Glocke
Als Ursprungsland der Glocke (alt-hdt. clocca; mittel-lat. clocca; alt-engl. clucge) gilt China. Dort wurden schon im 7. Jh. v. Chr. Glocken verwendet. Iro-Schottische Wandermönche trugen zu ihrer Verbreitung in Europa bei.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Die ältesten Glocken stammen aus China. Es sind Glocken ohne Glockenschwengel, die mit einem daneben hängenden Holzpfosten angeschlagen werden.
Von China gelangte die Glocke in den Mittelmeerraum. Die Römer benützten Glocken als akustisches Signal zur Eröffnung von Veranstaltungen. Über Klöster kam die Glocke im 6./7. Jh. vom Berg Athos nach Irland. Es gibt noch heute viele Glocken aus dieser Zeit, Sie sind noch nicht gegossen, sondern bestehen aus genieteten Kupferplatten. Die berühmteste ist die Glocke des hl. Patrick (clog-an-edachta, "Glocke des Willens"), welche sich im Museum der Royal Irish Academy in Dublin befindet und die im Jahr 552 aus dem Grab des Heiligen genommen wurde. Viele der irischen Glocken sollen Heiligen gehört haben und wurden wie Reliquien verehrt. Weitere frühe Glocken sind jene in St. Senan (ca. 540) und St. Mura; einige Glocken in Schottland und Wales, jene in St. Gallen (Schweiz), der sogenannte "Saufang" in Köln (Deutschland) und eine Glocke in Noyon (Frankreich).
Papst Sabinian (604-606) ordnete das Läuten einer Glocke auch außerhalb der Klostermauern zu den sieben üblichen Gebetszeiten des Stundengebets an. Dadurch sollte die verstreute christliche Gemeinde zum gemeinsamen Gebet aufgerufen werden.
Irische oder angelsächsische Missionare brachten die Kirchenglocken nach Deutschland und in den Alpenraum. Um 700 wird die Kirchenglocke von Beda und von Bonifatius erwähnt. Der hl. Beda schreibt, dass im Jahr 680 das Sterbegeläut für die hl. Hilda in Withby bis nach Hackness in dreizehn Meilen Entfernung zu hören war (Hist. Eccl.., IV, xxi).
Karl der Große sorgte durch verschiedene Edikte für die Verbreitung der Glocke in seinem Reich. So wurde im 8. Jh. die Glocke ein wichtiger Bestandteil jeder Kirche und der Brauch der Glockensegnung kam allgemein auf. Da die Glocken grösser wurden, kamen in dieser Zeit die ersten Kirchtürme mit Glockenstühlen auf.
Verhältnismässig wenige alte, gegossene Glocken sind erhalten, da es früher oft Kirchenbrände gab, bei denen die Glocken hinunterstürzten und zerbrachen, und weil in Kriegszeiten oft Glocken eingeschmolzen wurden, um aus der Bronze Kanonen zu giessen.
Glockeninschriften sind wichtige zeitgeschichtliche Zeugnisse. Es gibt einige spezielle Glockenmuseen, z.B. in Apolda, Gescher, Greifenstein (Deutsches Glockenmuseum), Siegen (Eiserfeld) und Wien.
Glockenformen
Die Glocken der irischen Mönche bestanden aus genietetem Kupferblech. In der Karolingerzeit kamen gegossene Glocken auf, die besonders in Kirchen verwendet wurden. Aus dieser Zeit stammen die sogenannten Bienenkorbglocken. Im 15. Jh. setzte sich die Zuckerhutglocke durch und die Glockenform blieb bis ins 19. Jh. unverändert. Seit dem 13. Jh. werden Glocken in Tulpenform gegossen.
Glockenspiel
Mehrere im Ton aufeinander abgestimmte Glocken einer Stadt bilden ein Stadtgeläut. Ein bekanntes Beispiel ist das Frankfurter Stadtgeläut, welches 50 Glocken von zehn Kirchen in der Innenstadt von Frankfurt am Main umfasst und das seit 1978 viermal im Jahr zu den kirchlichen Festen Erster Advent, Heiligabend, Ostern und Pfingsten erklingt. Aber auch kleinere Orte kennen ein Stadtgeläut: In der Stadt Chur z.B. sind die Glocken aller Kirchen aufeinander abgestimmt, damit das sonntägliche Geläut harmonisch wirkt.
Mehrere im Ton aufeinander abgestimmte Glocken, die in bestimmten Zeitintervallen angeschlagen werden, so dass eine Melodie entsteht, werden Glockenspiel genannt.
Ein Carillon ist ein grosses Turm-Glockenspiel dessen Glocken mittels Klaviatur oder mechanisch (z.B. mittels einer Walze) gespielt werden können. Der Name Carillon ist von quatrillionem abgeleitet, dem rhythmischen Anschlag von vier Glocken der Turmwächter im Mittelalter. Der Spieltisch eines Carillons gleicht dem einer Orgel und ist genormt. Gemäss der World Carillon Federation (WCF) muss ein Carillon mindestens 23 gegossene Bronzeglocken haben. Aber auch kleinere Turm-Glockenspiele mit nicht genormtem Spieltisch werden oft als Carillon bezeichnet.
Am meisten Glockenspiele weltweit gibt es in den Niederlanden (806 Glockenspiele, davon 158 Carillons), in Deutschland sind es insgesamt 41. Das grösste Carillon Deutschlands, im Roten Turm in Halle / Saale, besitzt 76 Glocken (plus 5 Glocken für den Uhrschlag). Das grösste Carillon der Schweiz befindet sich in der Abtei St-Maurice. Es wurde von einer holländischen Firma erbaut, geht über vier Oktaven von Gis 0 bis Cis 5 und die 49 Glocken haben ein Gesamtgewicht von 15 Tonnen. Das grösste Carillon Österreichs hat 48 Glocken und befindet sich im Dom St. Jakob zu Innsbruck. Das Zisterzienserstift Heiligenkreuz hat ein Carillon mit 37 Glocken.
Bekannte Glocken
Grösste Glocken
- Zar Kolokol, Kreml Moskau (grösste Glocke der Welt, 210 t, 6,14 m hoch)
Die Glocke läutete nie, da sie beim Brand von 1737 vom Glockenturm fiel und in der Erde lag, bis sie 1836 auf einen 1 m hohen Granitsockel neben dem Kreml gestellt wurde. - Die Dicke, Kaisertempel in Osaka (114 t), gegossen 1900
- Die Grosse, Glockentempel in Peking (53 t), gegossen 1403
- Millenniumsglocke (World Peace Bell) , Newport, Kentucky (ca. 33 t)
schwerste freihängende läutbare Glocke der Welt; 1998 in Frankreich gegossen - Petersglocke (Dicke Pitter), Kölner Dom (24,2 t, Durchmesser 3,22 m)
grösste freischwingend läutbare Glocke der Welt, grösste Glocke Europas, gegossen 1923 von Heinrich Ulrich, Apolda; Nominal c° - Campana dei Caduti in Rovereto (22,639 t. Durchmesser 3,21 m)
gegossen 1964 von Paolo Capanni, Castelnovo. Nominalton h°. - Pummerin, Stephansdom Wien (21,380 t davon 813 kg Klöppel. Durchmesser 3,14 m)
1711 gegossen, 1945 zerstört, 1951 neu gegossen. Nominal c°
Alte Glocken
- Saufang, Köln Stadtmuseum (möglicherweise älteste Glocke Deutschlands)
Entstehungsgeschichte und -zeit sind unbekannt. Schweine sollen sie aus dem Sumpf nahe der Kirche St. Cäcilien ausgegraben haben. - Gallusglocke, St. Gallen (älteste Glocke der Schweiz, 7./8. Jh.)
- Hosanna-Glocke, Freiburger Münster (ca. 3 t), gegossen 1258
Weitere
- La Savoyarde, Sacré-Coeur Paris (18,835 t, Durchmesser 3,03 m)
gegossen 1891 von Georg Paccard, Annecy; Nominalton: cis - Maria Gloriosa, Erfurter Dom (11,730 t, Durchmesser 2,58 m)
grösste frei schwingende mittelalterliche Glocke Europas, 1497 durch Gerhard van Wou aus Kampen gegossen; Nominalton e0 - Grosse Glocke, Berner Münster (10,55 t, Durchmesser 2,473 m)
grösste Glocke der Schweiz; gegossen 1611 von A.Zehnder Bern / P.Füssli Zürich