Gravissimum educationis (Wortlaut)

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Erklärung
Gravissimum educationis

des Zweiten Vatikanisches Konzils
unter unserem Heiligen Vater
Paul VI.
28. Oktober 1965
über die christliche Erziehung
(Offizieller lateinischer Text AAS 58 [1966] 728-739)

(Quelle: Vatikanseite).
Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


VORWORT

Über die entscheidende Bedeutung der Erziehung im menschlichen Leben und ihren ständig wachsenden Einfluß auf den gesellschaftlichen Fortschritt der Gegenwart hat das Heilige Ökumenische Konzil eingehende Erwägungen angestellt<ref>Von den zahlreichen Verlautbarungen, die die Bedeutung der Erziehung herausstellen, vgl. besonders: Benedikt XV., Ep. Apost. Communes Litteras, 10. Apr. 1919: AAS 11 (1919) 172; Pius XI., Enz. Divini illius magistri, 31. Dez. 1929: AAS (1930) 49-86; Pius XII., Ansprache an die Jugendlichen der A.C.I.: Discorsi e Radiomessaggi VIII., 53-57; ders., Ansprache an die Familienväter Frankreichs, 18. Sept. 1951: Discorsi e Radiomessaggi XIII.,241-245; Johannes XXIII., Botschaft zum 30. Jahrestag des Erscheinens der Enz. Divini illius magistri, 30. Dez. 1959: AAS 52 (1960) 57-59; Paul VI., Ansprache an die Sodalen der F.I.D.A.E. (Federazione Istituti Dipendenti dall Autorità Ecclesiastica), 30. Dez. 1963: Encicliche e Discorsi di S.S. Paolo VI., I (Rom 1964) 601-603. Darüber hinaus vgl. die Acta et Documenta Concilio Œcumenico Vaticano II apparando, series I, Antepræparatoria, Bd. III.,363-364.370-371.373-374.</ref>. Tatsächlich machen die Gegebenheiten unserer Zeit die Erziehung der Jugend, ja sogar eine stetige Erwachsenenbildung leichter und vor allem dringlicher. Denn die Menschen sind sich der eigenen Würde und Aufgabe voller bewußt und verlangen immer mehr nach einer aktiveren Teilnahme am gesellschaftlichen und besonders am wirtschaftlichen und politischen Leben<ref>Johannes XXIII., Enz. Mater et magistra, 15. Mai 1961: AAS 53 (1961) 413.415-417.424; ders., Enz. Pacem in terris, 11. Apr. 1963: AAS 55 (1963) 278f.</ref>. Die staunenswerten Fortschritte der Technik und wissenschaftlichen Forschung sowie die modernen Kommunikationsmittel der Gesellschaft geben den Menschen, die heute nicht selten über mehr Freizeit verfügen, die Möglichkeit, zum geistig-kulturellen Erbe einen leichteren Zugang zu finden und durch eine engere Verbindung zwischen den Gruppen und den Völkern selbst sich gegenseitig zu ergänzen.

Daher werden überall Versuche unternommen, das Erziehungswerk mehr und mehr zu fördern. Die grundlegenden Menschenrechte, die sich mit der Erziehung befassen, insbesondere die der Kinder und der Eltern, stellt man klar heraus und legt sie in öffentlichen Erklärungen nieder<ref>Vgl. die allgemeine Erklärung der Menschenrechte (Déclaration des droits de l'homme) durch die UN am 10. Dez. 1948; vgl. außerdem die Erklärung der Rechte des Kindes vom 20. Nov. 1959; Protocole additionnel à la convention de sauvegarde des droits de l'homme et des libertés fondamentales, Paris, 20. März 1952; über jene allgemeine Erklärung der Menschenrechte vgl. Johannes XXIII., Enz. Pacem in terris, 11. Apr. 1963: AAS 55 (1963) 295f.</ref>. Um der schnell anwachsenden Schülerzahl gerecht zu werden, vermehrt und verbessert man auf breiter Basis die Schulen und gründet neue Erziehungsinstitute; neuartige Versuche wollen die Methoden von Erziehung und Unterricht vervollkommnen. Außerordentliche Anstrengungen werden unternommen, diese allen Menschen zugänglich zu machen, wenn auch bis jetzt einer großen Zahl von Kindern und Jugendlichen selbst der elementarste Unterricht noch versagt bleibt und so viele andere eine geeignete Erziehung entbehren müssen, bei der die Wahrheit und die Liebe zugleich gepflegt werden.

In der Erfüllung des Auftrags ihres göttlichen Stifters soll die heilige Mutter Kirche das Heilsmysterium allen Menschen verkünden und alles in Christus erneuern. Ihrer Sorge ist daher auch das ganze irdische Leben des Menschen aufgegeben, insofern es mit der himmlischen Berufung im Zusammenhang steht<ref>Vgl. Johannes XXIII., Enz. Mater et magistra, 15. Mai 1961: AAS 53 (1961) 402. II. Vat. Konzil, Dogm. Konst. über die Kirche Lumen gentium, Nr. 17: AAS 57 (1965) 21.</ref>; so hat sie auch bei der Förderung und Ausweitung der Erziehung ihre Aufgabe zu erfüllen. Darum legt das Heilige Konzil hinsichtlich der christlichen Erziehung, vor allem in den Schulen, einige grundlegende Richtlinien nieder, die dann durch eine besondere nachkonziliare Kommission weiter ausgearbeitet und durch die Bischofskonferenzen auf die unterschiedlichen Situationen ihrer Gebiete angewendet werden sollen.

Das Recht jedes Menschen auf Bildung

1. Alle Menschen, gleich welcher Herkunft, welchen Standes und Alters, haben kraft ihrer Personenwürde das unveräußerliche Recht auf eine Erziehung<ref>Pius XII., Radiobotschaft, 24. Dez. 1942: AAS 35 (1943) 12.19; Johannes XXIII., Enz. Pacem in terris, 11. Apr. 1963: AAS 55 (1963) 259f. Vgl. auch die in Anm. 3 genannten Erklärungen der Menschenrechte.</ref>, die ihrem Lebensziel<ref>Vgl. Pius XI., Enz. Divini illius magistri, 31. Dez. 1929: AAS 22 (1930) 50f.</ref>, ihrer Veranlagung, dem Unterschied der Geschlechter Rechnung trägt, der heimischen kulturellen Überlieferung angepaßt und zugleich der brüderlichen Partnerschaft mit anderen Völkern geöffnet ist, um der wahren Einheit und dem Frieden auf Erden zu dienen. Die wahre Erziehung erstrebt die Bildung der menschlichen Person in Hinordnung auf ihr letztes Ziel, zugleich aber auch auf das Wohl der Gemeinschaften, deren Glied der Mensch ist und an deren Aufgaben er als Erwachsener einmal Anteil erhalten soll.

Unter Verwertung der Fortschritte der psychologischen, der pädagogischen und der didaktischen Wissenschaft sollen also die Kinder und Jugendlichen in der harmonischen Entfaltung ihrer körperlichen, sittlichen und geistigen Anlagen so gefördert werden, dass sie allmählich ein tieferes Verantwortungsbewußtsein erwerben für ihr eigenes Leben und seine im steten Streben zu leistende Entfaltung und für das Wachsen in der wahren Freiheit, in der tapferen und beharrlichen Überwindung der widerstreitenden Kräfte. Nach den jeweiligen Altersstufen sollen sie durch eine positive und kluge Geschlechtserziehung unterwiesen werden. Außerdem müssen sie für die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben so geformt werden, dass sie, versehen mit dem notwendigen und geeigneten Rüstzeug, sich in die verschiedenen Gruppen der menschlichen Gemeinschaft tätig einzugliedern vermögen, dem Gespräch mit anderen sich öffnen und bereitwillig für das Allgemeinwohl eintreten.

Ebenso erklärt die Heilige Synode: Die Kinder und Heranwachsenden haben ein Recht darauf, angeleitet zu werden, die sittlichen Werte mit richtigem Gewissen zu schätzen und sie in personaler Bindung zu erfassen und Gott immer vollkommener zu erkennen und zu lieben. Daher richtet sie an alle Staatenlenker und Erzieher die dringende Bitte, dafür zu sorgen, dass die Jugend niemals dieses heiligen Rechtes beraubt werde. Die Söhne der Kirche aber ermahnt sie zum hochherzigen Einsatz ihrer Kräfte im gesamten Bereich der Erziehung; vor allem sollen sie mitarbeiten, dass möglichst bald alle Menschen auf der ganzen Welt in den Genuß einer angemessenen Erziehung und Bildung gelangen können<ref>Vgl. Johannes XXlII., Enz. Mater et magistra, 15. Mai 1961: AAS 53 (1961) 441f.</ref>.

Die christliche Erziehung

2. Alle Christen, die, durch die Wiedergeburt aus dem Wasser und dem Heiligen Geist zu einer neuen Schöpfung geworden<ref>Vgl. Pius XI., Enz. Divini illius magistri, a. a. O. 83.</ref>, Söhne Gottes heißen und es auch sind, haben das Recht auf eine christliche Erziehung. Diese erstrebt nicht nur die eben umrissene Reifung der menschlichen Person, sondern zielt hauptsächlich darauf ab, dass die Getauften, indem sie stufenweise in die Erkenntnis des Heilsmysteriums eingeführt werden, der empfangenen Gabe des Glaubens immer mehr bewußt werden. Sie sollen lernen, Gott den Vater im Geist und in der Wahrheit (vgl. Joh 4,23) vornehmlich durch die Mitfeier der Liturgie anzubeten und ihr eigenes Leben nach dem neuen Menschen in Gerechtigkeit und wahrer Heiligkeit (vgl. Eph 4,22-24) zu gestalten. So sollen sie zur Mannesreife gelangen, zum Vollmaß des Alters Christi (Eph 4,13), und so zum Aufbau des mystischen Leibes ihren Beitrag leisten. Überdies sollen sie sich im Bewusstsein ihrer Berufung darin einüben, Zeugnis abzulegen für die Hoffnung, die in ihnen ist (1 Petr 3,15), und an der christlichen Weltgestaltung mitzuhelfen; hierbei sollen ja die natürlichen Werte, die in die Gesamtschau des von Christus erlösten Menschen einbezogen sind, zum Wohl der ganzen Gesellschaft wirksam werden<ref>Vgl. II. Vat. Konzil, Dogm. Konst. über die Kirche Lumen gentium, Nr. 36: AAS 57 (1965) 41f.</ref>. Deshalb erinnert die Heilige Synode die Oberhirten an die schwere Verantwortung, alles daranzusetzen, dass alle Gläubigen diese christliche Erziehung genießen, vor allem die jungen Menschen, die die Hoffnung der Kirche sind<ref>Vgl. II. Vat. Konzil, Dekret über die Hirtenaufgabe der Bischöfe in der Kirche Christus dominus, Nr. 12-14.</ref>.

Die Eltern, die ersten Erzieher

3. Da die Eltern ihren Kindern das Leben schenkten, haben sie die überaus schwere Verpflichtung zur Kindererziehung<ref>Vgl. Pius XI., Enz. Divini illius magistri, a. a. O. 59f.; ders., Enz. Mit brennender Sorge, 14. März 1937: AAS 29 (1937) 164f.; Pius XII., Ansprache an den ersten nationalen Kongreß der Vereinigung der katholischen Lehrer Italiens (A.I.M.C.), 8. Sept. 1946: Discorsi e Radiomessaggi VIII., 218.</ref>. Daher müssen sie als die ersten und bevorzugten Erzieher ihrer Kinder anerkannt werden. Ihr Erziehungswirken ist so entscheidend, dass es dort, wo es fehlt, kaum zu ersetzen ist. Den Eltern obliegt es, die Familie derart zu einer Heimstätte der Frömmigkeit und Liebe zu Gott und den Menschen zu gestalten, dass die gesamte Erziehung der Kinder nach der persönlichen wie der gesellschaftlichen Seite hin davon getragen wird. So ist die Familie die erste Schule der sozialen Tugenden, deren kein gesellschaftliches Gebilde entraten kann. Besonders aber sollen in der christlichen Familie, die mit der Gnade und dem Auftrag des Ehesakramentes ausgestattet ist, die Kinder schon von den frühesten Jahren an angeleitet werden, gemäß dem in der Taufe empfangenen Glauben Gott zu erkennen und zu verehren und den Nächsten zu lieben. Was gesunde menschliche Gemeinschaft und was Kirche ist, erfahren die Kinder zum erstenmal in einer solchen christlichen Familie; durch sie werden sie auch allmählich in die weltliche Gemeinschaft und in das Volk Gottes eingeführt. Daher sollen die Eltern wohl bedenken, wie entscheidend die echt christliche Familie für das Leben und das Wachstum des Gottesvolkes ist<ref>Vgl. II. Vat. Konzil, Dogm. Konst. über die Kirche Lumen gentium, Nr. 11 und 35: AAS 57 (1965) 16 und 40f.</ref>.

Wenn auch die Erziehungsaufgabe in erster Linie der Familie zufällt, so bedarf diese doch der Hilfe der gesamten Gesellschaft. Neben den Rechten der Eltern und derer, denen diese einen Teil der Erziehungsaufgabe anvertrauen, stehen daher gewisse Rechte und Pflichten auch dem Staat zu, soweit dieser das zu ordnen hat, was das zeitliche Allgemeinwohl erfordert. Zu seinen Aufgaben gehört es, die Erziehung der Jugend in vielfacher Weise zu fördern; er hat die Pflichten und Rechte der Eltern und all derer, die an der Erziehungsaufgabe teilhaben, zu schützen und ihnen Hilfe zu leisten, und wenn die Initiativen der Eltern und anderer Gemeinschaften nicht genügen, kommt dem Subsidiaritätsprinzip entsprechend dem Staat die Pflicht zu, die Erziehung in die Hand zu nehmen, immer aber unter Beachtung des elterlichen Willens.

Schließlich gehört es zu seinen Aufgaben, eigene Schulen und Institute zu gründen, soweit dies das Allgemeinwohl erfordert<ref>Vgl. Pius XI., Enz. Divini illius magistri, a. a. O. 63f.; Pius XII., Radiobotschaft, 1. Juni 1941: AAS 33 (1941) 200; Ansprache an den ersten nationalen Kongreß der Vereinigung der katholischen Lehrer Italiens, 8. Sept. 1946: Discorsi e Radiomessaggi VIII.,218. Zum Subsidiaritätsprinzip vgl. Johannes XXIII., Enz. Pacem in terris, 11. Apr. 1963: AAS 55 (1963) 294.</ref>. Ein ganz besonderer Erziehungsauftrag ist der Kirche zu eigen, nicht nur weil auch sie als eine zur Erziehung fähige menschliche Gemeinschaft anzuerkennen ist, sondern vor allem deshalb, weil sie die Aufgabe hat, allen Menschen den Heilsweg zu verkünden, den Gläubigen das Leben Christi mitzuteilen und ihnen mit unablässiger Sorge zu helfen, dass sie zur Fülle dieses Lebens gelangen können<ref>Vgl. Pius XI., Enz. Divini illius magistri, a. a. O. 53f. 56f.; ders., Enz. Non abbiamo bisogno, 29. Juni 1931: AAS 23 (1931) 311f.; Pius XII., Schreiben des Staatssekretariats zur 28. italienischen sozialen Woche, 20. Sept. 1955: L,Osservatore Romano, 29. Sept. 1955.</ref>. Diesen ihren Kindern hat daher die Kirche gleichsam als ihre Mutter jene Erziehung zu schenken, die ihr ganzes Leben mit dem Geiste Christi erfüllt; zugleich aber bietet sie ihre wirksame Hilfe allen Völkern an zur Vervollkommnung der menschlichen Persönlichkeit, zum Wohl der irdischen Gesellschaft und zum Aufbau einer Welt, die menschlicher gestaltet werden muss<ref>Die Kirche lobt jene zivilen, lokalen, nationalen und internationalen Autoritäten, die im Bewusstsein der vordringlichen Bedürfnisse der gegenwärtigen Zeit alle Kräfte aufbieten, um alle Völker an einer umfassenderen Erziehung und an der menschlichen Kultur teilnehmen zu lassen. Vgl. Paul VI., Ansprache vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen, 4. Okt. 1965: AAS 57 (1965) 877-885.</ref>.

Die verschiedenen Hilfsmittel der christlichen Erziehung

4. In der Erfüllung ihrer Erziehungsaufgabe ist die Kirche um alle geeigneten Hilfsmittel bemüht, besonders um jene, die ihr eigentümlich sind. Zu ihnen gehört als erstes die katechetische Unterweisung<ref>Vgl. Pius XI., Motu proprio Orbem catholicum, 29. Juni 1923: AAS 15 (1923) 327-329; ders., Dekret Provide sane, 12. Jan. 1935: AAS 27 (1935) 145-152; II. Vat. Konzil, Dekret über die Hirtenaufgabe der Bischöfe in der Kirche Christus dominus, Nr. 13 und 14.</ref>: sie erleuchtet den Glauben und stärkt ihn, sie nährt das Leben im Geiste Christi, führt zum bewußten und aktiven Mitvollzug des Mysteriums der Liturgie<ref>Vgl. II. Vat. Konzil, Konst. über die heilige Liturgie Sacrosanctum concilium, Nr. 14: AAS 56 (1964) 104.</ref> und ermuntert zur apostolischen Tat. Aber auch die anderen zum gemeinsamen menschlichen Erbe gehörenden Hilfsmittel, die zur Bildung des Geistes und zur Formung des Menschen sehr viel beitragen, schätzt die Kirche hoch und sucht sie mit ihrem Geiste zu durchdringen und zu vervollkommnen; so etwa die Kommunikationsmittel der Gesellschaft<ref>Vgl. II. Vat. Konzil, Dekret über die sozialen Kommunikationsmittel Inter mirifica, Nr. 13 und 14: AAS 56 (1964) 149f.</ref>, die verschiedenen der geistigen und körperlichen Ertüchtigung dienenden Vereinigungen, die Jugendgemeinschaften und vor allem die Schulen.

Die Schule

5. Unter allen Erziehungsmitteln hat die Schule eine ganz besondere Bedeutung<ref>Vgl. Pius XI., Enz. Divini illius magistri, a. a. O. 76; Pius XII., Ansprache an die Vereinigung der katholischen Lehrer Bayerns, 31. Dez. 1956: Discorsi e Radiomessaggi XVIII., 746.</ref>, weil sie kraft ihrer Mission die geistigen Fähigkeiten in beharrlicher Mühe heranbildet, das rechte Urteilsvermögen entwickelt, in das von den vergangenen Generationen erworbene kulturelle Erbe einführt, den Sinn für die Werte erschließt und auf das Berufsleben vorbereitet. Zudem stiftet sie zwischen den Schülern verschiedener Anlagen und verschiedenen Standes ein freundschaftliches Zusammenleben und schafft so die Grundlage für ein gegenseitiges Verständnis. Darüber hinaus wird sie gleichsam zu einem Zentrum, an dessen Bestrebungen und Fortschritten zugleich teilnehmen sollen die Familien, die Lehrer, die verschiedenen Vereinigungen für das kulturelle, das bürgerliche und das religiöse Leben, die Gesellschaft, ja die gesamte Menschheitsfamilie.

Schön, freilich auch schwer ist darum die Berufung all derer, die als Helfer der Eltern und Vertreter der menschlichen Gesellschaft in den Schulen die Erziehungsaufgabe übernehmen. Ihre Berufung erfordert besondere Gaben des Geistes und des Herzens, eine sehr sorgfältige Vorbereitung und die dauernde Bereitschaft zur Erneuerung und Anpassung.

Rechte und Pflichten der Eltern

6. Die Eltern, die zuerst und unveräußerlich die Pflicht und das Recht haben, ihre Kinder zu erziehen, müssen in der Wahl der Schule wirklich frei sein. Die Staatsgewalt, deren Aufgabe es ist, die bürgerlichen Freiheiten zu schützen und zu verteidigen, muss zur Wahrung der "austeilenden Gerechtigkeit" darauf sehen, dass die öffentlichen Mittel so ausgegeben werden, dass die Eltern für ihre Kinder die Schulen nach ihrem Gewissen wirklich frei wählen können <ref>Vgl. Provinzialsynode von Cincinnati III (1861): Collectio Lacensis III.,1240, c/d; Pius XI., Enz. Divini illius magistri, a. a. O. 60.63f.</ref>.

Im übrigen kommt es dem Staat zu, dafür zu sorgen, dass allen Bürgern eine entsprechende Teilnahme an der Kultur ermöglicht wird und sie auf die Übernahme der bürgerlichen Pflichten und Rechte gebührend vorbereitet werden. Der Staat muss daher das Recht der Kinder auf angemessene schulische Erziehung schützen, die Befähigung der Lehrer und die Qualität des Unterrichts überwachen, für die Gesundheit der Schüler Sorge tragen und im allgemeinen dem ganzen Schulwesen seine Förderung angedeihen lassen. Dabei soll er das Subsidiaritätsprinzip vor Augen haben, unter Ausschluß jeder Art von Schulmonopol, das den angeborenen Rechten der menschlichen Person widerstreitet, dem Fortschritt und der Ausbreitung der Kultur, dem friedlichen Zusammenleben der Bürger und dem in sehr vielen Staaten heute herrschenden Pluralismus widerspricht<ref>Vgl. Pius XI., Enz. Divini illius magistri, a. a. O. 63; ders., Enz. Non abbiamo bisogno, 29. Juni 1931: AAS 23 (1931) 305; Pius XII., Schreiben des Staatssekretariats an die 28. italienische soziale Woche, 20. Sept. 1955: L'Osservatore Romano, 29. Sept. 1955; Paul VI., Ansprache an die christliche Vereinigung der Arbeiter Italiens (A.C.L.I.), 6. Okt. 1963: Encicliche e Discorsi di Paolo VI., I (Rom 1964) 230.</ref>.

An die Gläubigen aber richtet die Heilige Synode die Mahnung, hilfsbereit mitzuwirken an der Erarbeitung guter Erziehungsmethoden und Unterrichtspläne sowie an der Ausbildung von Lehrern, die die Jugend recht zu erziehen vermögen. Zudem sollen sie, vor allem durch den Zusammenschluß in Elternvereinigungen, das gesamte Schulwesen unterstützen und insbesondere die dadurch zu vermittelnde sittliche Bildung mit ihren Hilfsmitteln fördern<ref>Vgl. Johannes XXIII., Botschaft zum 30. Jahrestag des Erscheinens der Enzyklika Divini illius magistri, 30. Dez. 1959: AAS 52 (1960) 57.</ref>.


Anmerkungen

<references />