Con felice pensiero (Wortlaut)

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Ansprache
Con felice pensiero

unseres Heiligen Vaters
Pius XII.
an katholische Juristen
über Richter und Recht
6. November 1949

(Offizieller italienischer Text: AAS 41 [1949] 597-604)

(Quelle: Arthur Fridolin Utz OP, Joseph-Fulko Groner O.P, Hrsg.: Aufbau und Entfaltung des gesellschaftlichen Lebens, Soziale Summe Pius' XII. (1939-1958), Übersetzerkollegium: Herausgeber und Franz Schmal u. H. Schäufele, Paulus Verlag Freiburg/Schweiz 1954; Imprimatur Friburgi Helv., die 5. Maii 1954 N. Luyten O.P. Imprimatur Friburgi Helv., die 29. Junii 1954 R. Pittet, v.g.; Band I, S. 170-179; Nrn. 392-410)

Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


Begrüßung

Ein glücklicher Gedanke bewog Sie, geliebte Söhne, anderen Städten Italiens, die Sie würdig hätten aufnehmen können, Rom als Sitz des ersten Nationalkongresses der « Unione Giuristi Cattolici Italiani » (« Vereinigung der katholischen Juristen Italiens ») vorzuziehen. Sie haben Ihrer Vereinigung in diesen Tagen, wo Sie ihre Statuten berieten und guthießen und ihren Präsidenten wählten, der nach den unter Ihnen vereinbarten Grundregeln ihre Entwicklung fördern und ihre Tätigkeit lenken soll, die endgültige Form und die innere Verfassung gegeben. Während Wir Sie darum beglückwünschen zum vollendeten Werk, möchten Wir unbedingt hervorheben, dass es Ihr Wunsch und Ihre Sorge als wahre und echte katholische Juristen war, die Wiege Ihrer Vereinigung mit einem doppelten Glanz zu krönen: der eine leuchtet vom ewigen Rom, der andere entspricht dem Namen, den Sie sich gegeben haben.

Einleitung: Rom und Recht

Sie sind in der Tat an erster Stelle Juristen, Pfleger jener edlen Wissenschaft, welche die Normen, auf die sich Ordnung und Friede, Gerechtigkeit und Sicherheit des bürgerlichen Zusammenlebens der einzelnen, der Gemeinschaften und der Nationen gründen, studiert, regelt und anwendet, und Rom hat den Ruhm, die große Mutter des Rechtes zu sein. Wurden andere Völker in der Antike berühmt wegen des Glanzes der Künste, wegen der Tiefe der philosophischen Spekulation, wegen der Überfeinerung ihrer Kultur, so steht das römische Volk keinem nach wegen seines tiefen Sinnes für das Recht, wegen des Aufbaues jener wundervollen Rechtsinstitute, mit denen es die damals bekannte Welt einte und eine Tradition hinterließ, die dem nagenden Zahn der Zeit widerstanden hat.

Sie sind aber nicht nur Juristen, Sie sind und bekennen sich als katholische Juristen, und Rom ist kraft göttlicher Anordnung der immer strahlende Leuchtturm des Glaubens an Christus, der Mittelpunkt der sichtbaren Einheit der Kirche, der Sitz des obersten Lehramtes der Seelen, wo die Katholizität besondere Kraft und Größe zeigt und greifbarer ist als in anderen Ländern der Welt, weil alle Völker hinströmen zum Lehrstuhl und zum Grabe Petri. Als das Reich der Caesaren unter dem vordringenden Einbruch der Völker zusammengebrochen war, Überlebten zwei Dinge den Verfall der größten und erhabensten Stadt, welche die Geschichte kennt: das eine war ihr « Corpus Iuris »; es wurde zum Rechte für das ganze zivilisierte Europa und lebt noch heute in vielen seiner Teile in Institutionen der Gegenwart und ist heute noch Gegenstand eifrigen Studiums. Es ist wie ein lebendiger Stamm, dessen Saft mit dem Laufe der Jahre nicht austrocknete und besitzt immer noch die einigende Kraft, die es im langsamen Werdeprozess entfaltete. Das andere ist der neue Glaube, den Petrus und Paulus dorthin brachten, der neue Thron der Wahrheit, den das erste sichtbare Haupt der Kirche, von Christus selber erwählt und ausgestattet mit der obersten Schlüsselgewalt, dort für immer errichtete, indem er die [ewige] Stadt zu seinem Sitz erwählte. Die Jahrhunderte sind dahingegangen und haben sich vor seinem granitenen Block verneigt, ohne ihn zu ritzen. Die Ereignisse häuften sich, um ihn zu erschüttern und umzustürzen, jedoch umsonst. Und Sie sehen ihn immer noch heil und unversehrt, hoch über den Völkern als sichtbares Zeichen der ewigen Dauer von Christi Werk.

Es war so, dass in Rom und in der von seiner Zivilisation schon durchdrungenen Welt sich die zwei lebenskräftigsten Realitäten begegneten und innig verschmolzen: die eine, Frucht der juristischen Weisheit eines Volkes und daher menschlichen Ursprungs; die andere, Ausstrahlung der Offenbarungswelt, verkündet vom Mensch gewordenen Sohne Gottes und daher überweltlichen und göttlichen Ursprungs. Das Recht Roms, durchdrungen vom neuen Lichte, das ausstrahlte von der christlichen Botschaft, wandelte sich stufenweise geistig um, erhöhte seine Begriffe, vervollkommnete sich in vielen seiner Institute, bereicherte sich in seinen Bestimmungen, indem es nach und nach die höheren Grundsätze, Ideen und Forderungen der neuen Lehre in sich aufnahm. Das gesetzgeberische Werk der christlichen Kaiser entsprang diesem fruchtbaren Bund zwischen menschlicher und göttlicher Weisheit, der unzerstörbare Spuren hinterließ zum Beweis für die moderne Welt, dass zwischen der wahren Rechtswissenschaft und der Lehre des christlichen Glaubens kein Gegensatz, sondern Übereinstimmung herrscht. Denn der Glaube kann gar nicht anders, als mit seinem Siegel die Wahrheit bekräftigen, die der menschliche Geist findet, erwägt und ordnet.

I. Der Berufsadel der katholischen Juristen

Deshalb sagten Wir, ein glücklicher Gedanke habe Sie geleitet, Rom zum Sitz Ihres ersten Kongresses zu wählen. Gleichzeitig sagt Ihnen diese Wahl aber auch, wie edel und erhaben Ihr Beruf ist und welche Forderungen bei seiner Ausübung die besondere Bezeichnung, deren Sie sich rühmen, einem jeden von Ihnen auferlegt.

1. Der Adel, den das Rechtsobjekt verleiht

Das entfernte Rechtsobjekt: religiöse Gegebenheiten

Der Adel Ihres Berufes wurde herrlich umschrieben von Ulpian, der die Rechtswissenschaft definierte als «divinarum atque humanarum rerum notitia, iusti atque iniusti scientia » - « Kenntnis der göttlichen und menschlichen Dinge, das Wissen von Recht und Unrecht» (Liv. x D, 1, 1). Welch vornehmes Objekt weist er in dieser Definition der Rechtswissenschaft zu, und wie hoch erhebt er sie über andere Zweige des menschlichen Wissens! Das Auge des Juristen, der dieses Namens würdig ist, umspannt einen sehr ausgedehnten Gesichtskreis, dessen Weite und Vielgestaltigkeit von den Dingen selber bestimmt wird, denen er seine Aufmerksamkeit und seine Studien zuwenden muss. Er soll vor allem die göttlichen Dinge kennen, « divinarum rerum notitia », nicht nur, weil im menschlichen Zusammenleben die Religion den ersten Platz einnehmen muss und das praktische Verhalten des Gläubigen leiten soll, dem auch das Recht seine Bestimmungen vorschreiben wird; nicht nur, weil einige der hauptsächlichsten Institute, wie etwa die Ehe, einen heiligen Charakter besitzen, den das Recht nicht übersehen darf, sondern vor allem, weil ohne diese höhere Kenntnis der göttlichen Dinge das Gesamt der menschlichen Dinge, welches das zweite und unmittelbarere Objekt darstellt - « humanarum rerum notitia » -, mit dem sich der Geist des Juristen befassen muss, ohne jene Grundlage bliebe, die alle menschlichen Ereignisse in Zeit und Raum überdauert und im Absoluten ruht, in Gott.

Zweifellos ist der Jurist nicht dazu bestellt, sich von Berufes wegen der theologischen Spekulation zu widmen, um das Objekt seines Studiums kennenzulernen. Wenn er sich aber nicht zur Sicht auf die höchste und überweltliche Wirklichkeit zu erheben weiß, aus deren Willen die Ordnung des sichtbaren Alls und jenes kleinen Teiles herkommt, den das menschliche Geschlecht mit seinen immanenten und moralisch notwendigen Gesetzen bildet, dann wird es ihm unmöglich sein, in ihrer wunderbaren Einheit und in ihren letzten geistigen Tiefen die Verflechtung der sozialen Beziehungen zu erfassen und deren leitende Normen, die vom Recht geregelt werden. Wenn nach dem Ausspruch des großen römischen Rechtsgelehrten und Redners «natura iuris ... ab hominis repetenda (est) natura» - «Die Natur des Rechts ist von der Natur des Menschen abzuleiten » (Cicero, De Leg. L. I cap. 5 § 17), die Natur oder das Wesen des Rechts nur von der menschlichen Natur abgeleitet werden kann, und anderseits diese Natur nicht einmal annäherungsweise in ihrer Vollkommenheit, Würde und Erhabenheit und in den Zielsetzungen, die ihre Handlungen lenken und sich unterordnen, ohne den Seinszusammenhang erkannt werden kann, kraft dessen sie ihrer transzendenten Ursache verbunden ist, dann wird es klar, dass der Jurist unmöglich einen gesunden Rechtsbegriff zu gewinnen und eine systematische Ordnung aufzurichten vermag, wenn er nicht darauf verzichtet, den Menschen und die menschlichen Dinge außerhalb jenes Lichtes zu sehen, das aus der Gottheit überreich herabströmt, um ihm den Weg seiner mühevollen Forschung zu erhellen.

Der Irrtum des modernen Rationalismus bestand gerade darin, dass er das System der menschlichen Rechte und die allgemeine Rechtstheorie aufstellen wollte, indem er die Natur des Menschen als ein für sich bestehendes Sein ohne irgendeine notwendige Beziehung zu einem höheren Wesen betrachtete, von dessen schöpferischem und ordnendem Willen es in seinem Wesen und seiner Tätigkeit abhängt. Sie wissen, in welch unentwirrbares Labyrinth von Schwierigkeiten der zeitgenössische Rechtsgedanke sich verstrickt sah wegen dieser anfänglichen Abirrung, und wie der Jurist, der sich dem vom sogenannten Positivismus aufgestellten Kanon unterwirft, seiner Aufgabe nicht nachkommt, weil er mit der richtigen Erkenntnis der menschlichen Natur auch den gesunden Begriff des Rechtes verliert, dem jene zwingende Kraft im Gewissen des Menschen fehlt, die seine erste und hauptsächlichste Wirkung darstellt. Die göttlichen und menschlichen Dinge, die nach der Definition Ulpians das allgemeinste Objekt der Jurisprudenz bilden, sind so innig miteinander verquickt, dass man die ersteren nicht missachten kann, ohne das genaue Werturteil über die letzteren zu verlieren.

Das spezifische Rechtsobjekt: das Recht als Ausdruck göttlicher Ordnung

Dies ist um so wahrer, als das mehr spezifische Objekt der Rechtswissenschaft in dem besteht, was Recht und Unrecht ist: « iusti atque iniusti scientia », d. h. in der Gerechtigkeit in ihrer hohen Funktion des Ausgleichens zwischen den individuellen und sozialen Forderungen im Schoße der menschlichen Familie. Die Gerechtigkeit ist nicht nur ein abstrakter Begriff, ein äußeres Ideal, dem sich die Institutionen anzugleichen haben soweit dies möglich ist in einem gegebenen geschichtlichen Augenblick, sondern sie ist auch und vor allem etwas dem Menschen, der Gesellschaft, ihren grundlegenden Institutionen Innerliches, auf Grund jener Summe praktischer Grundsätze, die sie vorschreibt und auferlegt, jener allgemeinsten Gesetze des Verhaltens, die zur objektiven menschlichen und bürgerlichen, vom höchsten Geist des ersten Schöpfers festgelegten Ordnung gehören. Die Wissenschaft vom Recht und Unrecht setzt daher eine höhere Weisheit voraus, die in der Erkenntnis der geschaffenen Ordnung und folglich ihres Ordners besteht. Das Recht; so lehrt der Aquinate, « est objectum iustitiae » - « ist das Objekt der Gerechtigkeit» (Summa Theol. II-II q.57 a.1), ist die Norm, in der sich die große und fruchtbare Idee der Gerechtigkeit zu greifbarer Wirklichkeit verdichtet, und wenn sie als solche zu Gott führt, der in seinem Wesen ewigen und unwandelbaren Gerechtigkeit, so empfängt sie auch von Gott Licht und Klarheit, Kraft und Macht, Sinn und Gehalt.

2. Der Adel, den das Rechtssubjekt verleiht

Der Jurist bewegt sich daher in der Ausübung seines Berufes zwischen dem Unendlichen und dem Endlichen, zwischen dem Göttlichen und dem Menschlichen, und in dieser notwendigen Bewegung besteht der Adel der Wissenschaft, die er pflegt. Die anderen Titel, die ihn vor der menschlichen Gemeinschaft auszeichnen, können als Folge des schon Erwähnten betrachtet werden. Wenn die juristischen Normen das Objekt seiner Forschung bilden, so ist das Subjekt, für das sie bestimmt sind, der Mensch, die menschliche Person, die dadurch in den Bereich seiner Zuständigkeit gelangt. Und man beachte wohl, nicht der Mensch nach seiner niederen und weniger edlen Seite, die von anderen, auch nützlichen und bewunderungswerten Wissenschaften studiert wird, sondern der Mensch nach seiner höheren Seite, in seiner spezifischen Eigenschaft als handelndes Vernunftwesen. Soll dieses die Gesetze seiner Vernunft befolgen, so muss es sich bei seinem Handeln leiten lassen von irgendwelchen Verhaltungsmaßregeln, die ihm entweder direkt von seinem Gewissen, dem Reflex und dem Herold eines übergeordneten Gesetzes, auferlegt oder von der menschlichen Autorität vorgeschrieben werden, der Leitungsgewalt des Gemeinschaftslebens. Wohl ist wahr, dass der Mensch dem Auge des Juristen nicht immer den besseren Anblick seiner vernünftigen Natur darbietet, sondern seinem Studium oft die weniger schätzenswerten Seiten zeigt, seine schlechten Neigungen, seine schlimmen Entartungen, die Schuld und das Verbrechen. Dennoch muss der echte Jurist auch unter dem verdunkelten Glanze seiner Vernunft immer den menschlichen Hintergrund sehen, aus dem Schuld und Verbrechen nie das Siegel auszulöschen vermögen, das die Hand des Schöpfers darauf geprägt hat.

Wenn Sie alsdann das Rechtssubjekt mit den Augen des christlichen Glaubens anschauen, welch leuchtende Krone werden Sie da über seinem Haupte sehen, eine Krone, womit es die Erlösung Christi gekrönt hat, das für seinen Loskauf vergossene Blut, das übernatürliche Leben, dem sie es wiederschenkte und dessen sie es teilhaft machte, und das ihm bestimmte Endziel als Abschluss seiner irdischen Laufbahn. In der neuen Heilsordnung ist das Rechtssubjekt nicht der Mensch allein in seiner reinen Natur, sondern der von der Gnade des Erlösers zur übernatürlichen Ordnung erhobene Mensch, der eben dadurch, zwar nur anteilhaft, mit der Gottheit in Verbindung gebracht wurde durch ein neues Leben, welches das Leben Gottes selber ist. So nimmt seine Würde den unendlichen Verhältnissen entsprechend zu, und daher wächst auch im gleichen Verhältnis der Adel des Juristen, der ihn zum Gegenstande seiner Wissenschaft macht.

II. Richtlinien für Konfliktsfälle, die sich aus dem Gegensatz zwischen Rechtspositivismus und christlichem Rechtsdenken ergeben

Die unlöslichen Widersprüche zwischen dem hohen Begriff vom Menschen und vom Recht gemäß den christlichen Prinzipien, die Wir kurz darzulegen suchten, und dem Rechtspositivismus können im Berufsleben eine Quelle tiefer Bitterkeit werden. Wir wissen wohl, geliebte Söhne, dass nicht selten im Herzen des katholischen Juristen, welcher der christlichen Auffassung vom Rechte treu bleiben möchte, Gewissenskonflikte entstehen können, besonders wenn er sich in die Lage versetzt sieht, ein Gesetz anwenden zu sollen, das sein Gewissen als ungerecht verurteilt. Gott sei Dank ist Ihre Aufgabe hier fühlbar erleichtert schon durch die Tatsache, dass in Italien die Ehescheidung - die Ursache so vieler innerer Bedrängnisse auch für den Beamten, der das Gesetz anwenden muss - kein Bürgerrecht hat. Tatsächlich haben sich jedoch seit dem Ende des achtzehnten Jahrhunderts, besonders in jenen Gegenden, wo die Verfolgung der Kirche wütete, die Fälle vervielfacht, in denen sich die katholischen Beamten vor dem qualvollen Problem der Anwendung ungerechter Gesetze gestellt sehen. Darum ergreifen Wir die Gelegenheit dieser Ihrer Zusammenkunft bei Uns, um das Gewissen der katholischen Juristen durch die Vorlegung einiger grundlegender Richtlinien zu erleuchten:

1. Für jedes Urteil gilt der Grundsatz, dass der Richter die Verantwortung seiner Entscheidung nicht einfach und schlechthin von sich abwälzen kann, um sie völlig dem Gesetz und seinen Urhebern zur Last zu legen. Gewiss sind diese die Hauptverantwortlichen für die Auswirkungen eines solchen Gesetzes. Aber der Richter, der es durch seinen Urteilsspruch auf einen Einzelfall anwendet, ist Mitursache und deshalb mitverantwortlich für die Folgen.

2. Der Richter darf nie jemanden mit seiner Entscheidung zu irgendeiner innerlich schlechten Handlung verpflichten, d. h. zu einer Handlung, die ihrer Natur nach dem Gesetz Gottes oder der Kirche widerspricht.

3. Er darf in keinem Fall das ungerechte Gesetz ausdrücklich anerkennen und billigen (das übrigens nie die Grundlage eines im Gewissen und vor Gott gültigen Urteils bilden könnte). Er darf deshalb kein Strafurteil fällen, das einer solchen Billigung gleichkäme. Seine Verantwortung wäre noch schwerer, wenn sein Urteilsspruch öffentliches Ärgernis erregen würde.

4. Allerdings bedeutet nicht jede Anwendung eines unrechten Gesetzes seine Anerkennung oder seine Billigung. In diesem Falle kann der Richter - manchmal muss er es vielleicht - dem ungerechten Gesetz seinen Lauf lassen, wenn dies das einzige Mittel ist, um ein viel größeres Übel zu vermeiden. Er kann eine Strafe für die Übertretung eines ungerechten Gesetzes verhängen, wenn sie so beschaffen ist, dass derjenige, welcher davon betroffen wird, vernünftigerweise bereit ist, sie auf sich zu nehmen, um jenen Nachteil zu vermeiden oder um ein viel wichtigeres Gut zu sichern, und wenn der Richter weiß oder mit Recht annehmen kann, dass eine solche Sanktion vom Übertreter um höherer Beweggründe willen gerne angenommen werden wird. In Zeiten der Verfolgung ließen sich Priester und Laien ohne Widerstand zu leisten auch von katholischen Beamten oft zu Bußen oder Freiheitsstrafen verurteilen wegen der Übertretung ungerechter Gesetze, wenn es auf diese Weise möglich war, dem Volke eine ehrenhafte Beamtenschaft zu erhalten und von der Kirche und den Gläubigen viel furchtbareres Unheil fernzuhalten.

Je schwerer die Folgen eines richterlichen Urteilsspruches sind, desto wichtiger und allgemeiner muss natürlich das Gut sein, das geschützt, oder der Schaden, der vermieden werden soll. Es gibt jedoch Fälle, wo der Gedanke des Ausgleichs durch die Erreichung der höheren Güter oder der Abwendung der größeren Übel keine Anwendung findet, wie bei der Todesstrafe. Insbesondere kann der katholische Richter nur aus sehr gewichtigen Beweggründen das Urteil einer zivilen Ehescheidung (wo sie existiert) für eine vor Gott und der Kirche gültige Ehe verfügen. Er darf nicht vergessen, dass ein solches Urteil praktisch nicht nur die bürgerlichen Auswirkungen berührt, sondern in Wirklichkeit zur irrigen Meinung führt, das vorhandene Band sei als gelöst und das neue als gültig und verbindlich zu betrachten.

Schluss

Ihnen, geliebte Söhne, wünschen Wir daher von ganzem Herzen, die Vorsehung Gottes gebe Ihnen die Möglichkeit, Ihr Amt immer im Rahmen einer gerechten Gesetzgebung auszuüben, die den berechtigten gesellschaftlichen Forderungen entspricht. Geben Sie sich auf jede Weise Mühe, in sich das vollkommene Ideal des Juristen zu verwirklichen, der wegen seines Könnens, seiner Weisheit, seiner Gewissenhaftigkeit und seiner Redlichkeit die Achtung und das Vertrauen aller verdient und erwirbt.

Mit diesem Wunsche und als Unterpfand der reichsten göttlichen Gnaden erteilen Wir Ihnen sowie Ihrer jungen und schon so viel versprechenden Vereinigung Unseren Apostolischen Segen.