Officio sanctissimo (Wortlaut)

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Enzyklika
Officio sanctissimo

unsers Heiligen Vaters
Leo XIII.
durch göttliche Vorsehung Papst
an die Erzbischöfe und Bischöfe Bayerns
22. Dezember 1887

(Offizieller lateinischer Text: ASS XX [1887] 257-271)

(Quelle: Die katholische Sozialdoktrin in ihrer geschichtlichen Entfaltung, Hsgr. Arthur Fridolin Utz+ Birgitta Gräfin von Galen, XXV 12-27, Scientia humana Institut Aachen 1976, (Imprimatur Friburgi Helv., die 2. decembris 1975 Th. Perroud, V.G.; Die Nummerierung folgt der englischen Fassung.)

Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


Ehrwürdige Brüder,
Gruß und apostolischen Segen!

Die Sorge des Papstes angesichts der religiösen Situation in Bayern

1 Durch die hohe Pflicht Unseres Apostolischen Amtes bewogen, haben Wir Uns, wie Ihr wisst, seit langem darum bemüht, die Lage der Katholischen Kirche in Preussen zu verbessern, damit diese die ihrer Würde entsprechende Stellung wiedererlange und ihre ehemalige Blüte nach und nach wiedergewinne. Diese Unsere Absichten und Bemühungen hatten unter Gottes Eingebung und Beistand einen glücklichen Erfolg, sodass Wir die früheren Klagen beschwichtigen konnten und die Hoffnung hegen, dass die dortigen Katholiken volle Freiheit und Ruhe genießen werden. - Nunmehr beabsichtigen Wir, mit besonderer Liebe Unsere Gedanken und Sorgen auf Bayern zu richten. Nicht weil Wir meinen, die Lage der Kirche in Bayern sei die gleiche, wie sie es in Preussen war, sondern weil Wir wünschen, es möchten auch in diesem Königreich, das sich seit Urväter Zeiten des katholischen Bekenntnisses rühmt, alle jene Missstände, die die Freiheit der Kirche behindern, in angemessener Weise behoben werden. - Damit dieses segensreiche Vorhaben sich verwirkliche, wollen Wir alle Wege prüfen, die Uns noch offen stehen, sowie Unsere ganze Autorität und alle Mühen ohne Zögern dafür einsetzen. Daher wenden Wir Uns an Euch, Ehrwürdige Brüder, und durch Eure Vermittlung an alle Unsere geliebten Söhne in Bayern, damit Wir Euch, was immer zur Pflege und Förderung der Sache der Religion in Eurem Volk zweckdienlich scheint, mitteilen und anraten oder Uns selbst vertrauensvoll an die Staatsregierung wenden können.

Die Geschichte der Katholischen Kirche in Bayern, ihre gegenwärtigen Schwierigkeiten

2 Die Kirchengeschichte Bayerns - Wir wiederholen Dinge, die Euch nicht unbekannt sind - berichtet von Ereignissen, die für die Kirche wie für den Staat Grund zur Freude sind. Denn seit die göttliche Saat des christlichen Glaubens durch den Eifer des hl. Abtes Severin, des Apostels von Noricum, und anderer Sendboten des Evangeliums in Eurem Land ausgestreut war, schlug sie so tiefe und so feste Wurzeln, dass er später weder durch den unmenschlichen Aberglauben noch durch die politischen Wirren und Umwälzungen gänzlich ausgerottet wurde. So kam es, dass der hl. Rupert, der Bischof von Worms, als er gegen Ende des siebten Jahrhunderts auf Einladung des Bayernherzogs Theodo daranging, den Glauben in diesen Ländern wieder zu beleben und weiter auszubreiten, inmitten des tiefsten Heidenturns noch sehr viele Menschen vorfand, die den christlichen Glauben bekannten oder danach verlangten. Dieser hervorragende Fürst Theodo unternahm, von seinem Glaubenseifer angetrieben, eine Reise nach Rom, um den Gräbern der hl. Apostel und dem Stellvertreter Jesu Christi seine Verehrung zu beweisen; er gab damit zugleich als erster ein Beispiel der Frömmigkeit der Bayern und ihrer Ergebenheit gegenüber dem Apostolischen Stuhl, das späterhin andere hervorragende Fürsten gewissenhaft nachgeahmt haben. Zur gleichen Zeit wurde Kardinal Martinianus, Bischof von Sabina, zusammen mit seinen Gefährten Georgius und Dorotheus, beide Kardinäle der Römischen Kirche, vom hl. Papst Gregor II. nach Bayern entsandt, um das kirchliche Leben zu festigen und zu fördern. Nicht sehr viel später ist Korbinian, der durch die Heiligkeit seines Lebens und seine Selbstverleugnung berühmte Bischof von Freising, der das apostolische Werk des hl. Rupert mit dem gleichen Eifer wie dieser fortgesetzt und erweitert hat, zum Papst nach Rom gereist.

3 Das höchste Lob für die Verbreitung und Förderung des Glaubens in Bayern gebührt aber vor allem dem hl. Bonifatius, dem Erzbischof von Mainz, der zu Recht den unsterblichen Ruhm genießt, der Vater, Apostel und Märtyrer des christlichen Deutschland zu sein. Er reiste im Auftrag der Päpste Gregor II. und Gregor III. und Zacharias, deren Vertrauen er stets in höchstem Maße besessen hat; in ihrem Namen und mit ihrer Autorität hat er Bayern in Diözesen aufgeteilt und die kirchliche Hierarchie darin errichtet und so dem bereits dort verbreiteten Glauben Dauer verliehen. "Den Acker des Herrn", schrieb der hl. Gregor II. an Bonifatius, "der brachgelegen hatte und die Dornen des Unglaubens trug, hast du mit der Pflugschar deiner Lehre gepflügt, sodass er die Saat des Wortes aufgenommen und eine reiche Ernte des Glaubens hervorgebracht hat" <ref>Ep. XIII, ad Bonifacium. VgI. Labbe, Collect. Conc., vol. VIII. </ref>. Seit jener Zeit ist die Religion der Bayern, wenngleich im Verlauf der Zeiten hart bedrängt, in allen Wechselfällen im staatlichen Bereich ungeschwächt und unerschüttert geblieben. Es folgten nämlich die heftigen, langen und erbitterten Intrigen und Kämpfe des Kaisertums gegen das Papsttum, auch hierbei hat Bayern der Kirche mehr Anlass zur Freude als zur Trauer gegeben. Es stand nämlich entschlossen aufseiten des rechtmäßigen Papstes Gregor XI., und weder die entfesselte Wut der Gegenpartei noch ihre Drohungen konnten es abtrünnig machen. Auch hat es sich, was noch viel schwieriger war, lange Zeit später von den heftigen Angriffen der Neuerer nicht schrecken lassen und die Reinheit des Glaubens und die treue Verbundenheit mit der Römischen Kirche bewahrt. Diese Seelenstärke und Festigkeit eurer Väter ist umso lobenswerter, als fast alle angrenzenden Völker der neuen Glaubensrichtung elendiglich erlagen. Auf die Bayern jener traurigen Zeit lassen sich mit Recht die Worte Gregors II. über die vom hl. Bonifatius in der christlichen Weisheit unterwiesenen Thüringer anwenden; in einem Brief an die Großen dieses Landes hatte er ihnen schon lange vorher dieses wohlverdiente Lob gespendet: "Von übergroßer Freude wurden Wir erfüllt, als Wir erfuhren, mit welch staunenswerter Standhaftigkeit ihr dem Glauben an Christus treu geblieben seid, als die Heiden euch zwingen wollten, die Götzen zu verehren, und ihr voll heiligen Glaubens geantwortet habt, dass ihr lieber selig sterben als von dem einmal angenommenen Glauben an Christus auch nur im geringsten abweichen wolltet; Wir haben unserem Gott und Erlöser, dem Spender aller guten Gaben, den geschuldeten Dank gesagt und wünschen, dass ihr mit seiner Gnade zu immer Besserem fortschreitet und zu Festigung eures Glaubensentschlusses dem hl. Apostolischen Stuhl in frommer Gesinnung anhängt und, soweit es das Wohl der heiligen Religion erfordert, bei dem genannten Apostolischen Stuhl, der geistigen Mutter aller Gläubigen, Trost sucht, wie es für Söhne und Miterben des Reiches des königlichen Vaters angemessen ist" <ref>Ep. V, ad optimates Thuringiae. VgI. Labbe, ebda. </ref>.

4 Wenngleich nun die Gnade des barmherzigen Gottes, die Euer Volk in der Vergangenheit behütet und bewahrt hat, für die kommende Zeit das Beste erhoffen lässt, müssen wir doch, jeder gemäß seiner jeweiligen Pflicht, alles tun, was am meisten geeignet ist, Schäden, die die Religion etwa erlitten hat, zu heilen und noch drohende abzuwenden, auf dass die christliche Lehre und die heiligen Sittengesetze tagtäglich mehr Menschen erreichen und weithin erfreuliche Resultate zeitigen mögen. Wir sagen dies nicht, weil etwa die katholische Sache bei Euch keine mächtigen und mutigen Verteidiger besäße; denn Wir wissen zur Genüge, Ehrwürdige Brüder, dass ihr mit dem weitaus größten und besten Teil der Geistlichen wie der Laien den Kämpfen und Gefahren, von denen Eure Kirche umringt und bedrängt ist, nicht kalt und teilnahmslos gegenübersteht. Wie Unser Vorgänger Pius IX. unter sehr ähnlichen Verhältnissen den Bischöfen von Bayern in einem sehr liebevollen Schreiben <ref>Brief "Nihil Nobis gratius", 20. Februar 1851. </ref> wegen ihres hervorragenden Eifers bei der Wahrung der kirchlichen Interessen höchstes Lob gespendet hat, so sprechen auch Wir von Herzen und freimütig jedem einzelnen Unsere Anerkennung aus für alles, was er zur Verteidigung der von den Vätern überkommenen Religion unternommen und mutig durchgeführt hat. Aber da Gott in seiner Vorsehung es in diesen Zeiten zugelassen hat, dass die Kirche von heftigen Angriffen erschüttert wird, so verlangt er zu Recht von uns, dass wir um so bereitwilliger mit all unserem Mut und all unseren Kräften ihr zu Hilfe kommen. Ihr aber, Ehrwürdige Brüder, seht wie Wir voller Schmerz, was für harte und schwere Zeiten über die Kirche hereingebrochen sind; Ihr wisst am besten, wie die Dinge bei Euch stehen und mit welchen Schwierigkeiten Ihr zu kämpfen habt. Daher wisst Ihr aus Erfahrung, dass Eure Amtspflicht in der Gegenwart sich erweitert hat und mehr als früher Wachsamkeit und Tatkraft, Festigkeit und christliche Klugheit von Euch fordert.

Sorgen um die wissenschaftliche und religiöse Bildung des Klerus

5 Als erstes erinnern Wir Euch daran und ermahnen Euch, Euren Klerus in allem auszubilden und mit allem auszustatten, was er braucht. - Der Klerus, dessen Amt und Funktion es mit sich bringt, dass er unter der Leitung der Bischöfe fast ständig mit dem christlichen Volk zusammenarbeitet, gereicht wie eine Armee auch dem Staat zum Ruhm und zum Schutz, je größer seine Zahl und je hervorragender seine Disziplin ist. Daher war es von jeher die besondere Sorge der Kirche, Jugendliche für das Priesteramt auszuwählen und heranzubilden, "deren Anlagen und Neigungen hoffen lassen, dass sie sich für immer dem kirchlichen Dienst widmen werden" <ref>Conc. Trid., Sess. XXIII, De reform. XVIII. </ref> und "dass die Jugend vom zarten Alter an ... in der Frömmigkeit und im Glauben gebildet wird, ehe noch lasterhafte Gewohnheiten über den ganzen Menschen Herr geworden sind" <ref>A. a. O. </ref>; sie hat für diese eigene Häuser und Schulen gegründet und, besonders im Hl. Konzil von Trient <ref>A. a. O. </ref>, weise Regeln dafür aufgestellt, "damit eine solche Anstalt eine ständige Pflanzstätte für die Diener Gottes sei" <ref>A. a. O. </ref>. Manchenorts wurden jedoch Gesetze erlassen und durchgeführt, die, wenn sie es auch nicht verhindern können, so doch erschweren, dass der Ordens- wie der Weltklerus nach seinem eigenen Willen gebildet und nach seinem eigenen Gesetz unterrichtet wird. In dieser äußerst wichtigen Sache haben Wir, wie schon früher, so auch jetzt es für angebracht gehalten, offen Unsere Meinung auszusprechen und mit allen Uns zur Verfügung stehenden Mitteln das Recht der Kirche heilig und unverletzt zu bewahren. Da die Kirche eine in ihrer Art vollkommene Gesellschaft ist, hat sie das natürliche Recht, ihre Scharen zu sammeln und anzuleiten, die niemandem schaden, aber vielen helfen in dem Friedensreich, das Jesus Christus zum Heil der Menschen auf Erden gegründet hat.

6 Der Klerus wird das ihm anvertraute Amt voll und ganz erfüllen, wenn er unter der Aufsicht der Bischöfe in den Seminarien jene Bildung des Geistes und Herzens empfangen hat, wie es die Würde des christlichen Priestertums und die Zeit- und Lebensverhältnisse fordern; er soll sich nämlich durch seine Gelehrsamkeit hervortun, vor allem aber durch seine Tugend, damit ihm die Menschen Wohlwollen und Ehrerbietung entgegenbringen.

Im Kampf gegen den modernen Rationalismus geht es vor allem um die Religion

7 Das wunderbare Licht der christlichen Weisheit muss vor aller Augen aufleuchten, um die Finsternis der Unwissenheit, die die größte Feindin der Religion ist, zu vertreiben, damit die Wahrheit sich überall ausbreiten und segensreich herrschen kann. - Auch müssen die vielen Irrtümer zurückgewiesen und widerlegt werden, die aus Unwissenheit, Unredlichkeit oder Vorurteilen entstanden sind, den Geist der Menschen zu Unrecht von der katholischen Wahrheit abbringen und ihm einen Widerwillen gegen sie einflößen. Diese sehr große Aufgabe, "in der gesunden Lehre zu unterweisen und die Gegner zu widerlegen" <ref>{{#ifeq: Brief des Paulus an Titus | Officio sanctissimo (Wortlaut) |{{#if: Tit|Tit|Brief des Paulus an Titus}}|{{#if: Tit |Tit|Brief des Paulus an Titus}}}} 1{{#if:9|,9}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }} </ref>, kommt den Priestern zu, die sie rechtmäßig von Christus dem Herrn empfangen haben, der sie mit göttlicher Autorität aussandte, alle Völker zu lehren: "Geht hin in alle Welt und predigt das Evangelium allen Geschöpfen" <ref>{{#ifeq: Evangelium nach Markus | Officio sanctissimo (Wortlaut) |{{#if: Mk|Mk|Evangelium nach Markus}}|{{#if: Mk |Mk|Evangelium nach Markus}}}} 16{{#if:15|,15}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }} </ref>; daher sind die Bischöfe, die anstelle der Apostel gewählt wurden, eindeutig die Lehrer in der Kirche Gottes und die Priester ihre Gehilfen. - Diese heiligste Aufgabe wurde, wenn überhaupt jemals, in den ersten Jahrhunderten unserer heiligen Religion und den darauffolgenden voll und ganz erfüllt, in jenen langwierigen, harten Kämpfen gegen die Tyrannei des heidnischen Aberglaubens; dabei hat die Schar der Priester sich großen Ruhm erworben, noch größeren aber der Chor der Kirchenväter und Kirchenlehrer, deren Weisheit und Beredsamkeit für alle Zeiten Gegenstand der Bewunderung war. Sie haben nämlich die christliche Lehre erörtert, ausführlich erläutert, kämpferisch verteidigt, sodass ihre einzigartige göttliche Wahrheit desto einleuchtender hervortrat; dagegen erschien die Lehre der Heiden auch den Ungebildeten widerlegt und verächtlich, zusammenhanglos höchst absurd und ungereimt. Umsonst versuchten die Gegner, den Siegeslauf der christlichen Lehre zu verzögern und aufzuhalten; umsonst stellten sie ihr die griechischen Philosophenschulen, vor allem die platonische und die aristotelische, mit großartigem Wortgepränge entgegen. Auch Kämpfen dieser Art wichen die Unsrigen nicht aus; sie studierten vielmehr mit Scharfsinn und Gründlichkeit die heidnischen Philosophen; was jeder einzelne gelehrt hatte, wurde mit unglaublicher Genauigkeit erforscht, jedes Detail wurde in Betracht gezogen, erwogen und verglichen; vieles wurde von ihnen zurückgewiesen oder verbessert, nicht weniges aber zu Recht approbiert und angenommen. Denn sie hatten klar erkannt und es auch ausgesprochen, dass nur das der christlichen Lehre widerspricht, was schon der menschlichen Vernunft und Einsicht falsch erscheint, sodass, wer der christlichen Lehre widerstehen und widersprechen will, notwendigerweise seiner eigenen Vernunft widerstehen und widersprechen muss. Derartige Kämpfe haben unsere Väter geführt und siegreich bestanden, nicht nur in der Kraft und mit den Waffen des Glaubens, sondern auch mit Hilfe der menschlichen Vernunft, die, da ihr die himmlische Weisheit voran leuchtet, aus der Unwissenheit über viele Dinge und gleichsam aus einem Wald von Irrtümern sicher auf den Weg der Wahrheit geführt wurde. - Diese wunderbare Übereinstimmung und Harmonie von Glaube und Vernunft wurde in vielen gründlichen Studien dargelegt, doch zu einem überschaubaren Lehrgebäude zusammengefügt haben sie vor allem der hl. Augustinus in seinem Werk "De Civitate Dei" und der hl. Thomas von Aquin in seinen beiden "Summen". In diesen Werken ist in der Tat alles enthalten, was die Philosophen scharfsinnig erdacht und diskutiert haben, sodass man aus ihnen auch die Grundprinzipien und Quellen für jene erhabene Wissenschaft, die christliche Theologie genannt wird, entnehmen kann. - An so ausgezeichnete Vorbilder soll der Klerus unserer Tage sich erinnern und sie stets vor Augen haben, wenn von gegnerischer Seite immer wieder die alten Waffen geschärft und fast genau die gleichen alten Kämpfe wiederholt werden. Doch widerstrebten die Heiden einst der christlichen Lehre, weil sie von ihren überkommenen falschen Kulten und Bräuchen nicht lassen wollten; heutzutage geht das verruchte Streben gottloser Menschen dahin, aus den christlichen Völkern die so notwendigen göttlichen Lehren, die sie zusammen mit dem heiligen Glauben empfangen haben, mit der Wurzel auszurotten und sie noch unglücklicher als die Heiden zu machen, indem sie ihnen jeden Glauben und jede Religion verächtlich machen und zerstören. Diese unreine, nicht genug zu verabscheuende Pest nahm ihren Anfang mit jenen, die einem jeden Menschen das natürliche Recht zusprachen, über die gottgegebene Lehre nach dem Ermessen seiner eigenen Vernunft zu urteilen und zu entscheiden, ohne Rücksicht auf die Kirche und den Römischen Papst, denen allein es nach Gottes Anordnung und gnädiger Fügung zusteht, diese Lehre zu bewahren und weiterzugeben und irrtumsfrei über sie zu urteilen. Danach stand der Weg in den Abgrund offen; denn nun konnten sie alles leugnen und verwerfen, was die Natur der Dinge und die Fassungskraft des Menschen übersteigt; so leugneten sie schamlos, dass es eine von Gott stammende Autorität gibt, ja sogar, dass Gott überhaupt existiert; später verfielen sie den Lügen eines abgeschmackten Idealismus und des allerniedrigsten Materialismus. Diesen Verfall der höchsten Werte wagen die so genannten Rationalisten und Naturalisten, in lügnerischer Weise Fortschritt der Wissenschaft, Fortschritt der menschlichen Gesellschaft zu nennen, obwohl er doch für beide nur Verderben und Untergang bedeutet.

Die Bedeutung der Lehre des heiligen Thomas für die Ausbildung der Priester

8 Daraus erkennt Ihr, Ehrwürdige Brüder, welche Mittel und Wege bei der Ausbildung der Alumnen in den höheren Wissenschaften angeraten scheinen, damit sie gemäß den Bedürfnissen der Zeit nutzbringend ihre Aufgaben erfüllen können. Nach erfolgreichem Abschluss der humanistischen Studien sollen sie nicht sogleich zum Theologiestudium zugelassen werden, sondern sich zuerst durch eine gründliche Ausbildung in Philosophie darauf vorbereiten. - Unter Philosophie verstehen Wir jene Wissenschaft, die die letzten und tiefsten Gründe erforscht und Hüterin der Wahrheit ist. Von ihr gestärkt sollen sie nicht mehr schwanken und sich fortreißen lassen "durch jeden Windhauch irgendeiner Lehre, durch der Menschen Trugspiel und durch die verführerischen Künste der Irrlehrer" <ref>{{#ifeq: Brief des Apostels Paulus an die Epheser | Officio sanctissimo (Wortlaut) |{{#if: Eph|Eph|Brief des Apostels Paulus an die Epheser}}|{{#if: Eph |Eph|Brief des Apostels Paulus an die Epheser}}}} 4{{#if:14|,14}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }} </ref>; und sie sollen auch den übrigen Wissenschaften den Weg zur Wahrheit weisen, indem sie die Trugschlüsse und Scheingründe irriger Meinungen diskutieren und widerlegen. Zu diesem Zweck sollen, wie Wir schon seit langem und wiederholt nachdrücklich empfohlen haben, die Werke des großen Aquinaten in aller Händen sein und unermüdlich in geeigneter Weise erklärt werden; und Wir sind von großer Freude erfüllt, weil der Klerus hieraus schon die besten Früchte geerntet hat, und Wir hoffen zuversichtlich, dass er noch bessere und reichlichere ernten wird. Denn die Doktrin des Doctor Angelicus ist in wunderbarer Weise geeignet, den Geist zu bilden; in wunderbarer Weise verleiht sie die Fähigkeit zu kommentieren, zu philosophieren, deutlich und überzeugend darzulegen, da er klar und deutlich beweist, dass alle Dinge in ununterbrochener Reihenfolge voneinander abhängen, untereinander verbunden sind und zusammenhängen und dass alle sich von obersten Prinzipien herleiten; so führt sie zur Betrachtung Gottes, der die schöpferische Ursache aller Dinge, ihre Kraft und ihr höchstes Urbild ist, auf den daher alle Philosophie und der Mensch, so groß er auch sein mag, bezogen sein muss. So hat Thomas in Wahrheit die Wissenschaft aller göttlichen und menschlichen Dinge und die Ursachen, die sie enthalten, aufs deutlichste erklärt und fest begründet. Gegen diese Lehre haben die alten Irrlehren umsonst angekämpft und auch die neueren, die mehr dem Namen und dem äußeren Anschein als der Sache nach von ihnen verschieden sind, gingen, kaum dass sie das Haupt erhoben hatten, unter ihren Schlägen zugrunde, wie es nicht wenige unserer Schriftsteller gezeigt haben. Der menschliche Geist will frei und ungehemmt das innere und geheime Wesen der Dinge ergründen; er kann gar nicht es nicht wollen; unter der Führung und Leitung des Aquinaten wird ihm dies leichter und freier gelingen, weil er sicher geht, dass er nicht Gefahr läuft, die Grenzen der Wahrheit zu verlassen. Denn nicht jene Freiheit kann mit Recht so genannt werden, die nach Willkür und Laune Meinungen verfolgt und verbreitet, denn sie ist in Wahrheit nur eine Zügellosigkeit, die zu nichts führt, eine lügnerische und trügerische so genannte Wissenschaft, eine Schande und Knechtschaft für den Geist. Jener höchst weise Lehrer aber bleibt immer in den Grenzen der Wahrheit; er kämpft nicht gegen Gott, den Ursprung und das oberste Prinzip aller Wahrheit; er folgt ihm vielmehr in vollkommenem Gehorsam, auf welche Weise er auch seine Geheimnisse offenbart; nicht weniger gewissenhaft folgt er den Weisungen des Römischen Papstes, er verehrt in ihm die göttliche Autorität und "hält den Gehorsam gegenüber dem Römischen Papst für absolut heilsnotwendig" <ref>Opusc. Contra errores Graecorum. </ref>. - In seiner Schule also soll der Klerus heranwachsen und sich in Philosophie und Theologie bilden; dann wird er wahrhaft gelehrt und in höchstem Maße fähig für den heiligen Kampf sein.

[Fortsetzung folgt]

Anmerkungen

<references />