Catechismus Romanus: II. Teil: 5 Kapitel

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Catechismus Romanus

Fünftes Kapitel: Vom Bußsakrament (mit Überschriften)
(Fünftes Kapitel: Vom Bußsakrament [ohne Überschriften]).

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I. Notwendigkeit eingehender Behandlung

1 Wie schwach und dem Fall ausgesetzt der Mensch von Natur ist, weiß jeder und kann es nur zu leicht an sich selbst erfahren; damit ist aber auch für jedermann verständlich, wie notwendig das Sakrament der Buße ist. Wenn also, wie es doch sein muss, die Wichtigkeit und Bedeutung des zu behandelnden Gegenstands den Gradmesser bildet für die Sorgfalt der Darbietung, die der Seelsorger dem betreffenden Gegenstand zu widmen hat, so kann er sicher bei der Erklärung dieses Sakraments gar nie genug Mühe aufwenden. Ja er muss es sogar noch eingehender besprechen als die Taufe, aus dem einfachen Grund, weil die Taufe nur einmal gespendet und nicht wiederholt werden kann, die Verpflichtung zum Bußsakrament aber dem Christen jedes Mal neu obliegt, sooft er nach der Taufe in Sünde fallen sollte. Denn so hat es das Konzil von Trient ausgesprochen: Wie für die noch nicht Wiedergebornen die Taufe zum Heil notwendig ist, so das Sakrament der Buße für jene, die nach der Taufe in Sünde gefallen sind (Conc. Trid. XIV de poenit. c. 2; can. 1. 6; vgl. VI. c. 14). Bekannt ist das Wort des hl. Hieronymus (In Isai 3, 8), das in der Folge die volle Zustimmung aller Gottesgelehrten fand: die Buße ist die zweite Rettungsplanke. Denn wie es beim Schiffbruch nur eine Möglichkeit gibt, sein Leben zu retten, dass man nämlich durch einen glücklichen Zufall irgend eine Planke des Wracks an sich zu bringen vermag, so ist einer nach Verlust der Taufunschuld ganz sicher verloren, wenn er sich nicht an die Rettungsplanke der Buße anklammert.

Diese Gedanken sollen nicht nur für den Seelsorger, sondern ganz allgemein für das christliche Volk ein Mahnruf sein, sich in einer so hochwichtigen Sache nicht etwa tadelnswerte Gleichgültigkeit zuschulden kommen zu lassen. Muss es ja, eben aus dem Bewusstsein der allgemein menschlichen Schwäche heraus, ein innigstes Herzensanliegen aller sein, dass es ihnen doch unter dem Beistand der göttlichen Gnade gelingen möge, auf dem Weg des Herrn ohne Fall oder Straucheln voranzuschreiten. Sollten sie aber doch hie und da einen Fehltritt tun, so soll ihnen im Aufblick zur unendlichen Güte Gottes, der wie ein guter Hirt so gern die Wunden seiner Schäflein verbindet und heilt, keinen Augenblick der Gedanke kommen, dieses überaus heilkräftige Mittel der Buße auf spätere Zeiten hinauszuschieben.

II. Verschiedene Arten der Buße

2 Nun zur Sache selbst. Man erkläre zunächst die verschiedenen Bedeutungen des Wortes Buße, damit nicht infolge einer Unklarheit darüber bei irgend einem ein Irrtum entsteht. Einige nehmen Buße für Genugtuung (vgl. Bußgeld, »die Buße beten«). Andere wollen unter Buße nichts anderes verstehen als ein neues Leben, wobei sie sich freilich durch ihre Voraussetzung, die Buße habe die Vergangenheit nicht zu berücksichtigen, vollständig von der katholischen Glaubenslehre entfernen. Man sage also, das Wort Buße (Das lateinische Wort poenitentia (poenitere) bedeutet ebenso wohl Buße wie Reue) könne verschiedenes bezeichnen. Erstens wird der Ausdruck von einem Menschen gebraucht, dem etwas missfällt, was ihm vorher gefiel; wobei man ganz davon absieht, ob es sich um etwas Gutes oder Böses handelt. Das ist die Bußgesinnung (Reue) all derer, die betrübt sind nach den Begriffen der Welt, aber nicht nach Gottes Sinn. Ihre Buße führt nicht zum Heil, sondern zum Tod (2 Kor 7,10). Eine andere Art von Bußgesinnung (Reue) ist es, wenn einem eine begangene Sünde, die ihm vorher recht war, nunmehr leid tut, aber seinetwegen, nicht Gottes wegen. - Die dritte Art von Bußgesinnung (Reue) haben wir, wenn uns die begangene Sünde nicht nur aus innerstem Herzensgrund schmerzt oder wir diesen Schmerz irgendwie zum Ausdruck bringen, sondern wenn einzig Gott der eigentliche Grund ist, warum es uns so leid tut. - (All den genannten Arten kommt die Benennung Buße [Reue] im eigentlichen Sinn zu. Im übertragenen Sinn ist es offenbar gemeint, wenn wir in der Heiligen Schrift von einer »Reue Gottes« (vgl. Ps 105,45; Jer 26, 3. 13) lesen. Die Heilige Schrift will sich mit diesem Sprachgebrauch der menschlichen Auffassungsweise anpassen, um auszudrücken, Gott habe eine Änderung in irgend einer Sache beschlossen - eben aus unsrer Vorstellung heraus, Gott mache es wie die Menschen, die, wenn sie etwas reut, in dem betreffenden Punkt unbedingt eine Änderung herbeizuführen suchen. In diesem Sinn heißt es einmal: »Es reute Gott, dass er den Menschen erschaffen hatte«(Gen 6, 6). Und an einer andern Stelle: » [Es reute Gott], dass er Saul zum König gemacht hatte« (1 Kön 15, 11).

3 Nun ist aber zwischen den oben beschriebenen drei Arten von Buße (Reue) ein großer Unterschied zu beobachten. Die erste nämlich muss als sündhaft bewertet werden; die zweite ist eine natürliche Seelenverfassung, wie sie sich bei Aufregung und Verwirrung einstellt; die dritte jedoch ist, so behaupten wir, sowohl eine Tugend wie ein [Bestandteil des] Sakraments. Und das ist der hier gemeinte Begriff von Buße.

III. Die Tugend der Buße

Zunächst soll nun von der Buße als Tugend gehandelt werden, nicht nur, weil das christliche Volk vom Seelsorger in jeder Art von Tugend unterwiesen werden soll, sondern auch deshalb, weil die einzelnen Betätigungen dieser Tugend gleichsam die Materie für das Bußsakrament bieten. Außerdem kann man auch das Wesen des Sakraments unmöglich richtig verstehen, wenn man sich nicht zunächst klar gemacht hat, worin die Tugend der Buße besteht.

1. die innere Buße der Reue

4 So mahne man denn die Christen zunächst, sich eifrig und nachhaltig um jene tiefe innere Bußgesinnung zu bemühen, die wir als Tugend bezeichnen; denn ohne sie wird die äußere Buße sehr wenig Nutzen bringen.


a) Begriff

Die innere Buße aber haben wir dann, wenn wir uns von Herzensgrund zu Gott bekehren, unsre Sünden verabscheuen und hassen und zugleich den bestimmten Vorsatz fassen, den schlechten Lebenswandel sowie die sittliche Verderbnis in uns zu bessern, in der festen Hoffnung, von Gottes Barmherzigkeit Verzeihung zu erlangen. Ergebnis dieser Bußgesinnung und Begleiterscheinung des Abscheus über die Sünde ist dann der Schmerz und die Betrübnis, die eine Regung des Gefühlslebens ist und von vielen als Leidenschaft [im Sinn einer passiven Regung im Gegensatz zur aktiven des Willens] bezeichnet wird. Manche der heiligen Väter suchen daher den Begriff der Buße durch diesen seelischen Schmerz klarzumachen. -

5 Übrigens muss in dem reuigen Sünder der Glaube notwendig der Buße vorangehen. Es kann sich ja niemand zu Gott bekehren, wenn er nicht den Glauben hat. Das ist auch der Grund, warum man den Glauben unmöglich als Bestandteil der Buße bezeichnen kann (Conc. Trid. XIV. de poenit. c. 3; can. 4).

b) eine wahre Tugend

6 Dass aber diese innere Buße, wie oben gesagt, eine Tugend ist, das zeigen ganz klar die mannigfachen Aufforderungen zur Buße, wie die Überlieferung sie enthält. Das Gesetz befiehlt nämlich nur tugendliche Handlungen. Außerdem ist es ganz bestimmt ein Tugendakt, zur rechten Zeit, in der rechten Weise und aus berechtigtem Grund sich dem Schmerz hinzugeben; die Buße aber bewirkt gerade, dass dies in eben der rechten Weise geschieht. Manchmal haben nämlich Menschen gar nicht jenen Schmerz über begangene Untaten, wie es sich eigentlich gehörte; ja es gibt nach einem Wort Salomons (Spr 2, 14) so manchen, der sich über seine Freveltat sogar noch freut; wie denn umgekehrt andere sich so stark der seelischen Trauer und dem innern Harm überlassen, dass sie geradezu an ihrem Heil verzweifeln. Zu dieser Klasse mag wohl Kain gehört haben, wenn er sprach: »Meine Untat ist zu groß, als dass sie Verzeihung verdiente« (Gen 4, 13) sicher gehörte Judas zu ihr, wo er von Reue getrieben sich erhängte (Mt 27, 3) und auf diese Weise Leben und Seele verlor. So ist es also gerade die Tugend der Buße, die uns hilft, im Schmerz das rechte Maß einzuhalten. - 7 Das Tugendliche der Buße ergibt sich übrigens auch aus dem Ziel, das sich der wahrhaft reuige Sünder stellt. Seine nächste Absicht ist, die Sünde aus der Welt zu schaffen und alle Schuld und Makel von seiner Seele zu tilgen. Sein zweites Ziel ist, Gott für seine Sünden Genugtuung zu leisten, was sich offenbar auf die Gerechtigkeit zurückführen lässt; denn kann auch zwischen Gott und dem Menschen wegen des gegenseitigen unendlichen Abstands ein eigentliches Verhältnis der Gerechtigkeit nicht bestehen, so doch sicher eine Art von Gerechtigkeit wie etwa zwischen Vater und Sohn, Herrn und Knecht. Drittens will der Mensch wieder in Gnaden kommen bei Gott, dessen Unwillen und Abscheu er wegen der Abscheulichkeit seiner Sünden sich zugezogen hat. All dies aber zeigt reichlich klar, dass die Buße zu den Tugenden gehört.

c) ihre Stufen

8 Weiterhin sind die Stufen darzulegen, auf denen sich der Aufstieg zu dieser übernatürlichen Tugend vollzieht. Das erste ist, dass Gottes Barmherzigkeit uns zuvorkommt und unsre Herzen zu sich bekehrt. Das erfleht der Prophet, wenn er spricht: »Bekehre uns, o Herr, zu dir, und wir werden uns bekehren« (Klgl 5, 21). - Durch solches Licht erleuchtet streben wir dann innerlich durch den Glauben hin zu Gott. Denn »wer sich Gott nahen will, muss (nach dem Wort des Apostels) glauben, dass er ist und denen, die ihn suchen, ein Vergelter ist« (Hebr 11,6). - Nun folgt die Regung der Furcht, und im Gedanken an die Schrecklichkeit der Strafen sagt sich das Herz von der Sünde los. Hierauf beziehen sich anscheinend jene Worte bei Isaias: »Wie eine Schwangere, wenn ihre Stunde da ist, sich windet und aufschreit in ihren Wehen, so ist es uns nun ergangen« (Is 26, 17). - Dazu gesellt sich nun die Hoffnung von Gott Barmherzigkeit zu erlangen, und durch diese Hoffnung gestärkt nehmen wir uns vor, Leben und Wandel auf bessere Bahn zu bringen. - Endlich glüht in unsrem Herzen die Liebe auf, aus der dann jene edle Furcht entspringt, wie sie guter und echter Kinder würdig ist. Und nur noch von der einen Furcht beseelt, Gottes Majestät doch ja in keiner Weise mehr zu nahe zu treten, geben wir nunmehr die Anhänglichkeit an die Sünde vollständig auf. Das also sind gleichsam die Stufen, auf denen man zu dieser unschätzbaren Tugend der Buße gelangt.

d) ihr großer Wert

9 Sie muss in der Tat als eine göttlich himmlische Tugend gewertet werden; verheißt ihr doch die Heilige Schrift geradezu das Himmelreich. Denn beim hl. Matthäus steht geschrieben: »Tut Buße, denn das Himmelreich hat sich genaht« (Mt 4, 17). Und bei Ezechiel: »Wenn der Gottlose Buße tut von allen seinen Sünden, die er getan, und all meine Gebote hält und Recht und Gerechtigkeit übt, so soll er das Leben haben« (Ez 18, 21). Und an andrer Stelle: »Ich will nicht den Tod des Sünders, sondern dass er sich von seinem Weg bekehre und lebe« (Ez 33, 11) - Worte, die sicher vom ewigen, seligen Leben verstanden werden müssen.

IV. Das Sakrament der Buße (äußere Buße)

1. warum Sakrament?

10 Die äußere Buße nun, so lehre man, ist jene, die das Wesen des Sakraments ausmacht; sie hat einige sinnfällig hervortretende Stücke, die zum Ausdruck bringen, was in der Seele drinnen vor sich geht. Zuerst jedoch erscheint es angebracht den Gläubigen auseinanderzusetzen, was denn der Grund ist, weshalb Christus der Herr die Buße unter die Zahl der Sakramente aufnehmen wollte. Der Grund dafür ist gewiss der: es sollte uns möglichst jeder Zweifel genommen werden wegen der Nachlassung der Sünden, die Gott in den Worten verhieß: »Wenn der Gottlose Buße tut« usw. Wir befänden uns nämlich sonst in quälender Ungewissheit über unsre innere Bußgesinnung, da man ja mit Recht seinem eigenen Urteil bei seinen Handlungen nicht trauen kann. Um also solchen Besorgnissen abzuhelfen, hat der Herr das Sakrament der Buße eingesetzt, damit wir das Vertrauen haben dürfen, dass uns durch die Lossprechung des Priesters unsre Sünden vergeben werden, und damit unser Gewissen ganz zur Ruhe kommt auf Grund des Glaubens an die Wirksamkeit der Sakramente, den wir mit vollem Recht haben dürfen. Ist doch das Priesterwort, das uns rechtmäßig unsre Sünden vergibt, genau so aufzunehmen wie das Wort Christi des Herrn, das Er zum Gelähmten sprach: »Hab Vertrauen, Kind, deine Sünden sind dir vergeben« (Mt 9, 2). - Ferner: da niemand das Heil erlangen kann außer durch Christus und kraft seines Leidens, so war es ganz entsprechend und für uns von größtem Wert, dass ein Sakrament eingesetzt wurde, kraft dessen Wirksamkeit das Blut Christi gleichsam auf uns niederrinnt und die nach der Taufe begangenen Sünden abwäscht; so sollten wir [durch den Empfang dieses Sakraments] bekennen, dass wir die Gnade der Wiederversöhnung einzig Ihm, unserm Erlöser, verdanken.

2. ein wirkliches

11 Dass die Buße ein Sakrament ist, kann der Seelsorger leicht nachweisen. Wie nämlich die Taufe ein Sakrament ist, weil sie alle Sünden, vor allem die Erbsünde tilgt, genau so ist die Buße, die alle nach der Taufe in der Absicht oder im Werk begangenen Sünden wegnimmt, wahrhaft und im eigentlichen Sinn als ein Sakrament zu bezeichnen. Da außerdem (und das ist der Hauptbeweis) das, was der Pönitent wie der Priester äußerlich tut, ein Zeichen ist für das, was innerlich in der Seele bewirkt wird, wer könnte da in Abrede stellen, dass die Buße das wahre, eigentliche Wesen eines Sakraments besitzt? Ist doch jedes Sakrament »Zeichen einer heiligen Sache«; hier aber bringt der reuige Sünder in Tat und Wort klar zum Ausdruck, dass er sich innerlich von der Bosheit der Sünde lossagt, und ebenso offenbart sich uns in dem, was der Priester tut und spricht, die Erbarmung Gottes, der eben die Sünde vergibt. - Übrigens zeigen das auch ganz klar die Worte des Heilands: »Dir gebe ich die Schlüssel des Himmelreichs ... was immer du auf Erden lösen wirst, wird auch im Himmel gelöst sein«(Mt 16, 19; vgl. Conc. Trid. XIV de poenit. c. 1; can. 1). Die durch den Mund des Priesters ausgesprochene Lösung [von den Sündenbanden, die Lossprechung] bezeichnet eben jene Sündennachlassung, die sie in der Seele auch bewirkt [die »auch im Himmel« gültig ist].

3. und wiederholbares Sakrament

12 Die Buße gehört also, so sage man den Christen, zu den sieben Sakramenten und zwar näherhin zu jenen, die wiederholt werden können. Der Herr hat Petrus auf seine Frage, ob man eine Sünde etwa siebenmal verzeihen müsse, die Antwort gegeben: »Ich sage dir, nicht siebenmal, sondern siebzigmal siebenmal« (Mt 18, 22). Hat man es also mit jemand zu tun, der den Eindruck macht, als habe er das Vertrauen auf Gottes unendliche Güte und Milde verloren, so spreche man ihm Mut zu und richte ihn auf, dass er wieder auf Gottes Gnade hofft. Das lässt sich unschwer erreichen durch Eingehen auf diese und andere Stellen, wie sie uns in der Heiligen Schrift in großer Zahl begegnen; dann aber auch durch Gründe und Gedanken, wie man sie etwa dem Buch des hl. Chrysostomus über die Gefallenen und den Büchern des hl. Ambrosius über die Buße entnehmen kann.

V. Materie und Form

1. Materie

13 Nun muss das christliche Volk vor allem wohl unterrichtet sein über die Materie dieses Sakraments; deshalb weise man darauf hin, dass die Buße sich in diesem Punkt stark von den übrigen Sakramenten unterscheidet: bei diesen besteht die Materie nämlich in einem von Natur gegebenen oder künstlich zubereiteten Gegenstand, beim Bußsakrament jedoch besteht nach der Erklärung des Trienter Konzils (Conc. Trid. XIV c. 3; can. 4) das, was man Materie nennen kann [quasi materia], in den Akten des Beichtkinds, nämlich der Reue, der Beichte und Genugtuung; soweit diese Akte beim Beichtkind nach göttlicher Anordnung zur Vollständigkeit des Sakraments und zur vollkommenen Nachlassung der Sünden erforderlich sind, heißen sie Teile der Buße (,Quasi materia' nennt die heilige Synode diese Akte, nicht etwa, weil sie nicht die Bedeutung einer wirklichen Materie hätten, sondern weil sie keine solche Materie sind, die sich äußerlich anwenden lässt, wie etwa das Wasser bei der Taufe und das Chrisam bei der Firmung. Anm. des Cat. Rom.). Wenn andere behaupten, die Sünden bildeten die Materie dieses Sakraments, so wollen sie damit, wie sich bei näherem Zusehen zeigt, offenbar doch das gleiche sagen. Denn wie wir das Holz, das vom Feuer verzehrt wird, Materie des Feuers nennen, so kann man auch die Sünden, die durch die Beichte getilgt werden, sinngemäß als Materie dieses Sakraments bezeichnen (Man denke an die Unterscheidung der Theologen: materia ex qua und materia circa quam; letzteres sind die Sünden, ersteres die Akte des Pönitenten).

2. Form

14 Der Seelsorger möge auch die Erklärung der Form nicht übergehen; denn das wird für die Gläubigen ein Ansporn sein. die Gnade dieses Sakraments mit recht großer Ehrfurcht zu empfangen. Die Form lautet: »Ich spreche dich los« [wörtlich: »Ich löse dich los.«] Sie kann schon aus den bekannten Worten abgeleitet werden: » Was immer ihr auf Erden lösen werdet, wird auch im Himmel gelöst sein«(Mt 18, 18). Aber wir haben sie auch auf Grund der Lehre Christi des Herrn aus apostolischer Überlieferung in dieser Fassung übermittelt erhalten. Da die Sakramente anzeigen, was sie bewirken, jene Worte »Ich spreche dich los« aber anzeigen, dass durch die Spendung dieses Sakraments die Nachlassung der Sünden bewirkt wird, so bilden sie offenbar die volle und vollkommene Form der Buße. Es sind nämlich die Sünden wie Bande, die die Seele umstrickt halten und aus denen sie durch das Bußsakrament losgelöst wird. Was übrigens auch dann seine Richtigkeit hat, wenn der Priester die Worte über ein Beichtkind spricht, das kraft einer glühend innigen Reue, jedoch unter Einschluss des Willens zur Beichte [votum] schon vorher von Gott Verzeihung für seine Sünden erlangt hat.

15 Außerdem werden noch einige Gebete beigefügt; diese sind für die Form nicht wesentlich, sondern sollen nur etwaige Hindernisse beseitigen, die durch die Schuld des Empfängers der vollen Wirksamkeit des Sakraments im Weg stehen könnten.

16 All das ist für jeden Sünder Grund genug, Gott innigst dafür zu danken, dass Er den Priestern in der Kirche eine solch umfassende Gewalt verliehen hat. Es ist ja nicht wie einst im Alten Bund, wo die Priester bei einem schon geheilten Aussätzigen durch ihre Aussage nur feststellen konnten, dass die Heilung eingetreten war (Lev 13, 9). Nunmehr hat der Priester in der Kirche nicht nur die Vollmacht, die Erklärung abzugeben, dass jemand von seinen Sünden frei ist, nein, er spricht ihn als Gottes Diener tatsächlich davon frei, wobei Gott selbst, der Urheber und Spender der Gnade und Rechtfertigung, die Befreiung bewirkt.

3. die Zeremonien

17 Die Gläubigen sollen weiterhin auch genau die äußern Gebräuche bei diesem Sakrament beobachten. Denn dadurch prägt es sich ihnen nachhaltiger ein, was sie durch dieses Sakrament erlangen: dass sie nämlich nun wieder mit Gott ausgesöhnt sind, wie Knechte mit ihrem mildreichsten Herrn, oder richtiger noch, wie Kinder mit ihrem besten Vater. Zugleich lernen sie auch besser verstehen, was jener tun muss, der den Willen hat (und diesen Willen muss jeder haben), sich für ein so großes Gnadengeschenk dankbar und erkenntlich zu zeigen. Wem seine Sünden leid sind, der muss sich demütig ergebenen Herzens dem Priester zu Füßen werfen, damit ihm schon durch diese äußere Gebärde der Demut zum Bewusstsein kommt, dass zumal der Stolz mit der Wurzel ausgerottet werden muss, in dem alle die Sünden, die er beweint, ihren Ursprung und Nährboden haben. Im Priester aber, der als zuständiger Richter über ihn zu Gericht sitzt, verehrt er Person und Vollmacht Christi des Herrn. Denn der Priester versieht, wie bei allen andern Sakramenten, so auch in der Verwaltung des Bußsakraments nur Christi Amt. Dann zählt das Beichtkind seine Sünden auf, gesteht dabei ganz offen ein, dass es schwere und empfindliche Strafe verdient, und bittet endlich demütig um Vergebung seiner Sünden. All diese Riten haben Zeugen ihres hohen Alters in den Schriften des hl. Dionysius (ep. 8, 1)

VI. Wirkungen

1. Gnade und Freundschaft Gottes

18 Vor allem aber wird es den Gläubigen von Nutzen sein und ihnen den Empfang des Bußsakraments zur Herzenssache machen, wenn der Seelsorger wiederholt auseinandersetzt, welche Vorteile wir davon haben. Werden sie doch daraus ersehen, wie wahr das Wort von der Buße ist, ihre Wurzeln seien zwar bitter, gar süß aber ihre Frucht. Die ganze Bedeutung der Buße besteht kurz gesagt darin, dass sie uns Gottes Gnade wieder verleiht und uns mit Ihm in inniger Freundschaft vereint. Diese Aussöhnung mit Gott hat bei frommen Beichtkindern nach heiligem, gewissenhaftem Empfang des Sakraments nicht selten tiefen Seelenfrieden und innere Ruhe im Gefolge, verbunden mit innigster geistlicher Freude.

2. daher Nachlass aller, auch Schwerer Sünden

Es ist ja auch kein Verbrechen so schwer, so entsetzlich, dass es nicht durch das Bußsakrament getilgt werden könnte, und das nicht nur einmal, sondern auch ein zweites Mal und noch öfter. Davon sprach der Herr durch den Propheten: » Wenn der Sünder Buße tut über all seine Sünden, die er getan, und meine Gebote bewahrt und Recht und Gerechtigkeit übt: er soll leben und nicht sterben; all seiner Übeltaten, die er getan, will ich nicht mehr gedenken« (Ez 18, 21 f ). Und der hl. Johannes sagt: »Wenn wir unsre Sünden bekennen - er ist getreu und gerecht, uns unsre Sünden zu verzeihen« und kurz darauf: » Wenn jemand sündigt,« (Johannes nimmt also keine Art von Sünden aus!) »so haben wir einen Fürsprecher beim Vater, Jesus Christus, den Gerechten. Er ist das Sühnopfer für unsre Sünden, doch nicht nur für unsre Sünden, sondern für die der ganzen Welt« (1 Joh 1, 9; 2, 1 f).

wahrhaft bereut werden

19 Wenn wir in der Heiligen Schrift von dem einen oder andern lesen, er habe vom Herrn keine Verzeihung erlangt, obwohl er mächtig darum bat, so kam das nur daher, weil er seine Sünden nicht wahrhaft und aufrichtig bereute. Wenn also in der Heiligen Schrift oder bei den heiligen Vätern Sätze vorkommen, die scheinbar die Behauptung aufstellen, es gebe Sünden, die nicht verziehen werden können, so muss man diese Sätze dahin verstehen, es sei eben sehr schwer, dafür Verzeihung zu erlangen. Denn wie man eine Krankheit als unheilbar bezeichnen kann, wenn der Kranke die Anwendung der heilkräftigen Arznei nicht haben will, so gibt es auch bestimmte Sünden, die nicht nachgelassen und verziehen werden, weil sie das eigentliche Heilmittel, die Gnade Gottes, zurückweisen. In diesem Sinn sagt der hl. Augustin: (Nach Aug. de serm. Dom. in monte 1 c. 22 [73]) »Wenn einer durch die Gnade Christi zur Erkenntnis Gottes gelangte, dann aber seine Glaubensbrüder bekämpft und vom Neid gestachelt gegen die Gnade selbst sich zu Umtrieben fortreißen lässt, dann gibt das einen so schlimmen Sündenzustand, dass er die Demut zur Abbitte nicht mehr aufbringt, auch wenn ihn sein schlechtes Gewissen zwingt, die Sünde anzuerkennen und zu bekennen.« 

denn ohne Reue kein Sündennachlass

20 Doch nun zurück zur Buße selbst. Ihr ist die sündentilgende Kraft so sehr eigen, dass es ohne Buße überhaupt ausgeschlossen ist, Nachlassung der Sünden zu erlangen, ja sich auch nur Hoffnung darauf machen zu dürfen. Denn es steht geschrieben : »Wenn ihr nicht Buße tut, werdet ihr alle auf die gleiche Weise umkommen«(Lk 13, 3). Bei diesem Wort meinte der Herr allerdings die schweren, die Todsünden, obgleich auch die leichteren, so genannten lässlichen Sünden irgendwelche Art von Buße brauchen. Denn so sagt schon der hl. Augustin(Ep. 265; vgL serm. 351, 6. poenitentia) »Da es eine Buße gibt, die jeden Tag in der Kirche für die lässlichen Sünden verrichtet wird, so wäre dies ja gegenstandslos, wenn die lässlichen Sünden ohne Buße vergeben werden könnten.« 

VII. Die drei Stücke des Bußsakraments

21 Nun genügt es aber nicht, über Dinge, die praktisch geübt werden müssen, nur allgemeine Anweisungen zu geben, und darum behandle der Seelsorger genau die einzelnen Stücke, die notwendig sind, damit die Christen so den richtigen Begriff von wahrer, heilsamer Buße bekommen. Es gehört zur Eigenart dieses Sakraments, dass es außer Materie und Form, was alle Sakramente haben, auch noch jene oben genannten Teile besitzt, die zusammen erst ganz und voll die Buße ausmachen: Reue, Beichte und Genugtuung. Über diese drei Stücke spricht sich der hl. Chrysostomus (Serm. 1 de poenitentia) folgendermaßen aus: »Die Buße drängt den Sünder dazu, alles bereitwillig auf sich zu nehmen: im Herzen die Reue, im Mund das Bekenntnis, im Werk die Demütigung und heilsame Genugtuung.« Es sind dies, wie man sich auszudrücken pflegt, solche Teile, wie sie zur Bildung eines Ganzen notwendig sind. Wie z. B. der menschliche Leib mehrere Glieder als Bestandteile hat, Hände, Füße, Augen usw., bei deren teilweisem Fehlen der Leib berechtigterweise als unvollkommen, bei Vollzähligkeit dagegen als vollkommen gilt, so setzt sich auch die Buße aus diesen drei Teilen zusammen. Allerdings genügen davon zum Wesen des Sakraments Reue und Bekenntnis, durch die der Mensch die Rechtfertigung erlangt; aber es fehlt ihm unbedingt die letzte Vollendung, wem nicht auch der dritte Teil, die Genugtuung, sich dazu gesellt. Diese Teile stehen also miteinander in innerem Zusammenhang: Die Reue schließt in sich Absicht und Vorsatz zu Bekenntnis und Genugtuung ein, das Bekenntnis hat als Voraussetzung die Reue und den Willen zur Genugtuung, die Genugtuung endlich die beiden andern Teile.

2. Begründung

22 Eine Begründung für diese Dreizahl können wir darin erblicken, dass eben Gedanken, Worte und Werke es sind, worin man sich gegen Gott versündigt. So ist es denn, wenn wir im Begriff stehen, uns der Schlüsselgewalt der Kirche zu unterwerfen, ganz recht und billig, dass wir Gottes Zorn zu besänftigen und Verzeihung der Sünden von Ihm zu erlangen suchen mit eben denselben Mitteln, mit denen wir uns an seiner heiligsten Majestät vergriffen haben. - Doch lässt sich dafür auch noch ein anderer Grund angeben. Es ist die Buße gleichsam eine Wiedergutmachung, die aus dem freien Entschluss des Sünders entspringt und von Gott, gegen den ja die Sünde begangen wurde, nach seinem Ermessen festgesetzt wird. So braucht es denn einmal diesen Willen zur Wiedergutmachung, was vor allem dem Wesen der Reue entspricht; dann muss der Pönitent sich dem Urteilsspruch des Priesters unterwerfen, der Gottes Stelle vertritt, damit dieser je nach der Größe der Sünden das Strafmaß für ihn festsetzen kann - woraus sich Wesen und Notwendigkeit von Beichte und Genugtuung von selbst ergibt.

[Fortsetzung folgt]

Erklärung Über das heilige Sakrament der Buße von Dr. Michael Gatterer