ps 24,8). Gott ist „im Himmel“ und „auf der Erde“ allmächtig (Ps 135,6), denn er hat sie erschaffen. Für ihn ist darum „nichts unmöglich“ [Vgl. Jer 32,17; Lk 1,37], und er waltet über sein Werk nach seinem Ermessen [Vgl. Jer 27,5]. Er ist der Herr des Alls, dessen Ordnung er festgesetzt hat und das ihm gänzlich untersteht und gehorcht; er ist der Herr der Geschichte; er lenkt die Herzen und die Geschehnisse nach seinem Willen [Vgl. Est 4,17 b; Spr 21,1; Tob 13,2]: „Du bist immer imstande, deine große Macht zu entfalten. Wer könnte der Kraft deines Arms widerstehen?“ (Weish 11,21). (Vgl. dazu auch 303)


„Du hast mit allen Erbarmen, weil du alles vermagst“

270 Gott ist der allmächtige Vater. Seine Vaterschaft und seine Macht erhellen sich gegenseitig. Er zeigt ja seine väterliche Allmacht dadurch, dass er für uns sorgt [Vgl. Mt 6,32], dass er uns als seine Kinder annimmt (ich will „euer Vater sein, und ihr sollt meine Söhne und Töchter sein, spricht der Herr, der Herrscher über die ganze Schöpfung“: 2 Kor 6,18); er zeigt seine Allmacht auch durch sein unendliches Erbarmen, denn er erweist sie vor allem dadurch, dass er uns aus freien Stücken die Sünden vergibt. (Vgl. dazu auch 2777, 1441)

271 Die göttliche Allmacht ist keineswegs Willkür: „In Gott ist Macht und Wesenheit und Wille und Verstand und Weisheit und Gerechtigkeit dasselbe. Daher kann nichts in Gottes Macht stehen, was nicht auch in seinem gerechten Willen und in seinem weisen Verstande sein kann“ (Thomas v. A., s. th. 1,25,5, ad 1).


Das Mysterium der scheinbaren Ohnmacht Gottes

272 Durch die Erfahrung des Bösen und des Leides kann der Glaube an den allmächtigen Vater auf eine harte Probe gestellt werden. Zuweilen erscheint Gott abwesend und nicht imstande, Schlimmes zu verhüten. Nun aber hat Gott der Vater seine Allmacht auf geheimnisvollste Weise in der freiwilligen Erniedrigung und in der Auferstehung seines Sohnes gezeigt, durch die er das Böse besiegt hat. Somit ist der gekreuzigte Christus „Gottes Kraft und Gottes Weisheit. Denn das Törichte an Gott ist weiser als die Menschen, und das Schwache an Gott ist stärker als die Menschen“ (1 Kor 1,24–25). In der Auferweckung und Erhöhung Christi hat der Vater „das Wirken seiner Kraft und Stärke“ entfaltet und zeigt, „wie überragend groß seine Macht sich an uns, den Gläubigen, erweist“ (Eph 1,19) (Vgl. dazu auch 309, 412, 609, 648).

273 Einzig der Glaube kann den geheimnisvollen Wegen der Allmacht Gottes zustimmen. Dieser Glaube rühmt sich der Schwachheiten und zieht so die Kraft Christi auf sich [Vgl. 2 Kor 12,9; Phil 4,13]. Das leuchtendste Beispiel dieses Glaubens ist die Jungfrau Maria. Sie glaubte, dass „für Gott ... nichts unmöglich“ ist (Lk 1,37), und konnte den Herrn lobpreisen: „Der Mächtige hat Großes an mir getan, und sein Name ist heilig“ (Lk 1,49) (Vgl. dazu auch 148).

274 „Nichts vermag daher unseren Glauben und unsere Hoffnung so zu bestärken als wenn wir es in unseren Herzen verankert tragen, dass Gott alles vermag. Was darüber hinaus zu glauben ist – so groß, so wunderbar, so sehr es auch alle Ordnung und alles Maß der Dinge übertrifft – dem wird die menschliche Vernunft leicht und ohne jedes Zögern zustimmen, wenn sie die Kunde vom allmächtigen Gott erfaßt hat“ (Catech. R. 1,2,13) (Vgl. dazu auch 1814, 1817, 2119).

KURZTEXTE

275 Mit Ijob, dem Gerechten, bekennen wir: „Ich hab' erkannt, dass du alles vermagst; kein Vorhaben ist dir verwehrt“ (Ijob 42,2).

276 Treu dem Zeugnis der Schrift richtet die Kirche ihr Gebet oft an den „allmächtigen, ewigen Gott“ [omnipotens sempiterne Deus..], denn sie glaubt fest, dass für Gott nichts unmöglich ist [Vgl. Gen 18, 14; Lk 1,37; Mt 19,26].

277 Gott zeigt seine Allmacht darin, dass er uns von unseren Sünden bekehrt und durch die Gnade wieder zu seinen Freunden macht („Gott, du offenbarst deine Macht vor allem im Erbarmen und im Verschonen“: MR, Tagesgebet, 26. Sonntag).

278 Wie sollen wir glauben, dass der Vater uns erschaffen, der Sohn uns erlösen, der Heilige Geist uns heiligen kann, ohne zu glauben, dass die Liebe Gottes allmächtig ist?

ABSATZ 4: DER SCHÖPFER

279 „Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde“ (Gen 1,1). Mit diesen feierlichen Worten beginnt die Heilige Schrift. Das Glaubensbekenntnis übernimmt diese Worte, indem es Gott, den Vater, den Allmächtigen, als den „Schöpfer des Himmels und der Erde“ bekennt, „der die sichtbare und die unsichtbare Welt“ geschaffen hat. Wir werden zunächst über den Schöpfer, dann über die Schöpfung und schließlich über den Sündenfall sprechen, von dem Jesus Christus, der Sohn Gottes, uns durch sein Kommen wieder aufgerichtet hat.

280 Die Schöpfung ist „der Beginn der Heilsökonomie“, „der Anfang der Heilsgeschichte“ (DCG 51), die in Christus gipfelt. Umgekehrt ist das Christusmysterium die entscheidende Erhellung des Schöpfungsmysteriums; es enthüllt das Ziel, auf das hin Gott „im Anfang ... Himmel und Erde“ schuf (Gen 1,1). Schon von Anfang an hatte Gott die Herrlichkeit der Neuschöpfung in Christus vor Augen [Vgl. Röm 8,18–23] (Vgl. dazu auch 288, 1043).

281 Aus diesem Grund beginnen die Lesungen der Osternacht, der Feier der Neuschöpfung in Christus, mit dem Schöpfungsbericht. Desgleichen bildet in der byzantinischen Liturgie der Schöpfungsbericht stets die erste Lesung der Vigilien der Hochfeste des Herrn. Nach dem Zeugnis der frühen Christenheit folgt die Belehrung der Katechumenen über die Taufe dem gleichen Weg von der Schöpfung zur Neuschöpfung [Vgl. Egeria, pereg. 46; Augustinus, catech. 3,5] (Vgl. dazu auch 1095).

I Die Katechese über die Schöpfung

282 Die Katechese über die Schöpfung ist entscheidend wichtig. Sie betrifft ja die Grundlagen des menschlichen und des christlichen Lebens, denn sie formuliert die Antwort des christlichen Glaubens auf die Grundfragen, die sich die Menschen aller Zeiten gestellt haben: „Woher kommen wir?“, „wohin gehen wir?“, „woher stammen wir?“, „wozu sind wir da?“, „woher kommt alles, was da ist, und wohin ist es unterwegs?“ Die beiden Fragen, die nach dem Ursprung und die nach dem Ziel, lassen sich nicht voneinander trennen. Sie sind für den Sinn und die Ausrichtung unseres Lebens und Handelns entscheidend. (Vgl. dazu auch 1730)

283 Die Frage nach den Ursprüngen der Welt und des Menschen ist Gegenstand zahlreicher wissenschaftlicher Forschungen, die unsere Kenntnis über das Alter und die Ausmaße des Universums, über das Werden der Lebensformen und das Auftreten des Menschen unerhört bereichert haben. Diese Entdeckungen sollten uns anregen, erst recht die Größe des Schöpfers zu bewundern, ihm für all seine Werke und für die Einsicht und Weisheit zu danken, die er den Gelehrten und Forschern gibt. Mit Salomo können diese sagen: „Er verlieh mir untrügliche Kenntnis der Dinge, so dass ich den Aufbau der Welt und das Wirken der Elemente verstehe ..., denn es lehrte mich die Weisheit, die Meisterin aller Dinge“ (Weish 7,17.21) (Vgl. dazu auch 159, 341).

284 Das große Interesse für diese Forschungen wird stark angespornt durch eine Frage anderer Ordnung, die über das eigentliche Feld der Naturwissenschaften hinausgeht. Es handelt sich nicht bloß um die Frage, wann und wie der Kosmos materiell entstanden und der Mensch aufgetreten ist, sondern es geht um den Sinn dieses Werdens: ob es durch Zufall, durch ein blindes Schicksal, eine namenlose Notwendigkeit bestimmt wird oder aber von einem intelligenten und guten höheren Wesen, das wir Gott nennen. Und wenn die Welt aus der Weisheit und Güte Gottes stammt, warum dann das Übel? Woher kommt es? Wer ist dafür verantwortlich? Und gibt es eine Befreiung von ihm?

285 Von Anfang an standen dem christlichen Glauben in der Frage nach den Ursprüngen Antworten gegenüber, die anders lauteten als die christliche Antwort. In den alten Religionen und Kulturen finden sich zahlreiche Mythen über die Ursprünge der Welt. Gewisse Philosophen sagten, alles sei Gott; die Welt sei Gott oder das Werden der Welt sei das Werden Gottes (Pantheismus). Andere sagten, die Welt sei ein notwendiger Ausfluß Gottes; sie entströme ihm und münde wieder in ihn. Wieder andere behaupteten, es gebe zwei ewige Prinzipien, das Gute und das Böse, das Licht und die Finsternis; diese würden beständig miteinander ringen (Dualismus; Manichäismus). Nach gewissen Auffassungen wäre die Welt (zumindest die materielle Welt) schlecht, eine Verfallserscheinung, und somit zurückzuweisen oder hinter sich zu lassen (Gnosis). Andere geben zwar zu, dass die Welt von Gott geschaffen ist, aber wie von einem Uhrmacher, der sie nach ihrer Herstellung sich selbst überlassen habe (Deismus). Andere schließlich anerkennen keinen höheren Ursprung der Welt, sondern erblicken in ihr bloß das Spiel einer Materie, die schon immer existiert habe (Materialismus). Alle diese Lösungsversuche zeugen davon, dass die Frage nach den Ursprüngen dauernd und überall gestellt wird. Dieses Suchen ist dem Menschen eigen (Vgl. dazu auch 295, 28).

286 Gewiss kann schon der menschliche Verstand eine Antwort auf die Frage nach den Ursprüngen finden. Das Dasein eines Schöpfergottes läßt sich dank dem Licht der menschlichen Vernunft aus seinen Werken mit Gewissheit erkennen [Vgl. DS 3026], wenn auch diese Erkenntnis oft durch Irrtum verdunkelt und entstellt wird. Darum bestärkt und erhellt der Glaube die Vernunft, damit sie diese Wahrheit richtig versteht: „Aufgrund des Glaubens erkennen wir, dass die Welt durch Gottes Wort erschaffen worden und dass so aus Unsichtbarem das Sichtbare entstanden ist“ (Hebr 11,3) (Vgl. dazu auch 32, 37).

287 Die Wahrheit von der Schöpfung ist für das ganze menschliche Leben so wichtig, dass Gott in seiner Güte seinem Volk alles offenbaren wollte, was hierüber zu wissen für das Heil bedeutsam ist. Über die jedem Menschen mögliche natürliche Erkenntnis des Schöpfers [Vgl. Apg 17,24–29; Röm 1,19–20] hinaus hat Gott dem Volk Israel nach und nach das Mysterium der Schöpfung geoffenbart. Er, der die Patriarchen berufen, das von ihm erwählte Volk Israel aus Ägypten herausgeführt, geschaffen und geformt hat [Vgl. Jes 43,1], offenbart sich als der, dem alle Völker der Erde und die ganze Welt gehören, als der, der ganz allein „Himmel und Erde gemacht hat“ (Ps 115,15; 124,8; 134,3) (Vgl. dazu auch 107).

288 Somit läßt sich die Offenbarung der Schöpfung nicht trennen von der Offenbarung und Verwirklichung des Bundes, den Gott, der Einzige, mit seinem Volk geschlossen hat. Die Schöpfung wird geoffenbart als der erste Schritt zu diesem Bund, als das erste, universale Zeugnis der allmächtigen Liebe Gottes [Vgl. Gen 15,5; Jer 33,19–26]. Die Wahrheit von der Schöpfung kommt auch in der Botschaft der Propheten [Vgl. Jes 44,24], im Gebet der Psalmen [Vgl. Ps 104] und der Liturgie sowie in den Weisheitssprüchen [Vgl. Spr 8, 22–31] des auserwählten Volkes immer stärker zum Ausdruck (Vgl. dazu auch 280, 2569).

289 Unter allen Aussagen der Heiligen Schrift über die Schöpfung nehmen die drei ersten Kapitel des Buches Genesis einen einzigartigen Platz ein. Literarisch können diese Texte verschiedene Quellen haben. Die inspirierten Autoren haben sie an den Anfang der Schrift gestellt. In ihrer feierlichen Sprache bringen sie so die Wahrheit über die Schöpfung, deren Ursprung und Ziel in Gott, deren Ordnung und Gutsein, über die Berufung des Menschen und schließlich über das Drama der Sünde und über die Hoffnung auf Heil zum Ausdruck. Im Lichte Christi, in der Einheit der Heiligen Schrift und in der lebendigen Überlieferung der Kirche gelesen, bleiben diese Aussagen die Hauptquelle für die Katechese über die Mysterien des „Anfangs“: Schöpfung, Sündenfall, Heilsverheißung (Vgl. dazu auch 390, 111).

II Die Schöpfung - Werk der heiligsten Dreifaltigkeit

290 „Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde“ (Gen 1,1). Drei Dinge werden in diesen ersten Worten der Schrift ausgesagt: Der ewige Gott hat alles, was außer ihm existiert, ins Dasein gerufen; er allein ist Schöpfer (das Zeitwort „erschaffen“ [hebr. „bara“] hat stets Gott zum Subjekt); alles, was existiert – „Himmel und Erde“ –, hängt von Gott ab, der das Dasein gibt (Vgl. dazu auch 326).

291 „Im Anfang war das Wort ... und das Wort war Gott ... Alles ist durch das Wort geworden, und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist“ (Joh 1,1–3). Das Neue Testament offenbart, dass Gott alles durch das ewige Wort, seinen geliebten Sohn, erschaffen hat. „In ihm wurde alles erschaffen im Himmel und auf Erden ... alles ist durch ihn und auf ihn hin geschaffen. Er ist vor aller Schöpfung, in ihm hat alles Bestand“ (Kol 1,16–17). Der Glaube der Kirche bezeugt auch das Schöpferwirken des Heligen Geistes: Dieser ist der, der „lebendig macht“ (Credo von Nizäa–Konstantinopel), der „Schöpfergeist“ („Veni, Creator Spiritus“: LH, Hymnus), der „Quell alles Guten“ (Byzantinische Liturgie, Tropar der Pfingstvesper) (Vgl. dazu auch 241, 331, 703).

292 Die unzertrennliche Einheit des Schöpferwirkens des Sohnes und des Geistes mit dem des Vaters wird im Alten Testament angedeutet [Vgl. Ps 33,6; 104,30; Gen 1,2–3], im Neuen Bund geoffenbart, in der Glaubensregel der Kirche schließlich klar ausgesprochen: „Nur einer ist Gott und Schöpfer ... er ist der Vater, er ist Gott, er der Schöpfer, der Urheber, der Bildner, der durch sich selbst, das heißt durch sein Wort und seine Weisheit ... alles gemacht hat“ (Irenäus, hær. 2,30,9), „durch den Sohn und den Geist“, die gleichsam „seine Hände“ sind (ebd., 4,20,1). Die Schöpfung ist das gemeinsame Werk der heiligsten Dreifaltigkeit (Vgl. dazu auch 699, 257).

III „Die Welt ist zur Ehre Gottes geschaffen“

293 Die Schrift und die Überlieferung lehren und preisen stets die Grundwahrheit: „Die Welt ist zur Ehre Gottes geschaffen“ (1. Vatikanisches K.: DS 3025). Wie der hl. Bonaventura erklärt, hat Gott alles erschaffen „nicht um seine Herrlichkeit zu mehren, sondern um seine Herrlichkeit zu bekunden und mitzuteilen“ (sent. 2,1,2,2,1). Gott hat nämlich keinen anderen Grund zum Erschaffen als seine Liebe und Güte: „Die Geschöpfe gingen aus der mit dem Schlüssel der Liebe geöffneten Hand [Gottes] hervor“ (Thomas v. A., sent. 2, prol.). Und das Erste Vatikanische Konzil erklärt (Vgl. dazu auch 337, 344, 1361):

„Dieser alleinige wahre Gott hat in seiner Güte und ,allmächtigen Kraft‘ – nicht um seine Seligkeit zu vermehren, noch um [Vollkommenheit] zu erwerben, sondern um seine Vollkommenheit zu offenbaren durch die Güter, die er den Geschöpfen gewährt – aus völlig freiem Entschluss ,von Anfang der Zeit an aus nichts zugleich beide Schöpfungen geschaffen, die geistige und die körperliche“‘ (DS 3002) (Vgl. dazu auch 759).

294 Gottes Ehre ist es, dass sich seine Güte zeigt und mitteilt. Dazu ist die Welt geschaffen. „Er hat uns aus Liebe im voraus dazu bestimmt, seine Söhne zu werden durch Jesus Christus und nach seinem gnädigen Willen zu ihm zu gelangen, zum Lob seiner herrlichen Gnade“ (Eph 1,5–6). „Denn Gottes Ruhm ist der lebendige Mensch; das Leben des Menschen aber ist die Anschauung Gottes. Wenn ja schon die Offenbarung Gottes durch die Schöpfung allen, die auf Erden leben, das Leben verleiht, wieviel mehr muß dann die Kundgabe des Vaters durch das Wort denen, die Gott schauen, Leben verleihen“ (Irenäus, hær. 4,20,7). Das letzte Ziel der Schöpfung ist es, dass Gott „der Schöpfer von allem, endlich ,alles in allem‘ (1 Kor 15,28) sein wird, indem er zugleich seine Herrlichkeit und unsere Seligkeit bewirkt“ (AG 2) (Vgl. dazu auch 2809, 1722, 1992).

IV Das Mysterium der Schöpfung

Gott erschafft in Weisheit und Liebe

295 Wir glauben, dass Gott die Welt nach seiner Weisheit erschaffen hat [Vgl. Weish 9,9]. Sie ist nicht das Ergebnis irgendeiner Notwendigkeit, eines blinden Schicksals oder des Zufalls. Wir glauben, dass sie aus dem freien Willen Gottes hervorgeht, der die Geschöpfe an seinem Sein, seiner Weisheit und Güte teilhaben lassen wollte: „Denn du bist es, der die Welt erschaffen hat, durch deinen Willen war sie und wurde sie erschaffen“ (Offb 4,11). „Herr, wie zahlreich sind deine Werke! Mit Weisheit hast du sie alle gemacht“ (Ps 104,24). „Der Herr ist gütig zu allen, sein Erbarmen waltet über all seinen Werken“ (Ps 145,9) (Vgl. dazu auch 216, 1951).


Gott erschafft „aus nichts“

296 Wir glauben, dass Gott zum Erschaffen nichts schon vorher Existierendes und keinerlei Hilfe benötigt [Vgl. 1. Vatikanisches K.: DS 3022]. Die Schöpfung ist auch nicht zwangsläufig aus der göttlichen Substanz ausgeflossen [Vgl. 1. Vatikanisches K.: OS 3023–3024]. Gott erschafft in Freiheit „aus nichts“ (DS 800; 3025) (Vgl. dazu auch 285).

„Falls Gott die Welt aus einem schon vorher existierenden Stoff gezogen hätte, was wäre dann dabei außerordentlich? Wenn man einem menschlichen Handwerker das Material gibt, macht er daraus alles, was er will. Die Macht Gottes hingegen zeigt sich gerade darin, dass er vom Nichts ausgeht, um alles zu machen, was er will“ (Theophil v. Antiochien, Autol. 2,4).

297 Der Glaube an die Schöpfung „aus nichts“ wird in der Schrift als eine verheißungs– und hoffnungsvolle Wahrheit bezeugt. So ermutigt im zweiten Buch der Makkabäer eine Mutter ihre sieben Söhne zum Martyrium mit den Worten (Vgl. dazu auch 338):

„Ich weiß nicht, wie ihr in meinem Leib entstanden seid, noch habe ich euch Atem und Leben geschenkt; auch habe ich keinen von euch aus den Grundstoffen zusammengefügt. Nein, der Schöpfer der Welt hat den werdenden Menschen geformt, als er entstand; er kennt die Entstehung aller Dinge. Er gibt euch gnädig Atem und Leben wieder, weil ihr jetzt um seiner Gesetze willen nicht auf euch achtet ... Ich bitte dich, mein Kind, schau dir den Himmel und die Erde an; sieh alles, was es da gibt, und erkenne: Gott hat das aus dem Nichts erschaffen, und so entstehen auch die Menschen“ (2 Makk 7,22–23.28).

298 Weil Gott aus nichts erschaffen kann, kann er durch den Heiligen Geist Sündern das Leben der Seele schenken, indem er in ihnen ein reines Herz erschafft [Vgl. Ps 51,12], und den Verstorbenen das Leben des Leibes, indem er diesen auferweckt, denn er ist der „Gott, der die Toten lebendig macht und das, was nicht ist, ins Dasein ruft“ (Röm 4,17). Und da er imstande war, durch sein Wort aus dem Dunkel das Licht erstrahlen zu lassen [Vgl. Gen 1,3], kann er auch denen, die ihn nicht kennen, das Licht des Glaubens schenken [Vgl. 2 Kor 4,6] (Vgl. dazu auch 1375, 992).


Gott erschafft eine geordnete und gute Welt

299 Weil Gott mit Weisheit erschafft, ist die Schöpfung geordnet: „Du aber hast alles nach Maß, Zahl und Gewicht geordnet“ (Weish 11,20). Im ewigen Wort und durch das ewige Wort, „das Ebenbild des unsichtbaren Gottes“ (Kol 1,15), ist die Schöpfung erschaffen. Für den Menschen, der nach Gottes Bild ist [Vgl. Gen 1,26], ist sie bestimmt; an ihn, der zu einer persönlichen Beziehung zu Gott berufen ist, richtet sie sich. Was uns Gott durch seine Schöpfung sagt [Vgl. Ps 19,2–5], kann unser Verstand, der am Licht des göttlichen Verstandes teilhat, vernehmen, allerdings nicht ohne große Mühe und nur in einer demütigen, ehrfürchtigen Haltung gegenüber dem Schöpfer und seinem Werk [Vgl. Ijob 42,3]. Weil die Schöpfung aus der göttlichen Güte hervorgegangen ist, hat sie an dieser Güte teil [„Gott sah, dass es gut war..., sehr gut“: Gen 1,4.10.12.18.21.31]. Die Schöpfung ist von Gott gewollt als ein Geschenk an den Menschen, als ein Erbe, das für ihn bestimmt und ihm anvertraut ist. Die Kirche musste wiederholt dafür einstehen, dass die Schöpfung, einschließlich der materiellen Welt, gut ist [Vgl. DS 286; 455–463; 800; 1333; 3002] (Vgl. dazu auch 339, 41, 1147, 358, 2415).


Gott ist über die Schöpfung erhaben und in ihr zugegen

300 Gott ist unendlich größer als all seine Werke [Vgl. Sir 43,28]. „Über den Himmel breitest du deine Hoheit aus“ (Ps 8,2); „seine Größe ist unerforschlich“ (Ps 145,3). Doch weil er der erhabene, freie Schöpfer, die Erstursache von allem ist, was existiert, ist er im Innersten seiner Geschöpfe zugegen: „In ihm leben wir, bewegen wir uns und sind wir“ (Apg 17,28). Nach dem hl. Augustinus ist Gott „höher als mein Höchstes und innerlicher als mein Innerstes“ (conf. 3,6,11) (Vgl. dazu auch 42, 223).


Gott erhält und trägt die Schöpfung

301 Nach der Schöpfung überläßt Gott sein Geschöpf nicht einfach sich selbst. Er gibt ihm nicht nur das Sein und das Dasein, sondern er erhält es auch in jedem Augenblick im Sein, gibt ihm die Möglichkeit zu wirken und bringt es an sein Ziel. Diese völlige Abhängigkeit vom Schöpfer zu erkennen, fuhrt zu Weisheit und Freiheit, zu Freude und Vertrauen (Vgl. dazu auch 396, 1951).

„Du liebst alles, was ist, und verabscheust nichts von allem, was du gemacht hast; denn hättest du etwas gehaßt, so hättest du es nicht geschaffen. Wie könnte etwas ohne deinen Willen Bestand haben, oder wie könnte etwas erhalten bleiben, das nicht von dir ins Dasein gerufen wäre? Du schonst alles, weil es dein Eigentum ist‘ Herr, du Freund des Lebens“ (Weish 11,24–26).

V Gott verwirklicht seinen Plan: die göttliche Vorsehung

302 Die Schöpfung hat ihre eigene Güte und Vollkommenheit. Sie ging jedoch aus den Händen des Schöpfers nicht ganz fertig hervor. Sie ist so geschaffen, dass sie noch „auf dem Weg“ [in statu viæ] zu einer erst zu erreichenden letzten Vollkommenheit ist, die Gott ihr zugedacht hat. Wir nennen die Fügungen, durch die Gott seine Schöpfung dieser Vollendung entgegenführt, die „göttliche Vorsehung“.

„Alles, was er geschaffen hat, schützt und lenkt Gott durch seine Vorsehung, ,sich kraftvoll von einem Ende bis zum anderen erstreckend und alles milde ordnend‘ (Weish 8,1). ,Alles nämlich ist nackt und bloß vor seinen Augen‘ (Hebr 4,13), auch das, was durch die freie Tat der Geschöpfe geschehen wird“ (1. Vatikanisches K.: DS 3003).

303 Das Zeugnis der Schrift lautet einstimmig: Die Fürsorge der Vorsehung ist konkret und unmittelbar; sie kümmert sich um alles, von den geringsten Kleinigkeiten bis zu den großen weitgeschichtlichen Ereignissen. Die heiligen Bücher bekräftigen entschieden die absolute Souveränität Gottes im Lauf der Ereignisse: „Unser Gott ist im Himmel; alles, was ihm gefällt, das vollbringt er“ (Ps 115,3). Und Christus ist der, „der öffnet, so dass niemand mehr schließen kann, der schließt, so dass niemand mehr öffnen kann“ (Offb 3,7). „Viele Pläne faßt das Herz des Menschen, doch nur der Ratschluss des Herrn hat Bestand“ (Spr 19,21) (Vgl. dazu auch 269).

304 So schreibt der Heilige Geist, der Hauptautor der Heiligen Schrift, Taten oft Gott zu, ohne Zweitursachen zu erwähnen. Das ist nicht eine primitive Redeweise, sondern eine tiefsinnige Art, an den Vorrang Gottes und seine absolute Herrschaft über die Geschichte und die Welt zu erinnern [Vgl. Jes 10,5–15; 45,5–7; Dtn 32,39; Sir 11,14] und so zum Vertrauen auf ihn zu erziehen. Das Psalmengebet ist die große Schule dieses Vertrauens [Vgl. z. B. Ps 22; 32; 35; 103; 138] (Vgl. dazu auch 2589).

305 Jesus verlangt eine kindliche Hingabe an die Vorsehung des himmlischen Vaters, der sich um die geringsten Bedürfnisse seiner Kinder kümmert: „Macht euch also keine Sorgen und fragt nicht: Was sollen wir essen? Was sollen wir trinken? ... Euer himmlischer Vater weiß, dass ihr das alles braucht. Euch aber muß es zuerst um sein Reich und um seine Gerechtigkeit gehen; dann wird euch alles andere dazugegeben“ (Mt 6,31–33) [Vgl. Mt 10, 29–31] (Vgl. dazu auch 2115).


Die Vorsehung und die Zweitursachen

306 Gott ist souverän Herr über seinen Ratschluss. Aber um ihn auszuführen, bedient er sich auch der Mitwirkung der Geschöpfe. Das ist nicht ein Zeichen von Schwäche, sondern der Größe und Güte Gottes. Denn Gott gibt seinen Geschöpfen nicht nur das Dasein, sondern auch die Würde, selbst zu handeln, Ursache und Ursprung voneinander zu sein und so an der Ausführung seines Ratschlusses mitzuarbeiten (Vgl. dazu auch 1884, 1951).

307 Den Menschen gewährt Gott sogar die Möglichkeit, in Freiheit an seiner Vorsehung teilzunehmen, indem er ihnen die Verantwortung anvertraut, sich die Erde zu „unterwerfen“ und über sie zu herrschen [Vgl. Gen 1,26–28]. Gott ermöglicht so den Menschen, vernünftige, freie Ursachen zu sein, um das Schöpfungswerk zu vervollständigen und zu ihrem und der Mitmenschen Wohl seine Harmonie zu vervollkommnen. Die Menschen sind oft unbewusst Mitarbeiter Gottes, können jedoch auch bewusst auf den göttlichen Plan eingehen durch ihre Taten, ihre Gebete, aber auch durch ihre Leiden [Vgl. Kol 1,24]. Dadurch werden sie voll und ganz „Mitarbeiter Gottes“ (1 Kor 3,9; 1 Thess 3,2) und seines Reiches [Vgl. Kol 4,11] (Vgl. dazu auch 106, 373, 1954, 2427, 2738, 618, 1505).

308 Vom Glauben an Gott den Schöpfer läßt sich somit die Wahrheit nicht trennen, dass in jedem Tun seiner Geschöpfe Gott tätig ist. Er ist die Erstursache, die in und durch die Zweitursachen wirkt. „Denn Gott ist es, der in euch das Wollen und das Vollbringen bewirkt, nach seinem Wohlgefallen“ (Phil 2, 13) [Vgl. 1 Kor 12,6]. Diese Wahrheit beeinträchtigt die Würde des Geschöpfes keineswegs, sondern erhöht sie. Durch die Macht, Weisheit und Güte Gottes aus dem Nichts gehoben, vermag das Geschaffene nichts, wenn es von seinem Ursprung abgeschnitten ist, denn „das Geschöpf sinkt ohne den Schöpfer ins Nichts“ (GS 36,3). Erst recht kann es ohne die Hilfe der Gnade sein letztes Ziel nicht erreichen [Vgl. Mt 19,26; Joh 15,5; Phil 4, 13] (Vgl. dazu auch 970).


Die Vorsehung und das Ärgernis des Bösen

309 Wenn doch Gott, der allmächtige Vater, der Schöpfer einer geordneten und guten Welt, sich aller seiner Geschöpfe annimmt, warum gibt es dann das Böse? Jede vorschnelle Antwort auf diese ebenso bedrängende wie unvermeidliche, ebenso schmerzliche wie geheimnisvolle Frage wird unbefriedigt lassen. Der christliche Glaube als ganzer ist die Antwort auf diese Frage: Das Gutsein der Schöpfung, das Drama der Sünde, die geduldige Liebe Gottes, der dem Menschen entgegenkommt. Er tut dies durch seine Bundesschlüsse, durch die erlösende Menschwerdung seines Sohnes und die Gabe des Geistes; er tut es durch das Versammeln der Kirche und die Kraft der Sakramente; er tut es schließlich durch die Berufung zu einem glückseligen Leben. Die freien Geschöpfe sind im voraus eingeladen, diese Berufung anzunehmen. Sie können diese aber auch – ein erschreckendes Mysterium – im voraus ausschlagen. Es gibt kein Element der christlichen Botschaft, das nicht auch Antwort auf das Problem des Bösen wäre (Vgl. dazu auch 164, 385, 2850).

310 Warum aber hat Gott nicht eine so vollkommene Welt erschaffen, dass es darin nichts Böses geben könnte? In seiner unendlichen Macht könnte Gott stets etwas Besseres schaffen [Vgl. Thomas v. A., s. th. 1,25,6]. In seiner unendlichen Weisheit und Güte jedoch wollte Gott aus freiem Entschluss eine Welt erschaffen, die „auf dem Weg“ zu ihrer letzten Vollkommenheit ist. Dieses Werden bringt nach Gottes Plan mit dem Erscheinen gewisser Daseinsformen das Verschwinden anderer, mit dem Vollkommenen auch weniger Vollkommenes mit sich, mit dem Aufbau auch den Abbau in der Natur. Solange die Schöpfung noch nicht zur Vollendung gelangt ist, gibt es mit dem physisch Guten folglich auch das physische Übel [Vgl. Thomas v. A., s. gent. 3,71] (Vgl. dazu auch 412, 1042–1050, 342).

311 Die Engel und die Menschen, intelligente und freie Geschöpfe, müssen ihrer letzten Bestimmung aus freier Wahl entgegengehen und ihr aus Liebe den Vorzug geben. Sie können darum auch vom Weg abirren und sie haben auch tatsächlich gesündigt. So ist das moralische Übel in die Welt gekommen, das unvergleichlich schlimmer ist als das physische Übel. Gott ist auf keine Weise, weder direkt noch indirekt, die Ursache des moralischen Übels [Vgl. Augustinus, lib. 1,1,1; Thomas v. A., s. th. 1–2,79, 1]. Er läßt es jedoch zu, da er die Freiheit seines Geschöpfes achtet, und er weiß auf geheimnisvolle Weise Gutes daraus zu ziehen (Vgl. dazu auch 396, 1849):

„Der allmächtige Gott ... könnte in seiner unendlichen Güte unmöglich irgend etwas Böses in seinen Werken dulden, wenn er nicht dermaßen allmächtig und gut wäre, dass er auch aus dem Bösen Gutes zu ziehen vermöchte“ (Augustinus, enchir. 11,3).

312 So kann man mit der Zeit entdecken, dass Gott in seiner allmächtigen Vorsehung sogar aus den Folgen eines durch seine Geschöpfe verursachten moralischen Übels etwas Gutes zu ziehen vermag. Josef sagt zu seinen Brüdern: „Nicht ihr habt mich hierher geschickt, sondern Gott ... Ihr habt Böses gegen mich im Sinne gehabt, Gott aber hatte dabei Gutes im Sinn ... um ... viel Volk am Leben zu erhalten“ (Gen 45,8; 50,20) [Vgl. Tob 2, 12–18 Vg]. Aus dem schlimmsten moralischen Übel, das je begangen worden ist, aus der durch die Sünden aller Menschen verschuldeten Verwerfung und Ermordung des Sohnes Gottes, hat Gott im Übermaß seiner Gnade [Vgl. Röm 5,20] das größte aller Güter gemacht: die Verherrlichung Christi und unsere Erlösung. Freilich wird deswegen das Böse nicht zu etwas Gutem (Vgl. dazu auch 598–600, 1994).

313 „Wir wissen, dass Gott bei denen, die ihn lieben, alles zum Guten führt“ (Röm 8,28). Das bezeugen die Heiligen immer wieder (Vgl. dazu auch 227):

Die hl. Katharina von Siena sagt deshalb „zu denen, die an dem, was ihnen zustößt, Ärgernis nehmen und sich dagegen auflehnen“: „Alles geht aus Liebe hervor, alles ist auf das Heil des Menschen hingeordnet. Gott tut nichts außer mit diesem Ziel“ (dial. 4,138).

Der hl. Thomas Morus tröstet kurz vor seinem Martyrium seine Tochter: „Es kann nichts geschehen, was Gott nicht will. Was immer er aber will, so schlimm es auch scheinen mag, es ist für uns dennoch wahrhaft das Beste“ (Brief).

Und Juliana von Norwich sagt: „Durch die Gnade Gottes wurde ich inne, dass ich mich fest an den Glauben halten und nicht weniger fest sehen muß, dass alles, wie es auch sein mag, gut sein wird. ... Und du wirst sehen, dass alles, alles gut sein wird“ (rev. 32).

314 Wir glauben fest, dass Gott der Herr der Welt und der Geschichte ist. Die Wege seiner Vorsehung sind uns jedoch oft unbekannt. Erst am Schluss, wenn unsere Teilerkenntnis zu Ende ist und wir Gott „von Angesicht zu Angesicht“ schauen werden (1 Kor 13,12), werden wir voll und ganz die Wege erkennen, auf denen Gott sogar durch das Drama des Bösen und der Sünde hindurch seine Schöpfung zur endgültigen Sabbatruhe [Vgl. Gen 2,2] führt, auf die hin er Himmel und Erde erschaffen hat (Vgl. dazu auch 1040, 2550).

KURZTEXTE

315 Mit der Erschaffung der Welt und des Menschen hat Gott das erste und allumfassende Zeugnis seiner allmächtigen Liebe und Weisheit sowie die erste Ankündigung seines „gnädigen Ratschlusses“ gegeben, welcher sich in der Neuschöpfung durch Christus verwirklicht.

316 Das Schöpfungswerk wird insbesondere dem Vater zugeschrieben, doch ist es ebenfalls eine Glaubenswahrheit, dass der Vater, der Sohn und der Heilige Geist das einzige, unteilbare Schöpfungsprinzip sind.

317 Gott allein hat das Universum frei, direkt und ohne irgendeine Hilfe erschaffen.

318 Kein Geschöpf hat die unendliche Macht, die notwendig ist, um im eigentlichen Sinn des Wortes zu „erschaffen“, das heißt etwas, das überhaupt nicht existierte, hervorzubringen und ihm das Sein zu geben, es „aus nichts“ [ex nihilo] ins Dasein zu rufen [Vgl. DS 3624].

319 Gott hat die Welt erschaffen, um seine Herrlichkeit zu zeigen und mitzuteilen. Dass seine Geschöpfe an seiner Wahrheit, Güte und Schönheit teilhaben – das ist die Herrlichkeit, für die sie Gott erschaffen hat.

320 Gott, der das Weltall erschaffen hat, erhält es im Dasein durch sein Wort, den Sohn, der „das All durch sein machtvolles Wort“ trägt (Hebr 1, 3), und durch seinen Schöpfergeist, der das Leben spendet.

321 Die göttliche Vorsehung besteht in den Fügungen, durch die Gott alle Geschöpfe mit Weisheit und Liebe ihrem letzten Ziel entgegenführt.

322 Christus fordert uns auf, uns kindlich auf die Vorsehung unseres himmlischen Vaters zu verlassen [Vgl. Mt 6,26 –34] und der Apostel Petrus nimmt dies auf:„Werft alle eure Sorge auf ihn, denn er kümmert sich um euch“ (1 Petr 5,7) [Vgl. Ps 55,23].

323 Die göttliche Vorsehung handelt auch durch das Handeln der Geschöpfe. Den Menschen gibt Gott die Möglichkeit, in Freiheit an seinen Plänen mitzuwirken.

324 Dass Gott das physische und das moralische Böse zuläßt, ist ein Mysterium, das er durch seinen Sohn Jesus Christus erhellt, der gestorben und auferstanden ist, um das Böse zu besiegen. Der Glaube gibt uns die Gewissheit, dass Gott das Böse nicht zuließe, wenn er nicht auf Wegen, die wir erst im ewigen Leben vollständig erkennen werden, sogar aus dem Bösen Gutes hervorgehen ließe.

ABSATZ 5: HIMMEL UND ERDE

325 Das Apostolische Credo bekennt, dass Gott „der Schöpfer des Himmels und der Erde“ ist, und das Glaubensbekenntnis von Nizäa–Konstantinopel verdeutlicht: „der sichtbaren und der unsichtbaren Welt“.

326 In der Heiligen Schrift bezeichnet das Wortpaar „Himmel und Erde“ alles, was existiert: die gesamte Schöpfung. Es gibt auch das Band an, das innerhalb der Schöpfung Himmel und Erde zugleich vereint und unterscheidet: „die Erde“ ist die Welt der Menschen [Vgl. Ps 115,16] „der Himmel“ oder „die Himmel“ kann das Firmament bezeichnen [Vgl. Ps 19,2], aber auch den eigentlichen „Ort“ Gottes – er ist ja unser „Vater im Himmel“ (Mt 5, 16) [Vgl. Ps 115,16] – und folglich auch den Himmel, der die endzeitliche Herrlichkeit ist. Schließlich bezeichnet das Wort „Himmel“ den „Ort“ der geistigen Geschöpfe – der Engel –, die Gott umgeben (Vgl. dazu auch 290, 1023, 2794).

327 Das Glaubensbekenntnis des Vierten Laterankonzils sagt: Gott „schuf am Anfang der Zeit aus nichts zugleich beide Schöpfungen, die geistige und die körperliche, nämlich die der Engel und die der Welt: und danach die menschliche, die gewissermaßen zugleich aus Geist und Körper besteht“ (DS 800) [Vgl. DS 3002; SPE 8] (Vgl. dazu auch 296).

I Die Engel

Die Existenz der Engel – eine Glaubenswahrheit

328 Dass es geistige, körperlose Wesen gibt, die von der Heiligen Schrift für gewöhnlich „Engel“ genannt werden, ist eine Glaubenswahrheit. Das bezeugt die Schrift ebenso klar wie die Einmütigkeit der Überlieferung (Vgl. dazu auch 150).


Wer sind sie?

329 Der hl. Augustinus sagt: „,Engel‘ bezeichnet das Amt, nicht die Natur. Fragst du nach seiner Natur, so ist er ein Geist; fragst du nach dem Amt, so ist er ein Engel: seinem Wesen nach ist er ein Geist, seinem Handeln nach ein Engel“ (Psal. 103,1,15). Ihrem ganzen Sein nach sind die Engel Diener und Boten Gottes. Weil sie „beständig das Antlitz meines Vaters sehen, der im Himmel ist“ (Mt 18,10), sind sie „Vollstrecker seiner Befehle, seinen Worten gehorsam“ (Ps 103,20).

330 Als rein geistige Geschöpfe haben sie Verstand und Willen; sie sind personale [Vgl. Pius XII.: DS 3891] und unsterbliche [Vgl. Lk 20,36] Wesen. Sie überragen alle sichtbaren Geschöpfe an Vollkommenheit. Der Glanz ihrer Herrlichkeit zeugt davon [Vgl. Dtn 10,9–12].


Christus „mit all seinen Engeln“

331 Christus ist das Zentrum der Engelwelt. Es sind seine Engel: „Wenn der Menschensohn in seiner Herrlichkeit kommt und alle Engel mit ihm .. (Mt 25,31). Sie sind sein, weil sie durch ihn und auf ihn hin erschaffen sind: „Denn in ihm wurde alles erschaffen im Himmel und auf Erden, das Sichtbare und das Unsichtbare, Throne und Herrschaften, Mächte und Gewalten; alles ist durch ihn und auf ihn hin geschaffen“ (Kol 1,16). Sie sind erst recht deshalb sein, weil er sie zu Boten seines Heilsplanes gemacht hat: „Sind sie nicht alle nur dienende Geister, ausgesandt, um denen zu helfen, die das Heil erben sollen?“ (Hebr 1,14) (Vgl. dazu auch 291).

332 Sie sind da, seit der Welterschaffung [Vgl. Ijob 38,7, wo die Engel „Gottessöhne“ genannt werden] und im Laufe der ganzen Heilsgeschichte; sie künden von ferne oder von nahe das Heil in und dienen dem göttlichen Plan, es zu verwirklichen. Sie schließen das irdische Paradies ab [Vgl. Gen 3,24], beschützen Lot [Vgl. Gen 19], retten Hagar und ihr Kind [Vgl. Gen 21,17], gebieten der Hand Abrahams Einhalt [Vgl. Gen 22,11], teilen dem Volk das Gesetz mit [Vgl. Apg 7,53], führen das Gottesvolk [Vgl. Ex 23,20–23], kündigen Geburten [Vgl. Ri 13] und Berufungen an [Vgl. Ri 6,11–24; Jes 6,6], stehen den Propheten bei [Vgl. 1 Kön 19,5], um nur einige Beispiele zu nennen. Schließlich erscheint der Engel Gabriel, um die Geburt des Vorläufers und die Geburt Jesu selbst anzukündigen [Vgl. Lk 1,11.26].

333 Von der Menschwerdung bis zur Himmelfahrt ist das Leben des fleischgewordenen Wortes von der Anbetung und dem Dienst der Engel umgeben. Als Gott „den Erstgeborenen in die Welt einführt, sagt er: ,Alle Engel Gottes sollen sich vor ihm niederwerfen“‘ (Hebr 1,6). Ihr Lobgesang bei der Geburt Christi – „Ehre sei Gott ...“ (Lk 2,14) – klingt im Lobpreis der Kirche weiter. Sie beschützen Jesus im Kindesalter [Vgl. Mt 1,20; 2,13.19], dienen ihm in der Wüste [Vgl. Mk,12; Mt 4,11], stärken ihn in der Todesangst [Vgl. Lk 22,43], und sie hätten ihn auch – wie einst Israel [Vgl. 2 Makk 10,29–30; 11,8] – aus der Hand der Feinde retten können [Vgl. Mt 26,53]. Die Engel sind es auch, die „evangelisieren“ (Lk 2, 10), indem sie die frohe Botschaft der Menschwerdung [Vgl. Lk 2,8–14] und der Auferstehung [Vgl. Mk 16,5–7] Christi verkünden. Bei der Wiederkunft Christi, die sie ankündigen [Vgl. Apg 1,10–11], werden sie ihn begleiten und ihm bei seinem Gericht dienen [Vgl. Mt 13,41; 25,31; Lk 12,8–9] (Vgl. dazu auch 559).


Die Engel im Leben der Kirche

334 Bis zur Wiederkunft Christi kommt die geheimnisvolle, mächtige Hilfe der Engel dem ganzen Leben der Kirche zugute [Vgl. Apg 5, 18–20; 8,26–29; 10,3–8; 12, 6–11; 27,23–25].

335 In ihrer Liturgie vereint sich die Kirche mit den Engeln, um den dreimal heiligen Gott anzubeten [Vgl. MR, „Sanctus“]; sie bittet um deren Beistand [So im „Supplices te rogamus ...“ des römischen Hochgebetes, im „In paradisum deducant te angeli ...“ der Bestattungsliturgie und auch im „Cherubinischen Hymnus“ der Liturgie des hl. Johannes Chrysostomus] und feiert insbesondere das Gedächtnis gewisser Engel (der heiligen Michael, Gabriel und Raphael und der heiligen Schutzengel). (Vgl. dazu auch 1138)

336 Von seinem Beginn [Vgl. Mt 18,10] bis zum Tod [Vgl. Lk 16,22] umgeben die Engel mit ihrer Hut [Vgl. Ps 34,8; 91,10–13] und Fürbitte das Leben des Menschen [Vgl. Ijob 33,23–24; Sach 1,12; Tob 12,12]. „Einem jeden der Gläubigen steht ein Engel als Beschützer und Hirte zur Seite, um ihn zum Leben zu führen“ (Basilius, Eun. 3,1). Schon auf dieser Erde hat das christliche Leben im Glauben an der glückseligen Gemeinschaft der in Gott vereinten Engel und Menschen teil (Vgl. dazu auch 1020).

II Die sichtbare Welt

337 Gott selbst hat die sichtbare Welt mit all ihrem Reichtum, ihrer Vielfalt, ihrer Ordnung erschaffen. Die Schrift stellt das Schöpfungswerk sinnbildlich als eine Reihe von sechs göttlichen „Arbeitstagen“ dar, die mit der „Ruhe“ des siebten Tages abschließen [Vgl. Gen 1,1–2,4]. Die Heilige Schrift lehrt in bezug auf die Schöpfung Wahrheiten, die Gott um unseres Heiles willen geoffenbart hat [Vgl. DV 11] und die „das innerste Wesen der ganzen Schöpfung, ihren Wert und ihre Hinordnung auf das Lob Gottes anerkennen“ lassen (LG 36) (Vgl. dazu auch 290, 293).

338 Es gibt nichts, was nicht dem Schöpfer sein Dasein verdankt. Die Welt begann, als sie durch das Wort Gottes aus dem Nichts geschaffen wurde. Alle existierenden Wesen, die ganze Natur, die ganze Menschheitsgeschichte wurzeln in diesem Urereignis; durch diese „Genesis“ ist die Welt gebildet worden und hat die Zeit begonnen [Vgl. Augustinus, Gen. Man. 1,2,4] (Vgl. dazu auch 297).

339 Jedes Geschöpf besitzt seine eigene Güte und Vollkommenheit. Von jedem Werk der „sechs Tage“ heißt es: „Und Gott sah, dass es gut war“. „Aufgrund ihres Geschaffenseins selbst nämlich werden alle Dinge mit einer eigenen Beständigkeit, Wahrheit, Gutheit sowie mit eigenen Gesetzen und [einer eigenen] Ordnung ausgestattet“ (GS 36,2). Die unterschiedlichen Geschöpfe widerspiegeln in ihrem gottgewollten Eigensein, jedes auf seine Art, einen Strahl der unendlichen Weisheit und Güte Gottes. Deswegen muß der Mensch die gute Natur eines jeden Geschöpfes achten und sich hüten, die Dinge gegen ihre Ordnung zu gebrauchen. Andernfalls wird der Schöpfer mißachtet und es entstehen für die Menschen und ihre Umwelt verheerende Folgen (Vgl. dazu auch 2501, 299, 226).

340 Die gegenseitige Abhängigkeit der Geschöpfe ist gottgewollt. Die Sonne und der Mond, die Zeder und die Feldblume, der Adler und der Sperling – all die unzähligen Verschiedenheiten und Ungleichheiten besagen, dass kein Geschöpf sich selbst genügt, dass die Geschöpfe nur in Abhängigkeit voneinander existieren, um sich im Dienst aneinander gegenseitig zu ergänzen (Vgl. dazu auch 1937).

341 Die Schönheit des Universums: Ordnung und Harmonie der erschaffenen Welt ergeben sich aus der Verschiedenheit der Seinsformen und der Beziehungen unter diesen. Der Mensch entdeckt sie nach und nach als Naturgesetze. Sie rufen die Bewunderung der Wissenschaftler hervor. Die Schönheit der Schöpfung widerspiegelt die unendliche Schönheit des Schöpfers. Sie soll Ehrfurcht wecken und den Menschen dazu anregen, seinen Verstand und seinen Willen dem Schöpfer unterzuordnen (Vgl. dazu auch 283, 2500).

342 Die Rangordnung der Geschöpfe wird durch die Abfolge der „sechs Tage“ zum Ausdruck gebracht, die vom weniger Vollkommenen zum Vollkommeneren fortschreitet. Gott liebt alle seine Geschöpfe [Vgl. Ps 145,9], nimmt sich eines jeden an, selbst der Sperlinge. Und doch sagt Jesus: „Ihr seid mehr wert als viele Spatzen“ (Lk 12,7) und: „Ein Mensch ist viel mehr wert als ein Schaf“ (Mt 12,12) (Vgl. dazu auch 310).

343 Der Mensch ist der Gipfel des Schöpfungswerkes. Der inspirierte Bericht bringt dies dadurch zum Ausdruck, dass er die Erschaffung des Menschen von der der anderen Geschöpfe deutlich abhebt [Vgl. Gen 1,26] (Vgl. dazu auch 355).

344 Zwischen allen Geschöpfen besteht eine Solidarität, denn sie alle haben den gleichen Schöpfer, und sie alle sind auf seine Herrlichkeit hingeordnet (Vgl. dazu auch 293, 1939, 2416).

Gelobt seist du, mein Herr, mit allen deinen Geschöpfen,
vornehmlich durch die Herrin, die Schwester Sonne,<br die uns den Tag heraufführt und uns erhellt durch ihr Licht.<br Schön ist sie und strahlend mit großem Glanz:<br sie bietet uns ein Gleichnis von dir, du Höchster ...

Gelobt seist du, mein Herr, durch die Schwester, das Wasser,<br das gar sehr nützlich und demütig ist,<br kostbar und keusch ...

Gelobt seist du, mein Herr, durch unsere Schwester, die Mutter Erde,<br die uns trägt und nährt<br und mancherlei Früchte hervorbringt<br und vielfarbene Blumen und Kräuter ...

Lobet und preiset meinen Herrn,<br sagt ihm Dank und dienet ihm<br in großer Ergebung.

(Franz von Assisi, Sonnengesang) (Vgl. dazu auch 1218)

345 Der Sabbat – der Abschluss der „sechs Tage“. Die Heilige Schrift sagt: „Am siebten Tag vollendete Gott das Werk, das er geschaffen hatte“ – so „wurden Himmel und Erde vollendet“ – „und er ruhte am siebten Tag ... Und Gott segnete den siebten Tag und erklärte ihn für heilig“ (Gen 2,1–3). Diese inspirierten Worte sind sehr aufschlussreich (Vgl. dazu auch 2168):

346 In der Schöpfung hat Gott eine Grundlage und Gesetze gelegt, die bestehen bleiben [Vgl. Hebr 4,3–4]. Der Glaubende kann sich auf sie verlassen; sie sind ihm Zeichen und Gewähr der unerschütterlichen Treue, mit der Gott an seinem Bund festhält [Vgl. Jer 31,35–37; 33,19–26]. Der Mensch muß sich seinerseits treu an diese Grundlage halten und die Gesetze, die Gott in die Schöpfung eingeschrieben hat, achten (Vgl. dazu auch 2169).

347 Die Schöpfung geschah im Hinblick auf den Sabbat und somit auf die Verehrung und Anbetung Gottes. Der Gottesdienst ist in die Schöpfungsordnung eingeschrieben [Vgl. Gen 1,14]. „Dem Gottesdienst soll nichts vorgezogen werden“, sagt die Regel des hl. Benedikt, die uns so auf die richtige Ordnung der menschlichen Anliegen hinweist (Vgl. dazu auch 1145–1152).

348 Der Sabbat bildet im Gesetz Israels die Mitte. Die Gebote halten heißt der Weisheit und dem Willen Gottes entsprechen, die in seinem Schöpfungswerk zum Ausdruck kommen (Vgl. dazu auch 2172).

349 Der achte Tag. Für uns aber ist ein neuer Tag angebrochen: der Tag der Auferstehung Christi. Der siebte Tag vollendet die erste Schöpfung. Am achten Tag beginnt die Neuschöpfung. So gipfelt das Schöpfungswerk im noch größeren Werk der Erlösung. Die erste Schöpfung findet ihren Sinn und Höhepunkt in der Neuschöpfung in Christus, welche die erste an Glanz übertrifft [Vgl. MR, Osternacht 24: Gebet nach der ersten Lesung] (Vgl. dazu auch 2174, 1046).

KURZTEXTE

350 Die Engel sind geistige Geschöpfe, die Gott unablässig verherrlichen und seinem Heilsplan für die anderen Geschöpfe dienen:„Bei allen unseren guten Werken wirken die Engel mit“ (Thomas v. A., s. th. 1,114, 3 ad 3).

351 Die Engel umgeben Christus, ihren Herrn. Sie dienen ihm insbesondere bei der Erfüllung seiner Heilssendung für die Menschen.

352 Die Kirche verehrt die Engel, die der Kirche auf ihrem irdischen Pilgerweg beistehen und jeden Menschen beschützen.

353 Gott hat gewollt, dass seine Geschöpfe voneinander verschieden sind, dass sie ihre je eigene Güte haben, dass sie voneinander abhängen und dass sie in einer Ordnung stehen. Er hat alle materiellen Geschöpfe zum Wohl des Menschengeschlechtes bestimmt. Der Mensch und durch ihn die ganze Schöpfung ist zur Verherrlichung Gottes bestimmt.

354 Die in die Schöpfung eingeschriebenen Gesetzte und die Beziehungen zu achten, die sich aus der Natur der Dinge ergeben, ist ein Grundsatz der Weisheit und eine Grundlage der Sittlichkeit.

ABSATZ 6: DER MENSCH

355 „Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde; nach dem Bilde Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie“ (Gen 1,27). Der Mensch nimmt in der Schöpfung eine einzigartige Stellung ein: er ist „nach Gottes Bild“ geschaffen (I); in seiner Natur vereint er die geistige mit der materiellen Welt (II); er ist „als Mann und Frau“ geschaffen (III); Gott hat ihn zu seinem Freund gemacht (IV) (Vgl. dazu auch 1700, 343).

I „Nach dem Bilde Gottes“

356 Von allen sichtbaren Geschöpfen ist einzig der Mensch „fähig, seinen Schöpfer zu erkennen und zu lieben“ (GS 12,3); er ist „auf Erden das einzige Geschöpf ... das Gott um seiner selbst willen gewollt hat“ (GS 24,3); er allein ist berufen, in Erkenntnis und Liebe am Leben Gottes teilzuhaben. Auf dieses Ziel hin ist er geschaffen worden, und das ist der Hauptgrund für seine Würde (Vgl. dazu auch 1703, 2258, 225):

„Was war der Grund, weshalb du den Menschen zu einer so großen Würde erhoben hast? Die unschätzbare Liebe, mit der du dein Geschöpf in dir selbst angeblickt und dich in es verliebt hast, denn du hast es aus Liebe erschaffen, aus Liebe hast du ihm eine Natur gegeben, die an dir, dem ewigen Gut, Freude zu empfinden vermag“ (Katharina v. Siena, dial. 4,13) (Vgl. dazu auch 295).

357 Weil er nach dem Bilde Gottes geschaffen ist, hat der Mensch die Würde, Person zu sein; er ist nicht bloß etwas, sondern jemand. Er ist imstande, sich zu erkennen, über sich Herr zu sein, sich in Freiheit hinzugeben und in Gemeinschaft mit anderen Personen zu treten, und er ist aus Gnade zu einem Bund mit seinem Schöpfer berufen, um diesem eine Antwort des Glaubens und der Liebe zu geben, die niemand anderer an seiner Stelle geben kann (Vgl. dazu auch 1935, 1877).

358 Gott hat alles für den Menschen erschaffen [Vgl. GS 12,1; 24,2; 39,1], aber der Mensch selbst ist erschaffen worden, um Gott zu dienen, ihn zu lieben und ihm die ganze Schöpfung darzubringen (Vgl. dazu auch 299, 901):

„Welches ist das Wesen, das in solchem Ansehen geschaffen ist? Es ist der Mensch, die große, bewundernswerte lebendige Gestalt, die in den Augen Gottes wertvoller ist als alle Geschöpfe. Es ist der Mensch; für ihn sind der Himmel und die Erde und das Meer und die gesamte Schöpfung da. Auf sein Heil legt Gott sosehr Wert, dass er sogar seinen eingeborenen Sohn für ihn nicht verschont hat. Gott zögerte ja nicht, alles ins Werk zu setzen, um den Menschen zu ihm aufsteigen und zu seiner Rechten sitzen zu lassen“ (Johannes Chrysostomus, serm. in Gen. 2,1).

359 „Tatsächlich klärt sich nur im Geheimnis des fleischgewordenen Wortes das Geheimnis des Menschen wahrhaft auf“ (GS 22, 1) (Vgl. dazu auch 1701).

„Der heilige Apostel Paulus spricht von zwei Menschen, von denen das Menschengeschlecht abstamme: von Adam und von Christus ... Paulus sagt: ,Adam, der erste Mensch, wurde ein irdisches Lebewesen. Der letzte Adam wurde lebendigmachender Geist‘. Jener Erste ist von diesem Letzten geschaffen worden und hat auch von ihm die Seele erhalten, damit er lebendig wurde ... Dieser letzte Adam ist es, der bei der Formung dem ersten sein Bild aufprägte. Daher kam es, dass er seine Gestalt annahm und seinen Namen empfing, damit ihm nicht verlorenging, was er nach seinem Bild gemacht hatte. Der erste Adam, der letzte Adam: Der Erste hat einen Anfang, der Letzte hat kein Ende, weil dieser Letzte in Wirklichkeit der Erste ist. Sagt er doch: ,Ich bin das Alpha und das Omega“‘ (Petrus Chrysologus, sermo 117) (Vgl. dazu auch 388, 411).

360 Das Menschengeschlecht bildet aufgrund des gemeinsamen Ursprungs eine Einheit. Denn Gott „hat aus einem einzigen Menschen das ganze Menschengeschlecht erschaffen“ (Apg 17,26) [Vgl. Tob 8,6] (Vgl. dazu auch 225, 404, 775, 831, 842).

„Wunderbare Schau, die uns das Menschengeschlecht sehen läßt in der Einheit eines gemeinsamen Ursprungs in Gott ... in der Einheit der Natur, bei allen gleich gefügt aus stofflichem Leib und geistiger, unsterblicher Seele; in der Einheit des unmittelbaren Ziels und seiner Aufgabe in der Welt; in der Einheit der Siedlung auf dem Erdboden, dessen Güter zu nutzen alle Menschen naturrechtlich befugt sind, um so ihr Leben zu erhalten und zu entwickeln; in der Einheit des übernatürlichen Endziels, Gottes selbst, nach dem zu streben alle verpflichtet sind; in der Einheit der Mittel, um dieses Ziel zu erreichen; ... in der Einheit des Loskaufs, den Christus für alle gewirkt hat“ (Pius XII., Enz. „Summi Pontificatus“) [Vgl. NA 1].

361 Dieses „Gesetz der Solidarität und Liebe“ (ebd.) versichert uns, dass bei aller reichen Vielfalt der Personen, Kulturen und Völker alle Menschen wahrhaft Brüder und Schwestern sind (Vgl. dazu auch 1939).

II „In Leib und Seele einer“

362 Die nach dem Bilde Gottes erschaffene menschliche Person ist ein zugleich körperliches und geistiges Wesen. Der biblische Bericht bringt das in einer sinnbildlichen Sprache zum Ausdruck, wenn er sagt: „Da formte Gott, der Herr, den Menschen aus Erde vom Ackerboden und blies in seine Nase den Lebensatem. So wurde der Mensch zu einem lebendigen Wesen“ (Gen 2,7). Der ganze Mensch ist von Gott gewollt (Vgl. dazu auch 1146, 2332).

363 In der Heiligen Schrift bedeutet der Ausdruck Seele oft das Leben des Menschen [Vgl. Mt 16,25–26; Joh 15,13] oder die ganze menschliche Person [Vgl. Apg 2,41]. Er bezeichnet aber auch das Innerste im Menschen [Vgl. Mt 26,38; Joh 12,27], das Wertvollste an ihm [Vgl. Mt 10,28; 2 Makk 6,30], das, wodurch er am meisten nach dem Bild Gottes ist: „Seele“ benennt das geistige Lebensprinzip im Menschen (Vgl. dazu auch 1703).

364 Der Leib des Menschen hat an der Würde des Seins „nach dem Bilde Gottes“ teil: er ist eben deswegen menschlicher Leib, weil er durch die geistige Seele beseelt wird. Die menschliche Person ist als ganze dazu bestimmt, im Leibe Christi zum Tempel des Geistes zu werden [Vgl. 1 Kor 6,19–20; 15,44–45] (Vgl. dazu auch 1004).

„In Leib und Seele einer, vereint der Mensch durch seine leibliche Verfaßtheit die Elemente der stofflichen Welt in sich, so dass sie durch ihn ihren Höhepunkt erreichen und ihre Stimme zum freien Lob des Schöpfers erheben. Das leibliche Leben darf also der Mensch nicht geringachten; er muß im Gegenteil seinen Leib als von Gott geschaffen und zur Auferweckung am Jüngsten Tag bestimmt für gut und der Ehre würdig halten“ (GS 14,1) (Vgl. dazu auch 2289).

365 Die Einheit von Seele und Leib ist so tief, dass man die Seele als die „Form“ des Leibes [Vgl. K. v. Vienne 1312: DS 902] zu betrachten hat, das heißt die Geistseele bewirkt, dass der aus Materie gebildete Leib ein lebendiger menschlicher Leib ist. Im Menschen sind Geist und Materie nicht zwei vereinte Naturen, sondern ihre Einheit bildet eine einzige Natur.

366 Die Kirche lehrt, dass jede Geistseele unmittelbar von Gott geschaffen ist [Vgl. Pius XII., Enz. „Humani generis“ 1950: DS 3896; SPF 8] – sie wird nicht von den Eltern „hervorgebracht“ – und dass sie unsterblich ist [Vgl. 5. K. im Lateran 1513: DS 1440]: sie geht nicht zugrunde, wenn sie sich im Tod vom Leibe trennt, und sie wird sich bei der Auferstehung von neuem mit dem Leib vereinen (Vgl. dazu auch 1085, 997).

367 Manchmal wird die Seele vom Geist unterschieden. So betet der hl. Paulus: „Gott ... heilige euch ganz und gar und bewahre euren Geist, eure Seele und euren Leib unversehrt, damit ihr ohne Tadel seid“ bei der Wiederkunft des Herrn (1 Thess 5,23). Die Kirche lehrt, dass diese Unterscheidung die Seele nicht zweiteilt [Vgl. 4. K. v. Konstantinopel 870: DS 657]. Mit „Geist“ ist gemeint, dass der Mensch von seiner Erschaffung an auf sein übernatürliches Ziel hingeordnet ist [Vgl. 1. Vatikanisches K.: DS 3005; GS 22,5] und dass seine Seele aus Gnade zur Gemeinschaft mit Gott erhoben werden kann [Vgl. Pius XII., Enz. „Humani generis“, 1950: DS 3891] (Vgl. dazu auch 2083).

368 Die geistliche Tradition der Kirche legt auch Wert auf das Herz im biblischen Sinn des „Wesensgrundes“ oder „Inneren“ (Jer 31,33), worin sich die Person für oder gegen Gott entscheidet [Vgl. Dtn 6,5; 29,3; Jes 29,13;Ez 36,26; Mt6,21; Lk 8,15; Röm 5,5] (Vgl. dazu auch 478, 582, 1431, 1764, 2517, 2562, 2843).

III „Als Mann und Frau schuf er sie“

Gottgewollte Gleichheit und Verschiedenheit

369 Mann und Frau sind erschaffen, das heißt gottgewollt in vollkommener Gleichheit einerseits als menschliche Personen, andererseits in ihrem Mannsein und Frausein. „Mann sein“ und „Frau sein“ ist etwas Gutes und Gottgewolltes: beide, der Mann und die Frau, haben eine unverlierbare Würde, die ihnen unmittelbar von Gott, ihrem Schöpfer zukommt [Vgl. Gen 2,7.22]. Beide, der Mann und die Frau, sind in gleicher Würde „nach Gottes Bild“. In ihrem Mannsein und ihrem Frausein spiegeln sie die Weisheit und Güte des Schöpfers wider.

370 Gott ist keineswegs nach dem Bild des Menschen. Er ist weder Mann noch Frau. Gott ist reiner Geist, in dem es keinen Geschlechtsunterschied geben kann. In den „Vollkommenheiten“ des Mannes und der Frau spiegelt sich jedoch etwas von der unendlichen Vollkommenheit Gottes wider: die Züge einer Mutter [Vgl. Jes 49,14–15; 66,13; Ps 131,2–3] und diejenigen eines Vaters und Gatten [Vgl. Hos 11,1–4; Jer 3,4–19] (Vgl. dazu auch 42, 239).


„Füreinander“ – eine „Zwei–Einheit“

371 Miteinander erschaffen, sind der Mann und die Frau von Gott auch füreinander gewollt. Das Wort Gottes gibt uns das durch verschiedene Stellen der Heiligen Schrift zu verstehen: „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein bleibt. Ich will ihm eine Hilfe machen, die ihm entspricht“ (Gen 2, 18). Keines der Tiere kann für den Menschen eine solche Entsprechung sein (Gen 2,19–20). Die Frau, die Gott aus einer Rippe des Mannes „baut“ und dem Mann zuführt, läßt diesen, über die Gemeinschaft mit ihr beglückt, voll Bewunderung und Liebe ausrufen: „Das endlich ist Bein von meinem Bein und Fleisch von meinem Fleisch!“ (Gen 2,23). Der Mann entdeckt die Frau als ein anderes Ich, als Mitmenschen (Vgl. dazu auch 1605).

372 Der Mann und die Frau sind „füreinander“ geschaffen, nicht als ob Gott sie nur je zu einem halben, unvollständigen Menschen gemacht hätte. Vielmehr hat er sie zu einer personalen Gemeinschaft geschaffen, in der die beiden Personen füreinander eine „Hilfe“ sein können, weil sie einerseits als Personen einander gleich sind („Bein von meinem Bein“) und andererseits in ihrem Mannsein und Frausein einander ergänzen. In der Ehe vereint Gott sie so eng miteinander, dass sie, „nur ein Fleisch bildend“ (Gen 2,24), das menschliche Leben weitergeben können: „Seid fruchtbar und vermehrt euch, bevölkert die Erde!“ (Gen 1,28). Indem sie das menschliche Leben ihren Kindern weitergeben, wirken Mann und Frau als Gatten und Eltern auf einzigartige Weise am Werk des Schöpfers mit [Vgl. GS 50,1] (Vgl. dazu auch 1652, 2366).

373 Nach dem Plane Gottes haben Mann und Frau die Berufung, als von Gott bestellte „Verwalter“ sich die Erde zu „unterwerfen“. Diese Oberhoheit darf keine zerstörerische Willkürherrschaft sein. Nach dem Bild des Schöpfers geschaffen, „der alles, was da ist, liebt“ (Weish 11,24), sind Mann und Frau berufen, an der göttlichen Vorsehung für die anderen Geschöpfe teilzunehmen. Sie sind deshalb für die Welt, die Gott ihnen anvertraut hat, verantwortlich (Vgl. dazu auch 307, 2415).

IV Der Mensch im Paradies

374 Der erste Mensch wurde als ein gutes Wesen erschaffen und in Freundschaft mit seinem Schöpfer und in Einklang mit sich selbst und mit der ihn umgebenden Schöpfung versetzt. Nur durch die Herrlichkeit der Neuschöpfung in Christus können diese Freundschaft und Harmonie noch übertroffen werden (Vgl. dazu auch 54).

375 Die Kirche legt die Symbolik der biblischen Sprache im Licht des Neuen Testamentes und der Überlieferung authentisch aus und lehrt, dass unsere Stammeltern Adam und Eva in einen ursprünglichen Stand der „Heiligkeit und Gerechtigkeit“ eingesetzt wurden (K. v. Trient: DS 1511). Diese Gnade der ursprünglichen Heiligkeit war eine „Teilhabe am göttlichen Leben“ (LG 2) (Vgl. dazu auch 1997).

376 Durch die Ausstrahlung dieser Gnade wurde das menschliche Leben in jeder Hinsicht gestärkt. Solange der Mensch in der engen Verbindung mit Gott blieb, musste er weder sterben [Vgl. Gen 2,17; 3,19] noch leiden [Vgl. Gen 3,16]. Die innere Harmonie der menschlichen Person, die Harmonie zwischen Mann und Frau [Vgl. Gen 2,25] und die Harmonie zwischen dem ersten Menschenpaar und der gesamten Schöpfung bildete den Zustand der sogenannten „Urgerechtigkeit“ (Vgl. dazu auch 1008, 1502).

377 Die von Gott dem Menschen von Anfang an gewährte „Herrschaft“ über die Welt wirkte sich in erster Linie im Menschen als Herrschaft über sich selbst aus. Der Mensch war in seinem ganzen Wesen heil und geordnet, weil er von der dreifachen Begierlichkeit [Vgl. 1 Joh 2,16], die ihn zum Knecht der Sinneslust, der Gier nach irdischen Gütern und der Selbstbehauptung gegen die Weisungen der Vernunft macht, frei war (Vgl. dazu auch 2514)

378 Zeichen der Vertrautheit mit Gott ist es, dass Gott den Menschen in den „Garten“ setzt [Vgl. Gen 2,8]. Er lebt darin, „um ihn zu hegen und zu pflegen“ (Gen 2,15). Die Arbeit ist für Mann und Frau nicht Fron [Vgl. Gen 3,17–19], sondern Mitwirken mit Gott an der Vervollkommnung der sichtbaren Schöpfung (Vgl. dazu auch 2415, 2427).

379 Diese ganze Harmonie der Urgerechtigkeit, die der Plan Gottes für den Menschen vorgesehen hatte, ging durch die Sünde unserer Stammeltern verloren.

KURZTEXTE

380 „Den Menschen hast du nach deinem Bild geschaffen und ihm die Sorge für die ganze Welt anvertraut. Über alle Geschöpfe sollte er herrschen und allein dir, seinem Schöpfer, dienen“ (MR, Viertes Hochgebet 118).

381 Der Mensch ist vorherbestimmt, das Bild des menschgewordenen Gottessohnes – „Ebenbild des unsichtbaren Gottes“ (Kol 1,15) – treu wiederzugeben, damit Christus der Erstgeborene von vielen Brüdern und Schwestern sei [Vgl. Eph 1,3–6; Röm 8,29].

382 Der Mensch ist „in Leib und Seele einer“ (GS 14,1). Die Glaubenslehre sagt, dass die geistige, unsterbliche Seele unmittelbar von Gott erschaffen ist.

383 „Gott hat den Menschen nicht allein geschaffen: denn von Anfang an, hat er sie als Mann und Frau geschaffen' (Gen 1,27), deren Verbindung die erste Form von Gemeinschaft unter Personen bewirkt“ (GS 12,4).

384 Die Offenbarung läßt uns den Stand der Urheiligkeit und Urgerechtigkeit des Mannes und der Frau vor der Sünde erkennen. Ihrer Freundschaft mit Gott entsprang die Glückseligkeit ihres Daseins im Paradies.

ABSATZ 7: DER SÜNDENFALL

385 Gott ist unendlich gut und alle seine Werke sind gut. Niemand entgeht jedoch der Erfahrung des Leides, der natürlichen Übel – die mit den Grenzen der Geschöpfe gegeben zu sein scheinen – und vor allem kann niemand dem Problem des sittlich Schlechten ausweichen. Woher stammt das Böse? „Ich fragte nach dem Ursprung des Bösen, doch es fand sich kein Ausweg“, sagt der hl. Augustinus (conf. 7,7,11), und sein schmerzliches Suchen wird erst in seiner Bekehrung zum lebendigen Gott einen Ausweg finden. „Die geheime Macht der Gesetzwidrigkeit“ (2 Thess 2,7) enthüllt sich nämlich nur im Licht des „Geheimnisses des Glaubens“ (1 Tim 3,16). Die in Christus geschehene Offenbarung der göttlichen Liebe zeigt zugleich die Größe der Sünde und die Übergröße der Gnade [Vgl. Röm 5,20]. Wenn wir uns der Frage nach dem Ursprung des Bösen stellen, müssen wir also den Blick unseres Glaubens auf den richten, der allein dessen Besieger ist [Vgl. Lk 11,21–11; Joh 16,11; 1 Joh 3,8] (Vgl. dazu auch 309, 457, 1848, 539).

I Wo die Sünde groß wurde, ist die Gnade übergroß geworden

Die Wirklichkeit der Sünde

386 In der Geschichte des Menschen ist die Sünde gegenwärtig. Man würde vergeblich versuchen, sie nicht wahrzunehmen oder diese dunkle Wirklichkeit mit anderen Namen zu versehen. Um zu verstehen, was die Sünde ist, muß man zunächst den tiefen Zusammenhang des Menschen mit Gott beachten. Sieht man von diesem Zusammenhang ab, wird das Böse der Sünde nicht in ihrem eigentlichen Wesen – als Ablehnung Gottes, als Widerstand gegen ihn – entlarvt, obwohl sie weiterhin auf dem Leben und der Geschichte des Menschen lastet (Vgl. dazu auch 1847).

387 Was die Sünde, im besonderen die Erbsünde, ist, sieht man nur im Licht der göttlichen Offenbarung. Diese schenkt uns eine Erkenntnis Gottes, ohne die man die Sünde nicht klar wahrnehmen kann und ohne die man versucht ist, Sünde lediglich als eine Wachstumsstörung, eine psychische Schwäche, einen Fehler oder als die notwendige Folge einer unrichtigen Gesellschaftsstruktur zu erklären. Nur in Kenntnis dessen, wozu Gott den Menschen bestimmt hat, erfaßt man, dass die Sünde ein Missbrauch der Freiheit ist, die Gott seinen vernunftbegabten Geschöpfen gibt, damit sie ihn und einander lieben können (Vgl. dazu auch 1848, 1739).


Die Erbsünde – eine wesentliche Glaubenswahrheit

388 Mit dem Fortschreiten der Offenbarung wird auch die Wirklichkeit der Sünde erhellt. Obwohl das Gottesvolk des Alten Bundes im Licht der im Buche Genesis erzählten Geschichte vom Sündenfall die menschliche Daseinsverfassung irgendwie erkannte, konnte es den letzten Sinn dieser Geschichte nicht erfassen; dieser tritt erst im Licht des Todes und der Auferstehung Jesu Christi zutage [Vgl. Röm 5, 12–21]. Man muß Christus als den Quell der Gnade kennen, um Adam als den Quell der Sünde zu erkennen. Der Heilige Geist, den der auferstandene Christus uns sendet, ist gekommen, um „die Welt der Sünde zu überführen“ (Joh 16,8), indem er den offenbart, der von der Sünde erlöst (Vgl. dazu auch 431, 208, 359, 729).

389 Die Lehre von der Erbsünde [oder Ursünde] ist gewissermaßen die „Kehrseite“ der frohen Botschaft, dass Jesus der Retter aller Menschen ist, dass alle des Heils bedürfen und dass das Heil dank Christus allen angeboten wird. Die Kirche, die den „Sinn Christi“ [Vgl. 1 Kor 2,16] hat, ist sich klar bewusst, dass man nicht an der Offenbarung der Erbsünde rühren kann, ohne das Mysterium Christi anzutasten (Vgl. dazu auch 422).


Die Erzählung vom Sündenfall

390 Der Bericht vom Sündenfall [Gen 3] verwendet eine bildhafte Sprache, beschreibt jedoch ein Urereignis, das zu Beginn der Geschichte des Menschen stattgefunden hat [Vgl. GS 13,1]. Die Offenbarung gibt uns die Glaubensgewissheit, dass die ganze Menschheitsgeschichte durch die Ursünde gekennzeichnet ist, die unsere Stammeltern freiwillig begangen haben [Vgl. K. v. Trient: DS 1513; Pius XII., Enz. „Humani Generis“: DS 3897; Paul VI., Ansprache vom 11. Juli 1966] (Vgl. dazu auch 289).

II Der Fall der Engel

391 Hinter der Entscheidung unserer Stammeltern zum Ungehorsam steht eine verführerische widergöttliche Stimme [Vgl. Gen 3,1–5], die sie aus Neid in den Tod fallen läßt [Vgl. Weish 2,24]. Die Schrift und die Überlieferung der Kirche erblicken in diesem Wesen einen gefallenen Engel, der Satan oder Teufel genannt wird [Vgl. Joh 8,44; Offb 12,9]. Die Kirche lehrt, dass er zuerst ein von Gott erschaffener guter Engel war. „Die Teufel und die anderen Dämonen wurden zwar von Gott ihrer Natur nach gut geschaffen, sie wurden aber selbst durch sich böse“ (4. K. im Lateran 1215: DS 800) (Vgl. dazu auch 2538).

392 Die Schrift spricht von einer Sünde der gefallenen Engel [Vgl. 2 Petr 2,4]. Ihr „Sündenfall“ besteht in der freien Entscheidung dieser geschaffenen Geister, die Gott und sein Reich von Grund auf und unwiderruflich zurückwiesen. Wir vernehmen einen Widerhall dieser Rebellion in dem, was der Versucher zu unseren Stammeltern sagte: „Ihr werdet sein wie Gott“ (Gen 3,5). Der Teufel ist „Sünder von Anfang an“ (1 Joh 3,8), „der Vater der Lüge“ (Joh 8,44) (Vgl. dazu auch 1850, 2482).

393 Wegen des unwiderruflichen Charakters ihrer Entscheidung und nicht wegen eines Versagens des unendlichen göttlichen Erbarmens kann die Sünde der Engel nicht vergeben werden. „Es gibt für sie nach dem Abfall keine Reue, so wenig wie für die Menschen nach dem Tode“ (Johannes v. Damaskus, f. o. 2,4) (Vgl. dazu auch 1022).

394 Die Schrift bezeugt den unheilvollen Einfluß dessen, den Jesus den „Mörder von Anfang an“ nennt (Joh 8,44) und der sogar versucht hat, Jesus von seiner vom Vater erhaltenen Sendung abzubringen [Vgl. Mt 4,1–11]. „Der Sohn Gottes aber ist erschienen, um die Werke des Teufels zu zerstören“ (1 Joh 3,8). Das verhängnisvollste dieser Werke war die lügnerische Verführung, die den Menschen dazu gebracht hat, Gott nicht zu gehorchen (Vgl. dazu auch 538–540, 550, 2846–2849).

395 Die Macht Satans ist jedoch nicht unendlich. Er ist bloß ein Geschöpf; zwar mächtig, weil er reiner Geist ist, aber doch nur ein Geschöpf: er kann den Aufbau des Reiches Gottes nicht verhindern. Satan ist auf der Welt aus Haß gegen Gott und gegen dessen in Jesus Christus grundgelegtes Reich tätig. Sein Tun bringt schlimme geistige und mittelbar selbst physische Schäden über jeden Menschen und jede Gesellschaft. Und doch wird dieses sein Tun durch die göttliche Vorsehung zugelassen, welche die Geschichte des Menschen und der Welt kraftvoll und milde zugleich lenkt. Dass Gott das Tun des Teufels zuläßt, ist ein großes Geheimnis, aber „wir wissen, dass Gott bei denen, die ihn lieben, alles zum Guten führt“ (Röm 8,28) (Vgl. dazu auch 309, 1673, 412, 2850–2854).

III Die Erbsünde

Die Prüfung der Freiheit

396 Gott hat den Menschen nach seinem Bilde geschaffen und in seine Freundschaft aufgenommen. Als geistbeseeltes Wesen kann der Mensch diese Freundschaft nur in freier Unterordnung unter Gott leben. Das kommt darin zum Ausdruck, dass den Menschen verboten wird, vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse zu essen, „denn sobald du davon ißt, wirst du sterben“ (Gen 2,17). Dieser „Baum der Erkenntnis von Gut und Böse“ erinnert sinnbildlich an die unüberschreitbare Grenze, die der Mensch als Geschöpf freiwillig anerkennen und vertrauensvoll achten soll. Der Mensch hängt vom Schöpfer ab, er untersteht den Gesetzen der Schöpfung und den sittlichen Normen, die den Gebrauch der Freiheit regeln (Vgl. dazu auch 1730, 311, 301).


Die erste Sünde des Menschen

397 Vom Teufel versucht, ließ der Mensch in seinem Herzen das Vertrauen zu seinem Schöpfer sterben [Vgl. Gen3,1], missbrauchte seine Freiheit und gehorchte dem Gebot Gottes nicht. Darin bestand die erste Sünde des Menschen [Vgl. Röm 5,19]. Danach wird jede Sünde Ungehorsam gegen Gott und Mangel an Vertrauen auf seine Güte sein (Vgl. dazu auch 1707, 2541, 1850, 215).

398 In dieser Sünde zog der Mensch sich selbst Gott vor und missachtete damit Gott: er entschied sich für sich selbst gegen Gott, gegen die Erfordernisse seines eigenen Geschöpfseins und damit gegen sein eigenes Wohl. In den Stand der Heiligkeit gestellt, war der Mensch dazu bestimmt, von Gott in der Herrlichkeit völlig „vergöttlicht“ zu werden. Vom Teufel versucht, wollte er „wie Gott sein“ [Vgl. Gen3,5], aber „ohne Gott und vor Gott und nicht Gott gemäß“ (Maximus der Bekenner, ambig.). (Vgl. dazu auch 2084, 2113)

399 Die Schrift zeigt die verhängnisvollen Folgen dieses ersten Ungehorsams. Adam und Eva verlieren sogleich die Gnade der ursprünglichen Heiligkeit [Vgl. Röm 3,23]. Sie fürchten sich vor Gott [Vgl. Gen 3,9–10], von dem sie sich das Zerrbild eines Gottes gemacht haben, der auf seine Vorrechte eifersüchtig bedacht ist [Vgl. Gen 3,5].

400 Die Harmonie, die sie der ursprünglichen Gerechtigkeit verdankten, ist zerstört; die Herrschaft der geistigen Fähigkeiten der Seele über den Körper ist gebrochen [Vgl. Gen 3,7] die Einheit zwischen Mann und Frau ist Spannungen unterworfen [Vgl. Gen 3,11–13] ihre Beziehungen sind gezeichnet durch Begierde und Herrschsucht. Auch die Harmonie mit der Schöpfung ist zerbrochen: die sichtbare Schöpfung ist dem Menschen fremd und feindlich geworden [Vgl. Gen 3,17.19]. Wegen des Menschen ist die Schöpfung der Knechtschaft „der Vergänglichkeit unterworfen“ (Röm 8,20). Schließlich wird es zu der Folge kommen, die für den Fall des Ungehorsams ausdrücklich vorhergesagt worden war: der Mensch „wird zum Erdboden zurückkehren, von dem er genommen ist“ (Gen 3,19). Der Tod hält Einzug in die Menschheitsgeschichte [Vgl. Röm 5,12] (Vgl. dazu auch 1607, 2514, 602, 1008).

401 Seit dieser ersten Sünde überschwemmt eine wahre Sündenflut die Welt: Kam ermordet seinen Bruder Abel [Vgl. Gen 4,3–15]; infolge der Sünde werden die Menschen ganz allgemein verdorben [Vgl. Gen 6,5.12; Röm 1,18–32] in der Geschichte Israels äußert sich die Sünde oft – vor allem als Untreue gegenüber dem Gott des Bundes und als Übertretung des mosaischen Gesetzes; und selbst nach der Erlösung durch Christus sündigen auch die Christen auf vielerlei Weisen [Vgl. 1 Kor 1–6; Offb 2–3]. Die Schrift und die Überlieferung der Kirche erinnern immer wieder daran, dass es Sünde gibt und dass sie in der Geschichte des Menschen allgemein verbreitet ist (Vgl. dazu auch 1865, 2259, 1739).

„Was uns aufgrund der göttlichen Offenbarung bekannt wird, stimmt mit der Erfahrung selbst überein. Denn der Mensch erfährt sich, wenn er in sein Herz schaut, auch zum Bösen geneigt und in vielfältige Übel verstrickt, die nicht von seinem guten Schöpfer herkommen können. Oft weigert er sich, Gott als seinen Ursprung anzuerkennen; er durchbricht dadurch auch die gebührende Ausrichtung auf sein letztes Ziel, zugleich aber auch seine ganze Ordnung gegenüber sich selbst wie gegenüber den anderen Menschen und allen geschaffenen Dingen“ (GS 13,1).


Folgen der Sünde Adams für die Menschheit

402 Alle Menschen sind in die Sünde Adams verwickelt. Der hl. Paulus sagt: „Durch den Ungehorsam des einen Menschen“ wurden „die vielen [das heißt alle Menschen] zu Sündern“ (Röm 5,19). „Durch einen einzigen Menschen kam die Sünde in die Welt und durch die Sünde der Tod, und auf diese Weise gelangte der Tod zu allen Menschen, weil alle sündigten“ (Röm 5,12). Der Universalität der Sünde und des Todes setzt der Apostel die Universalität des Heils in Christus entgegen: „Wie es durch die Übertretung eines einzigen für alle Menschen zur Verurteilung kam, so wird es auch durch die gerechte Tat eines einzigen [die Tat Christi] für alle Menschen zur Gerechtsprechung kommen, die Leben gibt“ (Röm 5,18) (Vgl. dazu auch 430, 605).

403 Im Anschluss an den hl. Paulus lehrte die Kirche stets, dass das unermeßliche Elend, das auf den Menschen lastet, und ihr Hang zum Bösen und zum Tode nicht verständlich sind ohne den Zusammenhang mit der Sünde Adams und mit dem Umstand, dass dieser uns eine Sünde weitergegeben hat, von der wir alle schon bei der Geburt betroffen sind und „die der Tod der Seele“ ist [Vgl. K. v. Trient: DS 1512]. Wegen dieser Glaubensgewissheit spendet die Kirche die Taufe zur Vergebung der Sünden selbst kleinen Kindern, die keine persönliche Sünde begangen haben [Vgl. K. v. Trient: DS 1514] (Vgl. dazu auch 2606, 1250).

404 Wieso ist die Sünde Adams zur Sünde aller seiner Nachkommen geworden? Das ganze Menschengeschlecht ist in Adam „wie der eine Leib eines einzelnen Menschen“ (Thomas v. A., mal. 4,1). Wegen dieser „Einheit des Menschengeschlechtes“ sind alle Menschen in die Sünde Adams verstrickt, so wie alle in die Gerechtigkeit Christi einbezogen sind. Die Weitergabe der Erbsünde ist jedoch ein Geheimnis, das wir nicht völlig verstehen können. Durch die Offenbarung wissen wir aber, dass Adam die ursprüngliche Heiligkeit und Gerechtigkeit nicht für sich allein erhalten hatte, sondern für die ganze Menschennatur. Indem Adam und Eva dem Versucher nachgeben, begehen sie eine persönliche Sünde, aber diese Sünde trifft die Menschennatur, die sie in der Folge im gefallenen Zustand weitergeben [Vgl. K. v. Trient: DS 1511–1512]. Sie ist eine Sünde, die durch Fortpflanzung an die ganze Menschheit weitergegeben wird, nämlich durch die Weitergabe einer menschlichen Natur, die der ursprünglichen Heiligkeit und Gerechtigkeit ermangelt. Deswegen ist die Erbsünde „Sünde“ in einem übertragenen Sinn: Sie ist eine Sünde, die man „miterhalten“, nicht aber begangen hat, ein Zustand, keine Tat (Vgl. dazu auch 360, 50).

405 Obwohl „einem jeden eigen“ [Vgl. K. v. Trient: DS 1513], hat die Erbsünde bei keinem Nachkommen Adams den Charakter einer persönlichen Schuld. Der Mensch ermangelt der ursprünglichen Heiligkeit und Gerechtigkeit, aber die menschliche Natur ist nicht durch und durch verdorben, wohl aber in ihren natürlichen Kräften verletzt. Sie ist der Verstandesschwäche, dem Leiden und der Herrschaft des Todes unterworfen und zur Sünde geneigt; diese Neigung zum Bösen wird „Konkupiszenz“ genannt. Indem die Taufe das Gnadenleben Christi spendet, tilgt sie die Erbsünde und richtet den Menschen wieder auf Gott aus, aber die Folgen für die Natur, die geschwächt und zum Bösen geneigt ist, verbleiben im Menschen und verpflichten ihn zum geistlichen Kampf (Vgl. dazu auch 2515, 1264).

406 Die Lehre der Kirche über die Weitergabe der Ursünde ist vor allem im 5. Jahrhundert geklärt worden, besonders unter dem Anstoß des antipelagianischen Denkens des hl. Augustinus, und im 16. Jahrhundert im Widerstand gegen die Reformation. Pelagius vertrat die Ansicht, der Mensch könne allein schon durch die natürliche Kraft seines freien Willens, ohne der Gnadenhilfe Gottes zu bedürfen, ein sittlich gutes Leben führen, und beschränkte so den Einfluß der Sünde Adams auf den eines schlechten Beispiels. Die ersten Reformatoren dagegen lehrten, der Mensch sei durch die Erbsünde von Grund auf verdorben und seine Freiheit sei zunichte gemacht worden. Sie identifizierten die von jedem Menschen ererbte Sünde mit der Neigung zum Bösen, der Konkupiszenz, die unüberwindbar sei. Die Kirche hat sich insbesondere 529 auf der zweiten Synode von Orange [Vgl. DS 371–372] und 1546 auf dem Konzil von Trient [Vgl. DS 1510–1516] über den Sinngehalt der Offenbarung von der Erbsünde ausgesprochen.


Ein harter Kampf ...

407 Die Lehre von der Erbsünde – in Verbindung mit der Lehre von der Erlösung durch Christus – gibt einen klaren Blick dafür, wie es um den Menschen und sein Handeln in der Welt steht. Durch die Sünde der Stammeltern hat der Teufel eine gewisse Herrschaft über den Menschen erlangt, obwohl der Mensch frei bleibt. Die Erbsünde führt zur „Knechtschaft unter der Gewalt dessen, der danach ,die Herrschaft des Todes innehatte, das heißt des Teufels‘ (Hebr 2,14)“ (K. v. Trient: DS 1511). Zu übersehen, dass der Mensch eine verwundete, zum Bösen geneigte Natur hat, führt zu schlimmen Irrtümern im Bereich der Erziehung, der Politik, des gesellschaftlichen Handelns [Vgl. CA25] und der Sittlichkeit (Vgl. dazu auch 2015, 2852, 1888).

408 Die Folgen der Erbsünde und aller persönlichen Sünden der Menschen bringen die Welt als Ganze in eine sündige Verfassung, die mit dem Evangelisten Johannes „die Sünde der Welt“ (Joh 1,29) genannt werden kann. Mit diesem Ausdruck bezeichnet man den negativen Einfluß, den die Gemeinschaftssituationen und Gesellschaftsstrukturen, die aus den Sünden der Menschen hervorgegangen sind, auf die Menschen ausüben [Vgl. RP16] (Vgl. dazu auch 1869).

409 Diese dramatische Situation der „ganzen Welt“, die „unter der Gewalt des Bösen“ steht (1 Joh 5,19) [Vgl. 1 Petr 5,8], macht das Leben des Menschen zu einem Kampf (Vgl. dazu auch 2516):

„Die gesamte Geschichte der Menschen durchzieht nämlich ein hartes Ringen gegen die Mächte der Finsternis, ein Ringen, das schon am Anfang der Welt begann und nach dem Wort des Herrn bis zum letzten Tag andauern wird. In diesen Streit hineingezogen, muß sich der Mensch beständig darum bemühen, dem Guten anzuhangen, und er kann nicht ohne große Anstrengung in sich mit Gottes Gnadenhilfe die Einheit erlangen“ (GS 37,2).

IV „Du hast ihn nicht der Macht des Todes überlassen“

410 Nach seinem Fall wurde der Mensch von Gott nicht aufgegeben. Im Gegenteil, Gott ruft ihn [Vgl. Gen 3,9] und kündigt ihm auf geheimnisvolle Weise den Sieg über das Böse und die Erhebung aus seinem Fall an. Diese Stelle des Buches Genesis [Gen 3,15] wird „Protoevangelium“ genannt, da sie die erste Ankündigung des erlösenden Messias sowie eines Kampfes zwischen der Schlange und der Frau und des Endsieges eines Nachkommens der Frau ist (Vgl. dazu auch 55, 705, 1609, 2568).

411 Die christliche Überlieferung sieht in dieser Stelle die Ankündigung des „neuen Adam“ [Vgl. 1 Kor 15,21–22.45], der durch seinen „Gehorsam bis zum Tod am Kreuz“ (Phil 2,8) den Ungehorsam Adams mehr als nur wiedergutmacht [Vgl. Röm 5,19–20]. Übrigens sehen zahlreiche Kirchenväter und –lehrer in der im „Protoevangelium“ angekündigten Frau die Mutter Christi, Maria, als die „neue Eva“. Ihr ist als erster und auf einzigartige Weise der von Christus errungene Sieg über die Sünde zugute gekommen: sie wurde von jeglichem Makel der Erbsünde unversehrt bewahrt [Vgl. Pius IX.: DS 2803] und beging durch eine besondere Gnade Gottes während ihres ganzen Erdenlebens keinerlei Sünde [Vgl. K. v. Trient: DS 1573] (Vgl. dazu auch 359, 615, 491).

412 Aber warum hat Gott den ersten Menschen nicht daran gehindert, zu sündigen? Der hl. Leo der Große antwortet: „Wertvoller ist das, was uns durch die unbeschreibliche Gnade des Herrn zuteil wurde, als was wir durch des Teufels Neid verloren hatten“ (serm. 73,4). Und der hl. Thomas von Aquin: „Auch nach der Sünde blieb die Möglichkeit einer Höherführung der Natur. Gott läßt ja das Böse nur zu, um etwas Besseres daraus entspringen zu lassen: ,Wo die Sünde mächtig wurde, ist die Gnade übergroß geworden‘ (Röm 5,20). Darum wird bei der Weihe der Osterkerze gesungen: ,O glückliche Schuld, die einen solchen großen Erlöser zu haben verdient hat!“‘ (s. th. 3,1,3 ad 3) (Vgl. dazu auch 310, 395, 272, 1994).

KURZTEXTE

413 „Gott hat den Tod nicht gemacht und hat keine Freude am Untergang der Lebenden ... Doch durch den Neid des Teufels kam der Tod in die Welt“ (Weish 1,13; 2,24).

414 Satan oder der Teufel und die weiteren Dämonen waren einst Engel, sind aber gefallen, weil sie sich aus freiem Willen weigerten, Gott und seinem Ratschluss zu dienen. Ihre Entscheidung gegen Gott ist endgültig. Sie suchen, den Menschen in ihren Aufstand gegen Gott hineinzuziehen.

415 „Obwohl in Gerechtigkeit von Gott begründet, hat der Mensch dennoch auf Anraten des Bösen gleich von Anfang der Geschichte an seine Freiheit missbraucht, indem er sich gegen Gott erhob und sein Ziel außerhalb Gottes erreichen wollte“ (GS 13,1).

416 Durch seine Sünde hat Adam als der erste Mensch die ursprüngliche Heiligkeit verloren, die er von Gott nicht nur für sich, sondern für alle Menschen erhalten hatte.

417 Adam und Eva haben ihren Nachkommen die durch ihre erste Sünde verwundete, also der ursprünglichen Heiligkeit und Gerechtigkeit ermangelnde menschliche Natur weitergegeben. Dieser Mangel wird „Erbsünde“ genannt.

418 Infolge der Erbsünde ist die menschliche Natur in ihren Kräften geschwächt, der Unwissenheit, dem Leiden und der Herrschaft des Todes unterworfen und zur Sünde geneigt. Diese Neigung heißt „Konkupiszenz“.

419 „Wir halten, dem Konzil von Trient folgend, daran fest, dass die Erbsünde zusammen mit der menschlichen Natur durch Fortpflanzung übertragen wird und nicht etwa bloß durch Nachahmung, und dass sie jedem Menschen als ihm eigen innewohnt“ (SPF 16).

420 Der Sieg Christi über die Sünde hat uns bessere Güter gegeben als die, welche die Sünde uns weggenommen hatte. „Wo die Sünde mächtig wurde, da ist die Gnade übergroß geworden“ (Röm 5,20).

421 „Nach dem Glauben der Christen wird die Welt von der Liebe des Schöpfers begründet und erhalten. Sie steht zwar unter der Knechtschaft der Sünde, wurde aber von Christus, dem Gekreuzigten und Auferstandenen, durch Brechung der Macht des Bösen befreit“ (GS 2,2).

ZWEITES KAPITEL: ICH GLAUBE AN JESUS CHRISTUS, GOTTES EINGEBORENEN SOHN

Die frohe Botschaft: Gott hat seinen Sohn gesandt

422 „Als die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau und dem Gesetz unterstellt, damit er die freikaufe, die unter dem Gesetz stehen, und damit wir die Sohnschaft erlangen“ (Gal 4,4–5). Das ist „die Frohbotschaft von Jesus Christus, dem Sohn Gottes“ (Mk 1,1): Gott hat sein Volk besucht [Vgl. Lk 1,68]; er hat die Verheißungen erfüllt, die er Abraham und seinen Nachkommen gegeben hatte [Vgl. Lk 1,55] er hat weit mehr getan, als man je erwarten durfte: er hat seinen „geliebten Sohn“ (Mk 1,11) gesandt (Vgl. dazu auch 389, 2763).

423 Wir glauben und bekennen: Jesus von Nazaret, ein Jude, zur Zeit des Königs Herodes des Großen und des Kaisers Augustus von einer Tochter Israels in Betlehem geboren, von Beruf Zimmermann und während der Herrschaft des Kaisers Tiberius unter dem Statthalter Pontius Pilatus in Jerusalem am Kreuz hingerichtet, ist der menschgewordene ewige Sohn Gottes. Er ist „von Gott ausgegangen“ (Joh 13,3), „vom Himmel herabgestiegen“ (Joh 3,13; 6,33), „im Fleisch gekommen“ (1 Joh 4,2). Denn „das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt, und wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit ... Aus seiner Fülle haben wir alle empfangen, Gnade um Gnade“ (Joh 1,14.16).

424 Durch die Gnade des Heiligen Geistes bewegt und vom Vater angezogen, glauben und bekennen wir von Jesus: „Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes“ (Mt 16,16). Auf den Felsen dieses Glaubens, den der hl. Petrus bekannte, hat Christus seine Kirche gebaut [Vgl. Mt 16,18; Leo d. Gr., serm. 4,3; 51,1; 62,2; 83,3] (Vgl. dazu auch 683, 552).


„Den unergründlichen Reichtum Christi verkünden“ (Eph 3,8)

425 Die Weitergabe des christlichen Glaubens besteht in erster Linie in der Verkündigung Jesu Christi: sie soll zum Glauben an ihn führen. Von Anfang an brannten die ersten Jünger vor Verlangen, Christus zu verkünden: „Wir können unmöglich von dem schweigen, was wir gesehen und gehört haben“ (Apg 4,20). Und sie laden die Menschen aller Zeiten ein, in die Freude ihrer Gemeinschaft mit Christus einzutreten (Vgl. dazu auch 850, 858):

„Was wir gehört haben, was wir mit unseren Augen gesehen, was wir geschaut und was unsere Hände angefaßt haben, das verkünden wir: das Wort des Lebens. Denn das Leben wurde offenbart; wir haben gesehen und bezeugen und verkünden euch das ewige Leben, das beim Vater war und uns offenbart wurde. Was wir gesehen und gehört haben, das verkünden wir auch euch, damit auch ihr Gemeinschaft mit uns habt. Wir aber haben Gemeinschaft mit dem Vater und mit seinem Sohn Jesus Christus. Wir schreiben dies, damit unsere Freude vollkommen ist“ (1 Joh 1,1–4).


Christus ist die Mitte der Katechese

426 „Im Kern der Katechese finden wir wesentlich eine Person vor, nämlich Jesus von Nazaret, einziger Sohn vom Vater ..., der für uns gelitten hat und gestorben ist und der jetzt als der Auferstandene immer für uns lebt ... Katechisieren heißt ... in der Person Christi den gesamten ewigen Plan Gottes aufzuzeigen, der sich in ihr erfüllt. Es ist das Bemühen, die Bedeutung der Taten und Worte Christi und der von ihm gewirkten Zeichen zu verstehen“ (CT 5). „Ziel der Katechese“ ist es, die Menschen „in Lebenseinheit mit Jesus Christus zu bringen; er allein kann zur Liebe des Vaters im Heiligen Geiste hinführen und uns Anteil am Leben der heiligsten Dreifaltigkeit geben“ (ebd.) (Vgl. dazu auch 1698, 513, 260).

427 „In der Katechese wird nur Christus, das fleischgewordene Wort und der Sohn Gottes, gelehrt – und alles andere im Hinblick auf ihn. Und Christus allein ist Lehrer, jeder andere nur in dem Maße, wie er Christi Wort weitergibt und so Christus ermöglicht, durch seinen Mund zu lehren ... Jeder Katechet müsste auf sich selber die geheimnisvollen Worte Jesu anwenden können: ,Meine Lehre stammt nicht von mir, sondern von dem, der mich gesandt hat‘ (Joh 7,16)“ (CT 6) (Vgl. dazu auch 2145. 876).

428 Wer den Auftrag hat, „Christus zu lehren“, muß somit zuerst nach der „alles überbietenden Erkenntnis Christi Jesu“ suchen; er muß bereit sein, „alles aufzugeben, um Christus zu gewinnen und in ihm zu sein“, ihn zu „erkennen und die Macht seiner Auferstehung und die Gemeinschaft mit seinen Leiden“, von seinem Tod geprägt zu werden, um „auch zur Auferstehung von den Toten zu gelangen“ (Phil 3,8–11).

429 Diese liebende Erkenntnis Christi weckt das Verlangen, zu verkünden, zu „evangelisieren“ und andere zum Ja des Glaubens an Jesus Christus zu führen. Gleichzeitig wird das Bedürfnis verspürt, diesen Glauben immer besser kennenzulernen. Zu diesem Zweck werden dem Aufbau des Glaubensbekenntnisses entsprechend zunächst die Hoheitstitel Jesu dargelegt: Christus, der Sohn Gottes, der Herr (Artikel 2). Das Credo bekennt sodann die Hauptmysterien des Lebens Christi: seine Menschwerdung (Artikel 3), sein Pascha (Artikel 4 und 5) und schließlich seine Verherrlichung (Artikel 6 und 7).

ARTIKEL 2: „UND AN JESUS CHRISTUS, SEINEN EINGEBORENEN SOHN, UNSEREN HERRN“

I Jesus

430 „Jesus“ bedeutet auf hebräisch „Gott rettet“. Bei der Verkündigung gibt der Engel Gabriel ihm den Namen Jesus, der besagt, wer er ist, und zugleich, wozu er gesandt ist [Vgl. Lk 1,31]. Weil niemand „Sünden vergeben“ kann „außer dem einen Gott“ (Mk 2,7), ist er es, der in Jesus, seinem menschgewordenen ewigen Sohn, „sein Volk von seinen Sünden erlösen“ wird (Mt 1,21). In Jesus faßt also Gott sein ganzes Heilswirken für die Menschen zusammen (Vgl. dazu auch 210, 402).

431 In der Geschichte des Heils begnügte Gott sich nicht damit, Israel aus dem „Sklavenhaus“ zu befreien (Dtn 5,6), indem er es aus Ägypten herausführte. Er rettet Israel auch aus seiner Sünde. Weil die Sünde stets eine Beleidigung Gottes ist [Vgl. Ps 51,6], kann allein er von ihr lossprechen [Vgl. Ps 51,12]. Darum wird Israel, das sich der allgemeinen Verbreitung der Sünde immer mehr bewusst wird, das Heil nur darin finden, dass es den Namen des Erlösergottes anruft [Vgl. Ps 79,9] (Vgl. dazu auch 1850, 1441, 388).

432 Der Name Jesus besagt, dass der Name Gottes in der Person seines Sohnes zugegen ist [Vgl. Apg 5,41; 3 Joh 7]. Er wurde Mensch, um alle endgültig von den Sünden zu erlösen. Jesus ist der göttliche Name, der allein Heil bringt [Vgl. Joh 3,18; Apg 2,21]. Er kann nunmehr von allen angerufen werden, weil Gott sich durch die Fleischwerdung seines Sohnes mit allen Menschen sosehr vereint hat [Vgl. Röm 10,6–13], dass „uns Menschen kein anderer Name unter dem Himmel gegeben ist, durch den wir gerettet werden sollen“ (Apg 4, 12) [Vgl. Apg 9,14; Jak 2,7] (Vgl. dazu auch 589, 2666, 389, 161).

433 Der Name des Rettergottes wurde zur Sühnung der Sünden Israels nur einmal im Jahr vom Hohenpriester angerufen, wenn er die Sühneplatte des Allerheiligsten mit dem Blut des Opfertieres besprengte [Vgl. Lev 16,15–16; Sir 50,20; Hebr 9,7]. Die Sühneplatte war die Stätte der Gegenwart Gottes [Vgl. Ex 25,22; Lev l6,2; Num 7,89; Hebr 9,5]. Wenn der hl. Paulus von Jesus sagt: „Ihn hat Gott als Sühne hingestellt in seinem eigenen Blut“ (Röm 3,25), meint er damit, dass es in dessen Menschennatur „Gott war ... der in Christus die Welt mit sich versöhnt hat“ (2 Kor 5, 19) (Vgl. dazu auch 615).

434 Die Auferstehung Jesu verherrlicht den Namen des Rettergottes [Vgl. Joh 12,28], denn von nun an bekundet der Name Jesus voll und ganz die erhabene Macht des Namens, „der größer ist als alle Namen“ (Phil 2,9). Die bösen Geister haben vor seinem Namen Angst [Vgl. Apg l6,16], und die Jünger Jesu wirken in seinem Namen Wunder [Vgl. Mk l6,17], denn alles, worum sie den Vater in seinem Namen bitten, wird er ihnen gewähren. [Vgl. Joh 15,16] (Vgl. dazu auch 1812, 2614).

435 Der Name Jesu ist das Herz des christlichen Betens. Liturgische Gebete schließen mit der Formel „durch [Jesus] Christus, [deinen Sohn,] unseren Herrn .. .“ Das „Ave Maria“ gipfelt in „Gebenedeit ist die Frucht deines Leibes: Jesus“. Das ostkirchliche Herzensgebet, das sogenannte Jesusgebet, lautet: „Herr Jesus Christus, Sohn Gottes, hab‘ Erbarmen mit mir Sünder!“. Viele Christen sterben, wie die hl. Jeanne d‘Arc, mit dem Wort „Jesus“ auf den Lippen (Vgl. dazu auch 2667–2668, 2676).

II ====Christus

436 „Christus“ ist das griechische Wort für den hebräischen Ausdruck „Messias“, der „Gesalbter“ bedeutet. Zum Eigennamen Jesu wird es deshalb, weil Jesus die göttliche Sendung, die „Christus“ bedeutet, vollkommen erfüllt. In Israel wurden nämlich im Namen Gottes die Menschen gesalbt, die vom Herrn für eine erhaltene Sendung geweiht ,wurden. Das war bei den Königen der Fall [Vgl. 1 Sam 9,16; 10,1; 16,1.12–13; 1 Kön 1,39], bei den Priestern [Vgl. Ex 29,7; Lev 8,12] und in seltenen Fällen bei den Propheten [Vgl. 1 Kön 19,16]. Vor allem sollte dies der Fall sein beim Messias, den Gott senden würde, um sein Reich endgültig zu errichten [Vgl. Ps 2,2; Apg 4,26–27]. Der Messias sollte durch den Geist des Herrn [Vgl. Jes 11,2] zugleich zum König und zum Priester [Vgl. Sach 4,14; 6,13], aber auch zum Propheten [Vgl. Jes 61,1; Lk 4,16–21] gesalbt werden. Jesus hat in seinem dreifachen Amt als Priester, Prophet und König die messianische Hoffnung Israels erfüllt. (Vgl. dazu auch 690, 695,783,711–716)

437 Der Engel verkündete den Hirten die Geburt Jesu, des für Israel verheißenen Messias: „Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Messias, der Herr“ (Lk 2,11). Von Anfang an ist Jesus der, „den der Vater geheiligt und in die Welt gesandt hat“ (Joh 10,36), da er im jungfräulichen Schoß Marias als „heilig“ [Vgl. Lk l,35] empfangen wurde. Josef wird von Gott aufgefordert, Maria als seine Frau zu sich zu nehmen – „denn das Kind, das sie erwartet, ist vom Heiligen Geist“ (Mt 1,20) –, damit Jesus, „der der Christus genannt wird“, von der Frau Josefs als messianischer Nachkomme Davids geboren werde (Mt 1, 16) [Vgl. Röm l,3; 2 Tim 2,8; Offb 22,16] (Vgl. dazu auch 525, 486).

438 Die Weihe Jesu zum Messias bekundet seine göttliche Sendung. „Der Name Christus bedeutet den, der salbt, den, der gesalbt wurde, und die Salbung selbst, mit der er gesalbt wurde. Es salbte aber der Vater, gesalbt wurde der Sohn in dem Geiste, der die Salbung ist“ (Irenäus, hæer. 3, 18,3). Seine ewige messianische Salbung wurde in der Zeit seines Erdenlebens bei seiner Taufe durch Johannes geoffenbart, als ihn Gott salbte „mit dem Heiligen Geist und mit Kraft“ (Apg 10,38), „damit er Israel offenbar würde“ (Joh 1,31) als sein Messias. Seine Werke und seine Worte bekunden, dass er „der Heilige Gottes“ ist (Mk 1,24; Joh 6,69; Apg 3,14) (Vgl. dazu auch 727, 535).

439 Viele Juden und selbst einzelne Heiden, die ihre Hoffnung teilten, erkannten in Jesus die Grundzüge des messianischen „Davidssohnes“, den Gott Israel verheißen hatte [Vgl. Mt 2,2; 9,27; 12,23; 15,22; 20,30; 21,9.15]. Jesus hat den Titel Messias, auf den er Anspruch hatte [Vgl. Joh 4,25–26; 11,27], gelten lassen, aber nicht vorbehaltlos, denn dieser Titel war missverständlich, wurde er doch von einem Teil seiner Zeitgenossen allzumenschlich [Vgl. Mt 22,41–46], im Grunde politisch [Vgl. Joh 6,15; Lk 24,21] aufgefaßt (Vgl. dazu auch 528–529, 547).

440 Jesus nahm das Glaubensbekenntnis des Petrus, der ihn als Messias anerkannte, entgegen, kündigte aber im Anschluss daran das dem Menschensohn bevorstehende Leiden an [Vgl. Mt 16, 16–23]. Er offenbarte, dass sein Messiaskönigtum sowohl in seiner göttlichen Herkunft als Menschensohn liege, „der vom Himmel herabgestiegen ist“ (Joh 3, 13) [Vgl. Joh 6,62; Dan 7,13], als auch in seiner Erlösersendung als leidender Gottesknecht: „Der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele“ (Mt 20,28) [Vgl. Jes 53,10–12]. Darum wird der wahre Sinn seines Königtums erst vom Kreuz herab kundgetan [Vgl. Joh 19,19–22; Lk 23,39–43]. Erst nach seiner Auferstehung kann sein Messiaskönigtum von Petrus vor dem .Gottesvolk verkündet werden: „Mit Gewissheit erkenne also das ganze Haus Israel: Gott hat ihn zum Herrn und Messias gemacht, diesen Jesus, den ihr gekreuzigt habt“ (Apg 2,36) (Vgl. dazu auch 552, 550, 445).

III Gottes eingeborener Sohn

441 „Gottessohn“ ist im Alten Testament ein Titel, der den Engeln gegeben wird [Vgl. Dtn 32,8 LXX; Ijob 1,6], dem auserwählten Volk [Vgl. Ex 4,22; Hos 11,1; Jer 3,19; Sir 36,11; Weish 18,3], den Kindern Israels [Vgl. Dtn 14,1; Hos 2,1] und seinen Königen [Vgl. 2 Sam 7,14; Ps 82,6]. Er bedeutet eine Adoptivsohnschaft, die zwischen Gott und seinem Geschöpf eine besonders innige Verbindung herstellt. Wenn der verheißene MessiasKönig „Sohn Gottes“ genannt wird [Vgl. 1 Chr 17,13; Ps 2,7], so heißt das dem wörtlichen Sinn dieser Texte nach nicht unbedingt, dass er mehr als ein bloßer Mensch ist. Jene, die Jesus als den Messias Israels [Vgl. Mt 27,54] so bezeichneten, wollten vielleicht damit nicht mehr sagen [Vgl. Lk 23,47–18].

442 Das gilt nicht für Petrus, wenn er Jesus als den „Messias, den Sohn des lebendigen Gottes“ bekennt (Mt 16,16), denn dieser antwortet darauf feierlich: „Nicht Fleisch und Blut haben dir das offenbart, sondern mein Vater im Himmel“ (Mt 16,17). Ebenso sagt Paulus im Blick auf seine Bekehrung auf dem Weg nach Damaskus: „Als aber Gott, der mich schon im Mutterleib auserwählt und durch seine Gnade berufen hat, mir in seiner Güte seinen Sohn offenbarte, damit ich ihn unter den Heiden verkündige, da zog ich keinen Menschen zu Rate ...“ (Gal 1,15–16). „Und sogleich verkündete er Jesus in den Synagogen und sagte: Er ist der Sohn Gottes“ (Apg 9,20). Dieses Bekenntnis war von Anfang an [Vgl. 1 Thess 1,10] das Zentrum des apostolischen Glaubens [Vgl. Joh 20,31]. Als erster hat Petrus diesen Glauben als Fundament der Kirche bekannt [Vgl. Mt 16,18] (Vgl. dazu auch 552, 424).

443 Petrus konnte den transzendenten Charakter der Gottessohnschaft Jesu, des Messias, deshalb erkennen, weil Jesus diesen deutlich zu verstehen gegeben hatte. Auf die Frage seiner Ankläger: „Du bist also der Sohn Gottes?“ antwortete Jesus vor dem Hohen Rat: „Ihr sagt es – ich bin es“ (Lk 22,70) [Vgl. Mt 26,64; Mk 14,61]. Schon lange vorher hatte er sich als den „Sohn“ bezeichnet, der den Vater kennt [Vgl. Mt 11,27; 21,37–38] und sich von den „Knechten“ unterscheidet, die Gott früher seinem Volk geschickt hatte [Vgl. Mt 21,34–36], und der sogar höher steht als die Engel [Vgl. Mt 24,36]. Er unterschied seine Sohnschaft von derjenigen der Jünger, indem er nie „unser Vater“ sagte [Vgl. Mt 5,48; 6,8; 7,21; Lk 11,13], außer um ihnen aufzutragen: „So sollt ihr beten: Unser Vater“ (Mt 6,9). Ja, er hob den Unterschied deutlich hervor. „mein Vater und euer Vater (Joh 20,17) (Vgl. dazu auch 2786).

444 Wie die Evangelien berichten, ertönte in zwei feierlichen Momenten, bei der Taufe und der Verklärung Christi, die Stimme des Vaters, der ihn als seinen „geliebten Sohn“ bezeichnete [Vgl. Mt 3,17; 17,5]. Jesus nennt sich Gottes „eingeborenen [einziggezeugten] Sohn“ (Joh 3,16) und bekräftigt damit seine ewige Präexistenz [Vgl. Joh 10,36]. Er verlangt, „an den Namen des eingeborenen Sohnes Gottes“ (Joh 3,18) zu glauben. Dieses christliche Bekenntnis erscheint schon im Ausruf des Hauptmanns angesichts des am Kreuze hängenden Jesus: „Wahrhaftig, dieser Mensch war Gottes Sohn!“ (Mk 15,39). Denn erst im Pascha–Mysterium kann der Glaubende dem Titel „Sohn Gottes“ seine volle Bedeutung geben (Vgl. dazu auch 536, 554).

445 Nach der Auferstehung Jesu tritt seine Gottessohnschaft in der Macht seiner verherrlichten Menschennatur zutage: Er ist „dem Geist der Heiligkeit nach eingesetzt ... als Sohn Gottes in Macht seit der Auferstehung von den Toten“ (Röm 1,4) [Vgl. Apg 13,33]. Die Apostel können dann bekennen: „Wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit“ (Joh 1,14) (Vgl. dazu auch 653).

IV Herr

446 In der griechischen Übersetzung der Bücher des Alten Testamentes [LXX] wird der nicht auszusprechende Name JHWH, unter dem sich Gott offenbart hat [Vgl. Ex 3,14], mit „Kyrios“ [Herr] wiedergegeben. „Herr“ wird somit zur gebräuchlichsten Bezeichnung für die Gottheit des Gottes Israels. In diesem strengen Sinn verwendet das Neue Testament den Titel „Herr“ für den Vater, aber auch zugleich – und das ist das Neue – für Jesus, der so als Gott selbst anerkannt wird [Vgl. 1 Kor 2,8] (Vgl. dazu auch 209).

447 Jesus selbst nahm auf verhüllte Weise diesen Titel in Anspruch, als er mit den Pharisäern über den Sinn des Psalmes 110 diskutiert [Vgl. Mt 22,41–46 sowie Apg 2,34–36; Hebr 1,13]. Ausdrücklich gebraucht er den Titel „Herr“ im Gespräch mit den Jüngern [Vgl. Joh 13,13]. Während seines ganzen öffentlichen Lebens zeigen seine Taten, dass er Herr ist über die Natur, die Krankheiten, die Dämonen, den Tod und die Sünde und somit göttliche Herrschaft besitzt (Vgl. dazu auch 548).

448 In den Berichten der Evangelien nennen Menschen, die sich an Jesus wenden, ihn sehr oft „Herr“. In dieser Betitelung äußern sich die Hochachtung und das Vertrauen derer, die sich Jesus nahen und von ihm Hilfe und Heilung erwarten [Vgl. z. B. Mt 8,2; 14,30; 15,22]. Wenn vom Heiligen Geist eingegeben, spricht aus dieser Anrede die Erkenntnis des göttlichen Mysteriums Jesu [Vgl. Lk 1,43; 2,11]. In der Begegnung mit dem auferweckten Jesus wird sie zur Anbetung: „Mein Herr und mein Gott!“ (Joh 20,28). „Herr“ erhält dann einen Klang von Liebe und Zuneigung, der in der christlichen Tradition immer mitschwingen wird: „Es ist der Herr!“ (Joh 21,7) (Vgl. dazu auch 208, 683, 641).

449 Die ersten Glaubensbekenntnisse der Kirche legen Jesus von Anfang an den göttlichen Würdetitel „Herr“ bei [Vgl. Apg 2,34–36]. Damit sagen sie, dass die Macht, die Ehre und Herrlichkeit, die Gott gebühren, auch Jesus zukommen [Vgl. Röm 9,5; Tit 2,13; Offb 5,13], weil er „Gott gleich“ ist (Phil 2,6). Der Vater hat diese Herrscherwürde Jesu kundgetan, indem er ihn von den Toten auferweckte und in seine Herrlichkeit erhob [Vgl. Röm 10,9; 1 Kor 12,3; Phil 2,9–11] (Vgl. dazu auch 461, 653).

450 Vom Beginn der christlichen Geschichte an bedeutet die Aussage, dass Jesus Herr über die Welt und die Geschichte ist [Vgl. Offb 11,15], auch, dass der Mensch seine personale Freiheit keiner irdischen Gewalt absolut unterwerfen darf, sondern einzig Gott dem Vater und dem Herrn Jesus Christus: Nicht Cäsar ist „der Herr“ [Vgl. Mk 12,17; Apg 5,29]. „Die Kirche glaubt ..., dass in ihrem Herrn und Meister der Schlüssel, der Mittelpunkt und das Ziel der ganzen Menschheitsgeschichte zu finden ist“ (GS 10,2) [10 Vgl. GS 45,2] (Vgl. dazu auch 668–672, 2242).

451 Der Titel „Herr“ gibt dem christlichen Gebet sein Gepräge. Denken wir an die Gebetseinladung „Der Herr sei mit euch“ oder an den Gebetsschluss „durch Jesus Christus, ... unseren Herrn“ oder auch an den vertrauens– und hoffnungsvollen Ruf „Maran atha“ [Der Herr kommt] oder „Marána tha“ [Komm, Herr!] (1 Kor 16,22). „Amen. Komm, Herr Jesus!“ (Offb 22,20). (Vgl. dazu auch 2664–2665, 2817).

KURZTEXTE

452 Der Name „Jesus“ bedeutet „Gott rettet“. Das Kind der Jungfrau Maria wird „Jesus“ genannt, „denn er wird sein Volk von seinen Sünden erlösen“ (Mt 1,21). „Es ist uns Menschen kein anderer Name unter dem Himmel gegeben, durch den wir gerettet werden sollen“ (Apg 4,12).

453 „Christus“ bedeutet „Gesalbter“, „Messias“. Jesus ist der Christus, weil „Gott Jesus von Nazaret gesalbt hat mit dem Heiligen Geist und mit Kraft“ (Apg 10,38). Er war „der, der da kommen soll“ (Lk 7,19), die „Hoffnung Israels“ (Apg 28,20).

454 „Sohn Gottes“ besagt die einzigartige, ewige Beziehung Jesu Christi zu Gott, seinem Vater: Er ist der eingeborene Sohn des Vaters [Vgl. Joh 1,14. 18; 3, 16. 18], ja Gott selbst [Vgl. Joh 1,1]. Um Christ zu sein, muß man glauben, dass Jesus Christus der Sohn Gottes ist [Vgl. Apg 8,37; 1 Joh 2,23].

455 „Herr“ bezeichnet die göttliche Herrschergewalt. Jesus als Herrn bekennen oder anrufen heißt an seine Gottheit glauben. „Keiner kann sagen: Jesus ist der Herr!, wenn er nicht aus dem Heiligen Geist redet“ (1 Kor 12,3).

ARTIKEL 3: „JESUS CHRISTUS IST EMPFANGEN DURCH DEN HEILIGEN GEIST, GEBOREN VON DER JUNGFRAU MARIA“

ABSATZ 1: DER SOHN GOTTES IST MENSCH GEWORDEN

I Warum ist das Wort Fleisch geworden?

456 Wir antworten, indem wir mit dem Credo von Nizäa–Konstantinopel bekennen: „Für uns Menschen und zu unserem Heil ist er vom Himmel gekommen, hat Fleisch angenommen durch den Heiligen Geist von der Jungfrau Maria und ist Mensch geworden“.

457 Das Wort ist Fleisch geworden, um uns mit Gott zu versöhnen und uns so zu retten: Gott hat „uns geliebt und seinen Sohn als Sühne für unsere Sünden gesandt“ (1 Joh 4,10). Wir wissen, dass „der Vater den Sohn gesandt hat als den Retter der Welt“ (1 Joh 4,14), „dass er erschienen ist, um die Sünde wegzunehmen“ (1 Joh 3,5)(Vgl. dazu auch 607):

„Es bedurfte des Arztes unsere kranke Natur; es bedurfte des Aufhebers der gefallene Mensch; es bedurfte des Lebendigmachers der des Lebens Verlustige; es bedurfte des Zurückführers zum Guten der der Verbindung mit dem Guten Beraubte; es sehnte sich nach der Ankunft des Lichtes der in Finsternis Gehüllte; es verlangte nach dem Retter der Gefangene, nach dem Erlöser der Gebundene, nach dem Befreier der vom Sklavenjoch Niedergedrückte. Sind das zu geringfügige und zu unbedeutende Dinge, als dass sie hätten Gott bestimmen dürfen, wie ein Arzt zum Besuch der menschlichen Natur herabzusteigen, nachdem nun einmal die Menschheit sich in einer so kläglichen und armseligen Lage befand?“ (Gregor v. Nyssa, or. catech. 14) (Vgl. dazu auch 385).

458 Das Wort ist Fleisch geworden, damit wir so die Liebe Gottes erkennen: „Die Liebe Gottes wurde unter uns dadurch offenbart, dass Gott seinen eingeborenen Sohn in die Welt gesandt hat, damit wir durch ihn leben“ (1 Joh 4,9). „Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat“ (Joh 3,16) (Vgl. dazu auch 219).

459 Das Wort ist Fleisch geworden, um für uns Vorbild der Heiligkeit zu sein: „Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir ...“ (Mt 11,29). „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater außer durch mich“ (Joh 14,6). Und auf dem Berg der Verklärung gebietet der Vater: „Hört auf ihn!“ (Mk 9,7) [Vgl. Dtn 6,4–5]. Jesus ist ja das Inbild der Seligpreisungen und die Norm des neuen Gesetzes: „Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe!“ (Joh 15,12). Diese Liebe verlangt, in seiner Nachfolge sich selbst hinzugeben [Vgl. Mk 8,34] (Vgl. dazu auch 520, 823, 2012, 1717, 1965).

460 Das Wort ist Fleisch geworden, um uns „Anteil an der göttlichen Natur“ zu geben (2 Petr 1,4): „Dazu ist das Wort Gottes Mensch geworden und der Sohn Gottes zum Menschensohn, damit der Mensch das Wort in sich aufnehme und, an Kindesstatt angenommen, zum Sohn Gottes werde“ (Irenäus, hæer. 3,19,1). Das Wort Gottes „wurde Mensch, damit wir vergöttlicht würden“ (Athanasius, inc. 54,3). „Weil uns der eingeborene Sohn Gottes Anteil an seiner Gottheit geben wollte, nahm er unsere Natur an, wurde Mensch, um die Menschen göttlich zu machen“ (Thomas v. A., opusc. 57 in festo Corp. Chr. 1) (Vgl. dazu auch 1265, 1391, 1988).

II Die Menschwerdung

461 Im Anschluss an die Sprechweise des hl. Johannes („Verbum caro factum est – das Wort ist Fleisch geworden“: Joh 1,14) nennt die Kirche das Geschehnis, dass der Sohn Gottes eine menschliche Natur annahm, um in ihr unser Heil zu wirken, „Inkarnation“ [Fleisch– oder Menschwerdung]. In einem beim hl. Paulus bezeugten Hymnus besingt die Kirche das Inkarnationsgeheimnis (Vgl. dazu auch 653, 661, 449):

„Seid untereinander so gesinnt, wie es dem Leben in Christus Jesus entspricht: Er war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest‘ wie Gott zu sein, sondern er entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich. Sein Leben war das eines Menschen; er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz“ (Phil 2,5–8) [Vgl. LH, Canticum 1. Sonntagsvesper].

462 Der Hebräerbrief sagt vom gleichen Mysterium:

„Darum spricht Christus bei seinem Eintritt in die Welt: Schlacht– und Speiseopfer hast du nicht gefordert, doch einen Leib hast du mir geschaffen; an Brand– und Sündopfern hast du kein Gefallen. Da sagte ich: Ja, ich komme ..., um deinen Willen, Gott, zu tun“ (Hebr 10,5–7; Ps 40,7–9 LXX anführend).

463 Der Glaube an die tatsächliche Menschwerdung des Sohnes Gottes ist das entscheidende Kennzeichen des christlichen Glaubens: „Daran erkennt ihr den Geist Gottes: Jeder Geist, der bekennt, Jesus Christus sei im Fleisch gekommen, ist aus Gott“ (1 Joh 4,2). Das ist von Anfang an die freudige Überzeugung der Kirche. Sie besingt „das große Geheimnis der Frömmigkeit“: „Er wurde offenbart im Fleisch“ (1 Tim 3,16) (Vgl. dazu auch 90).

III Wahrer Gott und wahrer Mensch

464 Das ganz einzigartige und einmalige Ereignis der Menschwerdung des Sohnes Gottes bedeutet nicht, dass Jesus Christus zum Teil Gott und zum Teil Mensch wäre oder dass er das Ergebnis einer unklaren Vermischung von Göttlichem und Menschlichem wäre. Er ist wahrhaft Mensch geworden und dabei doch wahrhaft Gott geblieben. Jesus Christus ist wahrer Gott und wahrer Mensch. Im Laufe der ersten Jahrhunderte musste die Kirche diese Glaubenswahrheit gegenüber missdeutenden Irrlehren verteidigen und klären (Vgl. dazu auch 88).

465 Die ersten Häresien haben weniger die Gottheit Christi als sein wahres Menschsein geleugnet [gnostischer Doketismus]. Schon zur Zeit der Apostel betonte der christliche Glaube die wahre Menschwerdung des Sohnes Gottes, der „im Fleisch gekommen“ ist [Vgl. 1 Joh 4,2–3;2 Joh 7]. Bereits im 3. Jahrhundert aber musste die Kirche auf einem in Antiochien versammelten Konzil gegenüber Paul von Samosata bekräftigen, dass Jesus Christus von Natur aus und nicht durch Adoption Sohn Gottes ist. In seinem Credo bekannte im Jahr 325 das erste Ökumenische Konzil, das Konzil von Nizäa, dass der Sohn Gottes „gezeugt, nicht geschaffen, eines Wesens mit [homoúsios] dem Vater“ ist. Es verurteilte Arius, der behauptete, „der Sohn Gottes [sei] aus nichts“ (DS 130) und „aus einer anderen Substanz oder Wesenheit“ als der Vater (DS 126) (Vgl. dazu auch 242).

466 Die nestorianische Häresie erblickte in Christus eine mit der göttlichen Person des Sohnes Gottes verbundene menschliche Person. Dieser Irrlehre gegenüber bekannten der hl. Cyrill von Alexandrien und das dritte Ökumenische Konzil, das 431 in Ephesus versammelt war, „dass das Wort, indem es das mit einer vernunftbegabten Seele beseelte Fleisch mit sich selbst der Hypostase [Person] nach einte, ... Mensch geworden“ ist (DS 250). Die menschliche Natur Christi hat kein anderes Subjekt als die göttliche Person des Sohnes Gottes, die sie angenommen und schon bei der Empfängnis sich zu eigen gemacht hat. Deswegen hat das gleiche Konzil verkündet, dass Maria dadurch, dass sie den Sohn Gottes in ihrem Schoß empfing, wirklich „Gottesgebärerin“ geworden ist, „nicht etwa, weil die Natur des Wortes beziehungsweise seine Gottheit den Anfang des Seins aus der heiligen Jungfrau genommen hätte, sondern weil der vernünftig beseelte heilige Leib aus ihr geboren wurde; mit ihm hat sich das Wort der Hypostase [Person] nach geeint, und deshalb wird von ihm gesagt, es sei dem Fleische nach geboren worden“ (DS 251) (Vgl. dazu auch 495).

467 Die sogenannten Monophysiten behaupteten, die menschliche Natur habe als solche in Christus zu bestehen aufgehört, als sie von seiner göttlichen Person, dem Sohne Gottes, angenommen wurde. Gegenüber dieser Häresie hat 451 das vierte Ökumenische Konzil, das von Chalkedon, erklärt:

„In der Nachfolge der heiligen Väter lehren wir alle übereinstimmend, unseren Herrn Jesus Christus als ein und denselben Sohn zu bekennen; derselbe ist vollkommen in der Gottheit und derselbe ist vollkommen in der Menschheit; derselbe ist wahrhaft Gott und wahrhaft Mensch aus vernunftbegabter Seele und Leib; derselbe ist der Gottheit nach dem Vater wesensgleich und der Menschheit nach uns wesensgleich, ,in allem uns gleich außer der Sünde‘ (Hebr 4,15). Derselbe wurde einerseits der Gottheit nach vor den Zeiten aus dem Vater gezeugt, andererseits der Menschheit nach in den letzten Tagen unsertwegen und um unseres Heiles willen aus Maria, der Jungfrau [und] Gottesgebärerin, geboren.

Ein und derselbe ist Christus, der einziggeborene Sohn und Herr, der in zwei Naturen unvermischt, unveränderlich, ungetrennt und unteilbar erkannt wird, wobei nirgends wegen der Einung der Unterschied der Naturen aufgehoben ist, vielmehr die Eigentümlichkeit jeder der beiden Naturen gewahrt bleibt und sich in einer einzigen Person und einer einzigen Hypostase vereinigt“ (DS 301–302).

468 Nach dem Konzil von Chalkedon faßten einige die menschliche Natur Christi als eine Art eigenständige Person auf. Ihnen gegenüber bekannte 553 das fünfte Ökumenische Konzil, das von Konstantinopel, in bezug auf Christus „eine einzige Hypostase [Person] ..., die der Herr Jesus Christus ist, einer der heiligen Dreifaltigkeit“ (DS 424). Alles an der Menschennatur Christi ist somit seiner göttlichen Person als ihrem eigentlichen Träger zuzuschreiben [so schon das K. v. Ephesus: DS 255], nicht nur die Wunder, sondern auch die Leiden [Vgl. DS 424] und sogar der Tod, weil unser „im Fleisch gekreuzigter Herr Jesus Christus wahrer Gott und Herr der Herrlichkeit und einer der heiligen Dreifaltigkeit ist“ (DS 432) (Vgl. dazu auch 254. 616).

469 Die Kirche bekennt so, dass Jesus untrennbar wahrer Gott und wahrer Mensch ist. Er ist wirklich der Sohn Gottes, Mensch geworden, unser Bruder, und dies ohne aufzuhören, Gott, unser Herr zu sein (Vgl. dazu auch 212):

„Er blieb, was er war, und nahm an, was er nicht war“, singt die römische Liturgie (LH, Antiphon der Laudes vom 1. Januar) [Vgl. hl. Leo d. Gr., serm. 21, 2–3]. Und die Liturgie des hl. Johannes Chrysostomus verkündet und singt: „O eingeborener Sohn und Wort Gottes, obwohl unsterblich, hast du dich um unseres Heiles willen gewürdigt, Fleisch anzunehmen von der heiligen Gottesmutter und allzeit jungfräulichen Maria. Du bist ohne Veränderung Mensch geworden und gekreuzigt worden, o Christus, Gott; du hast durch deinen Tod den Tod vernichtet; du bist einer der heiligen Dreifaltigkeit, mit dem Vater und dem Heiligen Geist verherrlicht; rette uns!“ (Troparion „O monogenis“).

IV Wie der Sohn Gottes Mensch ist

470 Da in der Fleischwerdung, dieser geheimnisvollen Vereinigung, „die menschliche Natur angenommen, nicht aufgehoben wurde“ (GS 22,2), sah sich die Kirche im Lauf der Jahrhunderte veranlasst, die volle Wirklichkeit der menschlichen Seele Christi, mit ihren Verstandes– und Willenstätigkeiten, wie auch seines menschlichen Leibes zu bekennen. Doch gleichzeitig musste sie jeweils daran erinnern, dass die menschliche Natur Christi der göttlichen Person des Sohnes Gottes angehört, von der sie angenommen worden ist. Alles, was Christus in seiner Person ist und tut, ist und tut „einer der Dreifaltigkeit“. Der Sohn Gottes teilt also seiner Menschennatur seine eigene, persönliche Daseinsweise in der Trinität mit. In seiner Seele wie in seinem Leibe bringt folglich Christus das Leben der heiligsten Dreifaltigkeit menschlich zum Ausdruck [Vgl. Joh 14, 9–10] (Vgl. dazu auch 516, 626):

„Denn er, der Sohn Gottes, hat ... mit menschlichen Händen ... gearbeitet, mit menschlichem Geist gedacht, mit einem menschlichen Willen gehandelt, mit einem menschlichen Herzen geliebt. Geboren von Maria, der Jungfrau, ist er in Wahrheit einer aus uns geworden, in allem uns gleich außer der Sünde“ (GS 22,2) (Vgl. dazu auch 2599).


Die menschliche Seele und die menschliche Erkenntnis Christi

471 Apollinaris von Laodizäa behauptete, in Christus sei das Wort an die Stelle der Seele oder des Geistes getreten. Gegenüber diesem Irrtum hat die Kirche bekannt, dass der ewige Sohn auch eine vernunftbegabte menschliche Seele angenommen hat [Vgl. DS 149] (Vgl. dazu auch 363).

472 Diese menschliche Seele, die der Sohn Gottes angenommen hat, ist mit wahrhaft menschlicher Erkenntnisfähigkeit begabt. Diese kann an sich nicht unbegrenzt sein: sie betätigte sich in den geschichtlichen Verhältnissen seines Daseins in Raum und Zeit. Deshalb wollte der Sohn Gottes, als er Mensch wurde, auch „an Weisheit und Alter und Gnade“ zunehmen (Lk 2,52). Er wollte das erfragen, was man als Mensch durch Erfahrung lernen muß [Vgl. z. B. Mk 6,38; 8,27; Joh 11,34]. Das entsprach seiner freiwilligen Annahme der „Knechtsgestalt“ (Phil 2,7).

473 Gleichzeitig aber kam in dieser wahrhaft menschlichen Erkenntnis des Sohnes Gottes das göttliche Leben seiner Person zum Ausdruck [Vgl. Gregor d. Gr.: DS 475]. „Die menschliche Natur des Sohnes Gottes kannte und bekundete in sich – nicht von sich aus, sondern aufgrund ihrer Vereinigung mit dem Wort – alles, was Gott zukommt“ (Maximus der Bekenner, qu. dub. 66). Das gilt in erster Linie von der unmittelbaren, innigen Kenntnis, die der menschgewordene Gottessohn von seinem Vater hat [Vgl. z. B. Mk 14,36; Mt 11,27; Joh 1,18; 8,55]. Der Sohn zeigte auch in seinem menschlichen Erkennen göttlichen Einblick in die geheimen Gedanken des Menschenherzens [Vgl. z.B. Mk 2,8; Joh 2,25; 6,61] (Vgl. dazu auch 240).

474 Weil Christus in der Person des menschgewordenen Wortes mit der göttlichen Weisheit vereint war, wußte seine menschliche Erkenntnis voll und ganz um die ewigen Ratschlüsse, die zu enthüllen er gekommen war [Vgl. Mk 8,31; 9,31; 10, 33–34; 14, 18–20. 26–30]. Von dem, was er in dieser Hinsicht nicht zu wissen gesteht [Vgl. Mk 13,32], erklärt er an anderer Stelle, er sei nicht beauftragt, es zu enthüllen [Vgl. Apg 1,7].


Der menschliche Wille Christi

475 Dementsprechend hat die Kirche auf dem sechsten Ökumenischen Konzil (3. K. v. Konstantinopel 681) ihren Glauben daran bekannt, dass Christus von Natur aus zwei Weisen des Wollens und Handelns – eine göttliche und eine menschliche – besitzt. Diese widerstreben einander nicht, sondern wirken so zusammen, dass das menschgewordene Wort im Gehorsam gegenüber seinem Vater als Mensch alles wollte, was es als Gott zusammen mit dem Vater und dem Heiligen Geist zu unserem Heil beschlossen hatte [Vgl. DS 556–559]. Der menschliche Wille Christi ist „folgsam und widerstrebt und widersetzt sich nicht, sondern ordnet sich seinem göttlichen und allmächtigen Willen unter“ (DS 556) (Vgl. dazu auch 2008, 2824).


Der wahre Leib Christi

476 Da das Wort Fleisch wurde und eine wahre Menschennatur annahm, war Christus „im Leib begrenzt“ [Vgl. Syn. im Lateran 649: DS 504]. Infolgedessen läßt sich das menschliche Antlitz Jesu „vor Augen stellen“ (Gal 3, 1). Auf dem siebten Ökumenischen Konzil (2. K. v. Nizäa 787) [Vgl. DS 600–603] hat die Kirche es als berechtigt anerkannt, Christus auf heiligen Bildern darzustellen. (Vgl. dazu auch 1159–1162, 2129–2132)

477 Die Kirche hat auch von jeher anerkannt, dass wir „in der sichtbaren Gestalt des Erlösers den unsichtbaren Gott erkennen“ (MR, Präfation von Weihnachten). In der Tat bringen die individuellen Besonderheiten des Leibes Christi die göttliche Person des Gottessohnes zum Ausdruck. Dieser hat sich die Züge seines menschlichen Leibes sosehr zu eigen gemacht, dass sie in einer Abbildung auf einem heiligen Bild verehrt werden dürfen, denn der Gläubige, der sein Bild verehrt, „verehrt in ihm die Person des darin Abgebildeten“ (2. K. v. Nizäa: DS 601).


Das Herz des menschgewordenen Wortes

478 Jesus hat während seines Lebens, seiner Todesangst am Ölberg und seines Leidens uns alle und jeden einzelnen gekannt und geliebt und sich für jeden von uns hingegeben: Der „Sohn Gottes“ hat „mich geliebt und sich für mich hingegeben“ (Gal 2,20). Er hat uns alle mit einem menschlichen Herzen geliebt. Aus diesem Grund wird das heiligste Herz Jesu, das durch unsere Sünden und um unseres Heiles willen durchbohrt wurde [Vgl. Joh 19,34], „als vorzügliches Kennzeichen und Symbol für jene .... Liebe angesehen, mit der der göttliche Erlöser den ewigen Vater und alle Menschen beständig liebt“ (Pius XII., Enz. „Haurietis aquas“: DS 3924) [Vgl. DS 3812] (Vgl. dazu auch 487, 368, 2669, 766).

KURZTEXTE

479 Zu der von Gott festgesetzten Zeit ist der eingeborene Sohn des Vaters, das ewige Wort und Wesensbild des Vaters, Fleisch geworden: er hat, ohne die göttliche Natur zu verlieren, die menschliche Natur angenommen.

480 Jesus Christus ist wahrer Gott und wahrer Mensch in der Einheit seiner göttlichen Person; deshalb ist er der einzige Mittler zwischen Gott und den Menschen.

481 Jesus Christus hat zwei Naturen, die göttliche und die menschliche; sie sind nicht miteinander vermischt, sondern in der einzigen Person des Sohnes Gottes vereint.

482 Da Christus wahrer Gott und wahrer Mensch ist, hat er einen menschlichen Verstand und einen menschlichen Willen. Diese stehen mit seinem göttlichen Verstand und göttlichen Willen, die er mit dem Vater und dem Heiligen Geist gemeinsam hat, völlig in Einklang und sind ihnen untergeordnet.

483 Die Inkarnation [Menschwerdung] ist somit das Mysterium der wunderbaren Vereinigung der göttlichen und der menschlichen Natur in der einen Person des Wortes.

ABSATZ 2: „... EMPFANGEN DURCH DEN HEILIGEN GEIST, GEBOREN VON DER JUNGFRAU MARIA“

I Empfangen durch den Heiligen Geist ...

484 Die Verkündigung an Maria eröffnet die „Fülle der Zeit“ (Gal 4,4): Die Verheißungen gehen in Erfüllung, die Vorbereitungen sind vollendet. Maria ist berufen, den zu empfangen, in dem „die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig“ wohnen wird (Kol 2,9). Die göttliche Antwort auf ihre Frage: „Wie soll das geschehen, da ich keinen Mann erkenne?“ (Lk 1,34) verweist auf die Macht des Geistes: „Der Heilige Geist wird über dich kommen“ (Lk 1,35) (Vgl. dazu auch 461, 721).

485 Die Sendung des Heiligen Geistes ist stets mit der des Sohnes verbunden und auf sie hingeordnet [Vgl. Joh 16,14–15]. Der Heilige Geist wird gesandt, um den Schoß der Jungfrau zu heiligen und göttlich zu befruchten; er, „der Herr ist und lebendig macht“, bewirkt, dass sie den ewigen Sohn des Vaters empfängt, der aus ihr die menschliche Natur annimmt (Vgl. dazu auch 689, 723).

486 Der eingeborene Sohn des Vaters, der im Schoß der Jungfrau Maria als Mensch empfangen wird, ist „Christus“, das heißt gesalbt durch den Heiligen Geist [Vgl. Mt 1,20; Lk 1,35], von Beginn seines menschlichen Daseins an, auch wenn das nur schrittweise kundgetan wird: zuerst den Hirten [Vgl. Lk2,8–20], dann den Sterndeutern [Vgl. Mt 2,1–12], Johannes dem Täufer [Vgl. Joh 1,31–34] und den Jüngern [Vgl. Joh 2,11]. Das ganze Leben Jesu wird offenbaren, dass ihn „Gott ... gesalbt hat mit dem Heiligen Geist und mit Kraft“ (Apg 10,38) (Vgl. dazu auch 437).

II ... geboren von der Jungfrau Maria

487 Was der katholische Glaube von Maria glaubt und lehrt, gründet auf dem Glauben an Christus, es erhellt aber auch den Glauben an Christus (Vgl. dazu auch 963).


Die Vorherbestimmung Marias

488 „Gott hat seinen Sohn gesandt“ (Gal 4,4). Um aber diesem „einen Leib zu bereiten“ (Hebr 10,5), sollte nach seinem Willen ein Geschöpf in Freiheit mitwirken. Zu der Aufgabe, Mutter seines Sohnes zu sein, hat Gott von aller Ewigkeit her eine Tochter Israels, eine junge Jüdin aus Nazaret in Galiläa, auserwählt, eine Jungfrau, die „mit einem Mann namens Josef verlobt [war], der aus dem Haus David stammte. Der Name der Jungfrau war Maria“ (Lk 1,26–27).

„Der Vater der Erbarmungen wollte, dass vor der Menschwerdung die vorherbestimmte Mutter ihr empfangendes Ja sagte, damit auf diese Weise so, wie eine Frau zum Tode beigetragen hat, auch eine Frau zum Leben beitrüge“ (LG 56) [Vgl. LG 61].

489 Während des ganzen Alten Bundes wurde die Berufung Marias durch die Sendung heiliger Frauen vorbereitet. Trotz ihres Ungehorsams wird Eva schon zu Beginn verheißen, sie werde einen Nachkommen erhalten, der den Bösen besiegen [Vgl. Gen 3,15] werde, und die Mutter aller Lebendigen sein [Vgl. Gen 3,20]. Kraft dieser Verheißung empfängt Sara trotz ihres hohen Alters einen Sohn [Vgl. Gen 18,10–14; 21,1–2]. Wider alle menschliche Erwartung wählt Gott das, was als machtlos und schwach gilt [Vgl. 1 Kor 1,27], um zu zeigen dass er seiner Verheißung treu bleibt: Hanna, die Mutter Samuels [10 Vgl. 1 Sam 1], Debora, Rut, Judit und Ester sowie viele andere Frauen. Maria „ragt unter den Demütigen und Armen des Herrn hervor, die das Heil mit Vertrauen von ihm erhoffen und empfangen. Mit ihr als der erhabenen Tochter Sion ist schließlich nach langer Erwartung der Verheißung die Zeit erfüllt und hat die neue Heilsökonomie begonnen“ (LG 55) (Vgl. dazu auch 722, 410, 145, 64).


Die unbefleckte Empfängnis

490 Da Maria zur Mutter des Erlösers ausersehen war, „ist sie von Gott mit den einer solchen Aufgabe entsprechenden Gaben beschenkt worden“ (LG 56). Bei der Verkündigung grüßt sie der Engel als „voll der Gnade“ (Lk 1,28). Um zur Ankündigung ihrer Berufung ihre freie Glaubenszustimmung geben zu können, musste sie ganz von der Gnade Gottes getragen sein (Vgl. dazu auch 2676, 2853, 2001).

491 Im Laufe der Jahrhunderte wurde sich die Kirche bewusst, dass Maria, von Gott „mit Gnade erfüllt“ (Lk 1,28), schon bei ihrer Empfängnis erlöst worden ist. Das bekennt das Dogma von der unbefleckten Empfängnis, das 1854 von Papst Pius IX. verkündigt wurde (Vgl. dazu auch 411):

„... dass die seligste Jungfrau Maria im ersten Augenblick ihrer Empfängnis durch die einzigartige Gnade und Bevorzugung des allmächtigen Gottes im Hinblick auf die Verdienste Christi Jesu, des Erlösers des Menschengeschlechtes, von jeglichem Makel der Urschuld unversehrt bewahrt wurde“(DS 2803).

492 Dass sie „vom ersten Augenblick ihrer Empfängnis an im Glanz einer einzigartigen Heiligkeit“ erstrahlt (LG 56), kommt ihr nur Christi wegen zu: Sie wurde im „Hinblick auf die Verdienste ihres Sohnes auf erhabenere Weise erlöst“ (LG 53). Mehr als jede andere erschaffene Person hat der Vater sie „mit allem Segen seines Geistes gesegnet durch [die] Gemeinschaft mit Christus im Himmel“ (Eph 1,3). Er hat sie erwählt vor der Erschaffung der Welt, damit sie in Liebe heilig und untadelig vor ihm lebe [Vgl. Eph 1,4] (Vgl. dazu auch 2011, 1077).

493 Die ostkirchlichen Väter nennen die Gottesmutter „die Ganzheilige“ [Panhagia]; sie preisen sie als „von jeder Sündenmakel frei, gewissermaßen vom Heiligen Geist gebildet und zu einer neuen Kreatur gemacht“ (LG 56). Durch die Gnade Gottes ist Maria während ihres ganzen Lebens frei von jeder persönlichen Sünde geblieben.


„Mir geschehe nach deinem Wort ...

494 Auf die Ankündigung, dass sie durch die Kraft des Heiligen Geistes den „Sohn des Höchsten“ gebären werde, ohne einen Mann zu erkennen [Vgl. Lk 1,28–37], antwortete Maria im „Gehorsam des Glaubens“ (Röm 1,5), in der Gewissheit, dass „für Gott nichts unmöglich“ ist: „Ich bin die Magd des Herrn, mir geschehe nach deinem Wort“ (Lk 1,37–38). Indem Maria dem Worte Gottes ihre Zustimmung gab, wurde sie zur Mutter Jesu. Sie machte sich aus ganzem Herzen, ohne dass eine Sünde sie davon abgehalten hätte, den göttlichen Heilswillen zu eigen und gab sich ganz der Person und dem Werk ihres Sohnes hin, um mit der Gnade Gottes in Abhängigkeit vom Sohn und in Verbundenheit mit ihm dem Erlösungsgeheimnis zu dienen [Vgl. LG 56] (Vgl. dazu auch 2617, 148, 968).

„Der hl. Irenäus sagt, dass sie ,in ihrem Gehorsam für sich und das ganze Menschengeschlecht Ursache des Heils geworden ist‘. Deshalb sagen nicht wenige der alten Väter gern, ,dass der Knoten des Ungehorsams der Eva gelöst worden sei durch den Gehorsam Marias; und was die Jungfrau Eva durch den Unglauben gebunden hat, das habe die Jungfrau Maria durch den Glauben gelöst‘. Im Vergleich mit Eva nennen sie Maria ,die Mutter der Lebendigen‘ und öfters betonen sie: ,Der Tod kam durch Eva, das Leben durch Maria“‘ (LG 56) (Vgl. dazu auch 726).


Die Gottesmutterschaft Marias

495 In den Evangelien wird Maria „die Mutter Jesu“ genannt (Joh 2,1;19,25) [Vgl. Mt 13,55 u.a]. Weil der Heilige Geist dazu anregt, wird sie schon vor der Geburt ihres Sohnes als „die Mutter meines Herrn“ bejubelt (Lk 1,43). Der, den sie durch den Heiligen Geist als Menschen empfangen hat und der dem Fleische nach wirklich ihr Sohn geworden ist, ist ja kein anderer als der ewige Sohn des Vaters, die zweite Person der heiligsten Dreifaltigkeit. Die Kirche bekennt, dass Maria wirklich Mutter Gottes [Theotokos, Gottesgebärerin] ist [Vgl. DS 251] (Vgl. dazu auch 466, 2677).


Die Jungfräulichkeit Marias

496 Schon in den ersten Formulierungen des Glaubens [Vgl. DS 10–64] hat die Kirche bekannt, dass Jesus einzig durch die Kraft des Heiligen Geistes im Schoß der Jungfrau Maria empfangen wurde. Auch der leibliche Aspekt dieses Geschehens wurde mitausgesagt: Sie hat Jesus „ohne Samen aus Heiligem Geist empfangen“ (Syn. im Lateran 649: DS 503). Die Väter sehen in der jungfräulichen Empfängnis das Zeichen dafür, dass wirklich der Sohn Gottes in eine uns gleiche menschliche Natur kam.

So sagt der hl. Ignatius von Antiochien [zu Beginn des 2. Jahrhunderts]: „Ihr seid vollkommen überzeugt von unserem Herrn, der wirklich aus dem Geschlecht Davids stammt nach dem Fleische [Vgl. Röm 1,3], Sohn Gottes nach Gottes Willen und Macht [Vgl. Joh 1,13], wirklich geboren aus einer Jungfrau ..., wirklich unter Pontius Pilatus ... angenagelt für uns im Fleische ..., und wirklich litt er, wie er sich auch wirklich auferweckte“ (Smyrn. 1–2).

497 Die Berichte in den Evangelien [Vgl. Mt 1,18–25; Lk 1,26–38] fassen die jungfräuliche Empfängnis als ein Werk Gottes auf, das über jedes menschliche Verständnis und Vermögen hinausgeht [Vgl. Lk 1,34]. Der Engel sagt zu Josef von Maria, seiner Braut: „Das Kind, das sie erwartet, ist vom Heiligen Geist“ (Mt 1,20). Die Kirche erblickt darin die Erfüllung der Verheißung, die Gott durch den Propheten Jesaja gegeben hat: „Seht, die Jungfrau wird ein Kind empfangen, einen Sohn wird sie gebären“ (Jes 7,14) [Nach der griechischen Übersetzung in Mt 1,23].

498 Man war manchmal verunsichert, weil das Markusevangelium und die Briefe des Neuen Testamentes nichts von der jungfräulichen Empfängnis Marias sagen. Man hat auch gefragt, ob es sich hier nicht um Legenden oder um theologische Konstrukte handelt, die nicht Anspruch auf Geschichtlichkeit erheben. Darauf ist zu antworten:

Der Glaube an die jungfräuliche Empfängnis ist bei Nichtchristen, Juden wie Heiden, auf lebhaften Widerspruch, Gespött und Unverständnis gestoßen [Vgl. etwa Justin, dial. 99,7; Origenes, Cels. 1,32.69]; er war also nicht durch die heidnische Mythologie oder irgendeine Angleichung an zeitgenössische Ideen motiviert. Der Sinn dieses Geschehens ist nur für den Glauben erfaßbar, der es „aufgrund des Zusammenhanges der Geheimnisse selbst untereinander“ (DS 3016) im Ganzen der Mysterien Christi, von seiner Menschwerdung bis Ostern, sieht. Schon der hl. Ignatius von Antiochien bezeugt diesen Zusammenhang: „Es blieb dem Fürsten dieser Welt die Jungfrauschaft Marias und ihre Niederkunft verborgen, ebenso auch der Tod des Herrn – drei laut rufende Geheimnisse, die in Gottes Stille geschahen“ (Eph. 19, 1) [Vgl. 1 Kor 2,8] (Vgl. dazu auch 90, 2717).


Maria – „allzeit Jungfrau“

499 Ein vertieftes Verständnis ihres Glaubens an die jungfräuliche Mutterschaft Marias führte die Kirche zum Bekenntnis, dass Maria stets wirklich Jungfrau geblieben ist [Vgl. DS 427], auch bei der Geburt des menschgewordenen Gottessohnes [Vgl. DS 291; 294; 442; 503; 571; 1880]. Durch seine Geburt hat ihr Sohn „ihre jungfräuliche Unversehrtheit nicht gemindert, sondern geheiligt“ (LG 57). Die Liturgie der Kirche preist Maria als die „allzeit Jungfräuliche“ [Aeiparthenos] [Vgl. LG 52].

500 Man wendet manchmal dagegen ein, in der Schrift sei von Brüdern und Schwestern Jesu die Rede [Vgl. Mk 3,31–35; 6,3;1 Kor 9,5; Gal 1,19]. Die Kirche hat diese Stellen immer in dem Sinn verstanden, dass sie nicht weitere Kinder der Jungfrau Maria betreffen. In der Tat sind Jakobus und Josef, die als „Brüder Jesu“ bezeichnet werden (Mt 13,55), die Söhne einer Maria, welche Jüngerin Jesu war [Vgl. Mt 27,56] und bezeichnenderweise „die andere Maria“ genannt wird (Mt 28,1). Gemäß einer bekannten Ausdrucksweise des Alten Testamentes [Vgl. z.B. Gen 13,8; 14,16; 29,15] handelt es sich dabei um nahe Verwandte Jesu.

501 Jesus ist der einzige Sohn Marias. Die geistige Mutterschaft Marias aber [Vgl. Joh 19,26–27; Offb 12,17] erstreckt sich auf alle Menschen, die zu retten Jesus gekommen ist: „Sie gebar einen Sohn, den Gott zum ,Erstgeborenen unter vielen Brüdern‘ (Röm 8,29) gesetzt hat, den Gläubigen nämlich, bei deren Geburt und Erziehung sie in mütterlicher Liebe mitwirkt“ (LG 63) (Vgl. dazu auch 969, 970).


Die jungfräuliche Mutterschaft Marias im Ratschluss Gottes

502 Im Zusammenhang mit der Gesamtheit der Offenbarung kann der Blick des Glaubens die geheimnisvollen Gründe dafür entdecken, warum Gott in seinem Heilsplan gewollt hat, dass sein Sohn von einer Jungfrau geboren werde. Diese Gründe betreffen sowohl die Person und die Erlösungssendung Christi als auch die Annahme dieser Sendung durch Maria für alle Menschen (Vgl. dazu auch 90).

503 Die Jungfräulichkeit Marias zeigt, dass Gott bei der Menschwerdung die absolute Initiative hat. Jesus hat nur Gott zum Vater [Vgl. Lk 2,48–49]. Er war „niemals wegen des Menschen, den er angenommen hat, dem Vater fremd ...: [Er ist] natürlicher [Sohn] dem Vater der Gottheit nach, natürlicher [Sohn] der Mutter der Menschheit nach, jedoch eigentlicher [Sohn] dem Vater in beidem“ (Syn. v. Friaul 696: DS 619) (Vgl. dazu auch 422)

504 Jesus ist im Schoß der Jungfrau Maria deshalb durch den Heiligen Geist empfangen, weil er der neue Adam [Vgl. 1 Kor 15,45] ist, der die neue Schöpfung eröffnet: „Der Erste Mensch stammt von der Erde und ist Erde; der Zweite Mensch stammt vom Himmel“ (1 Kor 15,47). Die menschliche Natur Christi ist von seiner Empfängnis an vom Heiligen Geist erfüllt, denn Gott „gibt den Geist unbegrenzt“ (Joh 3,34). „Aus seiner Fülle“ – des Hauptes der erlösten Menschheit [Vgl. Kol 1,18] – „haben wir alle empfangen, Gnade über Gnade“ (Joh 1,16) (Vgl. dazu auch 359.

505 Jesus, der neue Adam, leitet durch seine jungfräuliche Empfängnis die neue Geburt ein, die im Heiligen Geist durch den Glauben Menschen zu Kindern Gottes macht. „Wie soll das geschehen?“ (Lk 1,34) [Vgl. Joh 3,9]. Die Teilhabe am göttlichen Leben kommt „nicht aus dem Blut, nicht aus dem Willen des Fleisches, nicht aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott“ (Joh 1,13). Dieses Leben wird jungfräulich empfangen, denn es wird dem Menschen gänzlich durch den Geist geschenkt. Der bräutliche Charakter der Berufung des Menschen zu Gott [Vgl. 2 Kor 11,2] ist in der jungfräulichen Mutterschaft Marias vollkommen verwirklicht (Vgl. dazu auch 1265).

506 Maria ist Jungfrau, weil ihre Jungfräulichkeit Zeichen ihres Glaubens ist, „der durch keinen Zweifel verfälscht war“ (LG 63), und wegen ihrer ungeteilten Hingabe an den Willen Gottes [Vgl. 1 Kor 7,34–35]. Dank ihres Glaubens kann sie die Mutter des Erlösers werden: „Seliger ist Maria im Empfangen des Glaubens an Christus als in der Empfängnis des Fleisches Christi“ (Augustinus, virg. 3) (Vgl. dazu auch 148, 1814).

507 Maria ist Jungfrau und Mutter zugleich, weil sie das Inbild der Kirche und Kirche im Vollsinn ist [Vgl. LG 63]: Die Kirche wird „durch die gläubige Annahme des Wortes Gottes ... auch selbst Mutter: Denn durch Predigt und Taufe gebiert sie Kinder, die vom Heiligen Geist empfangen und aus Gott geboren sind, zu neuem und unsterblichem Leben. Auch sie selbst ist Jungfrau, die das Treuewort, das sie dem Bräutigam gegeben hat, unversehrt und rein hält“ (LG 64) (Vgl. dazu auch 967, 149).

KURZTEXTE

508 Unter den Nachkommen Evas hat Gott die Jungfrau Maria zur Mutter seines Sohnes erwählt. „Voll der Gnade“ ist sie „die erhabenste Frucht der Erlösung“ (SC 103). Sie ist vom ersten Augenblick ihrer Empfängnis an von der Befleckung durch die Erbsünde gänzlich bewahrt worden und während ihres ganzen Lebens ohne jede persönliche Sünde geblieben.

509 Maria ist wahrhaft „Mutter Gottes“, denn sie ist die Mutter des menschgewordenen ewigen Sohnes Gottes, der selbst Gott ist.

510 Maria „ist Jungfrau geblieben, als sie ihren Sohn empfing, Jungfrau, als sie ihn gebar, Jungfrau, als sie ihn trug, Jungfrau, als sie an ihrer Brust nährte. Allzeit Jungfrau“ (Augustinus, serm. 186,1). Mit ihrem ganzen Wesen ist sie „die Magd des Herrn“ (Lk 1,38).

511 Die Jungfrau Maria „hat in freiem Glauben und Gehorsam zum Heil der Menschen mitgewirkt“ (LG 56). Sie hat „als Vertreterin der gesamten Menschennatur“ (Thomas v. A., s. th. 3,30,1) ihr Jawort gesprochen. Durch ihren Gehorsam ist sie zur neuen Eva, zur Mutter der Lebendigen geworden.

ABSATZ 3: DIE MYSTERIEN DES LEBENS CHRISTI

512 Aus dem Leben Christi nennt das Glaubensbekenntnis nur die Mysterien der Menschwerdung (Empfängnis und Geburt) und des Pascha (Leiden, Kreuzigung, Tod, Begräbnis, Hinabstieg zu den Toten, Auferstehung, Himmelfahrt). Von den Mysterien des verborgenen und öffentlichen Lebens ist nicht ausdrücklich die Rede. Die Glaubensartikel aber, die die Menschwerdung und das Pascha Jesu betreffen, erhellen das ganze Erdenleben Christi; „alles ..., was Jesus von Anfang an getan und gelehrt hat, bis zu dem Tag, an dem er [in den Himmel] aufgenommen wurde“ (Apg 1,1–2), ist im Licht des Weihnachts– und des Ostermysteriums zu sehen (Vgl. dazu auch 1163).

513 Die Katechese soll, den jeweiligen Umständen entsprechend, den ganzen reichen Sinngehalt der Mysterien Jesu entfalten. Hier ist nur auf einzelne Elemente hinzuweisen, die allen Mysterien des Lebens Christi gemeinsam sind (I); dann werden die Hauptmysterien des verborgenen (II) und des öffentlichen (III) Lebens Jesu kurz dargelegt (Vgl. dazu auch 426, 561).

I Das ganze Leben Christi ist Mysterium

514 Vieles, was menschliche Wißbegierde von Jesus erfahren möchte, findet sich in den Evangelien nicht. Über sein Leben in Nazaret wird fast nichts gesagt, und selbst von einem großen Teil seines öffentlichen Lebens ist nichts berichtet [Vgl. Joh 20,30]. Was in den Evangelien aufgezeichnet wurde, ist „aufgeschrieben, damit ihr glaubt, dass Jesus der Messias ist, der Sohn Gottes, und damit ihr durch den Glauben das Leben habt in seinem Namen“ (Joh 20,31).

515 Die Evangelien sind von Menschen geschrieben, die unter den ersten Glaubenden waren [Vgl. Mk 1,1; Joh 21,24] und den Glauben anderen mitteilen wollten. Da sie im Glauben wußten, wer Jesus ist, konnten sie in seinem ganzen Erdenleben die Spuren seines innersten Geheimnisses sehen und andere darauf hinweisen. Im Leben Jesu ist alles – von den Windeln bei seiner Geburt [Vgl. Lk 2,7] bis zum Essig bei seinem Leiden [Vgl. Mt 27,48] und zum Grabtuch bei seiner Auferstehung [Vgl. Joh 20,7] – Zeichen seines innersten Geheimnisses. Durch seine Taten, seine Wunder, seine Worte wurde offenbar, dass in ihm „die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig“ wohnt (Kol 2,9). Sein Menschsein erscheint so als das „Sakrament“, das heißt als Zeichen und Werkzeug seiner Gottheit und des Heils, das er bringt: Was in seinem Leben zu sehen war, verwies auf das unsichtbare Mysterium seiner Gottessohnschaft und seines Erlösungsauftrags (Vgl. dazu auch 126, 609, 774, 477).


Die gemeinsamen Grundzüge der Mysterien Jesu

516 Das ganze Leben Jesu – seine Worte und Taten, sein Schweigen und seine Leiden, seine Art, zu sein und zu sprechen – ist Offenbarung des Vaters. Jesus kann sagen: „Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen“ (Joh 14,9), und der Vater: „Das ist mein geliebter Sohn; auf ihn sollt ihr hören“ (Mk 9,7). Da Christus Mensch geworden war, um den Willen des Vaters zu erfüllen [Vgl. Hebr 10,5–7], offenbaren uns schon die geringsten Einzelheiten seines Daseins „die Liebe Gottes ... unter uns“ (1 Joh 4,9) (Vgl. dazu auch 65, 2708).

517 Das ganze Leben Christi ist Erlösungsgeheimnis. Die Erlösung wird uns vor allem durch das am Kreuz vergossene Blut zuteil [Vgl. Eph 1,7; Kol 1, 13–14; 1 Petr 1,18–19], aber dieses Mysterium ist im ganzen Leben Jesu am Werk: schon in seiner Menschwerdung, in der er arm wird, um uns durch seine Armut zu bereichern [Vgl. 2 Kor 8,9]; in seinem verborgenen Leben, das durch seinen Gehorsam [Vgl. Lk 2,51] unseren Ungehorsam sühnt; in seinem Wort, das seine Zuhörer läutert [Vgl. Joh 15,3]; in seinen Heilungen und Exorzismen, in denen er „unsere Leiden auf sich genommen und unsere Krankheiten getragen“ hat (Mt 8,17) [Vgl. Jes 53,4]; in seiner Auferstehung, durch die er uns gerecht macht [Vgl. Röm 4,25] (Vgl. dazu auch 606, 115).

518 Das ganze Leben Christi ist ein Mysterium der erneuten Zusammenfassung von allem unter ein Haupt. Alles, was Jesus getan, gesagt und gelitten hat, war dazu bestimmt, den gefallenen Menschen wieder in seine ursprüngliche Berufung zu versetzen (Vgl. dazu auch 668, 2748):

„Indem er durch die Inkarnation Mensch wurde, faßte er die lange Entwicklung der Menschen in sich zusammen und gab uns in dieser Zusammenfassung das Heil, damit wir unser Sein nach dem Bilde und Gleichnis Gottes, das wir in Adam verloren hatten, in Christus Jesus wiedererlangen würden“ (Irenäus, hær. 3,18,1). „Deshalb durchlief Christus auch jede Altersstufe, um für alle die Gemeinschaft mit Gott wiederherzustellen“ (hær. 3,18,7) [Vgl. hær. 2,22,4].


Unsere Teilhabe an den Mysterien Jesu

519 Der ganze „Reichtum Christi soll jedem Menschen zur Verfügung stehen und zum Besitz jedes einzelnen werden“ (RH 11). Christus hat sein Leben nicht für sich gelebt, sondern für uns – von seiner Fleischwerdung „für uns Menschen und zu unserem Heil“ bis zu seinem Tod „für unsere Sünden“ (1 Kor 15,3) und seiner Auferstehung „wegen unserer Gerechtmachung“ (Röm 4,25). Auch jetzt noch ist er unser „Beistand beim Vater“ (1 Joh 2,1), „denn er lebt allezeit, um für (uns) einzutreten“ (Hebr 7,25). Mit allem, was er ein für allemal für uns gelebt und gelitten hat, weilt er nun für immer „für uns vor Gottes Angesicht“ (Hebr 9,24) (Vgl. dazu auch 793, 602, 1085).

520 In seinem ganzen Leben erweist sich Jesus als unser Vorbild [Vgl. Röm 15,5; Phil 2,5]: Er ist der „vollkommene Mensch“ (GS 38), der uns einlädt, seine Jünger zu werden und ihm nachzufolgen. Durch seinen demütigen Dienst hat er uns ein Beispiel zur Nachahmung gegeben [Vgl. Joh 13,15], durch sein Beten regt er uns zum Beten an [Vgl. Lk 11,1], durch seine Armut fordert er uns auf, Entbehrung und Verfolgungen bereitwillig auf uns zu nehmen [Vgl. Mt 5,11–12] (Vgl. dazu auch 459, 359, 2607).

521 Alles, was Christus gelebt hat, läßt er uns in ihm leben, und er lebt es in uns. „Denn er, der Sohn Gottes, hat sich in seiner Fleischwerdung gewissermaßen mit jedem Menschen vereinigt“ (GS 22,2). Wir sollen mit ihm eines Wesens werden; er läßt uns als die Glieder seines Leibes an dem teilnehmen, was er in seinem Fleisch für uns und als unser Vorbild gelebt hat (Vgl. dazu auch 2715, 1391).

„Wir müssen die Zustände und Mysterien Jesu in uns weiter und zu Ende führen und ihn oft bitten, er solle sie in uns und in seiner ganzen Kirche vollenden und vollbringen ... Der Sohn Gottes hat nämlich vor, durch die Gnaden, die er durch diese Mysterien uns mitteilen, und durch die Wirkungen, die er durch sie in uns hervorbringen will, uns an seinen Mysterien teilhaben zu lassen, sie gleichsam auszudehnen und sie in uns und in seiner ganzen Kirche gewissermaßen weiterzuführen. Und auf diesem Weg will er sie in uns zu Ende führen“ (Johannes Eudes, regn.).

II Die Mysterien der Kindheit und des Verborgenen Lebens Jesu

Die Vorbereitungen

522 Das Kommen des Gottessohnes auf die Erde ist ein so gewaltiges Ereignis, dass es Gott durch Jahrhunderte hindurch vorbereiten wollte. All die Riten und Opfer, die Gestalten und Sinnbilder des „ersten Bundes“ (Hebr 9,15) läßt er auf Christus zulaufen; er kündigt ihn an durch den Mund der Propheten, die in Israel aufeinander folgen. Zudem weckt er im Herzen der Heiden eine dunkle Ahnung dieses Kommens (Vgl. dazu auch 711, 762).

523 Der hl. Johannes der Täufer ist der unmittelbare Vorläufer [Vgl. Apg 13,24] des Herrn; er ist gesandt, um ihm den Weg zu bereiten [Vgl. Mt 3,3]. Als „Prophet des Höchsten“ (Lk 1,76) überragt er alle Propheten [Vgl. Lk 7,26]. Er ist der letzte von ihnen [Vgl. Mt 11,13] und leitet zum Evangelium über [Vgl. Apg 1,22; Lk 16,16]. Er frohlockt schon im Mutterschoß über das Kommen Christi [Vgl. Lk l,41] und findet seine Freude darin, „der Freund des Bräutigams“ zu sein (Joh 3,29), den er als „das Lamm Gottes“ bezeichnet, „das die Sünde der Welt hinwegnimmt“ (Joh 1,29). Er geht Jesus voran „mit dem Geist und mit der Kraft des Elija“ (Lk 1,17) und legt durch seine Predigt, seine Bußtaufe und schließlich durch sein Martyrium [Vgl. Mk 6,17–29] für ihn Zeugnis ab (Vgl. dazu auch 717–720).

524 In der alljährlichen Feier der Adventsliturgie läßt die Kirche diese Messiaserwartung wieder aufleben; die Gläubigen nehmen dadurch an der langen Vorbereitung auf das erste Kommen des Erlösers teil und erneuern in sich die Sehnsucht nach seiner zweiten Ankunft [Vgl. Offb 22,17] Durch die Feier der Geburt und des Martyriums des Vorläufers vereint sich die Kirche mit dessen Verlangen: „Er muß wachsen, ich aber muß kleiner werden“ (Joh 3,30) (Vgl. dazu auch 1171).


Das Weihnachtsmysterium

525 Jesus kam in der Armseligkeit eines Stalles zur Welt, in einer unbegüterten Familie [Vgl. Lk 2,6–7]; schlichte Hirten sind die ersten Zeugen des Ereignisses. In dieser Armut erstrahlt die Herrlichkeit des Himmels [Vgl. Lk 2,8–20]. Die Kirche wird nicht müde, die Herrlichkeit dieser Nacht zu besingen (Vgl. dazu auch 437, 2443):

Die Jungfrau bringt heute den Ewigen zur Welt,
und die Erde bietet dem Unzugänglichen eine Höhle.
Die Engel und die Hirten preisen ihn
und die Weisen nahen sich mit dem Stern,
denn du bist für uns geboren,
du kleines Kind, du ewiger Gott!

(Kontakion von Romanos dem Meloden)

526 Vor Gott „Kind zu werden“ ist die Voraussetzung, um in das Gottesreich einzutreten [Vgl. Mt l8,3–4]. Dazu muß man sich erniedrigen [Vgl. Mt 23,12], kleinwerden; mehr noch: man muß „von neuem geboren werden“ (Joh 3,7), „aus Gott geboren“ werden (Joh 1,13), um „Kind Gottes zu werden“ (Joh 1,12). Das Weihnachtsgeheimnis vollzieht sich in uns, wenn Christus in uns „Gestalt annimmt“ (Gal 4,19). Weihnachten ist das Mysterium des „wundersamen Tausches“:

„O wunderbarer Tausch! Der den Menschen erschuf, nimmt menschliches Leben an und wird aus der Jungfrau geboren. Von keinem Mann gezeugt, kommt er in die Welt und schenkt uns göttliches Leben“ (LH Antiphon der Vespern vom 1. Januar).


Die Mysterien der Kindheit Jesu

527 Die Beschneidung Jesu am achten Tag nach seiner Geburt [Vgl. Lk 2,21] ist Zeichen dafür, dass er in die Nachkommenschaft Abrahams, in das Bundesvolk eingegliedert, dem Gesetz unterworfen [Vgl. Gal 4,4] und zum Kult Israels bestellt ist, an dem er während seines ganzen Lebens teilnehmen wird. Sie ist ein Vorzeichen der „Beschneidung, die Christus gegeben hat“: „der Taufe“ (Kol 2,11–12) (Vgl. dazu auch 580, 1214).

528 Die Epiphanie [Erscheinung des Herrn] ist die Offenbarung Jesu als Messias Israels, als Sohn Gottes und Erlöser der Welt bei seiner Taufe im Jordan, bei der Hochzeit von Kana und bei der Anbetung Jesu durch die „Sterndeuter aus dem Osten“ (Mt 2, 1) [Vgl. LH, Antiphonen vom Benedictus der Laudes und vom Magnificat der 2. Vesper von Epiphanie]. In diesen „Weisen“, den Vertretern der heidnischen Religionen der Umwelt, sieht das Evangelium die Erstlinge der Nationen, welche die frohe Botschaft vom Heilsereignis der Menschwerdung empfangen. Dass die Weisen nach Jerusalem kommen, „um [dem König der Juden] zu huldigen“ (Mt 2,2), zeigt, dass sie im messianischen Licht des Davidsterns [Vgl. Num 24,17; Offb 22,16] in Israel nach dem suchen, der König der Völker sein wird [Vgl. Num 24, 17–19]. Ihr Kommen bedeutet, dass die Heiden nur dann Jesus entdecken und ihn als Sohn Gottes und Heiland der Welt anbeten können, wenn sie sich an die Juden wenden [Vgl. Joh 4,22] und von ihnen die messianische Verheißung empfangen, wie sie im Alten Testament enthalten ist [Vgl. Mt 2,4–6]. Die Epiphanie bekundet, dass „alle Heiden in die Familie der Patriarchen eintreten“ (Leo d. Gr., serm. 23) und die „Würde Israels“ erhalten sollen (MR, Osternacht 26: Gebet nach der 3. Lesung) (Vgl. dazu auch 439, 711–716, 122).

529 Die Darstellung Jesu im Tempel [Vgl. Lk 2,22–29] zeigt ihn als den Erstgeborenen, der dem Herrn gehört [Vgl. Ex 13,12–13]. In Simeon und Anna kommt es zur Begegnung (so nennt die byzantinische Tradition dieses Fest) der ganzen Erwartung Israels mit seinem Erlöser. Jesus wird als der langerwartete Messias, als „Licht der Völker“ und „Herrlichkeit Israels“ erkannt, aber auch als „Zeichen, dem widersprochen wird“. Das Schwert des Schmerzes, das Maria vorausgesagt wird, kündigt jene andere, vollkommene und einzigartige „Darbringung“ am Kreuz an, die das Heil schenken wird, „das Gott vor allen Völkern bereitet hat“ (Vgl. dazu auch 583, 439, 614).

530 Die Flucht nach Ägypten und die Ermordung der unschuldigen Kinder [Vgl. Mt 2,13–18] zeigen den Widerstand der Finsternis gegen das Licht: „Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf“ (Joh 1,11). Das ganze Leben Christi wird unter dem Zeichen der Verfolgung stehen. Seine Jünger teilen dieses Los [Vgl. Joh 15,20]. Seine Rückkehr [Vgl. Mt 2,15] erinnert an den Auszug aus Ägypten [Vgl. Hos 11,1] und stellt Jesus als den endgültigen Befreier vor (Vgl. dazu auch 574).


Die Mysterien des verborgenen Lebens Jesu

531 Während des größten Teils seines Lebens hat Jesus das Los der meisten Menschen geteilt: ein alltägliches Leben ohne äußere Größe, ein Handwerkerleben, ein jüdisch religiöses Leben, das dem Gesetz Gottes unterstand [Vgl. Gal 4,4], ein Leben in einer Dorfgemeinschaft. Von dieser ganzen Periode ist uns nur das geoffenbart, dass Jesus seinen Eltern „untertan“ war und zunahm „an Weisheit und Alter und Gnade vor Gott und den Menschen“ (Lk 2,51–52) (Vgl. dazu auch 2427).

532 In seiner Unterordnung unter seine Mutter und seinen Pflegevater erfüllte Jesus das vierte Gebot voll und ganz. Sie war das irdische Bild seines Sohnesgehorsams gegenüber seinem himmlischen Vater. Die alltägliche Unterwerfung Jesu unter Josef und Maria kündigte seine Unterwerfung am Gründonnerstag an und nahm sie vorweg: „Nicht mein Wille ...“ (Lk 22,42). Mit dem Gehorsam Christi im Alltag des verborgenen Lebens begann schon die Wiederherstellung dessen, was der Ungehorsam Adams zerstört hatte [Vgl. Röm 5,19] (Vgl. dazu auch 2214–2220, 612).

533 Das verborgene Leben in Nazaret ermöglicht jedem Menschen, in den alltäglichsten Dingen in Gemeinschaft mit Jesus zu sein:

„Das Haus von Nazaret ist eine Schule, in der man beginnt, das Leben Christi zu verstehen. Es ist die Schule des Evangeliums ... Sie lehrt zunächst das Schweigen. Möge in uns eine große Wertschätzung des Schweigens lebendig werden ... dieser bewundernswerten und notwendigen Geisteshaltung ... Hier lernen wir, wie wichtig das häusliche Leben ist. Nazaret gemahnt uns an das, was eine Familie ist, an ihre Gemeinschaft in Liebe, an ihre Würde, ihre strahlende Schönheit, ihre Heiligkeit und Unverletzlichkeit ... Schließlich lernen wir hier die zuchtvolle Ordnung der Arbeit. 0 Lehrstuhl von Nazaret, Haus des Handwerkersohnes! Hier möchte ich das strenge, aber erlösende Gesetz menschlicher Arbeit erkennen und feiern ... Schließlich möchte ich hier den Arbeitern der ganzen Welt Segen wünschen und ihnen das große Vorbild zeigen, den göttlichen Bruder“ (Paul VI., Ansprache vom 5. Januar 1964 in Nazaret) (Vgl. dazu auch 2717, 2204, 2427).

534 Das Wiederfinden Jesu im Tempel [Vgl. Lk 2,41–52] ist das einzige Ereignis, das das Schweigen der Evangelien über die verborgenen Jahre Jesu unterbricht. Jesus läßt darin das Mysterium seiner ganzen Hingabe an die Sendung erahnen, die sich aus seiner Gottessohnschaft ergibt: „Wußtet ihr nicht, dass ich in dem sein muß, was meines Vaters ist?“ Maria und Josef verstanden diesen Ausspruch nicht, aber sie nahmen ihn im Glauben an, und Maria „bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen“ – während all der Jahre, in denen Jesus in der Stille eines gewöhnlichen Lebens verborgen blieb (Vgl. dazu auch 583, 2599, 964).

III Die Mysterien des öffentlichen Lebens Jesu

Die Taufe Jesu

535 Zu Beginn [Vgl. Lk 3,23] seines öffentlichen Lebens ließ sich Jesus von Johannes im Jordan taufen [Vgl. Apg 1,22]. Johannes verkündete „Umkehr und Taufe zur Vergebung der Sünden“ (Lk 3,3). Eine Menge von Sündern: Zöllner und Soldaten [Vgl. Lk 3,10–14], Pharisäer und Sadduzäer [Vgl. Mt 3,7] und Dirnen [Vgl. Mt 21,32] ließen sich von ihm taufen. „Da kam Jesus.“ Der Täufer zögert, doch Jesus beharrt und empfängt die Taufe. In Gestalt einer Taube kommt der Heilige Geist auf Jesus herab und eine Stimme vom Himmel verkündet: „Das ist mein geliebter Sohn“ [Vgl. Mt 3, 13–17]. Es ist die Erscheinung [Epiphanie] Jesu als Messias Israels und Sohn Gottes (Vgl. dazu auch 719, 720, 701, 438).

536 Die Taufe ist für Jesus die Annahme und der Beginn seiner Sendung als leidender Gottesknecht. Er läßt sich unter die Sünder rechnen [Vgl. Jes 53,12]. Er ist schon „das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt“ (Joh 1,29). Er nimmt schon die „Taufe“ seines blutigen Todes vorweg [Vgl. Mk 10,38; Lk 12,50]. Er kommt, um „alle Gerechtigkeit zu erfüllen“ (Mt 3,15), das heißt er unterwirft sich ganz dem Willen seines Vaters: er nimmt aus Liebe die Taufe des Todes zur Vergebung unserer Sünden auf sich [Vgl. Mt 26,39]. Auf diese Bereitschaft antwortet die Stimme des Vaters, der an seinem Sohn Gefallen gefunden hat [Vgl. Lk 3,22; Jes 42,1]. Der Geist, den Jesus schon seit seiner Empfängnis in Fülle besitzt, kommt herab, um auf ihm zu „ruhen“ (Joh 1, 32–33) [Vgl. Jes 11,2]. Jesus wird für die ganze Menschheit der Quell des Geistes sein. Bei seiner Taufe „öffnete sich der Himmel“ (Mt 3,16), den die Sünde Adams verschlossen hatte, und da Jesus und der Geist sich in das Wasser hineinbegeben, wird es geheiligt – dies ist das Vorspiel der neuen Schöpfung (Vgl. dazu auch 606, 1224, 444, 727, 739).

537 Durch die Taufe wird der Christ sakramental Jesus gleichgestaltet, der in seiner Taufe seinen Tod und seine Auferstehung vorwegnimmt. Der Christ muß in dieses Mysterium demütiger Selbsterniedrigung und Buße eintreten, mit Jesus in das Wasser hinabsteigen, um mit ihm wieder emporzusteigen. Er muß aus dem Wasser und dem Geist wiedergeboren werden, um im Sohn selbst zu einem geliebten Sohn des Vaters zu werden und „in einem neuen Leben zu wandeln“ (Röm 6,4) (Vgl. dazu auch 1262).

„Lassen wir uns mit Christus durch die Taufe begraben, um mit ihm aufzuerstehen; lassen wir uns mit ihm hinab, um mit ihm erhoben zu werden; steigen wir wieder mit ihm hinauf, um in ihm verherrlicht zu werden“ (Gregor v. Nazianz, or. 40,9) (Vgl. dazu auch 628).

„Alles, was an Christus geschehen ist, läßt uns erkennen, dass nach dem Bad der Taufe der Heilige Geist vom Himmel auf uns herabschwebt und dass wir, durch die Stimme des Vaters adoptiert, Söhne Gottes werden“ (Hilarius, Matth. 2).


Die Versuchung Jesu

538 Die Evangelien sprechen von einer Zeit der Einsamkeit, die Jesus gleich nach seiner Taufe durch Johannes in der Einöde verbracht hat: Vom Geist in die Wüste „getrieben“, bleibt Jesus vierzig Tage lang dort, ohne zu essen. Er lebt bei den wilden Tieren, und die Engel dienen ihm [Vgl. Mk 1,12–13]. Am Ende dieser Zeit versucht ihn Satan dreimal, indem er Jesu Sohneshaltung Gott gegenüber ins Wanken zu bringen sucht. Jesus weist diese Angriffe zurück, in denen die Versuchungen Adams im Paradies und Israels in der Wüste nochmals aufgegriffen werden, und der Teufel läßt von ihm ab, um – „zu seiner Zeit“ zurückzukehren (Lk 4,13).

539 Die Evangelisten weisen auf die Heilsbedeutung dieses geheimnisvollen Geschehens hin. Jesus ist der neue Adam, der treu bleibt, während der erste Adam der Versuchung erlag. Jesus erfüllt die Sendung Israels vollkommen. Im Gegensatz zu denen, die einst in der Wüste vierzig Jahre lang Gott herausforderten [Vgl. Ps 95,10], erweist sich Christus als der Gottesknecht, der dem Willen Gottes gänzlich gehorsam ist. So ist Jesus Sieger über den Teufel: er hat „den Starken gefesselt“, um ihm seine Beute wieder zu entreißen [Vgl. Mk 3,27]. Der Sieg Jesu über den Versucher in der Wüste nimmt den Sieg der Passion vorweg, den höchsten Gehorsamserweis seiner Sohnesliebe zum Vater (Vgl. dazu auch 394, 518, 397, 385, 609).

540 Die Versuchung zeigt, auf welche Weise der Sohn Gottes Messias ist, im Gegensatz zu der Rolle, die Satan ihm vorschlägt und in der die Menschen [Vgl. Mt 16,21–23] ihn gerne sehen möchten. Darum hat Christus den Vesucher für uns besiegt. „Wir haben ja nicht einen Hohenpriester, der nicht mitfühlen könnte mit unserer Schwäche, sondern einen, der in allem wie wir in Versuchung geführt worden ist, aber nicht gesündigt hat“ (Hebr 4,15). Durch die vierzigtägige Fastenzeit vereint sich die Kirche jedes Jahr mit dem Mysterium Jesu in der Wüste (Vgl. dazu auch 2119, 519, 2849, 1438).


„Das Reich Gottes ist nahe“

541 „Nachdem man Johannes ins Gefängnis geworfen hatte, ging Jesus wieder nach Galiläa; er verkündete das Evangelium Gottes und sprach: Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um, und glaubt an das Evangelium!“ (Mk 1,14–15). „Um den Willen des Vaters zu erfüllen, hat Christus das Reich der Himmel auf Erden begründet“ (LG 3). Nun aber ist es der Wille des Vaters, „die Menschen zur Teilhabe am göttlichen Leben zu erheben“ (LG 2). Er tut das, indem er die Menschen um seinen Sohn, Jesus Christus, sammelt. Dieser Zusammenschluss ist die Kirche; sie stellt „Keim und Anfang“ des Reiches Gottes auf Erden dar (LG 5) (Vgl. dazu auch 2816, 763, 669, 768, 865).

542 Christus ist die Mitte, um die die Menschen zur „Familie Gottes“ gesammelt werden. Er ruft sie zu sich durch sein Wort, durch seine Zeichen, die das Reich Gottes bekunden, und durch die Sendung seiner Jünger. Herbeiführen wird er sein Reich vor allem durch das große Mysterium seines Paschas: seinen Tod am Kreuz und seine Auferstehung. „Und ich, wenn ich über die Erde erhöht bin, werde alle zu mir ziehen“ (Joh 12,32). Zu dieser Vereinigung mit Christus sind alle Menschen berufen [Vgl. LG 3] (Vgl. dazu auch 2233, 789).


Die Verkündigung des Reiches Gottes

543 Alle Menschen sind berufen, in das Reich einzutreten. Dieses messianische Reich wird zunächst den Kindern Israels verkündet [Vgl. Mt l0,5–7], ist aber für die Menschen aller Völker bestimmt [Vgl. Mt 8,11; 28,19]. Wer in das Reich eintreten will, muß das Wort Jesu annehmen (Vgl. dazu auch 764).

„Denn das Wort des Herrn wird mit einem Samen verglichen, der auf dem Acker gesät wird: die es im Glauben hören und der kleinen Herde Christi zugezählt werden, haben das Reich selbst angenommen; aus eigener Kraft keimt dann der Same und wächst bis zur Zeit der Ernte“ (LG 5).

544 Das Reich gehört den Armen und Kleinen, das heißt denen, die es demütigen Herzens angenommen haben. Jesus ist gesandt, damit er „den Armen Frohbotschaft bringe“ (Lk 4,18) [Vgl. Lk 7,22]. Er preist sie selig, denn „ihnen gehört das Himmelreich“ (Mt 5,3). Den „Kleinen“ wollte der Vater offenbaren, was den Weisen und Klugen verborgen bleibt [Vgl. Mt 11,25]. Von der Krippe bis zum Kreuz teilt Jesus das Leben der Armen; er kennt Hunger [Vgl. Mk 2,23–26; Mt 2l,18], Durst [Vgl. Joh 4,6–7; 19,28] und Entbehrung [Vgl. Lk 9,58].Mehr noch: Er identifiziert sich mit den Armen aller Art und macht die tätige Liebe zu ihnen zur Voraussetzung für die Aufnahme in sein Reich [Vgl. Mt 25,31–46] (Vgl. dazu auch 709, 2443, 2546).

545 Jesus lädt die Sünder zum Tisch des Gottesreiches: „Ich bin gekommen, um die Sünder zu rufen, nicht die Gerechten“ (Mk 2, 17) [Vgl. 1 Tim 1,15]. Er fordert sie zur Bekehrung auf, ohne die man nicht in das Reich eintreten kann. Er zeigt ihnen aber in Wort und Tat das grenzenlose Erbarmen des Vaters [Vgl. Lk 15, 11–32] und die gewaltige „Freude“, die „im Himmel ... herrschen [wird] über einen einzigen Sünder, der umkehrt“ (Lk 15,7). Der größte Beweis seiner Liebe ist die Hingabe seines Lebens „zur Vergebung der Sünden“ (Mt 26,28) (Vgl. dazu auch1443, 588, 1846, 1439).

546 Jesus ruft durch Gleichnisse – ein typischer Zug seines Lehrens – dazu auf, in das Reich einzutreten [Vgl. Mk 4,33–34]. Durch sie lädt er zum Festmahl des Reiches ein [Vgl. Mt 22, 1–14], fordert aber auch eine radikale Entscheidung: Um das Reich zu erwerben, muß man alles aufgeben [Vgl. Mt 13,44–45]; bloße Worte genügen nicht; Taten sind notwendig [Vgl. Mt 21,28–32]. Die Gleichnisse halten dem Menschen gewissermaßen einen Spiegel vor, der ihn erkennen läßt: Nimmt er das Wort auf wie ein harter Boden oder wie die gute Erde ? [Vgl. Mt 13,3–9] Was tut er mit den Talenten, die er erhalten hat ? [Vgl. Mt 25,14–30] Jesus und die Gegenwart des Reiches auf Erden sind die Sinnmitte der Gleichnisse. Man muß in das Reich eintreten, das heißt Jünger Christi werden, um „die Geheimnisse des Himmelreichs zu erkennen“ (Mt 13,11). Für die, „die draußen sind“ (Mk 4,11), bleibt alles rätselhaft [Vgl. Mt 13,10–15] (Vgl. dazu auch 2613, 542).


Die Zeichen des Reiches Gottes

547 Jesus begleitet seine Worte durch zahlreiche „machtvolle Taten, Wunder und Zeichen“ (Apg 2,22). Diese zeigen, dass das Reich in ihm gegenwärtig ist. Sie bezeugen, dass Jesus der angekündigte Messias ist [Vgl. Lk 7,18–23] (Vgl. dazu auch 670, 439).

548 Die von Jesus vollbrachten Zeichen bezeugen, dass der Vater ihn gesandt hat [Vgl. Joh 5,36; 10,25]. Sie laden ein, an ihn zu glauben [Vgl. Joh 10,38]. Denen, die sich gläubig an ihn wenden, gibt er, was sie erbitten [Vgl. z. B. Mk 5,25–34; 10,52]. So stärken die Wunder den Glauben an ihn, der die Werke seines Vaters tut: sie bezeugen, dass er der Sohn Gottes ist [Vgl. Joh 10,31–38]. Sie können aber auch Anlass zum „Anstoß“ sein (Mt 11,6). Sie wollen nicht Neugier und magische Wünsche befriedigen. Trotz seiner so offensichtlichen Wunder wird Jesus von einzelnen abgelehnt [Vgl. Joh 11,47–48]; ja man bezichtigt ihn, mit Hilfe der Dämonen zu wirken [Vgl. Mk 3,22] (Vgl. dazu auch 156, 2616, 574, 447).

549 Indem er einzelne Menschen von irdischen Übeln: von Hunger [Vgl. Joh 6,5–15], Unrecht [Vgl. Lk 19,8], Krankheit und Tod [Vgl. Mt 11,5] befreit, setzt Jesus messianische Zeichen. Er ist jedoch nicht gekommen, um alle Übel auf Erden zu beheben [Vgl. Lk 12, 13. 14; Joh 18, 36], sondern um die Menschen aus der schlimmsten Sklaverei, der Sünde, zu befreien [Vgl. Joh 8,34–36]. Diese hindert sie an ihrer Berufung zu Kindern Gottes und bringt sie in vielerlei Abhängigkeiten (Vgl. dazu auch 1503, 440).

550 Das Kommen des Gottesreiches ist die Niederlage des Reiches Satans [Vgl. Mt 12,36]: „Wenn ich aber die Dämonen durch den Geist Gottes austreibe, dann ist das Reich Gottes schon zu euch gekommen“ (Mt 12,28). Die von Jesus vorgenommenen Exorzismen befreien die Menschen aus der Macht der Dämonen [Vgl. Lk 8,26–39]. Sie nehmen den großen Sieg Jesu über den „Herrscher dieser Welt“ (Joh 12,31) vorweg. Das Reich Gottes wird durch das Kreuz Christi endgültig errichtet: „Vom Holz herab herrscht unser Gott“ (LH, Hymnus „Vexilla Regis“) (Vgl. dazu auch 394, 1673, 440, 2816).


„Die Schlüssel des Reiches“

551 Gleich am Anfang seines öffentlichen Lebens wählt Jesus Männer, zwölf an der Zahl; diese sollen bei ihm sein und an seiner Sendung teilnehmen [Vgl. Mk 3,13–19]. Er läßt sie an seiner Autorität teilhaben und sendet sie aus „mit dem Auftrag, das Reich Gottes zu verkünden und zu heilen“ (Lk 9,2). Sie bleiben für immer mit dem Reiche Christi verbunden, denn Christus leitet durch sie die Kirche (Vgl. dazu auch 858, 765):

„Darum vermache ich euch das Reich, wie es mein Vater mir vermacht hat: Ihr sollt in meinem Reich mit mir an meinem Tisch essen und trinken, und ihr sollt auf Thronen sitzen und die zwölf Stämme Israels richten“ (Lk 22, 29–30).

552 Im Kollegium der Zwölf steht Simon Petrus an erster Stelle [Vgl. Mk 3,16; 9,2; Lk 24,34; 1 Kor 15,5]. Jesus hat ihm eine einzigartige Sendung anvertraut. Dank einer Offenbarung, die Petrus vom Vater erhalten hatte, bekannte er: „Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes“. Und unser Herr sagte zu ihm: „Du bist Petrus, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen, und die Mächte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen“ (Mt 16,16–18). Christus, „der lebendige Stein“ (1 Petr 2,4), sichert seiner auf Petrus gebauten Kirche den Sieg über die Mächte des Todes zu. Auf dem Grund des Glaubens, den er bekannt hat, bleibt Petrus der unerschütterliche Fels der Kirche. Er hat die Sendung, diesen Glauben vor allem Schwanken zu bewahren und seine Brüder darin zu bestärken [Vgl. Lk 22,32] (Vgl. dazu auch 880, 153, 442, 424).

553 Jesus hat Petrus eine besondere Autorität anvertraut: „Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreichs geben; was du auf Erden binden wirst, das wird auch im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, das wird auch im Himmel gelöst sein“ (Mt 16,19). Die „Schlüsselgewalt“ bedeutet die Vollmacht, das Haus Gottes, die Kirche, zu leiten. Jesus, „der gute Hirt“ (Joh 10,11), hat diesen Auftrag nach seiner Auferstehung bestätigt: „Weide meine Schafe!“ (Joh 21,15–17). Die Gewalt, zu „binden“ und zu „lösen“, besagt die Vollmacht, in der Kirche von Sünden loszusprechen, Lehrurteile zu fällen und disziplinarische Entscheide zu treffen. Jesus hat der Kirche diese Autorität durch den Dienst der Apostel [Vgl. Mt 18,18] und insbesondere des Petrus anvertraut, dem er als einzigem die Schlüssel des Reiches ausdrücklich übergeben hat (Vgl. dazu auch 981, 1445, 641, 881).


Eine Vorahnung des Reiches: die Verklärung

554 Von dem Tag an, an dem Petrus bekannt hatte, dass Jesus der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes ist, “begann Jesus, seinen Jüngern zu erklären, er müsse nach Jerusalem gehen und ... vieles erleiden; er werde getötet werden, aber am dritten Tag werde er auferstehen“ (Mt 16,21). Petrus weist diese Ankündigung zurück [Vgl. Mt 16,22–23]; auch die anderen können sie nicht begreifen [Vgl. Mt 17,23; Lk 9,45]. In diesem Zusammenhang steht das geheimnisvolle Geschehen der Verklärung Jesu [Vgl. Mt 17,1–8 par.; 2 Petr 1,16–18] auf einem hohen Berg vor drei von ihm ausgewählten Zeugen: Petrus, Jakobus und Johannes. Das Antlitz und die Kleider Jesu werden strahlend hell; Mose und Elija erscheinen und sprechen „von seinem Ende, das sich in Jerusalem erfüllen sollte“ (Lk 9,31). Eine Wolke überschattet sie und eine Stimme vom Himmel sagt: „Das ist mein auserwählter Sohn, auf ihn sollt ihr hören“ (Lk 9,35) (Vgl. dazu auch 697, 2600, 444).

555 Für einen Augenblick läßt Jesus seine göttliche Herrlichkeit aufleuchten und bestätigt so das Bekenntnis des Petrus. Er zeigt auch, dass er, um „in seine Herrlichkeit zu gelangen“ (Lk 24,26), in Jerusalem den Tod am Kreuz erleiden muß. Mose und Elija hatten auf dem Berg die Herrlichkeit Gottes gesehen; das Gesetz und die Propheten hatten die Leiden des Messias angekündigt [Vgl. Lk 24,27]. Die Passion Jesu ist der Wille des Vaters; der Sohn handelt als Gottesknecht [Vgl. Jes 42,1]; die Wolke ist ein Zeichen der Gegenwart des Heiligen Geistes: „Die ganze Dreifaltigkeit erschien: Der Vater in der Stimme, der Sohn als Mensch, der Heilige Geist in der leuchtenden Wolke“ (Thomas v. A., s. th. 3,45,4 ad 2) (Vgl. dazu auch 2576, 2583).

„Du wurdest auf dem Berg verklärt, und soweit sie dazu fähig waren, schauten deine Jünger deine Herrlichkeit, Christus Gott, damit sie, wenn sie dich gekreuzigt sehen werden, begreifen, dass dein Leiden freiwillig war, und damit sie der Welt verkünden, dass du wirklich der Abglanz des Vaters bist“ (Byzantinische Liturgie, Kontakion am Fest der Verklärung).

556 Am Beginn des öffentlichen Lebens steht die Taufe, am Beginn des Pascha die Verklärung. Bei der Taufe Jesu wurde „das Geheimnis der ersten Neugeburt kundgetan“: unsere Taufe; die Verklärung ist „das Sakrament der zweiten Wiedergeburt“: unserer Auferstehung (Thomas v. A., s. th. 3,45,4,ad 2). Schon jetzt haben wir an der Auferstehung des Herrn Anteil durch den Heiligen Geist, der in den Sakramenten der Kirche, des Leibes Christi wirkt. Die Verklärung gibt uns eine Vorahnung der Wiederkunft Christi in Herrlichkeit, „der unseren armseligen Leib verwandeln wird in die Gestalt seines verherrlichten Leibes“ (Phil 3,21). Sie sagt uns aber auch, dass wir „durch viele Drangsale ... in das Reich Gottes gelangen“ müssen (Apg 14,22) (Vgl. dazu auch 1003):

„Das hatte Petrus noch nicht begriffen, als er mit Christus auf dem Berge zu leben wünschte [Vgl. Lk 9,33]. Er hat dir, Petrus, das für die Zeit nach seinem Tod vorbehalten. Jetzt aber sagt er selbst: Steige hinab, um auf Erden dich abzumühen, auf Erden zu dienen, auf Erden verachtet, gekreuzigt zu werden. Das Leben steigt hinab, um sich töten zu lassen; das Brot steigt hinab, um zu hungern; der Weg steigt hinab, um auf dem Wege müde zu werden; die Quelle steigt hinab, um zu dürsten – und du weigerst dich, dich abzumühen?“ (Augustinus, serm. 78,6).


Jesus geht hinauf nach Jerusalem

557 „Als die Zeit herankam, in der er [in den Himmell aufgenommen werden sollte, entschloß sich Jesus, nach Jerusalem zu gehen“ (Lk 9,51) [Vgl. Joh 13,1]. Durch diesen Entschluss deutete Jesus an, dass er bereit zum Sterben nach Jerusalem hinaufging. Dreimal hatte er sein Leiden und seine Auferstehung angekündigt [Vgl. Mk 8,31–33; 9,31–32; 10,32–34]. Als er sich Jerusalem näherte, sagte er: „Ein Prophet darf nirgendwo anders als in Jerusalem umkommen“ (Lk 13,33).

558 Jesus erinnert an das Martyrium der Propheten, die in Jerusalem umgebracht worden waren [Vgl. Mt 23,37a]. Dennoch fordert er Jerusalem beharrlich auf, sich um ihn zu sammeln: „Wie oft wollte ich deine Kinder um mich sammeln, so wie eine Henne ihre Küken unter ihre Flügel nimmt; aber ihr habt nicht gewollt“ (Mt 23, 37b). Als Jerusalem in Sicht ist, weint er über die Stadt und äußert noch einmal seine tiefste Sehnsucht: „Wenn doch auch du an diesem Tag erkannt hättest, was dir Frieden bringt! Jetzt aber bleibt es vor deinen Augen verborgen“ (Lk 19,42).


Der messianische Einzug in Jerusalem

559 Wie wird Jerusalem seinen Messias aufnehmen? Jesus hatte sich den Bestrebungen des Volkes, ihn zum König zu machen, stets entzogen [Vgl. Joh 6,15]. Jetzt wählt er den Zeitpunkt und trifft Vorkehrungen für seinen messianischen Einzug in die Stadt „seines Vaters David“ (Lk 1,32) [Vgl. Mt 21,1–11]. Er wird umjubelt als der Sohn Davids, als der, der das Heil bringt [„Hosanna“ bedeutet „rette!“, „gib Heil!“]. Nun aber zieht der „König der Herrlichkeit“ (Ps 24,7–10) „auf einem Esel reitend“ (Sach 9,9) in seine Stadt ein; er gewinnt die Tochter Zion, das Sinnbild seiner Kirche, nicht durch List und Gewalt für sich, sondern durch Demut, die für die Wahrheit Zeugnis ablegt [Vgl. Joh 18,37]. Deshalb bilden an diesem Tag die Kinder [Vgl. Mt 21,15–16; Ps 8,3] sein Reich und auch die „Armen Gottes“, die ihm so zurufen, wie ihn die Engel den Hirten verkündet haben [Vgl. Lk 19,38; 2,14]. Ihr Zuruf „Gesegnet sei, der kommt im Namen des Herrn!“ (Ps 118,26) ist von der Kirche in das Sanctus der Eucharistiefeier aufgenommen worden, um das Gedächtnis an das Pascha des Herrn zu eröffnen (Vgl. dazu auch 333, 1352).

560 Der Einzug Jesu in Jerusalem kündigt das Kommen des Reiches an, das der Messias–König durch das Pascha seines Todes und seiner Auferstehung herbeiführt. Mit der Feier dieses Einzugs am Palmsonntag eröffnet die Kirche die große Heilige Woche, die Karwoche (Vgl. dazu auch 550, 2816, 1169).

KURZTEXTE

561 „Das ganze Leben Christi war ein beständiges Lehren. Die Momente des Schweigens, seine Wunder, seine Taten, sein Beten, seine Menschenliebe, seine Vorliebe für die Kleinen und Armen, die Annahme des letzten Opfers für die Erlösung der Welt am Kreuz und seine Auferstehung – dies alles macht sein Wort wirklich und wahr und vollendet seine Offenbarung“ (CT 9).

562 Die Jünger Christi müssen ihm gleichgestaltet werden, bis er in ihnen Gestalt gewonnen hat [Vgl. Gal 4,19]. „Deshalb werden wir aufgenommen in die Mysterien seines Lebens, mit ihm gleichgestaltet. mit ihm gestorben und mit ihm auferweckt, bis wir mit ihm herrschen werden“ (LG 7).

563 Ob einer nun Hirte oder Sterndeuter ist, er kann auf Erden nicht zu Gott kommen, es sei denn, er kniet vor der Krippe Betlehems nieder und betet ihn als den in der Schwäche eines Kindes Verborgenen an.

564 Durch seine Unterordnung unter Maria und Josef und seine schlichte Arbeit während der vielen Jahre in Nazaret gibt uns Jesus das Beispiel der Heiligkeit im Alltagsleben der Familie und der Arbeit.

565 Schon zu Beginn seines öffentlichen Lebens, bei seiner Taufe, ist Jesus der „Gottesknecht“, der gänzlich dem Erlösungswerk geweiht ist, das sich in der „Taufe“ seiner Passion vollenden wird.

566 Bei der Versuchung in der Wüste erweist sich Jesus als der demütige Messias, der durch seine völlige Treue zu dem vorn Vater gewollten Heilsplan über Satan siegt.

567 Durch Christus beginnt auf Erden das Himmelreich. Es „leuchtet im Wort, in den Werken und in der Gegenwart Christi den Menschen auf“ (LG 5). Die Kirche ist der Keim und Anfang dieses Reiches. Dessen Schlüssel sind Petrus anvertraut.

568 Die Verklärung Christi will den Glauben der Apostel angesicht der kommenden Passion stärken. Der Aufstieg auf den „hohen Berg“ bereitet auf den Aufstieg zum Kalvarienberg vor. Christus, das Haupt der Kirche, offenbart, was sein Leib enthält und in den Sakramenten ausstrahlt: „die Hoffnung auf Herrlichkeit“ (KoI 1,27) [Vgl. Leo d. Gr. serm. 51,3].

569 Jesus ist freiwillig nach Jerusalem hinaufgezogen im Bewusstsein, dass er dort wegen des Widerstandes von seiten der Sünder [Vgl. Hebr 12,3] eines gewaltsamen Todes sterben werde.

570 Der Einzug Jesu in Jerusalem bezeugt das Kommen des Gottesreiches. Der Messias–König, von den Kindern und den demütig gesinnten Menschen in seiner Stadt empfangen, wird es durch das Pascha seines Todes und seiner Auferstehung herbeiführen.

ARTIKEL 4: „JESUS CHRISTUS ... GELITTEN UNTER PONTIUS PILATUS, GEKREUZIGT, GESTORBEN UND BEGRABEN“

571 Das Pascha–Mysterium des Kreuzes und der Auferstehung Christi ist das Herz der Frohbotschaft, welche die Apostel und in ihrer Nachfolge die Kirche der Welt verkünden sollen. Im Erlösungstod seines Sohnes Jesus Christus ging der Heilsplan Gottes „ein für allemal“ in Erfüllung (Hebr 9,26) (Vgl. dazu auch 1067).

572 Die Kirche bleibt der Auslegung „der gesamten Schrift“ treu, die Jesus selbst vor und nach seinem Pascha gegeben hat: „Mußte nicht der Messias all das erleiden, um so in seine Herrlichkeit zu gelangen?“ (Lk 24,26) [Vgl. Lk 24,44–45]. Die Leiden Christi erhielten ihre konkrete geschichtliche Gestalt dadurch, dass er „von den Ältesten den Hohenpriestern und den Schriftgelehrten verworfen“ wurde (Mk 8,31), die ihn „den Heiden übergaben, damit er verspottet, gegeißelt und gekreuzigt“ werde (Mt 20,19) (Vgl. dazu auch 599).

573 Um den Sinn der Erlösung tiefer zu erfassen, kann der Glaube versuchen, in die Umstände des Todes Jesu einzudringen, die durch die Evangelien treu überliefert [Vgl. DV 19] und durch weitere Geschichtsquellen erhellt werden (Vgl. dazu auch158).

ABSATZ 1: JESUS UND ISRAEL

574 Schon zu Beginn des öffentlichen Wirkens Jesu kamen Pharisäer und Anhänger des Herodes mit Priestern und Schriftgelehrten überein, ihn umzubringen [Vgl. Mk 3,6]. Manche seiner Taten (Dämonenaustreibungen [Vgl. Mt 12,24], Sündenvergebungen [Vgl. Mk 2,7], Heilungen am Sabbat [Vgl. Mk 3,1–6], eigenständige Auslegung der Reinheitsvorschriften des Gesetzes [Vgl. Mk 7,14–23], vertrauter Umgang mit Zöllnern und öffentlichen Sündern [Vgl. Mk 2,14–17]) erweckten bei einigen Übelgesinnten den Verdacht, er sei besessen [Vgl. Mk 3,22; Joh 8,48; 10,20]. Man warf ihm vor, er lästere Gott [Vgl. Mk 2,7; Joh 5,18; 10,33] und sei ein falscher Prophet [Vgl. Joh 7,12; 7,52] – zwei Verbrechen gegen die Religion, für die das Gesetz die Todesstrafe der Steinigung vorsah [Vgl. Joh 8,59; 10,31] (Vgl. dazu auch 530, 591).

575 Für die religiösen Autoritäten Jerusalems, die das Johannesevangelium oft einfachhin als „die Juden“ bezeichnet [Vgl. Joh 1,19; 2,18; 5,10; 7,13; 9,22; 18,12; 19,38; 20,19], waren viele Worte und Taten Jesu somit ein „Zeichen, dem widersprochen wird“ (Lk 2,34), noch mehr als für das gewöhnliche Gottesvolk [Vgl. Joh 7,48–49]. Zwar waren die Beziehungen Jesu zu den Pharisäern nicht nur polemisch. So sind es Pharisäer, die ihn vor der ihm drohenden Gefahr warnen [Vgl. Lk 13,31]. Jesus lobt einzelne von ihnen, z. B. den Schriftgelehrten in Mk 12,34, und ist wiederholt bei Pharisäern zu Gast [Vgl. Lk 7,36; 14,1]. Jesus bekräftigt Lehren, die von dieser religiösen Elite des Gottesvolkes geteilt werden: die Auferstehung der Toten [Vgl. Mt 22,23–34; Lk 20,39], die Frömmigkeitsformen (Almosengeben, Fasten und Gebet [Vgl. Mt 6,2–18]) und den Brauch, sich an Gott als den Vater zu wenden sowie die zentrale Stellung des Gebotes der Liebe zu Gott und zum Nächsten [Vgl. Mk 12, 28–34] (Vgl. dazu auch 993).

576 In den Augen vieler in Israel scheint Jesus gegen die wesentlichen Institutionen des auserwählten Volkes zu verstoßen:

– gegen den Gehorsam dem Gesetz gegenüber, in ausnahmslos allen schriftlich niedergelegten Geboten, und, für die Pharisäer, in der von der mündlichen Überlieferung gegebenen Auslegung; – gegen die zentrale Stellung des Tempels von Jerusalem als des heiligen Ortes, der besonderen Wohnstätte Gottes; – gegen den Glauben an den einzigen Gott, an dessen Herrlichkeit kein Mensch teilhaben kann.

I Jesus und das Gesetz

577 In der Bergpredigt nahm Jesus im Licht der Gnade des Neuen Bundes Stellung zum Gesetz, das beim ersten Bundesschluss am Sinai von Gott gegeben worden war. Er begann mit einer feierlichen Warnung (Vgl. dazu auch 1965):

„Denkt nicht, ich sei gekommen, um das Gesetz und die Propheten aufzuheben. Ich bin nicht gekommen, um aufzuheben, sondern um zu erfüllen. Amen, das sage ich euch: Bis Himmel und Erde vergehen, wird auch nicht der kleinste Buchstabe des Gesetzes vergehen, bevor nicht alles geschehen ist. Wer auch nur eines von den kleinsten Geboten aufhebt und die Menschen entsprechend lehrt, der wird im Himmelreich der Kleinste sein. Wer sie aber hält und halten lehrt, der wird groß sein im Himmelreich“ (Mt 5,17–19) (Vgl. dazu auch 1967).

578 Für Jesus, den Messias Israels, somit für den Größten im Himmelreich, geziemte es sich nach seinen eigenen Worten, das Gesetz in vollem Umfang, selbst die geringsten Gebote, zu erfüllen. Er ist sogar der einzige, der das vollkommen zu tun vermochte [Vgl. Joh 8,46]. Wie die Juden selber zugaben, waren sie nie imstande, das Gesetz ganz zu erfüllen, ohne das geringste Gebot zu verletzen [Vgl. Joh 7,19; Apg 13,38–41; 15,10]. Darum bitten am jährlichen Versöhnungsfest die Kinder Israels Gott für ihre Gesetzesübertretungen um Vergebung. Das Gesetz bildet ja ein Ganzes, und, wie der hl. Jakobus in Erinnerung ruft: „Wer das ganze Gesetz hält und nur gegen ein einziges Gebot verstößt, der hat sich gegen alle verfehlt“ (Jak 2, 10)[Vgl. Gal 3,10; 5,3] (Vgl. dazu auch 1953).

579 Dieser Grundsatz, dass das Gesetz in vollem Umfang und zwar nicht nur dem Buchstaben sondern auch seinem Geiste nach zu halten sei, war den Pharisäern teuer. Indem sie ihn für Israel hervorhoben, brachten sie viele Juden der Zeit Jesu zu einem gewaltigen religiösen Eifer [Vgl. Röm 10,2]. Sollte dieser Eifer nicht in eine „scheinheilige“ Kasuistik [Vgl. Mt 15,3–7; Lk 11,39–54] ausarten, musste er das Volk auf das unerhörte Eingreifen Gottes vorbereiten: dass nämlich der einzige Gerechte an Stelle aller Sünder das Gesetz vollkommen erfüllt [Vgl. Jes 53,11; Hebr 9,15].

580 Die vollkommene Erfüllung des Gesetzes konnte somit nur das Werk des göttlichen Gesetzgebers selbst sein, der in der Person des Sohnes als dem Gesetz unterstellt geboren wurde [Vgl. Gal 4,4]. In Jesus erscheint das Gesetz nicht mehr auf Steintafeln geritzt, sondern in das „Herz“ (Jer 31,33) des Gottesknechtes geschrieben. Dieser „bringt wirklich das Recht“ (Jes 42,3) und ist darum zum „Bund für das Volk“ (Jes 42,6) geworden. Jesus geht bei der Erfüllung des Gesetzes so weit, dass er sogar den „Fluch des Gesetzes“ (Gal 3,13) auf sich nimmt, den jeder auf sich zieht, „der sich nicht an alles hält, was zu tun das Buch des Gesetzes vorschreibt“ (Gal 3,10). Der Tod Christi hat so „die Erlösung von den im ersten Bund begangenen Übertretungen bewirkt“ (Hebr 9,15) (Vgl. dazu auch 527).

581 Jesus galt den Juden und ihren geistigen Führern als ein „Rabbi“ [Vgl. Joh 11,28; 3,2; Mt 22,23–24,34–36]. Er argumentierte oft im Rahmen der rabbinischen Gesetzesauslegung [Vgl. Mt 12,5; 9,12; Mk 2,23–27; Lk 6,6–9;Joh 7,22–23]. Jesus musste aber die Gesetzeslehrer unwillkürlich vor den Kopf stoßen, denn er bot seine Auslegung nicht bloß als einer von ihnen dar, sondern „lehrte ... wie einer, der [göttliche] Vollmacht hat, und nicht wie die Schriftgelehrten“ (Mt 7,28–29). In ihm ist das gleiche Gotteswort, das am Sinai erklungen war, um Mose das schriftliche Gesetz zu geben, auf dem Berg der Seligpreisungen aufs neue zu vernehmen [Vgl. Mt 5,1]. Jesus schafft das Gesetz nicht ab, sondern erfüllt es, indem er von Gott her dessen endgültige Auslegung bietet: „Ihr habt gehört, dass zu den Alten gesagt worden ist ... Ich aber sage euch“ (Mt 5, 33–34). Mit der gleichen göttlichen Autorität stellt er gewisse „Überlieferungen der Menschen“ (Mk 7,8) – das heißt die der Pharisäer – bloß, die „Gottes Wort außer Kraft“ setzen (Mk 7,13) (Vgl. dazu auch 2054).

582 Noch mehr: Das Gesetz über die Reinheit der Speisen, das im jüdischen Leben eine so große Rolle spielte, erfüllte Jesus, indem er dessen „erzieherischen“ Sinn [Vgl. Gal 3,24] durch göttliche Auslegung offenbarte: „dass das, was von außen in den Menschen hineinkommt, ihn nicht unrein machen kann ... Damit erklärte Jesus alle Speisen für rein ... Was aus dem Menschen herauskommt, das macht ihn unrein. Denn von innen, aus dem Herzen der Menschen, kommen die bösen Gedanken“ (Mk 7,18–21). Jesus bot in göttlicher Autorität die endgültige Gesetzesinterpretation. Dabei stieß er auf den Widerstand gewisser Gesetzeslehrer, die seine Gesetzesauslegung nicht annahmen, obwohl sie durch begleitende göttliche Zeichen beglaubigt wurde [Vgl. Joh 5,36; 10,25.37–38; 12,37]. Das gilt insbesondere auch von der Sabbatfrage: Jesus erinnert daran, oft mit rabbinischen Argumenten [Vgl. Mk 2,25–27; Joh 7,22–24], dass die Sabbatruhe weder durch den Dienst für Gott [Vgl. Mt 12,5; Num 28,9] noch durch den Dienst am Nächsten [Vgl. Lk 13,15–16; 14,3–4] – und darum auch nicht durch seine Heilungen – verletzt wird (Vgl. dazu auch 368, 548, 2173).

II Jesus und der Tempel

583 Wie schon die Propheten vor ihm, erwies Jesus dem Tempel von Jerusalem tiefste Ehrfurcht. Vierzig Tage nach seiner Geburt wurde er darin von Josef und Maria Gott dargestellt [Vgl. Lk 2,22–39]. Im Alter von zwölf Jahren entschloß er sich, im Tempel zu bleiben, um seine Eltern daran zu erinnern, dass er für die Sache seines Vaters da sei [Vgl. Lk 2,46–49]. Während seines verborgenen Lebens begab er sich Jahr für Jahr wenigstens am Paschafest zum Tempel hinauf [Vgl. Lk 2,41]. Sein öffentliches Wirken vollzog sich im Rhythmus seiner Pilgerfahrten nach Jerusalem zu den großen jüdischen Festen [Vgl. Joh 2,13–14; 5,1.14; 7,1.10.14; 8,2; 10,22–23] (Vgl. dazu auch 529, 534).

584 Jesus steigt zum Tempel hinauf als dem vorzüglichen Ort der Begegnung mit Gott. Der Tempel ist für ihn die Wohnung seines Vaters, ein Haus des Gebetes, und er empört sich darüber, dass dessen Vorhof zu einem Marktplatz gemacht wird [Vgl. Mt 21,13]. Aus eifernder Liebe zu seinem Vater vertreibt er die Händler aus dem Tempel: „Macht das Haus meines Vaters nicht zu einer Markthalle! Seine Jünger erinnerten sich an das Wort der Schrift: ‚Der Eifer für dein Haus verzehrt mich‘ (Ps 69,10)“ (Joh 2,16–17). Nach seiner Auferstehung behielten die Apostel eine ehrerbietige Haltung zum Tempel bei [Vgl. z.B. Apg 2,46; 3,1; 5,20.21] (Vgl. dazu auch 2599).

585 Vor seiner Passion kündigte Jesus jedoch die Zerstörung dieses herrlichen Gebäudes an, von dem kein Stein mehr auf dem anderen bleiben werde [Vgl. Mt 24,1–2]. Darin liegt ein Zeichen der Endzeit, die mit seinem Pascha beginnt [Vgl. Mt 24,3; Lk 13,35]. Diese Weissagung aber wurde bei seinem Verhör vor dem Hohenpriester von falschen Zeugen entstellt wiedergegeben [Vgl. Mk 14,57–58] und dann dem ans Kreuz Genagelten spöttisch entgegengehalten [Vgl. Mt 27,39–40].

586 Jesus legte seine Lehre zum großen Teil im Tempel dar [Vgl. Joh 18,20] und war diesem keineswegs feind [Vgl. Mt 8,4; 23,21; Lk 17,14; Joh 4,22]. Er war gewillt, die Tempelsteuer zu zahlen, und entrichtete sie auch für Petrus [Vgl. Mt 17,24–27], den er eben zum Grundstein seiner künftigen Kirche gemacht hatte [Vgl. Mt 16,18]. Er identifizierte sich sogar mit dem Tempel, indem er sich selbst als die endgültige Wohnung Gottes unter den Menschen bezeichnete [Vgl. Joh 2,21; Mt 12,6]. Darum kündigt die Hinrichtung seines Leibes [Vgl. Joh 2,18–22] die Zerstörung des Tempels an, mit der eine neue Epoche der Heilsgeschichte anbricht: „Die Stunde kommt, zu der ihr weder auf diesem Berg noch in Jerusalem den Vater anbeten werdet“ (Joh 4, 21) [Vgl. Joh 4, 23–24; Mt 27,51; Hebr 9,11; Offb 21,22] (Vgl. dazu auch 797, 1179).

III Jesus und der Glaube Israels an den einzigen rettenden Gott

587 Das Gesetz und der Tempel von Jerusalem konnten also für die religiösen Autoritäten Israels Anlass geben, Jesus zu „widersprechen“ [Vgl. Lk 2,34]. Der eigentliche Stein des Anstoßes [Vgl. Lk 20,17–18; Ps 118,22] war für sie jedoch seine Rolle in der Sündenvergebung, dem göttlichen Werk schlechthin.

588 Es war für die Pharisäer ein Skandal, dass Jesus mit Zöllnern und Sündern ebenso vertraut Mahl hielt [Vgl. Lk 5, 30], wie mit ihnen selbst [Vgl. Lk 7,36; 11,37; 14,1]. Gegenüber solchen, „die von ihrer eigenen Gerechtigkeit überzeugt waren und die anderen verachteten“ (Lk 18,9) [Vgl. Joh 7,49; 9,34], sagte Jesus: „Ich bin gekommen, um die Sünder zur Umkehr zu rufen, nicht die Gerechten“ (Lk 5,32). Ja, er erklärte den Pharisäern gegenüber, alle seien in Sünde [Vgl. Joh 8,33–36], und wer sich nicht als heilsbedürftig ansehe, sei mit Blindheit geschlagen [Vgl. Joh 9,40–41] (Vgl. dazu auch 545).

589 Vor allem aber erregte Jesus deswegen Anstoß, weil er sein barmherziges Verhalten zu den Sündern mit der Haltung Gottes diesen gegenüber gleichsetzte [Vgl. Mt 9,13; Hos 6,6]. Indem er sich mit Sündern zu Tische setzte [Vgl. Lk 15,1–2], gab er sogar zu verstehen, dass er sie zum messianischen Mahl zulasse [Vgl. Lk 15, 23–32]. Ganz besonders aber brachte er die religiösen Autoritäten Israels dadurch in Verlegenheit, dass er Sünden vergab. Fragten sie in ihrem Entsetzen nicht zurecht: „Wer kann Sünden vergeben außer dem einen Gott?“ (Mk 2,7). Entweder lästert Jesus Gott, indem er Sünden vergibt, da er sich dann als Mensch Gott gleichsetzt [Vgl. Joh 5,18; 10,33], oder er spricht die Wahrheit und seine Person vergegenwärtigt und offenbart den Namen Gottes [Vgl. Joh 17,6.26] (Vgl. dazu auch 431, 1441, 432).

590 Einzig die göttliche Identität der Person Jesu kann einen so absoluten Anspruch rechtfertigen wie den folgenden: „Wer nicht für mich ist, der ist gegen mich“ (Mt 12,30), oder Aussagen wie: „Hier aber ist einer, der mehr ist als Jona ...‚ mehr ist als Salomo“ (Mt 12,41–42), „größer ist als der Tempel“ (Mt 12,6). Oder dass er es auf sich bezieht, wenn David den Messias seinen Herrn genannt hat [Vgl. Mt 12,36.37], oder behauptet: „Noch ehe Abraham wurde, bin ich“ (Joh 8,58), und sogar: „Ich und der Vater sind eins“ (Joh 10,30) (Vgl. dazu auch 253).

591 Jesus hat die religiösen Autoritäten Jerusalems aufgefordert, an ihn zu glauben, weil er die Werke seines Vaters vollbringe [Vgl. Joh 10,36–38]. Ein solcher Glaubensakt erfordert jedoch ein geheimnisvolles Sich–selbst–Absterben, um, durch die göttliche Gnade angezogen [Vgl. Joh 6,44], „von oben her geboren“ zu werden (Joh 3,7). Eine solche Umkehrforderung zu stellen, obwohl die Verheißungen auf so unerwartete Weise in Erfüllung gehen sollten [Vgl. Jes 53,1], macht verständlich, dass der Hohe Rat dem tragischen Irrtum erliegen konnte, Jesus sei ein Gotteslästerer und verdiene als solcher den Tod [Vgl. Mk 3,6; Mt 26,64–66]. Seine Mitglieder handelten zugleich aus „Unwissenheit“ [Vgl. Lk 23,34; Apg 3, 17–18] und aus „Verstocktheit“ (Mk 3,5; Röm 11,25) im „Unglauben“ (Röm 11,20) (Vgl. dazu auch 526, 574).

KURZTEXTE

592 Jesus hat das Gesetz vom Sinai nicht abgeschafft, sondern erfüllt [Vgl. Mt 5,17–19] und zwar so vollkommen [Vgl. Joh 8,46], dass er dessen letzten Sinn enthüllt [Vgl. Mt 5,33] und von dessen Übertretungen freikauft [Vgl. Hebr 9,15].

593 Jesus hat den Tempel verehrt: an den jüdischen Pilgerfesten suchte er ihn auf und er liebte diese Wohnung Gottes unter den Menschen mit eifersüchtiger Liebe. Der Tempel deutet im voraus sein Mysterium an. Wenn er dessen Zerstörung ankündigt, bekundet er darin seinen gewaltsamen Tod und den Eintritt in eine neue Epoche der Heilsgeschichte, in der sein Leib der endgültige Tempel sein wird.

594 Jesus hat Taten gesetzt – wie z. B. die Sündenvergebung –‚ die ihn als den rettenden Gott selbst offenbaren [Vgl. Joh 5,16–18]. Gewisse Juden erkannten in ihm nicht den menschgewordenen Gott [Vgl. Joh 1,14], sondern sahen in ihm „einen Menschen“, der sich „selbst zu Gott“ macht (Joh 10.33). und verurteilten ihn als einen Gotteslästerer.

ABSATZ 2: JESUS IST AM KREUZ GESTORBEN

I Der Prozeß Jesu

Die jüdischen Autoritäten waren nicht einer Meinung über Jesus

595 Unter den religiösen Autoritäten Jerusalems gab die Person Jesu immer wieder Anlass zu Meinungsverschiedenheiten; der Pharisäer Nikodemus [Vgl. Joh 7,50] und der angesehene Josef von Arimathäa [Vgl. Joh 19,38–39] etwa waren heimliche Anhänger Jesu [Vgl. Joh 9,16–17;10,19–21]. Johannes kann sogar sagen, dass – selbst kurz vor der Passion – „von den führenden Männern viele zum Glauben“ (Joh 12,42), zu einem freilich noch sehr unvollkommenen Glauben an ihn kamen. Das überrascht nicht, wenn man bedenkt, dass am Tag nach Pfingsten „eine große Anzahl von den Priestern ... gehorsam den Glauben“ annahm (Apg 6,7) und „einige aus dem Kreis der Pharisäer ... gläubig geworden waren“ (Apg 15,5). Der hl. Jakobus konnte dem hl. Paulus sagen, dass „viele Tausende unter den Juden gläubig geworden sind, und sie alle sind Eiferer für das Gesetz“ (Apg 21,20).

596 Die religiösen Autoritäten waren in bezug auf die Frage, wie man sich zu Jesus einstellen solle, nicht einer Meinung [Vgl. Joh 9,16; 10,19]. Die Pharisäer drohten solchen, die sich an Jesus halten würden, den Ausschluss an [Vgl. Joh 9,22]. Einige befürchteten: „Wenn wir ihn gewähren lassen, werden alle an ihn glauben. Dann werden die Römer kommen und uns die heilige Stätte und das Volk nehmen“ (Joh 11,48). Ihnen machte der Hohepriester Kajaphas einen Vorschlag, indem er weissagte: „Ihr bedenkt nicht, dass es besser für euch ist, wenn ein einziger Mensch für das Volk stirbt, als wenn das ganze Volk zugrunde geht“ (Joh 11,50). Der Hohe Rat, der Jesus als Gotteslästerer zum Tod verurteilte [Vgl. Mt 26,66], aber das Recht, jemanden hinzurichten, verloren hatte [Vgl. Joh 18,31], lieferte Jesus den Römern aus und klagte ihn des Aufstands an [Vgl. Lk 23,2], was ihn an die Seite des Barabbas stellte, der des „Aufruhrs“ angeklagt war (Lk 23,19). Die Hohenpriester suchten Pilatus auch durch politische Drohungen zu bewegen, Jesus zum Tod zu verurteilen [Vgl. Joh 19, 12. 15. 21] (Vgl. dazu auch 1753).


Die Juden sind für den Tod Jesu nicht kollektiv verantwortlich

597 Berücksichtigt man, wie geschichtlich verwickelt der Prozeß Jesu nach den Berichten der Evangelien ist und wie auch die persönliche Schuld der am Prozeß Hauptbeteiligten (von Judas, dem Hohen Rat, von Pilatus) – die Gott allein kennt – sein mag, so darf man nicht die Gesamtheit der Juden von Jerusalem dafür verantwortlich machen – trotz des Schreiens einer manipulierten Menge [Vgl. Mk 15,11] und ungeachtet der allgemeinen Vorwürfe in den nach Pfingsten erfolgenden Aufrufen zur Bekehrung [Vgl. Apg 2, 23. 36; 3,13–14; 4,10; 5,30; 7,52; 10,39; 13,27–28; 1 Thess 2,14–15] . Als Jesus ihnen vom Kreuz herab verzieh [Vgl. Lk 23,24], entschuldigte er – wie später auch Petrus – die Juden von Jerusalem und sogar ihre Führer mit ihrer „Unwissenheit“ (Apg 3,17). Noch weniger darf man den Schrei des Volkes: „Sein Blut komme über uns und unsere Kinder!“ (Mt 27,25), der eine Bestätigungsformel darstellt [Vgl. Apg 5,28; 18,6], zum Anlass nehmen, die Schuld auf die Juden anderer Länder und Zeiten auszudehnen (Vgl. dazu auch 1735):

Darum hat die Kirche auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil erklärt: Was „bei seinem Leiden vollzogen worden ist, [kann] weder allen damals lebenden Juden ohne Unterschied noch den heutigen Juden zur Last gelegt werden. ... Die Juden [sind] weder als von Gott verworfen noch als verflucht darzustellen, als ergäbe sich dies aus der Heiligen Schrift“ (NA 4) (Vgl. dazu auch 839).


Alle Sünder sind am Leiden Christi schuld

598 In ihrem Glaubenslehramt und im Zeugnis ihrer Heiligen hat die Kirche nie vergessen, dass auch die Sünder „die Urheber und Vollstrecker aller Strafen waren, die [Christus] erlitt“ (Catech. R. 1,5,11) [Vgl. Hebr 12,3]. Da sich die Kirche bewusst ist, dass unsere Sünden Christus selbst treffen [Vgl. Mt 25,45; Apg 9,4–5], zögert sie nicht, den Christen die schwerste Verantwortung für die Qualen Christi zuzuschreiben – während diese die Verantwortung allzu oft einzig den Juden angelastet haben:

„Diese Schuld trifft vor allem jene, die wiederholt in die Sünde zurückfallen. Denn da unsere Sünden Christus den Herrn in den Kreuzestod trieben, so ‚kreuzigen‘ tatsächlich jene, die sich in Sünden und Lastern wälzen, ‚soweit es auf sie ankommt, den Sohn Gottes aufs neue und treiben ihren Spott mit ihm‘ (Hebr 6,6) – ein Verbrechen, das bei uns noch schwerer erscheinen mag, als es von seiten der Juden war. Denn diese hätten, wie der Apostel sagt, ‚den Herrn der Herrlichkeit niemals gekreuzigt, wenn sie ihn erkannt hätten‘ (1 Kor 2,8). Wir aber behaupten, ihn zu kennen, und dennoch legen wir gleichsam Hand an ihn, indem wir ihn durch die Tat verleugnen“ (Catech. R. 1,5,11) (Vgl. dazu auch 1851).

„Dämonen sind nicht die, die ihn gekreuzigt haben, sondern du, der du ihn zusammen mit ihnen gekreuzigt hast und immer noch kreuzigst, indem du dich in Lastern und Sünden vergnügst“ (Franz v. Assisi, admon. 5,3).

II Der Erlösungstod Christi im göttlichen Heilsplan

Jesus wurde „nach Gottes festgesetztem Ratschluss ausgeliefert“

599 Zum gewaltsamen Tod Jesu kam es nicht zufällig durch ein bedauerliches Zusammenspiel von Umständen. Er gehört zum Mysterium des Planes Gottes, wie der hl. Petrus schon in seiner ersten Pfingstpredigt den Juden von Jerusalem erklärt: Er wurde „nach Gottes beschlossenem Ratschluss und Vorauswissen hingegeben“ (Apg 2,23). Diese biblische Redeweise besagt nicht, dass die, welche Jesus „verraten“ haben (Apg 3,13), nur die willenlosen Ausführer eines Szenarios waren, das Gott im voraus verfaßt hatte (Vgl. dazu auch 517).

600 Für Gott sind alle Zeitmomente unmittelbare Gegenwart. Wenn er in seinem ewigen Plan etwas „vorherbestimmt“, bezieht er die freie Antwort jedes Menschen auf seine Gnade mit ein: „Wahrhaftig, verbündet haben sich in dieser Stadt gegen deinen heiligen Knecht Jesus, den du gesalbt hast, Herodes und Pontius Pilatus mit den Heiden und den Stämmen Israels [Vgl. Ps 2,1–2], um alles auszuführen, was deine Hand und dein Ratschluss im voraus bestimmt haben“ (Apg 4,27–28). Gott ließ die aus ihrer Verblendung hervorgegangenen Taten zu [Vgl. Mt 26,54; Joh 18,36;19,11], um seinen Heilsplan zu verwirklichen [Vgl. Apg 3, 17–18] (Vgl. dazu auch 312).


„Für unsere Sünden gestorben gemäß der Schrift“

601 Dieser göttliche Plan, durch den gewaltsamen Tod des „Knechtes, des Gerechten“ (Jes 53,11) [Vgl. Apg 3,14] Heil zu schaffen, war in der Schrift im voraus angekündigt worden als ein Mysterium allumfassender Erlösung, das heißt eines Loskaufs, der die Menschen aus der Sklaverei der Sünde befreit [Vgl. Jes 53,11–12; Joh 8,34–36]. In einem Glaubensbekenntnis, von dem er sagt, er habe es „empfangen“ (1 Kor 15,3), bekennt der hl. Paulus: „Christus ist für unsere Sünden gestorben, gemäß der Schrift“ (ebd.) [Vgl. Auch Apg 3,18; 7,52, 13,29; 26,22–23] Der Erlösungstod Jesu läßt insbesondere die Weissagung vom leidenden Gottesknecht [Vgl. Jes 53,7–8 und Apg 8,32–35] in Erfüllung gehen. Jesus selbst hat den Sinn seines Lebens und seines Todes im Licht dieser Worte vom Gottesknecht gedeutet [Vgl. Mt 20,28]. Nach seiner Auferstehung gab er diese Schriftdeutung den Emmausjüngern [Vgl. Lk 24,25–27] und sodann den Aposteln selbst [Vgl. Lk 24,44–45] (Vgl. dazu auch 652, 713).


Gott hat ihn „für uns zur Sünde gemacht“

602 Darum kann der hl. Petrus den apostolischen Glauben an den göttlichen Heilsplan so formulieren: „Ihr wißt, dass ihr aus eurer sinnlosen, von den Vätern ererbten Lebensweise ... losgekauft wurdet ... mit dem kostbaren Blut Christi, des Lammes ohne Fehl und Makel. Er war schon vor der Erschaffung der Welt dazu ausersehen, und euretwegen ist er am Ende der Zeiten erschienen“ (1 Petr 1,18–20). Die auf die Ursünde folgenden Sünden der Menschen werden mit dem Tod geahndet [Vgl. Röm 5,12; 1 Kor 15,56]. Indem Gott seinen eigenen Sohn in der Gestalt eines Sklaven [Vgl. Phil 2,7], einer gefallenen und infolge der Sünde dem Tod preisgegebenen Menschennatur [Vgl. Röm 8,3] sandte, hat er „den, der keine Sünde kannte, für uns zur Sünde gemacht, damit wir in ihm Gerechtigkeit Gottes würden“ (2 Kor 5,21) (Vgl. dazu auch 400, 519).

603 Jesus ist nicht [von Gott] verworfen worden, als hätte er selbst gesündigt [Vgl. Joh 8,46]. Vielmehr hat er uns in seiner Erlöserliebe, die ihn immer mit dem Vater verband [Vgl. Joh 8,29], so sehr angenommen in der Gottferne unserer Sünde, dass er am Kreuz in unserem Namen sagen konnte: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (Mk 15,34; Ps 22,2). Da ihn Gott so solidarisch mit uns Sündern gemacht hat, „hat er seinen eigenen Sohn nicht verschont, sondern ihn für uns alle hingegeben“ (Röm 8,32), damit wir „mit Gott versöhnt [werden] durch den Tod seines Sohnes“ (Röm 5,10) (Vgl. dazu auch 2572).


Gottes allumfassende erlösende Liebe

604 Indem er seinen Sohn für unsere Sünden dahingab, zeigte Gott, dass, was er für uns plant, ein Ratschluss wohlwollender Liebe ist, die jedem Verdienst von unserer Seite vorausgeht: „Nicht darin besteht die Liebe, dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt und seinen Sohn als Sühne für unsere Sünden gesandt hat“ (1 Joh 4,10) [Vgl. 1 Joh 4,19]. „Gott aber hat seine Liebe zu uns darin erwiesen, dass Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren“ (Röm 5,8) (Vgl. dazu auch 211, 2009, 1825).

605 Diese Liebe schließt niemanden aus. Jesus sagt das anhand des Gleichnisses vom verlorenen Schaf: „So will auch euer himmlischer Vater nicht, dass einer von diesen Kleinen verlorengeht“ (Mt 18,14). Er erklärt, er gebe sein Leben hin „als Lösegeld für viele“ (Mt 20,28). Der Ausdruck „für viele“ ist nicht einengend, sondern stellt die ganze Menschheit der einzigen Person des Erlösers gegenüber, der sich hingibt, um sie zu retten [Vgl. Röm 5, 18–19]. Im Anschluss an die Apostel [Vgl. 2 Kor 5,15; 1 Joh 2,2] lehrt die Kirche, dass Christus ausnahmslos für alle Menschen gestorben ist: „Es gibt keinen Menschen, es hat keinen gegeben und wird keinen geben, für den er nicht gelitten hat“ (Syn. v. Quiercy 853: DS 624) (Vgl. dazu auch 402, 634, 2793).

III Christus hat sich für unsere Sünden seinem Vater dargebracht

Das ganze Leben Christi ist Opfergabe an den Vater

606 Der Sohn Gottes, der „nicht vom Himmel herabgekommen“ ist, um seinen „Willen zu tun, sondern den Willen“ des Vaters, der ihn „gesandt hat“ (Joh 6,38), „spricht ... bei seinem Eintritt in die Welt: ... ‚Ja, ich komme, um deinen Willen, Gott, zu tun‘ ... Aufgrund dieses Willens sind wir durch die Opfergabe des Leibes Jesu Christi ein für allemal geheiligt“ (Hebr 10,5–10). Schon im ersten Augenblick seiner Menschwerdung macht sich der Sohn den göttlichen Heilsplan seiner Sendung als Erlöser zu eigen: „Meine Speise ist es, den Willen dessen zu tun, der mich gesandt hat, und sein Werk zu Ende zu führen“ (Joh 4,34). Die Selbstaufopferung Jesu „für die Sünden der ganzen Welt“ (1 Joh 2,2) ist Ausdruck seiner liebenden Gemeinschaft mit dem Vater: „Deshalb liebt mich der Vater, weil ich mein Leben hingebe“ (Joh 10,17). „Die Welt soll erkennen, dass ich den Vater liebe und so handle, wie es mir der Vater aufgetragen hat“ (Joh 14,31) (Vgl. dazu auch 517, 536).

607 Dieses Verlangen, sich den liebenden Erlösungsratschluss seines Vaters zu eigen zu machen, beseelt das ganze Leben Jesu [Vgl. Lk 12,50; 22,15; Mt 16,21–23], denn seine erlösende Passion ist der Grund seiner Menschwerdung: „Soll ich sagen: ‚Vater, rette mich aus dieser Stunde?‘ Aber deshalb bin ich in diese Stunde gekommen“ (Joh 12,27). „Der Kelch, den mir der Vater gereicht hat – soll ich ihn nicht trinken?“ (Joh 18,11). Und noch am Kreuz sagt er: „Mich dürstet“ (Joh 19,28), und dann erst: „Es ist vollbracht!“ (Joh 19,30) (Vgl. dazu auch 457).


„Das Lamm, das die Sünde der Welt hinwegnimmt“

608 Johannes der Täufer hat zugestimmt, Jesu wie die Sünder zu taufen [Vgl. Lk 3,21; Mt 3,14–15]. „Am Tag darauf sah er Jesus auf sich zukommen und sagte: Seht, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt“ (Joh 1, 29) [Vgl. Joh 1,36]. Er bezeugt so, dass Jesus der Gottesknecht ist, der sich schweigend zur Schlachtbank führen läßt [Vgl. Jes 53,7; Jer 11,19] und die Sünde der vielen trägt [Vgl. Jes 53,12], und zugleich das Osterlamm, das Sinnbild der Erlösung Israels beim ersten Pascha [Vgl. Ex 12,3–11; Joh 19,36; 1 Kor 5,7]. Das ganze Leben Christi ist Ausdruck seiner Sendung, „zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele“ (Mk 10,45) (Vgl. dazu auch 523, 517).


Jesus machte sich die erlösende Liebe des Vaters in Freiheit zu eigen

609 Da Jesus die Liebe des Vaters zu den Menschen in sein menschliches Herz aufnahm, „erwies er ihnen seine Liebe bis zur Vollendung“ (Joh 13,1), denn „es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt“ (Joh 15,13). So wurde seine Menschennatur im Leiden und Sterben zum freien und vollkommenen Werkzeug seiner göttlichen Liebe, die das Heil der Menschen will [Vgl. Hebr 2,10.17–18; 4,15; 5,7–9]. Aus Liebe zu seinem Vater und zu den Menschen, die der Vater retten will, nahm er sein Leiden und seinen Tod freiwillig auf sich: „Niemand entreißt [mir mein Leben], sondern ich gebe es aus freiem Willen hin“ (Joh 10,18). Darum ging der Sohn Gottes in souveräner Freiheit dem Tod entgegen [Vgl. Joh 18,4–6; Mt 26,53] (Vgl. dazu auch 478, 515, 272, 539).


Beim Letzten Abendmahl nahm Jesus die freie Hingabe seines Lebens vorweg

610 „In der Nacht, in der er ausgeliefert wurde“ (1 Kor 11,23), gab Jesus seiner freien Hingabe feierlich Ausdruck im Mahl mit den zwölf Aposteln [Vgl. Mt 26,20]. Am Abend vor seinem Leiden, als er noch in Freiheit war, machte Jesus dieses letzte Mahl mit seinen Aposteln zur Gedenkfeier der freiwilligen Hingabe seiner selbst an den Vater [Vgl. 1 Kor 5,7] zum Heil der Menschen: „Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird“ (Lk 22,19); „das ist mein Blut, das Blut des Bundes, das für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden“ (Mt 26,28) (Vgl. dazu auch 766, 1337).

611 Die Eucharistie, die Jesus in dieser Stunde einsetzt, wird zum „Gedächtnis“ (1 Kor 11,25) seines Opfers. Er nimmt die Apostel in seine eigene Hingabe hinein und fordert sie auf, diese weiterzuführen [Vgl. Lk 22,19]. Damit setzt er seine Apostel zu Priestern des Neuen Bundes ein: „Ich heilige mich für sie, damit auch sie in der Wahrheit geheiligt sind“ (Joh 17, 19) [Vgl. K. v. Trient: DS 1752; 1764] (Vgl. dazu auch 1364, 1341, 1566).


Die Todesangst in Getsemani

612 Den Kelch des Neuen Bundes, den Jesus in seiner Darbringung beim Abendmahl vorweggenommen hatte [Vgl. Lk 22,20], nahm er in seiner Todesangst in Getsemani aus den Händen des Vaters entgegen [Vgl. Mt 26,42], indem er „gehorsam war bis zum Tod“ (Phil 2,8) [Vgl. Hebr 5,7–8]. Jesus betet: „Mein Vater, wenn es möglich ist, gehe dieser Kelch an mir vorüber (Mt 26,39). Er äußert so den Abscheu, den seine menschliche Natur vor dem Tod empfindet. Wie unsere Natur ist die seine ja zum ewigen Leben bestimmt; aber im Unterschied zu der unseren ist sie völlig frei von Sünde [Vgl. Hebr 4,15], die den Tod nach sich zieht [Vgl. Röm 5,12]; vor allem aber ist sie in die göttliche Person des „Urhebers des Lebens“ (Apg 3,15), des „Lebendigen“ (Offb 1, 18) [Vgl. Joh 1,4; 5,26] aufgenommen. Mit seinem menschlichen Willen stimmt er zu, dass der Wille des Vaters geschieht [Vgl. Mt 26,42], und nimmt so den Tod als Erlösungstod an, um „unsere Sünden mit seinem Leib auf das Holz zu tragen“ (1 Petr 2,24)(Vgl. dazu auch 532, 2600, 1009).


Der Tod Christi ist das einzige und endgültige Opfer

613 Der Tod Christi ist das österliche Opfer, worin „das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt“ (Joh 1,29) [Vgl. 1 Petr 1,19], die endgültige Erlösung der Menschen vollzieht [Vgl. 1 Kor 5,7; Joh 8,34–36]. Zugleich ist er das Opfer des Neuen Bundes [Vgl. 1 Kor 11,25], das den Menschen wieder in die Gemeinschaft mit Gott versetzt [Vgl. Ex 24,8], indem er den Menschen mit Gott versöhnt durch das „Blut, ... das für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden“ (Mt 26,28) [Vgl. Lev 16,15–16] (Vgl. dazu auch 1366, 2099).

614 Dieses Opfer Christi ist einmalig; es vollendet und überholt alle Opfer [Vgl. Hebr 10,10].Es ist zunächst eine Gabe Gottes des Vaters selbst: Der Vater gibt seinen Sohn dahin, um uns mit sich zu versöhnen [Vgl. 1 Joh 4,10]. Gleichzeitig ist es eine Opfergabe des menschgewordenen Gottessohnes, der aus freiem Willen und aus Liebe [Vgl. Joh 15,13] im Heiligen Geist [Vgl. Hebr 9,14] sein Leben [Vgl. Joh 10, 17–18] seinem Vater darbringt, um unseren Ungehorsam zu sühnen (Vgl. dazu auch 529, 1330, 2100).


Jesus setzt seinen Gehorsam an die Stelle unseres Ungehorsams

615 „Wie durch den Ungehorsam des einen Menschen die vielen zu Sündern wurden, so werden auch durch den Gehorsam des einen die vielen zu Gerechten gemacht werden“ (Röm 5,19). Durch seinen Gehorsam bis zum Tod wurde Jesus zum leidenden Gottesknecht, der stellvertretend „sein Leben als Sühnopfer hingab“, „die Sünden von vielen trug“ und so „die vielen gerecht macht“, indem er „ihre Schuld auf sich lädt“ (Jes 53,10–12). Jesus hat unsere Sünden wiedergutgemacht und Gott dem Vater für sie Genugtuung geleistet [Vgl. K. v. Trient: DS 1529] (Vgl. dazu auch 1850, 433, 411).


Jesus vollendet sein Opfer am Kreuz

616 Die „Liebe bis zur Vollendung“ (Joh 13,1) gibt dem Opfer Christi seinen Wert und bewirkt, dass es erlöst und wiedergutmacht, sühnt und Genugtuung leistet. Jesus hat bei der Hingabe seines Lebens um uns alle gewusst, uns alle geliebt [Vgl. Gal 2,20; Eph 5,2.25]. „Die Liebe Christi drängt uns, da wir erkannt haben: Einer ist für alle gestorben, also sind alle gestorben“ (2 Kor 5,14). Kein Mensch, selbst nicht der größte Heilige, wäre imstande, die Sünden aller Menschen auf sich zu laden und sich als Opfer für alle darzubringen. Doch kraft der göttlichen Person des Sohnes in Christus, die über alle menschlichen Personen hinausgeht und sie zugleich umfängt, und Christus zum Haupt der ganzen Menschheit macht, kann das Opfer Christi für alle erlösend sein (Vgl. dazu auch 478, 468, 519).

617 „Durch sein heiligstes Leiden am Holz des Kreuzes verdiente er uns Rechtfertigung“, lehrt das Konzil von Trient (DS 1529) und betont so den einzigartigen Charakter des Opfers Christi als des „Urhebers des ewigen Heils“ (Hebr 5,9). Und die Kirche verehrt das Kreuz, indem sie singt: „O heiliges Kreuz, sei uns gegrüßt, du einzige Hoffnung dieser Welt“ (LH, Hymnus „Vexilla regis“) (Vgl. dazu auch 1992, 1235).


Unsere Teilnahme am Opfer Christi

618 Der Kreuzestod ist das einmalige Opfer Christi, des „einzigen Mittlers zwischen Gott und den Menschen“ (1 Tim 2,5). Doch weil er sich in seiner menschgewordenen göttlichen Person „gewissermaßen mit jedem Menschen vereinigt“ hat (GS 22,2), bietet sich allen „die Möglichkeit ...‚ sich mit diesem österlichen Geheimnis in einer Gott bekannten Weise zu verbinden“ (GS 22,5). Jesus fordert seine Jünger auf, ihr „Kreuz auf sich“ zu nehmen und ihm nachzufolgen (Mt 16,24), denn er „hat für [uns] gelitten und [uns] ein Beispiel gegeben, damit [wir] seinen Spuren“ folgen (1 Petr 2,21). Er will diejenigen, denen sein Erlösungsopfer zuerst zugutekommt, an diesem Opfer beteiligen [Vgl. Mk 10,39; Joh 21,18–19; Kol 1,24]. Das gilt vor allem für seine Mutter, die in das Mysterium seines erlösenden Leidens tiefer hineingenommen wird als jeder andere Mensch [Vgl. Lk 2.35] (Vgl. dazu auch 1368, 1460, 307, 2100, 964).

„Es gibt keine andere Leiter, um zum Himmel emporzusteigen, als das Kreuz“ (Rosa v. Lima, Vita).

KURZTEXTE

619 „Christus ist für unsere Sünden gestorben. gemäß der Schrjft“ (1 Kor 15,3).

620 Unser Heil entspringt der Initiative der Liebe Gottes zu uns, denn er hat „uns geliebt und seinen Sohn als Sühne für unsere Sünden gesandt“ (1 Joh 4, 10). „Gott war es, der in Christus die Welt mit sich versöhnt hat“ (2 Kor 5. 19).

621 Jesus hat sich zu unserem Heil freiwillig dargebracht. Beim Letzten Abendmahl bringt er diese Selbsthingabe zeichenhaft zum Ausdruck und verwirklicht sie im voraus: „Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird“ (Lk 22,19).

622 Die Erlösung durch Christus besteht darin, dass er „gekommen“ ist, „um ... sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele“ (Mt 20,28), das heißt um den Seinen „seine Liebe bis zur Vollendung“ zu erweisen (Joh 13,1), damit sie aus der „sinnlosen, von den Vätern ererbten Lebensweise....losgekauft“ werden (1 Petr 1,18).

623 Jesus war seinem Vater in Liebe gehorsam „bis zum Tod am Kreuz“ (Phil 2,8). Dadurch erfüllte Jesus die Sendung, Sühne zu leisten [Vgl. Jes 53,10] als leidender Gottesknecht, der „die vielen gerecht“ macht, indem er „ihre Schuld auf sich“ lädt (Jes 53,11) [Vgl. Röm 5,19].

ABSATZ 3: JESUS CHRISTUS IST BEGRABEN WORDEN

624 „Es war nämlich Gottes gnädiger Wille, dass er für alle den Tod koste“ (Hebr 2,9). In seinem Heilsplan hat Gott verfügt, dass sein Sohn nicht nur „für unsere Sünden“ sterbe (1 Kor 15,3), sondern auch den Tod „koste“, das heißt während der Zeit zwischen seinem Sterben am Kreuz und dem Moment seiner Auferstehung das Totsein, den Zustand der Trennung zwischen seiner Seele und seinem Leib erfahre. Dieser Todeszustand Christi ist das Mysterium des Begrabenseins und des Hinabstiegs in das Reich des Todes. Es ist das Mysterium des Karsamstags, an dem Christus, ins Grab gelegt [Vgl. Joh 19,42], in die große Sabbatruhe Gottes eingeht [Vgl. Hebr 4,4–9], nachdem er das Heil der Menschen vollbracht [Vgl. Joh 19,30] und das ganze All versöhnt hat [Vgl. Kol 1,18–20] (Vgl. dazu auch 1005, 362, 349).


Christus seinem Leibe nach im Grab

625 Der Aufenthalt Christi im Grab bildet die reale Verbindung zwischen dem leidensfähigen Zustand Christi vor Ostern und seinem jetzigen verherrlichten Zustand als Auferstandener. Die Person des „Lebendigen“ kann sagen: „Ich war tot, doch nun lebe ich in alle Ewigkeit“ (Offb 1,18).

„Weil er dem gewöhnlichen Gang der Natur nicht hindernd in den Weg trat, trennte sich zwar auch bei ihm durch den Tod die Seele vom Leibe, dann aber vereinigte er bei der Auferstehung beide wieder miteinander, damit er selbst der Treffpunkt von beiden, des Todes und des Lebens werde, indem er einerseits der weiteren natürlichen Auflösung des von der Seele getrennten Körpers in sich Einhalt gebot, andererseits das Prinzip der Wiedervereinigung der getrennten menschlichen Wesensbestandteile wurde“ (Gregor v. Nyssa, or. catech. 16).

626 Weil der „Urheber des Lebens“, den man getötet hat (Apg 3,15), der gleiche ist wie der „Lebende“, der „auferstanden“ ist (Lk 24,5–6), muß offenbar die göttliche Person des Sohnes Gottes seine Seele und seinen Leib, die durch den Tod voneinander getrennt waren, weiterhin zu eigen gehabt haben (Vgl. dazu auch 470, 650):

„Wenn auch seine heilige Seele sich von dem unbefleckten Leib getrennt hat ..., ward doch auch so die eine Person nicht in zwei Personen geschieden, denn der Leib und die Seele hatten zugleich von Anfang an in der Person des Wortes ihre Existenz, und obwohl im Tode voneinander getrennt, blieben beide in der einen Person des Wortes“ (Johannes v. Damaskus, f. o. 3,27).


„Du wirst deinen Heiligen nicht die Verwesung schauen lassen“

627 Der Tod Christi war ein echter Tod; er machte seinem menschlichen Dasein auf Erden ein Ende. Weil aber die Person des Sohnes Gottes mit seinem Leib vereinigt blieb, wurde dieser nicht ein gewöhnlicher Leichnam, denn „es war unmöglich, dass der vom Tod festgehalten wurde“ (Apg 2,24) und „deshalb hat die göttliche Kraft den Leib Christi von der Verwesung bewahrt“ (Thomas von Aquin, s. th. 3,51,3). Von Christus galt gleichzeitig: „Er wurde vom Land der Lebenden abgeschnitten“ (Jes 53,8) und „mein Leib wird in sicherer Hoffnung ruhen, denn du gibst mich nicht der Unterwelt preis noch läßt du deinen Heiligen die Verwesung schauen“ (Apg 2, 26–27) [Vgl. Ps 16,9–10]. Die Auferstehung Jesu „am dritten Tag“ (1 Kor 15,4; Lk 24, 46) [Vgl. Mt 12,40; Jon 2,1; Hos 6,2] war das Zeichen dafür, auch weil man annahm, dass die Verwesung vom vierten Tag an eintrete [Vgl. Joh 11,39] (Vgl. dazu auch 1009, 1683).


„Mit Christus begraben ...“

628 Die Taufe, deren ursprüngliche und volle Zeichenhaftigkeit im Untergetauchtwerden hervortritt, ist das wirksame Zeichen für den Hinabstieg des Täuflings ins Grab, für das Sterben mit Christus, um zu einem neuen Leben zu gelangen: „Wir wurden mit ihm begraben durch die Taufe auf den Tod; und wie Christus durch die Herrlichkeit des Vaters von den Toten auferweckt wurde, so sollen auch wir als neue Menschen leben“ (Röm 6,4) [Vgl. Kol 2,12; Eph 5,26] (Vgl. dazu auch 537, 1215).

KURZTEXTE

629 Jesus hat für jeden Menschen den Tod gekostet [Vgl. Hebr 2,9]. Der Sohn Gottes starb wirklich und wurde begraben.

630 Während Christus im Grabe lag, blieb seine göttliche Person weiterhin mit seiner Seele und auch mit seinem Leibe vereint, obwohl diese durch den Tod voneinander getrennt worden waren. Darum hat der Leib des toten Christus ..die Verwesung nicht gesehen“ (Apg 13, 37).

ARTIKEL 5: JESUS CHRISTUS IST „HINABGESTIEGEN IN DAS REICH DES TODES, AM DRITTEN TAGE AUFERSTANDEN VON DEN TOTEN“

631 Jesus stieg hinab „in die Niederungen der Erde ... Derselbe, der hinabstieg, ist auch hinaufgestiegen“ (Eph 4,9–10). Das Apostolische Glaubensbekenntnis bekennt in ein und demselben Glaubensartikel den Abstieg Christi in die Unterwelt und seine Auferstehung von den Toten am dritten Tag, denn in seinem Pascha läßt er das Leben aus dem Abgrund des Todes hervorgehen:

... dein Sohn, unser Herr Jesus Christus, der von den Toten erstand, der den Menschen erstrahlt im österlichen Licht; der mit dir lebt und herrscht in Ewigkeit. Amen.

(MR, Osternacht 18: Exsultet)

ABSATZ 1: CHRISTUS IST HINABGESTIEGEN ZU DEN TOTEN

632 Die häufigen Aussagen des Neuen Testamentes, wonach Jesus „von den Toten auferweckt“ worden ist (Apg 3,15; Röm 8,11; 1 Kor 15,20), setzen voraus, dass er vor der Auferstehung am Aufenthaltsort der Toten geweilt hat [Vgl. Hebr 13,20]. Das ist der erste Sinn, den die Predigt der Apostel dem Abstieg Jesu in die Unterwelt gab: Jesus erlitt wie alle Menschen den Tod und begab sich der Seele nach zum Aufenthaltsort der Toten. Aber er stieg in diesen hinab als Retter und verkündete den Seelen, die dort festgehalten wurden, die Frohbotschaft [Vgl. 1 Petr 3,18–19].

633 Die Schrift nennt den Aufenthaltsort der Toten, zu dem Christus nach dem Tod hinabgestiegen ist, „Hölle“, „Scheol“ oder „Hades“ [Vgl. Phil 2,10; Apg 2,24; Offb 1,18; Eph 4,9], denn diejenigen, die sich darin aufhalten, entbehren der Anschauung Gottes [Vgl. Ps 6,6; 88,11–13]. Das war vor dem Kommen des Erlösers bei allen Toten der Fall, ob sie nun böse oder gerecht waren [Vgl. Ps 89,49; 1 Sam 28,19; Ez 32,17–32]. Das will jedoch nicht besagen, dass alle das gleiche Los hatten. Jesus zeigt uns das im Gleichnis vom armen Lazarus, der „in den Schoß Abrahams“ aufgenommen wird [Vgl. Lk 16,22–26]. „Die Seelen der Gerechten, die in Abrahams Schoß den Heiland erwarteten, hat Christus der Herr bei seinem Abstieg in die Hölle befreit“ (Catech. R. 1,6,3). Jesus ist nicht in die Unterwelt hinabgestiegen, um die Verdammten daraus zu befreien [Vgl. Syn. v. Rom 745: DS 587], und auch nicht, um die Hölle, den Ort der Verdammung, aufzuheben [Vgl. DS 1011; 1077], sondern um die Gerechten zu befreien, die vor ihm gelebt hatten [Vgl. 4. Syn. v. Toledo 625: DS 485;Vgl. auch Mt 27,52–53] (Vgl. dazu auch 1033).

634 „Auch Toten ist das Evangelium ... verkündet worden“ (1 Petr 4,6). Im Abstieg zu den Toten vollendete sich die Verkündigung der frohen Botschaft vom Heil. Er ist die letzte Phase der messianischen Sendung Jesu – eine der Zeitdauer nach sehr knappe, aber ihrer Bedeutung nach unermeßliche Phase: die Ausweitung des Erlösungswerkes auf alle Menschen aller Zeiten und aller Orte, denn allen Geretteten wurde die Erlösung zuteil (Vgl. dazu auch 605).

635 Christus ist somit in die Tiefe des Todes hinabgestiegen [Vgl. Mt 12,40; Röm 10,7; Eph 4,9], damit „die Toten die Stimme des Sohnes Gottes hören ...; und alle, die sie hören, leben“ (Joh 5,25). Jesus, der „Urheber des Lebens“ (Apg 3,15), ist gekommen, „um den zu entmachten, der die Gewalt über den Tod hat, nämlich den Teufel, und um die zu befreien, die durch die Furcht vor dem Tod ihr Leben lang der Knechtschaft verfallen waren“ (Hebr 2,14–15). Der auferweckte Christus hat nun „die Schlüssel zum Tod und zur Unterwelt“ in Händen (Offb 1,18), und „im Himmel, auf der Erde und unter der Erde“ beugen alle „ihre Knie vor dem Namen Jesu“ (Phil 2,10).

„Tiefes Schweigen herrscht heute auf Erden, tiefes Schweigen und Stille. Tiefes Schweigen, weil der König ruht. Furcht hat die Erde gepackt und sie ist verstummt, weil Gott – im Fleisch – in Schlaf gesunken ist und Menschen aufgeweckt hat, die seit unvordenklicher Zeit schliefen ... Er geht auf die Suche nach Adam, unserem Stammvater, nach dem verlorenen Schaf. Besuchen will er, die in Finsternis sitzen und im Schatten des Todes. Er kommt, um den gefangenen Adam und die mitgefangene Eva von ihren Schmerzen zu erlösen, er, der zugleich ihr Gott und ihr Sohn ist ... ‚Deinetwegen wurde ich dein Sohn, ich, dein Gott ... Wach auf, Schläfer... Ich habe dich nicht geschaffen, damit du im Gefängnis der Unterwelt festgehalten wirst. Steh auf von den Toten! Ich bin das Leben der Toten’“ (Alte Homilie zum Karsamstag).

KURZTEXTE

636 Mit „hinabgestiegen in das Reich des Todes“ bekennt das Glaubensbekenntnis, dass Jesus wirklich gestorben ist und durch seinen Tod für uns den Tod und den Teufel besiegt hat, „der die Gewalt über den Tod hat“ (Hebr 2,14).

637 Der tote Christus ist in seiner Seele, die mit seiner göttlichen Person vereint blieb, zum Aufenthaltsort der Toten hinabgestiegen. Er hat den Gerechten, die vor ihm gelebt hatten, die Pforten des Himmels geöffnet.

ABSATZ 2: AM DRITTEN TAG IST ER AUFERSTANDEN VON DEN TOTEN

638 „So verkünden wir euch die frohe Botschaft: Gott hat die Verheißung, die an die Väter ergangen ist, an uns, ihren Kindern, erfüllt, indem er Jesus auferweckt hat“ (Apg 13,32–33). Die Auferstehung Christi ist die Wahrheit, in der unser Glauben an Christus gipfelt; die christliche Urgemeinde glaubt und lebt sie als zentrale Wahrheit, die Überlieferung gibt sie als grundlegend weiter, die Dokumente des Neuen Testamentes weisen sie nach; zugleich mit dem Kreuz wird sie als wesentlicher Teil des Pascha–Mysteriums verkündet (Vgl. dazu auch 90, 991, 651).

Christus ist von den Toten auferstanden. Durch seinen Tod hat er den Tod besiegt, den Toten das Leben gegeben.

(Byzantinische Liturgie, Troparion von Ostern)

I Das geschichtliche und transzendente Ereignis

639 Das Mysterium der Auferstehung Christi ist ein wirkliches Geschehen, das sich nach dem Zeugnis des Neuen Testamentes geschichtlich feststellbar manifestiert hat. Schon der hl. Paulus kann um das Jahr 56 an die Korinther schreiben: „Vor allem habe ich euch überliefert, was auch ich empfangen habe: Christus ist für unsere Sünden gestorben, gemäß der Schrift, und ist begraben worden. Er ist am dritten Tag auferweckt worden, gemäß der Schrift, und erschien dem Kephas, dann den Zwölf“ (1 Kor 15,3–4). Der Apostel spricht hier von der lebendigen Auferstehungstradition, die er nach seiner Bekehrung vor den Toren von Damaskus vernommen hatte [Vgl. Apg 9,3–18].


Das leere Grab

640 „Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten? Er ist nicht hier, sondern er ist auferstanden“ (Lk 24,5–6). Das erste Element, auf das wir im Rahmen der Osterereignisse stoßen, ist das leere Grab. Es ist an und für sich kein direkter Beweis. Dass der Leichnam Jesu nicht mehr im Grab lag, ließe sich auch anders erklären [Vgl. Joh 20,13; Mt 28,11–15]. Trotzdem war das leere Grab für alle ein entscheidend wichtiges Zeichen, und seine Entdeckung durch die Jünger der erste Schritt zu der Einsicht, dass Christus tatsächlich auferstanden ist, wie das zuerst bei den heiligen Frauen [Vgl. Lk 24,3.22–23] und sodann bei Petrus [Vgl. Lk 24,12] der Fall war. Der „Jünger, den Jesus liebte“ (Joh 20,2) sagt, er habe, als er in das leere Grab eingetreten sei und „die Leinenbinden liegen“ gesehen habe (Joh 20,6), „gesehen und geglaubt“ (Joh 20,8). Das setzt voraus, dass er am Zustand des leeren Grabes festgestellt hat [Vgl. Joh 20,5–7], dass das Fehlen des Leichnams Jesu nicht auf die Tat von Menschen zurückzuführen sei und dass Jesus nicht einfach, wie Lazarus [Vgl. Joh 11,44], in ein irdisches Leben zurückgekehrt war (Vgl. dazu auch 999).


Die Erscheinungen des Auferstandenen

641 Die Ersten, die dem Auferstandenen begegneten [Vgl. Mt 28,9–10; Joh 20,11–18], waren Maria von Magdala und die heiligen Frauen, die zum Grabe kamen, um den Leichnam Jesu einzubalsamieren [Vgl. Mk 16,1; Lk 24,1], der am Karfreitagabend, weil der Sabbat anbrach, hastig bestattet worden war [Vgl. Joh 19, 31.42]. So waren Frauen selbst für die Apostel [Vgl. Lk 24, 9–10] die ersten Botinnen der Auferstehung Christi. Danach erschien Jesus den Aposteln, zuerst dem Petrus, dann den Zwölfen [Vgl. 1 Kor 15,5]. Petrus, der den Auftrag erhalten hat, den Glauben seiner Brüder zu stärken [Vgl. Lk 22,31–32], erblickt also den Auferstandenen vor diesen, und auf sein Zeugnis hin ruft die Gemeinschaft aus: „Der Herr ist wirklich auferstanden und ist dem Simon erschienen“ (Lk 24,34) (Vgl. dazu auch 553, 448).

642 Alles, was in diesen Ostertagen geschah, stellte die Apostel – und ganz besonders Petrus – in den Dienst am Aufbau der neuen Ära, die am Ostermorgen anbrach. Als Zeugen des Auferstandenen bleiben sie die Grundsteine seiner Kirche. Der Glaube der ersten Glaubensgemeinde gründet auf dem Zeugnis konkreter Menschen, die den Christen bekannt waren und von denen die meisten noch unter ihnen lebten. Diese „Zeugen der Auferstehung“ Christi [Vgl. Apg 1,22] sind vor allem Petrus und die Zwölf, aber nicht nur sie: Paulus spricht klar von mehr als fünfhundert Personen, denen Jesus gleichzeitig erschienen ist; er erschien auch dem Jakobus und allen Aposteln [Vgl. 1 Kor 15,4–8] (Vgl. dazu auch 659, 881, 860).

643 Angesichts dieser Zeugnisse ist es unmöglich, die Auferstehung als etwas zu interpretieren, das nicht der physischen Ordnung angehört, und sie nicht als ein geschichtliches Faktum anzuerkennen. Aus den Ereignissen ergibt sich, dass der Glaube der Jünger die überaus harte Prüfung des Leidens und des Kreuzestodes ihres Meisters durchmachen musste, die dieser vorausgesagt hatte [Vgl. Lk 22,31–32]. Die Jünger (jedenfalls einige von ihnen) waren durch die Passion so sehr erschüttert worden, dass sie der Kunde von der Auferstehung nicht ohne weiteres Glauben schenkten. Die Evangelien zeigen uns keineswegs eine mystisch hingerissene Gemeinde, sondern Jünger, die niedergeschlagen („trübe dreinblickend“: Lk 24,17) und erschrocken [Vgl. Joh 20,19] waren. Darum schenkten sie den heiligen Frauen, die vom Grabe zurückkehrten, keinen Glauben und „hielten das alles für Geschwätz“ (Lk 24, 11) [Vgl. Mk 16,11.13]. Als Jesus sich am Osterabend den Elfen zeigte, „tadelte er ihren Unglauben und ihre Verstocktheit, weil sie denen nicht glaubten, die ihn nach seiner Auferstehung gesehen hatten“ (Mk 16,14).

644 Sogar angesichts des auferstandenen Jesus selbst zweifeln die Jünger noch [Vgl. Lk 24,38], da ihnen die Sache so unmöglich erscheint: Sie meinen, ein Gespenst zu sehen [Vgl. Lk 24,39]. „Sie staunten, konnten es aber vor Freude immer noch nicht glauben“ (Lk 24,41). Thomas wird die gleiche Prüfung des Zweifels durchmachen [Vgl. Joh 20,24–27], und noch bei der letzten Erscheinung in Galiläa, von der Matthäus berichtet, hatten einige „Zweifel“ (Mt 28,17). Darum läßt sich die Hypothese, dass die Auferstehung ein „Erzeugnis“ des Glaubens (oder der Leichtgläubigkeit) der Apostel gewesen sei, nicht halten. Ganz im Gegenteil, ihr Glaube an die Auferstehung – unter dem Wirken der göttlichen Gnade– ist aus der unmittelbaren Erfahrung der Wirklichkeit des auferstandenen Christus selbst hervorgegangen.


Der Zustand der auferstandenen Menschennatur Christi

645 Der auferstandene Jesus tritt mit seinen Jüngern in direkte Beziehung: er läßt sich berühren [Vgl. Lk 24,39; Joh 20,27] und ißt mit ihnen [Vgl. Lk 24,30.41–43; Joh 21,9.13–15]. Er fordert sie auf, festzustellen, dass er kein Gespenst ist [Vgl. Lk 24,39], vor allem aber, dass der auferstandene Leib, in dem er vor ihnen steht, wirklich der gleiche ist, der gequält und gekreuzigt worden ist, weil er noch die Spuren des Leidens trägt [Vgl. Lk 24,40; Joh 20,20.27]. Dieser echte und wirkliche Leib besitzt jedoch zugleich die neuen Eigenschaften eines verherrlichten Leibes: Jesus ist nicht mehr an Ort und Zeit gebunden, sondern kann nach Belieben da sein, wo und wann er will [Vgl. Mt 28,9.16–17; Lk 24,15.36; Joh 20,14.19.26; 21,4]. Seine Menschennatur kann nicht mehr auf der Erde zurückgehalten werden und gehört nur noch dem göttlichen Bereich des Vaters an [Vgl. Joh 20,17]. Aus diesem Grund steht es dem auferstandenen Jesus auch völlig frei, so zu erscheinen, wie er will: in der Gestalt eines Gärtners [Vgl. Joh 20,14–15] oder „in einer anderen Gestalt“ (Mk 16,12) als der, die den Jüngern vertraut war. Dadurch sollte ihr Glaube geweckt werden [Vgl. Joh 20,14.16; 21,4.7] (Vgl. dazu auch 999).

646 Die Auferstehung Jesu war nicht eine Rückkehr in das irdische Leben, wie das bei den Auferweckungen der Fall war, die er vor Ostern gewirkt hatte: des Töchterchens des Jaïrus, des jungen Mannes von Naïn und des Lazarus. Diese Taten waren wunderbare Ereignisse, aber die Menschen, an denen das Wunder geschah, kehrten durch die Macht Jesu in das gewöhnliche, irdische Leben zurück. Zu bestimmter Zeit mussten sie aufs neue sterben. Die Auferstehung Christi ist wesentlich anders. Er geht in seinem auferweckten Leib aus dem Totsein in ein anderes Leben über, jenseits von Zeit und Raum. Der Leib Jesu wird bei der Auferstehung von der Macht des Heiligen Geistes erfüllt; er hat in seinem verherrlichten Zustand am göttlichen Leben teil, so dass der hl. Paulus Christus als den „Himmlischen“ bezeichnen kann [Vgl. 1 Kor 15,35–50] (Vgl. dazu auch 994,549).


Die Auferstehung als transzendentes Ereignis

647 „O wahrhaft selige Nacht“, jubelt das „Exsultet“ der Ostervigil, „dir allein war es vergönnt, die Stunde zu kennen, in der Christus erstand von den Toten“. In der Tat war niemand Augenzeuge des Ereignisses der Auferstehung selbst, und kein Evangelist schildert sie. Niemand konnte sagen, wie sie äußerlich vor sich ging. Noch weniger aber konnte ihr inneres Wesen, der Übergang in ein anderes Leben, durch die Sinne wahrgenommen werden. Obwohl sie ein Ereignis war, das sich durch das Zeichen des leeren Grabes und durch die Wirklichkeit der Begegnungen der Apostel mit dem auferweckten Christus feststellen ließ, bleibt die Auferstehung in dem, worin sie über die Geschichte hinausgeht, im Herzen des Glaubensmysteriums. Darum offenbart sich der auferweckte Christus nicht der Welt [Vgl. Joh 14,22], sondern seinen Jüngern, „die mit ihm zusammen von Galiläa nach Jerusalem hinaufgezogen waren und die jetzt vor dem Volk seine Zeugen sind“ (Apg 13,31) (Vgl. dazu auch 1000).

II Die Auferstehung – Werk der heiligsten Dreifaltigkeit

648 Die Auferstehung Christi ist Gegenstand des Glaubens: transzendenter Eingriff Gottes selbst in die Schöpfung und in die Geschichte. Bei ihr handeln die drei göttlichen Personen gemeinsam und offenbaren dabei gleichzeitig ihre Eigenart. Sie geschah durch die Macht des Vaters, der Christus, seinen Sohn, „auferweckte“ [Vgl. Apg 2,24] und so dessen Menschennatur – mitsamt dem Leib – vollkommen in die Dreifaltigkeit aufnahm. Jesus wird endgültig geoffenbart als „dem Geist der Heiligkeit nach ... Sohn Gottes in Macht aufgrund der Auferstehung von den Toten“ (Röm 1,3–4). Der hl. Paulus betont die Offenbarung der Macht Gottes [Vgl. Röm 6,4; 2 Kor 13,4; Phil 3,10; Eph 1,19–22; Hebr 7,16] durch das Wirken des Geistes, der die tote Menschennatur Jesu lebendig gemacht und in den verherrlichten Zustand, in das Herr–Sein, versetzt hat (Vgl. dazu auch 258, 989, 663, 445, 272).

649 Was den Sohn anbelangt, so bewirkt er seine Auferstehung kraft seiner göttlichen Macht. Jesus kündigt an, der Menschensohn werde viel leiden und auch sterben müssen; dann werde er auferstehen [Vgl. Mk 8,31; 9,9–31; 10,34]. An anderer Stelle sagt er ausdrücklich: „Ich gebe mein Leben hin, um es wieder zu nehmen ... Ich habe Macht, es hinzugeben, und ich habe Macht, es wieder zu nehmen“ (Joh 10, 17–18). „Das ist unser Glaube: Jesus ist gestorben und auferstanden“ (1 Thess 4,14).

650 Die Kirchenväter betrachten die Auferstehung von der göttlichen Person Christi her. Diese war mit seiner Seele und seinem Leib, die durch den Tod voneinander getrennt worden waren, vereint geblieben: „Kraft der Einheit der göttlichen Natur, die in beiden Wesensteilen des Menschen zugegen bleibt, vereinigen sich diese aufs neue. So kommt der Tod durch die Trennung des menschlichen Gefüges zustande und die Auferstehung durch die Vereinigung der beiden getrennten Teile“ (Gregor v. Nyssa, res. 1) [Vgl. auch DS 325; 359; 369; 539] (Vgl. dazu auch 626, 1005).

III Sinn und Heilsbedeutung der Auferstehung

651 „Ist Christus nicht auferweckt worden, dann ist unsere Verkündigung leer und euer Glaube sinnlos“ (1 Kor 15,15). Die Auferstehung stellt vor allem die Bestätigung für all das dar, was Christus getan und gelehrt hat. Sämtliche Wahrheiten, selbst die für den menschlichen Geist unfaßlichsten, finden ihre Rechtfertigung, wenn Christus durch seine Auferstehung den von ihm verheißenen endgültigen Beweis seiner göttlichen Autorität gegeben hat (Vgl. dazu auch 129, 274).

652 In der Auferstehung Christi erfüllen sich die Verheißungen des Alten Bundes [Vgl. Lk 24,26–27.44–48] und auch die, welche Jesus selbst während seines irdischen Lebens gegeben hat [Vgl. Mt 28,6; Mk 16,7; Lk 24,6–7]. Der Ausdruck „gemäß der Schrift“ (1 Kor 15,3) [Vgl. das Glaubensbekenntnis von Nizäa–Konstantinopel] weist darauf hin, dass mit der Auferstehung Christi diese Vorhersagen in Erfüllung gehen (Vgl. dazu auch 994, 601).

653 Seine Auferstehung bestätigt die wahre Gottheit Jesu. Er hatte gesagt: „Wenn ihr den Menschensohn erhöht habt, dann werdet ihr erkennen, dass Ich bin“ (Joh 8,28). Die Auferstehung des Gekreuzigten beweist, dass er wirklich der „Ich bin“, der Sohn Gottes, ja Gott selber ist. Der hl. Paulus konnte den Juden erklären: „Gott hat die Verheißung, die an die Väter ergangen ist, an uns ... erfüllt, indem er Jesus auferweckt hat, wie es schon im zweiten Psalm heißt: ‚Mein Sohn bist du, heute habe ich dich gezeugt’“ (Apg 13, 32–33) [Vgl. Ps 2,7]. Die Auferstehung Christi steht in enger Verbindung mit der Menschwerdung des Sohnes Gottes. Gemäß Gottes ewigem Plan ist sie deren Vollendung (Vgl. dazu auch 445, 461, 422).

654 Das Ostergeheimnis hat zwei Seiten: Durch seinen Tod befreit uns Christus von der Sünde, durch seine Auferstehung eröffnet er uns den Zugang zu einem neuen Leben. Dieses besteht zuerst in der Rechtfertigung, die uns wieder in die Gnade Gottes versetzt [Vgl. Röm 4,25], „damit, wie Christus ... von den Toten auferweckt wurde, auch wir in einem neuen Leben wandeln“ (Röm 6,4). Die Rechtfertigung besteht im Sieg über den durch die Sünde verursachten Tod und in der neuen Teilhabe an der Gnade [Vgl. Eph 2,4–5; 1 Petr 1,3]. Sie vollzieht die Annahme zu Söhnen Gottes, denn die Menschen werden Brüder Christi. Jesus selber bezeichnet nach der Auferstehung seine Jünger als seine Brüder: „Geht und verkündet meinen Brüdern ...“ (Mt 28,10; Joh 20,17). Seine Brüder sind wir nicht aufgrund unserer Natur, sondern durch ein Geschenk der Gnade, denn diese Adoptivsohnschaft schenkt eine wirkliche Teilhabe am Leben des eingeborenen Sohnes, das in seiner Auferstehung voll zutage getreten ist (Vgl. dazu auch 1987, 1996).

655 Schließlich ist die Auferstehung Christi – und der auferstandene Christus selbst – Ursache und Urgrund unserer künftigen Auferstehung: „Christus ist von den Toten auferweckt worden als der Erste der Entschlafenen ... Denn wie in Adam alle sterben, so werden in Christus alle lebendig gemacht werden“ (1 Kor 15,20–22). Während des Harrens auf diese Vollendung lebt der auferstandene Christus im Herzen seiner Gläubigen. Im Auferstandenen kosten die Christen „die Kräfte der zukünftigen Welt“ (Hebr 6,5), und ihr Leben wird von Christus in den Schoß des göttlichen Lebens geborgen [Vgl. Kol 3.1–3], „damit die Lebenden nicht mehr für sich leben, sondern für den, der für sie starb und auferweckt wurde“ (2 Kor 5,15) (Vgl. dazu auch 989, 1002).

KURZTEXTE

656 Der Glaube an die Auferstehung bezieht sich auf ein Ereignis, das von den Jüngern, die dem Auferstandenen wirklich begegnet sind, als geschichtlich bezeugt wurde. Als Eintritt der Menschennatur Christi in die Herrlichkeit Gottes ist es gleichzeitig geheimnisvoll transzendent.

657 Das leere Grab und die daliegenden Tücher bedeuten, dass der Leib Christi durch die Macht Gottes aus den Banden des Todes und der Verwesung befreit worden ist. Sie bereiten die Jünger auf die Begegnung mit dem Auferstandenen vor.

658 Christus, „der Erstgeborene der Toten“ (Kol 1,18), ist der Urheber unserer eigenen Auferstehung, schon jetzt durch die Rechtfertigung unserer Seele [Vgl. Röm 6,4] und dereinst dadurch, dass er unseren Leib lebendig machen wird [Vgl. Röm 8,11].

ARTIKEL 6: JESUS IST „AUFGEFAHREN IN DEN HIMMEL; ER SITZT ZUR RECHTEN GOTTES, DES ALLMÄCHTIGEN VATERS“

659 „Nachdem Jesus, der Herr, dies zu ihnen gesagt hatte, wurde er in den Himmel aufgenommen und setzte sich zur Rechten Gottes“ (Mk 16,19). Der Leib Christi wurde schon im Augenblick der Auferstehung verherrlicht, wie das die neuen, übernatürlichen Eigenschaften beweisen, die sein Leib nun dauernd besitzt [Vgl. Lk 24,31; Joh 20,19.26]. Doch während der vierzig Tage, in denen er mit seinen Jüngern vertraut ißt und trinkt [Vgl. Apg 10,41] und sie über das Reich Gottes unterrichtet [Vgl. Apg 1,3], bleibt seine Herrlichkeit noch unter der Gestalt einer gewöhnlichen Menschennatur verhüllt [Vgl. Mk 16,12; Lk 24,15; Joh 20,14–15; 21,4]. Die letzte Erscheinung Christi endet mit dem endgültigen Eintritt seiner menschlichen Natur in die göttliche Herrlichkeit, die durch die Wolke [Vgl. Apg 1,9; vgl. auch Lk 9,34–35; Ex 13,22] und durch den Himmel [Vgl. Lk 24,51] versinnbildlicht wird. Dort thront Jesus nun zur Rechten Gottes [Vgl. Mk 16,19; Apg 2,33; 7,56; vgl. auch Ps 110,1]. Ganz ausnahmsweise und nur einmal wird er sich in einer letzten Erscheinung Paulus – gleichsam der „Missgeburt“ (Kor 15,8) – zeigen und ihn zum Apostel berufen [Vgl. 1 Kor 9,1; Gal 1,16] (Vgl. dazu auch 645, 66, 697, 642).

660 Dass die Herrlichkeit des Auferstandenen in dieser Zwischenzeit verschleiert war, klingt in seinem geheimnisvollen Wort an Maria von Magdala an: „Ich bin noch nicht zum Vater hinaufgegangen. Geh aber zu meinen Brüdern, und sag ihnen: ‚Ich gehe hinauf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott’“ (Joh 20,17). Dies deutet an, dass die Herrlichkeit des auferstandenen Christus noch nicht ebenso hell erstrahlte wie dann die Herrlichkeit des zur Rechten des Vaters erhöhten Christus. Das zugleich geschichtliche und transzendente Ereignis der Himmelfahrt stellt den Übergang dar.

661 Diese letzte Stufe der Verherrlichung bleibt eng mit der ersten verbunden, das heißt mit der Herabkunft vom Himmel in der Menschwerdung. Nur wer „vom Vater ausgegangen“ ist, kann „zum Vater zurückkehren“: Christus [Vgl. Joh 16,28]. „Niemand ist in den Himmel hinaufgestiegen außer dem, der vom Himmel herabgestiegen ist: der Menschensohn“ (Joh 3, 13) [Vgl. Eph 4,8–10]. Ihren natürlichen Kräften überlassen, hat die menschliche Natur nicht Zugang zum „Haus des Vaters“ (Joh 14,2), zum Leben und zur Glückseligkeit Gottes. Einzig Christus kann dem Menschen diesen Zugang eröffnen. „Er gibt den Gliedern seines Leibes die Hoffnung, ihm dorthin zu folgen, wohin er als erster vorausging“ (MR, Präfation von Christi Himmelfahrt) (Vgl. dazu auch 461, 792).

662 „Und ich, wenn ich über die Erde erhöht bin, werde alle zu mir ziehen“ (Joh 12,32). Das Erhöhtwerden am Kreuz bedeutet das Erhöhtwerden bei der Himmelfahrt und kündigt es an. Es ist deren Beginn. Jesus Christus, der einzige Priester des neuen und ewigen Bundes, „ist nicht in ein von Menschenhand errichtetes Heiligtum hineingegangen ...‚ sondern in den Himmel selbst, um jetzt für uns vor Gottes Angesicht zu erscheinen“ (Hebr 9,24). Im Himmel übt Christus sein Priestertum dauernd aus. „Darum kann er auch die, die durch ihn vor Gott hintreten, für immer retten; denn er lebt allezeit, um für sie einzutreten“ (Hebr 7,25). Als „Hoherpriester der künftigen Güter“ (Hebr 9,11) ist er Mittelpunkt und Hauptzelebrant der Liturgie, die den Vater im Himmel ehrt [Vgl. Offb 4,6–11] (Vgl. dazu auch 1545, 1137).

663 Nun sitzt Christus zur Rechten des Vaters: „Unter der Rechten des Vaters verstehen wir die Herrlichkeit und die Ehre der Gottheit, in welcher der Sohn Gottes als Gott wesensgleich mit dem Vater von Ewigkeit her existiert und in der er nun, nachdem er in den letzten Zeiten Fleisch geworden, auch dem Leibe nach sitzt, da sein Fleisch mitverherrlicht ist“ (Johannes v. Damaskus, f. o. 4,2) (Vgl. dazu auch 648).

664 Das Sitzen zur Rechten des Vaters bedeutet den Beginn der Herrschaft des Messias. Die Vision des Propheten Daniel geht in Erfüllung: „Ihm wurden Herrschaft, Würde und Königtum gegeben. Alle Völker, Nationen und Sprachen müssen ihm dienen. Seine Herrschaft ist eine ewige, unvergängliche Herrschaft. Sein Reich geht niemals unter“ (Dan 7,14). Von diesem Zeitpunkt an sind die Apostel die Zeugen der „Herrschaft“ geworden, der „kein Ende sein“ wird (Glaubensbekenntnis von Nizäa–Konstantinopel) (Vgl. dazu auch 541).

KURZTEXTE

665 Die Himmelfahrt Christi kennzeichnet den endgültigen Eintritt der menschlichen Natur Jesu in den himmlischen Bereich Gottes. Von wo er wiederkommen wird [Vgl. Apg 1,11], der ihn aber in der Zwischenzeit den Blicken der Menschen entzieht [Vgl. Kol 3,3].

666 Jesus Christus, das Haupt der Kirche, geht uns in das herrliche Reich des Vaters voraus, damit wir alle als Glieder seines Leibes in der Hoffnung leben, eines Tages für immer bei ihm zu sein.

667 Da Jesus Christus ein für allemal in das Heiligtum des Himmels eingetreten ist, legt er unablässig Fürbitte für uns ein als der Mittler, der den Heiligen Geist fortwährend auf uns ausgießt.

ARTIKEL 7: „VON DORT WIRD ER KOMMEN, ZU RICHTEN DIE LEBENDEN UND DIE TOTEN“

I Er wird wiederkommen in Herrlichkeit

Christus herrscht schon durch die Kirche

668 „Christus ist gestorben und lebendig geworden, um Herr zu sein über Tote und Lebende“ (Röm 14,9). Der Aufstieg Christi zum Himmel bedeutet, dass er nun in seiner Menschennatur an der Macht und Autorität Gottes selbst teilhat. Jesus Christus ist der Herr: er besitzt alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Er ist „hoch über alle Fürsten und Gewalten, Mächte und Herrschaften“ erhoben, denn der Vater hat ihm „alles“ „zu Füßen gelegt“ (Eph 1,20–22). Christus ist der Herr des Weltalls [Vgl. Eph 4,10; 1 Kor 5,24.27–28] und der Geschichte. In ihm wird die Geschichte des Menschen, ja die ganze Schöpfung erneut unter ein Haupt „zusammengefaßt“ (Eph 1,10) und jenseitig vollendet (Vgl. dazu auch 450, 518).

669 Als der Herr ist Christus auch das Haupt der Kirche, die sein Leib ist [Vgl. Eph 1,22]. Obwohl in den Himmel aufgenommen und verherrlicht, da er seine Sendung voll erfüllt hat, bleibt er auf Erden in seiner Kirche. Die Erlösung ist die Quelle der Autorität, die Christus kraft des Heiligen Geistes über die Kirche ausübt [Vgl. Eph 4,11–13]. „Die Kirche, das heißt das im Mysterium schon gegenwärtige Reich Christi“, ist „Keim und Anfang dieses Reiches auf Erden“ (LG 3; 5) (Vgl. dazu auch 792, 1088, 541).

670 Seit der Himmelfahrt geht der Plan Gottes seiner Erfüllung entgegen. Wir leben schon in der „letzten Stunde“ (1 Joh 2, 18) [Vgl. 1 Petr 4,7]. „Schon sind also die Enden der Zeiten zu uns gekommen, und die Erneuerung der Welt ist unwiderruflich begründet und wird in dieser Weltzeit auf eine gewisse wirkliche Weise vorweggenommen: Denn die Kirche wird schon auf Erden durch eine wahre, wenn auch unvollkommene Heiligkeit ausgezeichnet“ (LG 48). Schon jetzt erweist das Reich Christi seine Gegenwart durch die wunderbaren Zeichen [Vgl. Mk 16,17–18], die seine Verkündigung durch die Kirche begleiten [Vgl. Mk 16,20] (Vgl. dazu auch 1042, 825, 547).


... bis ihm alles unterworfen ist

671 Das Reich Christi, in der Kirche schon gegenwärtig, ist jedoch noch nicht durch die Ankunft des Königs auf Erden „mit großer Macht und Herrlichkeit“ (Lk 21,27) [Vgl. Mt 25,31] vollendet. Es wird noch von bösen Mächten angegriffen [Vgl. 2 Thess 2,7], obwohl diese durch das Pascha Christi im Grunde schon besiegt sind. Bis ihm dann alles unterworfen sein wird [Vgl. 1 Kor 15,28], bis es „neue Himmel und eine neue Erde geben wird, in denen die Gerechtigkeit wohnt, trägt die pilgernde Kirche in ihren Sakramenten und Einrichtungen, die zu dieser Zeit gehören, die Gestalt dieser Welt, die vergeht, und weilt selbst unter den Geschöpfen, die seufzen und bis jetzt noch in Wehen liegen und die Offenbarung der Kinder Gottes erwarten“ (LG 48). Aus diesem Grund beten die Christen, besonders in der Eucharistiefeier [Vgl. 1 Kor 11,26], um das rasche Eintreten der Wiederkunft Christi [Vgl. 2 Petr 3,11–12], indem sie zu ihm rufen: „Komm, Herr!“ (1 Kor 16,22; Offb 22, 17.20) (Vgl. dazu auch 1043, 769, 773, 1043, 2046, 2817).

672 Christus hat vor seiner Himmelfahrt gesagt, die Stunde sei noch nicht da, um das von Israel erwartete messianische Reich herrlich zu errichten [Vgl. Apg 1,6–7]. Dieses sollte den Propheten zufolge [Vgl. Jes 11,1–9] für alle Menschen die endgültige Herrschaft der Gerechtigkeit, der Liebe und des Friedens bringen. Die jetzige Zeit ist nach dem Wort des Herrn die Zeit des Geistes und des Zeugnisgebens [Vgl. Apg 1,8], aber auch noch eine Zeit der „Not“ (1 Kor 7,26) und der Prüfung durch das Böse [Vgl. Eph 5,16], das selbst die Kirche nicht verschont [Vgl. 1 Petr 4,17] und die Kämpfe der letzten Tage einleitet [Vgl. 1 Joh 2,18; 4,3; 1 Tim 4,1]. Sie ist eine Zeit des Harrens und des Wachens [Vgl. Mt 25,1–13; Mk 13,33–37] (Vgl. dazu auch 732, 2612).


Das glorreiche Kommen Christi als Hoffnung für Israel

673 Seit der Himmelfahrt steht die Ankunft Christi in Herrlichkeit bevor [Vgl. Apg 22,20], nur steht es uns „nicht zu, Zeiten und Fristen zu erfahren, die der Vater in seiner Macht festgesetzt hat“ (Apg 1,7) [Vgl. Mk 13,32]. Diese eschatologische Ankunft kann jederzeit geschehen [Vgl. Mt 24,44; 1 Thess 5,2], auch wenn sie und die endzeitliche Prüfung, die ihr vorausgehen wird [Vgl. 2 Thess 2,3–12], noch „aufgehalten“ werden (Vgl. dazu auch 1040, 1048).

674 Das Kommen des verherrlichten Messias hängt zu jedem Zeitpunkt der Geschichte [Vgl. Röm 11,31] davon ab, dass er von „ganz Israel“ (Röm 11,26) [Vgl. Mt 23,39] anerkannt wird, über dem zum Teil „Verstockung liegt“ (Röm 11,25), so dass sie Jesus „nicht glaubten“ (Röm 11,20). Petrus sagt es nach Pfingsten zu den Juden von Jerusalem: „Also kehrt um, und tut Buße, damit eure Sünden getilgt werden und der Herr Zeiten des Aufatmens kommen läßt und Jesus sendet als den für euch bestimmten Messias. Ihn muß freilich der Himmel aufnehmen bis zu den Zeiten der Wiederherstellung von allem, die Gott von jeher durch den Mund seiner heiligen Propheten verkündet hat“ (Apg 3,19–21). Und Paulus sagt gleich ihm: „Wenn schon ihre Verwerfung für die Welt Versöhnung gebracht hat, dann wird ihre Annahme nichts anderes sein als Leben aus dem Tod“ (Röm 11,15). Der Eintritt der „Vollzahl“ der Juden (Röm 11,12) in das messianische Reich im Anschluss an die „Vollzahl der Heiden“ (Röm 11,25) [Vgl. Lk 21,24] wird dem Volk Gottes die Möglichkeit geben, das „Vollmaß Christi“ (Eph 4,13) zu verwirklichen, in dem „Gott alles in allen“ sein wird (1 Kor 15,28) (Vgl. dazu auch 840, 58).


Die letzte Prüfung der Kirche

675 Vor dem Kommen Christi muß die Kirche eine letzte Prüfung durchmachen, die den Glauben vieler erschüttern wird [Vgl. Lk 18,8; Mt 24,12]. Die Verfolgung, die ihre Pilgerschaft auf Erden begleitet [Vgl. Lk 21,12; Joh 15,19–20], wird das „Mysterium der Bosheit“ enthüllen: Ein religiöser Lügenwahn bringt den Menschen um den Preis ihres Abfalls von der Wahrheit eine Scheinlösung ihrer Probleme. Der schlimmste religiöse Betrug ist der des Antichrist, das heißt eines falschen Messianismus, worin der Mensch sich selbst verherrlicht, statt Gott und seinen im Fleisch gekommenen Messias [Vgl. 2 Thess 2,4–12; 1 Thess 5,2–3; 2 Joh 7; 1 Joh 2,18.22] (Vgl. dazu auch 769).

676 Dieser gegen Christus gerichtete Betrug zeichnet sich auf der Welt jedesmal ab, wenn man vorgibt, schon innerhalb der Geschichte die messianisehe Hoffnung zu erfüllen, die nur nachgeschichtlich durch das eschatologische Gericht zu ihrem Ziel gelangen kann. Die Kirche hat diese Verfälschung des künftigen Reiches, selbst in ihrer gemäßigten Spielart, unter dem Namen „Millenarismus“ zurückgewiesen [Vgl. DS 3839], vor allem aber die „zuinnerst verkehrte“ politische Form des säkularisierten Messianismus [Vgl. die Verurteilung des falschen „Mystizismus“ dieser Fehlform der Erlösung der Armen in der Enzyklika „Divini Redemptoris“ Pius‘ XI; vgl. auch GS 20–21] (Vgl. dazu auch 2425).

677 Die Kirche wird nur durch dieses letzte Pascha hindurch, worin sie dem Herrn in seinem Tod und seiner Auferstehung folgen wird [Vgl. Offb 19,1–9], in die Herrlichkeit des Reiches eingehen. Das Reich wird also nicht in stetigem Fortschritt durch einen geschichtlichen Triumph der Kirche zustande kommen [Vgl. Offb 3,18], sondern durch den Sieg Gottes im Endkampf mit dem Bösen [Vgl. Offb 20,7–10]. In diesem Sieg wird die Braut Christi vom Himmel herabkommen [Vgl. Offb 21,2–4]. Nach der letzten kosmischen Erschütterung dieser Welt, die vergeht [Vgl. 2 Petr 3,12–13], wird es in Gestalt des letzten Gerichts zum Triumph Gottes über den Aufstand des Bösen kommen [Vgl. Offb 20,12] (Vgl. dazu auch 1340, 2853)

II ... zu richten die Lebenden und die Toten

(Vgl. dazu auch 1038 – 1042)

678 Wie die Propheten [Vgl. Dtn 7,10; Joël 3–4; Mal 3,19] und Johannes der Täufer [Vgl. Mt 3,7–12] kündigte Jesus in seiner Predigttätigkeit das Gericht am letzten Tag an. Dann wird das Verhalten [Vgl. Mk 12,38–40] und der geheimste Herzensgrund eines jeden [Vgl. Lk 12,1–3; Joh 3,20–21; Röm 2, 16; 1 Kor 4,5] aufgedeckt werden. Dann wird der sündige Unglaube, der die von Gott angebotene Gnade verschmäht hat, verurteilt werden [Vgl. Mt 11, 20–24; 12, 41–42]. Die Haltung gegenüber dem Nächsten wird zeigen, ob man die Gnade und Liebe Gottes angenommen oder zurückgewiesen hat [Vgl. Mt 5,22; 7,1–5]. Jesus wird sagen: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ (Mt 25,40) (Vgl. dazu auch1470).

679 Christus ist der Herr des ewigen Lebens. Als dem Erlöser der Welt kommt Christus das volle Recht zu, über die Werke und die Herzen der Menschen endgültig zu urteilen. Er hat durch seinen Kreuzestod dieses Recht „erworben“. Darum hat der Vater „das Gericht ganz dem Sohn übertragen“ (Joh 5,22) [Vgl. Joh 5,27; Mt 25,31; Apg 10,41; 17,31; 2 Tim 4,1]. Nun aber ist der Sohn nicht gekommen, um zu richten, sondern um zu retten [Vgl. Joh 3,17] und das Leben zu geben, das in ihm ist [Vgl. Joh 5,26]. Wer in diesem Leben die Gnade zurückweist, richtet sich schon jetzt selbst [Vgl. Joh 3,18; 12,48]: Jeder erhält Lohn oder erleidet Verlust je nach seinen Werken [Vgl. 1 Kor 3,12–15]; er kann sich selbst sogar für die Ewigkeit verurteilen, wenn er vom Geist der Liebe nichts wissen will [Vgl. Mt 12,32; Hebr 6,4–6; 10,26–31].

KURZTEXTE

680 Christus der Herr herrscht schon jetzt durch die Kirche, aber es ist ihm noch nicht alles auf dieser Welt unterworfen. Das Reich Christi wird erst nach einem letzten Ansturm der Mächte des Bösen triumphieren.

681 Am Tag des Gerichtes, am Ende der Welt, wird Christus in Herrlichkeit kommen, um den endgültigen Sieg des Guten über das Böse herbeizuführen, die im Lauf der Geschichte nebeneinander wuchsen wie Weizen und Unkraut auf einem Acker.

682 Wenn er am Ende der Zeiten kommt, um die Lebenden und die Toten zu richten, wird der verherrlichte Christus die innersten Gesinnungen der Herzen aufdecken und jedem Menschen nach seinen Werken vergelten, je nachdem, ob dieser die Gnade annahm oder zurückwies.

DRITTES KAPITEL: ICH GLAUBE AN DEN HEILIGEN GEIST

683 „Keiner kann sagen: ‚Jesus ist der Herr!‘, wenn er nicht aus dem Heiligen Geist redet“ (1 Kor 12,3). Gott sandte „den Geist seines Sohnes in unser Herz, den Geist, der ruft: ‚Abba, Vater“ (Gal 4,6). Diese Glaubenserkenntnis ist nur möglich im Heiligen Geist. Um mit Christus in Verbindung zu sein, muß man zuvor durch den Heiligen Geist berührt worden sein. Er kommt uns entgegen und erweckt in uns den Glauben. Durch das erste Sakrament des Glaubens, die Taufe, wird uns das Leben, das im Vater seinen Urgrund hat und uns im Sohn geschenkt wird, in der Kirche durch den Heiligen Geist ganz tief und persönlich weitergegeben (Vgl. dazu auch 424, 2670, 152):

„Die Taufe gewährt uns die Gnade, in Gott dem Vater durch den Sohn im Heiligen Geist wiedergeboren zu werden. Diejenigen nämlich, die den Geist Gottes haben, werden zum Wort, das heißt zum Sohn geführt; der Sohn aber stellt sie dem Vater vor, und der Vater verschafft ihnen die Unvergänglichkeit. Ohne den Geist ist es also nicht möglich, den Sohn Gottes zu sehen, und ohne den Sohn kann sich niemand dem Vater nähern, denn die Erkenntnis des Vaters ist der Sohn, und die Erkenntnis des Sohnes Gottes geschieht im Heiligen Geist“ (Irenäus, dem. 7) (Vgl. dazu auch 249).

684 Durch seine Gnade ist der Heilige Geist der Erste bei der Weckung unseres Glaubens und beim Eintritt in das neue Leben. Dieses Leben besteht darin, den Vater „zu erkennen und Jesus Christus“, den er gesandt hat (Joh 17,3). In der Offenbarung der Personen der heiligsten Dreifaltigkeit ist der Heilige Geist jedoch der zuletzt Geoffenbarte. Der hl. Gregor von Nazianz, „der Theologe“, erklärt diese Reihenfolge durch liebevolle göttliche Pädagogik (Vgl. dazu auch 236):

„Das Alte Testament verkündete den Vater offen, den Sohn mehr dunkel. Das Neue offenbarte den Sohn und ließ die Gottheit des Geistes erahnen. Jetzt wohnt der Geist unter uns und gewährt uns eine klarere Sicht von sich selbst. Als man noch nicht die Gottheit des Vaters bekannte, wäre es ja nicht klug gewesen, offen den Sohn zu verkünden, und als die Gottheit des Sohnes noch nicht angenommen war, den Heiligen Geist gleichsam als eine weitere Bürde hinzuzufügen, um einen ein wenig gewagten Ausdruck zu gebrauchen ... Durch Fortschritte und Vordringen ‚von Herrlichkeit zu Herrlichkeit‘ wird das Licht der Dreifaltigkeit den schon mehr Erleuchteten aufstrahlen“ (or. theol. 5,26).

685 An den Heiligen Geist glauben heißt also bekennen, dass der Heilige Geist eine der Personen der heiligsten Dreifaltigkeit ist, eines Wesens mit dem Vater und dem Sohn, und dass er „mit dem Vater und dem Sohn angebetet und verherrlicht wird“ (Glaubensbekenntnis von Nizäa–Konstantinopel). Aus diesem Grund war vom göttlichen Geheimnis des Heiligen Geistes schon in der Trinitäts–„Theologie“ die Rede. Hier hingegen geht es um die Stellung des Heiligen Geistes in der Heils–„Ökonomie“ (Vgl. dazu auch236).

686 Zusammen mit dem Vater und dem Sohn verwirklicht der Heilige Geist vom Anfang bis zur Vollendung den Ratschluss zu unserem Heil. Doch erst jetzt, in den „letzten Zeiten“, die mit der erlösenden Menschwerdung des Sohnes anheben, wird er als Person offenbart und erkannt, geschenkt und aufgenommen. Jetzt kann dieser göttliche Ratschluss, den Christus als „Erstgeborener“ und Haupt der neuen Schöpfung, vollzogen hat, durch den ausgegossenen Geist in der Menschheit Gestalt annehmen als die Kirche, die Gemeinschaft der Heiligen, die Vergebung der Sünden, die Auferstehung des Fleisches und das ewige Leben (Vgl. dazu auch 258).

ARTIKEL 8: „ICH GLAUBE AN DEN HEILIGEN GEIST“

687 „Keiner erkennt Gott – nur der Geist Gottes“ (1 Kor 2,11). Der Geist, der Gott offenbart, läßt uns Christus, sein lebendiges Wort erkennen; er spricht aber nicht von sich. Er, der „durch die Propheten gesprochen hat“, läßt uns das Wort des Vaters vernehmen. Ihn selbst aber hören wir nicht. Wir erkennen ihn nur darin, dass er uns das Wort offenbart und uns bereit macht, es im Glauben anzunehmen. Der Geist der Wahrheit, der uns Christus „enthüllt“, redet nicht „aus sich selbst heraus“ (Joh 16,13). Diese wahrlich göttliche Zurückhaltung erklärt, warum ihn „die Welt nicht empfangen kann, weil sie ihn nicht sieht und nicht kennt“, während die an Christus Glaubenden ihn kennen, weil er bei ihnen bleibt (Joh 14,17) (Vgl. dazu auch 243).

688 Als lebendige Glaubensgemeinschaft, die den Glauben der Apostel weitergibt, ist die Kirche der Ort unserer Erkenntnis des Heiligen Geistes:

– in den von ihm inspirierten Schriften;
– in der Überlieferung, deren stets aktuelle Zeugen die Kirchenväter sind;
– im Lehramt der Kirche, dem er beisteht;
– in der sakramentalen Liturgie: durch ihre Worte und Sinnbilder, in denen uns der Heilige Geist mit Christus verbindet;
– im Gebet, in dem er für uns eintritt;
– in den Charismen und Dienstämtern, durch die die Kirche aufgebaut wird;
– im apostolischen und missionarischen Leben;
– im Zeugnis der Heiligen, worin er seine Heiligkeit bekundet und das Heilswerk fortsetzt.

I Die gemeinsame Sendung des Sohnes und des Geistes

689 Der Geist des Sohnes [Vgl. Gal 4,6], den der Vater in unsere Herzen gesandt hat, ist wirklich Gott. Mit dem Vater und dem Sohn eines Wesens, läßt er sich weder im inneren Leben der Dreifaltigkeit noch als Gabe der Liebe für die Welt von ihnen trennen. Die Kirche betet die lebendigmachende, wesensgleiche und untrennbare heiligste Dreifaltigkeit an; ihr Glaube bekennt jedoch auch, dass sich die Personen voneinander unterscheiden. Wenn der Vater sein Wort sendet, dann sendet er stets auch seinen Hauch – es ist eine gemeinsame Sendung, in der der Sohn und der Heilige Geist sich voneinander unterscheiden, aber nicht voneinander trennen lassen. Christus erscheint, das sichtbare Bild des unsichtbaren Gottes, aber es ist der Heilige Geist, der ihn offenbart (Vgl. dazu auch 245, 254, 485).

690 Jesus ist der Christus, der „Gesalbte“, weil der Geist seine Salbung ist und alles, was von der Menschwerdung an geschieht, aus dieser Fülle fließt [Vgl. Joh 3,34]. Und wenn am Ende Christus verherrlicht wird [Vgl. Joh 7,39], kann er denen, die an ihn glauben, vom Vater her den Geist senden: Der Sohn teilt ihnen seine Herrlichkeit mit [Vgl. Joh 17,22], das heißt den Heiligen Geist, der ihn verherrlicht [Vgl. Joh 16,14]. Die gemeinsame Sendung entfaltet sich von da an in denen, die der Vater im mystischen Leib seines Sohnes als seine Kinder angenommen hat. Der Geist der Sohnschaft hat die Sendung, diese mit Christus zu vereinen und in ihm leben zu lassen (Vgl. dazu auch 436, 788).

„Der Begriff ‚Salbung‘ macht darauf aufmerksam..., dass zwischen dem Sohn und dem Geist keine Distanz besteht. Wie nämlich weder die Vernunft noch die Sinne irgendein Mittelding zwischen der Körperoberfläche und dem aufgetragenen Öl wahrnehmen, ist auch der Kontakt des Sohnes mit dem Geist so unmittelbar, dass, wer durch den Glauben mit dem Sohn in Kontakt treten will, dabei zunächst mit dem Öl in Kontakt tritt. Es gibt nämlich keinen Teil von ihm, der nicht vom Heiligen Geist bedeckt wäre. Darum geschieht das Bekenntnis des Herr–Seins des Sohnes im Heiligen Geist, da der Geist denen, die sieh im Glauben nähern, von überall her entgegenkommt“ (Gregor v. Nyssa, Spir. 16) (Vgl. dazu auch 448).

II Name, Benennungen und Sinnbilder des Heiligen Geistes

Der Name des Heiligen Geistes

691 „Heiliger Geist“ ist der Name dessen, den wir mit dem Vater und dem Sohn anbeten und verherrlichen. Die Kirche hat diesen Namen vom Herrn übernommen und spricht ihn bei der Taufe ihrer neuen Kinder aus [Vgl. Mt 28,19].

Der Ausdruck „Geist“ gibt das hebräische Wort „Ruach“ wieder, das zunächst Hauch, Luft, Wind bedeutet. Jesus gebraucht das eindrucksvolle Bild vom Wind, um Nikodemus das ganz Neue dessen verspüren zu lassen, der der Hauch Gottes, der göttliche Geist in Person ist [Vgl. Joh 3,5–8]. Andererseits sind „Geist“ und „heilig“ göttliche Eigenschaften, die den drei göttlichen Personen gemeinsam sind. Die Schrift, die Liturgie und die Sprache der Theologie verbinden die beiden Begriffe, um die nicht in Worte zu fassende Person des Heiligen Geistes zu bezeichnen, ohne dass eine Verwechslung mit den anderen Verwendungen der Begriffe „Geist“ und „heilig“ möglich ist.


Die Benennungen des Heiligen Geistes

692 Wenn Jesus das Kommen des Heiligen Geistes ankündigt und verheißt, nennt er ihn „Paraklet“, wörtlich: „ad–vocatus“, den „Herbeigerufenen“ [ Joh 14,16.26; 15,26; 16,7]. „Paraklet“ wird für gewöhnlich mit „Tröster“ oder „Beistand“ wiedergegeben, wobei aber Jesus der erste Beistand ist [Vgl. 1 Joh 2,1]. Der Herr selbst nennt den Heiligen Geist „Geist der Wahrheit“ (Joh 16,13) (Vgl. dazu auch 1433).

693 Neben dem Namen, der in der Apostelgeschichte und in den Briefen am meisten gebraucht wird, finden sich beim hl. Paulus die Bezeichnungen: der „Geist der Verheißung“ (Gal 3,14; Eph 1,13); der „Geist der Sohnschaft“ (Röm 8,15; Gal 4,6); der „Geist Christi“ (Röm 8,11); der „Geist des Herrn“ (2 Kor 3,17); der „Geist Gottes“ [Röm 8,9.14; 15,19; 1 Kor 6,11; 7,40], und beim hl. Petrus „der Geist der Herrlichkeit“ (1 Petr 4,14).


Die Sinnbilder des Heiligen Geistes

694 Das Wasser. Bei der Taufe ist das Wasser ein Sinnbild des Wirkens des Heiligen Geistes, denn nach der Anrufung des Heiligen Geistes wird es zum wirksamen sakramentalen Zeichen der Wiedergeburt. So wie wir im Fruchtwasser unserer ersten Geburt entgegenwuchsen, ist das Taufwasser ein Zeichen dafür, dass unsere Geburt zum göttlichen Leben uns im Heiligen Geist geschenkt wird. „In einem Geist getauft“, sind wir auch „mit dem einen Geist getränkt“ (1 Kor 12,13). Der Geist ist also in Person das lebendige Wasser, das aus dem gekreuzigten Christus quillt [Vgl. Joh 19,34; 1 Joh 5,8] und uns das ewige Leben schenkt [Vgl. Joh 4,10–14; 7,38; Ex 17,1–6; Jes 55,1; Sach 14,8; 1 Kor 10,4; Offb 21,6; 22,17] (Vgl. dazu auch 1218, 2652).

695 Die Salbung. Ein Sinnbild des Heiligen Geistes ist auch die Salbung mit Öl und zwar sosehr, dass sie zu einem Synonym für ihn wird [Vgl. 1 Joh 2,20.27; 2 Kor 1,21]. In der christlichen Initiation ist sie das sakramentale Zeichen der Firmung, die in den Ostkirchen deshalb „Chrismation“ genannt wird. Um jedoch die ganze Bedeutungskraft dieses Sinnbildes zu erfassen, muß man auf die erste Salbung zurückkommen, die der Heilige Geist vorgenommen hat: die Salbung Jesu. „Christus“ [Übersetzung des hebräischen Wortes „Messias“] bedeutet der mit dem Geist Gottes „Gesalbte“. Schon im Alten Bund gab es „Gesalbte“ des Herrn [Vgl. Ex 30,22–32]; vor allem David war ein Gesalbter [Vgl. 1 Sam 16,13]. Jesus ist aber der einzigartig von Gott Gesalbte: die menschliche Natur, die der Sohn annimmt, ist ganz „vom Heiligen Geist gesalbt“. Jesus wird durch den Heiligen Geist zum „Christus“ [Vgl. Lk 4,18–19; Jes 61,1]. Die Jungfrau Maria empfängt Christus durch den Heiligen Geist, der ihn durch den Engel schon bei seiner Geburt als Christus bekanntgibt [Vgl. Lk 2,11] und der Simeon in den Tempel führt, damit dieser den Gesalbten des Herrn sehe [Vgl. Lk 2,26–27]. Er ist es, der Christus erfüllt [Vgl. Lk 4,1] und dessen Kraft von Christus ausgeht, wenn dieser Heilungen und Heilstaten vollbringt [Vgl. Lk 6,19; 8,46]. Er endlich ist es, der Jesus von den Toten auferweckt [Vgl. Röm 1,4; 8,11]. In seiner Menschennatur, die Siegerin ist über den Tod [Vgl. Apg 2,36], voll und ganz zum „Christus“ geworden, spendet Jesus überreichlich den Heiligen Geist, bis „die Heiligen“ in ihrer Vereinigung mit der Menschennatur des Gottessohnes zum „vollkommenen Menschen“ werden und „Christus in seiner vollendeten Gestalt darstellen“ (Eph 4,13): den „ganzen Christus“, wie der hl. Augustinus sagt (Vgl. dazu auch 1293, 436, 1504, 794).

696 Das Feuer. Während das Wasser die Geburt und die Fruchtbarkeit des Lebens versinnbildet, das im Heiligen Geist geschenkt wird, symbolisiert das Feuer die verwandelnde Kraft der Taten des Heiligen Geistes. Der Prophet Elija, der „aufstand wie Feuer und dessen Wort wie ein flammender Ofen war (Sir 48,1), zieht durch sein Gebet auf das Opfer vom Berge Karmel Feuer vom Himmel herab [Vgl. 1 Kön 18,38–39] – Sinnbild des Feuers des Heiligen Geistes, der, was er erfaßt, umwandelt. Johannes der Täufer, der „mit dem Geist und mit der Kraft des Elija dem Herrn vorangeht“ (Lk 1,17), kündigt Christus als den an, der „mit dem Heiligen Geist und mit Feuer tauft“ (Lk 3,16). Von diesem Geist wird Jesus sagen: „Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen. Wie froh wäre ich, es würde schon brennen“ (Lk 12,49). In „Zungen wie von Feuer“ kommt der Heilige Geist am Pfingstmorgen auf die Jünger herab und erfüllt sie (Apg 2,3–4). In der geistlichen Überlieferung bleibt diese Symbolik des Feuers eines der sprechendsten Sinnbilder des Wirkens des Heiligen Geistes [Vgl. Johannes vom Kreuz, Ilama]. „Löscht den Geist nicht aus !“ (1 Thess 5,19) (Vgl. dazu auch 1127, 2583, 718).

697 Die Wolke und das Licht. Diese beiden Sinnbilder sind stets miteinander vorhanden, wenn der Heilige Geist in Erscheinung tritt. Schon bei den Theophanien des Alten Testamentes offenbart die bald dunkle, bald lichte Wolke den lebendigen, rettenden Gott, indem sie seine überirdische Herrlichkeit verhüllt. So bei Mose auf dem Berg Sinai [Vgl. Ex 24,15–18], im Offenbarungszelt [Vgl. Ex 33,9–10] und während des Durchzugs durch die Wüste [Vgl. Ex 40,36–38; 1 Kor 10,1–2]; bei Salomo bei der Tempelweihe [Vgl. 1 Kön 8,10–12]. Diese Bilder sind durch Christus im Heiligen Geist in Erfüllung gegangen. Der Geist kommt auf die Jungfrau Maria herab und „überschattet“ sie, damit sie Jesus empfängt und gebiert (Lk 1,35). Auf dem Berg der Verklärung kommt er in einer Wolke, „wirft einen Schatten“ über Jesus, Mose und Elija, Petrus, Jakobus und Johannes, und „eine Stimme aus der Wolke ruft: Das ist mein auserwählter Sohn, auf ihn sollt ihr hören“ (Lk 9,34–35). Die gleiche „Wolke“ entzieht schließlich Jesus am Tag der Himmelfahrt den Blicken der Jünger (Apg 1,9); am Tag seines Kommens wird sie ihn als den Menschensohn in seiner Herrlichkeit offenbaren [Vgl. Lk 21,27] (Vgl. dazu auch 484, 554, 659).

698 Das Siegel ist ein Sinnbild, das dem der Salbung nahesteht. Christus ist es ja, den „der Vater mit seinem Siegel beglaubigt“ hat (Joh 6,27), und in ihm prägt der Vater auch uns sein Siegel ein [Vgl. 2 Kor 1,22; Eph 1,13;4,30]. Weil das Bild des Siegels [griechisch „sphragis“] bei den Sakramenten der Taufe, der Firmung und der Weihe die unauslöschliche Wirkung der Salbung des Heiligen Geistes andeutet, wurde es in einigen theologischen Traditionen gebraucht, um den unauslöschlichen Charakter, das Mal, zum Ausdruck zubringen, das diese drei unwiederholbaren Sakramente einprägen (Vgl. dazu auch 1295 – 1296, 1121).

699 Die Hand. Jesus heilt Kranke [Vgl. Mk 6,5;8,23] und segnet kleine Kinder [Vgl. Mk 10,16], indem er ihnen die Hände auflegt. In seinem Namen tun die Apostel das gleiche [Vgl. Mk 16,18; Apg 5,12; 14,3]. Durch die Auflegung der Hände der Apostel wird der Heilige Geist gespendet [Vgl. Apg 8,17–19; 13,3; 19,6]. Der Hebräerbrief rechnet die Handauflegung zu den „Grundelementen“ seiner Lehre [Vgl. Hebr 6,2]. In ihren sakramentalen Epiklesen hat die Kirche dieses Zeichen der alles vermögenden Ausgießung des Heiligen Geistes bewahrt (Vgl. dazu auch 292, 1288, 1300, 1573, 1668).

700 Der Finger. „Durch den Finger Gottes“ treibt Jesus die Dämonen aus (Lk 11,20). Während das Gesetz Gottes vom „Finger Gottes“ auf steinerne Tafeln geschrieben wurde (Ex 31,18), ist der von den Aposteln ausgefertigte „Brief Christi ... geschrieben ... mit dem Geist des lebendigen Gottes, nicht auf Tafeln aus Stein, sondern – wie auf Tafeln – in Herzen von Fleisch“ (2 Kor 3,3). Der Hymnus „Veni, Creator Spiritus“ ruft den Heiligen Geist an als den „Finger der Rechten des Vaters“ (Vgl. dazu auch 2056).

701 Die Taube. Am Ende der Sintflut (die ein Sinnbild der Taufe ist) kehrte die Taube, die von Noach aus der Arche herausgelassen worden war, mit einem frischen Ölzweig im Schnabel zurück als Zeichen dafür, dass die Erde wieder bewohnbar war [Vgl. Gen 8, 8–12]. Als Christus aus dem Wasser seiner Taufe steigt, läßt sich der Heilige Geist wie eine Taube auf ihn nieder und ruht auf ihm [Vgl. Mt 3,16 par]. Der Geist senkt sich in das gereinigte Herz der Getauften und ruht darin. In einzelnen Kirchen wird die heilige Eucharistie in einem taubenförmigen Metallbehälter [columbarium] aufbewahrt, der über dem Altar aufgehängt ist. Die Taube ist in der christlichen Ikonographie von jeher Sinnbild des Heiligen Geistes (Vgl. dazu auch 1219, 535).

III Der Geist und das Wort Gottes in der Zeit der Verheißungen

702 Bis zur „Fülle der Zeit“ (Gal 4,4) bleibt die gemeinsame Sendung des Wortes und des Geistes des Vaters verborgen, ist aber schon von Anfang an am Werk. Der Geist Gottes bereitet auf den Messias vor. Ohne voll geoffenbart zu sein, sind beide schon verheißen, damit sie erwartet und bei ihrem Erscheinen aufgenommen werden. Deshalb forscht [Vgl. Joh 5,39.46] die Kirche, wenn sie das Alte Testament liest [Vgl. 2 Kor 3,14], nach dem, was der Geist, „der durch die Propheten gesprochen hat“, uns von Christus sagen will (Vgl. dazu auch 122, 107).

Unter „Propheten“ versteht der Glaube der Kirche hier diejenigen, die der Heilige Geist bei der lebendigen Verkündigung und bei der Abfassung der Heiligen Bücher des Alten wie des Neuen Testamentes inspiriert hat. Die jüdische Überlieferung unterscheidet das Gesetz (die fünf ersten Bücher, der sogenannte Pentateuch), die Propheten (unsere sogenannten geschichtlichen und prophetischen Bücher) und die Schriften (vor allem die Weisheitsbücher und insbesondere die Psalmen) [Vgl. Lk 22,44] (Vgl. dazu auch 243).


In der Schöpfung

703 Aus dem Wort und dem Hauch Gottes geht das Sein und das Leben jedes Geschöpfes hervor [Vgl. Ps 33,6; 104,30; Gen 1,2; 2,7; Koh 3,20–21; Ez 37,10] (Vgl. dazu auch 292).

„Dem Heiligen Geist kommt es zu, zu herrschen, die Schöpfung zu heiligen und zu beseelen, denn er ist Gott dem Vater und dem Sohn wesensgleich ... Ihm kommt die Macht über das Leben zu, denn, da er Gott ist, bewahrt er die Schöpfung durch den Sohn im Vater“ (Byzantinische Liturgie, Tropar der Metten an den Sonntagen des zweiten Tons) (Vgl. dazu auch 291).

704 „Den Menschen formte Gott mit seinen eigenen Händen [das heißt mit dem Sohn und dem Heiligen Geist] ... und er prägte dem geformten Fleisch seine eigene Gestalt auf, sodass selbst das Sichtbare die göttliche Gestalt trüge“ (Irenäus, dem. 11) (Vgl. dazu auch 356).


Der Geist der Verheißung

705 Obwohl durch die Sünde und den Tod verunstaltet, bleibt der Mensch „nach dem Bilde Gottes“, nach dem Bilde des Sohnes geschaffen, doch er hat „die Herrlichkeit Gottes verloren“ (Röm 3,23), ist der „Ähnlichkeit“ mit ihm beraubt. Mit der Verheißung, die an Abraham erging, beginnt die Heilsökonomie, an deren Ende der Sohn selbst „das Bild“ annimmt [Vgl. Joh 1,14; Phil 2,7] und es in seiner „Ähnlichkeit“ mit dem Vater wiederherstellt, indem er ihm die Herrlichkeit wiedergibt, den Geist, „der Leben spendet“ (Vgl. dazu auch 410, 2809).

706 Entgegen aller menschlichen Hoffnung, verheißt Gott dem Abraham als Frucht des Glaubens und der Macht des Heiligen Geistes Nachkommenschaft [Vgl. Gen 18,1–15; Lk 1,27–38.54–55; Joh 1,12–13; Röm 4,16–21]. In ihr werden alle Völker der Erde gesegnet [Vgl. Gen 12,3]. Diese Nachkommenschaft ist Christus [Vgl. Gal 3,16], in dem die Ausgießung des Heiligen Geistes die versprengten Kinder Gottes wieder sammelt [Vgl. Joh 11,52]. Durch einen Schwur [Vgl. Lk 1,73] verpflichtet sich Gott, seinen geliebten Sohn [Vgl. Gen 22,17–19; Röm 8,32; Joh 3,16] und den „Geist der Verheißung“ zu schenken, der „der erste Anteil des Erbes“ ist, „das wir erhalten sollen: der Erlösung durch die wir Gottes Eigentum werden“ (Eph 1,13–14) [Vgl. Gal 3,14] (Vgl. dazu auch 60).


Die Theophanien und das Gesetz

707 Die Theophanien [Erscheinungen Gottes] erhellen den Weg der Verheißung, von den Patriarchen über Mose und Josua bis zu den Visionen, die die Sendung der großen Propheten eröffnen. Die christliche Überlieferung hat stets angenommen, dass in diesen Theophanien das Wort Gottes, in der Wolke des Heiligen Geistes zugleich offenbar und „schattenhaft“ zu erblicken und zu hören war.

708 Diese göttliche Pädagogik zeigt sich insbesondere in der Gabe des Gesetzes [Vgl. Ex 19–20; Dtn 1–11;29–30]. Der Buchstabe des Gesetzes wurde gleichsam als „Zuchtmeister“ gegeben, um das Volk Christus entgegenzuführen (Gal 3,24). Da das Gesetz jedoch den der „Ähnlichkeit“ mit Gott beraubten Menschen nicht zu retten vermag und die Sünde schärfer erkennen läßt [Vgl. Röm 3,20], wird das Verlangen nach dem Heiligen Geist geweckt, wie das die Klagerufe der Psalmen bezeugen (Vgl. dazu auch 1961–1964, 122, 2585).


Zur Zeit der Könige und im Exil

709 Als Zeichen der Verheißung und des Bundes hätte das Gesetz das Herz und die Einrichtungen des aus dem Glauben Abrahams hervorgegangenen Volkes bestimmen sollen. „Wenn ihr auf meine Stimme hört und meinen Bund haltet, ... sollt ihr mir als ein Reich von Priestern und als ein heiliges Volk gehören“ (Ex 19, 5–6) [Vgl. 1 Petr 2,9]. Nach David erliegt aber das Volk der Versuchung, ein Königreich wie die anderen Nationen zu errichten. Das David verheißene Reich [Vgl. 2 Sam 7; Ps 89; Lk 1,32–33] wird jedoch das Werk des Heiligen Geistes sein; es wird den im Geiste Armen gehören (Vgl. dazu auch 2579, 544).

710 Die Missachtung des Gesetzes und die Untreue gegenüber dem Bund führen zum Tode. Es kommt zum Exil; die Verheißungen werden scheinbar zunichte gemacht. In Wirklichkeit zeigt sich darin die geheimnisvolle Treue des Rettergottes, und damit beginnt eine verheißene – aber dem Geist entsprechende – Wiederherstellung. Es war nötig, dass das Gottesvolk diese Läuterung durchmachte [Vgl. Lk 24,26]. Gemäß dem Plane Gottes steht das Exil bereits im Schatten des Kreuzes, und der „heilige Rest“, der zurückkehrt, ist eines der deutlichsten Bilder der Kirche.


Die Erwartung des Messias und seines Geistes

711 „Seht her, nun mache ich etwas Neues“ (Jes 43,19). Zwei prophetische Linien zeichnen sich ab: die eine in Richtung der Messiaserwartung, die andere in Richtung der Ankündigung eines neuen Geistes. Beide laufen auf den kleinen Rest, das Volk der Armen, zu [Vgl. Zef 2,3], das voll Hoffnung den „Trost Israels“ und die „Befreiung Jerusalems“ erwartet (Vgl. dazu auch 64, 522).

Weiter oben wurde gezeigt, wie in Jesus die ihn betreffenden Weissagungen in Erfüllung gehen. Hier beschränken wir uns auf die, in denen die Beziehung zwischen dem Messias und seinem Geist deutlicher hervortritt.

712 In den Kapiteln über den Immanuel [Vgl. Jes 6–12] („als Jesaja Jesu Herrlichkeit sah“: Joh 12,41), insbesondere in Jes 11,1–2 beginnen die Wesenszüge des erwarteten Messias aufzuscheinen (Vgl. dazu auch 439):

„Aus dem Baumstumpf Isais wächst ein Reis hervor,
ein junger Trieb aus seinen Wurzeln bringt Frucht.
Der Geist des Herrn ruht auf ihm:
der Geist der Weisheit und der Einsicht,
der Geist des Rates und der Stärke,
der Geist der Erkenntnis und der Gottesfurcht,“

713 Die Züge des Messias werden vor allem in den Liedern vom Gottesknecht enthüllt [Vgl. Jes 42,1–9; Mt 12,18–21; Joh 1,32–34; sodann Jes 49,1–6; Mt 3,17; Lk 2,32; schließlich Jes 50,4–10 und 52,13–53,12]. Diese Lieder sagen den Sinn der Passion Jesu voraus und deuten so an, auf welche Weise dieser den Heiligen Geist spenden wird, um die vielen lebendig zu machen: nicht von außen her, sondern indem er sich unsere „Knechtsgestalt“ (Phil 2,7) zu eigen macht. Weil er unseren Tod auf sich nimmt, kann er uns seinen Geist des Lebens weitergeben (Vgl. dazu auch 601).

714 Darum eröffnet Christus die Verkündigung der Frohbotschaft damit, dass er folgende Jesaja–Stelle (61,1–2) auf sich bezieht (Lk 4,18–19):

Der Geist des Herrn ruht auf mir;
denn der Herr hat mich gesalbt.
Er hat mich.gesandt,
damit ich den Armen Frohbotschaft bringe;
damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde
und den Blinden das Augenlicht;
damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze
und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe.

715 Die Prophetentexte, welche die Sendung des Heiligen Geistes direkt betreffen, sind Weissagungen, in denen Gott in der Sprache der Verheißungen, im Ton der „Liebe und Treue“ zum Herzen seines Volkes spricht [Vgl. Ez 11,19; 36,25–28; 37,1–14; Jer 31,31–34 und Joël 3,1–5; von der letztgenannten Stelle wird der hI, Petrus sagen, sie habe sich am Pfingstmorgen erfüllt: vgl. Apg 2,17]. Diesen Verheißungen gemäß wird der Geist des Herrn in den „letzten Zeiten“ die Herzen der Menschen erneuern, indem er ihnen ein neues Gesetz einprägt. Er wird die zersprengten und getrennten Völker sammeln und miteinander versöhnen; er wird die erste Schöpfung umgestalten, und Gott wird in ihr mit den Menschen im Frieden zusammenleben (Vgl. dazu auch 214, 1965).

716 Im Volk der Armen [Vgl. z.B. Zef 2,3; Ps 22,27; 34,3; Jes 49,13; 61,1], der demütigen und sanften Menschen, die sich ganz auf die geheimnisvollen Pläne ihres Gottes verlassen und Gerechtigkeit erwarten, aber nicht von den Menschen, sondern vom Messias, ist während der Zeit der Verheißungen der Heilige Geist in seiner verborgenen Sendung mächtig am Werk, um auf das Kommen Christi vorzubereiten. Ihr redliches, durch den Geist geläutertes und erhelltes Herz äußert sich in den Psalmen. In diesen Armen bereitet der Geist dem Herrn ein „williges Volk“ [Vgl. Lk 1,17] (Vgl. dazu auch 368).

IV Der Geist Christi in der Fülle der Zeit

Johannes – Vorläufer, Prophet und Täufer

717 „Es trat ein Mensch auf, der von Gott gesandt war; sein Name war Johannes“ (Joh 1,6). Johannes wurde „schon im Mutterleib vom Heiligen Geist erfüllt“ (Lk 1, 15) [Vgl. Lk 1,41], und zwar durch Christus selbst, den die Jungfrau Maria kurz zuvor durch den Heiligen Geist empfangen hatte. Im „Besuch“ Marias bei Elisabet hat so Gott selbst „sein Volk besucht“ (Lk 1,68) (Vgl. dazu auch 523).

718 Johannes ist der „Elija“, der kommen soll [Vgl. Mt 17,10–13]. Das Feuer des Heiligen Geistes glüht in ihm und läßt ihn dem Herrn, der im Kommen ist, als „Vorläufer“ vorausgehen. In Johannes, dem Vorläufer, vollendet der Heilige Geist sein Werk, „das Volk für den Herrn bereit zu machen“ (Lk 1,17) (Vgl. dazu auch 696).

719 Johannes ist „mehr als ein Prophet“ (Lk 7,26). In ihm vollendet der Heilige Geist sein „Sprechen durch die Propheten“. Johannes ist in der Reihe der Propheten, die mit Elija anhebt, der letzte [Vgl. Mt 11,13–14]. Er kündigt an, dass der Trost Israels nahe sei; er ist die „Stimme“ des kommenden Trösters (Joh 1,23) [Vgl. Jes 40,1–3]. Wie dies auch der Geist der Wahrheit tun wird, kommt er „als Zeuge, um Zeugnis abzulegen für das Licht“ (Joh 1,7) [Vgl. Joh 15,26; 5,33]. Unter den Augen des Johannes erfüllt so der Geist, wonach die Propheten geforscht und die Engel verlangt haben [Vgl. 1 Petr 1,10–12]: „Auf wen du den Geist herabkommen siehst und auf wem er bleibt, der ist es, der mit dem Heiligen Geist tauft. Das habe ich gesehen, und ich bezeuge: ‚Er ist der Sohn Gottes... Seht, das Lamm Gottes!‘“ (Joh 1,33–36) (Vgl. dazu auch 2684, 536).

720 Mit Johannes dem Täufer eröffnet der Heilige Geist das Werk, das er mit und in Christus vollbringen wird, indem er es vorausdeutet: die Wiederherstellung der „Ähnlichkeit“ Gottes im Menschen. Die Taufe des Johannes war eine Bußtaufe; die Taufe im Wasser und im Heiligen Geist wird eine Wiedergeburt bewirken [Vgl. Joh 3,5] (Vgl. dazu auch 535).


„Freue dich, du Gnadenvolle!“

721 Maria, die ganz heilige, stets jungfräuliche Gottesmutter ist die Krönung der Sendung des Sohnes und des Geistes in der Fülle der Zeit. Weil der Geist sie vorbereitet hat, findet der Vater nach seinem Heilsratschluss zum ersten Mal die Wohnung, in der sein Sohn und sein Geist unter den Menschen bleiben können. In diesem Sinn hat die Uberlieferung der Kirche die schönsten Texte über die Weisheit [Vgl. Spr 8,1–9,6; Sir 24] oft auf Maria bezogen. Maria wird in der Liturgie als „Thron der Weisheit“ besungen und dargestellt.

In ihr beginnen die „großen Taten“ Gottes, die der Geist in Christus und in der Kirche vollbringen wird (Vgl. dazu auch 484):

722 Der Heilige Geist hat Maria durch seine Gnade vorbereitet. Es geziemte sich, dass die Mutter dessen, in dem „die Fülle der Gottheit leibhaft“ wohnt (Kol 2,9), „voll der Gnade“ sei. Aus reiner Gnade wurde sie als das demütigste Geschöpf, das am fähigsten war, das unaussprechbare Geschenk des Allmächtigen entgegenzunehmen, ohne Sünde empfangen. Mit Recht grüßt sie der Engel Gabriel als die „Tochter Zion“ mit „Freue dich!“ [Vgl. Zef 3,14; Sach 2,14]. Als sie den ewigen Sohn in sich trägt, läßt sie im Heiligen Geist die Danksagung des ganzen Gottesvolkes und somit der Kirche in ihrem Lobgesang zum Vater emporsteigen [Vgl. Lk 1, 46–55] (Vgl. dazu auch 489, 2676).

723 In Maria verwirklicht der Heilige Geist den gnädigen Ratschluss des Vaters. Mit und durch den Heiligen Geist empfängt und gebiert die Jungfrau Maria den Sohn Gottes. Durch die Kraft des Geistes und des Glaubens wird ihre Jungfräulichkeit einzigartig fruchtbar [Vgl. Lk 1,26–38; Röm 4,18–21; Gal 4,26–28] (Vgl. dazu auch 485, 506).

724 In Maria offenbart der Heilige Geist den Sohn des Vaters, der nun auch zum Sohn der Jungfrau geworden ist. Sie ist der brennende Dornbusch der endgültigen Theophanie. Vom Heiligen Geist erfüllt, zeigt sie das Wort in der Demut seines Fleisches und gibt es den Armen [Vgl. Lk 2,15–19] und den ersten Vertretern der Völker [Vgl. Mt 2,11] zu erkennen (Vgl. dazu auch 208, 2619).

725 Schließlich beginnt der Heilige Geist durch Maria, die Menschen, denen „die barmherzige Liebe Gottes“ [Vgl. Lk 1,78] gilt, in Gemeinschaft mit Christus zu bringen. Die demütigen Menschen sind immer die ersten, die ihn aufnehmen: die Hirten, die Weisen, Simeon und Hanna, die Brautleute von Kana und die ersten Jünger (Vgl. dazu auch 963).

726 Am Ende dieser Sendung des Geistes wird Maria zur „Frau“, zur neuen Eva, „zur Mutter der Lebendigen“, zur Mutter des „ganzen Christus“ [Vgl. Joh 19,25–27]. Als solche ist sie, mit den Zwölfen „einmütig im Gebet“ verharrend (Apg 1,14), zugegen, als der Geist am Pfingstmorgen mit dem Offenbarwerden der Kirche die „letzten Zeiten“ anbrechen läßt (Vgl. dazu auch 494, 2618).


Jesus der Christus

727 Die ganze Sendung des Sohnes und des Heiligen Geistes in der Fülle der Zeit ist darin enthalten, dass der Sohn seit seiner Inkarnation der mit dem Geist des Vaters Gesalbte ist: Jesus ist der Christus, der Messias (Vgl. dazu auch 438, 536, 695).

Das ganze zweite Kapitel des Glaubensbekenntnisses ist in diesem Licht zu lesen. Das ganze Werk Christi ist gemeinsame Sendung des Sohnes und des Heiligen Geistes. Hier wird nur das erwähnt, was die Verheißung des Heiligen Geistes durch Jesus und seine Spendung durch den verherrlichten Herrn betrifft.

728 Solange Jesus selbst nicht durch seinen Tod und seine Auferstehung verherrlicht ist, offenbart er den Heiligen Geist nicht voll und ganz. Er spielt jedoch, selbst in seiner an die Menge gerichteten Lehre, nach und nach auf ihn an, wenn er offenbart, dass sein Fleisch zur Nahrung für das Leben der Welt werden wird [Vgl. Joh 6,27.51.62–63]. Er deutet sein Wirken auch dem Nikodemus [Vgl. Joh 3,5–8], der samaritischen Frau [Vgl. Joh 4,10.14.23–24] und den Teilnehmern am Laubhüttenfest [Vgl. Joh 7,37–39] an. Im Zusammenhang mit dem Gebet [Vgl. Lk 11,13] und dem Zeugnis, das sie abzulegen haben werden [Vgl. Mt 10,19–20], spricht er zu seinen Jüngern offen vom Heiligen Geist (Vgl. dazu auch 2615).

729 Erst als die Stunde seiner Verherrlichung gekommen ist, verheißt Jesus das Kommen des Heiligen Geistes, denn in seinem Tod und in seiner Auferstehung wird die an die Väter ergangene Verheißung in Erfüllung gehen [Vgl. Joh 14,16–17.26; 15,26; 16,7–15; 17,26]: Der Geist der Wahrheit, der andere Paraklet, wird auf das Gebet Jesu hin vom Vater gegeben werden; er wird im Namen Jesu vom Vater gesandt werden; Jesus wird ihn vom Vater her senden, denn er ist vom Vater ausgegangen. Der Heilige Geist wird kommen; wir werden ihn erkennen; er wird für immer bei uns sein. Er wird uns unterweisen und an alles erinnern, was Christus uns gesagt hat, und für ihn Zeugnis ablegen; er wird uns der ganzen Wahrheit entgegenführen und Christus verherrlichen. Die Welt wird er der Sünde, der Gerechtigkeit und des Gerichtes überführen (Vgl. dazu auch 388, 1433).

730 Für Jesus kommt nun seine Stunde [Vgl. Joh 13,1; 17,1]: Als er durch seinen Tod den Tod besiegt, übergibt er seinen Geist in die Hände des Vaters [Vgl. Lk 23,46; Joh 19,30]. Und als er „durch die Herrlichkeit des Vaters von den Toten auferweckt wurde“ (Röm 6,4), spendet er sogleich den Geist, indem er seine Jünger anhaucht [Vgl. Joh 20,22]. Von dieser Stunde an wird die Sendung Christi und des Geistes zur Sendung der Kirche: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch“ (Joh 20,21) [Vgl. Mt 28,19; Lk 24,47–48; Apg 1,8] (Vgl. dazu auch 850).

V Der Geist und die Kirche in den Letzten Zeiten

Pfingsten

731 Am Pfingsttag (am Ende der sieben Osterwochen) vollendet sich das Pascha Christi in der Ausgießung des Heiligen Geistes. Dieser wird als göttliche Person offenbar, gegeben und mitgeteilt. Christus der Herr spendet den Geist in Überfülle [Vgl. Apg 2,33] (Vgl. dazu auch 2623, 767, 1302).

732 An diesem Tag wird die heiligste Dreifaltigkeit voll und ganz geoffenbart. Seit diesem Tag steht das von Christus angekündigte Reich allen offen, die an ihn glauben. Obwohl Menschen aus Fleisch und Blut, haben sie im Glauben schon Anteil an der Gemeinschaft der heiligsten Dreifaltigkeit. Durch sein unaufhörliches Kommen läßt der Heilige Geist die Welt in die „letzten Zeiten“, die Zeit der Kirche eintreten: Das Reich Gottes wird schon als Erbe empfangen, ist aber noch nicht vollendet (Vgl. dazu auch 244, 672).

„Wir haben das wahre Licht geschaut, wir haben den himmlischen Geist erhalten, wir haben den wahren Glauben gefunden. Wir beten die unteilbare Dreifaltigkeit an, denn sie hat uns errettet“ (Byzantinische Liturgie, Tropar der Pfingstvesper; als Gesang nach der Kommunion in die Eucharistiefeier übernommen).


Der Heilige Geist – die Gabe Gottes

733 „Gott ist die Liebe“ (1 Joh 4,8.16), und die Liebe ist die erste Gabe; sie enthält alle weiteren Gaben. Diese Liebe hat Gott „ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist“ (Röm 5,5) (Vgl. dazu auch 218).

734 Weil wir durch die Sünde tot oder zumindest verwundet sind, ist die erste Wirkung der Liebe die Vergebung unserer Sünden. Die „Gemeinschaft des Heiligen Geistes“ (2 Kor 13,13) gibt in der Kirche den Getauften die durch die Sünde verlorene Ahnlichkeit mit Gott zurück (Vgl. dazu auch 1987).

735 Gott gibt uns das „Angeld“, die „Anzahlung“ für unser Erbe [Vgl. Röm 8,23; 2 Kor 1,21]: das Leben der heiligsten Dreifaltigkeit, das darin besteht, zu lieben, wie er uns geliebt hat [Vgl. 1 Joh 4,11–12]. Diese Liebe [Vgl. 1 Kor 13] ist das Prinzip des neuen Lebens in Christus, das möglich geworden ist, weil wir „die Kraft des Heiligen Geistes empfangen“ haben (Apg 1,8) (Vgl. dazu auch 1822).

736 Kraft dieser Macht des Geistes können die Kinder Gottes Frucht bringen. Er, der uns dem wahren Weinstock aufgepfropft hat, wird uns „die Frucht des Geistes“ tragen lassen: „Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Selbstbeherrschung“ (Gal 5,22–23). Der Geist ist unser Leben; je mehr wir unser eigenes Leben verlieren [Vgl. Mt 16,24–26], desto mehr werden wir „dem Geist auch folgen“ (Gal 5,25) (Vgl. dazu auch 1832).

„Der Heilige Geist versetzt in das Paradies zurück; führt zum Himmelreich und zur Annahme an Kindes Statt; läßt voll Vertrauen Gott Vater nennen und an der Gnade Christi teilhaben, Kind des Lichtes genannt werden und die ewige Herrlichkeit mitbesitzen“ (Basilius, spir. 15,36).


Der Heilige Geist und die Kirche

737 Die Sendung Christi und des Heiligen Geistes vollzieht sich in der Kirche, dem Leib Christi und dem Tempel des Heiligen Geistes. Diese gemeinsame Sendung nimmt die Glaubenden in die Gemeinschaft Christi mit seinem Vater im Heiligen Geist hinein. Der Geist macht die Menschen bereit und kommt ihnen mit seiner Gnade zuvor, um sie zu Christus zu ziehen. Er offenbart ihnen den auferstandenen Herrn, erinnert sie an sein Wort und erschließt ihrem Geist den Sinn seines Todes und seiner Auferstehung. Er vergegenwärtigt ihnen das Mysterium Christi, vor allem in der Eucharistie, um sie mit Gott zu versöhnen, mit ihm zu vereinen und so „reiche Frucht“ bringen zu lassen (Joh 15,5.8) [Vgl. Joh 15,16] (Vgl. dazu auch 787–798, 1093–1109).

738 Die Sendung der Kirche kommt also nicht zu der Sendung Christi und des Heiligen Geistes hinzu, sondern ist deren Sakrament. Ihrem ganzen Wesen nach und in allen ihren Gliedern ist die Kirche gesandt, das Mysterium der Gemeinschaft der heiligsten Dreifaltigkeit zu verkünden und zu bezeugen, zu vergegenwärtigen und immer mehr auszubreiten (das wird das Thema des nächsten Artikels sein) (Vgl. dazu auch 850, 777).

„Wir alle, die ein und denselben Geist, den Heiligen Geist, empfangen haben, sind miteinander und mit Gott verschmolzen. Obwohl wir nämlich einzeln viele sind und Christus seinen und des Vaters Geist in jedem von uns wohnen läßt, führt dieser eine, unteilbare Geist die voneinander Unterschiedenen durch sich zur Einheit ... und macht, dass in ihm alle gleichsam ein und dasselbe bilden. Und so wie die Macht der heiligen Menschennatur Christi bewirkt, dass alle, in denen sie sich befindet, einen einzigen Leib bilden, so führt meines Erachtens der eine, unteilbare Geist Gottes, der in allen wohnt, alle zur geistigen Einheit“ (Cyrill v. Alexandrien, Jo. 11,11).

739 Weil der Heilige Geist die Salbung Christi ist, spendet ihn Christus, das Haupt des Leibes, seinen Gliedern, um sie zu nähren, zu heilen, in ihren wechselseitigen Funktionen aufeinander abzustimmen, sie zu beleben, Zeugnis ablegen zu lassen, an seiner Hingabe an den Vater und seiner Fürbitte für die ganze Welt zu beteiligen. Durch die Sakramente der Kirche teilt Christus den Gliedern seines Leibes seinen heiligenden Heiligen Geist mit (das wird das Thema des zweiten Teils des Katechismus sein) (Vgl. dazu auch 1076).

740 Diese „großen Taten Gottes“, die den Gläubigen in den Sakramenten der Kirche angeboten werden, tragen ihre Früchte im neuen, dem Geist entsprechenden Leben in Christus (Thema des dritten Teils des Katechismus).

741 „So nimmt sich auch der Geist unserer Schwachheit an. Denn wir wissen nicht, worum wir in rechter Weise beten sollen; der Geist selber tritt jedoch für uns ein mit Seufzen, das wir nicht in Worte fassen können“ (Röm 8,26). Der Heilige Geist, der die Werke Gottes vollbringt, ist der Lehrmeister des Betens (Thema des vierten Teils des Katechismus).

KURZTEXTE

742 „Weil ihr Söhne seid, sandte Gott den Geist seines Sohnes in unser Herz, den Geist, der ruft: „Abba, Vater“ (Gal 4,6).

743 Wenn Gott seinen Sohn sendet, so sendet er – vom Anfang bis zum Ende der Zeit – stets auch seinen Geist; ihre Sendungen sind verbunden, sie lassen sich nicht trennen.

744 Als die „Fülle der Zeit“ gekommen war, vollendete der Heilige Geist alle Vorbereitungen auf das Kommen Christi, die er im Gottesvolk getroffen hatte, in Maria. Durch das Wirken des Heiligen Geistes gibt der Vater in Maria der Welt den Immanuel, den „Gott mit uns“ (Mt 1,23).

745 Der Sohn Gottes wird bei seiner Inkarnation durch die Salbung mit dem Heiligen Geist zum Christus [Messias] geweiht [Vgl. Ps 2,6–7].

746 Durch seinen Tod und seine Auferstehung wird Jesus „zum Herr und Messias“ in der Herrlichkeit (Apg 2,36). Aus seiner Fülle gießt er den Heiligen Geist auf die Apostel und die Kirche aus.

747 Der Heilige Geist, den Christus, das Haupt, in seine Glieder strömen läßt, erbaut, beseelt und heiligt die Kirche. Diese ist das Sakrament der Gemeinschaft zwischen der heiligsten Dreifaltigkeit und den Menschen.

ARTIKEL 9: „ICH GLAUBE ... DIE HEILIGE KATHOLISCHE KIRCHE“

748 „Da Christus das Licht der Völker ist, wünscht dieses im Heiligen Geist versammelte Hochheilige Konzil dringend, alle Menschen durch seine Herrlichkeit, die auf dem Antlitz der Kirche widerscheint, zu erleuchten, indem sie der ganzen Schöpfung das Evangelium verkündet.“ Mit diesen Worten beginnt die Dogmatische Konstitution über die Kirche „Lumen gentium“ des Zweiten Vatikanischen Konzils (LG 1). Damit zeigt das Konzil, dass der Glaubensartikel über die Kirche gänzlich von den Glaubensartikeln über Jesus Christus abhängt. Die Kirche hat kein anderes Licht als das Licht Christi; man kann sie nach einem Bild, das den Kirchenvätern lieb war, mit dem Mond vergleichen, dessen ganzes Licht Widerschein der Sonne ist.

749 Der Artikel über die Kirche hängt auch gänzlich vom vorhergehenden Artikel über den Heiligen Geist ab. „Denn nachdem wir gezeigt haben, dass der Heilige Geist Quell und Spender aller Heiligkeit ist, bekennen wir jetzt, dass von ihm die Kirche mit Heiligkeit beschenkt wird“ (Catech. R. 1,10,1). Wie die Väter sagen, ist die Kirche der Ort, „wo der Geist blüht“ (Hippolyt, trad. ap. 35).

750 Der Glaube, dass die Kirche „heilig“ und „katholisch“ und (wie das Credo von Nizäa–Konstantinopel hinzufügt) „eine“ und „apostolisch“ ist, läßt sich vom Glauben an Gott den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist nicht trennen. Im Apostolischen Glaubensbekenntnis bekennen wir eine heilige Kirche („Credo ... Ecelesiam“), sagen aber nicht, dass wir an die Kirche glauben, damit wir nicht Gott und seine Werke miteinander verwechseln, sondern alle Gaben, die er in seine Kirche gelegt hat, klar der Güte Gottes zuschreiben [Vgl. Catech. R. 110,22] (Vgl. dazu auch 811, 169).

ABSATZ 1: DIE KIRCHE IM PLANE GOTTES

I Namen und Sinnbilder der Kirche

751 Das Wort „Kirche“ kommt (wie das englische „church“) vom griechischen Beiwort „kyriaké“, das heißt „die dem Herrn gehörende“. Die biblische Bezeichnung für sie lautet „ekklesia“ (vom griechischen Zeitwort „ek–kalein“, „herausrufen“; davon das französische „église“) und bedeutet „Volksversammlung“ [Vgl. Apg 19,39], zumeist religiösen Charakters. Dieser Ausdruck wird in der griechischen Übersetzung des Alten Testaments des öftern für die Versammlung des auserwählten Volkes vor Gott verwendet, vor allem für die Versammlung am Sinai, wo Israel das Gesetz erhielt und von Gott zu seinem heiligen Volk gemacht wurde [Vgl. Ex 19]. Die christliche Urgemeinde sah sich als Nachfolgerin dieser Versammlung und nannte sich deshalb Kirche. In der Kirche ruft Gott von allen Enden der Erde sein Volk zusammen.

752 Im christlichen Sprachgebrauch bezeichnet „Kirche“ die liturgische Versammlung [Vgl. 1 Kor 11,18; 14,19.28.34.35], aber auch die Ortsgemeinde [Vgl. 1 Kor 1,2; 16,1] oder die gesamte Gemeinschaft der Gläubigen [Vgl. 1 Kor 15,9; Gal 1,13; Phil 3,6]. Diese drei Bedeutungen lassen sich nicht voneinander trennen. Die „Kirche“ ist das Volk, das Gott in der ganzen Welt versammelt. Sie besteht in den Ortsgemeinden und verwirklicht sich als liturgische, vor allem als eucharistische Versammlung. Sie lebt aus dem Wort und dem Leib Christi und wird dadurch selbst Leib Christi (Vgl. dazu auch 1140, 832, 830).


Die Symbole der Kirche

753 In der Heiligen Schrift finden wir eine Fülle von Bildern und Gestalten, durch die die Offenbarung vom unerschöpflichen Mysterium der Kirche spricht. Die dem Alten Testament entnommenen Bilder sind Variationen eines Grundgedankens, nämlich der Idee des „Gottesvolkes“. Im Neuen Testament [Vgl. Eph 1,22; Kol 1,18] finden alle diese Bilder eine neue Mitte: Christus, der zum Haupt dieses Volkes wird [Vgl. LG 9], das somit sein Leib ist. Um diese Mitte sind Bilder angeordnet, „die vom Hirtenleben und Ackerbau, vom Hausbau oder auch von der Familie und der Brautschaft genommen“ sind (LG 6) (Vgl. dazu auch 781, 789).

754 „Die Kirche ist nämlich der Schafstall, dessen einzige und notwendige Tür Christus ist [Vgl. Joh 10,1–10]. Sie ist auch die Herde, als deren künftigen Hirten sich Gott selbst angekündigt hat [Vgl. Jes 40,11; Ez 34,11–31]. Wenngleich ihre Schafe von menschlichen Hirten geleitet werden, so werden sie dennoch unaufhörlich von Christus selbst geführt und genährt werden, dem guten Hirten und dem Ersten der Hirten [Vgl. Joh 10,11; 1 Petr 5,4], der sein Leben hingegeben hat für die Schafe“ [Vgl. Joh 10,11–15] (LG 6 ) (Vgl. dazu auch 857).

755 „Die Kirche ist das Ackerfeld oder der Acker Gottes (1 Kor3,9). Auf jenem Acker wächst der alte Ölbaum, dessen heilige Wurzel die Patriarchen waren und in dem die Versöhnung von Juden und Heiden geschehen ist und geschehen wird [Vgl. Röm 11, 13–26]. Sie wurde vom himmlischen Ackerherrn als auserlesener Weingarten gepflanzt [Vgl. Mt 21, 33–43 par.; vgl. Jes 5,1–7]. Der wahre Weinstock ist Christus, der den Rebzweigen Leben und Fruchtbarkeit gibt, uns nämlich, die wir durch die Kirche in ihm bleiben, und ohne den wir nichts tun können“ [Vgl. Joh 15,1–5] (LG 6) (Vgl. dazu auch 795).

756 „Des öfteren wird die Kirche auch Bauwerk Gottes genannt (1 Kor 3,9). Der Herr selbst hat sich mit dem Stein verglichen, den die Bauleute verworfen haben, der aber zum Eckstein geworden ist [Vgl. Mt 21,42 par.; vgl. Apg 4,11; 1 Petr 2,7; Ps 118,22]. Auf diesem Fundament wird die Kirche von den Aposteln errichtet [Vgl. 1 Kor 3,11] und von ihm empfängt sie Festigkeit und Zusammenhalt. Dieser Bau wird durch verschiedene Bezeichnungen geziert: Haus Gottes (1 Tim 3,15), in dem nämlich die Familie Gottes wohnt, Wohnstatt Gottes im Geiste [Vgl. 4 Eph 2, 19–22]; Zelt Gottes unter den Menschen (Offb 21,3) und insbesondere heiliger Tempel, der von den heiligen Vätern, in den steinernen Heiligtümern dargestellt, gepriesen, und in der Liturgie nicht zu Unrecht mit der heiligen Stadt verglichen wird, dem neuen Jerusalem. In ihn werden wir nämlich hier auf Erden als lebendige Steine eingebaut (1 Petr 2,5). Diese heilige Stadt schaut Johannes bei der Erneuerung der Welt aus den Himmeln von Gott herabsteigen, bereitet wie eine Braut, die geschmückt ist für ihren Mann (Offb 21,1–2)“ (LG 6) (Vgl. dazu auch 857, 797, 1045).

757 „Die Kirche wird auch ‚das Jerusalem droben‘ und ‚unsere Mutter‘ genannt (Gal 4,26) [Offb 12,17]; sie wird beschrieben als die makellose Braut des makellosen Lammes (Offb 19,7; 21,2.9; 22,17); Christus hat sie ‚geliebt und sich für sie hingegeben, um sie zu heiligen‘ (Eph 5,25–26); in unauflöslichem Bund hat er sie sich zugesellt; er ‚nährt und hegt‘ sie unaufhörlich (Eph 5,29)“ (LG 6) (Vgl. dazu auch 507, 796, 1616).

II Ursprung, Gründung und Sendung der Kirche

758 Um das Geheimnis der Kirche zu ergründen, müssen wir zunächst über ihren Ursprung im Ratschluss der heiligsten Dreifaltigkeit und ihre fortschreitende Verwirklichung in der Geschichte nachsinnen (Vgl. dazu auch 257).


Ein im Herzen des Vaters gefaßter Ratschluss

759 „Der ewige Vater hat die gesamte Welt nach dem völlig freien und verborgenen Ratschluss seiner Weisheit und Güte erschaffen; er hat beschlossen, die Menschen zur Teilhabe am göttlichen Leben zu erheben“, zu dem er in seinem Sohn alle Menschen beruft. „Die aber an Christus glauben, beschloß er in der heilige Kirche zusammenzurufen.“ Diese „Familie Gottes“ wird nach dem Ratschluss des Vaters im Lauf der Menschheitsgeschichte schrittweise gebildet und verwirklicht. Die Kirche wurde nämlich „schon seit dem Ursprung der Welt vorausgestaltet, in der Geschichte des Volkes Israel und im Alten Bund auf wunderbare Weise vorbereitet, in den letzten Zeiten gegründet und durch die Ausgießung des Geistes offenbart“ und wird „am Ende der Zeiten in Herrlichkeit vollendet werden“ (LG 2) (Vgl. dazu auch 293, 1655).


Die Kirche – schon seit dem Ursprung der Welt vorausgestaltet

760 „Die Welt wurde auf die Kirche hin erschaffen“, sagten die Christen der ersten Zeiten (Hermas, vis. 2,4,1) [Vgl. Aristides, apol. 16,6; Justin, apol. 2,7]. Gott hat die Welt auf die Teilnahme an seinem göttlichen Leben hin erschaffen. Diese Teilhabe kommt dadurch zustande, dass die Menschen in Christus versammelt werden, und diese „Versammlung“ ist die Kirche. Die Kirche ist das Ziel aller Dinge [Vgl. Epiphanius, hær. 1,1,5]. Selbst die schmerzlichen Ereignisse wie der Fall der Engel und die Sünde des Menschen wurden von Gott nur zugelassen als Anlass und Mittel, um die ganze Kraft seines Armes zu entfalten und der Welt das Vollmaß seiner Liebe zu schenken (Vgl. dazu auch 294, 309):

„Wie Gottes Wille ein Werk ist und Welt heißt, so ist seine Absicht das Heil der Menschen, und diese heißt Kirche“ (Clemens v. Alexandrien, pd. 1,6,27).


Die Kirche – im Alten Bund vorbereitet

761 Die Sammlung des Gottesvolkes beginnt in dem Augenblick, als die Sünde die Gemeinschaft der Menschen mit Gott und mit den Mitmenschen zerstört. Die Sammlung der Kirche ist gewissermaßen die Reaktion Gottes auf das durch die Sünde hervorgerufene Chaos. Diese Wiedervereinigung geschieht insgeheim in allen Völkern: Gott, unserem Vater, ist „in jedem Volk willkommen ... wer ihn fürchtet und tut, was recht ist“ (Apg 10,35) (Vgl. dazu auch 55).

762 Die entfernte Vorbereitung der Sammlung des Gottesvolkes beginnt mit der Berufung Abrahams, dem Gott verheißt, er werde der Stammvater eines großen Volkes werden [Vgl. Gen 12,2; 15,5–6]. Die unmittelbare Vorbereitung beginnt mit der Erwählung Israels zum Gottesvolk [Vgl. Ex 19,5–6; Dtn 7,6]. Israel wird erwählt, um das Zeichen der künftigen Sammlung aller Nationen zu sein [Vgl. Jes 2,2–5; Mi 4,1–4]. Doch schon die Propheten klagen Israel an, es habe den Bund gebrochen und sich wie eine Dirne benommen [Vgl. z.B. Hos 1; Jes 1,2–4; Jer 2]. Sie kündigen einen neuen und ewigen Bund an [Vgl. Jer 31,31–34; Jes 55,3]. „Diesen neuen Bund hat Christus gestiftet“ (LG 9) (Vgl. dazu auch 122, 522, 60, 64).


Die Kirche – von Jesus Christus gegründet

763 Aufgabe des Sohnes und Grund seiner Sendung ist es, in der Fülle der Zeiten den Heilsratschluss seines Vaters zu verwirklichen [Vgl. LG 3; AG 3]. „Denn der Herr Jesus machte den Anfang seiner Kirche, indem er die frohe Botschaft verkündete, nämlich die Ankunft des Reiches Gottes, das von alters her in den Schriften verheißen war“ (LG 5). Um den Willen des Vaters zu erfüllen, gründete Christus auf Erden das Himmelreich. Die Kirche ist „das im Mysterium schon gegenwärtige Reich Christi“ (LG 3) (Vgl. dazu auch 541).

764 „Dieses Reich aber leuchtet im Wort, in den Werken und in der Gegenwart Christi den Menschen auf“ (LG 5). Die das Wort Jesu annehmen, „haben das Reich selbst angenommen“ (ebd.). Der Keim und Beginn dieses Reiches ist die „kleine Herde“ (Lk 12,32) derer, die Jesus um sich versammelt hat und deren Hirt er selbst ist [Vgl. Mt 10,16; 26,31; Joh 10,1–21]. Sie bilden die wahre Familie Jesu [Vgl. Mt 12,49]. Die er so um sich schart, lehrt er eine neue Handlungsweise und ein eigenes Gebet [Vgl. Mt 5–6] (Vgl. dazu auch 543, 1691, 2558).

765 Der Herr Jesus gab seiner Gemeinschaft eine Struktur, die bis zur Vollendung des Reiches bleiben wird. An erster Stelle steht die Wahl der Zwölf mit Petrus als ihrem Haupt [Vgl. Mk 3,14–15]. Sie repräsentieren die zwölf Stämme Israels [Vgl. Mt 19,28; Lk 22,30] und sind somit die Grundsteine des neuen Jerusalem [Vgl. Offb 21,12–14]. Die Zwölf [Vgl. Mk 6,7] und die weiteren Jünger [Vgl. Lk 10,1–2] haben an der Sendung Christi, an seiner Gewalt, aber auch an seinem Schicksal teil [Vgl. Mt 10,25; Joh 15,20]. Durch alle diese Akte gründet Christus die Kirche und baut sie auf (Vgl. dazu auch 860, 551).

766 Die Kirche ging jedoch vor allem aus der Ganzhingabe Christi für unser Heil hervor, die in der Einsetzung der Eucharistie vorweggenommen und am Kreuz in die Tat umgesetzt wurde. „Der Anfang und das Wachstum [der Kirche] werden zeichenhaft angedeutet durch Blut und Wasser, die aus der geöffneten Seite des gekreuzigten Christus heraustreten“ (LG 3). „Denn aus der Seite des am Kreuz entschlafenen Christus ist das wunderbare Sakrament der ganzen Kirche hervorgegangen“ (SC 5). Wie Eva aus der Seite des schlafenden Adam geformt wurde, so ist die Kirche aus dem durchbohrten Herzen des am Kreuz gestorbenen Christus geboren [Vgl. hl. Ambrosius, Luc. II, 85–89] (Vgl. dazu auch 813, 610, 1340, 617, 478).


Die Kirche – durch den Heiligen Geist geoffenbart

767 „Als das Werk vollendet war, das der Vater dem Sohn auf Erden zu tun aufgetragen hat, wurde am Pfingsttag der Heilige Geist gesandt, auf dass er die Kirche immerfort heilige“ (LG 4). Damals „wurde die Kirche vor der Menge öffentlich bekanntgemacht, die Ausbreitung des Evangeliums unter den Heiden durch die Verkündigung nahm ihren Anfang“ (AG 4). Als „Zusammenrufung“ aller Menschen zum Heil ist die Kirche ihrer Natur nach missionarisch, von Christus zu allen Völkern gesandt, um alle Menschen zu Jüngern zu machen [Vgl. Mt 28,19–20; AG 2; 5–6] (Vgl. dazu auch 731, 849).

768 Um seine Sendung zu vollziehen, „bereitet und lenkt“ der Geist die Kirche „durch die verschiedenen hierarchischen und charismatischen Gaben“ (LG 4). Durch ihn „empfängt die Kirche, die mit den Gaben ihres Gründers ausgestattet ist und seine Gebote der Liebe, der Demut und der Selbstverleugnung treulich hält, die Sendung, das Reich Christi und Gottes anzukündigen und in allen Völkern zu begründen. So stellt sie Keim und Anfang dieses Reiches auf Erden dar“ (LG 5) (Vgl. dazu auch 541).


Die Kirche – in Herrlichkeit vollendet

769 „Die Kirche ... wird erst in der himmlischen Herrlichkeit vollendet werden“ (LG 48), bei der Wiederkunft Christi in Herrlichkeit. Bis dahin „schreitet die Kirche auf ihrer Pilgerschaft dahin zwischen Verfolgungen der Welt und Tröstungen Gottes“ (Augustinus, civ. 18,51) [Vgl. LG 8]. Hier auf Erden weiß sie sich fern vom Herrn in der Fremde [Vgl. 2 Kor 5,6; LG 6] und sehnt sich nach dem vollendeten Reich, „danach, mit ihrem König in Herrlichkeit vereint zu werden“ (LG 5). Zur Vollendung der Kirche und durch sie zur Vollendung der Welt in Herrlichkeit wird es nicht ohne große Prüfungen kommen. Erst dann werden „alle Gerechten von Adam an, ‚von dem gerechten Abel bis zum letzten Erwählten‘, in der allumfassenden Kirche beim Vater versammelt werden“ (LG 2) (Vgl. dazu auch 671, 2818, 675, 1045).

III Das Mysterium der Kirche

770 Die Kirche steht in der Geschichte, gleichzeitig aber auch über ihr. Nur „mit den Augen des Glaubens“ (Catech. R. 1,10, 20) vermag man in ihrer sichtbaren Wirklichkeit auch eine geistige Wirklichkeit wahrzunehmen, die Trägerin göttlichen Lebens ist (Vgl. dazu auch 812).


Die Kirche – sichtbar und geistig

771 „Der einzige Mittler Christus hat seine heilige Kirche, die Gemeinschaft des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe, hier auf Erden als sichtbares Gefüge verfaßt und erhält sie als solches unablässig; so gießt er durch sie Wahrheit und Gnade auf alle aus“ (LG 8). Die Kirche ist gleichzeitig (Vgl. dazu auch 827):

– „die mit hierarchischen Organen ausgestattete Gesellschaft und der geheimnisvolle Leib Christi, (Vgl. dazu auch 1880)
– die sichtbare Versammlung und die geistliche Gemeinschaft,
– die irdische Kirche und die mit himmlischen Gaben beschenkte Kirche“ (Vgl. dazu auch 954).
Diese Aspekte „bilden eine einzige, komplexe Wirklichkeit, die aus menschlichem und göttlichem Element zusammenwächst“ (LG 8).

Die „Eigentümlichkeit [der Kirche] ist es, zugleich menschlich und göttlich zu sein, sichtbar mit Unsichtbarem ausgestattet, glühend im Handeln und frei für die Betrachtung, in der Welt gegenwärtig und doch unterwegs; und zwar so, dass in ihr das, was menschlich ist, auf das Göttliche hingeordnet und ihm untergeordnet wird, was sichtbar ist, auf das Unsichtbare, was zur Tätigkeit gehört, auf die Betrachtung, was gegenwärtig ist, auf die künftige Stadt, die wir suchen“ (SC 2).

„Welche Niedrigkeit! Welche Erhabenheit! Ein Gezelt Kedars und ein Heiligtum Gottes, eine irdische Wohnstätte und ein himmlischer Palast, Lehmhütte und Königsburg, Leib des Todes und Tempel des Lichtes, der Abscheu der Stolzen und die Braut des Herrn! Schwarz ist sie und doch schön, ihr Töchter Jerusalems! Ob die Mühsal und der Schmerz der langen Verbannung sie auch entstellen, so schmückt sie dennoch himmlische Schönheit“ (Bernhard, Cant. 27,14).


Die Kirche – Mysterium der Vereinigung der Menschen mit Gott

772 In der Kirche vollzieht und offenbart Christus sein innerstes Mysterium als Ziel des Ratschlusses Gottes, „das All in Christus wieder unter ein Haupt zu fassen“ (Eph 1,10). Der hl. Paulus nennt die bräutliche Vereinigung Christi und der Kirche ein „tiefes Geheimnis“ (Eph 5,32). Da die Kirche mit Christus als ihrem Bräutigam vereint ist [Vgl. Eph 5, 25–27], wird sie ihrerseits Geheimnis [Vgl. Eph 3,9–11]. Dieses Mysterium betrachtend, schreibt der hl. Paulus: „Christus ist unter euch, er ist die Hoffnung auf Herrlichkeit“ (Kol 1,27) (Vgl. dazu auch 518, 796).

773 Die Gemeinschaft der Menschen mit Gott durch „die Liebe, die niemals aufhört“ (1 Kor 13,8), ist das Ziel, das all das bestimmt, was in der Kirche an diese vergängliche Welt gebundenes sakramentales Mittel ist [Vgl. LG 48]. Ihre hierarchische Struktur „ist ganz für die Heiligkeit der Glieder Christi bestimmt. Die Heiligkeit wird aber an dem ‚tiefen Geheimnis‘ gemessen, in dem die Braut mit der Hingabe der Liebe die Hingabe des Bräutigams erwidert“ (MD 27). Als die Braut „ohne Flecken und Falten“ (Eph 5,27) geht Maria uns allen auf dem Weg der Heiligkeit, die das Mysterium der Kirche ausmacht, voran. „In diesem Sinne geht die marianische Dimension der Kirche der Petrusdimension voraus“ (MD 27) (Vgl. dazu auch 671, 972).


Die Kirche – universales Heilssakrament

774 Das griechische Wort „mysterion“ [Geheimnis] wurde auf lateinisch durch zwei Ausdrücke wiedergegeben: durch „mysterium“ und „sacramentum“. In der späteren Deutung drückt der Begriff „sacramentum“ mehr das sichtbare Zeichen der verborgenen Heilswirklichkeit aus, die mit dem Begriff „mysterium“ bezeichnet wird. In diesem Sinn ist Christus selbst das Heilsmysterium: „Das Mysterium Gottes ist nichts anderes als Christus“ (Augustinus, ep. 187,11,34). Das Heilswerk seiner heiligen und heiligenden Menschennatur ist das Heilssakrament, das sich in den Sakramenten der Kirche (die von den Ostkirchen auch als „die heiligen Mysterien“ bezeichnet werden) bekundet und in ihnen wirkt. Die sieben Sakramente sind die Zeichen und Werkzeuge, durch die der Heilige Geist die Gnade Christi, der das Haupt ist, in der Kirche, die sein Leib ist, verbreitet. Die Kirche enthält und vermittelt also die unsichtbare Gnade, die sie bezeichnet. In diesem analogen Sinn wird sie „Sakrament“ genannt (Vgl. dazu auch 1075, 515, 2014, 1116).

775 „Die Kirche ist in Christus gleichsam das Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott und für die Einheit des ganzen Menschengeschlechts“ (LG 1). Das erste Ziel der Kirche ist, das Sakrament der tiefen Vereinigung der Menschen mit Gott zu sein. Weil die Gemeinschaft unter den Menschen in der Vereinigung mit Gott wurzelt, ist die Kirche auch das Sakrament der Einheit des Menschengeschlechtes. In ihr hat diese Einheit schon begonnen, denn sie sammelt Menschen „aus allen Nationen und Stämmen, Völkern und Sprachen“ (Offb 7,9). Gleichzeitig ist die Kirche „Zeichen und Werkzeug“ des vollen Zustandekommens dieser noch ausstehenden Einheit (Vgl. dazu auch 360).

776 Als Sakrament ist die Kirche Werkzeug Christi. Die Kirche ist in den Händen Christi „Werkzeug der Erlösung aller“ (LG 9), „allumfassendes Sakrament des Heiles“ (LG 48), durch das Christus die „Liebe Gottes zum Menschen zugleich offenbart und verwirklicht“ (GS 45,1). Sie ist „das sichtbare Projekt der Liebe Gottes zur Menschheit“ (Paul VI., Ansprache vom 22. Juni 1973). Diese Liebe will, „dass das ganze Menschengeschlecht ein einziges Volk Gottes bilde, in den einen Leib Christi zusammenwachse und zu dem einen Tempel des Heiligen Geistes aufgebaut werde“ (AG 7) [Vgl. LG 17] (Vgl. dazu auch 1088).

KURZTEXTE

777 Das biblische Wort für die Kirche [ekklesia] bedeutet wörtlich „Zusammenrufung“. Es bezeichnet die Versammlung derer, die das Wort Gottes zusammenruft, damit sie das Volk Gottes bilden und durch den Leib Christi genährt, selbst Leib Christi werden.

778 Die Kirche ist zugleich Weg und Ziel des Ratschlusses Gottes. In der Schöpfung vorausgebildet, im Alten Bund vorbereitet, durch die Worte und Taten Christi gegründet, durch sein erlösendes Kreuz und seine Auferstehung verwirklicht, wird sie durch die Ausgießung des Heiligen Geistes als Heilsmysterium offenbart. Sie wird als Vereinigung aller auf Erden Freigekauften [Vgl. Offb 14,4] in der Herrlichkeit des Himmels vollendet werden.

779 Die Kirche ist zugleich sichtbar und geistig hierarchische Gesellschaft und mystischer Leib Christi. Sie bildet eine Einheit, bestehend aus menschlichem und göttlichem Element. Das macht ihr Geheimnis aus, das einzig der Glaube zu erfassen vermag.

780 Die Kirche ist in dieser Welt das Sakrament des Heils, das Zeichen und Werkzeug der Gemeinschaft mit Gott und mit den Menschen.

ABSATZ 2: DIE KIRCHE – VOLK GOTTES, LEIB CHRISTI, TEMPEL DES HEILIGEN GEISTES

I Die Kirche ist Volk Gottes

781 „Zu jeder Zeit und in jedem Volk ist Gott jeder willkommen, der ihn fürchtet und Gerechtigkeit übt. Gott hat es jedoch gefallen, die Menschen nicht einzeln, unabhängig von aller wechselseitigen Verbindung, zu heiligen und zu retten, sondern sie zu einem Volke zu machen, das ihn in Wahrheit anerkennen und ihm in Heiligkeit dienen sollte. So hat er das israelitische Volk sich zum Volk erwählt und hat mit ihm einen Bund geschlossen und es Stufe für Stufe unterwiesen ... Dies alles jedoch wurde zur Vorbereitung und zum Vorbild jenes neuen und vollkommenen Bundes, der in Christus geschlossen ... werden sollte ... Diesen neuen Bund hat Christus gestiftet in seinem Blute, indem er sich aus Juden und Heiden ein Volk berief, das nicht dem Fleische nach, sondern im Geiste zur Einheit zusammenwachsen“ sollte (LG 9).


Die Besonderheiten des Volkes Gottes

782 Das Volk Gottes weist Besonderheiten auf, die es von allen Religionsund Volksgruppen, von allen politischen und kulturellen Gruppen der Geschichte klar unterscheiden (Vgl. dazu auch 871):

– Es ist das Volk Gottes. Gott gehört keinem Volk zu eigen. Er hat sich aber aus denen, die einst kein Volk waren, ein Volk erworben: „ein auserwähltes Geschlecht, eine königliche Priesterschaft, einen heiligen Stamm“ (1 Petr2,9) (Vgl. dazu auch 2787).
– Glied dieses Volkes wird man nicht durch die leibliche Geburt, sondern durch die „Geburt von oben“, „aus Wasser und Geist“ (Joh 3,3–5), das heißt durch den Glauben an Christus und die Taufe (Vgl. dazu auch 1267).
– Dieses Volk hat Jesus, den Christus [Gesalbten, Messias] zum Haupt. Weil ein und dasselbe Salböl, der Heilige Geist, vom Haupt in den Leib hinabfließt, ist es „das messianische Volk“ (Vgl. dazu auch 695).
– „Es hat als Stand die Würde und die Freiheit der Kinder Gottes, in deren Herzen der Heilige Geist wie in einem Tempel wohnt“ (Vgl. dazu auch 1741) – „Es hat als Gesetz das neue Gebot, zu lieben, wie Christus uns geliebt hat [Vgl. Joh 13,34]“ (LG 9). Das ist das „neue“ Gesetz des Heiligen Geistes [Vgl. Röm 8,2; Gal 5,25] (Vgl. dazu auch 1972).
– Es hat als Sendung, Salz der Erde und Licht der Welt zu sein [Vgl. Mt 15,13–16]. Es ist „für das ganze Menschengeschlecht die unzerstörbare Keimzelle der Einheit, der Hoffnung und des Heils“ (Vgl. dazu auch 849).
– „Es hat schließlich als Ziel das Reich Gottes, das von Gott selbst auf Erden grundgelegt wurde und weiter ausgedehnt werden muß, bis es am Ende der Zeiten von ihm auch vollendet wird“ (LG 9) (Vgl. dazu auch 769).


Ein priesterliches, prophetisches und königliches Volk

783 Jesus Christus wurde vom Vater mit dem Heiligen Geist gesalbt und zum „Priester, Propheten und König“ bestellt. Das ganze Volk Gottes hat an diesen drei Ämtern Christi teil und ist verantwortlich für die Sendung und den Dienst, die sich daraus ergeben [Vgl. RH 18–21] (Vgl. dazu auch 436, 873).

784 Wer durch den Glauben und die Taufe in das Volk Gottes eintritt, erhält Anteil an der einzigartigen Berufung dieses Volkes: an seiner priesterlichen Berufung. „Christus der Herr, als Hoherpriester aus den Menschen genommen, hat das neue Volk ‚zum Königreich und zu Priestern für Gott und seinen Vater gemacht‘. Durch die Wiedergeburt und die Salbung mit dem Heiligen Geist werden die Getauften nämlich zu einem geistigen Haus und einem heiligen Priestertum geweiht“ (LG 10) (Vgl. dazu auch 1268, 1546).

785 „Das heilige Volk Gottes nimmt auch teil am prophetischen Amt Christi“, vor allem durch den übernatürlichen Glaubenssinn, der dem ganzen Volk, den Laien und der Hierarchie, zu eigen ist. Durch ihn „hängt [es] dem einmal den Heiligen übergebenen Glauben unwiderruflich an“ (LG 12), versteht ihn immer tiefer und wird inmitten dieser Welt zum Zeugen Christi (Vgl. dazu auch 92).

786 Das Gottesvolk hat auch an der königlichen Funktion Christi Anteil. Christus übt sein Königtum dadurch aus, dass er durch seinen Tod und seine Auferstehung alle Menschen an sich zieht [Vgl. Joh 13,32]. Christus, der König und Herr des Weltalls, hat sich zum Diener aller gemacht, denn er „ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele“ (Mt 20,28). Für den Christen bedeutet Christus zu dienen „König sein“ (LG 36) – vor allem „in den Armen und Leidenden“, in denen die Kirche „das Bild ihres armen und leidenden Gründers erkennt“ (LG 8). Das Volk Gottes wahrt seine „königliche Würde“ dadurch, dass es der Berufung nachlebt, mit Christus zu dienen (Vgl. dazu auch 2449, 2443).

„Alle, die in Christus wiedergeboren sind, macht das Zeichen des Kreuzes zu Königen, während die Salbung des Heiligen Geistes sie zu Priestern weiht. Darum sollen sich auch alle geistlichen und geistigen Christen bewusst sein, dass sie – abgesehen von den besonderen Aufgaben Unseres Amtes – aus königlichem Geschlecht stammen und an den Pflichten des Priesters Anteil haben. Was ist so königlich, als wenn ein Gott untertäniger Geist die Herrschaft über seinen Leib führt? Und was entspricht den Obliegenheiten eines Priesters mehr, als dem Herrn ein reines Gewissen zu weihen und ihm auf dem Altare seines Herzens makellose Opfer der Frömmigkeit darzubringen?“ (Leo d. Gr., serm. 4,1).

II Die Kirche ist Leib Christi

Die Kirche ist Gemeinschaft mit Jesus

787 Jesus hat von Anfang an die Jünger an seinem Leben teilnehmen lassen [Vgl. Mk 1,16–20; 3,13–19]. Er enthüllt ihnen das Mysterium des Gottesreiches [Vgl. Mt 13,10–17] und gibt ihnen Anteil an seiner Sendung, seiner Freude [Vgl. Lk 10,17–20] und an seinen Leiden [Vgl. Lk 22,28–30]. Jesus spricht von einer noch innigeren Verbundenheit zwischen ihm und denen, die ihm nachfolgen: „Bleibt in mir, dann bleibe ich in euch ... Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben“ (Joh 15,4–5). Und er kündigt eine geheimnisvolle, wirkliche Gemeinschaft zwischen seinem und unserem Leib an: „Wer mein Fleisch ißt und mein Blut trinkt, der bleibt in mir, und ich bleibe in ihm“ (Joh 6,56) (Vgl. dazu auch 755).

788 Als seine sichtbare Gegenwart den Jüngern genommen wurde, ließ Jesus sie nicht als Waisen zurück [Vgl. Joh 14,18]. Er versprach, bei ihnen zu bleiben bis zum Ende der Zeiten [Vgl. Mt 28,20], und sandte ihnen seinen Geist [Vgl. Joh 20,22; Apg 2,33]. In gewissem Sinne wurde die Gemeinschaft mit Jesus dadurch noch vertieft: „Indem er nämlich seinen Geist mitteilte, hat er seine Brüder, die er aus allen Völkern zusammenrief, in geheimnisvoller Weise gleichsam zu seinem Leib gemacht“ (LG 7) (Vgl. dazu auch 690).

789 Der Vergleich der Kirche mit dem Leib wirft Licht auf die innige Verbindung zwischen der Kirche und Christus. Die Kirche ist nicht nur um ihn versammelt, sondern in ihm, in seinem Leib geeint. Drei Aspekte der Kirche als des Leibes Christi sind besonders hervorzuheben: die Einheit aller Glieder untereinander durch ihre Vereinigung mit Christus; Christus als das Haupt des Leibes; die Kirche als die Braut Christi (Vgl. dazu auch 521).


Ein einziger Leib

790 Die Gläubigen, die auf das Wort Gottes antworten und zu Gliedern des Leibes Christi werden, werden eng mit Christus vereint: „In jenem Leibe strömt Christi Leben auf die Glaubenden über, die durch die Sakramente auf geheimnisvolle und wirkliche Weise mit Christus, der gelitten hat und verherrlicht ist, vereint werden“ (LG 7). Dies gilt vor allem von der Taufe, durch die wir mit dem Tod und der Auferstehung Christi vereint werden [Vgl. Röm 6,4–5; 1 Kor 12,13], und von der Eucharistie, durch die „wir wirklich Anteil am Leib des Herrn [erhalten] und ... zur Gemeinschaft mit ihm und miteinander erhoben“ werden (LG 7) (Vgl. dazu auch 947, 1227, 1329).

791 Die Einheit des Leibes hebt die Verschiedenheit der Glieder nicht auf: „Bei der Auferbauung des Leibes Christi waltet die Verschiedenheit der Glieder und der Aufgaben. Der eine Geist ist es, der seine vielfältigen Gaben gemäß seinem Reichtum und den Erfordernissen der Dienste zum Nutzen der Kirche austeilt.“ Die Einheit des mystischen Leibes bewirkt und fördert unter den Gläubigen die Liebe zueinander: „Daher leiden, wenn ein Glied etwas leidet, alle Glieder mit, und wenn ein Glied geehrt wird, freuen sich alle Glieder mit“ (LG 7). Die Einheit des mystischen Leibes überwindet alle menschlichen Trennungen: „Ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus [als Gewand] angelegt. Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau; denn ihr alle seid ‚einer‘ in Christus Jesus“ (Gal 3,27–28) (Vgl. dazu auch 814, 1937).


Christus ist das Haupt des Leibes

792 Christus „ist das Haupt des Leibes, der Leib aber ist die Kirche“ (Kol 1,18). Er ist Ursprung der Schöpfung und der Erlösung. In die Herrlichkeit des Vaters erhoben, „hat er in allem den Vorrang“ (Kol 1,18), besonders in der Kirche, durch die er sein Reich auf alles ausdehnt (Vgl. dazu auch 669, 1119).

793 Er vereint uns mit seinem Pascha. Alle Glieder müssen sich ihm anzugleichen suchen, „bis Christus in [ihnen] Gestalt annimmt“ (Gal 4, 19). „Deswegen werden wir aufgenommen in die Mysterien seines Lebens ... werden wir seinen Leiden – als Leib dem Haupt – zugesellt; wir leiden mit ihm, um mit ihm verherrlicht zu werden“ (LG 7) (Vgl. dazu auch 661, 519).

794 Er sorgt für unser Wachstum [Vgl. Kol 2,19]. Um uns ihm, unserem Haupt, entgegenwachsen zu lassen [Vgl. Eph 4,11–16], versieht Christus seinen Leib, die Kirche, mit den Gaben und Diensten, durch die wir uns gegenseitig auf dem Weg des Heils voranbringen (Vgl. dazu auch 872).

795 Christus und die Kirche bilden somit den „ganzen Christus“ [Christus totus]. Die Kirche ist mit Christus eins. Die Heiligen sind sich dieser Einheit sehr lebhaft bewusst (Vgl. dazu auch 695):

„Lasst uns also jubeln und Dank sagen, dass wir nicht bloß Christen geworden sind, sondern Christus. Versteht ihr, Brüder, erfaßt ihr die Gnade, die Gott uns schenkte, als er uns Christus zum Haupt gab? Staunt, freut euch, Christus sind wir geworden. Denn wenn jener das Haupt ist, wir die Glieder, dann ist der ganze Mensch er und wir ... Die Fülle Christi, das ist also Haupt und Glieder. Was heißt: Haupt und Glieder? Christus und die Kirche“ (Augustinus, ev. Jo. 21,8).

„Unser Erlöser erweist sich als eine Person mit der heiligen Kirche, die er sich zu eigen gemacht hat“ (Gregor d. Gr., mor. præf. 1,6,4).

„Haupt und Glieder sind gleichsam eine mystische Person“ (Thomas v. A., s. th. 3,48,2, ad 1) (Vgl. dazu auch 1474).

Der von den heiligen Glaubenslehrern gelehrte Glaube und das gesunde Empfinden der Gläubigen äußern sich in einem Wort der hl. Jeanne d’Arc an ihre Richter: „Von Jesus und der Kirche denke ich, dass das alles eins ist und dass man daraus kein Problem machen soll“.


Die Kirche ist die Braut Christi

796 Die Einheit zwischen Christus und der Kirche, dem Haupt und den Gliedern des Leibes, besagt auch, dass die beiden zwar voneinander verschieden sind, aber in einer persönlichen Beziehung stehen. Dieser Aspekt wird oft durch das Bild von Bräutigam und Braut zum Ausdruck gebracht. Dass Christus der Bräutigam der Kirche ist, wurde von den Propheten angedeutet, und Johannes der Täufer verkündete es [Vgl. Joh 3,29]. Der Herr selbst hat sich als „der Bräutigam“ bezeichnet (Mk 2,19) [Vgl. Mt 22, 1–14; 25,1–13]. Der Apostel stellt die Kirche und jeden Gläubigen, der Glied des Leibes Christi ist, als eine Braut dar, die er Christus dem Herrn „verlobt“ hat, damit sie ein Geist mit ihm sei [Vgl. 1 Kor 6, 15–17; 2 Kor 11,2]. Sie ist die makellose Braut des makellosen Lammes [Vgl. Offb 22,17; Eph 1,4; 5,27], die „Christus ... geliebt“ und für die er sich „hingegeben hat, um sie ... rein und heilig zu machen“ (Eph 5,25–26), die er durch einen ewigen Bund mit sich verbunden hat und die er pflegt wie seinen eigenen Leib [Vgl. Eph 5,29] (Vgl. dazu auch 757, 219, 772, 1602, 1616).

„Der ganze Christus, Haupt und Leib, einer aus vielen ... Rede nun das Haupt oder rede der Leib, immer redet Christus: er redet aus der Rolle des Hauptes [ex persona capitis] wie aus der des Leibes [ex persona corporis]. Wie steht es geschrieben? ‚Zwei werden ein Fleisch sein. Dies ist ein tiefes Geheimnis; ich beziehe es auf Christus und die Kirche’ (Eph 5,31–32). Und der Herr selbst sagt im Evangelium: ‚Sie sind also nicht mehr zwei, sondern ein Fleisch’ (Mt 19,6). Es sind, wie ihr wißt, zwei Personen, und doch wiederum nur eine durch die eheliche Verbindung ... Bräutigam nennt er sich selber als Haupt, Braut als Leib“ (Augustinus, Psal. 74,4).

III Die Kirche - Tempel des Heiligen Geistes

797 „Was unser Geist, das heißt unsere Seele, für unsere Glieder ist, das ist der Heilige Geist für die Glieder Christi, für den Leib Christi, die Kirche“ (Augustinus, serm. 267,4). „Diesem Geist Christi als dem unsichtbaren Prinzip ist zuzuschreiben, dass alle Teile des Leibes sowohl untereinander als auch mit ihrem erhabenen Haupt verbunden sind, da er ganz im Haupt ist, ganz im Leib, ganz in den einzelnen Gliedern“ (Pius XII., Enz. „Mystici Corporis“: DS 3808). Der Heilige Geist macht die Kirche zum „Tempel des lebendigen Gottes“ (2 Kor 6, 16) [Vgl. 1 Kor 3, 16–17; Eph 2,21] (Vgl. dazu auch 813, 586):

„Dieses göttliche Geschenk ist der Kirche anvertraut ... In ihr ist niedergelegt die Gemeinschaft mit Christus, das heißt der Heilige Geist, das Angeld der Unverweslichkeit, die Befestigung unseres Glaubens, die Himmelsleiter zu Gott ... Wo die Kirche, da ist auch der Geist Gottes; und wo der Geist Gottes, dort ist die Kirche und alle Gnade“ (Irenäus, hier. 3,24,1).

798 Der Heilige Geist ist „in allen Teilen des Leibes das Prinzip jeder lebenspendenden und wirklich heilsamen Handlung“ (Pius XII., Enz. „Mystici Corporis“: DS 3808). Er bewirkt auf vielfältige Weise die Auferbauung des ganzen Leibes in der Liebe [Vgl. Eph 4,16]: durch das Wort Gottes, „das die Kraft hat, aufzubauen“ (Apg 20,32); durch die Taufe, durch die er den Leib Christi bildet [Vgl. 1 Kor 12,13]; durch diejenigen Sakramente, die den Gliedern Christi Wachstum und Heilung geben; durch die „Gnade der Apostel“, die unter den Gnadengaben „hervorragt“ (LG 7); durch die Tugenden, die das gute Handeln bewirken; durch die vielfältigen besonderen Gaben, die sogenannten Charismen, durch die er die Gläubigen „geeignet und bereit macht, verschiedene für die Erneuerung und den weiteren Aufbau der Kirche nützliche Werke und Dienste zu übernehmen“ (LG 12) [Vgl. AA 3] (Vgl. dazu auch 737, 1091 – 1109, 791).


Die Charismen

799 Die Charismen, ob außergewöhnlich oder schlicht und bescheiden, sind Gnadengaben des Heiligen Geistes, die direkt oder indirekt der Kirche dienen: sie sind zum Aufbau der Kirche, zum Wohl der Menschen und für die Nöte der Welt geschenkt (Vgl. dazu auch 951, 2003).

800 Die Charismen sind von dem, der sie erhält, aber auch von allen Gliedern der Kirche dankbar entgegenzunehmen. Sie sind ja ein wunderbarer Gnadenreichtum für die apostolische Lebenskraft und für die Heiligkeit des ganzen Leibes Christi. Es muß sich dabei um Gaben handeln, die wirklich vom Heiligen Geist kommen, und sie sind so auszuüben, dass sie den echten Anregungen dieses Geistes voll entsprechen. Kurz, sie müssen in Liebe ausgeübt werden, die das eigentliche Maß der Charismen ist [Vgl. 1 Kor 13].

801 In diesem Sinn ist es stets notwendig, die Charismen zu prüfen. Kein Charisma enthebt der Pflicht, die Hirten der Kirche zu ehren und ihnen zu gehorchen, da es ihnen „in besonderer Weise zukommt, den Geist nicht auszulöschen, sondern alles zu prüfen und, was gut ist, zu behalten“ (LG 12). Alle Charismen, die in ihrer Verschiedenheit einander ergänzen, sollen so zusammenwirken, dass „sie anderen nützen“ (1 Kor 12,7) [Vgl. LG 30; CL 24] (Vgl. dazu auch 894, 1905).

KURZTEXTE

802 Christus Jesus hat sich für uns hingegeben um uns von aller Schuld zu erlösen und sich ein reines Volk zu schaffen das ihm als sein besonderes Eigentum gehört (Tit 2 14)

803 „Ihr seid ein auserwähltes Geschlecht eine königliche Priesterschaft ein heiliger Stamm ein Volk das sein besonderes Eigentum wurde“ (1 Petr 2 9).

804 Der Eintritt in das Volk Gottes geschieht durch den Glauben und die Taufe „Zum neuen Volk Gottes werden alle Menschen gerufen“ (LG 13) damit in Christus die Menschen eine einzige Familie und ein einziges Gottesvolk bilden“ (AG 1).

805 Die Kirche ist der Leib Christi. Durch den Geist und sein Wirken in den Sakramenten vor allem in der Eucharistie macht der gestorbene und auferstandene Christus die Gemeinschaft der Gläubigen zu seinem Leib.

806 In der Einheit dieses Leibes gibt es eine Verschiedenheit der Glieder und der Aufgaben. Alle Glieder sind miteinander verbunden, insbesondere mit denen, die leiden, arm sind oder verfolgt werden.

807 Die Kirche ist der Leib, dessen Haupt Christus ist. Sie lebt aus ihm, in ihm und für ihn; er lebt mit ihr und in ihr.

808 Die Kirche ist die Braut Christi. Er hat sie geliebt und sich für sie hingegeben. Er hat sie durch sein Blut gereinigt. Er hat sie zur fruchtbaren Mutter aller Kinder Gottes gemacht.

809 Die Kirche ist der Tempel des Heiligen Geistes. Der Geist ist gleichsam die Seele des mystischen Leibes, das Prinzip seines Lebens, der Einheit in der Verschiedenheit und des Reichtums seiner Gaben und Charismen.

810 „So erscheint die ganze Kirche als das von der Einheit des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes her geeinte Volk“ (Cyprian).

ABSATZ 3: DIE EINE, HEILIGE, KATHOLISCHE UND APOSTOLISCHE KIRCHE

811 „Dies ist die einzige Kirche Christi, die wir im Glaubensbekenntnis als die eine, heilige, katholische und apostolische bekennen“ (LG 8). Diese vier Eigenschaften, die sich nicht voneinander trennen lassen [Vgl. DS 2888], bezeichnen Wesenszüge der Kirche und ihrer Sendung. Die Kirche besitzt sie nicht von sich aus. Christus macht durch den Heiligen Geist seine Kirche zur einen, heiligen, katholischen und apostolischen. Er beruft sie dazu, jede dieser Eigenschaften zu verwirklichen (Vgl. dazu auch 750, 832, 865).

812 Einzig der Glaube vermag zu erkennen, dass die Kirche diese Eigenschaften von ihrem göttlichen Ursprung her besitzt. Deren geschichtliche Auswirkungen sind jedoch Zeichen, die auch klar die menschliche Vernunft ansprechen. Wie das Erste Vatikanische Konzil sagt, ist die Kirche „wegen ihrer wunderbaren Ausbreitung, außerordentlichen Heiligkeit und unerschöpflichen Fruchtbarkeit an allem Guten, wegen ihrer katholischen Einheit und unbesiegten Beständigkeit ein mächtiger und fortdauernder Beweggrund der Glaubwürdigkeit und ein unwiderlegbares Zeugnis ihrer göttlichen Sendung“ (DS 3013) (Vgl. dazu auch 156, 770).

I Die Kirche ist eine

„Das heilige Geheimnis der Einheit der Kirche“ (UR 2)

813 Die Kirche ist eine von ihrem Ursprung her. „Höchstes Vorbild und Urbild dieses Geheimnisses ist die Einheit des einzigen Gottes, des Vaters und des Sohnes im Heiligen Geist in der Dreiheit der Personen“ (UR 2). Die Kirche ist eine von ihrem Gründer her. Dieser, „der menschgewordene Sohn hat durch sein Kreuz alle Menschen mit Gott versöhnt und die Einheit aller in einem Volk und in einem Leib wiederhergestellt“ (GS 78,3). Die Kirche ist eine von ihrer Seele her. „Der Heilige Geist, der in den Gläubigen wohnt und die ganze Kirche erfüllt und leitet, schafft diese wunderbare Gemeinschaft der Gläubigen und verbindet sie in Christus so innig, dass er das Prinzip der Einheit der Kirche ist“ (UR 2). Die Einheit gehört somit zum Wesen der Kirche (Vgl. dazu auch 172, 766, 797):

„O welch geheimnisvolles Wunder! Einer ist der Vater aller Dinge, einer auch der Logos aller Dinge, und der Heilige Geist ein und derselbe überall, und es gibt auch nur eine einzige jungfräuliche Mutter; ich liebe es, sie Kirche zu nennen“ (Clemens v. Alexandrien, pæd. 1,6,42).

814 Von Anfang an weist indes diese eine Kirche eine große Vielfalt auf. Diese rührt einerseits von der Unterschiedlichkeit der Gaben Gottes her, andererseits von der Vielzahl der sie empfangenden Menschen. In der Einheit des Gottesvolkes kommen die Verschiedenheiten der Völker und Kulturen zusammen. Unter den Gliedern der Kirche besteht eine Vielfalt von Gaben, Aufgaben, Lebensbedingungen und Lebensweisen; „in der kirchlichen Gemeinschaft gibt es zu Recht Teilkirchen, die über eigene Überlieferungen verfügen“ (LG 13). Der große Reichtum an Verschiedenheiten steht der Einheit der Kirche nicht entgegen, sondern die Sünde und ihre Folgen belasten und bedrohen diese Gabe der Einheit unablässig. Darum muß der hI. Paulus dazu ermahnen, „die Einheit des Geistes zu wahren durch das Band des Friedens“ (Eph 4,3) (Vgl. dazu auch 791, 873, 1202, 832).

815 Welches sind die Bande der Einheit? Vor allem ist es die Liebe, „das Band der Vollkommenheit“ (Kol 3,14). Die Einheit der pilgernden Kirche wird aber auch durch folgende sichtbare Bande der Gemeinschaft gesichert:

– das Bekenntnis ein und desselben, von den Aposteln überlieferten Glaubens;
– die gemeinsame Feier des Gottesdienstes, vor allem der Sakramente;
– die apostolische Sukzession, die durch das Weihesakrament die brüderliche Eintracht der Familie Gottes aufrechterhält [Vgl. UR 2; LG 14; CIC, can. 205]. (Vgl. dazu auch 1827, 830, 837, 173)

816 „Die einzige Kirche Christi ... zu weiden, hat unser Erlöser nach seiner Auferstehung dem Petrus übertragen, ihm und den übrigen Aposteln hat er ihre Ausbreitung und Leitung anvertraut ... Diese Kirche, in dieser Welt als Gesellschaft verfaßt und geordnet, ist verwirklicht in [subsistit in] der katholischen Kirche, die vom Nachfolger des Petrus und von den Bischöfen in Gemeinschaft mit ihm geleitet wird“ (LG 8) (Vgl. dazu auch 819).

Das Dekret des Zweiten Vatikanischen Konzils über den Ökumenismus erklärt:

„Nur durch die katholische Kirche Christi, die allgemeine Hilfe zum Heil ist, kann man die ganze Fülle der Heilsmittel erlangen. Denn einzig dem Apostelkollegium, dem Petrus vorsteht, hat der Herr, so glauben wir, alle Güter des Neuen Bundes anvertraut, um den einen Leib Christi auf Erden zu bilden, dem alle völlig einverleibt werden müssen, die schon auf irgendeine Weise zum Volke Gottes gehören“ (UR 3) (Vgl. dazu auch 830).


Verletzungen der Einheit

817 „In dieser einen und einzigen Kirche Gottes sind schon von den ersten Zeiten an Spaltungen aufgekommen, die der Apostel als schwer verwerflich tadelt; in den späteren Jahrhunderten aber sind ausgedehntere Uneinigkeiten entstanden, und es trennten sich nicht unbedeutende Gemeinschaften von der vollen Gemeinschaft der katholischen Kirche, bisweilen nicht ohne Schuld der Menschen auf beiden Seiten“ (UR 3). Zu den Spaltungen, welche die Einheit des Leibes Christi verwunden (man unterscheidet dabei die Häresie, die Apostasie und das Schisma) [Vgl. CIC, can. 751], kommt es nicht ohne die Sünden der Menschen (Vgl. dazu auch 2089):

„Wo Sünden sind, da ist Vielheit, da sind Spaltungen, da Sekten, da Streitgespräche. Wo aber Tugend ist, da ist Einmütigkeit, da Einheit, weshalb alle Gläubigen eines Herzens und einer Seele waren“ (Origenes, horn. in Ezech. 9,1).

818 „Denen aber, die jetzt in solchen Gemeinschaften geboren sind und mit dem Glauben an Christus erfüllt werden, können keine Vorwürfe wegen der Sünde der Trennung gemacht werden und die katholische Kirche begegnet ihnen in brüderlicher Achtung und Liebe ... sie werden aufgrund des Glaubens in der Taufe gerechtfertigt, Christus einverleibt, und darum gebührt ihnen der Ehrenname des Christen, und mit Recht werden sie von den Kindern der katholischen Kirche als Brüder im Herrn anerkannt“ (UR 3) (Vgl. dazu auch 1271).

819 Zudem sind außerhalb der sichtbaren Grenzen der katholischen Kirche „vielfältige Elemente der Heiligung und der Wahrheit zu finden“ (LG 8): „das geschriebene Wort Gottes, das Leben der Gnade, Glaube, Hoffnung und Liebe und andere innere Gaben des Heiligen Geistes und sichtbare Elemente“ (UR 3) [Vgl. LG 15]. Der Geist Christi bedient sich dieser Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften als Mittel zum Heil. Ihre Kraft kommt aus der Gnaden– und Wahrheitsfülle, die Christus der katholischen Kirche anvertraut hat. Alle diese Güter stammen von Christus, führen zu ihm [Vgl. UR3] und drängen von selbst „auf die katholische Einheit hin“ (LG 8).


Auf die Einheit hin

820 Die Einheit „hat Christus seiner Kirche von Anfang an geschenkt, eine Einheit, die nach unserem Glauben unverlierbar in der katholischen Kirche besteht, und die, wie wir hoffen, immer mehr wachsen wird bis zur Vollendung der Zeiten“ (UR 4). Christus gibt seiner Kirche stets die Gabe der Einheit, aber die Kirche muß ständig beten und arbeiten, um die Einheit, die Christus für sie will, zu erhalten, zu stärken und zu vervollkommnen. Deshalb bittet Jesus selbst zur Stunde seines Leidens und fortwährend den Vater um die Einheit seiner Jünger: „Alle sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir bist, und ich in dir bin, sollen auch sie in uns eins sein, damit die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast“ (Joh 17,21). Das Verlangen, zur Einheit aller Christen zurückzufinden, ist eine Gabe Christi und ein Ruf des Heiligen Geistes [Vgl. UR 1] (Vgl. dazu auch 2748).

821 Um diesem Ruf richtig zu entsprechen, bedarf es:

– einer dauernden Erneuerung der Kirche in einer größeren Treue zu ihrer Berufung. Diese Erneuerung ist die Triebkraft der Bewegung hin zur Einheit [Vgl. UR 6];

– der Bekehrung des Herzens, um nach einem reinen Leben gemäß dem Evangelium zu streben [Vgl. UR7], denn die Untreue der Glieder gegenüber der Gabe Christi verursacht die Trennungen; (Vgl. dazu auch 827).

– des gemeinsamen Gebetes, denn „die Bekehrung des Herzens und die Heiligkeit des Lebens ist in Verbindung mit dem privaten und öffentlichen Gebet für die Einheit der Christen als die Seele der ganzen ökumenischen Bewegung anzusehen; sie kann mit Recht geistlicher Ökumenismus genannt werden“ (UR 8) (Vgl. dazu auch 2791);

– der gegenseitigen brüderlichen Kenntnis [Vgl. UR 9];

– der ökumenischen Bildung der Gläubigen und vor allem der Priester [Vgl. UR 10];

– des Gesprächs zwischen den Theologen und der Begegnungen zwischen den Christen der verschiedenen Kirchen und Gemeinschaften [Vgl. UR 4; 9; 11];

– der Zusammenarbeit der Christen in den verschiedenen Bereichen des Dienstes am Menschen [Vgl. UR 12].

822 „Die Sorge um die Wiederherstellung der Einheit ist Sache der ganzen Kirche, sowohl der Gläubigen wie auch der Hirten“ (UR 5). Man muß sich aber auch bewusst sein, „dass dieses heilige Anliegen der Wiederversöhnung aller Christen in der Einheit der einen und einzigen Kirche Christi die menschlichen Kräfte und Fähigkeiten übersteigt“. Darum setzen wir unsere Hoffnung „gänzlich auf das Gebet Christi für die Kirche, auf die Liebe des Vaters zu uns und auf die Kraft des Heiligen Geistes“ (UR 24).

II Die Kirche ist heilig

823 „Es ist Gegenstand des Glaubens, dass die Kirche ... unzerstörbar heilig ist. Denn Christus, der Sohn Gottes, der mit dem Vater und dem Geist als ‚allein Heiliger‘ gepriesen wird, hat die Kirche als seine Braut geliebt, indem er sich selbst für sie hingab, um sie zu heiligen, und er hat sie als seinen Leib mit sich verbunden sowie mit der Gabe des Heiligen Geistes erfüllt zur Ehre Gottes“ (LG 39). Die Kirche ist somit „das heilige Volk Gottes“ (LG 12), und ihre Glieder werden „heilig“ genannt [Vgl. Apg 9,13; 1 Kor 6.1; 16,1] (Vgl. dazu auch 459, 796, 946).

824 Die Kirche wird durch Christus geheiligt, weil sie mit ihm vereint ist; durch ihn und in ihm wirkt sie auch heiligend. Die „Heiligung der Menschen in Christus und die Verherrlichung Gottes“ sind es, „auf die alle anderen Werke der Kirche als auf ihr Ziel hinstreben“ (SC 10). In der Kirche ist „die ganze Fülle der Heilsmittel“ (UR 3) vorhanden. In ihr „erlangen wir mit der Gnade Gottes die Heiligkeit“ (LG 48) (Vgl. dazu auch 816).

825 „Die Kirche ist schon auf Erden durch eine wahre, wenn auch unvollkommene Heiligkeit ausgezeichnet“ (LG 48). Sie muß in ihren Gliedern die vollkommene Heiligkeit erst noch erreichen. „Mit so vielen und so großen Mitteln zum Heile ausgerüstet, sind alle Christgläubigen jedweden Berufs und Standes auf ihrem jeweiligen Weg vom Herrn zu der Vollkommenheit der Heiligkeit berufen, in der der Vater selbst vollkommen ist“ (LG 11) (Vgl. dazu auch 670, 2013).

826 Die Liebe ist die Seele der Heiligkeit, zu der alle berufen sind: „Sie leitet und beseelt alle Mittel der Heiligung und führt sie zum Ziel“ (LG 42).

„Ich begriff, dass, wenn die Kirche ein aus verschiedenen Gliedern zusammengesetzter Leib ist, das edelste Organ ihr nicht fehlen dürfe; ich begriff, dass sie ein Herz haben muß, das von Liebe glüht. Ich begriff, dass die Liebe allein die anderen Glieder in Tätigkeit zu versetzen vermag, und dass, wenn sie je erlöschte, die Apostel aufhören würden, das Evangelium zu verkünden, und die Märtyrer sich weigern, ihr Blut zu vergießen ... Ich begriff, dass die Liebe alle Berufungen umfaßt, dass sie alles in allem ist, dass sie alle Zeiten und Orte einschließt ...‚ mit einem Wort, dass sie ewig ist“ (Theresia vom Kinde Jesu, ms. autob. B 3v) (Vgl. dazu auch 864).

827 „Während Christus, ‚heilig, schuldlos, unbefleckt‘, die Sünde nicht kannte, sondern allein die Vergehen des Volkes zu sühnen kam, umfaßt die Kirche in ihrem eigenen Schoß Sünder, ist zugleich heilig und stets reinigungsbedürftig, sie geht so immerfort den Weg der Buße und Erneuerung“ (LG 8) [Vgl. UR 3;6]. Alle Glieder der Kirche, auch ihre Amtsträger, müssen bekennen, dass sie Sünder sind [Vgl. 1 Joh 1,8–10]. In allen wächst zwischen der guten Saat des Evangeliums bis zum Ende der Zeiten auch das Unkraut der Sünde [Vgl. Mt 13, 24–30]. Die Kirche vereint sündige Menschen, die zwar vom Heil Christi erfaßt, aber noch immer erst auf dem Weg zur Heiligkeit sind (Vgl. dazu auch 1425 – 1429, 821):

„Die Kirche ist heilig, auch wenn sich in ihrer Mitte Sünder befinden; denn sie lebt kein anderes Leben als das der Gnade. Wo die Glieder der Kirche an diesem Leben teilhaben, werden sie geheiligt, wo sie aber dieses Leben preisgeben, verfallen sie der Sünde und Unordnung. Das aber behindert dann die Strahlkraft der Heiligkeit der Kirche. Darunter leidet sie und tut Buße für diese Sünden. Sie hat dabei aus dem Blute Christi und aus der Gabe des Heiligen Geistes die Gewalt, ihre Söhne und Töchter von der Sündenschuld wieder zu befreien“ (SPF 19).

828 Wenn die Kirche gewisse Gläubige heiligspricht, das heißt feierlich erklärt, dass diese die Tugenden heldenhaft geübt und in Treue zur Gnade Gottes gelebt haben, anerkennt die Kirche die Macht des Geistes der Heiligkeit, der in ihr ist. Sie stärkt die Hoffnung der Gläubigen, indem sie ihnen die Heiligen als Vorbilder und Fürsprecher gibt [Vgl. LG 40; 48–51,]. „In den schwierigsten Situationen der Geschichte der Kirche standen am Ursprung der Erneuerung immer Heilige“ (CL 16,3), „Die geheime Quelle und das unfehlbare Maß der missionarischen Kraft der Kirche ist ihre Heiligkeit“ (CL 17,3) (Vgl. dazu auch 1173, 2045).

829 „Während aber die Kirche in der seligsten Jungfrau Maria schon zur Vollkommenheit gelangt ist, in der sie ohne Makel und Runzel ist, bemühen sich die Christgläubigen noch, die Sünde völlig zu besiegen und so in der Heiligkeit zu wachsen; und daher erheben sie ihre Augen zu Maria“ (LG 65): in ihr ist die Kirche schon die ganz heilige (Vgl. dazu auch 1172, 972).

III Die Kirche ist katholisch

Was heißt „katholisch“?

830 Das Wort „katholisch“ bedeutet „allumfassend“ im Sinn von „ganz“ oder „vollständig“. Die Kirche ist katholisch in einem doppelten Sinn:

Sie ist katholisch, weil in ihr Christus zugegen ist. „Wo Christus Jesus ist, ist die katholische Kirche“ (Ignatius v. Antiochien, Smyrn. 8,2). In ihr ist der mit seinem Haupt vereinte Leib Christi in Fülle verwirklicht [Vgl. Eph 1,22–23]. Sie erhält somit von ihm „die Fülle der Mittel zum Heil“ (AG 6), die er gewollt hat: das richtige und ganze Glaubensbekenntnis, das vollständige sakramentale Leben und das geweihte Dienstamt in der apostolischen Sukzession. In diesem grundlegenden Sinn war die Kirche schon am Pfingsttag katholisch [Vgl. AG 4] und sie wird es bis zum Tag der Wiederkunft Christi bleiben (Vgl. dazu auch 795, 815 – 816).

831 Sie ist katholisch, weil sie von Christus zum ganzen Menschengeschlecht gesandt worden ist [Vgl. Mt 28,19] (Vgl. dazu auch 849):

„Zum neuen Volk Gottes werden alle Menschen gerufen. Deswegen muß dieses Volk eines und ein einziges bleiben und sich über die ganze Welt und durch alle Zeiten hin ausbreiten. So soll sich die Absicht des Willens Gottes erfüllen, der die Menschennatur am Anfang als eine gegründet und beschlossen hat, seine Kinder, die zerstreut waren, schließlich zur Einheit zu versammeln ... Diese Eigenschaft der Universalität, die das Volk Gottes auszeichnet, ist eine Gabe des Herrn selbst, mit deren Hilfe die katholische Kirche tatkräftig und stetig danach strebt, die ganze Menschheit mit all ihren Gütern unter dem Haupt Christus zusammenzufassen in der Einheit seines Geistes“ (LG 13) (Vgl. dazu auch 360, 518).


Jede Teilkirche ist „katholisch“

832 „Die Kirche Christi ist wahrhaft in allen rechtmäßigen örtlichen Gemeinden der Gläubigen anwesend, die in der Verbindung mit ihren Hirten auch selbst im Neuen Testament Kirchen genannt werden ... In ihnen werden durch die Verkündigung der Frohbotschaft Christi die Gläubigen versammelt, in ihnen wird das Mysterium des Herrenmahls begangen ... In diesen Gemeinschaften ist, auch wenn sie oft klein und arm sind oder in der Zerstreuung leben, Christus gegenwärtig, durch dessen Kraft die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche versammelt wird“ (LG 26) (Vgl. dazu auch 814, 811).

833 Unter „Teilkirche“ – Bistum (oder Eparchie) – versteht man eine Gemeinschaft von Christen, die mit ihrem in der apostolischen Sukzession stehenden Bischof im Glauben und in den Sakramenten vereint ist [Vgl. CD 11; CIC, cann. 368–369]. Diese Teilkirchen sind „nach dem Bild der Gesamtkirche gestaltet. In ihnen und aus ihnen besteht die eine und einzige katholische Kirche“ (LG 23) (Vgl. dazu auch 886).

834 Die Teilkirchen sind im Vollsinn katholisch durch die Gemeinschaft mit einer von ihnen: mit der Kirche von Rom, „die den Vorsitz in der Liebe führt“ (Ignatius v. Antiochien, Rom. 1,1). „Mit dieser Kirche nämlich muß wegen ihres besonderen Vorranges notwendig jede Kirche übereinstimmen, das heißt die Gläubigen von überall“ (Irenäus, hær. 3,3,2; übernommen vom 1. Vatikanischen K.: DS 3057). „Seitdem das inkarnierte Wort zu uns herabgekommen ist, hielten und halten alle christlichen Kirchen von überall die große Kirche, die hier [in Rom] ist, für ihre einzige Basis und Grundlage, weil gemäß den Verheißungen des Herrn die Mächte der Unterwelt sie nie überwältigt haben“ (Maximus der Bekenner, opusc.) (Vgl. dazu auch 882, 1369).

835 „Hüten wir uns davor, die Gesamtkirche aufzufassen als die Summe oder gleichsam einen mehr oder weniger lockeren Zusammenschluss von wesentlich verschiedenen Teilkirchen. Im Denken des Herrn ist es die nach Berufung und Sendung universale Kirche, die in verschiedenen Kulturräumen, sozialen und menschlichen Ordnungen Wurzeln schlägt und dabei in jedem Teil der Welt verschiedene Erscheinungsweisen und äußere Ausdrucksformen annimmt“ (EN 62). Die reiche Vielfalt von Kirchenordnungen, liturgischen Riten, theologischen und geistlichen Erbgütern, die den Ortskirchen zu eigen sind, „zeigt die Katholizität der ungeteilten Kirche in besonders hellem Licht“ (LG 23) (Vgl. dazu auch 1202).


Wer gehört der katholischen Kirche an?

836 „Zu dieser katholischen Einheit des Gottesvolkes ... sind alle Menschen berufen. Auf verschiedene Weise gehören ihr zu oder sind ihr zugeordnet die katholischen Gläubigen, die anderen an Christus Glaubenden und schließlich alle Menschen überhaupt, die durch die Gnade Gottes zum Heile berufen sind“ (LG 13) (Vgl. dazu auch 831).

837 „Jene werden der Gemeinschaft der Kirche voll eingegliedert, die, im Besitze des Geistes Christi, ihre ganze Ordnung und alle in ihr eingerichteten Mittel zum Heil annehmen und sich in ihrem sichtbaren Gefüge mit Christus, der sie durch den Papst und die Bischöfe leitet, verbinden, nämlich durch die Bande des Glaubensbekenntnisses, der Sakramente und der kirchlichen Leitung und Gemeinschaft. Nicht gerettet wird jedoch, auch wenn er der Kirche eingegliedert wird, wer, in der Liebe nicht verharrend, im Schoße der Kirche zwar ‚dem Leibe‘, aber nicht ‚dem Herzen‘ nach verbleibt“ (LG 14) (Vgl. dazu auch 771, 815, 882).

838 „Mit jenen, die als Getaufte mit dem christlichen Namen geziert sind, den vollständigen Glauben aber nicht bekennen oder die Einheit der Gemeinschaft unter dem Nachfolger des Petrus nicht wahren, weiß sich die Kirche aus mehreren Gründen verbunden“ (LG 15). „Wer an Christus glaubt und in der rechten Weise die Taufe empfangen hat, steht dadurch in einer gewissen, wenn auch nicht vollkommenen Gemeinschaft mit der katholischen Kirche“ (UR 3). Die Gemeinschaft mit den orthodoxen Kirchen ist so tief, „dass ihr nur wenig fehlt, um zu der Fülle zu gelangen, die zu einer gemeinsamen Feier der Eucharistie des Herrn berechtigt“ (Paul VI., Ansprache vom 14. Dezember 1975) [Vgl. UR 13–18] (Vgl. dazu auch 818, 1271, 1399).


Die Kirche und die Nichtchristen

839 „Diejenigen endlich, die das Evangelium noch nicht empfangen haben, sind auf das Volk Gottes auf verschiedene Weise hingeordnet“ (LG 16) (Vgl. dazu auch 856):

Das Verhältnis der Kirche zum jüdischen Volk. Indem die Kirche, das Gottesvolk im Neuen Bund, sich in ihr eigenes Mysterium vertieft, entdeckt sie ihren Zusammenhang mit dem jüdischen Volk [Vgl. NA 4], „zu dem Gott, unser Herr, zuerst gesprochen hat“ (MR, Karfreitag 13: große Fürbitte 6). Im Unterschied zu den anderen nichtchristlichen Religionen ist der jüdische Glaube schon Antwort auf die Offenbarung Gottes im Alten Bund. Das jüdische Volk besitzt „die Sohnschaft, die Herrlichkeit, die Bundesordnungen, ihm ist das Gesetz gegeben, der Gottesdienst und die Verheißungen, sie haben die Väter, und dem Fleisch nach entstammt ihnen der Christus“ (Röm 9,4–5), denn „unwiderruflich sind Gnade und Berufung, die Gott gewährt“ (Röm 11,29) (Vgl. dazu auch 63, 147).

840 Blickt man auf die Zukunft, so streben das Gottesvolk des Alten Bundes und das neue Volk Gottes ähnlichen Zielen zu: Die Ankunft (oder die Wiederkunft) des Messias. Auf der einen Seite wird die Wiederkunft des gestorbenen und auferstandenen Messias erwartet, der als Herr und Sohn Gottes anerkannt ist; auf der anderen Seite erwartet man für das Ende der Zeiten das Kommen des Messias, dessen Züge verborgen bleiben – eine Erwartung, die freilich durch das Drama der Unkenntnis oder des Verkennens Jesu Christi begleitet wird (Vgl. dazu auch 674, 597).

841 Die Beziehungen der Kirche zu den Muslimen. „Die Heilsabsicht umfaßt aber auch die, welche den Schöpfer anerkennen, unter ihnen besonders die Muslime, die sich zum Festhalten am Glauben Abrahams bekennen und mit uns den einzigen Gott anbeten, den barmherzigen, der die Menschen am Jüngsten Tag richten wird“ (LG 16) [Vgl. NA 3].

842 Die Verbindung der Kirche mit den nichichristlichen Religionen liegt zunächst im gemeinsamen Ursprung und Ziel des Menschengeschlechts (Vgl. dazu auch 360):

„Alle Völker sind nämlich eine Gemeinschaft und haben einen Ursprung, da Gott das ganze Menschengeschlecht auf dem gesamten Antlitz der Erde hat wohnen lassen; auch haben sie ein letztes Ziel, Gott, dessen Vorsehung, Zeugnis der Güte und Heilsratschlüsse sich auf alle erstrecken, bis die Erwählten in der Heiligen Stadt ... vereint sein werden“ (NA 1).

843 Die Kirche anerkennt bei den anderen Religionen, dass sie, wenn auch erst „in Schatten und Bildern“, nach Gott suchen. Er ist ihnen noch unbekannt, aber doch nahe, da er allen Leben, Atem und alles gibt und er will, dass alle Menschen gerettet werden. Somit betrachtet die Kirche alles, was sich in den Religionen an Wahrem und Gutem findet, „als Vorbereitung für die Frohbotschaft und als von dem gegeben ...‚ der jeden Menschen erleuchtet, damit er schließlich das Leben habe“ (LG 16) [Vgl. NA 2; EN 53] (Vgl. dazu auch 28, 856).

844 Das religiöse Verhalten der Menschen weist aber auch Grenzen und Irrtümer auf, die das Gottesbild entstellen (Vgl. dazu auch 29):

„Vom Bösen getäuscht, wurden ... die Menschen oft eitel in ihren Gedanken und verwandelten die Wahrheit Gottes in Lüge, indem sie der Schöpfung mehr dienten als dem Schöpfer, oder sie sind, ohne Gott in dieser Welt lebend und sterbend, der äußersten Verzweiflung ausgesetzt“ (LG 16).

845 Um alle seine Kinder, die die Sünde voneinander getrennt und in die Irre geführt hat, von neuem zu vereinen, wollte der Vater die ganze Menschheit in die Kirche seines Sohnes berufen. Die Kirche ist der Ort, an dem die Menschheit ihre Einheit und ihr Heil wiederfinden soll. Sie ist die „versöhnte Welt“ (Augustinus, serm. 96,7,9). Sie ist das Schiff, „das da sicher auf hoher See fährt, mit den Segeln am Mastbaum des Kreuzes, die sich blähen im Sturmwind des Heiligen Geistes“ (Ambrosius, virg. 18,118). Nach einem anderen bei den Kirchenvätern beliebten Bild wird sie durch die Arche Noachs dargestellt, die allein aus der Sintflut rettet [Vgl. schon 1 Petr 3,20–21] (Vgl. dazu auch 30, 953, 1219).


„Außerhalb der Kirche kein Heil“

846 Wie ist diese von den Kirchenvätern oft wiederholte Aussage zu verstehen? Positiv formuliert, besagt sie, dass alles Heil durch die Kirche, die sein Leib ist, von Christus dem Haupt herkommt:

„Gestützt auf die Heilige Schrift und die Überlieferung lehrt [das Konzil], dass diese pilgernde Kirche zum Heile notwendig sei. Der eine Christus nämlich ist Mittler und Weg zum Heil, der in seinem Leib, der die Kirche ist, uns gegenwärtig wird; indem er aber selbst mit ausdrücklichen Worten die Notwendigkeit des Glaubens und der Taufe betont hat, hat er zugleich die Notwendigkeit der Kirche, in die Menschen durch die Taufe wie durch eine Tür eintreten, bekräftigt. Darum können jene Menschen nicht gerettet werden, die sehr wohl wissen, dass die katholische Kirche von Gott durch Jesus Christus als eine notwendige gegründet wurde, jedoch nicht in sie eintreten oder in ihr ausharren wollen“ (LG 14) (Vgl. dazu auch 161, 1257).

847 Diese Feststellung bezieht sich nicht auf solche, die ohne ihre Schuld Christus und seine Kirche nicht kennen:

„Wer nämlich das Evangelium Christi und seine Kirche ohne Schuld nicht kennt, Gott jedoch aufrichtigen Herzens sucht und seinen durch den Anruf des Gewissens erkannten Willen unter dem Einfluß der Gnade in den Taten zu erfüllen versucht, kann das ewige Heil erlangen“ (LG 16) [Vgl. D5 3866–3872].

848 „Wenngleich Gott Menschen, die das Evangelium ohne ihre Schuld nicht kennen, auf Wegen, die er weiß, zum Glauben führen kann, ohne den es ‚unmöglich‘ ist, ihm ‚zu gefallen‘ (Hebr 11,6), so liegt doch auf der Kirche die Notwendigkeit und zugleich das heilige Recht der Verkündigung der Frohbotschaft“ (AG 7) an alle Menschen (Vgl. dazu auch 1260).


Die Mission – eine Forderung der Katholizität der Kirche

849 Der Missionsauftrag. „Zu den Völkern von Gott gesandt, soll die Kirche das allumfassende Sakrament des Heils sein. So müht sie sich gemäß dem innersten Anspruch ihrer eigenen Katholizität und im Gehorsam gegen den Auftrag ihres Stifters, das Evangelium allen Menschen zu verkünden“ (AG 1): „Geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe. Seid gewiss: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt“ (Mt 28, 19–20) (Vgl. dazu auch 738, 767).

850 Ursprung und Ziel der Mission. Der Missionsauftrag des Herrn hat seinen Ursprung in der ewigen Liebe der heiligsten Dreifaltigkeit: „Die pilgernde Kirche ist ihrem Wesen nach missionarisch [das heißt als Gesandte unterwegs], da sie selbst ihren Ursprung aus der Sendung des Sohnes und der Sendung des Heiligen Geistes herleitet gemäß dem Plan Gottes des Vaters“ (AG 2). Das letzte Ziel der Mission ist es, die Menschen an der Gemeinschaft teilhaben zu lassen, die zwischen dem Vater und dem Sohn im Geist der Liebe besteht [Vgl. RM 23] (Vgl. dazu auch 257, 730).

851 Der Beweggrund zur Mission ist die Liebe Gottes zu allen Menschen. Aus ihr hat die Kirche von jeher die Pflicht und die Kraft ihres Missionseifers geschöpft, denn „die Liebe Christi drängt uns ...“ (2 Kor 5,14) [Vgl. AA 6; RM 11]. Gott will ja, „dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen“ (1 Tim 2,4). Gott will, dass alle durch die Erkenntnis der Wahrheit das Heil erlangen. Das Heil findet sich in der Wahrheit. Wer dem Antrieb des Geistes der Wahrheit gehorcht, ist schon auf dem Weg zum Heil; die Kirche aber, der diese Wahrheit anvertraut worden ist, muß dem Verlangen des Menschen entgegenkommen und sie ihm bringen. Weil die Kirche an den allumfassenden Heilsratschluss glaubt, muß sie missionarisch sein (Vgl. dazu auch 221, 429, 74, 217, 2104, 890).

852 Die Wege der Mission. „Der Heilige Geist ist wahrlich die Hauptperson für die ganze kirchliche Sendung“ (RM 21). Er führt die Kirche auf die Missionswege. Sie „setzt die Sendung Christi selbst fort, der den Armen die frohe Botschaft zu bringen gesandt war, und entfaltet sie die Geschichte hindurch. Deshalb muß sie unter Führung des Geistes Christi denselben Weg gehen, den Christus gegangen ist, nämlich den Weg der Armut, des Gehorsams, des Dienens und des Selbstopfers bis zum Tode hin, aus dem er dann durch seine Auferstehung als Sieger hervorging“ (AG 5). „Das Blut der Christen ist ein Same“ (Tertullian, apol. 50) (Vgl. dazu auch 2044, 2473).

853 Auf ihrem Pilgerweg erfährt die Kirche aber auch, „wie groß der Abstand ist zwischen der von ihr verkündeten Botschaft und der menschlichen Schwäche derer, denen das Evangelium anvertraut ist“ (G5 43,6). Nur auf dem „Weg der Buße und Erneuerung“ (LG 8), „auf dem schmalen Weg des Kreuzes voranschreitend“ (AG 1) kann das Gottesvolk das Reich Christi ausbreiten [Vgl. RM 12–20]. „Wie aber Christus das Werk der Erlösung in Armut und Verfolgung vollbrachte, so ist [auch] die Kirche berufen, denselben Weg einzuschlagen, um den Menschen die Früchte des Heiles mitzuteilen“ (LG 8) (Vgl. dazu auch 1428, 2443).

854 In ihrer Sendung „geht die Kirche ... den Weg mit der ganzen Menschheit gemeinsam und erfährt das gleiche irdische Geschick wie die Welt und ist gewissermaßen der Sauerteig und gleichsam die Seele der in Christus zu erneuernden und in die Familie Gottes umzugestaltenden menschlichen Gesellschaft“ (GS 40,2). Die Mission erfordert somit Geduld. Sie beginnt mit der Verkündigung des Evangeliums an die Völker und Gruppen, die noch nicht an Christus glauben [Vgl. RM 42–47]; sie geht weiter in der Errichtung christlicher Gemeinden, die „Zeichen der Gegenwart Gottes in der Welt“ (AG 15) sein sollen, und in der Gründung von Ortskirchen [Vgl. RM 48–49]. Sie erfordert einen Vorgang der Inkulturation, durch den das Evangelium in den Kulturen der Völker eingepflanzt wird [Vgl. RM 52–54], und es bleibt ihr nicht erspart, auch Misserfolge zu erleben. „Was die Menschen, Gemeinschaften und Völker anlangt, so berührt und durchdringt sie diese nur schrittweise, und nimmt sie so in die katholische Fülle auf“ (AG 6) (Vgl. dazu auch 2105, 2104).

855 Die Mission der Kirche erfordert das Bemühen um die Einheit der Christen [Vgl. RM 50]. „Gerade die Spaltungen der Christen sind für die Kirche ein Hindernis, dass sie die ihr eigene Fülle der Katholizität in jenen Söhnen wirksam werden läßt, die ihr zwar durch die Taufe zugehören, aber von ihrer völligen Gemeinschaft getrennt sind. Ja, es wird dadurch auch für die Kirche selber schwieriger, die Fülle der Katholizität unter jedem Aspekt in der Wirklichkeit des Lebens auszuprägen“ (UR 4) (Vgl. dazu auch 821).

856 Die Missionsaufgabe erfordert einen respektvollen Dialog mit denen, die das Evangelium noch nicht annehmen [Vgl. RM 55]. Die Gläubigen können aus diesem Dialog für sich selbst Gewinn ziehen, indem sie all das besser kennenlernen, „was immer an Wahrheit und Gnade schon hei den Heiden sich durch eine Art von verborgener Gegenwart Gottes findet“ (AG 9). Wenn die Gläubigen jenen die frohe Botschaft verkünden, die sie noch nicht kennen, tun sie es, um das Wahre und Gute, das Gott unter den Menschen und Völkern verbreitet hat, zu kräftigen, zu ergänzen und zu erhöhen und um diese Menschen von Irrtum und Bosheit zu reinigen „zur Herrlichkeit Gottes, zur Beschämung des Satans und zur Seligkeit des Menschen“ (AG 9) (Vgl. dazu auch 839, 843).

IV Die Kirche ist apostolisch

857 Die Kirche ist apostolisch, weil sie auf die Apostel gegründet ist und zwar in einem dreifachen Sinn (Vgl. dazu auch 75):

– sie ist und bleibt „auf das Fundament der Apostel“ gebaut (Eph 2, 20) [Vgl. Offb 21,14], auf die von Christus selbst erwählten und ausgesandten Zeugen [Vgl. z.B. Mt 28,16–20; Apg 1,8; 1 Kor 9.1; 15,7–8; Gal 1,1];

– sie bewahrt mit dem Beistand des in ihr wohnenden Geistes die Lehre [Vgl. Apg 2,42], das Glaubensvermächtnis sowie die gesunden Grundsätze der Apostel und gibt sie weiter [Vgl. 2Tim 1,13–14,] (Vgl. dazu auch 171);

– sie wird bis zur Wiederkunft Christi weiterhin von den Aposteln belehrt, geheiligt und geleitet – und zwar durch jene, die ihnen in ihrem Hirtenamt nachfolgen: das Bischofskollegium, „dem die Priester zur Seite stehen, in Einheit mit dem Nachfolger des Petrus, dem obersten Hirten der Kirche“ (AG 5) (Vgl. dazu auch 880).

„Du bist der ewige Hirt, der seine Herde nicht verläßt; du hütest sie allezeit durch deine heiligen Apostel. Du hast sie der Kirche als Hirten gegeben, damit sie ihr vorstehen als Stellvertreter deines Sohnes“ (MR, Präfation von den Aposteln) (Vgl. dazu auch 1575).


Die Sendung der Apostel

858 Jesus ist der vom Vater Gesandte. Gleich zu Beginn seines Wirkens „rief er die zu sich, die er erwählt hatte ...‚ und er setzte zwölf ein, die er bei sich haben und die er dann aussenden wollte, damit sie predigten“ (Mk 3,13–14). Folglich sind sie seine „Gesandten“ [griechisch „apostoloi“]. In ihnen setzt er seine eigene Sendung fort: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch“ (Joh 20,21) [Vgl. Joh 13,20; 17,18] Der Dienst der Apostel führt die Sendung Christi weiter: „Wer euch aufnimmt, der nimmt mich auf“, sagt er zu den Zwölfen (Mt 10, 40) [Vgl. Lk 10,16] (Vgl. dazu auch 551, 425, 1086).

859 Jesus bezieht die Apostel in die vom Vater erhaltene Sendung ein. Wie der Sohn „nichts von sich aus tun“ kann (Joh 5,19.30), sondern alles vom Vater erhält, der ihn gesandt hat, so können die von Jesus Gesandten nichts tun ohne ihn [Vgl. Joh 15,5], von dem sie den Missionsauftrag erhalten und die Kraft, ihn zu erfüllen. Die Apostel Christi wissen somit, dass sie von Gott bevollmächtigt sind als „Diener des neuen Bundes“ (2 Kor 3,6), „Gottes Diener“ (2 Kor 6,4), „Gesandte an Christi Statt“ (2 Kor 5,20), „Diener Christi ... und Verwalter von Geheimnissen Gottes“ (1 Kor 4,1) (Vgl. dazu auch 876).

860 Im Auftrag der Apostel liegt eine unübertragbare Aufgabe: erwählte Zeugen der Auferstehung des Herrn und Fundamente der Kirche zu sein. Gleichzeitig liegt darin aber auch eine übertragbare Aufgabe. Christus hat ihnen versprochen, bis zum Ende der Zeiten bei ihnen zu bleiben [Vgl. Mt 28,20]. Deshalb wird „jene göttliche Sendung, die von Christus den Aposteln anvertraut worden ist, ... bis zum Ende der Welt dauern, da das Evangelium, das von ihnen zu überliefern ist, für alle Zeit für die Kirche Grundlage ihres ganzen Lebens ist. Deshalb haben die Apostel ... für die Einsetzung von Nachfolgern Sorge getragen“ (LG 20) (Vgl. dazu auch 642, 765, 1536).


Die Bischöfe sind Nachfolger der Apostel

861 Die Apostel „übertrugen, damit die ihnen anvertraute Sendung nach ihrem Tod fortgesetzt werde, ihren unmittelbaren Mitarbeitern gleichsam nach Art eines Testamentes die Aufgabe, das von ihnen begonnene Werk zu vollenden und zu festigen, wobei sie ihnen ans Herz legten, auf die gesamte Herde achtzuhaben, in die sie der Heilige Geist hineinstellte, die Kirche Gottes zu weiden. Daher setzten sie derartige Männer ein und gaben dann die Anordnung, dass nach ihrem Hingang andere bewährte Männer ihren Dienst aufnähmen“ (LG 20) [Vgl. Klemens v. Rom, Kor. 42; 44] (Vgl. dazu auch 77, 1087).

862 „Wie aber das Amt fortdauert, das vom Herrn in einzigartiger Weise Petrus, dem ersten der Apostel, gewährt wurde und seinen Nachfolgern übertragen werden sollte, so dauert auch das Amt der Apostel, die Kirche zu weiden, fort, das von der geheiligten Ordnung der Bischöfe immerwährend ausgeübt werden muß.“ Darum lehrt die Kirche, „dass die Bischöfe aufgrund göttlicher Einsetzung an die Stelle der Apostel nachgerückt sind, gleichsam als Hirten der Kirche; wer sie hört, hört Christus, und wer sie verachtet, verachtet Christus und den, der Christus gesandt hat“ (LG 20) (Vgl. dazu auch 880, 1556).


Das Apostolat

863 Die ganze Kirche ist apostolisch in dem Sinn, dass sie durch die Nachfolger des hl. Petrus und der Apostel in Lebens– und Glaubensgemeinschaft mit ihrem Ursprung bleibt. Die ganze Kirche ist apostolisch auch in dem Sinn, dass sie in die ganze Welt „gesandt“ ist. Alle Glieder der Kirche haben, wenn auch auf verschiedene Weisen, an dieser Sendung teil. „Die christliche Berufung ist ihrer Natur nach auch Berufung zum Apostolat.“ Als „Apostolat“ bezeichnet man „jede Tätigkeit des mystischen Leibes“, die darauf gerichtet ist, „die gesamte Welt ... auf Christus hinzuordnen“ (AA 2) (Vgl. dazu auch 900, 2472).

864 „Da Christus, vom Vater gesandt, Quell und Ursprung des gesamten Apostolates der Kirche ist, kann es nicht anders sein, als dass die Fruchtbarkeit des Apostolates“ – der geweihten Amtsträger wie der Laien – „von ihrer lebendigen Vereinigung mit Christus abhängt“ (AA 4) [Vgl. Joh 15,5]. Je nach den Berufungen, den Erfordernissen der Zeit und den vielfältigen Gaben des Heiligen Geistes nimmt das Apostolat die verschiedensten Formen an. Stets aber ist die Liebe, die vor allem aus der Eucharistie geschöpft wird, „sozusagen die Seele des gesamten Apostolates“ (AA 3) (Vgl. dazu auch 828, 824, 1324).

865 Die Kirche ist die eine, heilige, katholische und apostolische in ihrer tiefen, letzten Identität, denn in ihr existiert schon „das Himmelreich“, „das Reich Gottes“ [Vgl. Offb 19,6]; in ihr wird es am Ende der Zeiten vollendet sein. In der Person Christi ist es gekommen und im Herzen derer, die ihm eingegliedert sind, wächst es geheimnisvoll bis zu seiner endzeitlichen Vollendung. Dann werden alle Menschen, die von ihm erlöst und in ihm heilig und untadelig vor Gott [Vgl. Eph 1,4] geworden sind, versammelt werden als das einzige Volk Gottes, als „die Frau des Lammes“ (Offb 21,9), „die Heilige Stadt Jerusalem, [die] von Gott her aus dem Himmel herabkommt, erfüllt von der Herrlichkeit Gottes“ (Offb 21,10–11). „Die Mauer der Stadt hat zwölf Grundsteine; auf ihnen stehen die zwölf Namen der zwölf Apostel des Lammes“ (Offb 21,14).

KURZTEXTE

866 Die Kirche ist eine: Sie hat nur einen Herrn, bekennt nur einen Glauben, geht aus einer einzigen Taufe hervor, bildet nur einen Leib, wird von einem einzigen Geist beseelt auf eine einzige Hoffnung hin [Vgl. Eph 4,3–5]; ist diese einmal erfüllt, dann werden alle Trennungen überwunden sein.

867 Die Kirche ist heilig: Der heilige Gott ist ihr Urheber; Christus, ihr Bräutigam, hat sich für sie hingegeben, um sie zu heiligen; der Geist der Heiligkeit belebt sie. Zwar gehören ihr auch Sünder an, doch ist sie „die Sündenlose, die aus Sündern besteht“. In den Heiligen erstrahlt ihre Heiligkeit; in Maria ist sie schon vollkommen heilig.

868 Die Kirche ist katholisch: Sie verkündet den ganzen Glauben; sie hat und spendet die Fülle der Heilsmittel: sie ist zu allen Völkern gesandt; sie wendet sich an alle Menschen; sie umfaßt alle Zeiten; sie ist „ihrem Wesen nach missionarisch“ (AG 2).

869 Die Kirche ist apostolisch: Sie ist auf feste Grundlagen gebaut: auf die „zwölf Apostel des Lammes“ (Offb 21,14); sie ist unzerstörbar [Vgl. Mt 16,18] sie ist unfehlbar in der Wahrheit gehalten; Christus leitet sie durch Petrus und die anderen Apostel, die in ihren Nachfolgern, dem Papst und dem Bischofskollegium, bei ihr sind.

870 „Die einzige Kirche Christi, die wir im Glaubensbekenntnis als die eine, heilige, katholische und apostolische bekennen, ... ist verwirklicht in der katholischen Kirche, die vom Nachfolger des Petrus und von den Bischöfen in Gemeinschaft mit ihm geleitet wird, auch wenn sich außerhalb ihres Gefüges vielfältige Elemente der Heiligung und der Wahrheit finden“ (LG 8).

ABSATZ 4: DIE CHRISTGLÄUBIGEN – HIERARCHIE, LAIEN, ORDENSLEUTE

871 „Gläubige sind jene, die durch die Taufe Christus eingegliedert, zum Volke Gottes gemacht und dadurch auf ihre Weise des priesterlichen, prophetischen und königlichen Amtes Christi teilhaft geworden sind; sie sind gemäß ihrer je eigenen Stellung zur Ausübung der Sendung berufen, die Gott der Kirche zur Erfüllung in der Welt anvertraut hat“ (CIC, can. 204, § 1) [Vgl. LG 31] (Vgl. dazu auch 1268 – 1269, 782 – 786).

872 „Unter allen Gläubigen besteht, und zwar aufgrund ihrer Wiedergeburt in Christus, eine wahre Gleichheit in ihrer Würde und Tätigkeit, kraft der alle je nach ihrer eigenen Stellung und Aufgabe am Aufbau des Leibes Christi mitwirken“ (CIC, can. 208) [Vgl. LG 32] (Vgl. dazu auch 1934, 794).

873 Selbst die Unterschiede, die nach dem Willen des Herrn zwischen den Gliedern seines Leibes bestehen, dienen dessen Einheit und Sendung. Denn „es besteht in der Kirche eine Verschiedenheit des Dienstes, aber eine Einheit der Sendung. Den Aposteln und ihren Nachfolgern wurde von Christus das Amt übertragen, in seinem Namen und in seiner Vollmacht zu lehren, zu heiligen und zu leiten. Die Laien hingegen, die auch am priesterlichen, prophetischen und königlichen Amt Christi teilhaben, verwirklichen in Kirche und Welt ihren eigenen Anteil an der Sendung des ganzen Volkes Gottes“ (AA 2). „In beiden Gruppen [Kleriker und Laien] gibt es Gläubige, die sich durch das ... Bekenntnis zu den evangelischen Räten ... Gott weihen und der Heilssendung der Kirche dienen“ (CIC, can. 207, § 2) (Vgl. dazu auch 814, 1937).

I Die hierarchische Verfassung der Kirche

Weshalb das kirchliche Amt?

874 Christus selbst ist der Urheber des Amtes in der Kirche. Er hat es eingesetzt, ihm Vollmacht und Sendung, Ausrichtung und Zielsetzung gegeben (Vgl. dazu auch 1544).

„Christus, der Herr, hat, um das Volk Gottes zu weiden und ständig zu mehren, in seiner Kirche verschiedene Dienste eingesetzt, die auf das Wohl des ganzen Leibes ausgerichtet sind. Denn die Diener, die über heilige Vollmacht verfügen, dienen ihren Brüdern, damit alle, die zum Volk Gottes gehören ...‚ zum Heil gelangen“ (LG 18).

875 „Wie sollen sie an den glauben, von dem sie nichts gehört haben? Wie sollen sie hören, wenn niemand verkündigt? Wie soll aber jemand verkündigen, wenn er nicht gesandt ist?“ (Röm 10,14–15). Niemand, keine Einzelperson und keine Gemeinschaft, kann sich selbst das Evangelium verkündigen. „Also kommt der Glaube aus dem Hören“ (Röm 10,17). Niemand kann sich selbst den Auftrag und die Sendung geben, das Evangelium zu verkündigen. Der vom Herrn Gesandte spricht und handelt nicht in eigener Autorität, sondern kraft der Autorität Christi; er spricht zu der Gemeinde nicht als eines ihrer Glieder, sondern im Namen Christi. Niemand kann sich selbst die Gnade verleihen; sie muß geschenkt und angeboten werden. Das setzt Diener der Gnade voraus, die von Christus bevollmächtigt sind. Von ihm empfangen die Bischöfe und Priester die Sendung und die Vollmacht [heilige Gewalt], „in der Person Christi des Hauptes“ [in persona Christi Capitis] zu handeln, die Diakone die Kraft, in Gemeinschaft mit dem Bischof und seinem Presbyterium dem Volk Gottes in der „Diakonie“ der Liturgie, des Wortes und der Liebe zu dienen. Dieses Amt, worin die von Christus Gesandten aus Gottes Gnade das tun und geben, was sie nicht von sich aus tun und geben können, nennt die Überlieferung der Kirche „Sakrament“. Das Dienstamt in der Kirche wird durch ein eigenes Sakrament übertragen (Vgl. dazu auch 166, 1548, 1536).

876 Mit der sakramentalen Natur des kirchlichen Amtes hängt innerlich sein Dienstcharakter zusammen. Weil die Amtsträger ganz von Christus abhängig sind, der Sendung und Vollmacht gibt, sind sie wahrhaft „Knecht Christi“ (Röm 1,1) nach dem Vorbild Christi, der für uns freiwillig „Knechtsgestalt“ angenommen hat (Phil 2,7). Weil das Wort und die Gnade, deren Diener sie sind, nicht von ihnen, sondern von Christus stammen, der sie ihnen für die anderen anvertraut hat, sollen sie sich freiwillig zu Sklaven aller machen [Vgl. 1 Kor 9,19] (Vgl. dazu auch 1551, 427).

877 Desgleichen gehört zur sakramentalen Natur des kirchlichen Dienstamtes sein kollegialer Charakter. Schon zu Beginn seines Wirkens setzte der Herr Jesus die Zwölf ein als „die Keime des neuen Israel und zugleich den Ursprung der heiligen Hierarchie“ (AG 5). Miteinander erwählt, werden sie auch miteinander ausgesandt; ihre brüderliche Einheit steht im Dienst der brüderlichen Gemeinschaft aller Gläubigen; sie soll gleichsam ein Widerschein und ein Zeugnis der Gemeinschaft der göttlichen Personen sein [Vgl. Joh 17,21–23]. Deshalb übt jeder Bischof seinen Dienst im Bischofskollegium aus in Gemeinschaft mit dem Bischof von Rom, dem Nachfolger des hl. Petrus und Haupt des Kollegiums; in entsprechender Weise üben die Priester ihren Dienst im Presbyterium der Diözese aus, unter der Leitung ihres Bischofs (Vgl. dazu auch 1559).

878 Zur sakramentalen Natur des kirchlichen Dienstamtes gehört auch sein persönlicher Charakter. Obwohl die Diener Christi gemeinschaftlich handeln, handeln sie stets auch persönlich. Jeder wird persönlich berufen: „Du aber folge mir nach !“ (Joh 21,22) [Vgl. Mt 4, 19. 21; Joh 1,43], um in der gemeinsamen Sendung persönlicher Zeuge zu sein, der dem, der ihm die Sendung gibt, persönlich verantwortlich ist. Er ist „in dessen Person“ und für Personen tätig: „Ich taufe dich im Namen des Vaters ...“; „ich spreche dich los ...“ (Vgl. dazu auch 1484).

879 Der sakramentale Dienst in der Kirche ist somit ein zugleich kollegialer und persönlicher Dienst, der im Namen Christi ausgeübt wird. Das bestätigt sich in den Beziehungen zwischen dem Bischofskollegium und seinem Haupt, dem Nachfolger des hl. Petrus, und in der Beziehung zwischen der pastoralen Verantwortung des Bischofs für seine Teilkirche und der gemeinsamen Sorge des Bischofskollegiums für die Gesamtkirche.


Das Bischofskollegium und sein Haupt, der Papst

880 Als Christus die Zwölf bestellte, „setzte er [sie] nach Art eines Kollegiums oder eines beständigen Zusammenschlusses ein, an dessen Spitze er den aus ihrer Mitte erwählten Petrus stellte“ (LG 19). „Wie nach der Bestimmung des Herrn der heilige Petrus und die übrigen Apostel ein einziges apostolisches Kollegium bilden, so sind in gleicher Weise der Römische Bischof, der Nachfolger des Petrus, und die Bischöfe, die Nachfolger der Apostel, untereinander verbunden“ (LG 22) [Vgl. CIC, can. 330] (Vgl. dazu auch 552, 862).

881 Der Herr hat einzig Simon, dem er den Namen Petrus gab, zum Felsen seiner Kirche gemacht. Er hat Petrus die Schlüssel der Kirche übergeben [Vgl. Mt 16,18–19] und ihn zum Hirten der ganzen Herde bestellt [Vgl. Joh 21,15–17]. „Es steht aber fest, dass jenes Amt des Bindens und Lösens, das Petrus gegeben wurde, auch dem mit seinem Haupt verbundenen Apostelkollegium zugeteilt worden ist“ (LG 22). Dieses Hirtenamt des Petrus und der anderen Apostel gehört zu den Grundlagen der Kirche. Es wird unter dem Primat des Papstes von den Bischöfen weitergeführt (Vgl. dazu auch 553, 642).

882 Der Papst, der Bischof von Rom und Nachfolger des hl. Petrus, ist „das immerwährende und sichtbare Prinzip und Fundament für die Einheit der Vielheit sowohl von Bischöfen als auch von Gläubigen“ (LG 23). „Der Römische Bischof hat kraft seines Amtes, nämlich des Stellvertreters Christi und des Hirten der ganzen Kirche, die volle, höchste und allgemeine Vollmacht über die Kirche, die er immer frei ausüben kann“ (LG 22) [Vgl. CD 2;9] (Vgl. dazu auch 834, 1369, 837).

883 „Das Kollegium oder die Körperschaft der Bischöfe hat aber nur Autorität, wenn es zusammen mit dem Römischen Bischof ... als seinem Haupt verstanden wird.“ Unter dieser Bedingung ist dieses Kollegium „gleichfalls ... Träger der höchsten und ganzen Vollmacht gegenüber der ganzen Kirche ... Diese Gewalt kann freilich nur unter Zustimmung des Römischen Bischofs ausgeübt werden“ (LG 22) [Vgl. ClC., can. 336].

884 „Die Gewalt im Hinblick auf die Gesamtkirche übt das Bischofskollegium in feierlicher Weise auf dem Ökumenischen Konzil aus“ (CIC, can. 337, § 1). „Ein Ökumenisches Konzil gibt es niemals, wenn es vom Nachfolger des Petrus nicht als solches bestätigt oder wenigstens angenommen worden ist“ (LG 22).

885 „Insofern dieses Kollegium aus vielen zusammengesetzt ist, bringt es die Vielfalt und Universalität des Volkes Gottes, insofern es aber unter einem Haupt gesammelt ist, die Einheit der Herde Christi zum Ausdruck“ (LG 22).

886 „Die einzelnen Bischöfe aber sind sichtbares Prinzip und Fundament der Einheit in ihren Teilkirchen“ (LG 23). Als solche „üben [sie] ihr Hirtenamt über den ihnen anvertrauten Anteil des Volkes Gottes ... aus“ (LG 23), wobei sie von den Priestern und den Diakonen unterstützt werden. Als Mitglieder des Bischofskollegiums aber nimmt jeder von ihnen an der Sorge für alle Kirchen teil [Vgl. CD 3]. Die Bischöfe üben diese zunächst dadurch aus, dass sie „ihre eigene Kirche als Teil der Gesamtkirche gut leiten“. Dadurch tragen sie „wirksam bei zum Wohl des ganzen mystischen Leibes, der auch der Leib der Kirchen ist“ (LG 23). Diese Sorge soll sich insbesondere auf die Armen [Vgl. Gal 2,10], auf die um des Glaubens willen Verfolgten sowie auf die Glaubensboten erstrecken, die auf der ganzen Erde tätig sind (Vgl. dazu auch 1560, 833, 2448).

887 Die benachbarten und kulturell einheitlichen Teilkirchen bilden Kirchenprovinzen oder größere Einheiten, welche Patriarchate oder Regionen genannt werden [Vgl. Kanon der Apostel 34]. Die Bischöfe dieser Einheiten können sich in Synoden oder Provinzialkonzilien versammeln. „In ähnlicher Weise können die Bischofskonferenzen heute vielfältige und fruchtbare Hilfe leisten, damit die kollegiale Gesinnung zur konkreten Anwendung geführt wird“ (LG 23).


Das Lehramt (Vgl. dazu auch 85–87, 2032–2040)

888 Mit den Priestern, ihren Mitarbeitern, haben die Bischöfe als „erste Aufgabe, ... allen die frohe Botschaft Gottes zu verkünden“ (PO 4), wie der Herr befohlen hat [Vgl. Mk 16,15]. Sie sind „Herolde des Glaubens, die neue Jünger zu Christus führen und authentische, das heißt mit der Autorität Christi versehene Lehrer“ (LG 25) (Vgl. dazu auch 2068).

889 Um die Kirche in der Reinheit des von den Aposteln überlieferten Glaubens zu erhalten, wollte Christus, der ja die Wahrheit ist, seine Kirche an seiner eigenen Unfehlbarkeit teilhaben lassen. Durch den „übernatürlichen Glaubenssinn“ hält das Gottesvolk unter der Leitung des lebendigen Lehramtes der Kirche den Glauben unverlierbar fest [Vgl. LG 12; DV 10] (Vgl. dazu auch 92).

890 Die Sendung des Lehramtes ist mit dem endgültigen Charakter des Bundes verknüpft, den Gott in Christus mit seinem Volk geschlossen hat. Das Lehramt muß das Volk vor Verirrungen und Glaubensschwäche schützen und ihm die objektive Möglichkeit gewährleisten, den ursprünglichen Glauben irrtumsfrei zu bekennen. Der pastorale Auftrag des Lehramtes ist es, zu wachen, dass das Gottesvolk in der befreienden Wahrheit bleibt. Zur Erfüllung dieses Dienstes hat Christus den Hirten das Charisma der Unfehlbarkeit in Fragen des Glaubens und der Sitten verliehen. Dieses Charisma kann auf verschiedene Weisen ausgeübt werden (Vgl. dazu auch 851, 1785):

891 „Dieser Unfehlbarkeit ... erfreut sich der Römische Bischof, das Haupt des Kollegiums der Bischöfe, kraft seines Amtes, wenn er als oberster Hirt und Lehrer aller Christgläubigen, der seine Brüder im Glauben stärkt, eine Lehre über den Glauben oder die Sitten in einem endgültigen Akt verkündet ... Die der Kirche verheißene Unfehlbarkeit wohnt auch der Körperschaft der Bischöfe inne, wenn sie das oberste Lehramt zusammen mit dem Nachfolger des Petrus ausübt“, vor allem auf einem Ökumenischen Konzil (LG 25) [Vgl. 1. Vatikanisches K.: DS 3074]. Wenn die Kirche durch ihr oberstes Lehramt etwas „als von Gott geoffenbart“ und als Lehre Christi „zu glauben vorlegt“ (DV 10), müssen die Gläubigen „solchen Definitionen mit Glaubensgehorsam anhangen“ (LG 25). Diese Unfehlbarkeit reicht so weit wie die Hinterlassenschaft der göttlichen Offenbarung [Vgl. LG 25].

892 Der göttliche Beistand wird den Nachfolgern der Apostel, die in Gemeinschaft mit dem Nachfolger des Petrus lehren, und insbesondere dem Bischof von Rom, dem Hirten der ganzen Kirche, auch dann geschenkt, wenn sie zwar keine unfehlbare Definition vornehmen und sich nicht endgültig äußern, aber bei der Ausübung des ordentlichen Lehramtes eine Lehre vorlegen, die zu einem besseren Verständnis der Offenbarung in Fragen des Glaubens und der Sitten führt. Diesen authentischen Lehren müssen die Gläubigen „religiösen Gehorsam des Willens und des Verstandes ... leisten“ (LG 25), der sich zwar von der Glaubenszustimmung unterscheidet, sie aber unterstützt.


Das Heiligungsamt

893 Der Bischof ist auch „ ‚Verwalter der Gnade des höchsten Priestertums‘, besonders in der Eucharistie, die er selbst darbringt“ oder durch die Priester, seine Mitarbeiter, „darbringen läßt“ (LG 26). Die Eucharistie ist ja das Lebenszentrum der Teilkirche. Der Bischof und die Priester heiligen die Kirche durch ihr Gebet und ihre Arbeit, durch den Dienst am Wort und an den Sakramenten. Sie heiligen sie durch ihr Beispiel, nicht als „Beherrscher“ der „Gemeinden“, sondern als „Vorbilder für die Herde“ (1 Petr 5,3). So werden sie „zusammen mit der ihnen anvertrauten Herde zum ewigen Leben ... gelangen“ (LG 26) (Vgl. dazu auch 1561).


Das Leitungsamt

894 „Die Bischöfe leiten Teilkirchen, die ihnen anvertraut worden sind, als Stellvertreter und Gesandte Christi durch Rat, Zuspruch und Beispiel, aber auch mit Autorität und heiliger Vollmacht“ (LG 27). Diese Autorität müssen sie jedoch zum Aufbau der Gemeinde im Geist des Dienens ausüben, der der Geist ihres Meisters ist [Vgl. Lk 22, 26–27] (Vgl. dazu auch 801).

895 „Diese Vollmacht, die sie im Namen Christi persönlich ausüben, ist die eigene, ordentliche und unmittelbare, auch wenn ihr Vollzug letztlich von der höchsten Autorität der Kirche geregelt wird“ (LG 27). Man darf jedoch die Bischöfe nicht als Vikare des Papstes ansehen, dessen ordentliche, unmittelbare Autorität über die ganze Kirche deren eigene Autorität nicht zunichte macht, sondern im Gegenteil bestärkt und schützt. Allerdings ist ihre Autorität in Gemeinschaft mit der ganzen Kirche unter der Leitung des Papstes auszuüben (Vgl. dazu auch 1558).

896 Bei der Ausübung des Hirtenamtes soll dem Bischof der gute Hirt als Vorbild und „Gestalt“ dienen. Seiner Schwächen bewusst, kann er „mit denen leiden, die unwissend sind und irren. Er soll sich nicht weigern, seine Untergebenen zu hören, die er wie seine wahren Kinder hegt ... Die Gläubigen aber müssen dem Bischof anhangen wie die Kirche Jesus Christus und wie Jesus Christus dem Vater“ (LG 27) (Vgl. dazu auch 1550).

„Folgt alle dem Bischof wie Jesus Christus dem Vater, und dem Presbyterium wie den Aposteln; die Diakone aber achtet wie Gottes Gebot! Keiner soll ohne Bischof etwas tun, was die Kirche betrifft“ (Ignatius v. Antiochien, Smyrn. 8,1).

II Die gläubigen Laien

897 „Unter der Bezeichnung Laien werden hier alle Christgläubigen verstanden außer den Gliedern des Weihestandes und des in der Kirche anerkannten Ordensstandes, die Christgläubigen also, die, als durch die Taufe Christus einverleibte, zum Volk Gottes gemacht und des priesterlichen, prophetischen und königlichen Amtes Christi auf ihre Weise teilhaftig geworden, entsprechend ihrem Anteil die Sendung des ganzen christlichen Volkes in der Kirche und in der Welt ausüben“ (LG 31) (Vgl. dazu auch 873).


Die Berufung der Laien

898 „Aufgabe der Laien ist es, kraft der ihnen eigenen Berufung das Reich Gottes zu suchen, indem sie die zeitlichen Dinge besorgen und Gott gemäß ordnen. ... Ihre Aufgabe ist es also in besonderer Weise, alle zeitlichen Dinge, mit denen sie eng verbunden sind, so zu erleuchten und zu ordnen, dass sie immer Christus gemäß geschehen, gedeihen und zum Lob des Schöpfers und Erlösers gereichen“ (LG 31) (Vgl. dazu auch 2105).

899 Die Initiative der christlichen Laien ist besonders notwendig, wenn es darum geht, Mittel und Wege zu finden, um die gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten mit den Forderungen des christlichen Glaubens und Lebens zu durchdringen. Dieser Einsatz gehört selbstverständlich zum Leben der Kirche (Vgl. dazu auch 2442):

„Die Gläubigen, und genauer noch die Laien, stehen an der äußersten Front des Lebens der Kirche; die Kirche ist durch sie das Lebensprinzip der menschlichen Gesellschaft. Darum müssen sie und gerade sie ein immer tieferes Bewusstsein gewinnen, dass sie nicht nur zur Kirche gehören, sondern die Kirche sind, das heißt, die Gemeinschaft der Gläubigen auf Erden unter der Führung des Papstes als des gemeinsamen Hauptes und der mit ihm geeinten Bischöfe. Sie sind die Kirche“ (Pius XII., Ansprache vom 20. Februar 1946, zitiert in CL 9).

900 Die Laien haben, wie alle Gläubigen, kraft der Taufe und der Firmung von Gott den Auftrag zum Apostolat erhalten; daher haben sie das Recht und die Pflicht, einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen daran zu arbeiten, dass alle Menschen auf der ganzen Erde die göttliche Heilsbotschaft kennenlernen und aufnehmen. Diese Pflicht ist noch dringender, wenn die Menschen nur durch sie das Evangelium vernehmen und Christus kennenlernen können. In den kirchlichen Gemeinschaften ist ihre Tätigkeit so notwendig, dass das Apostolat der Seelsorger ohne sie meistens nicht zur vollen Wirkung gelangen kann (Vgl. dazu auch 863).


Die Teilhabe der Laien am Priesteramt Christi

901 Die Laien sind „als Christus Geweihte und mit dem Heiligen Geist Gesalbte in wunderbarer Weise dazu berufen und ausgerüstet, dass immer reichere Früchte des Geistes in ihnen hervorgebracht werden. Denn all ihre Tätigkeiten, Gebete und apostolischen Unternehmungen, das Ehe– und Familienleben, die tägliche Arbeit, die Erholung von Geist und Leib, wenn sie im Geist vollzogen werden, ja sogar die Beschwernisse des Lebens, wenn sie geduldig ertragen werden, werden geistige Opfer, Gott wohlgefällig durch Jesus Christus, die bei der Feier der Eucharistie zusammen mit der Darbringung des Herrenleibes dem Vater in höchster Ehrfurcht dargebracht werden. So weihen auch die Laien, indem sie überall heilig handeln, die Welt selbst Gott“ (LG 34) [1 Vgl. LG 10] (Vgl. dazu auch 784, 1268, 358).

902 Am Heiligungsdienst haben auf besondere Weise „die Eltern Anteil, indem sie ihr Eheleben in christlichem Geiste führen und für die christliche Erziehung ihrer Kinder sorgen“ (CIC, can. 835, § 4).

903 Falls sie die erforderlichen Eigenschaften aufweisen, können Laien auf Dauer zum Dienst als Lektor und Akolyth zugelassen werden [Vgl. CIC, can. 230 § 1]. „Wo es ein Bedarf der Kirche nahelegt, weil für diese Dienste Beauftragte nicht zur Verfügung stehen, können auch Laien, selbst wenn sie nicht Lektoren oder Akolythen sind, nach Maßgabe der Rechtsvorschriften bestimmte Aufgaben derselben erfüllen, nämlich den Dienst am Wort, die Leitung liturgischer Gebete, die Spendung der Taufe und die Austeilung der heiligen Kommunion“ (CIC, can. 230, § 3) (Vgl. dazu auch 1143).


Ihre Teilhabe am Prophetenamt Christi

904 „Christus, der große Prophet, ... erfüllt ... sein prophetisches Amt nicht nur durch die Hierarchie ...‚ sondern auch durch die Laien, die er daher sowohl als Zeugen einsetzt als auch mit einem Sinn für den Glauben und mit der Gnade des Wortes ausrüstet“ (LG 35) (Vgl. dazu auch 785, 92).

„Die Unterweisung, die zum Glauben bekehrt, ... kann auch jedem Prediger, ja sogar jedem Gläubigen zukommen“ (Thomas v, A., s. th. 3,71,4, ad 3).

905 Die Laien erfüllen ihre prophetische Sendung auch durch die Evangelisation, „dass nämlich die Botschaft Christi durch das Zeugnis ihres Lebens und das Wort öffentlich bekanntgemacht wird“. Bei den Laien erhält diese Evangelisation „eine eigentümliche Prägung und besondere Wirksamkeit von daher, dass sie in den gewöhnlichen Verhältnissen der Welt erfüllt wird“ (LG 35) (Vgl. dazu auch 2044).

Dieses Apostolat besteht „nicht nur im Zeugnis des Lebens. Ein wahrer Apostel sucht nach Gelegenheiten, Christus auch mit seinem Wort zu verkünden, sei es den Nichtgläubigen, ... sei es den Gläubigen“ (AA 6) [Vgl. AG 15] (Vgl. dazu auch 2472).

906 Die gläubigen Laien, die dazu fähig sind und sich dafür ausbilden, können auch an der katechetischen Unterweisung [Vgl. CIC, cann, 774; 776; 780], am Lehren der theologischen Wissenschaften [Vgl. CIC, can. 229] sowie an der Gestaltung der Medien [Vgl. CIC, can. 823, § 1] mitwirken (Vgl. dazu auch 2495).

907 „Entsprechend ihrem Wissen, ihrer Zuständigkeit und ihrer hervorragenden Stellung haben sie das Recht und bisweilen sogar die Pflicht, ihre Meinung in dem, was das Wohl der Kirche angeht, den geistlichen Hirten mitzuteilen und sie unter Wahrung der Unversehrtheit des Glaubens und der Sitten und der Ehrfurcht gegenüber den Hirten und unter Beachtung des allgemeinen Nutzens und der Würde der Personen den übrigen Gläubigen kundzutun“ (CIC, can. 212, § 3).


Ihre Teilhabe am Königsamt Christi

908 Durch seinen Gehorsam bis zum Tod [Vgl. Phil 2,8–9] hat Christus seinen Jüngern die Gabe der königlichen Freiheit geschenkt, damit sie „durch Selbstverleugnung und ein heiliges Leben das Reich der Sünde in sich selbst völlig überwinden“ (LG36) (Vgl. dazu auch 786).

„Wer seinen Leib sich unterwirft und Herr über seine Seele ist, ohne sich von Leidenschaften überfluten zu lassen, kann als König bezeichnet werden, weil er seine Person zu regieren vermag. Er ist frei und unabhängig und läßt sich nicht durch eine sündige Knechtschaft gefangennehmen“ (Ambrosius, Psal. 118, 14,30).

909 „Außerdem sollen die Laien, auch mit vereinten Kräften, die Einrichtungen und Verhältnisse der Welt, wenn irgendwo Gewohnheiten zur Sünde reizen, so heilen, dass dies alles nach den Richtlinien der Gerechtigkeit gestaltet wird und der Ausübung der Tugenden eher förderlich als schädlich ist. Durch solches Tun erfüllen sie die Kultur und die menschlichen Tätigkeiten mit sittlichem Wert“ (LG 36) (Vgl. dazu auch 1887).

910 „Die Laien können sich auch berufen fühlen oder berufen werden zur Mitarbeit mit ihren Hirten im Dienst der kirchlichen Gemeinschaft, für ihr Wachstum und ihr volles Leben. Sie können dabei sehr verschiedene Dienste übernehmen, je nach der Gnade und den Charismen, die der Herr ihnen schenkt“ (EN 73) (Vgl. dazu auch 799).

911 In der Kirche können „bei der Ausübung dieser [Leitungsgewalt] Laien nach Maßgabe des Rechtes mitwirken“ (CIC, can. 129, § 2). So können sie etwa an Partikularkonzilien [CIC, can. 443, §4] und Diözesansynoden [CIC, can. 463, §§ 1.2] teilnehmen, Mitglieder von Pastoralräten werden [CIC, cann.511;536] sich an der solidarischen Wahrnehmung der Seelsorgsaufgaben einer Pfarrei beteiligen [CIC, can. 517, § 2], in Wirtschaftsräten mitarbeiten [CIC, cann. 492, § 1; 536] und Mitglieder von kirchlichen Gerichten sein [CIC, can. 1421, § 2].

912 Die Gläubigen sollen „lernen, sorgfältig zwischen den Rechten und Pflichten, die ihnen obliegen, insofern sie zur Kirche gehören, und denen, die sie betreffen, sofern sie Glieder der menschlichen Gesellschaft sind, zu unterscheiden. Sie werden sich eifrig darum bemühen, beide miteinander harmonisch zu vereinigen, wobei sie daran denken werden, dass sie sich in jeder zeitlichen Angelegenheit vom christlichen Gewissen führen lassen müssen, weil keine menschliche Aktivität, auch nicht in zeitlichen Angelegenheiten, dem Befehl Gottes entzogen werden kann“ (LG 36) (Vgl. dazu auch 2245).

913 „So tritt jeder Laie aufgrund der Gaben, die ihm anvertraut worden sind, zugleich als Zeuge und als lebendiges Werkzeug der Sendung der Kirche selbst ‚nach dem Maß der Gabe Christi‘ (Eph 4,7) auf“ (LG 33).

III Das gottgeweihte Leben

914 „Der Stand, der durch das Gelöbnis der evangelischen Räte begründet wird, ist zwar nicht Teil der hierarchischen Struktur der Kirche, gehört aber unerschütterlich zu ihrem Leben und ihrer Heiligkeit“ (LG 44) (Vgl. dazu auch 2103).


Evangelische Räte, geweihtes Leben

915 Die evangelischen Räte werden in ihrer Vielfalt jedem Jünger Christi empfohlen. Die vollkommene Liebe, zu der alle Gläubigen berufen sind, bringt für jene, die den Ruf zum geweihten Leben frei annehmen, die Verpflichtung mit sich, die Keuschheit in Ehelosigkeit um des Reiches Gottes willen, und in Armut und Gehorsam zu leben. Das Gelübde dieser Räte in einem von der Kirche anerkannten dauernden Lebensstand kennzeichnet das gottgeweihte Leben [Vgl. LG 42–43; PC 1] (Vgl. dazu auch 1973–1974).

916 Der geweihte Stand stellt also eine „tiefere Weihe“ dar, die in der Taufe wurzelt und eine Ganzhingabe an Gott ist [Vgl. PC 5]. Im geweihten Leben fassen die Christgläubigen, vom Heiligen Geist dazu bewogen, den Vorsatz, Christus enger zu folgen, sich dem über alles geliebten Gott hinzugeben und im Streben nach vollkommener Liebe im Dienst des Gottesreiches die Herrlichkeit der künftigen Welt in der Kirche zu bezeichnen und zu verkünden [Vgl. CIC, can. 573] (Vgl. dazu auch 2687, 933).


Ein großer Baum mit vielen Zweigen

917 „So kam es, dass wie bei einem Baum, der aus einem von Gott gegebenen Keim wunderbar und vielfältig auf dem Acker des Herrn Zweige getrieben hat, verschiedene Gestalten des eremitischen oder gemeinschaftlichen Lebens und verschiedene Genossenschaften gewachsen sind, die die Hilfsmittel sowohl zum Fortschritt ihrer Mitglieder, als auch zum Wohl des ganzen Leibes Christi vermehren“ (LG 43) (Vgl. dazu auch 2684).

918 „Von Anfang an gab es in der Kirche Männer und Frauen, die durch die Befolgung der evangelischen Räte Christus in größerer Freiheit nachzufolgen und ihn ausdrücklicher nachzuahmen verlangten und die – jeder auf seine Weise – ein Leben führten, das Gott geweiht war. Viele wählten unter dem Antrieb des Heiligen Geistes ein Einsiedlerleben, andere gaben den Anstoß zu religiösen Gemeinschaften, die von der Kirche kraft ihrer Vollmacht gern unterstützt und bestätigt wurden“ (PC 1).

919 Die Diözesanbischöfe sollen sich bemühen, der Kirche vom Heiligen Geist anvertraute neue Gaben des geweihten Lebens zu erkennen. Die Anerkennung neuer Formen geweihten Lebens ist dem Apostolischen Stuhl vorbehalten [Vgl. CIC, can. 605].


Das eremitische Leben

920 Auch wenn sie die drei evangelischen Räte nicht immer öffentlich geloben, weihen die Eremiten [Einsiedler] „durch strengere Trennung von der Welt, in der Stille der Einsamkeit, durch ständiges Beten und Büßen ihr Leben dem Lob Gottes und dem Heil der Welt“ (CIC, can. 603, § 1).

921 Sie zeigen jedem das Innere des Mysteriums der Kirche auf: die persönliche Vertrautheit mit Christus. Den Augen der Menschen verborgen, ist das Leben des Eremiten eine stille Predigt Christi. Der Einsiedler hat sein Leben ganz Christus übergeben, weil dieser für ihn alles ist. Es ist eine besondere Berufung, in der Wüste, im geistlichen Kampf die Herrlichkeit des Gekreuzigten zu finden (Vgl. dazu auch 2719, 2015).


Die geweihten Jungfrauen

922 Seit den Zeiten der Apostel hat der Herr christliche Jungfrauen dazu berufen, sich in einer größeren Freiheit des Herzens, des Leibes und des Geistes ungeteilt an ihn zu binden [Vgl. 1 Kor 7,34–36]. Sie haben mit Zustimmung der Kirche den Entschluss gefaßt, „um des Himmelreiches willen“ (Mt 19,12) im Stand der Jungfräulichkeit zu leben (Vgl. dazu auch 1618–1620).

923 Es gibt den „Stand der Jungfrauen, die zum Ausdruck ihres heiligen Vorhabens, Christus in besonders enger Weise nachzufolgen, vom Diözesanbischof nach anerkanntem liturgischem Ritus Gott geweiht, Christus, dem Sohn Gottes, mystisch anverlobt und für den Dienst der Kirche bestimmt werden“ (CIC, can. 604, § 1). Durch diesen feierlichen Ritus der Jungfrauenweihe wird „die Jungfrau zu einer gottgeweihten Person, zu einem Zeichen, das auf die Liebe der Kirche zu Christus hinweist, und zu einem Bild für die endzeitliche himmlische Braut und für das künftige Leben“ (OCV prænotanda 1) (Vgl. dazu auch 1537, 1672).

924 Der Stand der Jungfrauen steht den anderen Formen des geweihten Lebens nahe. Er verpflichtet die in der Welt lebende Frau (oder die Nonne) nach ihrem Stand und den ihr geschenkten Charismen zum Gebet, zur Buße, zum Dienst an ihren Brüdern und Schwestern und zur apostolischen Arbeit [Vgl. OCV prænotanda 2]. „Um ihr Vorhaben treuer zu halten..., können die Jungfrauen Vereinigungen bilden“ (CIC, can. 604, § 2).


Das Ordensleben

925 Das Ordensleben ist in den ersten Jahrhunderten des Christentums im Nahen Osten entstanden [Vgl. UR 15]. Es wird in den durch die Kirche kanonisch errichteten Instituten gelebt [Vgl. ClC, can. 573]. Es unterscheidet sich von den anderen Formen des geweihten Lebens durch die Ausrichtung auf den Gottesdienst, das öffentliche Gelübde der evangelischen Räte, das brüderliche Gemeinschaftsleben und das Zeugnis für die Vereinigung Christi mit der Kirche [Vgl. CIC, can. 607] (Vgl. dazu auch 1672).

926 Das Ordensleben gehört zum Mysterium der Kirche. Es ist eine Gabe, die die Kirche von ihrem Herrn erhält und die sie dem Gläubigen, der von Gott im Gelübde der Räte berufen wird, als einen dauernden Lebensstand anbietet. So kann die Kirche zugleich Christus bezeugen und sich als Braut des Erlösers erkennen. Das Ordensleben soll in seinen verschiedenen Formen die Liebe Gottes in der Sprache unserer Zeit zum Ausdruck bringen (Vgl. dazu auch 796).

927 Alle Ordensleute gehören zu den Mitarbeitern des Diözesanbischofs in seinem Hjrtenamt [Vgl. CD 33–35], auch dann, wenn sie ihm nicht direkt unterstellt [exempt] sind [Vgl. CIC, can. 591]. Zur missionarischen Einpflanzung und Ausbreitung der Kirche ist es schon von Anfang der Evangelisierung an notwendig, dass das Ordensleben in allen seinen Formen vorhanden ist [Vgl. AG 18; 40]. „Die Geschichte bestätigt die großen Verdienste der Ordensfamilien bei der Ausbreitung des Glaubens und der Bildung neuer Kirchen: von den alten monastischen Einrichtungen zu den mittelalterlichen Orden bis zu den neuzeitlichen Kongregationen“ (RM 69).


Die Säkularinstitute

928 „Ein Säkularinstitut ist ein Institut des geweihten Lebens, in welchem in der Welt lebende Gläubige nach Vollkommenheit der Liebe streben und sich bemühen, zur Heiligung der Welt, vor allem von innen her, beizutragen“ (CIC, can. 710).

929 Durch ein „vollkommen und gänzlich der Heiligung geweihtes Leben“ (Pius XII., Ap. Konst. „Provida Mater“) beteiligen sich die Mitglieder dieser Institute an der Evangelisierungsaufgabe der Kirche „in der Welt und gleichsam von der Welt her“, in der ihre Gegenwart als „Sauerteig“ wirkt (PC 11). Ihr „Zeugnis eines christlichen Lebens“ ist darauf hingeordnet, „die zeitlichen Dinge gottgemäß zu ordnen und die Welt in der Kraft des Evangeliums zu gestalten“. Sie nehmen durch heilige Bindungen die evangelischen Räte auf sich und pflegen untereinander entsprechend „dem ihrer Lebensausrichtung eigenen Weltcharakter“ die Gemeinschaft und Brüderlichkeit (CIC, can. 713, § 2) (Vgl. dazu auch 901).


Die Gesellschaften des apostolischen Lebens

930 „Zu den Instituten des geweihten Lebens kommen die Gesellschaften des apostolischen Lebens hinzu, deren Mitglieder ohne Ordensgelübde das der Gesellschaft eigene apostolische Ziel verfolgen, ein brüderliches Leben in Gemeinschaft führen und gemäß der eigenen Lebensordnung durch Beachtung der Konstitutionen nach Vollkommenheit der Liebe streben. Unter ihnen gibt es Gesellschaften, in denen die Mitglieder durch irgendeine in den Konstitutionen festgelegte Bindung die evangelischen Räte übernehmen“ (CIC, can. 731, §§ 1 und 2).


Weihe und Sendung: den kommenden König ankündigen

931 Der Gottgeweihte, der schon durch die Taufe Gott übereignet ist, liefert sich ganz Gott aus, dem über alles Geliebten. So wird er tiefer zum Dienst Gottes geweiht und zum Wohl der Kirche bestellt. Durch den Stand der Weihe an Gott bezeugt die Kirche Christus und zeigt, wie der Heilige Geist in ihr wunderbar wirkt. Jene, die die evangelischen Räte geloben, haben zunächst zur Aufgabe, ihrer Weihe gemäß zu leben. Da sie aber „sich kraft ihrer Weihe dem Dienst für die Kirche widmen, sind sie verpflichtet, sich, je nach der Eigenart ihres Instituts, in besonderer Weise in der Missionsarbeit einzusetzen“ (CIC, can. 783) [1 Vgl. RM 69].

932 In der Kirche, die gleichsam das Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug des Lebens Gottes ist, bildet das geweihte Leben ein besonderes Zeichen des Erlösungsmysteriums. Christus noch „enger“ nachfolgen und ihn nachahmen, seine Selbstentäußerung „klarer“ bekunden, heißt im Herzen Christi seinen Zeitgenossen „noch näher“ sein. Denn die, die sich auf diesem „engeren“ Weg befinden, spornen ihre Brüder und Schwestern durch ihr Beispiel an und geben „ein hervorstechendes und herausragendes Zeugnis dafür dass die Welt ohne den Geist der Seligpreisungen nicht verwandelt und Gott dargebracht werden kann“ (LG 31) (Vgl. dazu auch 775).

933 Ob dieses Zeugnis öffentlich (wie im Ordensstand), privat oder geheim abgelegt wird – das Kommen Christi ist für alle Geweihten der Ursprung und die Ausrichtung ihres Lebens (Vgl. dazu auch 672).

„Das Volk Gottes hat hier keine bleibende Heimstatt ... Deshalb macht der Ordensstand ... die himmlischen Güter, die schon in dieser Zeit gegenwärtig sind, auch allen Gläubigen kund, bezeugt das neue und ewige, in der Erlösung Christi erworbene Leben und kündigt die zukünftige Auferstehung und die Herrlichkeit des Himmelreiches an“ (LG 44) (Vgl. dazu auch 796).

KURZTEXTE

934 Kraft göttlicher Weisung gibt es in der Kirche unter den Gläubigen geistliche Amtsträger, die im Recht auch Kleriker genannt werden; die übrigen dagegen heißen auch Laien In diesen beiden Gruppen gibt es Gläubige, die sich durch das ... Bekenntnis zu den evangelischen Räten ... Gott weihen und der Heilssendung der Kirche dienen (CIC can. 207, §§ 1.2).

935 Zur Verkündigung des Glaubens und zum Aufbau seines Reiches sendet Christus seine Apostel und ihre Nachfolger. Er läßt sie an seiner Sendung teilhaben. Sie erhalten von ihm die Vollmacht, in seiner Person zu handeln.

936 Der Herr hat den hl. Petrus zum sichtbaren Fundament seiner Kirche gemacht und ihm die Schlüssel der Kirche übergeben. Der Bischof der Kirche von Rom, der Nachfolger des hl. Petrus, ist „Haupt des Bischofskollegiums, Stellvertreter Christi und Hirte der Gesamtkirche hier auf Erden“ (CIC, can. 331).

937 Der Papst besitzt ... aufgrund göttlicher Einsetzung die höchste volle, unmittelbare und universale Seelsorgsgewalt“ (CD 2).

938 Die durch den Heiligen Geist bestellten Bischöfe sind Nachfolger der Apostel. Sie sind sichtbares Prinzip und Fundament der Einheit in ihren ... Teilkirchen (LG 23).

939 Die Bischöfe haben den Auftrag, den Glauben unverfälscht zu lehren, den Gottesdienst zu feiern, vor allem die Eucharistie, und ihre Kirchen als wahre Hirten zu leiten. Sie werden dabei von ihren Mitarbeitern, den Priestern und von den Diakonen unterstützt. Zu ihrem Amt gehört auch, mit und unter dem Papst, die Sorge für alle Kirchen.

940 „Da es dem Stand der Laien eigen ist, inmitten der Welt und der weltlichen Aufgaben zu leben, sind sie von Gott berufen, vom Geist Christi beseelt nach Art des Sauerteigs ihr Apostolat in der Welt auszuüben“ (AA 2).

941 Die Laien haben am Priestertum Christi Anteil. Immer mehr mit ihm vereint, entfalten sie die Gnade der Taufe und Firmung in allen Bereichen des persönlichen, familiären, gesellschaftlichen und kirchlichen Lebens und kommen so dem an alle Getauften ergehenden Ruf zur Heiligkeit nach.

942 Dank ihrer prophetischen Sendung sind die Laien „auch dazu berufen, in allem, und zwar inmitten der menschlichen Gemeinschaft Christi Zeugen zu sein“ (GS 43 4).

943 Dank ihrer königlichen Sendung haben die Laien die Macht erhalten, durch ihre Selbstverleugnung und die Heiligkeit ihres Lebens die Herrschaft der Sünde in ihnen selbst und in der Welt zu überwinden [Vgl. LG 36].

944 Kennzeichen des gottgeweihten Lebens ist das öffentliche Gelübde der evangelischen Rate der Armut, Keuschheit und des Gehorsams in einem von der Kirche anerkannten dauernden Lebensstand.

945 Der Gläubige ist dem über alles geliebten Gott überantwortet; schon durch die Taufe ist er ja für Gott bestimmt worden. Im Stand des geweihten Lebens ist er dem Dienst Gottes und dem Wohl der ganzen Kirche noch inniger geweiht.

ABSATZ 5: DIE GEMEINSCHAFT DER HEILIGEN

946 Dem Bekenntnis zur „heiligen katholischen Kirche“ folgt im Symbolum: „die Gemeinschaft der Heiligen“. Dieser Glaubensartikel ist in gewisser Weise eine Ausfaltung des vorhergehenden: „Was ist die Kirche anderes als die Versammlung aller Heiligen?“ (Niketas, symb. 10). Diese Gemeinschaft der Heiligen ist die Kirche (Vgl. dazu auch 823).

947 „Da alle Gläubigen einen einzigen Leib bilden, wird das Gut des einen dem anderen mitgeteilt ... Somit muß man glauben, ... dass in der Kirche eine Gütergemeinschaft besteht ... Das wichtigste unter allen Gliedern der Kirche aber ist Christus, denn er ist das Haupt... Also wird das Gut Christi allen Christen mitgeteilt, so wie die Kraft des Hauptes allen Gliedern, und diese Mitteilung geschieht durch die Sakramente der Kirche“ (Thomas v. A., symb. 10). „Die Einheit des Geistes, durch den [die Kirche] geleitet wird, bewirkt, dass das, was sie empfangen hat, allen gemeinsam ist“ (Catech. R. 1,10,24) (Vgl. dazu auch 790).

948 Der Ausdruck „Gemeinschaft der Heiligen“ hat somit zwei Bedeutungen, die eng miteinander zusammenhängen: „Gemeinschaft an den heiligen Dingen“ [sancta] und „Gemeinschaft zwischen den heiligen Personen“ [sancti] (Vgl. dazu auch 1331).

Sancta sanctis! [Das Heilige den Heiligen!] ruft in den meisten ostkirchlichen Liturgien der Zelebrant aus, wenn er vor der Spendung der Kommunion die heiligen Gaben emporhebt. Die Gläubigen [sancti] werden durch den Leib und das Blut Christi [sancta] genährt, um in der Gemeinschaft [koinonia] des Heiligen Geistes zu wachsen und sie der Welt zu vermitteln.

I Die Gemeinschaft an den geistigen Gütern

949 In der Urgemeinde von Jerusalem hielten die Jünger fest „an der Lehre der Apostel ... und an der Gemeinschaft, am Brechen des Brotes und an den Gebeten“ (Apg 2,42).

Die Gemeinschaft im Glauben. Der Glaube der Gläubigen ist der von den Aposteln empfangene Glaube der Kirche, ein Schatz an Leben, der noch reicher wird, wenn man ihn mitteilt (Vgl. dazu auch 185).

950 Die Gemeinschaft an den Sakramenten. „Die Früchte aller Sakramente kommen allen Gläubigen zugute; und die Sakramente bilden gleichsam die heiligen Bande, die die Gläubigen aufs engste mit Christus verbinden; vor allem gilt das von der Taufe, durch die sie wie durch die Türe in die Kirche eintreten. Unter dieser ‚Gemeinschaft der Heiligen‘ ist die Gemeinschaft an den Sakramenten zu verstehen ... Obschon dieser Name [,‚Gemeinschaft“] allen Sakramenten zukommt, da sie uns mit Gott verbinden ...‚ so ist er mehr der Eucharistie zu eigen, weil sie diese Gemeinschaft bewirkt“ (Catech. R. 1,10,24) (Vgl. dazu auch 1331).

951 Die Gemeinschaft an den Charismen. In der Gemeinschaft der Kirche verteilt der Heilige Geist „unter den Gläubigen jeglichen Standes auch besondere Gnaden“ zum Aufbau der Kirche (LG 12). „Jedem aber wird die Offenbarung des Geistes geschenkt, damit sie anderen nützt“ (1 Kor 12,7) (Vgl. dazu auch 799).

952 „Sie hatten alles gemeinsam“ (Apg 4,32): „Nichts besitzt der wahre Christ, was er nicht mit für ein Gemeingut aller zu halten hat; darum sollen die Christen stets bereit sein, die Not der Bedürftigen zu lindern“ (Catech. R. 1,10,27). Der Christ ist ein Verwalter der Güter des Herr [Vgl. Lk 16,1.3] (Vgl. dazu auch 2402).

953 Die Gemeinschaft in der Liebe. „Keiner von uns lebt sich selber und keiner stirbt sich selber“ (Röm 14,7) in der Gemeinschaft der Heiligen. „Wenn darum ein Glied leidet, leiden alle Glieder mit; wenn ein Glied geehrt wird, freuen sich alle anderen mit ihm. Ihr aber seid der Leib Christi, und jeder einzelne ist ein Glied an ihm“ (1 Kor 12, 26–27). Die Liebe „sucht nicht ihren Vorteil“ (1 Kor 13,5) [Vgl. 1 Kor 10,24]. Die geringste unserer Handlungen wirkt sich, wenn sie aus Liebe geschieht, zum Vorteil aller aus. Dies geschieht in der Solidarität mit allen lebenden und toten Menschen, die auf der Gemeinschaft der Heiligen gründet. Jede Sünde schadet dieser Gemeinschaft (Vgl. dazu auch 1827, 2011, 845, 1469).

II Die Gemeinschaft der Kirche des Himmels und der Erde

954 Die drei Stände der Kirche. „Bis der Herr kommt in seiner Erhabenheit und alle Engel mit ihm und nach der Vernichtung des Todes ihm alles unterworfen ist, pilgern die einen von seinen Jüngern auf Erden, andere, die dieses Leben vollendet haben, werden gereinigt, andere aber werden verherrlicht und schauen deshalb ‚klar den dreifaltigen und einen Gott selbst, wie er ist’“ (LG 49) (Vgl. dazu auch 771, 1031, 1023).

„Wir alle jedoch haben, wenn auch in verschiedener Abstufung und Art, Gemeinschaft in derselben Liebe Gottes und des Nächsten und singen unserem Gott denselben Lobgesang der Herrlichkeit. Alle nämlich, die zu Christus gehören, wachsen im Besitz seines Geistes zu der einen Kirche zusammen und hängen in ihm zusammen“ (LG 49).

955 „Die Einheit der Erdenpilger mit den Brüdern, die im Frieden Christi entschlafen sind, wird also keineswegs unterbrochen, sie wird vielmehr nach dem beständigen Glauben der Kirche durch die Mitteilung geistlicher Güter gestärkt“ (LG 49).

956 Die Fürbitte der Heiligen. „Denn dadurch, dass die, die im Himmel sind, inniger mit Christus vereint werden, festigen sie die ganze Kirche stärker in der Heiligkeit ... hören sie nicht auf, ... beim Vater für uns einzutreten, indem sie die Verdienste darbringen, die sie durch den einen Mittler zwischen Gott und den Menschen, Christus Jesus, auf Erden erworben haben ... Daher findet durch ihre brüderliche Sorge unsere Schwachheit reichste Hilfe“ (LG 49) (Vgl. dazu auch 1370, 2683).

„Weint nicht, nach meinem Tod werde ich euch mehr nützen und euch wirksamer unterstützen als während meines Lebens“ (Dominikus, sterbend, zu seinen Ordensbrüdern) [Vgl. Jordan v. Sachsen, lib. 93].

„Ich werde meinen Himmel damit verbringen, auf Erden Gutes zu tun“ (Theresia vom Kinde Jesu, verba).

957 Die Gemeinschaft mit den Heiligen. „Jedoch nicht nur um des Beispiels willen pflegen wir das Gedächtnis derer, die im Himmel sind, sondern mehr noch, damit die Einheit der ganzen Kirche im Geist durch die Übung der brüderlichen Liebe gestärkt wird. Denn wie die christliche Gemeinschaft der [Erden]pilger uns näher zu Christus hinführt, so verbindet uns die Gemeinschaft mit den Heiligen mit Christus, aus dem als Quelle und Haupt jede Gnade und das Leben des Gottesvolkes selbst hervorströmen“ (LG 50) (Vgl. dazu auch 1173).

„Christus beten wir an, weil er der Sohn Gottes ist. Die Blutzeugen aber lieben wir als Jünger und Nachahmer des Herrn und wegen ihrer unvergleichlichen Hingabe an ihren König und Meister. Möchten doch auch wir ihre Gefährten und Mitschüler werden!“ (Polykarp, mart. 17).

958 Die Gemeinschaft mit den Verstorbenen. „In ganz besonderer Anerkennung dieser Gemeinschaft des ganzen mystischen Leibes Jesu Christi hat die Kirche der [Erden]pilger von den anfänglichen Zeiten der christlichen Religion an das Gedächtnis der Verstorbenen mit großer Ehrfurcht gepflegt und hat, ‚weil es ein heiliger und heilsamer Gedanke ist, für die Verstorbenen zu beten, damit sie von ihren Sünden erlöst werden‘ (2 Makk 12,45), auch Fürbittgebet für sie dargebracht“ (LG 50). Unser Gebet für die Verstorbenen kann nicht nur ihnen selbst helfen: wenn ihnen geholfen ist, kann auch ihre Fürbitte für uns wirksam werden (Vgl. dazu auch 1371, 1032, 1689).

959 ... in der einzigen Familie Gottes. „Wir alle, die wir Kinder Gottes sind und eine Familie in Christus bilden, entsprechen, sofern wir in gegenseitiger Liebe und in dem einen Lob der Heiligsten Dreifaltigkeit miteinander Gemeinschaft haben, der innersten Berufung der Kirche ...“ (LG 51) (Vgl. dazu auch 1027).

KURZTEXTE

960 Die Kirche ist „Gemeinschaft der Heiligen“. Dieser Ausdruck bezeichnet zunächst die Gemeinschaft an den „heiligen Dingen“ [sancta], vor allem die Eucharistie, durch die „die Einheit der Gläubigen, die einen Leib in Christus bilden, dargestellt und verwirklicht“ wird (LG 3).

961 Dieser Ausdruck bezeichnet auch die Gemeinschaft der „heiligen Personen“ [sancti] in Christus, der „für alle gestorben“ ist, so dass das, was ein jeder in und für Christus tut oder leidet, allen zugute kommt.

962 Wir glauben an die Gemeinschaft aller Christgläubigen: derer, die hier auf Erden pilgern; derer, die nach Abschluss des Erdenlebens gelautert werden; und derer, die die himmlische. Seligkeit genießen; sie alle bilden zusammen die eine Kirche. Wir glauben desgleichen, dass in dieser Gemeinschaft die barmherzige Liebe Gottes und seiner Heiligen stets unseren Gebeten Gehör schenkt“(SPF3O).

ABSATZ 6: MARIA - MUTTER CHRISTI, MUTTER DER KIRCHE

963 Von der Stellung der Jungfrau Maria im Mysterium Christi und des Heiligen Geistes war bereits die Rede. Nun ist ihr Platz im Mysterium der Kirche zu betrachten. „Die Jungfrau Maria ... wird als wahre Mutter Gottes und des Erlösers anerkannt und geehrt ... ‚Sie ist ausdrücklich Mutter der Glieder [Christi], ... weil sie in Liebe mitgewirkt hat, dass die Gläubigen in der Kirche geboren werden, die jenes Hauptes Glieder sind‘ (Augustinus, virg. 6)“ (LG 53). „Maria, Mutter Christi, Mutter der Kirche“ (Paul VI., Ansprache vom 21. November 1964) (Vgl. dazu auch 484 – 507, 721 –726).

I Maria Mutter der Kirche

Ganz mit ihrem Sohn vereint ...

964 Die Aufgabe Marias gegenüber der Kirche läßt sich von ihrer Vereinigung mit Christus nicht trennen, sondern ergibt sich direkt aus ihr. „Diese Verbindung der Mutter mit dem Sohn im Heilswerk zeigt sich vom Augenblick der jungfräulichen Empfängnis Christi bis zu seinem Tod“ (LG 57). Sie ist besonders offensichtlich in der Stunde seines Leidens.

„Auch die selige Jungfrau ging den Pilgerweg des Glaubens. Ihre Vereinigung mit dem Sohn hielt sie in Treue bis zum Kreuz, wo sie nicht ohne göttliche Absicht stand, heftig mit ihrem Eingeborenen litt und sich mit seinem Opfer in mütterlichem Geist verband, indem sie der Darbringung des Schlacht-opfers, das sie geboren hatte, liebevoll zustimmte. Und schließlich wurde sie von Christus selbst, als er am Kreuz starb, dem Jünger zur Mutter gegeben mit den Worten: ‚Frau, siehe da dein Sohn‘ (Joh 19, 26–27)“ (LG 58) (Vgl. dazu auch 534, 618).

965 Nach der Himmelfahrt ihres Sohnes stand sie „den Anfängen der Kirche mit ihren Gebeten zur Seite“ (LG 69). Zusammen mit den Aposteln und einigen Frauen „sehen wir ... Maria mit ihren Gebeten die Gabe des Geistes erflehen, der sie schon bei der Verkündigung überschattet hatte“ (LG 59).


... auch in ihrer Aufnahme in den Himmel ...

966 „Schließlich wurde die unbefleckte Jungfrau, von jedem Makel der Erbsünde unversehrt bewahrt, nach Vollendung des irdischen Lebenslaufs mit Leib und Seele in die himmlische Herrlichkeit aufgenommen und als Königin des Alls vom Herrn erhöht, um vollkommener ihrem Sohn gleichgestaltet zu sein, dem Herrn der Herren und dem Sieger über Sünde und Tod“ (LG 59) [Vgl. die Verkündigung des Dogmas der Aufnahme der seligen Jungfrau Maria durch Papst Pius XII. im Jahre 1950: DS 3903]. Die Aufnahme der heiligen Jungfrau ist eine einzigartige Teilhabe an der Auferstehung ihres Sohnes und eine Vorwegnahme der Auferstehung der anderen Christen (Vgl. dazu auch 491).

„Bei deiner Niederkunft hast du die Jungfräulichkeit bewahrt, bei deinem Entschlafen hast du die Welt nicht verlassen, o Mutter Gottes. Du bist zurückgekehrt zum Quell des Lebens, die du den lebendigen Gott empfingst und durch deine Gebete unsere Seelen vom Tod befreien wirst“ (Byzantinische Liturgie, Tropar am Fest der Entschlafung am 15. August).


... ist sie unsere Mutter in der Gnadenordnung ...

967 Weil sie dem Willen des Vaters, dem Erlösungswerk ihres Sohnes und jeder Anregung des Heiligen Geistes voll und ganz zustimmte, ist die Jungfrau Maria für die Kirche das Vorbild des Glaubens und der Liebe. Daher ist sie „schlechthin herausragendes und geradezu einzigartiges Glied der Kirche“ (LG 53); sie stellt das „Urbild der Kirche“ [Ecclesiæ typus] (LG 63) dar (Vgl. dazu auch 2679, 507).

968 Ihre Aufgabe gegenüber der Kirche und der ganzen Menschheit geht aber noch darüber hinaus. Sie hat „beim Werk des Erlösers in ganz einzigartiger Weise in Gehorsam, Glaube, Hoffnung und brennender Liebe mitgewirkt, das übernatürliche Leben der Seelen wiederherzustellen. Deswegen ist sie uns in der Ordnung der Gnade Mutter“ (LG 61) (Vgl. dazu auch 494).

969 „Diese Mutterschaft Marias in der Gnadenökonomie dauert unaufhörlich fort, von der Zustimmung an, die sie bei der Verkündigung gläubig gewährte und an der sie unter dem Kreuz ohne Zögern festhielt, bis zur immerwährenden Vollendung aller Auserwählten. Denn nach ihrer Aufnahme in die Himmel hat sie diese heilbringende Aufgabe nicht niedergelegt, sondern fährt durch ihre vielfältige Fürbitte fort, uns die Gaben des ewigen Heils zu verschaffen ... Deshalb wird die selige Jungfrau in der Kirche unter den Titeln der Fürsprecherin, der Helferin, des Beistandes und der Mittlerin angerufen“ (LG 62) (Vgl. dazu auch 501, 149, 1370).

970 „Marias mütterliche Aufgabe aber gegenüber den Menschen verdunkelt oder vermindert die einzige Mittlerschaft Christi in keiner Weise, sondern zeigt ihre Kraft. Denn jeder heilsame Einfluß der seligen Jungfrau auf die Menschen ... fließt aus dem Überfluß der Verdienste Christi hervor, stützt sich auf seine Mittlerschaft, hängt ganz und gar von ihr ab und schöpft aus ihr seine ganze Kraft“ (LG 60). „Denn kein Geschöpf kann mit dem fleischgewordenen Wort und Erlöser jemals zusammengezählt werden; sondern wie am Priestertum Christi auf mannigfaltige Weisen einerseits von seinen Dienern, andererseits vom gläubigen Volk teilgenommen wird, und wie die eine Gutheit Gottes in den Geschöpfen auf verschiedene Weisen wirklich ausgegossen wird, so schließt auch die einzige Mittlerschaft des Erlösers bei den Geschöpfen eine unterschiedliche Mitwirkung, die an der einzigen Quelle Anteil hat, nicht aus, sondern erweckt sie“ (LG 62). (Vgl. dazu auch 2008, 1545, 308)

II Die Verehrung der heiligen Jungfrau

(Vgl. dazu auch 2673 – 2679)

971 „Siehe, von nun an preisen mich selig alle Geschlechter“ (Lk 1,48). „Die Verehrung der Kirche für die selige Jungfrau Maria gehört zum Wesen des christlichen Gottesdienstes“ (MC 56). „Maria wird ... mit Recht ... von der Kirche in einem Kult eigener Art geehrt. Schon seit ältester Zeit wird die selige Jungfrau unter dem Titel der ‚Gottesgebärerin‘ verehrt, unter deren Schutz die Gläubigen in allen Gefahren und Nöten bittend Zuflucht nehmen ... Dieser Kult ... ist zwar durchaus einzigartig, unterscheidet sich aber wesentlich vom Kult der Anbetung, der dem menschgewordenen Gott gleich wie dem Vater und dem Heiligen Geist dargebracht wird, und er fördert diesen gar sehr“ (LG 66). Er findet seinen Ausdruck in den der Gottesmutter gewidmeten liturgischen Festen [Vgl. SC 103] und im marianischen Gebet – etwa im Rosenkranz, der „Kurzfassung des ganzen Evangeliums“ [Vgl. MC 42] (Vgl. dazu auch 1172, 2678).

III Maria - eschatologische Ikone der Kirche

972 Um die Rede von der Kirche, ihrem Ursprung, ihrer Sendung und Bestimmung abzuschließen, können wir nichts Besseres tun, als den Blick auf Maria zu richten. An ihr können wir betrachten, was die Kirche in ihrem Mysterium, in ihrer „Pilgerfahrt des Glaubens“ ist und was sie am Ende ihrer Wanderung in der Heimat sein wird. Dort erwartet Maria in der Herrlichkeit „der heiligsten und ungeteilten Dreifaltigkeit“, „in Gemeinschaft mit allen Heiligen“ (LG 69) die Kirche. Diese verehrt sie als die Mutter ihres Herrn und als ihre eigene Mutter (Vgl. dazu auch 773, 829):

„Inzwischen aber leuchtet die Mutter Jesu – wie sie im Himmel, schon mit Leib und Seele verherrlicht, Bild und Anfang der in der kommenden Welt zu vollendenden Kirche ist, so hier auf Erden, bis der Tag des Herrn gekommen ist – dem pilgernden Volk Gottes als Zeichen der sicheren Hoffnung und des Trostes voran“ (LG 68) (Vgl. dazu auch 2853).

KURZTEXTE

973 Durch ihr „fiat“, das Maria bei der Verkündigung spricht und mit dem sie ihre Zustimmung zum Mysterium der Menschwerdung gibt, wirkt sie schon am Werk mit, das ihr Sohn vollbringen soll. Sie ist Mutter überall da, wo er Erlöser und Haupt des mystischen Leibes ist.

974 Nach Vollendung ihres irdischen Lebenslaufes wurde die heiligste Jungfrau Maria mit Leib und Seele in die Herrlichkeit des Himmels aufgenommen, wo sie schon an der Auferstehungsherrlichkeit ihres Sohnes teilhat und so die Auferstehung aller Glieder seines Leibes vorwegnimmt.

975 Wir glauben, dass die heiligste Muttergottes die neue Eva, die Mutter der Kirche, im Himmel ihre Mutterschaft an den Gliedern Christi fortsetzt“ (SPF 15).

ARTIKEL 10: „ICH GLAUBE ... DIE VERGEBUNG DER SÜNDEN“

976 Das apostolische Glaubensbekenntnis verbindet den Glauben an die Sündenvergebung mit dem Glauben an den Heiligen Geist, aber auch mit dem Bekenntnis zur Kirche und zur Gemeinschaft der Heiligen. Als Christus den Aposteln den Heiligen Geist spendete, übertrug er ihnen seine göttliche Vollmacht, Sünden zu vergeben: „Empfangt den Heiligen Geist! Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben; wem ihr die Vergebung verweigert, dem ist sie verweigert“ (Joh 20, 22–23).

(Der zweite Teil des Katechismus wird ausdrücklich von der Sündenvergebung durch die Taufe, das Bußsakrament und die anderen Sakramente, vor allem durch die Eucharistie, handeln. Deshalb brauchen wir hier lediglich auf einige Grundgegebenheiten hinzuweisen.)

I Eine einzige Taufe zur Vergebung der Sünden

(Vgl. dazu auch 1263)

977 Unser Herr hat die Sündenvergebung mit dem Glauben und der Taufe verbunden: „Geht hinaus in die ganze Welt, und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen! Wer glaubt und sich taufen läßt, wird gerettet; wer aber nicht glaubt, wird verdammt werden“ (Mk 16,15–16). Die Taufe ist das erste und bedeutsamste Sakrament der Sündenvergebung. Sie vereint uns nämlich mit Christus, der für unsere Sünden gestorben ist und wegen unserer Rechtfertigung auferweckt wurde [Vgl. Röm 4,25], damit „auch wir als neue Menschen leben“ (Röm 6,4).

978 „Wenn wir zum ersten Mal den Glauben bekennen und in der heiligen Taufe abgewaschen werden, wird uns die Vergebung so reichlich geschenkt, dass keinerlei Schuld – sei es, dass sie durch die Abstammung an uns haftet, sei es, dass wir etwas durch eigenen Willen unterlassen oder getan haben – zu tilgen und keinerlei Strafe zu verbüßen bleibt. Jedoch wird niemand durch die Taufgnade von aller Schwachheit der Natur befreit; vielmehr hat jeder gegen die Regungen der Begierlichkeit, welche uns unablässig zu Sünden anregt, zu kämpfen“ (Catech. R. 1,11,3) (Vgl. dazu auch 1264).

979 Wer aber wäre tapfer und wachsam genug, um in diesem Kampf mit der Neigung zum Bösen durch gar keine Sünde verletzt zu werden? „Da es also notwendig war, dass in der Kirche die Gewalt der Sündenvergebung noch auf eine andere Weise als durch das Sakrament der Taufe bestehe, sind ihr die Schlüssel des Himmelreiches anvertraut, wodurch einem jeden Reuigen, und hätte er auch bis zum letzten Lebenstag gesündigt, die Sünden vergeben werden können“ (Catech. R. 1,11,4) (Vgl. dazu auch 1446).

980 Durch das Bußsakrament kann der Getaufte mit Gott und mit der Kirche versöhnt werden (Vgl. dazu auch 1422 – 1484).

„Die Buße [wurde] von den heiligen Vätern zurecht ‚gewissermaßen eine mühevolle Taufe‘ (Gregor v. Nazianz, or. 39,17) genannt ... Dieses Sakrament der Buße ist aber für die nach der Taufe Gefallenen zum Heil notwendig, wie für die noch nicht Wiedergeborenen die Taufe selbst“ (K. v. Trient: DS 1672).

II Die Schlüsselgewalt

981 Nach seiner Auferstehung hat Christus die Apostel ausgesandt, um „allen Völkern zu verkünden, sie sollen umkehren, damit ihre Sünden vergeben werden“ (Lk 24,47). Die Apostel und ihre Nachfolger leisten darum einen „Dienst der Versöhnung“ (2 Kor 5,18): Sie verkünden einerseits den Menschen die Vergebung durch Gott, die Christus uns verdient hat, und rufen zur Umkehr und zum Glauben auf. Durch die Taufe vermitteln sie ihnen andererseits auch die Sündenvergebung und versöhnen sie dank der von Christus erhaltenen Schlüsselgewalt mit Gott und der Kirche (Vgl. dazu auch 1444).

„Die Kirche hat die Schlüssel des Himmelreiches erhalten, damit in ihr durch das Blut Christi und das Wirken des Heiligen Geistes die Sündenvergebung geschehe. In dieser Kirche lebt die Seele, die durch die Sünde tot war, wieder auf, um mit Christus zu leben, dessen Gnade uns gerettet hat“ (Augustinus, serm. 214,11) (Vgl. dazu auch 553).

982 Es gibt keine Verfehlung, mag sie auch noch so schlimm sein, die durch die heilige Kirche nicht vergeben werden könnte. „Es kann keinen Menschen geben, der so schlecht und verworfen wäre, dass ihm nicht die sichere Hoffnung auf Vergebung in Aussicht stehen müsste, wenn er seine Verirrungen wahrhaft bereut“ (Catech. R. 1,11,5). Christus, der für alle Menschen gestorben ist, will, dass in seiner Kirche jedem, der sich von der Sünde abwendet, die Pforten zur Vergebung immer offenstehen [Vgl. Mt 18, 21–22] (Vgl. dazu auch 1463, 605)

983 Die Katechese soll sich bemühen, bei den Gläubigen den Glauben an das unschätzbare Geschenk zu wecken und lebendig zu erhalten, das der auferstandene Christus seiner Kirche gemacht hat: den Auftrag und die Vollmacht, durch den Dienst der Apostel und ihrer Nachfolger die Sünden wahrhaft zu vergeben (Vgl. dazu auch 1442):

„Der Herr will, dass seine Jünger eine gewaltige Macht haben; er will, dass seine armseligen Diener in seinem Namen all das vollziehen, was er gemacht hat, als er auf Erden war“ (Ambrosius, pcenit. 1,34) (Vgl. dazu auch 1465).

„Die Priester haben eine Vollmacht empfangen, die Gott weder den Engeln noch den Erzengeln gegeben hat ... Gott bestätigt dort oben alles, was die Priester auf dieser Erde tun“ (Johannes Chrysostomus, sac. 3,5).

„Gäbe es in der Kirche nicht die Sündenvergebung, so bestünde keine Hoffnung auf ein ewiges Leben und eine ewige Befreiung. Danken wir Gott, der seiner Kirche ein solches Geschenk gemacht hat“ (Augustinus, serm. 213,8).

KURZTEXTE

984 Das Credo bringt „die Vergebung der Sünden“ mit dem Bekenntnis des Glaubens an den Heiligen Geist in Verbindung. Der auferstandene Christus hat ja den Aposteln die Vollmacht, Sünden zu vergeben, anvertraut, als er ihnen den Heiligen Geist verlieh.

985 Die Taufe ist das erste und bedeutsamste Sakrament zur Sündenvergebung: sie vereint uns mit dem gestorbenen und auferstandenen Christus und spendet uns den Heiligen Geist.

986 Nach dem Willen Christi besitzt die Kirche die Vollmacht, den Getauften die Sünden zu vergeben. Sie übt diese Vollmacht durch die Bischöfe und Priester üblicherweise im Bußsakrament aus.

987 „Bei der Sündenvergebung sind der Priester und die Sakramente gleichsam nur die Werkzeuge, durch die Christus der Herr, der eigentliche Urheber und Spender des Heils, in uns die Vergebung der Sünden und die Gnade der Rechtfertigung bewirkt (Catech R 111 6).

ARTIKEL 11: „ICH GLAUBE ... DIE AUFERSTEHUNG DER TOTEN“

988 Das christliche Credo – das Bekenntnis unseres Glaubens an Gott den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist und an sein schöpferisches, erlösendes und heiligendes Wirken – gipfelt in der Verkündigung, dass die Toten am Ende der Zeiten auferstehen und dass es ein ewiges Leben gibt.

989 Wir glauben fest und hoffen zuversichtlich: Wie Christus wirklich von den Toten auferstanden ist und für immer lebt, so werden die Gerechten nach ihrem Tod für immer mit dem auferstandenen Christus leben und er wird sie am Letzten Tag auferwecken [Vgl. Joh 6,39–40]. Wie seine, so wird auch unsere Auferweckung das Werk der heiligsten Dreifaltigkeit sein (Vgl. dazu auch 655, 648).

„Wenn der Geist dessen in euch wohnt, der Jesus von den Toten auferweckt hat, dann wird er, der Christus Jesus von den Toten auferweckt hat, auch eure sterblichen Leiber lebendig machen, durch seinen Geist, der in euch wohnt“ (Röm 8,11) [Vgl. 1 Thess 4,14; 1 Kor 6,14; 2 Kor 4,14; Phil 3,10–11].

990 Der Ausdruck „Fleisch“ bezeichnet den Menschen in seiner Schwäche und Sterblichkeit [Vgl. Gen 6,3; Ps 56,5; Jes 40,6]. „Auferstehung des Fleisches“ (wie die Formulierung im apostolischen Glaubensbekenntnis wörtlich lautet) bedeutet somit, dass nach dem Tod nicht nur die unsterbliche Seele weiterlebt, sondern dass auch unsere „sterblichen Leiber“ (Röm 8,11) wieder lebendig werden (Vgl. dazu auch 364).

991 Der Glaube an die Auferstehung der Toten war von Anfang an ein wesentlicher Bestandteil des christlichen Glaubens. „Die Auferstehung der Toten ist die Zuversicht der Christen; im Glauben an sie existieren wir“ (Tertullian, res. 1,1) (Vgl. dazu auch 638):

„Wie können einige von euch sagen: eine Auferstehung der Toten gibt es nicht? Wenn es keine Auferstehung der Toten gibt, ist auch Christus nicht auferweckt worden. Ist aber Christus nicht auferweckt worden, dann ist unsere Verkündigung leer und euer Glaube sinnlos ... Nun aber ist Christus von den Toten auferweckt worden als der Erste der Entschlafenen“ (1 Kor 15, 12–14. 20).

I Die Auferstehung Christi und unsere Auferstehung

Die allmähliche Offenbarung der Auferstehung

992 Gott hat seinem Volk die Auferstehung von den Toten Schritt für Schritt geoffenbart. Die Hoffnung auf die leibliche Auferstehung der Toten setzte sich durch als eine Folgerung aus dem Glauben an einen Gott, der den ganzen Menschen, Seele und Leib, erschaffen hat. Auch hält der Schöpfer des Himmels und der Erde an seinem Bund mit Abraham und dessen Nachkommenschaft treu fest. Im Blick auf diese beiden Gegebenheiten beginnt sich der Glaube an die Auferstehung zu äußern (Vgl. dazu auch 297).

In ihrem Martyrium bekennen die Makkabäer: „Der König der Welt wird uns zu einem neuen, ewigen Leben auferwecken, weil wir für seine Gesetze gestorben sind“ (2 Makk 7,9). „Gott hat uns die Hoffnung gegeben, dass er uns wieder auferweckt. Darauf warten wir gern, wenn wir von Menschenhand sterben“ (2 Makk 7,14) [Vgl. 2 Makk 7,29; Dan 12. 1–13].

993 Die Pharisäer [Vgl. Apg 23,6] und viele Zeitgenossen des Herrn [Vgl. Joh 11,24] hatten die Hoffnung auf die Auferstehung. Jesus lehrt diese nachdrücklich. Den Sadduzäern, die sie leugnen, erwidert er: „Ihr irrt euch, ihr kennt weder die Schrift noch die Macht Gottes“ (Mk 12,24). Der Glaube an die Auferstehung der Toten beruht auf dem Glauben, dass Gott „nicht ein Gott von Toten, sondern von Lebenden“ ist (Mk 12,27) (Vgl. dazu auch 575, 205).

994 Jesus bindet den Glauben an die Auferstehung an seine Person: „Ich bin die Auferstehung und das Leben“ (Joh 11,25). Jesus selbst wird am Letzten Tag jene auferwecken, die an ihn geglaubt [Vgl. Joh 5,24–25; 6.40], die seinen Leib gegessen und sein Blut getrunken haben [Vgl. Joh 6,54]. Er gibt schon in seinem irdischen Leben ein Zeichen und eine Gewähr dafür, indem er einzelne Tote auferweckt [Vgl. Mk 5,21–42; Lk 7,11–17; Joh 11] und dadurch seine eigene Auferstehung ankündigt, die jedoch einer anderen Ordnung angehören wird. Von diesem einzigartigen Ereignis spricht er als vom „Zeichen des Propheten Jona“ (Mt 12,39), dem Zeichen des Tempels [Vgl. Joh 2,19–22]: Er kündigt an, er werde getötet werden, aber am dritten Tag danach auferstehen [Vgl. Mk 10,34] (Vgl. dazu auch 646, 652).

995 Zeuge Christi sein heißt „Zeuge seiner Auferstehung sein“ (Apg 1,22) [Vgl. Apg 4,33], „mit ihm nach seiner Auferstehung von den Toten gegessen und getrunken haben“ (Apg 10,41). Die christliche Auferstehungshoffnung ist ganz durch die Begegnungen mit dem auferstandenen Christus geprägt. Wir werden gleich ihm, mit ihm und durch ihn auferstehen (Vgl. dazu auch 860, 655).

996 Der christliche Auferstehungsglaube ist von Anfang an auf Unverständnis und Widerstand gestoßen [Vgl. Apg 17,32; 1 Kor 15,12–13]. „Der christliche Glaube stößt in keinem Punkt auf mehr Widerspruch als in bezug auf die Auferstehung des Fleisches“ (Augustinus, Psal. 88,2,5). Man nimmt allgemein an, dass das Leben der menschlichen Person nach dem Tod geistig weitergeht. Wie kann man aber glauben, dass dieser so offensichtlich sterbliche Leib zum ewigen Leben auferstehen wird? (Vgl. dazu auch 643)


Wie werden die Toten auferstehen?

997 Was heißt „auferstehen“? Im Tod, bei der Trennung der Seele vom Leib, fällt der Leib des Menschen der Verwesung anheim, während seine Seele Gott entgegengeht und darauf wartet, dass sie einst mit ihrem verherrlichten Leib wiedervereint wird. In seiner Allmacht wird Gott unserem Leib dann endgültig das unvergängliche Leben geben, indem er ihn kraft der Auferstehung Jesu wieder mit unserer Seele vereint (Vgl. dazu auch 366).

998 Wer wird auferstehen? Alle Menschen, die gestorben sind: „die das Gute getan haben, werden zum Leben auferstehen, die das Böse getan haben, zum Gericht“ (Joh 5, 29) [Vgl. Dan 12,2] (Vgl. dazu auch 1038).

999 Wie? Christus ist mit seinem eigenen Leib auferstanden: „Seht meine Hände und meine Füße an: Ich bin es selbst“ (Lk 24,39), aber er ist nicht in das irdische Leben zurückgekehrt. Desgleichen werden in ihm „alle ... mit ihren eigenen Leibern auferstehen, die sie jetzt tragen“ (4. K. im Lateran: DS 801). Ihr Leib wird aber in „die Gestalt [eines] verherrlichten Leibes“ verwandelt werden (Phil 3,21), in einen „überirdischen Leib“ (1 Kor 15,44) (Vgl. dazu auch 640, 645):

„Nun könnte einer fragen: Wie werden die Toten auferweckt? Was für einen Leib werden sie haben? Was für eine törichte Frage! Auch das, was du säst, wird nicht lebendig, wenn es nicht stirbt. Und was du säst, hat noch nicht die Gestalt, die entstehen wird; es ist nur ein nacktes Samenkorn ... Was gesät wird, ist verweslich, was auferweckt wird, unverweslich ... die Toten werden zur Unvergänglichkeit auferweckt ... Denn dieses Vergängliche muß sich mit Unvergänglichkeit bekleiden und dieses Sterbliche mit Unsterblichkeit“ (1 Kor 15,35–37. 42. 52–53) (Vgl. dazu auch 1405).

1000 Dieses „Wie“ übersteigt unsere Vorstellung und unser Verstehen; es ist uns nur im Glauben zugänglich. Der Empfang der Eucharistie gibt uns aber schon eine Vorahnung von der Verklärung unseres Leibes durch Christus (Vgl. dazu auch 647):

„Wie das von der Erde stammende Brot, wenn es die Anrufung Gottes empfängt, nicht mehr gewöhnliches Brot ist, sondern die Eucharistie, die aus zwei Elementen, einem irdischen und einem himmlischen besteht, so gehören auch unsere Leiber, wenn sie die Eucharistie empfangen, nicht mehr der Verweslichkeit an, sondern haben die Hoffnung auf Auferstehung“ (Irenäus, her. 4,18,5).

1001 Wann? Endgültig „am Letzten Tag“ (Joh 6, 39–40. 44. 54; 11,24), „am Ende der Welt“ (LG 48). Die Auferstehung der Toten ist nämlich eng mit der Wiederkunft Christi verbunden (Vgl. dazu auch 1038, 673)):

„Der Herr selbst wird vom Himmel herabkommen, wenn der Befehl ergeht, der Erzengel ruft und die Posaune Gottes erschallt. Zuerst werden die in Christus Verstorbenen auferstehen“ (1 Thess 4,16).


Mit Christus auferstanden

1002 Christus wird uns „am Letzten Tag“ auferwecken; andererseits sind wir aber schon in gewisser Weise mit Christus auferstanden. Durch den Heiligen Geist ist das christliche Leben schon jetzt auf Erden eine Teilhabe am Tod und an der Auferstehung Christi (Vgl. dazu auch 655):

„Mit Christus wurdet ihr in der Taufe begraben, mit ihm auch auferweckt, durch den Glauben an die Kraft Gottes, der ihn von den Toten auferweckt hat. ... Ihr seid mit Christus auferweckt, darum strebt nach dem, was im Himmel ist, wo Christus zur Rechten Gottes sitzt“ (Kol 2,12; 3,1).

1003 Die Gläubigen sind durch die Taufe mit Christus vereint und haben deshalb schon jetzt wirklich Anteil am himmlischen Leben des auferweckten Christus [Vgl. Phil 3,20]. Dieses Leben bleibt aber „mit Christus verborgen in Gott“ (Kol 3,3). „Er hat uns mit Christus Jesus auferweckt und uns zusammen mit ihm einen Platz im Himmel gegeben“ (Eph 2,6). Als in der Eucharistie mit seinem Leib Genährte gehören wir schon dem Leib Christi an. Wenn wir am Letzten Tag auferstehen, werden wir auch „mit ihm offenbar werden in Herrlichkeit“ (Kol 3,4) (Vgl. dazu auch 1227, 556, 2796).

1004 Im Harren auf diesen Tag haben Leib und Seele der Gläubigen schon jetzt teil an der Würde, „Christus anzugehören“. Deswegen sollen wir unseren Leib in Ehren halten, aber auch den Leib anderer, besonders der Leidenden (Vgl. dazu auch 364, 1397):

„Der Leib ist da ... für den Herrn, und der Herr für den Leib. Gott hat den Herrn auferweckt; er wird durch seine Macht auch uns erwecken. Wißt ihr nicht, dass eure Leiber Glieder Christi sind? ... Ihr gehört nicht euch selbst; … Verherrlicht also Gott in eurem Leib!“ (1 Kor 6,13–15.19–20).

II Sterben in Christus Jesus

1005 Um mit Christus aufzuerstehen, muß man mit Christus sterben; dazu ist es notwendig, „aus dem Leib auszuwandern und daheim beim Herrn zu sein“ (2 Kor 5,8). Bei diesem „Aufbrechen“ (Phil 1,23), beim Tod, wird die Seele vom Leib getrennt. Sie wird am Tag der Auferstehung der Toten wieder mit ihrem Leib vereint werden [Vgl. SPF 28] (Vgl. dazu auch 624, 650).


Der Tod

1006 „Angesichts des Todes wird das Rätsel des menschlichen Daseins am größten“ (GS 18). In einer bestimmten Hinsicht ist der leibliche Tod natürlich; für den Glauben aber ist er ein „Lohn der Sünde“ (Röm 6,23) [Vgl. Gen 2,17]. Und für jene, die in der Gnade Christi sterben, ist der Tod ein Hineingenommenwerden in den Tod des Herrn, um auch an seiner Auferstehung teilnehmen zu können [Vgl. Röm 6,3–9; Phil 3.10–11] (Vgl. dazu auch 164, 1500).

1007 Der Tod ist das Ende des irdischen Lebens. Unser Leben dauert eine gewisse Zeit, in deren Lauf wir uns verändern und altern. Unser Tod erscheint wie bei allen Lebewesen der Erde als natürliches Lebensende. Dieser Aspekt des Todes gibt unserem Leben etwas Dringliches: Das Wissen um die Sterblichkeit kann uns daran erinnern, dass uns zur Verwirklichung unseres Lebens nur eine beschränkte Frist zur Verfügung steht:

„Denk an deinen Schöpfer in deinen frühen Jahren ...‚ bevor der Staub auf die Erde zurückfällt als das, was er war, und der Atem zu Gott zurückkehrt, der ihn gegeben hat“ (Koh 12,1.7).

1008 Der Tod ist Folge der Sünde. Als authentischer Ausleger der Aussagen der Heiligen Schrift [Vgl. Gen 2,17; 3,3; 3,19; Weish 1,13; Röm 5,12; 6,23] und der Überlieferung lehrt das Lehramt der Kirche, dass der Tod in die Welt gekommen ist, weil der Mensch gesündigt hat [Vgl. DS 1511]. Obwohl der Mensch eine sterbliche Natur besaß, bestimmte ihn der Schöpfer nicht zum Sterben. Der Tod widerspricht somit den Ratschlüssen Gottes, des Schöpfers. Er hielt als Folge der Sünde in die Welt Einzug [Vgl. Weish 2,23–24]. „Der leibliche Tod, dem der Mensch, hätte er nicht gesündigt, entzogen gewesen wäre“ (GS 18), ist so der „letzte Feind“ des Menschen, der zu besiegen ist [Vgl. 1 Kor 15,26] (Vgl. dazu auch 401, 367).

1009 Der Tod ist durch Christus umgewandelt worden. Auch Jesus, der Sohn Gottes, hat den Tod, der zum menschlichen Dasein gehört, erlitten. Obwohl er vor ihm zurückschreckte [Vgl. Mk 14,33–34; Hebr 5,7–8], nahm er ihn in völliger und freier Unterwerfung unter den Willen seines Vaters auf sich. Der Gehorsam Jesu hat den Fluch, der auf dem Tod lag, in Segen verwandelt [Vgl. Röm 5,19–21] (Vgl. dazu auch 612).


Der Sinn des christlichen Todes (Vgl. dazu auch 1681 – 1690)

1010 Durch Christus hat der christliche Tod einen positiven Sinn. „Für mich ist Christus das Leben, und Sterben Gewinn“ (Phil 1,21). „Das Wort ist glaubwürdig: Wenn wir mit Christus gestorben sind, werden wir auch mit ihm leben“ (2 Tim 2,11). Das wesentlich Neue am christlichen Tod liegt darin: Durch die Taufe ist der Christ sakramental schon „mit Christus gestorben“, um aus einem neuen Leben zu leben. Wenn wir in der Gnade Christi sterben, vollendet der leibliche Tod dieses „Sterben mit Christus“ und vollzieht so endgültig unsere Eingliederung in ihn durch seine Erlösungstat (Vgl. dazu auch 1220):

„Besser ist es für mich, zu sterben auf Christus hin, als König zu sein über die Enden der Erde. Jenen suche ich, der für uns starb; jenen will ich, der unsertwegen auferstand. Das Gebären steht mir bevor ... Lasst mich reines Licht empfangen! Dort angekommen, werde ich Mensch sein“ (Ignatius v. Antiochien, Rom. 6,1–2).

1011 Im Tod ruft Gott den Menschen zu sich. Darum kann sich der Christ ähnlich wie Paulus nach dem Tod sehnen: „Ich sehne mich danach, aufzubrechen und bei Christus zu sein“ (Phil 1,23). Und er kann, nach dem Beispiel Christi, seinen Tod zu einem Akt des Gehorsams und der Liebe zum Vater machen [Vgl. Lk 23,46] (Vgl. dazu auch 1025).

„Mein irdisches Verlangen ist gekreuzigt ... In mir ist lebendiges und redendes Wasser, das murmelt und in mir sagt: Auf zum Vater!“ (Ignatius v. Antiochien, Rom. 7,2).

„Ich will Gott sehen, und um ihn zu sehen, muß man sterben“ (Theresa v. Jesus, vida 1).

„Ich sterbe nicht; ich gehe ins Leben ein“ (Theresia vom Kinde Jesu, verba).

1012 Die christliche Sicht des Todes [Vgl. 1 Thess 4,13–14] wird in der Liturgie der Kirche besonders gut ausgedrückt:

„Deinen Gläubigen, o Herr, wird das Leben gewandelt, nicht genommen. Und wenn die Herberge der irdischen Pilgerschaft zerfällt, ist uns im Himmel eine ewige Wohnung bereitet“ (MR, Präfation von den Verstorbenen).

1013 Der Tod ist das Ende der irdischen Pilgerschaft des Menschen, der Zeit der Gnade und des Erbarmens, die Gott ihm bietet, um sein Erdenleben nach dem Plane Gottes zu leben und über sein letztes Schicksal zu entscheiden. „Wenn unser einmaliger irdischer Lebenslauf erfüllt ist“ (LG 48), kehren wir nicht mehr zurück, um noch weitere Male auf Erden zu leben. Es ist „dem Menschen bestimmt“, „ein einziges Mal zu sterben“ (Hebr 9,27). Nach dem Tod gibt es keine „Reinkarnation“.

1014 Die Kirche ermutigt uns, uns auf die Stunde des Todes vorzubereiten (,‚Von einem plötzlichen Tode erlöse uns, o Herr!“: Allerheiligenlitanei), die Gottesmutter zu bitten, „in der Stunde unseres Todes“ für uns einzutreten (Gebet „Ave Maria“) und uns dem hl. Josef, dem Patron der Sterbenden, anzuvertrauen (Vgl. dazu auch 2676 – 2677):

„In allen deinen Handlungen, in allen deinen Gedanken solltest du dich so verhalten, als ob du heute sterben müsstest. Wenn du ein gutes Gewissen hättest, würdest du den Tod nicht sehr fürchten. Es wäre besser, sich vor der Sünde zu hüten, als vor dem Tod zu flüchten. Falls du heute nicht bereit bist, wirst du es dann morgen sein?“ (Nachfolge Christi 1,23,1).

„Gelobt seist du, Herre mein, durch unsern Bruder, den leiblichen Tod; ihm kann kein lebender Mensch entrinnen. Wehe denen, die sterben in tödlicher Sünde! Selig, die er in deinem heiligsten Willen findet! Denn sie versehrt nicht der zweite Tod“ (Franz von Assisi, Sonnengesang).

KURZTEXTE

1015 „Caro salutis est cardo – Das Fleisch ist der Angelpunkt des Heils“ (Tertullian res 8 2) Wir glauben an Gott, den Schöpfer des Fleisches; wir glauben an das Wort, das Fleisch geworden ist, um das Fleisch zu erlösen; wir glauben an die Auferstehung des Fleisches, in der sich die Schöpfung und die Erlösung des Fleisches vollenden.

1016 Durch den Tod wird die Seele vom Leibe getrennt; in der Auferstehung aber wird Gott unserem verwandelten Leib das unvergängliche Leben geben, indem er ihn wieder mit unserer Seele vereint. Wie Christus auferstanden ist und immerdar lebt, so werden wir alle am Letzten Tag auferstehen.

1017 „Wir glauben die wahre Auferstehung dieses Fleisches, das wir jetzt tragen“ (DS 8.4) Ins Grab gesät wird ein verweslicher Leib, auferstehen wird ein unverweslicher Leib [Vgl. 1 Kor 15,42], ein „geistlicher Leib“ (1 Kor 15,44).

1018 Infolge der Erbsünde muß der Mensch den leiblichen Tod erleiden, dem er, „hätte er nicht gesündigt, entzogen gewesen wäre“ (GS 18).

1019 Jesus, der Sohn Gottes, hat für uns freiwillig den Tod erlitten in einer völligen und freien Unterwerfung unter den Willen Gottes, seines Vaters. Durch seinen Tod hat er den Tod besiegt und so allen Menschen den Zugang zum Heil erschlossen.

ARTIKEL 12: „ICH GLAUBE ... DAS EWIGE LEBEN“

1020 Der Christ, der sein Sterben mit dem Sterben Jesu vereint, versteht den Tod als ein Kommen zu Jesus und als Eintritt in das ewige Leben. Wenn die Kirche über den sterbenden Christen zum letzten Mal im Namen Christi die Lossprechungsworte gesprochen, ihn zum letzten Mal mit einer stärkenden Salbung besiegelt und ihm in der Wegzehrung Christus als Nahrung für die Reise gespendet hat, sagt sie zu ihm mit sanfter Bestimmtheit (Vgl. dazu auch 1523 – 1525):

„Mache dich auf den Weg, Bruder (Schwester) in Christus, im Namen Gottes, des allmächtigen Vaters, der dich erschaffen hat; im Namen Jesu Christi, des Sohnes des lebendigen Gottes, der für dich gelitten hat; im Namen des Heiligen Geistes, der über dich ausgegossen worden ist. Heute noch sei dir im Frieden deine Stätte bereitet, deine Wohnung bei Gott im heiligen Zion, mit der seligen Jungfrau und Gottesmutter Maria, mit dem heiligen Josef und mit allen Engeln und Heiligen Gottes ... Kehre heim zu deinem Schöpfer, der dich aus dem Staub der Erde gebildet hat. Wenn du aus diesem Leben scheidest, eile Maria dir entgegen mit allen Engeln und Heiligen ... Deinen Erlöser sollst du sehen von Angesicht zu Angesicht . . .„ (Sterbegebet, „Commendatio animæ“)(Vgl. dazu auch 2677, 336).

I Das besondere Gericht

1021 Der Tod setzt dem Leben des Menschen, das heißt der Zeit, in der dieser die in Christus geoffenbarte göttliche Gnade [Vgl. 2 Tim 1,9–10] annehmen oder zurückweisen kann, ein Ende. Das Neue Testament spricht vom Gericht hauptsächlich im Blick auf die endgültige Begegnung mit Christus bei seinem zweiten Kommen. Es sagt aber auch wiederholt, dass einem jeden unmittelbar nach dem Tod entsprechend seinen Werken und seinem Glauben vergolten wird. Das Gleichnis vom armen Lazarus [Vgl. Lk 16,22] und das Wort, das Christus am Kreuz zum guten Schächer sagte [Vgl. Lk 23,43], sowie weitere Texte des Neuen Testaments [Vgl. 2 Kor 5,8; Phil 1,23; Hebr 9,27; 12,23] sprechen von einem letzten Schicksal der Seele [Vgl. Mt 16,26], das für die einzelnen Menschen unterschiedlich sein kann (Vgl. dazu auch 1038, 679).

1022 Jeder Mensch empfängt im Moment des Todes in seiner unsterblichen Seele die ewige Vergeltung. Dies geschieht in einem besonderen Gericht, das sein Leben auf Christus bezieht – entweder durch eine Läuterung [Vgl. K. v. Lyon: DS 857–858; K. v. Florenz: DS 1304–1306; K. v. Trient: DS 1820] hindurch oder indem er unmittelbar in die himmlische Seligkeit eintritt [Vgl. Benedikt XII.: DS 1000–1001; Johannes XXII.: DS 990] oder indem er sich selbst sogleich für immer verdammt [Vgl. Benedikt XII.: DS 10] (Vgl. dazu auch 393).

„Am Abend unseres Lebens werden wir nach unserer Liebe gerichtet werden“ (Johannes vom Kreuz, dichos 64) (Vgl. dazu auch 1470).

II Der Himmel

1023 Die in der Gnade und Freundschaft Gottes sterben und völlig geläutert sind, leben für immer mit Christus. Sie sind für immer Gott ähnlich, denn sie sehen ihn, „wie er ist“ (1 Joh 3,2), von Angesicht zu Angesicht [Vgl. 1 Kor 13,12; Offb 22,4] (Vgl. dazu auch 954).

„Wir definieren kraft Apostolischer Autorität, dass nach allgemeiner Anordnung Gottes die Seelen aller Heiligen ... und anderer Gläubigen, die nach der von ihnen empfangenen heiligen Taufe Christi verstorben sind, in denen es nichts zu reinigen gab, als sie dahinschieden, ... oder wenn es in ebendiesen damals etwas zu reinigen gab oder geben wird, wenn sie nach ihrem Tod gereinigt wurden, auch vor der Wiederannahme ihrer Leiber und dem allgemeinen Gericht nach dem Aufstieg unseres Erlösers und Herrn Jesus Christus in den Himmel, das Himmelreich und das himmlische Paradies mit Christus in der Gemeinschaft der heiligen Engel versammelt waren, sind und sein werden, und nach dem Leiden und Tod des Herrn Jesus Christus das göttliche Wesen in einer unmittelbaren Schau und auch von Angesicht zu Angesicht geschaut haben und schauen – ohne Vermittlung eines Geschöpfes“ (Benedikt XII.: DS 1000) [Vgl. LG 49].

1024 Dieses vollkommene Leben mit der allerheiligsten Dreifaltigkeit, diese Lebens– und Liebesgemeinschaft mit ihr, mit der Jungfrau Maria, den Engeln und allen Seligen wird „der Himmel“ genannt. Der Himmel ist das letzte Ziel und die Erfüllung der tiefsten Sehnsüchte des Menschen, der Zustand höchsten, endgültigen Glücks (Vgl. dazu auch 260, 326, 2794, 1718).

1025 Im Himmel leben heißt „mit Christus sein“[Vgl. Joh 14,3; Phil 1,23; 1 Thess 4,17]. Die Auserwählten leben „in ihm“, behalten oder, besser gesagt, finden dabei jedoch ihre wahre Identität, ihren eigenen Namen [Vgl. Offb 2,17] (Vgl. dazu auch 1011):

„Leben heißt mit Christus sein; wo Christus ist, da ist somit das Leben, da das Reich“ (Ambrosius, Luc. 10, 121).

1026 Durch seinen Tod und seine Auferstehung hat uns Jesus Christus den Himmel „geöffnet“. Das Leben der Seligen besteht im Vollbesitz der Früchte der Erlösung durch Christus. Dieser läßt jene, die an ihn geglaubt haben und seinem Willen treu geblieben sind, an seiner himmlischen Verherrlichung teilhaben. Der Himmel ist die selige Gemeinschaft all derer, die völlig in ihn eingegliedert sind (Vgl. dazu auch 793).

1027 Dieses Mysterium der seligen Gemeinschaft mit Gott und all denen, die in Christus sind, geht über jedes Verständnis und jede Vorstellung hinaus. Die Schrift spricht zu uns davon in Bildern, wie Leben, Licht, Frieden, festliches Hochzeitsmahl, Wein des Reiches, Haus des Vaters, himmlisches Jerusalem und Paradies: „Was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat, was keinem Menschen in den Sinn gekommen ist; das Große, das Gott denen bereitet hat, die ihn lieben“ (1 Kor 2,9) (Vgl. dazu auch 959, 1720).

1028 Da Gott unendlich erhaben ist, kann er nur dann gesehen werden, wie er ist, wenn er selbst den Menschen sein Mysterium unmittelbar schauen läßt und ihn dazu befähigt. Diese Schau Gottes in seiner himmlischen Herrlichkeit wird von der Kirche „die beseligende Schau“ [visio beatifica] genannt (Vgl. dazu auch 1722,163).

„Welcher Ruhm, welche Lust wird es sein, wenn du zugelassen wirst, um Gott zu schauen, wenn du der Ehre gewürdigt wirst, mit Christus, deinem Herrn und Gott, die Freude des ewigen Heils und Lichts zu genießen ...‚ mit den Gerechten und Freunden Gottes im Himmelreich dich der Wonne der verliehenen Unsterblichkeit zu freuen!“ (Cyprian, ep. 58, 10,1).

1029 In der Herrlichkeit des Himmels erfüllen die Seligen weiterhin mit Freude den Willen Gottes. Sie tun dies auch in bezug auf die anderen Menschen und die gesamte Schöpfung, indem sie mit Christus herrschen; mit ihm werden sie „herrschen in alle Ewigkeit“ (Offb 22,5) [Vgl. Mt 25,21.23] (Vgl. dazu auch 956, 668).

III Die abschließende Läuterung - das Purgatorium

1030 Wer in der Gnade und Freundschaft Gottes stirbt, aber noch nicht vollkommen geläutert ist, ist zwar seines ewigen Heiles sicher, macht aber nach dem Tod eine Läuterung durch, um die Heiligkeit zu erlangen, die notwendig ist, in die Freude des Himmels eingehen zu können.

1031 Die Kirche nennt diese abschließende Läuterung der Auserwählten, die von der Bestrafung der Verdammten völlig verschieden ist, Purgatorium [Fegefeuer]. Sie hat die Glaubenslehre in bezug auf das Purgatorium vor allem auf den Konzilien von Florenz [Vgl. DS 1304] und Trient [Vgl. DS 1820; 1580] formuliert. Im Anschluss an gewisse Schrifttexte [Vgl. z.B. 1 Kor 3,15, 1 Petr 1,7] spricht die Überlieferung der Kirche von einem Läuterungsfeuer (Vgl. dazu auch 954, 1472):

„Man muß glauben, dass es vor dem Gericht für gewisse leichte Sünden noch ein Reinigungsfeuer gibt, weil die ewige Wahrheit sagt, dass, wenn jemand wider den Heiligen Geist lästert, ihm ‚weder in dieser noch in der zukünftigen Welt‘ vergeben wird (Mt 12,32). Aus diesem Ausspruch geht hervor, dass einige Sünden in dieser, andere in jener Welt nachgelassen werden können“ (Gregor d. Gr., dial. 4,39).

1032 Diese Lehre stützt sich auch auf die Praxis, für die Verstorbenen zu beten, von der schon die Heilige Schrift spricht: „Darum veranstaltete [Judas der Makkabäer] das Sühnopfer für die Verstorbenen, damit sie von der Sünde befreit werden“ (2 Makk 12,45). Schon seit frühester Zeit hat die Kirche das Andenken an die Verstorbenen in Ehren gehalten und für sie Fürbitten und insbesondere das eucharistische Opfer [Vgl. DS 856] dargebracht, damit sie geläutert werden und zur beseligenden Gottesschau gelangen können. Die Kirche empfiehlt auch Almosen, Ablässe und Bußwerke zugunsten der Verstorbenen (Vgl. dazu auch 958, 1371, 1479).

„Bringen wir ihnen Hilfe und halten wir ein Gedächtnis an sie. Wenn doch die Söhne Ijobs durch das von ihrem Vater dargebrachte Opfer geläutert wurden [Vgl. Ijob 1,5], wie sollten wir dann daran zweifeln, dass unsere Opfergaben für die Toten ihnen Trost bringen? Zögern wir nicht, den Verstorbenen Hilfe zu bringen und unsere Gebete für sie aufzuopfern“ (Johannes Chrysostomus, horn. in 1 Cor. 41,5).

IV Die Hölle

1033 Wir können nicht mit Gott vereint werden, wenn wir uns nicht freiwillig dazu entscheiden, ihn zu lieben. Wir können aber Gott nicht lieben, wenn wir uns gegen ihn, gegen unseren Nächsten oder gegen uns selbst schwer versündigen: „Wer nicht liebt, bleibt im Tod. Jeder, der seinen Bruder haßt, ist ein Mörder, und ihr wißt: Kein Mörder hat ewiges Leben, das in ihm bleibt“ (1 Joh 3,14–15). Unser Herr macht uns darauf aufmerksam, dass wir von ihm getrennt werden, wenn wir es unterlassen, uns der schweren Nöte der Armen und Geringen, die seine Brüder und Schwestern sind, anzunehmen [Vgl. Mt 25,31–46]. In Todsünde sterben, ohne diese bereut zu haben und ohne die barmherzige Liebe Gottes anzunehmen, bedeutet, durch eigenen freien Entschluss für immer von ihm getrennt zu bleiben. Diesen Zustand der endgültigen Selbstausschließung aus der Gemeinschaft mit Gott und den Seligen nennt man „Hölle“ (Vgl. dazu auch 1861, 393, 633).

1034 Jesus spricht öfters von der „Gehenna“ des „unauslöschlichen Feuers“ [Vgl. Mt 5,22. 29; 13, 42. 50; Mk 9,43–48], die für jene bestimmt ist, die bis zum Ende ihres Lebens sich weigern, zu glauben und sich zu bekehren, und wohin zugleich Seele und Leib ins Verderben geraten können [Vgl. Mt 10,28]. Jesus kündigt in ernsten Worten an, dass er „seine Engel aussenden“ wird, die „alle zusammenholen, die andere verführt und Gottes Gesetz übertreten haben, und ... in den Ofen werfen, in dem das Feuer brennt“ (Mt 13,41–42), und dass er das Verdammungsurteil sprechen wird: „Weg von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer!“ (Mt 25,41).

1035 Die Lehre der Kirche sagt, dass es eine Hölle gibt und dass sie ewig dauert. Die Seelen derer, die im Stand der Todsünde sterben, kommen sogleich nach dem Tod in die Unterwelt, wo sie die Qualen der Hölle erleiden, „das ewige Feuer“ [Vgl. DS 76; 409; 411; 801; 858; 1002; 1351; 1575; SPF 12]. Die schlimmste Pein der Hölle besteht in der ewigen Trennung von Gott, in dem allein der Mensch das Leben und das Glück finden kann, für die er erschaffen worden ist und nach denen er sich sehnt (Vgl. dazu auch 393).

1036 Die Aussagen der Heiligen Schrift und die Lehren der Kirche über die Hölle sind eine Mahnung an den Menschen, seine Freiheit im Blick auf sein ewiges Schicksal verantwortungsvoll zu gebrauchen. Sie sind zugleich ein eindringlicher Aufruf zur Bekehrung: „Geht durch das enge Tor! Denn das Tor ist weit, das ins Verderben führt, und der Weg dahin ist breit, und viele gehen auf ihm. Aber das Tor, das zum Leben führt, ist eng, und der Weg dahin ist schmal, und nur wenige finden ihn“ (Mt 7,13–14) (Vgl. dazu auch 1734, 1428).

„Da wir weder Tag noch Stunde wissen, müssen wir auf die Ermahnung des Herrn hin standhaft wachen, damit wir, wenn unser einmaliger irdischer Lebenslauf erfüllt ist, mit ihm zur Hochzeit einzutreten und den Gesegneten zugezählt zu werden verdienen und uns nicht wie bösen und faulen Knechten geheißen wird, ins ewige Feuer zu weichen, in die Finsternis draußen, wo ‚Heulen und Zähneknirschen sein wird’“ (LG 48).

1037 Niemand wird von Gott dazu vorherbestimmt, in die Hölle zu kommen [Vgl. DS 397; 1567]; nur eine freiwillige Abkehr von Gott (eine Todsünde), in der man bis zum Ende verharrt, führt dazu. Bei der Eucharistiefeier und in den täglichen Gebeten ihrer Gläubigen erfleht die Kirche das Erbarmen Gottes, der „nicht will, dass jemand zugrunde geht, sondern dass alle sich bekehren“ (2 Petr3,9) (Vgl. dazu auch 162, 1014, 1821):

„Nimm gnädig an, o Gott, dieses Opfer deiner Diener und deiner ganzen Gemeinde; ordne unsere Tage in deinem Frieden, rette uns vor dem ewigen Verderben und nimm uns auf in die Schar deiner Erwählten“ (MR, Römisches Hochgebet 88).

V Das Letzte Gericht

(Vgl. dazu auch 678 – 679)

1038 Auf die Auferstehung aller Toten, „der Gerechten und Ungerechten“ (Apg 24,15), wird das Letzte Gericht folgen. Das ist dann die Stunde, „in der alle, die in den Gräbern sind, [die] Stimme [des Sohnes Gottes] hören und herauskommen werden: Die das Gute getan haben, werden zum Leben auferstehen, die das Böse getan haben, zum Gericht“ (Joh 5,28–29). Dann wird „der Menschensohn in seiner Herrlichkeit [kommen] und alle Engel mit ihm ... Und alle Völker werden vor ihm zusammengerufen werden, und er wird sie voneinander scheiden, wie der Hirt die Schafe von den Böcken scheidet. Er wird die Schafe zu seiner Rechten versammeln, die Böcke aber zur Linken ... Und sie werden weggehen und die ewige Strafe erhalten, die Gerechten aber das ewige Leben“ (Mt 25,31.32–33.46) (Vgl. dazu auch 1001, 998).

1039 Im Angesicht Christi, der die Wahrheit ist, wird die wahre Beziehung jedes Menschen zu Gott endgültig offengelegt werden [Vgl. Joh 12,49]. Das Letzte Gericht wird bis in die äußersten Folgen an den Tag bringen, was jeder während seines Erdenlebens an Gutem getan oder nicht getan hat (Vgl. dazu auch 678).

„Alles Üble, das die Bösen tun, wird verzeichnet – und sie wissen es nicht. Am Tag, an dem ‚Gott nicht schweigen wird‘ (Ps 50,3) ... [wird er sich an die Bösen wenden] und zu ihnen sagen: ‚Ich hatte für euch meine kleinen Armen auf die Erde gesetzt. Ich, ihr Haupt, thronte im Himmel zur Rechten meines Vaters – aber auf Erden hatten meine Glieder Hunger. Wenn ihr meinen Gliedern zu essen gegeben hättet, wäre eure Gabe bis zum Haupte gelangt. Als ich meinen kleinen Armen einen Platz auf der Erde zuwies, setzte ich sie zu Boten ein, um eure guten Werke in meine Schatzkammer zu bringen. Ihr habt nichts in ihre Hände gelegt, darum besitzt ihr bei mir nichts“ (Augustinus, serm. 18,4,4).

1040 Das Letzte Gericht wird bei der herrlichen Wiederkunft Christi stattfinden. Der Vater allein weiß den Tag und die Stunde, er allein entscheidet, wann es eintreten wird. Dann wird er durch seinen Sohn Jesus Christus sein endgültiges Wort über die ganze Geschichte sprechen. Wir werden den letzten Sinn des ganzen Schöpfungswerkes und der ganzen Heilsordnung erkennen und die wunderbaren Wege begreifen, auf denen Gottes Vorsehung alles zum letzten Ziel geführt hat. Das Letzte Gericht wird zeigen, dass die Gerechtigkeit Gottes über alle Ungerechtigkeiten, die von seinen Geschöpfen verübt wurden, siegt und dass seine Liebe stärker ist als der Tod [Vgl. HId 8,6] (Vgl. dazu auch 637, 314).

1041 Die Botschaft vom Letzten Gericht ruft die Menschen auf, sich zu bekehren, so lange Gott ihnen noch „Zeit der Gnade“, einen „Tag der Rettung“ (2 Kor 6,2) schenkt. Sie führt zu heiliger Gottesfurcht. Sie verpflichtet zur Gerechtigkeit des Reiches Gottes. Sie kündigt die „selige Hoffnung“ (Tit 2,13) auf die Wiederkunft des Herrn an, der kommen wird, „um inmitten seiner Heiligen gefeiert und im Kreis all derer bewundert zu werden, die den Glauben angenommen haben“ (2 Thess 1,10) (Vgl. dazu auch 1432, 2854).

VI Die Hoffnung auf den neuen Himmel und die neue Erde

1042 Am Ende der Zeiten wird das Reich Gottes vollendet sein. Nach dem allgemeinen Gericht werden die Gerechten, an Leib und Seele verherrlicht, für immer mit Christus herrschen, und auch das Weltall wird erneuert werden (Vgl. dazu auch 769, 670).

.„Die Kirche ... wird erst in der himmlischen Herrlichkeit vollendet werden ... wenn zusammen mit dem Menschengeschlecht auch die gesamte Welt, die mit dem Menschen innigst verbunden ist und durch ihn auf ihr Ziel zugeht, vollkommen in Christus erneuert werden wird“ (LG 48) (Vgl. dazu auch 310).

1043 Die Schrift bezeichnet diese geheimnisvolle Erneuerung, die Menschheit und die Welt umgestalten wird, als „neuen Himmel und neue Erde“ (2 Petr 3,13) [Vgl. Offb 21,1]. Der Ratschluss Gottes, „das All in Christus wieder unter ein Haupt zu fassen, alles, was im Himmel und auf Erden ist“ (Eph 1,10), wird sich dann endgültig verwirklichen (Vgl. dazu auch 671, 518, 280).

1044 Wenn Gott „alles neu“ macht (Offb 21,5), im himmlischen Jerusalem, wird er seine Wohnung unter den Menschen haben. „Er wird alle Tränen von ihren Augen abwischen: Der Tod wird nicht mehr sein, keine Trauer, keine Klage, keine Mühsal. Denn was früher war, ist vergangen“ (Offb 21,4) [Vgl. Offb 21,27].

1045 Für den Menschen wird in dieser Vollendung voll und ganz die Einheit des Menschengeschlechtes hergestellt sein, die von Gott seit der Welterschaffung gewollt wurde und deren „Sakrament“ gleichsam die pilgernde Kirche war (LG 1). Die mit Christus Vereinten werden die Gemeinschaft der Erlösten bilden, „die heilige Stadt“ (Offb 21,2) Gottes, „die Frau des Lammes“ (Offb 21,9). Diese wird nicht mehr unter der Sünde, den Unreinheiten [Vgl. Offb 21,27], der Eigenliebe, die irdische Gemeinschaft der Menschen zerstören oder verwunden, zu leiden haben. Die beseligende Schau, in der sich Gott den Auserwählten unerschöpflich öffnet, wird die nie versiegende Quelle von Glück, Frieden und Gemeinschaft sein (Vgl. dazu auch 775, 1404).

1046 Was den Kosmos angeht, so besteht nach der Offenbarung zwischen der materiellen Welt und dem Menschen eine tiefe Schicksalsgemeinschaft:

„Die ganze Schöpfung wartet sehnsüchtig auf das Offenbarwerden der Söhne Gottes ... Zugleich gab [Gott] ihr Hoffnung: auch die Schöpfung soll von der Sklaverei und Verlorenheit befreit werden ... Denn wir wissen, dass die gesamte Schöpfung bis zum heutigen Tag seufzt und in Geburtswehen liegt. Aber auch wir, obwohl wir als Erstlingsgabe den Geist haben, seufzen in unserem Herzen und warten darauf, dass wir mit der Erlösung unseres Leibes als Söhne offenbar werden“ (Röm 8,19–23) (Vgl. dazu auch 349).

1047 Das sichtbare Universum ist somit ebenfalls dazu bestimmt, umgewandelt zu werden, „damit die Welt, in ihren anfänglichen Zustand zurückversetzt, nunmehr unbehindert im Dienst der Gerechten stehe“ (Irenäus, hær. 5,32,1) und so an deren Verherrlichung im auferstandenen Jesus Christus teilhabe.

1048 „Den Zeitpunkt der Vollendung der Erde und der Menschheit kennen wir nicht, und auch die Weise wissen wir nicht, wie das Universum umgestaltet werden soll. Es vergeht zwar die Gestalt dieser Welt, die durch die Sünde missgestaltet ist, aber wir werden belehrt, dass Gott eine neue Wohnstätte und eine neue Erde bereitet, auf der die Gerechtigkeit wohnt und deren Seligkeit alle Friedenssehnsüchte, die in den Herzen der Menschen emporsteigen, erfüllen und übertreffen wird“ (GS 39,1) (Vgl. dazu auch 673).

1049 „Dennoch darf die Erwartung der neuen Erde die Sorge für die Gestaltung dieser Erde nicht abschwächen, wo der Leib der neuen Menschheitsfamilie wächst, der schon eine umrißhafte Vorstellung von der neuen Welt bieten kann, sondern muß sie vielmehr ermutigen. Deshalb hat der irdische Fortschritt, obwohl er eindeutig vom Wachstum des Reiches Christi zu unterscheiden ist, dennoch große Bedeutung für das Reich Gottes, insofern er zu einer besseren Ordnung der menschlichen Gesellschaft beitragen kann“ (GS 39,2) (Vgl. dazu auch 2820).

1050 „Wenn wir nämlich die Güter der menschlichen Würde, brüderlichen Gemeinschaft und Freiheit – dies alles [sind] ja Güter der Natur und Früchte unseres Bemühens – im Geist des Herrn und gemäß seinem Gebot auf Erden gemehrt haben, werden wir sie später wiederfinden, jedoch gereinigt von jedem Makel, lichtvoll und verklärt, wenn Christus dem Vater ein ewiges und allumfassendes Reich übergeben wird“ (GS 39,3) [Vgl. LG 2]. Dann, im ewigen Leben, wird „Gott alles in allen“ sein (1 Kor 15,28) (Vgl. dazu auch 1709, 260).

„Der Vater ist seinem Wesen nach und in Wahrheit das Leben. Über alles gießt er durch seinen Sohn und im Heiligen Geist seine himmlischen Gaben aus. Das ewige Leben aber hat er in seiner Menschenfreundlichkeit uns Menschen untrüglich verheißen“ (Cyrill v. Jersualem, catech. ill. 18,29).

KURZTEXTE

1051 In seiner unsterblichen Seele erhält jeder Mensch gleich nach dem Tod durch Christus, den Richter der Lebenden und der Toten, in einem besonderen Gericht seine ewige Vergeltung.

1052 „Wir glauben, dass die Seelen aller, die in der Gnade Christi sterben, ... das Volk Gottes bilden nach dem Tod, der am Tag der Auferstehung, da die Seelen mit ihren Leibern wieder vereinigt werden, endgültig besiegt wird“ (SPF 28).

1053 „Wir glauben, dass die große Schar derer, die mit Jesus und Maria im Paradies vereinigt sind, die himmlische Kirche bildet. Dort schauen sie in ewiger Glückseligkeit Gott so, wie er ist. Dort sind sie auch, verschieden dem Grad und der Art nach, Teilhaber jener göttlichen Herrschaft, die der verherrlichte Christus ausübt, zusammen mit den heiligen Engeln. Sie legen für uns Fürsprache ein und helfen uns in unserer Schwachheit durch ihre brüderliche Sorge“ (SPF 29).

1054 Die in der Gnade und Freundschaft Gottes sterben, aber noch nicht ganz geläutert sind, sind zwar ihres ewigen Heils sicher, machen aber nach dem Tod noch eine Läuterung durch, damit sie zur Heiligkeit gelangen, die notwendig ist, um in die Freude Gottes einzutreten.

1055 Kraft der „Gemeinschaft der Heiligen“ empfiehlt die Kirche die Verstorbenen der Barmherzigkeit Gottes an und bringt für sie Fürbitten dar, insbesondere das heilige eucharistische Opfer.

1056 Dem Beispiel Christi folgend macht die Kirche die Gläubigen auf die „traurige, beklagenswerte Wirklichkeit des ewigen Todes“ (DCG 69) aufmerksam, die man auch „Hölle“ nennt.

1057 Die schlimmste Qual der Hölle besteht im ewigen Getrenntsein von Gott. Einzig in Gott kann ja der Mensch das Leben und das Gluck finden. Dafür ist er geschaffen und das ist seine Sehnsucht.

1058 Die Kirche betet darum, dass niemand verlorengeht: „Herr, lass nicht zu dass ich je von dir getrennt werde!“ Zwar kann niemand sich selbst retten, aber Gott „will, dass alle Menschen gerettet weiden“ (1 Tim 2 4) und für ihn „ist alles möglich“ (Mt 19 26).

1059 „Die hochheilige Römische Kirche glaubt fest und behauptet fest, dass ... am Tage des Gerichtes alle Menschen mit ihren Leibern vor dem Richterstuhl Christi erscheinen werden, um über ihre Taten Rechen schaft abzulegen“ (DS 859) [Vgl. DS 1549]

1060 Am Ende der Zeiten wird das Reich Gottes zu seiner Vollendung gelangen. Dann werden die Gerechten, an Leib und Seele verherrlicht, für immer mit Christus herrschen und auch das materielle Universum wird umgestaltet werden. Gott wird dann im ewigen Leben „alles in allen“ sein (1 Kor 15 28).


„AMEN“

1061 Wie das letzte Buch der Heiligen Schrift [Vgl. Offb 22,21], schließt auch das Credo mit dem hebräischen Wort „Amen“. Dieses findet sich öfters am Ende der Gebete des Neuen Testamentes. Desgleichen schließt die Kirche ihre Gebete mit „Amen“ ab (Vgl. dazu auch 2856).

1062 Das hebräische Wort „Amen“ hängt mit der gleichen Wortwurzel zusammen wie das Wort „glauben“. Diese bedeutet Festigkeit, Verläßlichkeit, Treue. So versteht man, dass das Amen Treue Gottes zu uns und unser Vertrauen in ihn bedeutet (Vgl. dazu auch 214).

1063 Beim Propheten Jesaja findet sich der Ausdruck „Gott der Wahrheit“, wörtlich „Gott des Amen“, das heißt der Gott, der seinen Verheißungen treu bleibt: „Wer sich segnet im Land, wird sich Segen wünschen von Gott, dem Getreuen“ (Jes 65,16). Unser Herr verwendet das Wort „Amen“ oft [Vgl. Mt 6,2.5. 16], manchmal in Verdoppelung [Vgl. Joh 5,19], um die Zuverlässigkeit seiner Lehre, seine auf der Wahrheit Gottes gründende Autorität zu betonen (Vgl. dazu auch 215, 156).

1064 Das „Amen“ am Schluss des Credo greift somit die zwei ersten Worte – „Ich glaube“ – wieder auf und bekräftigt sie: Glauben heißt, zu den Worten, den Verheißungen, den Geboten Gottes „Amen“ sagen, sich ganz auf den verlassen, der das Amen unendlicher Liebe und vollkommener Treue ist. Das christliche Alltagsleben wird dann das „Amen“ auf das „Ich glaube“ des Glaubensbekenntnisses unserer Taufe sein (Vgl. dazu auch 197, 2101).

„Dein Credo sei für dich wie ein Spiegel. Betrachte dich in ihm, um zu sehen, ob du all das, was du zu glauben erklärst, auch wirklich glaubst. Und freue dich jeden Tag an deinem Glauben“ (Augustinus, serm. 58,11,13).

1065 Jesus Christus selbst ist das „Amen“ (Offb 3, 14). Er ist das endgültige Amen der Liebe des Vaters zu uns; er übernimmt und vollendet unser Amen an den Vater: „Er ist das Ja zu allem, was Gott verheißen hat. Darum rufen wir durch ihn zu Gottes Lobpreis auch das Amen“ (2 Kor 1,20).

Durch ihn und mit ihm und in ihm ist dir, Gott, allmächtiger Vater, in der Einheit des Heiligen Geistes alle Herrlichkeit und Ehre jetzt und in Ewigkeit.

AMEN.

Katechismus der Katholischen Kirche II. Teil: Die Feier des christlichen Mysteriums