Wahrheit: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Wahrheit''' ist die Übereinstimmung des Denkens mit der Welt. Wenn die Aussage ''Gott existiert'' einen richtigen Gegenstand bezeichnet, dann ist sie wahr. Wenn Gott existiert, sind entgegengesetzte Aussagen nicht wahr; die Wirklichkeit kann durch entgegengesetztes Denken auch nicht "abgeschafft" werden. Daher sagt man, dass dem Wahren, Guten, Schönen, echte Daseinsqualität zukommt. (So ist die Wirklichkeit.) Das Unwahre ist nur als Mangel an Wahrheit zu erfassen. Wer sagt ''Es gibt keine Wahrheit'' beansprucht "Wahrheit" für diesen Satz; oder trifft (meistens) keine ernstgemeinte Aussage.
 
'''Wahrheit''' ist die Übereinstimmung des Denkens mit der Welt. Wenn die Aussage ''Gott existiert'' einen richtigen Gegenstand bezeichnet, dann ist sie wahr. Wenn Gott existiert, sind entgegengesetzte Aussagen nicht wahr; die Wirklichkeit kann durch entgegengesetztes Denken auch nicht "abgeschafft" werden. Daher sagt man, dass dem Wahren, Guten, Schönen, echte Daseinsqualität zukommt. (So ist die Wirklichkeit.) Das Unwahre ist nur als Mangel an Wahrheit zu erfassen. Wer sagt ''Es gibt keine Wahrheit'' beansprucht "Wahrheit" für diesen Satz; oder trifft (meistens) keine ernstgemeinte Aussage.
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Da hier nicht die gesamte Philosophiegeschichte der Wahrheit abgehandelt werden kann, exemplarisch nur:
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Innerhalb der mittelalterlichen Philosophie ist [[Thomas von Aquin]] derjenige gewesen, der die Korrespondenz- oder Adäquationstheorie der Wahrheit am ausdrücklichsten vertreten hat. In den ''Quaestiones disputatae de veritate'' findet sich die klassischen Formulierung der [[Ontologie|ontologischen]] Korrespondenztheorie der Wahrheit als „adaequatio rei et intellectus (Übereinstimmung der Sache mit dem Verstand)“:<ref name="Thomas DeVer1">Vgl. Thomas von Aquin: ''Quaestiones disputatae de veritate'' q.1.a.1.</ref>
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„Respondeo dicendum quod veritas consistit in adaequatione intellectus et rei […]. Quando igitur res sunt mensura et regula intellectus, veritas consistit in hoc, quod intellectus adaequatur rei, ut in nobis accidit, ex eo enim quod res est vel non est, opinio nostra et oratio vera vel falsa est. Sed quando intellectus est regula vel mensura rerum, veritas consistit in hoc, quod res adaequantur intellectui, sicut dicitur artifex facere verum opus, quando concordat arti.“<ref name="Thomas STh">Thomas von Aquin: ''Summa theologiae'' I,q.21 a.2.</ref>
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„Ich antworte, es sei zu sagen, dass die Wahrheit in der Übereinstimmung von Verstand und Sache besteht […]. Wenn daher die Sachen Maß und Richtschnur des Verstandes sind, besteht Wahrheit darin, dass sich der Verstand der Sache angleicht, wie das bei uns der Fall ist; aufgrund dessen nämlich, dass die Sache ist oder nicht ist, wird unsere Meinung und unsere Rede wahr oder falsch. Wenn aber der Verstand Richtschnur und Maß der Dinge ist, besteht die Wahrheit darin, dass die Dinge sich dem Verstand angleichen; so sagt man, der Künstler verfertige ein wahres Kunstwerk, wenn es der Kunstauffassung entspricht.“
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Den Hintergrund dieser Wahrheitsdefinition stellt ein dreifaches Verständnis von Wahrheit dar:<ref>Vgl. z.&nbsp;B. ''De veritate'' I,1.</ref>
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* von der Seite der Übereinstimmung aus (''ontologische Wahrheit'');
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* von der Seite des erkennenden Subjekts aus, dessen Wissen mit dem Seienden übereinstimmt (''logische Wahrheit'') – ausgedrückt in der Formel „adaequatio intellectus ad rem“
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* von der Seite des erkannten Objekts aus, dessen Sein mit dem Wissen des erkennenden Subjekts übereinstimmt (''ontische Wahrheit'') – ausgedrückt in der Formel „adaequatio rei ad intellectum“
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Der korrespondenztheoretische Wahrheitsbegriff wurde – von einigen Ausnahmen abgesehen – bis ins 19. Jahrhundert hinein nahezu fraglos vorausgesetzt. So erklärt z.&nbsp;B. [[Immanuel Kant|Kant]] in der [[Kritik der reinen Vernunft]]: „Die Namenerklärung der Wahrheit, daß sie nämlich die Übereinstimmung der Erkenntnis mit ihrem Gegenstande sei, wird hier geschenkt, und vorausgesetzt“ (A 58, B 82).
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[[Kategorie:Anthropologie]]
 
[[Kategorie:Anthropologie]]

Version vom 15. August 2008, 08:18 Uhr

Wahrheit ist die Übereinstimmung des Denkens mit der Welt. Wenn die Aussage Gott existiert einen richtigen Gegenstand bezeichnet, dann ist sie wahr. Wenn Gott existiert, sind entgegengesetzte Aussagen nicht wahr; die Wirklichkeit kann durch entgegengesetztes Denken auch nicht "abgeschafft" werden. Daher sagt man, dass dem Wahren, Guten, Schönen, echte Daseinsqualität zukommt. (So ist die Wirklichkeit.) Das Unwahre ist nur als Mangel an Wahrheit zu erfassen. Wer sagt Es gibt keine Wahrheit beansprucht "Wahrheit" für diesen Satz; oder trifft (meistens) keine ernstgemeinte Aussage.

Da hier nicht die gesamte Philosophiegeschichte der Wahrheit abgehandelt werden kann, exemplarisch nur:

Thomas von Aquin

Innerhalb der mittelalterlichen Philosophie ist Thomas von Aquin derjenige gewesen, der die Korrespondenz- oder Adäquationstheorie der Wahrheit am ausdrücklichsten vertreten hat. In den Quaestiones disputatae de veritate findet sich die klassischen Formulierung der ontologischen Korrespondenztheorie der Wahrheit als „adaequatio rei et intellectus (Übereinstimmung der Sache mit dem Verstand)“:<ref name="Thomas DeVer1">Vgl. Thomas von Aquin: Quaestiones disputatae de veritate q.1.a.1.</ref>

„Respondeo dicendum quod veritas consistit in adaequatione intellectus et rei […]. Quando igitur res sunt mensura et regula intellectus, veritas consistit in hoc, quod intellectus adaequatur rei, ut in nobis accidit, ex eo enim quod res est vel non est, opinio nostra et oratio vera vel falsa est. Sed quando intellectus est regula vel mensura rerum, veritas consistit in hoc, quod res adaequantur intellectui, sicut dicitur artifex facere verum opus, quando concordat arti.“<ref name="Thomas STh">Thomas von Aquin: Summa theologiae I,q.21 a.2.</ref>

„Ich antworte, es sei zu sagen, dass die Wahrheit in der Übereinstimmung von Verstand und Sache besteht […]. Wenn daher die Sachen Maß und Richtschnur des Verstandes sind, besteht Wahrheit darin, dass sich der Verstand der Sache angleicht, wie das bei uns der Fall ist; aufgrund dessen nämlich, dass die Sache ist oder nicht ist, wird unsere Meinung und unsere Rede wahr oder falsch. Wenn aber der Verstand Richtschnur und Maß der Dinge ist, besteht die Wahrheit darin, dass die Dinge sich dem Verstand angleichen; so sagt man, der Künstler verfertige ein wahres Kunstwerk, wenn es der Kunstauffassung entspricht.“

Den Hintergrund dieser Wahrheitsdefinition stellt ein dreifaches Verständnis von Wahrheit dar:<ref>Vgl. z. B. De veritate I,1.</ref>

  • von der Seite der Übereinstimmung aus (ontologische Wahrheit);
  • von der Seite des erkennenden Subjekts aus, dessen Wissen mit dem Seienden übereinstimmt (logische Wahrheit) – ausgedrückt in der Formel „adaequatio intellectus ad rem“
  • von der Seite des erkannten Objekts aus, dessen Sein mit dem Wissen des erkennenden Subjekts übereinstimmt (ontische Wahrheit) – ausgedrückt in der Formel „adaequatio rei ad intellectum“

Der korrespondenztheoretische Wahrheitsbegriff wurde – von einigen Ausnahmen abgesehen – bis ins 19. Jahrhundert hinein nahezu fraglos vorausgesetzt. So erklärt z. B. Kant in der Kritik der reinen Vernunft: „Die Namenerklärung der Wahrheit, daß sie nämlich die Übereinstimmung der Erkenntnis mit ihrem Gegenstande sei, wird hier geschenkt, und vorausgesetzt“ (A 58, B 82).