Mirabilis ille (Wortlaut)

Aus kathPedia
Zur Navigation springenZur Suche springen
Apostolischer Brief
Mirabilis ille

von Papst
Johannes XXIII.
an die Konzilsväter des Zweiten Vatikanischen Ökumenischen Konzils
zur verstärkten Mitarbeit jedes einzelnen Konzilsvaters während der Monate bis zur Eröffnung der Zweiten Sitzungsperiode
6. Januar 1963

(Offizieller lateinischer Text AAS 55 [1963] 149-159)

(Quelle: Herder-Korrespondenz, Herder Verlag, Siebzehnter Jahrgang 1962/63; Sechstes Heft, März 1963, S. 276-280. Der Text des Schreibens wurde in Rom am 7. Februar 1963 veröffentlicht. Der offizielle lateinische Text erschien gemeinsam mit einer italienischen Übersetzung im "Osservatore Romano" (8. Februar 1963)

Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


Einleitend

Ehrwürdiger, vielgeliebter Bruder! Jene wunderbare Versammlung von Bischöfen, die Wir zur Zeit der Ersten Sitzungsperiode des Zweiten Vatikanischen Ökumenischen Konzils in der majestätischen Petersbasilika vereint sahen, steht immer vor Unseren Augen. Und nach deren Verabschiedung nach dem Fest der Unbefleckten Empfängnis und nach der Heiligsprechung der seligen Petrus Julian Eymard, Antonio Pucci und Francesco da Camporosso haben Wir niemals aufgehört, in geistlicher Liebe mit ihnen verbunden zu bleiben.

Während Wir nun gerade vom Geheimnis von Bethlehem zum großen Fest der Erscheinung des Herrn, des glorreichen und unsterblichen Königs der Zeiten und Völker, übergehen, liegt Uns nichts mehr am Herzen, als in Gedanken und Worten zum Konzilsgeschehen zurückzukehren, mit dem Wir dieses eben erst begonnene Jahr zubringen werden und auf das die Bemühungen der Menschen auf der ganzen Welt gerichtet und mit dem die Herzen, Stimmen und Werke in einem einzigartigen Zusammenklang verbunden sein werden.

Es ist allen, die es angeht, bekannt, dass während dieser Monate des Jahres 1963; also in der Zeit vom 6. Januar, dem Feste der Erscheinung des Herrn, bis zum 8. September, dem Feste Mariä Geburt, die Konzilsarbeit, die im Oktober 1962 glücklich begonnen hat, tatkräftig fortgesetzt werden muss. Bereits in den ersten Wochen sind wir durch die Darstellung von wichtigen Lehrstücken und pastoralen Erfahrungen, durch freie und respektvolle Diskussion zur Festsetzung einer Verfahrensordnung gekommen, die später eine raschere und unbehindertere Arbeit ermöglichen wird.

Die Fortsetzung des Ökumenischen Konzils

Es ist äußerst wichtig einzusehen, dass das Konzil, während die ehrwürdigen Brüder im Episkopat, die zusammen mit dem Römischen Papst die allgemeine Kirchenversammlung bilden, ihren seelsorglichen Verpflichtungen nachgehen und körperlich abwesend sind, nicht unterbrochen wird. Sie müssen sich in diesem Jahre untereinander so verbunden als möglich fühlen und zeigen.

Bekanntlich ist im Zusammenleben der Völker in unseren Tagen die in der Ferne geleistete Arbeit von ganz besonderer Bedeutung und von besonderem Nutzen. Der Fortschritt auf diesem Gebiet erlaubt und ermöglicht auch seine Anwendung und seine Indienstnahme für die Kirche auf der ganzen Welt. Es ist äußerst wichtig, dass die Zusammenarbeit zwischen den Bischöfen, die zusammen mit dem Papst das innerste und wichtigste Fundament der Konzilsarbeit bilden, ganz und unversehrt erhalten bleibt. Das muss zunächst hier in Rom verwirklicht werden, in den Räumen des Vatikans, wo man mit Liebe und Eifer der Leitung der Gesamtkirche obliegt, in den Instituten, wo die theologischen Fächer gelehrt werden, und in den Zentren des Gebetes und der Caritas, unter den Augen des Stellvertreters Christi selbst. Das muss dann aber auch geschehen an allen Orten der Erde, wo die Hierarchie errichtet ist und ihre Tätigkeit ausübt in vollkommener geistlicher Einheit mit dem Papst und in der Kraft des Heiligen Geistes, "der euch zu Bischöfen bestellt hat, um die Gemeinde Gottes zu leiten" (Apg. 20,28).

Was besonders zu beachten ist

Auf Grund der Erfahrungen, die Wir bei den vergangenen Sitzungen der Allgemeinen Kirchenversammlung und in Gesprächen mit einzelnen oder allgemein mit Konzilsvätern gemacht haben, möchten Wir auf einige Probleme hinweisen, von denen Wir glauben, dass sie von größter Wichtigkeit sind, und zwar deswegen, weil zunächst in diesen acht Monaten, in denen die Kommissionen nahezu verborgen und geheim, aber, wenigstens soweit es von ihnen abhängt, sehr nutzbringend und erfolgreich arbeiten, und dann - wie Wir hoffen - in der Schlussperiode der ganzen Arbeit, die in Rom im September beginnen wird, bis zum Abschluss des Konzils raschere Fortschritte der Konzilsarbeiten erwartet werden.

Wir möchten diese Probleme, um den Gegenstand klarer zu verdeutlichen, in vier Punkte zusammenfassen. Darin wird besonders die Arbeit berücksichtigt, die in diesen acht Monaten von Epiphanie bis Mariä Geburt zu leisten sein wird. Zu gegebener Zeit werden weitere Vorschriften in dieser Angelegenheit erlassen werden. Die Punkte, über die Wir sprechen möchten, sind folgende:

I. Die aus Kardinälen gebildete Kommission für die Koordination der Konzilsarbeiten, die am 6. Dezember 1962 angekündigt und am 7. desselben Monats ernannt worden ist und die von unserem ehrwürdigen Bruder dem Kardinalstaatssekretär geleitet wird.

II. Der Kontakt, den jene, die sich außerhalb Roms befinden, mit dem Mittelpunkt des Konzils pflegen müssen.

III. Die von Tag zu Tag entschlossenere Bereitschaft der Kleriker und Laien, dem Konzil hilfreich zur Seite zu stehen, für seinen glücklichen Ausgang zu beten und alle zu einem heiligen und heiligenden Leben anzueifern.

IV. Die möglichst weite Öffnung des 21. Ökumenischen Konzils für die Pläne und Vorhaben der Kirche Christi.

I. Die neuernannte Kardinalskommission

Männer vom höchsten Rang sind zum Eintritt in die Kommission für die Koordination der Konzilsarbeiten während dieser acht Monate, in denen, wie Wir sagten, das Werk der Kirchenversammlung fortgesetzt wird, aufgefordert worden, obwohl sie zum Teil außerhalb des Vatikans ihren Wohnsitz haben, weil Wir die Kardinäle, die zu diesem Werk berufen wurden, ehren zu müssen glaubten und auch weil dieselben bereits durch ihre Tätigkeit in anderen Kommissionen, die gleichsam das Skelett des Konzils bilden, Erfahrung und Geschicklichkeit erworben haben.

Diese neueste und oberste Kommission verkleinert oder mindert keineswegs die Arbeit der übrigen Kommissionen, sie soll diese vielmehr besser koordinieren und im Hinblick auf die Ordnung und die Zielsetzung des ganzen Konzils klarer herausstellen.

Ihr wird das Generalsekretariat, der Generalsekretär, die fünf Untersekretäre und deren Hilfskräfte zur Seite stehen mit jenem erprobten Fleiß in der Durchführung seiner eigenen, gewiss rein ausführenden, aber äußerst klugen, wichtigen und wertvollen Tätigkeit.

II. Der Kontakt zwischen Rom und den Konzilsvätern

Die Aufgaben des Papstes und der Bischöfe

Selbstverständlich erlässt der Römische Papst, der das Konzil einberufen hat, die allgemeinen Normen dafür. Aber es ist Sache der Bischöfe, den Modus festzulegen, der es ihm ermöglicht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Normen in der nötigen Freiheit voranzuschreiten. Es wird auch notwendig sein, dass die Konzilsbeschlüsse am Schluss vom Papst, durch dessen Apostolische Autorität letztlich alle Dekrete Gesetzeskraft erhalten, gebilligt werden. Aber es ist Sache der Konzilsväter, solche Dekrete vorzuschlagen, darüber zu beraten und sie sachgemäß zu formulieren, um sie schließlich gemeinsam mit dem Römischen Papst zu unterzeichnen. In diesem Zusammenhang ist es angebracht, aufmerksam zu lesen, was im 15. Kapitel der Apostelgeschichte über das Konzil zu Jerusalem geschrieben ist und über die Aussendung des Paulus und Barnabas mit Judas mit dem Beinamen Barsabas und Silas nach Antiochien (vgl. 15,1-22). Diese einfache Erzählung enthält seit 20 Jahrhunderten das vollendete Modell für ein Ökumenisches Konzil. Aus jenem ersten Konzil geht klar hervor, welches die Autorität der Bischöfe ist und welch schwere Aufgaben sie auf jedem Konzil zu bewältigen haben, vom Konzil zu Jerusalem bis zum jetzt stattfindenden Zweiten Vatikanum.

Die Aufgaben der einzelnen Bischöfe

Es ist spezifische und heilige Pflicht der Bischöfe, sich eifrig um die Konzilsarbeiten zu kümmern, da sie zur Teilnahme am Hirtenamt berufen sind. Diese Verpflichtung besagt nicht bloß, dass sie an den künftigen Versammlungen in der Vatikanischen Basilika teilnehmen müssen, sondern dass sie auch während dieser acht Monate in enger Verbindung mit den Brüdern im Bischofsamt bleiben und eifrig den Briefwechsel pflegen müssen, wenn ihnen die Kommission unter der Leitung Unseres Kardinalstaatssekretärs Fragen vorlegt. Dieser Eifer, mit dem alle einzelnen der ihnen übertragenen Arbeit obliegen und ihren Briefwechsel abwickeln sollen, wird zweifellos bewirken, dass die Konzilsarbeiten weise voranschreiten und dieses große Werk, auf das die Augen aller gerichtet sind, zu einem glücklichen Abschluss kommt.

Die bischöflichen Berater in Konzilsfragen

Damit in dieser Sache alles von allen mit größter Sorgfalt, rasch und in der rechten Weise getan werde, scheint es ratsam, dass die einzelnen Bischöfe, die in diesen Jahren die Konzilsarbeiten wie ihren Augapfel pflegen sollen, sich bei der Erledigung ihrer Aufgaben der Arbeit und Hilfe von Kirchenmännern bedienen, die in irgendeinem kirchlichen Bereich sich durch Sachkenntnis und Tugend auszeichnen. Sie können sich - wie schon gesagt worden ist - jene als Mitarbeiter aussuchen, deren Namen in Rom bekannt sind und die bereits in den Konzilskommissionen mitarbeiten, oder auch Priester und Ordensleute, deren Rat und kluges Handeln von allen geschätzt wird. Ihre Namen können unter Umständen dem Generalsekretariat mitgeteilt werden, weil sie diesem selbst in besonderen Fragen größte Dienste leisten können. Dieses hilfreiche Werk, für das natürlich nur wenige ausgewählt werden können, die in der Lage sind, das Konzilsgeheimnis strengstens zu wahren, passt nicht nur zu einem Unternehmen von so hoher Würde, sondern kann auch zur Mehrung seiner Wirksamkeit und Strahlungskraft beitragen.

III. Die Mitarbeit des Klerus und der Laien

Das christliche Volk begleitet das Konzil mit hingebungsvollem Eifer und wünscht ihm vollen Erfolg. Dieses Interesse wächst von Tag zu Tag. Und die umfangreiche Tatigkeit, durch die die Kirche in den vergangenen Monaten den Reichtum ihres Lebens offenbarte, hat alle Erwartungen übertroffen. Das wird durch tröstliche Nachrichten aus allen Teilen der Welt bestätigt. Diese erfüllen Uns mit großer Freude. Auch jetzt verweilen Unsere Gedanken gerne beim ersten Pfingstfest, als ob es gleichsam die beherrschende Note der täglichen Liturgie wäre: "Der Geist des Herrn erfüllt den Erdkreis, und das Wesen, welches das All umspannt, kennt jeden Laut" (Weish. 1,7).

Es ist offensichtlich sicher und erwiesen, dass die Einberufung und später die Eröffnung des Konzils bei allen Völkern in allen Kontinenten und über alle Meere hinweg, wo immer die Katholische Kirche ihre Mitglieder hat, zunächst respektvolle Aufmerksamkeit, dann lebhaftes Interesse und jetzt mehr und mehr große Erwartung und Vertrauen auf providentielle Ergebnisse hervorgerufen hat.

Das christliche Volk und besonders jene Gläubigen, die sich durch ein sittenstrenges Leben, durch Ertragen von Leiden, durch Reinheit und Heiligkeit auszeichnen, haben sich freudig zu gemeinsamem Gebet vereint, damit der glückliche Ausgang des Konzils auch auf dieser Erde einen erlaubten und maßvollen Wohlstand als Vorgefühl der ewigen Freude sichern möge.

Inopportune Neuerungen

Es fehlt nicht an einfachen, frommen Seelen, die, von religiösem Eifer getrieben und von den besten Absichten beseelt, in nicht geringer Zahl die Einführung neuer Formen des öffentlichen und privaten Gebetes anraten. Das alles soll den Zweck haben, über den katholischen Erdkreis Gebetsformen zu verbreiten, die den jeweiligen zeitlichen, örtlichen, sprachlichen und traditionsbedingten Gegebenheiten angepasst sind. Die Zulassung neuer und spezieller Gebetsformen ist zumindest im Augenblick keineswegs notwendig. Es genügen jene, die jetzt in Übung und von der kirchlichen Obrigkeit zugelassen sind.

Die katholische Kirche ist in der Tat "die Königin zu deiner Rechten" (nämlich Gottes), die vor dem Angesichte des Volkes erscheint "in vergoldetem Kleide, von Vielfalt umgeben" (Ps. 44, 10). Die wunderbare Struktur ihrer Einheit hat ihr Fundament im Primat des Römischen Papstes und gliedert sich auf in Diözesen, Pfarreien, in altehrwürdige Liturgien und Riten und in verschiedene neuere Ordnungen und Formen. Das genügt für ihren soliden und einheitlichen Bestand und erfüllt durch die Vielfalt öffentlicher und privater Gebetsformen die Ansprüche des Geistes.

Die Mitarbeit der Gläubigen in den Diözesen

Die einzelnen Diözesen werden von den Bischöfen geleitet. Das ist ihre heilige Pflicht. Sie wachen mit Umsicht über Lehre, Kirchenleitung und Gottesdienst. So arbeitet jeder Bischof und Prälat in seiner Diözese und nach seinen Kompetenzen in vollkommener Kenntnis und Unterscheidung der Pflichten. Den Priestern und Ordensleuten, den Mönchen und Nonnen und den gläubigen Laien bieten das Messopfer, das Stundengebet und der Rosenkranz überreichen Gebetsstoff, mit dessen Hilfe die Christenheit auf der ganzen Welt privat und öffentlich Hilfe für das Ökumenische Konzil erbitten muss.

Im übrigen müssen sich die Gläubigen vor allem zum Gebetseifer entflammen lassen und auch die anderen zum Eifer anleiten mit jener Kraft und jener religiösen Inbrunst, die man nach römischem Brauch mit den Worten ausdrückt: instanter, instantius, instantissime. Diese Ausdrücke passen gut zum Gebet des christlichen Volkes, das voll zuversichtlicher Hoffnung die Hilfe von oben erwartet.

IV. Ein Konzil für die Kirche und die Menschheit

Das Konzilsecho in der Welt

Bevor Wir dieses geistliche Zwiegespräch beenden, möchten Wir, Ehrwürdiger Bruder, noch einiges hinzufügen. Aus verschiedenen Gegenden erreichen Uns Nachrichten über die vertrauensvolle Aufmerksamkeit, mit der die öffentliche Meinung sich den Problemen des Friedens oder anderen in christlichem Geiste zu lösenden Fragen zugewandt hat, die durch das Konzilsgeschehen ausgelöst wurden, und zwar nicht nur in unscheinbarer Weise, sondern in wirksam überzeugender Rede und in der Gewissheit einer soliden Festigung. Der Plan, das Zweite Vatikanische Ökumenische Konzil einzuberufen, schien am Anfang nicht das Interesse der öffentlichen Meinung in der Profangesellschaft wachzurufen. In den drei Jahren aber, die seit dem Beginn der Vorbereitungsarbeiten vergangen sind, und besonders seit der Ersten Sitzungsperiode vom 11. Oktober bis zum 8. Dezember vergangenen Jahres, hat dieses Werk so viel Beachtung gefunden - auch bei denen, die unter sich verschiedenen religiösen und philosophischen Überzeugungen anhängen und andere politische Ziele verfolgen -, dass man sich mit Recht fragen muss, ob das Licht der himmlischen Gnade die Menschen nicht stärker getroffen hat, um sie nach und nach zu Jesus Christus und zu seiner gebenedeiten Kirche zu führen.

Die nichtkatholischen Beobachter

Um nur das zu erwähnen: Wir haben mit Befriedigung festgestellt, dass die Nachricht und die Einladung an die von der Kirche getrennten Brüder, die mit dem christlichen Namen ausgezeichnet sind, als Beobachter und Zeugen am Geschehen des Zweiten Vatikanischen Konzils teilzunehmen, einen Überaus glücklichen, beachtenswerten und würdigen Erfolg hatte.

Diese Einladung und die Aufnahme, die ihr zuteil wurde - ein seltenes Ereignis in der Geschichte der Kirche und der Konzilien -, wirft für Uns die Frage auf, ob das nicht das Zeichen einer Hinwendung vieler Menschen zum Gebet ist, das Christus am geheimnisvollen Vorabend seines größten Opfers gesprochen hat: "Vater, die Stunde ist gekommen, verherrliche deinen Sohn, damit der Sohn dich verherrliche ... Ich bitte für jene, die du mir gegeben hast, denn sie sind dein. Heiliger Vater, bewahre sie in deinem Namen, die du mir gegeben hast, damit sie eins seien wie wir" (]oh. 17,1911).

Das Konzil und die Menschheit

Man kann bereits sehen, wie sich solches irgendwie ereignet. Das von Uns einberufene Konzil betrifft direkt die Glieder unserer Kirche: der einen, heiligen, katholischen und apostolischen. Das ist das Hauptziel, das Wir Uns vorgenommen haben. Aber würden wir uns nur mit uns selbst oder nur mit den Katholiken befassen und bliebe unser Bemühen auf die Katholische Kirche beschränkt, würde dann nicht unsere Handlungsweise, wie Wir sie immer gemeint hatten, so erscheinen, als ob sie dem Worte des göttlichen Erlösers nicht genügend entspräche, von dem sein Lieblingsjünger schreibt: "Er ist die Versöhnung für unsere Sünden, doch nicht nur für die unseren, sondern auch für die Sünden der ganzen Welt" (1 Joh. 2,2). Oder ist etwa nicht wahr, was derselbe Evangelist vom göttlichen Erlöser, dem Licht der Menschen, sagt: "Das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, kam in diese Welt" (Joh. 1,9).

Oder war der heilige Lukas nicht erleuchtet vom Heiligen Geist, wenn er schrieb: "Alles Fleisch wird schauen das Heil unseres Gottes" (Luk. 3,6).

Und weiter! Ermahnt nicht der heilige Paulus - mit wie viel Recht wird er zu den Aposteln und Propheten gezählt! - in feierlicher Form die Römer: "Herrlichkeit, Ehre und Friede einem jeden, der Gutes tut (den Juden zuerst, dann auch den Griechen), denn bei Gott ist kein Ansehen der Person" (Röm. 2, 10-11).

Mit welcher Freude beschreibt derselbe Paulus in seinem Brief an Titus mit wenigen Worten die Natur und die Kraft des Geheimnisses der göttlichen Erlösung: "Erschienen ist die Gnade Gottes als Heil für alle Menschen" (Tit. 2, 11).

Zum Abschluss dieser Zitate möchten Wir eine Grundregel eines berufenen und überaus beredten Interpreten des heiligen Paulus anführen, eine Grundregel des heiligen Johannes Chrysostomus, die Uns von Jugend auf begleitet hat: "Bedenkt, Brüder, dass von euch nicht nur über euer Leben, sondern über die ganze Welt Rechenschaft abgelegt werden muss" (15. Homilie zum Matthäusevangelium).

Zeichen für eine bessere Zukunft

Es ist für Uns ein großer Trost, dass die meisten von diesem Apostolischen Stuhl getrennten Brüder dem Ökumenischen Konzil mit soviel Aufmerksamkeit und Wohlwollen begegnet sind. Aber welch reichere Hoffnung und Kraft der himmlischen Gnade werden wir erbitten, wenn alle jene, die mit uns zum gleichen Glauben und zum gleichen Heil in Christus und dem einen Schafstall berufen sind, den viel offeneren Geist unserer aufrichtigen Liebe im Bekenntnis der ungekürzten Wahrheit erkennen werden.

Es handelt sich hier um einen geheimen Ratschluss Gottes, durch den wir gleichsam angehalten werden, unseren Blick dem ersten Aufleuchten jenes heiß ersehnten Tages zuzuwenden, dessen Kommen Christus der Herr mit großer Sehnsucht und vertrauensvollem Herzen ankündigte: "Ich habe noch andere Schafe, die nicht aus diesem Stalle sind; auch diese muss ich führen, und sie werden auf meine Stimme hören; und es wird eine Herde und ein Hirt sein" (Joh. 10,16).

Wie tröstlich müsste es für uns sein, gemeinsam mit diesen "Schafen" die so kostbaren Worte des Herrn lesen und jene wunderbaren Bilder aus dem zehnten Kapitel des Johannesevangeliums betrachten zu können, besonders die, in denen uns Christus inständig ermahnt: "Ich bin die Tür." Die Tür nämlich, durch die die Schafe eintreten. "Wenn jemand durch diese Tür eintritt, wird er Heil erfahren. Er wird hinein- und herausgehen und Weide finden" (Joh. 10,9).

Das sind Unsere Wünsche, die Wir von neuem mit vertrauensvollem Herzen aussprechen. Das Zweite Vatikanische Ökumenische Konzil, das glücklich begonnen hat, möge in der Kirche einen solchen Reichtum an geistlichen Kräften erwecken und weite Bereiche des katholischen Apostolates so weit öffnen, dass die Menschen durch die Braut Christi geführt, zu jenen obersten und so sehr ersehnten Zielen gelangen, die sie bis jetzt nicht erreicht haben.

Wahrlich eine große Hoffnung, die die ganze Kirche und die ganze Menschheit umschließt!

Über diese schweren Aufgaben müssen wir in Ausübung unseres Hirtenamtes als Bischöfe der Kirche Gottes nachdenken. Dass wir die Integrität der christlichen Lehre, so wie sie die Heilige Schrift, die Überlieferung, die Kirchenväter und die Römischen Päpste lehren, erhalten haben und erhalten, ist sicher ein Geschenk der himmlischen Gnade und gereicht uns mit Recht zur Ehre. Das genügt aber nicht zur Erfüllung jenes göttlichen Auftrags: "Gehet hin und lehret alle Völker" (Matth. 28, 19), oder jenes anderen, der schon im Alten Testament niedergeschrieben ist: "Er schrieb einem jeden von ihnen die Sorge um den Nächsten vor" (Sir. 17, 12).

Ermahnungen und Wünsche

Von Freude erfüllt, schreiben Wir Dir diese Gedanken, während sich das Fest der Epiphanie bereits dem Abend zuneigt. Zugleich möchten Wir Dir mitteilen, dass die Kommissionen des Zweiten Vatikanischen Ökumenischen Konzils mit vereinten Kräften die Arbeit in Rom wiederaufgenommen haben. Du sollst auch wissen, dass das Konzilssekretariat den Konzilsvätern im Bischofsrang alles zusenden wird, was es zum Studium und zur Vorbereitung der Schemata über jene Fragen braucht, die dem Studium der Kommissionen selbst anvertraut sind.

Gebe Gott, dass diese mit soviel Eifer übernommene Arbeit, unterstützt durch die Gebete des gesamten Klerus, aller Ordensleute aus den Ordensfamilien beiderlei Geschlechts, die auf dem ganzen Erdkreis gleichsam wie Feuerfunken aufleuchten, nicht nur ohne Unterlass die Gnade apostolischen Eifers erwirke, sondern auch überreiche Früchte hervorbringe, die Wir davon zum Heile und zur Freude der ganzen Menschheit erwarten. Das ist die Gnade Christi, die gekommen ist, "Feuer auf die Erde zu bringen" (Luk. 12,49), damit dadurch alles entzündet werde im Glanz des Glaubens und in den Flammen der Liebe.

Um Unseren Brüdern im Bischofsamt Mut zu machen, scheint Uns nichts besser und nichts hinreißender zu sein als die Worte des heiligen Paulus in dem Brief an die Kolosser. Dieser Völkerapostel - o welch herrliches Gefäß der Auserwählung - hält den besonders hochherzigen Seelen, um sie anzufeuern, nach Hohem zu streben und Mühen auf sich zu nehmen, gleichsam als Zeichen vor Augen: "alles und in allem Christus" (Kol. 3, 11). Dann schreibt er: "So zieht denn an als von Gott erwählte Heilige und Geliebte herzliches Erbarmen, Güte, Demut, Milde, Geduld! Ertragt einander und verzeiht einander, wenn einer eine Klage hat gegen den andern; so wie der Herr auch euch verziehen hat, so sollt auch ihr tun. Über all dies aber zieht die Liebe an; sie ist das Band der Vollendung. Der Friede Christi herrsche in euren Herzen; für ihn seid ihr ja berufen in dem einen Leib. Seid auch dankbar! Das Wort wohne in seiner Fülle in euch. Belehrt und ermuntert einander in aller Weisheit, und lobsingt dankerfüllt aus euren Herzen vor Gott in Psalmen, Hymnen und geistlichen Liedern. Alles, was ihr tut in Wort oder Werk, das tut alles im Namen des Herrn Jesus, indem ihr Gott, dem Vater, Dank sagt durch ihn" (Kol. 3,12-17).

Mit diesen Unseren Gefühlen und im Bewusstsein Unserer Pflichten, Ehrwürdiger Bruder, nehmen Wir unsere gemeinsame heilige Arbeit wieder auf, im alleinigen Vertrauen auf die Hilfe der himmlischen Gnade, im Lichte des Geistes und in der Freude des Herzens zum Wohle der heiligen Kirche Gottes. Damit das Licht und die Gnade unseren Sorgen und Wünschen in reichem Maße willfahre, erteilen Wir Dir, Ehrwürdiger Bruder, und Deiner ganzen Herde in übergroßer Liebe im Herrn den Apostolischen Segen.

Gegeben zu Rom, bei St. Peter, am 6. Januar 1963, am Feste der Epiphanie des Herrn,
im fünften Jahre Unseres Pontifikates.
Johannes XXIII. PP.

Weblinks