Paul VI.
Biografie
Priester und Bischof
Giovanni Battista Montini wurde am 26. September 1897 in Concesio in der norditalienischen Diözese Brescia als Sohn des späteren Abgeordneten Giorgio Montini (1861 - 1943) und Giuditta Alghisi (1874 - 1949) geboren. Er hatte zwei Brüder, Ludovico (1896) und Francesco (1900). Nach dem Abitur 1916 in Brescia besuchte er das Priesterseminar der Stadt. Bischof Giacinto Gaggia von Brescia erteilte Montini am 29. Mai 1920 in der Kathedrale die Priesterweihe.
Anschließend führte Montini seine Studien in Mailand fort, wo er zum Doktor des Kirchenrechtes promovierte. Im November 1920 wechselte er nach Rom, wo er sich an der Gregoriana und der staatlichen Universität immatrikulierte. Im Jahr darauf besuchte Montini die päpstliche Diplomatenakademie, worauf eine steile Kirchenlaufbahn begann.
1923 wurde Montini für einige Monate als Beigeordneter an die Apostolische Nuntiatur in Warschau entsandt, doch nach seiner Rückkehr nach Rom holte ihn Substitut Mons. Giuseppe Pizzardo im Oktober 1924 in das päpstliche Staatssekretariat. Pizzardo, der zukünftige Kardinal, förderte den jungen Montini in den Folgejahren konsequent. Im Staatssekretariat lernte Montini auch Domenico Tardini kennen, dessen Lebensweg über lange Zeit parallel zu seinem eigenen verlaufen sollte.
Schon 1925 wurde Montini Minutant, also leitender Beamter, im Staatssekretariat. Pius XI. ernannte ihn am 13. September 1937 zum Substituten im Staatssekretariat. Damit war er Stellvertreter von Staatssekretär Kardinal Eugenio Pacelli, der zwei Jahre darauf unter dem Namen Pius XII. neuer Papst wurde. Zeitgleich mit Montinis Beförderung wurde Mons. Tardini Sekretär für die außerordentlichen kirchlichen Angelegenheiten und damit für die römischen Außenbeziehungen zuständig, während der Substitut einem Innenminister vergleichbar ist.
Als Pacellis Nachfolger, Kardinal Luigi Maglione, 1944 starb, ernannte Pius XII. weder Montini noch Tardini, deren Einfluss er beschneiden wollte, zum neuen Staatssekretär, sondern übernahm diese Funktion bis zu seinem Tod 1958 selbst. Beide Prälaten beförderte er für ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereich am 29. November 1952 zu Pro-Staatssekretären, ohne sie jedoch in den Bischofsrang zu erheben.
Schließlich ernannte Pius XII. Monsignor Montini, einen seiner engsten und längsten Mitarbeiter, am 1. November 1954 als Nachfolger des großen Ildefonso Schuster zum neuen Erzbischof von Mailand. Obwohl dieser Sitz einer der ältesten und der bedeutendste ganz Italiens ist, kam sofort die Vermutung auf, der Papst wolle Montini kalt stellen. Tatsächlich verzichtete Pius XII. die nächsten vier Jahre auf die Kreierung neuer Kardinäle, um die Teilnahme Montinis beim kommenden Konklave und seine dann wahrscheinliche Wahl zum neuen Pontifex zu verhindern. Dieses dürfte primär dem Ziel gedient haben, die Wahlchancen des päpstlichen "Kronprinzen" Giuseppe Siri von Genua zu stärken.
Kardinal Eugène Tisserant erteilte Erzbischof Montini am 12. Dezember 1954 im Petersdom die Bischofsweihe, und am 6. Januar 1955 erfolgte die Inbesitznahme der Kathedra. Die Mailänder Jahre fanden ihren Höhepunkt in einer großen Volksmission im Jahr 1957. Im Jahr darauf starb Pius XII., und obgleich Montinis Name beim Konklave allgegenwärtig war, konzentrierte sich das Konklave auf Kardinal Siri und Kardinal Agagianian; da diese sich gegenseitig blockierten, wurde schließlich Angelo Giuseppe Roncalli, der Patriarch von Venedig, unter dem Namen Johannes XXIII. zum Papst gewählt. In seinem ersten Konsistorium am 15. Dezember 1958 nahm er Erzbischof Montini als den ersten seiner Kardinäle in den Senat der Kirche auf und übertrug ihm die Titelkirche Ss. Silvestro e Martino ai Monti. Gemeinsam mit Montini erhielt auch Tardini den Purpur.
Das Pontifikat
Mitten im von ihm einberufenen Zweiten Vatikanischen Ökumenischen Konzil starb Johannes XXIII. am 3. Juni 1963. Kardinal Montini ging als hoher Favorit in das Konklave, und am 21. Juni erfolgte seine Wahl zum neuen Bischof von Rom. Er wählte den Namen Paul VI. Neun Tage darauf setzte Kardinal Alfredo Ottaviani ihm auf der Loggia von St. Peter die Tiara auf. Unmittelbar darauf legte Papst Paul die Tiara, ein Geschenk der Mailänder Diözesanen, dauerhaft ab und verkaufte sie zu Gunsten der Armen. Er ist der letzte Pontifex, der sich hat krönen lassen.
Das Konzil setzte er ohne Zögern fort und eröffnete am 29. September 1963 die zweite Sitzungsperiode. Am 8. Dezember 1965 schloss er die größte Kirchenversammlung der Geschichte ab und trug Sorge für die Umsetzung der Beschlüsse in den Alltag der Ortskirchen. Er nahm eine vorsichtig fortschrittliche Position ein und trug wesentlich zur umstrittenen Anpassung der Liturgie an die neue Zeit bei.
Paul VI. veröffentlichte zahlreiche Enzykliken: "Ecclesiam Suam" (1964), "Mense Maio" und "Mysterium fidei" (1965), "Christi matri" (1966), "Populorum progressio" und "Sacerdotalis coelibatus" (1967), und, als letzte und am meisten diskutierte, "Humanae vitae" (1968).
Nachdem Johannes XXIII. erste Reisen innerhalb Italiens unternommen hatte, führte Papst Paul diese Seelsorgepraxis weiter und unternahm als erster Papst seit dem Untergang des Kirchenstaates Auslandsreisen. Sie führten ihn in das Heilige Land (1964; Amman, Bethanien, Jerusalem, Bireh, Ta Anach, Megiddo, Nazareth, Kanaa, Tabgha, See Genezareth, Kapharnaum, Berg der Seligpreisungen, Tabor, Bethlehem), in den Libanon und nach Indien (1964; Beirut, Bombay), zur UNO-Hauptversammlung nach New York (1965), nach Fatima (1967), in die Türkei (1967; Istanbul, Izmir, Ephesos), nach Kolumbien und auf die Bermudas (1968; Bogotá, Hamilton), in die Schweiz (1969; Genf), nach Uganda (1969; Entebbe, Kampala, Namunongo) und nach Fernost (1970; Teheran, Dacca, Colombo, Manila, Pago Pago, Apia, Sydney, Djakarta, Hong Kong).
Seine bedeutendste Reise war ohne Zweifel die erste. In Jerusalem traf er sich mit Athenagoras, dem Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel, dem Neuen Rom. In einer historischen Geste hoben die Oberhäupter der katholischen und der orthodoxen Christen das gegenseitige Anathema des Jahres 1054 auf und begannen so erste Schritte des ökumenischen Dialogs, der beim Papstbesuch im Fanar 1967 fortgesetzt wurde.
Innerkirchlich setzte Paul VI. zahlreiche Reformen um. So strukturierte er die päpstliche Kurie neu, indem er bereits 1964 das Sekretariat für die Nichtchristen errichtete und 1965 das Heilige Offizium in die Heilige Kongregation für die Glaubenslehre umbenannte. 1965 begründete er das Sekretariat für die Nichtglaubenden und, vor allem, als Konsequenz des Konzils und síchtbares Zeichen der Kollegialität der Bischöfe, die Bischofssynode. 1967 folgte die Einrichtung des Päpstlichen Rates für die Laien und der Päpstlichen Kommission "Iustitia et Pax". Im selben Jahr schaffte der Papst zahlreiche rein zeremonielle Funktionen und Ehrenämter ab.
Innerhalb des Kardinalkollegiums erweiterte Paul VI. die bereits von Johannes XXIII. überschrittene Höchstzahl von 70 Papstwählern auf 120, schloss jedoch auch die über 80jährigen von der Mitgliedschaft in den Dikasterien der Kurie und vom Recht zur Papstwahl aus. Dieser Schritt wird als Maßnahme zur Entmachtung des einflussreichen Kardinaldekans Eugène Tisserant gewertet, zu dem das Verhältnis eher gespannt war. Für Bischöfe führte Paul die Altersgrenze von 75 Jahren ein, bei deren Erreichen sie dem Heiligen Stuhl ihre Demission einzureichen haben. Altbischöfen wird seit 1970 kein Titularsitz mehr übertragen, sondern sie führen ihren bisherigen Titel fort.
1975 feierte der bereits gesundheitlich angeschlagene Papst das Heilige Jahr, und 1976 suspendierte er den traditionalistischen Erzbischof Marcel Lefébvre vom Priesteramt. 1977 kreierte er seine letzten vier Kardinäle, darunter seinen späteren Nachfolger Joseph Ratzinger (Benedikt XVI.). Ein Jahr später, als Italien vom Terror der Roten Brigaden erschüttert wurde, setzte der Papst sich vergeblich für das Leben des entführten und mit ihm befreundeten Spitzenpolitikers Aldo Moro ein.
Am 6. August 1978 starb Paul VI. auf Castel Gandolfo an den Folgen einer Herzattacke. Er wurde am 12. August in der Krypta von St. Peter in einem Erdgrab beigesetzt. Zu seinem Nachfolger wählten die 111 im Konklave versammelten Kardinäle Albino Luciani, den Patriarchen von Venedig, der den Namen Johannes Paul I. annahm.
Vorgänger Johannes XXIII. |
Papst 1958 - 1963 |
Nachfolger Johannes Paul I. |