Gilbert Keith Chesterton
Gilbert Keith Chesterton (* 29. Mai 1874 in London; † 14. Juni 1936 in Beaconsfield) war ein katholischer Schriftsteller und Philosoph aus England aus dem 19. bzw. 20. Jahrhundert.
Inhaltsverzeichnis
Biografie
Chesterton war Sohn eines Häusermaklers in London. Von 1887 bis 1892 besucht er die St.-Pauls-Schule. Anschließend von 1892 bis 1894 die Slade School of Art in London. In dieser Zeit gerät er in eine ziemliche Krise und kommt nahe an den Wahnsinn. Er zweifelte an Gott und machte Bekanntschaften mit Satanisten. Schließlich wurde er doch Mitglied der anglikanischen Kirche. Von 1986 an arbeitete er als Journalist für liberale Zeitungen. 1901 heiratete Chesterton Frances Blogg. In den kommenden Jahren hatte er viele Auseinandersetzungen mit dem Atheismus und mit den Freidenkern. Er bekämpfte die Nietzsche-Ideologie und die Eugenik von Francis Galton, einem Vetter von Darwin. 1922 trat er in die römisch-katholische Kirche ein. Im selben Jahr veröffentlichte er das Buch "Eugenics and other evils"
Chesterton sah sich selbst als Liberaler "Mehr als je zuvor glaube ich an Liberalismus. Das Verkehrte am 19. Jahrhundert war nicht, dass es die Freiheit verwöhnte oder übertrieb, sondern dass es die Freiheit suchte und nicht fand. Das Verkehrte war nicht die Freiheit, auch nicht der Liberalismus, sondern Liberale, die den Liberalismus und die Freiheit verrieten." (Vlg. G. Kranz, Chesterton)
Ab 1925 gab er bis zum Jahre 1936 das Wochenblatt "G.K.'s Weekly" heraus. In dem Blatt schrieb er regelmäßig lange Leitartikel und veröffentlichte seine bekannten Karikaturen. Weiters führte er zahlreiche Streitgespräche, unter anderem mit H.G. Wels und mit G.B. Shaw. Von 1900 an publizierte er über 100 Bücher. Zu den bekanntesten Werken gehören seine apologetischen Werke wie "Orthodoxy", "Heretics" und "The Everlasting Man", seine Romane wie z. B. "The Man Who Was Thursday" und vor allem seine Father Brown Erzählungen. Das Vorbild für die Pater-Brown-Figur war übrigens Papst Leo XII. mit seiner Enzyklika Rerum novarum.
Ab 1926 verfasste Chesterton das Programm des Distributismus. Das ganze war eine Alternative zum Sozialismus bzw. zum Kapitalismus. In diesem Programm hieß es: "Der Distributismus fordert Wiederherstellung der Freiheit durch Verteilung des Eigentums... Der einzige Weg, die Freiheit zu sichern, ist das Eigentum zu sichern, damit der einzelne und die Familie von amtlichen und nichtamtlichen Unterdrückungssystemen unabhängig sein können... Der einzige Weg dazu ist bessere Verteilung des Kapitals und der Produktionsmittel. Dies kann nur geschehen durch Zerschlagen der großen plutokratischen Konzentration unserer Zeit."
Der Einfluss von Chesterton auf die Literatur und Geisteswelt in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts war riesig. Er beeinflusste unter anderem die Schriftsteller C. S. Lewis, J.R.R. Tolkien, Charles Williams, T.S. Eliot und D.L. Sayers und S. Undset. Chesterton war ein Verteidiger der Märchen und damit möglicherweise ein Mitiniator für die späteren literarischen Meisterwerke von Tolkien und Lewis. "Märchen sind nicht schuld daran, dass Kinder Angst haben. Nicht Märchen geben dem Kind die Vorstellung des Bösen oder des Häßlichen: die ist schon im Kind, weil es schon in der Welt ist. Märchen geben einem Kinde nicht seinen ersten Begriff eines Schreckgespenstes, sondern seinen ersten Begriff des möglichen Siegens über das Schreckgespenst. Mit dem Drachen ist das Baby vertraut, seit es Einbildungskraft hat. Das Märchen besorgt ihm einen heiligen Georg, der den Drachen tötet. (Chesterton, Tremendous Trifles) "Meine erste und letzte Philosophie, an die ich mit ungebrochener Gewissheit glaube, sind die Märchen. Sie scheinen mir völlig vernünftig zu sein. Sie sind keine Phantasien. Verglichen mit ihnen sind andere Dinge phantastisch. Märchenland ist nichts anderes als das sonnige Land des gesunden Menschenverstands." (Chesterton, Orthodoxy)
Chesterton war auch überzeugt, dass "derjenige, der in einer kleinen, überschaubaren Gemeinde wohnt, in einer unvergleichlich größeren Welt lebt als der moderne Großstädter".
Chesterton wollte die ganze Macht im Staat immer auf möglichst viele unabhängige Gewalten verteilen. "Es gibt einen kleinen Defekt am Menschen, dem Ebenbild Gottes, dem Wunder der Welt und dem Muster der Lebewesen: Man kann ihm nicht trauen." Genau aus diesem Grund lehnte Chesterton auch Monarchie, Oligarchie und eine Diktatur ab.
Begeistert über seine Werke äußerten sich auch Franz Kafka, Musil, Tucholsky, Lunatscharski, Bloch und G.B. Shaw. Selbst auf Mahatma Gandhi oder die Soziologin Hannah Arendt nahme beeindruckte Chesterton mit seinen Gedanken. Hanna Arendt bezeichnete Chesterton als "einen der klügsten Geister Europas". Ernst Bloch meinte: "Chesterton ist einer der gescheitesten Männer, die je gelebt haben."
Der Einfluss von Chesterton war auch nach seinem Tod im Jahre 1936 ungebrochen. Der bekannte britische Schauspieler Alec Guinness, der 1953 die Rolle des Pater Brown (Die seltsamen Wege des Pater Brown) spielte, konvertierte unter anderem durch den Einfluss der Ideen von Chesterton zur römisch-katholischen Kirche.
Chesterton wurde nach seinem Tod von Papst Pius XI. der Ehrentitel "Defensor fidei" verliehen.
Zitate
"Das ganze Vergnügen der Ehe besteht darin, dass sie eine immerwährende Krise ist" (The superstition of divorce)
"Das Wesen der Ehe besteht darin, dass ein freier Mann und eine frei Frau sich dazu entscheiden, den einzigen freiwilligen Staat auf Erden zu gründen; den einzigen Staat, der seine Bürger erzeugt und liebt." (Sidelights on New London and New York)
Werke
Spiritismus (Essay) (1908)
The Innocence of Father Brown (1911) (dt. Father Browns Unschuld)
The Wisdom of Father Brown (1914) (dt. Father Browns Weisheit)
The Incredulity of Father Brown (1926) (dt. Father Browns Ungläubigkeit)
The Secret of Father Brown (1927) (dt. Father Browns Geheimnis)
The Scandal of Father Brown (1935) (dt. Father Browns Skandale)
The Man Who Was Thursday (dt. Der Mann, der Donnerstag war)
The Man Who Knew Too Much (dt. Der Mann, der zuviel wusste)
The Poet and the Lunatics (dt. Der Dichter und die Verrückten. Episoden aus dem Leben von Gabriel Gale)
The Club of Queer Trades (dt. Der geheimnisvolle Klub)
St. Francis of Assisi (1923) (dt. Franziskus. Der Heilige von Assisi)
St. Thomas Aquinas. The Dumb Ox. (dt. Der stumme Ochse. Über Thomas von Aquin)
Dickens (dt. Charles Dickens)
George Bernard Shaw (dt. George Bernard Shaw)
The Napoleon of Notting Hill (1904) (dt. Der Held von Notting Hill)
The Man Who Was Thursday (Der Mann, der Donnerstag war)
Flying Inn (Dt. Das fliegende Wirtshaus)
The Return of Don Quixote (dt. Die Rückkehr des Don Quijote, Matthes & Seitz, München 1992, ISBN 3- 88221-778-2)
Manalive (dt. Menschenskind)
Heretics (dt. Ketzer. Eine Verteidigung der Orthodoxie gegen ihre Verächter, Eichborn, Frankfurt am Main, 1998, ISBN 3-8218-4165-6)
Orthodoxy (dt. Orthodoxie. Eine Handreichung für die Ungläubigen, Eichborn, Frankfurt am Main, 2000, ISBN 3-8218-4187-7)
What's Wrong With the World (dt. Was Unrecht ist an der Welt)
The Common Man (dt. Der gewöhnliche Sterbliche)
Eugenics and Other Evils (1922)
Magic. A Fantastic Comedy (dt. Magie. Eine phantastische Komödie)
Die Wildnis des häuslichen Lebens (Berlin 2006) Essays
Autobiography (dt. Der Mann mit dem goldenen Schlüssel. Die Geschichte meines Lebens). Herder. Freiburg im Breisgau, 1952.
Literatur über Chesterton
Gisbert Kranz: Gilbert Keith Chesterton - Prophet mit spitzer Feder. Sankt Ulrich Verlag, Augsburg 2005, ISBN 3-936-48461-9