Nobilissima gallorum (Wortlaut)

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Enzyklika
Nobilissima gallorum

unseres Heiligen Vaters
Leo XIII.
an die Bischöfe Frankreichs
Die Bedeutung des Zusammenlebens von Kirche und Staat -
zur religiösen Frage in Frankreich
8. Februar 1884

(Offizieller lateinischer Text ASS XVI (1883) 241-248)

(Quelle: Die katholische Sozialdoktrin in ihrer geschichtlichen Entfaltung, Hsgr. Arthur Utz + Birgitta Gräfin von Galen, XXV 1-11, S. 2514-2527; Scientia humana Institut Aachen 1976, (Imprimatur Friburgi Helv., die 2. decembris 1975 Th. Perroud, V.G. Die Nummerierung folgt der englischen Fassung)

Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


Ehrwürdige Brüder,
Gruß und Apostolischen Segen !

Historischer Rückblick auf die Beziehungen zwischen dem Heiligen Stuhl und Frankreich

1 Das edle französische Volk hat in Krieg und Frieden viele große Taten vollbracht, durch die es sich gegenüber der Kirche besondere Verdienste erworben hat, die ihm ewige Dankbarkeit und unvergänglichen Ruhm eingebracht haben. Da es unter Anführung des Königs Chlodwig schon früh den christlichen Glauben angenommen hatte, wurde es als rühmliches Zeugnis für seinen Glauben und seine Frömmigkeit und als Lohn zugleich "die älteste Tochter der Kirche" genannt. Seit dieser Zeit, Ehrwürdige Brüder, erschienen eure Vorfahren wegen ihrer großen und rühmenswerten Taten oft als die Helfer der göttlichen Vorsehung; vor allem wurden ihre Tugenden berühmt in der Verteidigung der katholischen Sache überall auf der Erde, in der Verbreitung des christlichen Glaubens bei den heidnischen Völkern, in der Befreiung und dem Schutz der heiligen Stätten in Palästina, sodass nicht ohne Grund jenes alte Wort "gesta Dei per Francos" zum Sprichwort wurde. Aus all diesen Gründen konnte es auch geschehen, dass sie sich voll Treue für die katholische Sache einsetzten und dadurch in gewisser Weise auch am Ruhm der Kirche teilnehmen konnten, und dass sie zahlreiche öffentliche und private Institutionen gründeten, die die außerordentliche Kraft ihrer Frömmigkeit, Wohltätigkeit und Großmut erkennen ließen. Diese Tugenden eurer Vorfahren haben die Römischen Päpste, Unsere Vorgänger, in höchstem Maße anerkannt und, wie sie es verdienten, mit Wohlwollen erwidert, und viele Male haben sie den Namen Frankreichs durch ihr Lob verherrlicht. Das höchste Lob aber haben Innozenz III. und Gregor IX., diese großen Leuchten der Kirche, euren Vorfahren gespendet. Ersterer sagte in seinem Schreiben an den Erzbischof von Reims: "Frankreich lieben Wir mit einer ganz besonderen Vorliebe, weil es mehr als alle Reiche der Welt dem Apostolischen Stuhl und Uns immer willfährig und ergeben war." Letzterer schrieb an den hl. Ludwig IX., dass in Frankreich, "in dem die Treue zu Gott und der Kirche durch nichts erschüttert werden konnte, niemals die Freiheit der Kirche aufgehoben wurde, zu keiner Zeit der christliche Glaube seine Kraft verloren hat; zu ihrem Schutz haben die Könige und das Volk dieses Königreiches niemals gezögert, ihr eigenes Blut zu vergießen und sich zahllosen Gefahren auszusetzen". - Gott der Schöpfer der Natur, von dem die Staaten schon hier auf Erden den Lohn für ihre Tugend und Rechtschaffenheit empfangen, hat den Franzosen vielfachen Wohlstand verliehen, Ruhm im Kriege, die Künste im Frieden, einen ehrenvollen Namen, die Herrschaft über ein großes Reich. Wenn jedoch Frankreich gelegentlich sich selbst vergass, wenn es sich der ihm von Gott übertragenen Mission zeitweilig entzog und es vorzog, eine feindliche Haltung gegenüber der Kirche einzunehmen, so ist es doch durch einen großen Gnadenerweis Gottes nie auf lange Zeit, noch vollständig in die Irre gegangen. Wäre es doch auch aus den für die Religion und den Staat verhängnisvollen Ereignissen, die sich in den unserer Epoche näherliegenden Zeiten zugetragen haben, unbeschadet hervorgegangen! Nachdem jedoch der Geist der Menschen vom Gift der modernen Ideen durchdrungen war und nach und nach in wildem Freiheitsdrang die Autorität der Kirche abzulehnen begann, war der Kurs in den Abgrund vorgezeichnet. Denn da das tödliche Gift dieser Doktrinen die Sitten der Menschen beeinflusst hatte, ist ein großer Teil der menschlichen Gesellschaft nach und nach anscheinend dahin gekommen, sich ganz und gar von den christlichen Grundsätzen lossagen zu wollen. Zur Verbreitung dieses Übels in ganz Frankreich haben nicht wenig jene einer falschen Philosophie anhängenden Philosophen des vergangenen Jahrhunderts beigetragen, die die Fundamente der christlichen Wahrheit zu untergraben begannen und jene philosophische Richtung grundlegten, die den bereits unmäßig gesteigerten Freiheitsdrang noch heftiger entflammte. Noch mehr ist es die Schuld jener, die sich in ohnmächtigem Hass gegen die göttlichen Dinge zu frevelhaften Gesellschaften zusammentaten und tagtäglich begieriger danach trachteten, der katholischen Sache zu schaden; ob jedoch in Frankreich mit größerer Leidenschaft als anderswo, kann niemand besser beurteilen als Ihr, Ehrwürdige Brüder.

Der Staat, der die Ehrfurcht vor Gott verliert, bewirkt seinen eigenen Untergang

2 Deshalb hat die väterliche Liebe, mit der Wir alle Völker umgeben und die Uns schon bei anderen Gelegenheiten dazu bewogen hat, insbesondere die Völker Irlands, Spaniens, Italiens durch Briefe an ihre Bischöfe zu gegebener Zeit an ihre Pflicht zu erinnern, Uns nunmehr dazu gedrängt, Unsere Gedanken und Überlegungen Frankreich zuzuwenden. - Alle die erwähnten Umsturzpläne schaden nämlich nicht nur der Kirche, sie sind vielmehr auch für die Republik verderblich und verhängnisvoll, denn es ist unmöglich, dass einem Staat die Wohlfahrt erhalten bleibt, wenn einmal die Kraft der Religion ausgelöscht ist. Und in der Tat, wo der Mensch aufhört, Gott zu verehren, da schwindet das stärkste Fundament der Gerechtigkeit, ohne die, wie selbst heidnische Weise zugegeben haben, die öffentlichen Angelegenheiten nicht richtig geführt werden können; denn weder wird die Autorität der Staatsoberhäupter die genügende sittliche Würde, noch werden die Gesetze die genügende Kraft haben. Bei einem jeden wird die Nützlichkeit höher gewertet als die Ehrenhaftigkeit, die Unverletzlichkeit der Rechte wird erschüttert, da diese nur schlecht durch die Furcht vor Strafen geschützt werden; die Herrschenden werden zu ungerechter Gewaltherrschaft, die Untertanen beim geringsten Anlass zu Aufruhr und Unruhen neigen. - Da im übrigen nichts Gutes in der Natur der Dinge liegt, das nicht aus der göttlichen Güte stammt, muss jede menschliche Gesellschaft, die Gott aus ihrer Staatsverfassung und Gesellschaftsordnung fernhalten will, auch die Hilfe der göttlichen Wohltaten zurückweisen, und es ist daher nur angemessen, dass ihr der Schutz des Himmels versagt bleibt. Mag sie noch so mächtig durch ihre Truppenstärke und noch so reich an materiellen Gütern sein, sie trägt doch in ihrem Innern selbst die Saat ihres Untergangs und kann keine Hoffnung auf dauernden Bestand haben. Denn für die christlichen Völker wie für die einzelnen Individuen ist es heilsam, Gottes Geboten zu folgen, und gefährlich, von ihnen abzuweichen; darum geschieht es ihnen auch zumeist, dass sie in Zeiten, in denen sie Gott und der Kirche die Treue halten, irgendwie auf natürliche Weise zu höchstem Wohlstand gelangen, wenn sie aber jene vernachlässigen, auch diesen zugrunde richten. Derartige Zusammenhänge kann man den Annalen aller Zeiten entnehmen; Wir könnten zahlreiche Beispiele hierfür aus Eurem eigenen Lande und aus jüngerer Zeit anführen, wenn Wir die Zeit hätten, nur an jene des vergangenen Jahrhunderts zu erinnern, als die Entfesselung der Massen das entsetzte Frankreich bis auf den Grund erschütterte und die religiösen und profanen Dinge gemeinsam in den Untergang riss. Dagegen würde alles, was den sicheren Untergang des Staates herbeiführen könnte, leicht abzuwenden sein, wenn bei der Gründung und Leitung der häuslichen wie der staatlichen Gemeinschaft die Gebote der katholischen Religion befolgt würden. Sie sind nämlich zur Aufrechterhaltung der Ordnung und zum Wohl des Staates in besonderer Weise geeignet.

3 Was nun zunächst die häusliche Gemeinschaft betrifft, so ist es von höchster Wichtigkeit, dass die Kinder christlicher Eheleute frühzeitig in den Geboten der Religion unterrichtet werden und dass jene Wissenschaften, in denen das Kindesalter zur höheren Bildung unterwiesen wird, mit dem Religionsunterricht verbunden werden. Die einen von dem anderen zu trennen, bedeutete tatsächlich zu wollen, dass die Seelen der Kinder zur Gleichgültigkeit bezüglich ihrer Pflichten gegenüber Gott bewogen werden; eine solche Erziehung ist trügerisch, vor allem im frühen Kindesalter verhängnisvoll, da sie in Wahrheit auf den Weg zum Atheismus führt und den Weg zur Religion versperrt. Gute Eltern müssen überhaupt dafür sorgen, dass ihr Kinder, sobald sie zu lernen anfangen, auch die Vorschriften der Religion lernen und dass ihnen in den Schulen nichts begegnet, was der Integrität von Glaube und Sitten schaden könnte. Diese Sorgfalt bezüglich des Unterrichts der Kinder ist durch das göttliche wie das natürliche Gesetz befohlen, und die Eltern können durch gar nichts von diesem Gesetz befreit werden. Die Kirche, die die Unverletzlichkeit des Glaubens schützt und bewahrt und die von Gott ihrem Schöpfer die Autorität empfangen hat, muss alle Völker zur christlichen Weisheit ermahnen und aufmerksam darüber wachen, nach welchen Vorschriften und Grundsätzen die Jugendlichen, die ihrer Amtsgewalt unterstehen, gebildet werden; sie hat deshalb auch die so genannten gemischten oder neutralen Schulen öffentlich verurteilt und immer wieder die Familienväter ermahnt, dass sie in einer so wichtigen Sache höchste Wachsamkeit walten lassen und Vorsichtsmaßnahmen treffen. In all diesen Dingen der Kirche gehorchen, ist zugleich nützlich und die beste Art und Weise, für das öffentliche Wohl zu sorgen. Denn wer im frühesten Alter nicht in der Religion unterwiesen wurde, wächst heran ohne Kenntnis der höchsten Dinge, die allein in den Menschen das Tugendstreben nähren und die der Vernunft widerstrebenden Begierden mäßigen können. Es sind die Begriffe von Gott dem Schöpfer, von Gott dem Richter und Vergelter, von Lohn und Strafe, die im jenseitigen Leben zu erwarten sind, von den himmlischen Gnaden, die von Jesus Christus zur treuen und gewissenhaften Pflichterfüllung geschenkt werden. Wo dies nicht gewusst wird, ist alle weitere Bildung der Seelen nicht recht gesund; die Jugendlichen, die nicht gewohnt sind, Gott zu fürchten, werden die Ordnung eines rechtschaffenen Lebens nicht ertragen können und sich, da sie es nicht wagen, ihren Begierden irgendetwas zu verweigern, leicht dazu hinreissen lassen, Unruhen im Staat zu stiften.

[Fortsetzung folgt]