Ad diem illum (Wortlaut)
Ad diem illum |
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unseres Heiligen Vaters
Leo XIII.
an die Patriarchen, Primaten, Erzbischöfe, Bischöfe
und die anderen Oberhirten, welche in Gnade und Gemeinschaft mit dem Apostolischen Stuhle stehen
Das Geheimnis und die Bedeutung der Unbefleckten Empfängnis Mariens
anlässlich der 50. Jubelfeier der Dogmenverkündigung
2. Februar 1904
(Quelle: Rudolf Graber: Die marianischen Weltrundschreiben der Päpste in den letzten hundert Jahren, Echter Verlag Würzburg 19542, S. 127-139; Mit kirchlicher Druckerlaubnis. Die Nummerierung entspricht der englischen Fassung. Es fehlt in diesem deutschsprachigem Text Nr. 27-32 (die damaligen Ablassgewährungen)
Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist |
Inhaltsverzeichnis
- 1 I. Das Jubiläum des Immakulata-Dogmas
- 2 II. Die lmmakulata als Hilfe der Kirche
- 3 III. Maria, Band der Einheit unter den Gliedern der Kirche
- 4 IV. Jesus und Maria im Glaubensbewusstsein
- 5 V. Durch Maria erkennen wir am sichersten Jesus
- 6 VI. Maria, Mutter Jesu und Mutter der Gläubigen
- 7 VII. Die Anteilnahme Mariens am Leiden Christi
- 8 VIII. Theologische Gründe für die Gnadenvermittlung Mariens
- 9 IX. Hauptzweck der Marienverehrung ist die Erkenntnis Jesu
- 10 X. Das Dogma von der lmmakulata und die Flucht vor der Sünde
- 11 Anmerkungen
I. Das Jubiläum des Immakulata-Dogmas
1 Noch wenige Monate, und das Jahr bringt uns den freudenvollen Tag heran, an dem vor fünf Jahrzehnten Unser Vorgänger, Papst Pius IX. seligen Angedenkens, inmitten einer glanzvollen Versammlung von Kardinälen und Bischöfen, kraft seines unfehlbaren Lehramtes, feierlich verkündete und erklärte, es sei Gegenstand der göttlichen Offenbarung, dass die alleeseligste Jungfrau Maria im ersten Augenblick ihrer Empfängnis frei von aller Makel der Sünde bewahrt worden sei. Allgemein ist jedoch bekannt, mit welch festlichen Kundgebungen der Freude und des Dankes von den Gläubigen auf dem ganzen Erdkreis diese Verkündigung aufgenommen wurde. Niemals, soweit wir uns erinnern, hat die Liebe zur hehren Gottesmutter und auch zum Stellvertreter Jesu Christi auf Erden einen so begeisterten und einmütigen Ausdruck gefunden wie damals.
2 Gehen wir in Unserer Erwartung zu weit, ehrwürdige Brüder, wenn Wir Uns der Hoffnung hingeben, dass bei dieser Erinnerungsfeier der Unbefleckten Empfängnis der Jungfrau auch jetzt, nach Ablauf eines halben Jahrhunderts, ein lebhafter Widerhall dieser heiligen Freude in unseren Herzen spürbar wird und dass allmählich wie damals auch heute der Glaube und die Liebe zur Gottesmutter machtvoll in Erscheinung treten wird? Diesen lebhaften Wunsch erweckt in Uns die Liebe, die Wir zur allerseligsten Jungfrau im Herzen tragen und die, ein Gnadengeschenk übrigens ihrer Güte, Wir allzeit zu vermehren trachteten. Zur sicheren Hoffnung und Erwartung aber, dass dieser Unser Wunsch auch in Erfüllung gehen werde, berechtigt Uns das Bestreben aller wahren Katholiken, die nie müde werden und immer bereit sind, der hehren Gottesmutter stets neue Beweise der Liebe und der Verehrung zu erbringen. Wir wollen indessen nicht verschweigen, dass dieses Unser Verlangen einer gewissen inneren Stimme entspringt, und diese scheint Uns zu sagen, dass nun bald jene Hoffnungen und Erwartungen in Erfüllung gehen werden, zu denen Unser Vorgänger Pius, und mit ihm alle Bischöfe, nicht ohne Grund sich gedrängt fühlten, wenn einmal die Wahrheit der Unbefleckten Empfängnis als Glaubenssatz ausgesprochen wäre.
II. Die lmmakulata als Hilfe der Kirche
3 Es gibt freilich nicht wenige, die es bedauern, dass diese Hoffnungen bis auf den heutigen Tag noch nicht ihre letzte Erfüllung gefunden haben, und die glauben, mit Jeremias sprechen zu können: "Wir hofften auf Frieden, und nichts Gutes ist geworden; wir hofften auf die Zeit der Heilung und siehe: Schrecken <ref>{{#ifeq: Jeremia | Ad diem illum (Wortlaut) |{{#if: Jer|Jer|Jeremia}}|{{#if: Jer |Jer|Jeremia}}}} 8{{#if:15|,15}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}</ref>." Solche "Kleingläubige" verdienen Tadel; sie nehmen sich nicht genügend Mühe, die Werke Gottes zu überdenken und ihren tiefen Wahrheitsgehalt auszuschöpfen. Denn wer vermag die geheimen Gnadenschätze zu ermessen und aufzuzählen, die Gott auf die Vermittlung der seligsten Jungfrau hin diese ganze Zeit hindurch der Kirche zugewendet hat? Aber abgesehen davon: Haben wir nicht zur rechten Zeit die Abhaltung des Vatikanischen Konzils erlebt und damit die Glaubenserklärung der Unfehlbarkeit des Papstes, die allen künftigen Irrungen rechtzeitig einen wirksamen Riegel vorschiebt? Sind wir nicht Zeugen ungeahnter und nie dagewesener Beteuerungen der Liebe gewesen, die aus allen Ständen und Länderstrichen die Gläubigen schon seit längerer Zeit hierher zog, dem Stellvertreter Christi Verehrung und Huldigung zu erweisen? Müssen wir nicht geradezu in staunende Bewunderung versinken vor dem Walten der Vorsehung Gottes, die an Unseren zwei Vorgängern, Pius und Leo, sich so wunderbar erwiesen hat? Trotz der sturmvollen Zeit haben sie in einer Regierungsdauer, wie sie keinem anderen beschieden war, die Kirche in Heiligkeit regiert.
III. Maria, Band der Einheit unter den Gliedern der Kirche
4 Dazu kam aber noch ein anderes Ereignis. Kaum hatte Pius die Wahrheit von der unbefleckten Jungfrau Maria als Glaubenssatz ausgesprochen, als sich in dem Städtchen Lourdes die Jungfrau in Wundern zu offenbaren begann und der großartige Prachtbau des Heiligtums der Unbefleckten sich erhob, bei dem auf die Fürbitte der Muttergottes täglich Wunder geschehen, die geeignet sind, den Unglauben der Jetztzeit zu widerlegen. - Es sind tatsächlich viele und große Erweise der Güte, die Gott auf die milde Fürbitte der Jungfrau im Lauf dieser fünfzig Jahre erteilte. Sollen wir da nicht hoffen, "dass unsere Rettung näher ist, als wir glaubten"? Und dies umso mehr, da es erfahrungsgemäß ein Gesetz der göttlichen Vorsehung zu sein scheint, dass Gott am nächsten ist, wo die Gefahr am größten ist. "Nahe ist's, dass komme die Zeit, und ihre Tage werden nicht verlängert werden. Denn der Herr erbarmt sich Jakobs und erwählet nochmals Israel <ref>{{#ifeq: Jesaja | Ad diem illum (Wortlaut) |{{#if: Jes|Jes|Jesaja}}|{{#if: Jes |Jes|Jesaja}}}} 14{{#if:1|,1}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}</ref>." So haben wir Hoffnung, bald rufen zu können: „Zerbrochen hat Gott den Stab der Gottlosen. Es ruht und schweigt die ganze Erde, sie freut sich und bricht in Jubel aus“ <ref>{{#ifeq: Jesaja | Ad diem illum (Wortlaut) |{{#if: Jes|Jes|Jesaja}}|{{#if: Jes |Jes|Jesaja}}}} 14{{#if:5.7|,5.7}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}</ref>.
5 Der Hauptgrund aber, weshalb Wir wünschen, dass die fünfzigjährige Jubelfeier der Erklärung der Unbefleckten Empfängnis Mariens als Glaubenssatz in der christlichen Welt eine Bewegung religiöser Vertiefung einleiten möchte, ist jener Wahlspruch, den Wir neulich in Unserem Rundschreiben ausgesprochen haben, "alles in Christus zu erneuern". Jedem Einsichtigen ist es ja klar, dass es keinen sichereren und leichteren Weg gibt, alle mit Christus zu vereinigen und durch ihn die vollkommene Kindschaft zu erlangen, damit wir selig und makellos vor Gott seien, denn Maria.
IV. Jesus und Maria im Glaubensbewusstsein
Als nämlich zu Maria gesagt wurde: "Selig bist du, da du geglaubt hast, dass in Erfüllung gehen wird, was dir vom Herrn gesagt worden ist" <ref>{{#ifeq: Evangelium nach Lukas | Ad diem illum (Wortlaut) |{{#if: Lk|Lk|Evangelium nach Lukas}}|{{#if: Lk |Lk|Evangelium nach Lukas}}}} 1{{#if:45|,45}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}</ref>, so bezog sich das auf die Empfängnis und Geburt des Sohnes Gottes. Und so empfing sie in ihrem Schoße den, der die Wahrheit selber ist, damit er, "auf einem ganz neuen Wege und durch eine ganz neue Geburt erzeugt, unsichtbar seinem Wesen nach, sichtbar in unserer Natur würde" <ref>S. Leo M., Sermo II de Nativ. Domini, c. c. 2.</ref>. So ist der Sohn Gottes Mensch geworden, um "Urheber und Vollender des Glaubens zu werden". Aus all dem aber folgt notwendig, dass seine heiligste Mutter an diesen göttlichen Geheimnissen teilgenommen hat und dass diese ihr zur Bewahrung gleichsam anvertraut sind. Nach Christus muss Maria als das vornehmste Fundament angesehen werden, auf dem das Glaubensgebäude durch alle Jahrhunderte hindurch aufgeführt werden soll.
6 Oder hätte Gott vielleicht nicht auf einem anderen Wege als durch die Jungfrau uns den Wiederhersteller des Menschengeschlechtes und Urheber des Glaubens schenken können? Nun hat es aber der Ewige nach dem Ratschluss seiner göttlichen Vorsehung gefügt, uns den Gottmenschen durch Maria zu geben, die, überschattet vom Heiligen Geiste, ihn in ihrem Schoße getragen; darum bleibt uns gar keine andere Wahl, als dass wir Christus empfangen aus den Händen Mariens. Deshalb erscheint auch jedes Mal, wenn die Heilige Schrift in seherischen Worten von unserer künftigen Erlösung spricht, neben dem Welterlöser seine heilige Mutter. Er wird gesendet als das Lamm, das die Erde beherrscht, aber es kommt von den Felsen in der Wüste; er sprosst als Blume auf, aber aus der Wurzel Jesse. Adam schon erblickte Maria in der Ferne als die Zertreterin des Kopfes der Schlange und gebot bei ihrem Anblick Einhalt den Tränen über den Fluch, der ihn getroffen. An sie dachte Noe, in der rettenden Arche eingeschlossen, und Abraham, als ihm verwehrt wurde, den Sohn zu opfern. Jakob erschaute sie als Leiter, auf der die Engel auf- und absteigen; Moses erkannte sie staunend in dem brennenden und nicht verbrennenden Dornbusch; David begrüßte sie als er beim Einzug der Bundeslade sang und tanzte; Elias endlich gewahrte sie in der kleinen Wolke, die aus dem Meere heraufstieg. Kurz, das Endziel des Gesetzes und all die Wahrheit in Vorbildern und Weissagungen finden wir, nächst Christus, in Maria.
V. Durch Maria erkennen wir am sichersten Jesus
7 Niemand fürwahr, der bedenkt, dass die Jungfrau einzig und allein es gewesen, mit der Jesus wie eben ein Sohn mit seiner Mutter dreißig Jahre lang häuslichen Umgang pflegte und durch die innigste Lebensgemeinschaft verbunden war, kann daran zweifeln, dass sie und sonst niemand uns den Zugang zur Erkenntnis Christi zu eröffnen vermag. Wer hätte denn tiefer als sie, die Mutter, das Geheimnis der Geburt und der Kindheit Christi erfassen können, vor allem das Geheimnis der Menschwerdung, das den Anfang und das Fundament des Glaubens bildet? Sie "bewahrte und überdachte nicht bloß in ihrem Herzen" die Geheimnisse in Bethlehem und im Tempel zu Jerusalem bei der Darbringung, sondern, ganz eingeweiht in die verborgenen Gedanken und Absichten Christi, lebte sie wirklich das Leben ihres Sohnes. Niemand hat deshalb so wie sie Christus ganz erkannt, und so ist sie auch wie niemand anders die geschaffene WeggeIeiterin und die Lehrerin hin zur Erkenntnis Christi.
VI. Maria, Mutter Jesu und Mutter der Gläubigen
8 Deshalb besitzt auch, wie Wir schon angedeutet haben, niemand mehr Macht, die Menschen mit Christus zu vereinigen, als diese Jungfrau. Nach Christi Wort ist dies "das wahre Leben, dass sie dich erkennen, den einzigen wahren Gott, und den du gesandt hast, Jesus Christus" <ref>{{#ifeq: Evangelium nach Johannes | Ad diem illum (Wortlaut) |{{#if: Joh|Joh|Evangelium nach Johannes}}|{{#if: Joh |Joh|Evangelium nach Johannes}}}} 17{{#if:3|,3}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}</ref>. Da wir aber durch Maria zur lebendigen Erkenntnis Christi gelangen, so werden wir auch umso leichter durch sie das Leben gewinnen, dessen Quelle und Beginn eben Christus ist.
9 Wie werden wir aber erst in dieser Hoffnung bestärkt, wenn wir überdenken, wie viele mächtige Gründe für Maria selbst bestehen, uns die Herrlichkeiten dieser Gnaden zu vermitteln!
10 Oder ist Maria nicht die Mutter Christi? Dann ist sie aber auch unsere Mutter. - Gehen wir zunächst von jener Grundwahrheit aus, die jeder festhalten muss: Jesus, das menschgewordene Wort, ist der Erlöser des Menschengeschlechtes. Wenn er nun als Gottmensch, wie alle anderen Menschen, einen ganz bestimmten Leib angenommen hat, so verfügt er als Erlöser unseres Geschlechtes ebenso über einen geistigen oder mystischen Leib; dieser mystische Leib ist die Gemeinschaft derer, die an Christus glauben. "Wir, die vielen, sind ein Leib in Christus<ref>{{#ifeq: Vorlage:Röm (Bibel) | Ad diem illum (Wortlaut) |{{#if: Röm|Röm|Vorlage:Röm (Bibel)}}|{{#if: Röm |[[Vorlage:Röm (Bibel)|Röm]]|[[Vorlage:Röm (Bibel)]]}}}} 12{{#if:5|,5}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}</ref>." Nun aber hat die Jungfrau den ewigen Sohn Gottes nicht bloß empfangen, damit er die menschliche Natur annehme und so nur Mensch sei, sondern dass er durch die Annahme dieser Menschennatur aus ihr, auch der Erlöser der Menschen würde. Deshalb sagte der Engel den Hirten: "Heute ist euch geboren der Erlöser, welcher ist Christus der Herr<ref>{{#ifeq: Evangelium nach Lukas | Ad diem illum (Wortlaut) |{{#if: Lk|Lk|Evangelium nach Lukas}}|{{#if: Lk |Lk|Evangelium nach Lukas}}}} 2{{#if:11|,11}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}</ref>." In einem und demselben Schoße der reinsten Mutter hat er Fleisch angenommen und sich zugleich einen geistigen Leib beigefügt, der aus denen besteht, "die an ihn glauben würden". So kann man mit Recht sagen: Dadurch, dass Maria in ihrem Schoß den Erlöser umschloss, trug sie in demselben auch die, deren Leben in das Leben des Erlösers einbezogen war. Wir alle also, die wir mit Christus vereinigt und nach den Worten des Apostels "Glieder seines Leibes, von seinem Fleisch und seinem Gebein"<ref>{{#ifeq: Brief des Apostels Paulus an die Epheser | Ad diem illum (Wortlaut) |{{#if: Eph|Eph|Brief des Apostels Paulus an die Epheser}}|{{#if: Eph |Eph|Brief des Apostels Paulus an die Epheser}}}} 5{{#if:30|,30}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}</ref> sind, sind gleichsam aus dem Schoße Mariens hervorgegangen als ein Leib, der mit dem Haupte vereinigt ist. Somit heißen wir geistiger- und mystischerweise mit Recht Kinder Mariens, und sie ist unser aller Mutter: "Mutter freilich dem Geiste nach, aber doch durchaus Mutter der Glieder Christi, die wir sind“<ref>S. Aug., De sancta Virginitate c. 6.</ref>.
11 Die alleeseligste Jungfrau ist also zugleich Mutter Gottes und Mutter der Menschen. - Ohne Zweifel wird sie deshalb alles aufbieten, damit Christus, "das Haupt des Leibes, der Kirche"<ref>{{#ifeq: Brief des Paulus an die Kolosser | Ad diem illum (Wortlaut) |{{#if: Kol|Kol|Brief des Paulus an die Kolosser}}|{{#if: Kol |Kol|Brief des Paulus an die Kolosser}}}} 1{{#if:18|,18}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}</ref>, uns als seinen Gliedern alle seine Gnadenschätze mitteile, vor allem, damit wir ihn erkennen und "durch ihn leben"<ref>{{#ifeq: 1. Brief des Johannes | Ad diem illum (Wortlaut) |{{#if: 1 Joh|1 Joh|1. Brief des Johannes}}|{{#if: 1 Joh |1 Joh|1. Brief des Johannes}}}} 4{{#if:9|,9}} Joh%204{{#if:9|,9}}/anzeige/context/#iv EU | BHS =bibelwissenschaft.de">Joh%204{{#if:9|,9}}/anzeige/context/#iv EU | #default =bibleserver.com">EU }}</ref>.
VII. Die Anteilnahme Mariens am Leiden Christi
12 Zum Lobpreis der heiligsten Gottesgebärerin gehört nun nicht bloß, dass sie "dem eingeborenen Sohne Gottes, der mit menschlichen Gliedern geboren werden sollte, die Materie ihres Fleisches bot"<ref>S. Beda Ven., I. IV in Lk 1.</ref>, um aus demselben die Opfergabe zu bereiten für das Heil der Menschen, sondern dass sie auch das Amt übernahm, dieses Opferlamm zu hüten und zu ernähren, ja es zu seiner Zeit zum Opferaltar hinzugeleiten. So also bestand zwischen dem Sohn und der Mutter eine ununterbrochene Gemeinschaft im Leben und Leiden, und von beiden gilt das Wort des Propheten: "Mein Leben verging in Schmerz und meine Jahre in Seufzern<ref>{{#ifeq: Buch der Psalmen | Ad diem illum (Wortlaut) |{{#if: Ps|Ps|Buch der Psalmen}}|{{#if: Ps |Ps|Buch der Psalmen}}}} 30{{#if:11|,11}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}</ref>." Als nun das Lebensende ihres Sohnes herankam. "stand neben dem Kreuze Jesu sie", seine Mutter. Und zwar war sie keineswegs wie benommen von dem Entsetzlichen, was sie schauen musste, sondern sie empfand sogar noch Freude, "dass ihr Eingeborener für das Heil des Menschengeschlechtes zum Opfer dargebracht wurde; allerdings litt sie so sehr mit, dass sie, wenn dies möglich gewesen wäre, alle Marter ihres Sohnes von Herzen gern mitgelitten hätte"<ref>S. Bonav., I Sent., d. 48, ad litt., dub. 4.</ref>. Durch diese Teilnahme am Leiden und Willen Christi verdiente Maria, dass auch sie mit Recht „die Wiederherstellerin der verlorenen Menschenwelt" wurde<ref>Eadmeri Mon., De Excellentia Virg. Mariae, c. 9.</ref> und deshalb auch zur Ausspenderin aller Gnadenschätze, die Christus durch seinen Tod und sein Blut erkaufte. berufen wurde.
13 Damit wollen Wir nicht gesagt haben, dass die Verleihung dieser Gnaden nicht eigentlich und rechtmäßig Christus zustehe; er ausschließlich hat durch seinen Tod die Gnaden uns erworben, und er ist von Amts wegen der Mittler zwischen Gott und den Menschen. Aber infolge dieser Teilnahme der Mutter an den Leiden und Bedrängnissen des Sohnes ist der hehren Jungfrau das Vorrecht geworden. "bei ihrem Sohn nun die mächtige Mittlerin und Versöhnerin der ganzen Welt" zu sein<ref>Pius IX., Litt. Ap., “lnefIabilis", 8. Dez. 1854.</ref>. Christus ist die Quelle, "aus deren Fülle wir alle empfangen haben"<ref>{{#ifeq: Evangelium nach Johannes | Ad diem illum (Wortlaut) |{{#if: Joh|Joh|Evangelium nach Johannes}}|{{#if: Joh |Joh|Evangelium nach Johannes}}}} 1{{#if:16|,16}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}</ref>: "Von ihm aus wird der ganze Leib zusammengefügt und zusammengehalten durch das Band, das Dienst tut... und so erhält der Leib Wachstum zu seinem Aufbau in Liebe"<ref>{{#ifeq: Brief des Apostels Paulus an die Epheser | Ad diem illum (Wortlaut) |{{#if: Eph|Eph|Brief des Apostels Paulus an die Epheser}}|{{#if: Eph |Eph|Brief des Apostels Paulus an die Epheser}}}} 4{{#if:16|,16}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}</ref>.
VIII. Theologische Gründe für die Gnadenvermittlung Mariens
Maria ist nur, nach der richtigen Bemerkung des hl. Bernhard, der "Wasserkanal"<ref>S. Bern., Serm. de temp., in Nativ. B. V. de Aquaeductu n. 4</ref> oder auch der Hals, der den Leib mit dem Haupte verbindet und seinerseits Leben und Kraft von dem Haupte weitergibt. "Sie ist der Hals unseres Hauptes, durch den alle geistlichen Gaben seinem mystischen Leib mitgeteilt werden<ref>S. Bern. Sen., Quadrag. de Evangelio aetemo, Serm. X, a. 3, c. 3.</ref>."
14 Es braucht nicht mehr eigens betont zu werden, dass wir nie und nimmer der Gottesmutter die Kraft der übernatürlichen Gnadenbewirkung zuschreiben; diese gehört Gott allein an. Weil aber Maria alle an Heiligkeit und Inniger Vereinigung mit Christus übertrifft und von ihm selbst zur Vollführung des Erlösungswerkes herangezogen wurde, in der Absicht, dass sie Schicklicherweise (de congruo) für uns verdiene, was er von Rechts wegen (de condigno) verdient hat, so ist und bleibt sie die vornehmste Mitwirkerin bei der Gnadenverteilung. "Er sitzt zur Rechten der Majestät im Himmel"<ref>{{#ifeq: Brief an die Hebräer | Ad diem illum (Wortlaut) |{{#if: Hebr|Hebr|Brief an die Hebräer}}|{{#if: Hebr |Hebr|Brief an die Hebräer}}}} 1{{#if:3|,3}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}</ref>, Maria aber steht als Königin zu seiner Rechten, als "die bewährte Schützerin und zuverlässigste Helferin aller Gefährdeten. Keine Furcht und kein Zweifel braucht den schrecken, den sie leitet, über dem sie schwebt, dem sie gnädig ist und den sie beschützt"<ref>Pius IX., Litt. Ap. « Ineffabilis deus", 8. Dez. 1854.</ref>.
15 Aber nunmehr müssen wir wieder zu unserem Thema zurückkehren. Haben wir nicht mit Fug und Recht behaupten können, dass Maria, nachdem sie so treu zu Jesus gestanden, vom Hause in Nazareth bis zum Fels von Kalvaria, und vertraut wie niemand anders mit den Geheimnissen seines Herzens war, nun auch den Schatz seiner Verdienste, wie es einer Mutter zukommt, mit Recht verwaltet? Es gibt deshalb keinen besseren und sichereren Weg zur Erkenntnis und Liebe Christi als Maria. Sind nicht ein trauriger Beweis dieser Wahrheit leider gerade jene, die, betört durch die List des bösen Feindes oder irregeführt durch falsche Vorurteile, meinen, der Hilfe der Jungfrau entraten zu können? Diese Armen und Unglücklichen bilden sich ein, an Maria vorübergehen zu müssen, um angeblich Christus die Ehre zu geben, und sie wissen nicht, dass das Kind "nicht zu finden ist als bei Maria, seiner Mutter".
IX. Hauptzweck der Marienverehrung ist die Erkenntnis Jesu
16 Dahin also, ehrwürdige Brüder, sollen nach all diesen Ausführungen Unserem Wunsche gemäß die Festlichkeiten, die zur Ehre der unbefleckten Jungfrau allerorts bereitet werden, zielen. Keine Ehrung ist Maria erwünschter, an keiner hat sie solches Gefallen, als dass wir Jesus wirklich erkennen und lieben. Mögen die Gläubigen nur Festlichkeiten begehen in den Kirchen und mögen die Gemeinden sich rüsten zu feierlichen Veranstaltungen und Freudenbezeugungen: das alles ist gut und trefflich, um Frömmigkeit und Andacht zu fördern. Wenn jedoch dies alles nicht aus dem tiefsten Innern kommt, bleibt es doch bloß äußerer Schein und ein Zerrbild echter Religiosität. Und die seligste Jungfrau könnte dann fürwahr mit Recht die vorwurfsvollen Worte Christi sich auch uns gegenüber zu eigen machen: "Dieses Volk ehrt mich bloß mit den Lippen; ihr Herz aber ist fern von mir<ref>{{#ifeq: Evangelium nach Matthäus | Ad diem illum (Wortlaut) |{{#if: Mt|Mt|Evangelium nach Matthäus}}|{{#if: Mt |Mt|Evangelium nach Matthäus}}}} 15{{#if:8|,8}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}</ref>.
17 Denn wir können nur dann von einer wahren Verehrung der Gottesmutter sprechen, wenn sie vom Herzen kommt. Ohne den inneren Geist hat das äußere Werk weder Wert noch Nutzen. Dieser innerliche Geist muss sich aber vor allem in uns dahin auswirken, dass wir die Gebote ihres göttlichen Sohnes genauestens beobachten. Denn wenn die Liebe echt ist, muss sie notwendig den Willen ergreifen; unser Wollen muss mit dem unserer heiligsten Mutter in Übereinstimmung gebracht werden, nämlich Christus dem Herrn zu dienen. Was die Jungfrau aus tiefster Überzeugung bei der Hochzeit zu Kana den Dienern auftrug: "Was er sagt, das tut"<ref>{{#ifeq: Evangelium nach Johannes | Ad diem illum (Wortlaut) |{{#if: Joh|Joh|Evangelium nach Johannes}}|{{#if: Joh |Joh|Evangelium nach Johannes}}}} 2{{#if:5|,5}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}</ref>, das spricht sie auch zu uns. Christus aber wiederum sagt: "Wenn du zum Leben eingehen willst, halte die Gebote<ref>{{#ifeq: Evangelium nach Matthäus | Ad diem illum (Wortlaut) |{{#if: Mt|Mt|Evangelium nach Matthäus}}|{{#if: Mt |Mt|Evangelium nach Matthäus}}}} 19{{#if:17|,17}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}</ref>." Ein jeder möge sich also vor Augen halten: Wenn die Verehrung, die er der seligsten Jungfrau entgegenzubringen vorgibt, ihn nicht von der Sünde abhält und ihn nicht zu dem Entschlusse bringt, böse Gewohnheiten aufzugeben, so ist diese Verehrung Mariens bloß eine Äußerlichkeit und eine Selbsttäuschung ohne echten Kern und ohne heilbringende Frucht.
X. Das Dogma von der lmmakulata und die Flucht vor der Sünde
18 Sollte indessen jemand für diese Wahrheit noch eine Bestätigung erwarten, so lässt sich diese unschwer aus dem Glaubenssatz der Unbefleckten Empfängnis der Muttergottes selbst herleiten. - Sehen wir zunächst ab von der katholischen Überlieferung, die mit der Heiligen Schrift für uns die Quelle der Wahrheit ist: fragen wir nur, wie doch diese Überzeugung von der Unbefleckten Empfängnis der Jungfrau Maria zu jeder Zeit so mit dem christlichen Denken verwurzelt sein konnte, dass sie den Gläubigen wie eingegeben und angeboren zu sein scheint? Dionysius der Kartäuser gibt dafür eine Erklärung mit den Worten: "Abscheu und Entsetzen hält uns ab, zu sagen, dass jene, die der Schlange den Kopf zertreten sollte, zu irgendeiner Zeit von der Schlange zertreten wurde, und dass die, welche Mutter des Herrn sein sollte, jemals die Tochter des Teufels war<ref>Dionys. Carth., 3 Sent. d. 3, q. 1.</ref>." Das christliche Volk konnte eben nie und nimmer begreifen und verstehen, wie das heilige, unbefleckte, unschuldige Fleisch Christi in dem Schoß der Jungfrau von einem Fleische genommen sein konnte, dem auch nur einen Augenblick lang die Sündenmakel anhaftete. Und der Grund ist der: Es stehen eben Gott und die Sünde in einem unendlichen und unversöhnlichen Gegensatz zueinander. Und so bildete sich überall in der katholischen Welt die Überzeugung heraus, dass der Sohn Gottes, bevor er uns durch die Annahme der Menschennatur "in seinem Blut von unseren Sünden reinigte", seine Mutter schon im ersten Augenblick ihrer Empfängnis durch ein besonderes Gnadenprivileg von jeder Makel der Erbsünde rein bewahren musste.
19 Wenn also Gott dermaßen jede Sünde hasst und verabscheut, dass er die Mutter seines Sohnes nicht bloß von jeder persönlichen freiwilligen Sünde, sondern durch einen besonderen Gnadenerweis im Hinblick auf die Verdienste Christi auch von der Erbsünde, die allen Adamskindern wie ein Erbfluch anhaftet, befreit wissen wollte: dann muss offenbar als erstes von einem, der ein Diener Mariens sein will, verlangt werden, dass er seine schlimme und sündhafte Lebensführung aufgebe und auch all seine Neigungen, die stets von Verbotenem kosten wollen, beherrsche und in Zucht halte.
[Fortsetzung folgz]
Anmerkungen
<references />