Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut): Unterschied zwischen den Versionen

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Es besteht die berechtigte Hoffnung, dass vor allem im christlichen und kirchlichen Bereich ein gesundes Sündenbewusstsein wieder aufbricht. Dem dienen eine gute Katechese, erhellt durch die biblische Theologie des Bundes, ein aufmerksames Hören auf das Lehramt der Kirche, das unaufhörlich den Gewissen Licht bietet, und eine vertrauensvolle Annahme ihres Wortes sowie eine immer sorgfältigere Praxis des Bußsakramentes.
 
Es besteht die berechtigte Hoffnung, dass vor allem im christlichen und kirchlichen Bereich ein gesundes Sündenbewusstsein wieder aufbricht. Dem dienen eine gute Katechese, erhellt durch die biblische Theologie des Bundes, ein aufmerksames Hören auf das Lehramt der Kirche, das unaufhörlich den Gewissen Licht bietet, und eine vertrauensvolle Annahme ihres Wortes sowie eine immer sorgfältigere Praxis des Bußsakramentes.
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===ZWEITES KAPITEL: GEHEIMNIS DES GLAUBENS===
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'''19.''' Um die Sünde zu erkennen, mussten wir unseren Blick auf ihre Natur richten, wie sie uns die Offenbarung der Heilsökonomie hat erkennen lassen: sie ist Geheimnis des Bösen. In dieser Ökonomie ist die Sünde aber nicht der Haupthandelnde und noch weniger der Sieger. Sie hat einen Gegenspieler in einem anderen Wirkprinzip, das wir - um einen schönen und suggestiven Ausdruck des hl. Paulus zu benutzen - das Geheimnis oder Sakrament des Glaubens nennen können. Die Sünde des Menschen wäre siegreich und am Ende zerstörerisch, der Heilsplan Gottes würde unvollkommen bleiben und sogar vereitelt werden, wenn dieses Geheimnis des Glaubens nicht seinen Platz in der Dynamik der Geschichte erhalten hätte, um die Sünde des Menschen zu besiegen.
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Wir finden diesen Ausdruck in einem der Pastoralbriefe des hl. Paulus, im 1. Brief an Timotheus. Er tritt unerwartet auf, wie durch eine plötzliche Eingebung. Der Apostel hat nämlich vorher lange Abschnitte seiner Botschaft seinem Lieblingsjünger gewidmet, um ihm die Bedeutung der Gemeindeordnung (die liturgische und die mit ihr verbundene hierarchische) zu erklären; er hat also von der Aufgabe der Gemeindeleiter, vor allem der Diakone, gesprochen, um schließlich das Verhalten von Timotheus selber in »der Kirche des lebendigen Gottes, die die Säule und das Fundament der Wahrheit ist«, zu behandeln. Da ruft er am Ende des Abschnittes unvermittelt und doch wohlbedacht aus, was allem, das er geschrieben hat, einen besonderen Sinn gibt: »Wahrhaftig, das Geheimnis unseres Glaubens ist groß...«.<ref>{{B|1 Tim|3|15 f}}.</ref>
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Ohne den wörtlichen Sinn des Textes im geringsten zu verraten, können wir diese großartige theologische Intuition des Apostels zu einer umfassenderen Sicht von der Aufgabe ausweiten, die der von ihm verkündeten Wahrheit in der Heilsökonomie zukommt. »Wahrhaftig«, wiederholen wir mit dem Apostel, »das Geheimnis unseres Glaubens ist groß«, weil es die Sünde besiegt.
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Was aber ist nach paulinischer Auffassung dieser »Glaube«?
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====Er ist Christus selber====
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'''20.''' Es ist von tiefer Bedeutung, dass Paulus zur Beschreibung dieses »Geheimnisses des Glaubens«, ohne eine grammatikalische Verbindung mit dem vorhergehenden Text herzustellen,<ref>Der Text bereitet darum der Interpretation eine gewisse Schwierigkeit: Das Relativpronomen, das das wörtliche Zitat eröffnet, stimmt nicht mit dem Neutrum mysterion überein. Einige späte Manuskripte haben den Text verändert, um ihn grammatikalisch zu verbessern; Paulus aber ging es lediglich darum, seinem Text einen anderen, angesehenen, zur Seite zu stellen, der für ihn vollkommen klar war.</ref> drei Verse eines Christushymnus wörtlich zitiert, der nach der Meinung von Fachleuten in den hellenistisch-christlichen Gemeinden in Gebrauch war.
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Mit den Worten jenes Hymnus, der reich an theologischem Inhalt und voll edler Schönheit ist, bekannten die Gläubigen des ersten Jahrhunderts ihren Glauben an das Geheimnis Christi:
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* dass er sich in der Wirklichkeit des menschlichen Fleisches geoffenbart hat und vom Heiligen Geist zum Gerechten bestellt worden ist, der sich für die Ungerechten hingibt;
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* dass er den Engeln erschienen ist, größer als sie, und den Heiden als Vermittler des Heils verkündet worden ist;
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* dass er in der Welt als Gesandter des Vaters geglaubt und vom Vater selbst als der Herr in den Himmel aufgenommen worden ist.<ref>Die Urkirche glaubt an den verherrlichten Gekreuzigten, den die Engel anbeten und der Herr ist. Das erregende Moment dieser Botschaft bleibt aber, dass er sich »im Fleisch offenbart« hat: Das »große Geheimnis« besteht dann, dass der ewige Sohn [[Gott]]es Mensch geworden ist.</ref>
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Das Geheimnis oder Sakrament des Glaubens ist deshalb das Geheimnis Christi selber. Es ist in einer gedrängten Synthese das Geheimnis der Menschwerdung und der Erlösung, des vollen Ostergeschehens Jesu, des Sohnes Gottes und des Sohnes Marias: Geheimnis seines Leidens und Sterbens, seiner Auferstehung und Verherrlichung. Was der hl. Paulus durch die Zitation dieser Sätze des Hymnus hat unterstreichen wollen, ist dies, dass dieses Geheimnis das verborgene Lebensprinzip ist, das die Kirche zum Hauswesen Gottes, zur Säule und zum Fundament der Wahrheit macht. In der Linie der paulinischen Unterweisung können wir sagen, dass dieses Geheimnis des unendlichen Erbarmens Gottes uns gegenüber imstande ist, bis zu den verborgensten Wurzeln unserer Bosheit vorzudringen, um die Seele zur Bekehrung zu bewegen, um sie zu erlösen und zur Versöhnung zu führen.
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Indem sich der hl. Johannes ohne Zweifel auf dieses Geheimnis bezog, konnte auch er in der ihm charakteristischen Sprache, die von der des hl. Paulus verschieden ist, schreiben: »Wer von Gott stammt, sündigt nicht, sondern der von Gott Gezeugte bewahrt ihn, und der Böse tastet ihn nicht an«.<ref>{{B|1 Joh|5|18}}.</ref> In dieser Aussage des Johannes liegt ein Zeichen von Hoffnung, die auf den göttlichen Verheißungen gründet: Der Christ hat die Zusicherung und die notwendigen Kräfte erhalten, nicht zu sündigen. Es handelt sich hier also nicht um eine durch eigene Tugend erworbene Sündenlosigkeit oder gar um eine solche, die dem Menschen angeboren wäre, wie die Gnostiker meinten. Sie ist ein Ergebnis des Handelns Gottes. Um nicht zu sündigen, verfügt der Christ über die Kenntnis Gottes, erinnert der hl. Johannes an derselben Stelle. Kurz vorher aber hatte er geschrieben: »Jeder, der von Gott stammt, tut keine Sünde, weil Gottes Same in ihm bleibt«.<ref>{{B|1 Joh|3|9}}.</ref> Wenn wir unter diesem »Samen Gottes«, wie einige Kommentatoren vorschlagen, Jesus, den Sohn Gottes, verstehen, können wir also sagen, dass der Christ, um nicht zu sündigen - oder sich von der Sünde zu befreien - über die innere Gegenwart von Christus selbst und vom Geheimnis Christi verfügt, das Geheimnis des Glaubens ist.
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====Das Bemühen des Christen====
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'''21.''' Es gibt im Geheimnis des Glaubens aber noch eine andere Seite: Das Erbarmen Gottes dem Christen gegenüber muss eine Antwort in der Frömmigkeit des Christen Gott gegenüber finden. In dieser zweiten Bedeutung besagt die »pietas« (eusébeia) das Verhalten des Christen, der auf das väterliche Erbarmen Gottes mit kindlicher Frömmigkeit antwortet.
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Auch in diesem Sinn können wir mit dem hl. Paulus sagen, dass »das Geheimnis unseres Glaubens groß ist«. Auch in diesem Sinn wendet sich die [[Frömmigkeit]] als Kraft der [[Bekehrung]] und [[Versöhnung]] gegen die [[Bosheit]] und die [[Sünde]]. Auch in diesem Fall sind die wesentlichen Aspekte des Geheimnisses Christ in dem Sinn Gegenstand der Frömmigkeit, dass der Christ das Geheimnis annimmt, es betrachtet und daraus die notwendige geistige Kraft schöpft, um nach dem Evangelium zu leben. Auch hier muss man sagen, dass, »wer von Gott stammt, keine Sünde tut«; diese Aussage aber hat einen imperativen Sinn: Gestärkt vom Geheimnis Christi wie von einer inneren Quelle geistiger Kraft ist der Christ gewarnt zu sündigen, ja er erhält sogar das Gebot, nicht zu sündigen, sondern sich würdig zu verhalten »im Hauswesen Gottes, das heißt in der Kirche des lebendigen Gottes«,<ref>{{B|1 Tim|3|15}}.</ref> da er ein »Kind Gottes« ist.
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====Unterwegs zu einem versöhnten Leben====
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'''22.''' So öffnet das Wort der Schrift, indem es uns das Geheimnis des Glaubens offenbart, den menschlichen Verstand für die Bekehrung und die Versöhnung, verstanden nicht als abstrakte Größen, sondern als konkrete christliche Werte, die es in unserem Alltag zu erwerben gilt.
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Bedroht vom Verlust des [[Sündenbewusstsein]]s und zuweilen versucht von einer wenig christlichen Illusion von Sündenlosigkeit haben es auch die Menschen von heute nötig, die Ermahnung des hl. Johannes als an jeden persönlich gerichtet neu zu hören: »Wenn wir sagen, dass wir keine Sünde haben, führen wir uns selbst in die Irre, und die Wahrheit ist nicht in uns«,<ref>{{B|1 Joh|1|8}}.</ref> ja sogar »die ganze Welt steht unter der Macht des Bösen«.<ref>{{B|1 Joh|5|19}}.</ref> Jeder ist also durch die Stimme der göttlichen Wahrheit eingeladen, realistisch sein [[Gewissen]] zu erforschen und zu bekennen, dass er in [[Schuld]] geboren ist, wie wir im Psalm Miserere beten.<ref>Vgl. {{B|Ps|51|7}}.</ref>
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Dennoch können sich die Menschen von heute, die von Furcht und Verzweiflung bedrängt sind, durch die göttliche Verheißung aufgerichtet fühlen, die ihnen die Hoffnung auf die volle Versöhnung schenkt.
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Das Geheimnis des Glaubens von seiten Gottes ist jene [[Barmherzigkeit]], an der der [[Herr]], unser Vater, - ich wiederhole es noch einmal - unendlich reich ist.<ref>Vgl. {{B|Eph|2|4}}.</ref> Wie ich in meiner Enzyklika, die dem Thema der göttlichen Barmherzigkeit gewidmet ist,<ref>Vgl. [[Johannes Paul II.]], [[Enzyklika]] [[Dives in misericordia]], 8; 15:[[AAS]] 72 (1980) 1203-1207; 1231.</ref> gesagt habe, ist dies eine Liebe, die stärker ist als die Sünde, stärker als der Tod. Wenn wir erkennen, dass die Liebe, die Gott zu uns hat, vor unserer Sünde nicht Halt macht, vor unseren Beleidigungen nicht zurückweicht, sondern an Sorge und hochherziger Zuwendung noch wächst; wenn wir uns bewusst werden, dass diese Liebe sogar das Leiden und den Tod des menschgewordenen Wortes bewirkt hat, das bereit war, uns um den Preis seines Blutes zu erlösen, dann rufen wir voller [[Dankbarkeit]] aus: »Ja, der Herr ist reich an Erbarmen« und sagen sogar: »Der Herr ist Barmherzigkeit«.
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Das Geheimnis des Glaubens ist der offene Weg von der göttlichen Barmherzigkeit zum versöhnten Leben.
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==DRITTER TEIL: DIE PASTORAL DER BUSSE UND DER VERSÖHNUNG==
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====Die Förderung von Buße und Versöhnung====
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'''23.''' Es ist die wesentliche Aufgabe der Kirche, den Menschen im Herzen zu Umkehr und Buße zu führen und ihm das Geschenk der Versöhnung anzubieten, wodurch sie das Erlösungswerk ihres göttlichen Stifters fortsetzt. Dies ist eine Sendung, die sich nicht in einigen theoretischen Aussagen und in der Verkündigung eines ethischen Ideals erschöpft, welche von keinen wirksamen Kräften begleitet ist. Sie zielt vielmehr darauf ab, sich für eine konkrete Praxis der Buße und der Versöhnung in bestimmten Amtshandlungen auszudrücken.
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Diesen amtlichen Dienst, der auf den oben dargelegten Glaubensprinzipien gründet und von ihnen erleuchtet wird, der auf bestimmte Ziele ausgerichtet und durch angemessene Mittel gestützt wird, können wir als eine Pastoral der Buße und der Versöhnung bezeichnen. Ihr Ausgangspunkt ist die Überzeugung der Kirche, dass der Mensch, an den sich jede Form der Pastoral, hauptsächlich aber die Pastoral der Buße und der Versöhnung richtet, der von der Sünde gezeichnete Mensch ist, dessen typisches Bild wir im König David finden. Vom Propheten Nathan zurechtgewiesen, ist er bereit, sich mit den eigenen ruchlosen Vergehen auseinanderzusetzen, und bekennt: »Ich habe gegen den Herrn gesündigt«.<ref>{{B|2 Sam|12|13}}.</ref> Er ruft aus: »Ich erkenne meine bösen Taten, meine Sünde steht mir immer vor Augen«;<ref>{{B|Ps|51|5}}.</ref> aber er bittet auch: »Entsündige mich mit Ysop, dann werde ich rein; wasche mich, dann bin ich weißer als Schnee«,<ref>{{B|Ps|51|9}}.</ref> und er erhält die Antwort der göttlichen Barmherzigkeit: »Der Herr hat dir deine Sünde vergeben; du wirst nicht sterben«.<ref>{{B|2 Sam|12|13}}.</ref>
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Die Kirche findet also einen Menschen - eine ganze Welt des Menschen - vor, der von der Sünde verwundet und von ihr in seinem innersten Sein getroffen ist, der aber zugleich von einem unbändigen Wunsch nach Befreiung von der Sünde erfüllt ist. Vor allem wenn er Christ ist, ist er sich auch dessen bewusst, dass das Geheimnis der Barmherzigkeit, Christus, der Herr, schon in ihm und in der Welt mit der Kraft der Erlösung am Werk ist.
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Die versöhnende Funktion der Kirche muss somit jenen inneren Zusammenhang beachten, der die Verzeihung und die Vergebung der Sünde jedes Menschen eng mit der grundsätzlichen und vollen Versöhnung der Menschheit verbindet, die mit der Erlösung geschehen ist. Dieser Zusammenhang lässt uns verstehen, dass aufgrund der Tatsache, dass die Sünde das aktive Prinzip der Entzweiung ist - Entzweiung zwischen dem Menschen und dem Schöpfer, Entzweiung im Herzen und im Sein des Menschen, Entzweiung zwischen den einzelnen Menschen und Gruppen, Entzweiung zwischen dem Menschen und der von Gott geschaffenen Natur -, nur die Bekehrung von der Sünde imstande ist, dort, wo eine solche Entzweiung eingetreten ist, eine tiefe und dauerhafte Versöhnung zu bewirken.
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Es ist nicht nötig zu wiederholen, was ich schon über die Bedeutung des »Dienstes der Versöhnung«<ref>Vgl. {{B|2 Kor|5|18}}.</ref> und der entsprechenden Pastoral gesagt habe, die diesen Dienst im Bewusstsein und im Leben der Kirche konkretisiert. Die Kirche würde in einem ihrer wesentlichen Aspekte und in einer unentbehrlichen Funktion versagen, wenn sie nicht klar und entschlossen, gelegen oder ungelegen, die »Botschaft der Versöhnung«<ref>Vgl. {{B|2 Kor|5|19}}.</ref> verkündete und der Welt das Geschenk der Versöhnung nicht anbieten würde. Es ist sinnvoll, daran zu erinnern, dass sich diese Bedeutung des kirchlichen Dienstes der Versöhnung über die Grenzen der Kirche hinaus auf die ganze Welt erstreckt.
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Von der Pastoral der Buße und der Versöhnung zu sprechen, bedeutet also, auf die Gesamtheit der Aufgaben hinzuweisen, die der Kirche auf allen Ebenen obliegen, um beides zu fördern. Noch konkreter, von dieser Pastoral sprechen heißt, alle Handlungen in Erinnerung zu rufen, wodurch die Kirche durch alle und jedes einzelne ihrer Glieder - Hirten und Gläubige auf allen Ebenen und in allen Bereichen - und mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln - Wort und Tat, Unterweisung und Gebet - die Menschen, einzeln oder in Gruppen, zu wahrer Buße führt und sie so auf den Weg zur vollen Versöhnung geleitet.
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Die Bischöfe der Synode haben sich als Vertreter ihrer Mitbrüder im Bischofsamt, der Hirten des ihnen anvertrauten Volkes, mit dieser Pastoral in ihren mehr praktischen und konkreten Elementen befasst. Mit Freude pflichte ich ihnen bei und teile ihre Sorgen und Hoffnungen. Ich nehme die Frucht ihrer Untersuchungen und Erfahrungen entgegen und ermutige sie in ihren Plänen und Initiativen. Mögen sie in diesem Teil des Apostolischen Schreibens jenen Beitrag wiederfinden, den sie selber für die Synode geleistet haben, einen Beitrag, dessen Nutzen ich durch diese Seiten der ganzen Kirche zugänglich machen möchte.
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Deshalb möchte ich das Wesen der Pastoral der Buße und der Versöhnung darlegen, indem ich mit der Synode die beiden folgenden Punkte besonders behandle:
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1. Die von der Kirche benutzten Mittel und Wege, um Buße und Versöhnung zu fördern.
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2. Das eigentliche Sakrament der Buße und Versöhnung.
  
 
[Fortsetzung folgt]
 
[Fortsetzung folgt]

Version vom 26. August 2013, 09:31 Uhr

Nachsynodales Schreiben
Reconciliatio et paenitentia

unseres Heiligen Vaters
Johannes Paul II.
an die Bischöfe, die Priester und Diakone und an alle Gläubigen
über Versöhnung und Buße in der Sendung der Kirche heute
Die VI. Ordentliche Generalversammlung der Weltbischofssynode fand am 29. September bis 29. Oktober 1983 statt
2. Dezember 1984
(Offizieller lateinischer Text AAS 77 [1985] 185-275)

(Quelle: Die deutsche Fassung auf der Vatikanseite)
Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


EINLEITUNG: URSPRUNG UND BEDEUTUNG DES DOKUMENTES

1. Von Versöhnung und Buße zu sprechen bedeutet eine Einladung an die Männer und Frauen unserer Zeit, in ihrer Sprache jene Worte wiederzuentdecken, mit denen unser Heiland und Meister Jesus Christus seine Verkündigung beginnen wollte: »Kehrt um und glaubt an das Evangelium!«,<ref> {{#ifeq: Evangelium nach Markus | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: Mk|Mk|Evangelium nach Markus}}|{{#if: Mk |Mk|Evangelium nach Markus}}}} 1{{#if:15|,15}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref> das heißt, nehmt an die Frohe Botschaft der Liebe, der Gotteskindschaft und so auch der Brüderlichkeit.

Warum legt die Kirche dieses Thema und diese Einladung erneut vor?

Der brennende Wunsch, den heutigen Menschen und seine Welt besser kennenzulernen und zu verstehen, seine Rätsel zu lösen und sein Geheimnis zu enthüllen sowie die guten von den schlechten Fermenten, die heute wirksam sind, zu unterscheiden, lässt viele schon seit längerem mit fragenden Augen auf diesen Menschen und auf diese Welt blicken. Dies tun der Historiker und der Soziologe, der Philosoph und der Theologe, der Psychologe und der Humanist, der Dichter, der Mystiker: vor allem aber tut dies - besorgt und doch auch voller Hoffnung - der Seelsorger.

Ein solch fragender Blick ist besonders deutlich auf jeder Seite der wichtigen Pastoralkonstitution Gaudium et spes des II. Vatikanischen Konzils über die Kirche in der Welt von heute zu finden, vor allem in der umfangreichen und tiefgehenden Einführung, ebenso in einigen Dokumenten, die aus der Weisheit und Hirtenliebe meiner verehrten Vorgänger hervorgegangen sind, deren herausragende Pontifikate vom geschichtlichen und prophetischen Ereignis jenes Ökumenischen Konzils geprägt sind.

Wie die anderen entdeckt auch das Auge des Seelsorgers unter den verschiedenen charakteristischen Zügen der Welt und der Menschheit unserer Tage leider die Existenz zahlreicher tiefer und schmerzlicher Spaltungen.

Eine zerrissene Welt

2. Diese Spaltungen zeigen sich in den Beziehungen zwischen Personen und Gruppen, aber auch bei den größten gesellschaftlichen Gebilden: Nationen gegen Nationen, gegeneinanderstehende Blöcke von Ländern, alle in atemlosem Streben nach Vorherrschaft. Es ist nicht schwer, an der Wurzel der Spaltungen Konflikte zu entdecken, die sich in Auseinandersetzung und Streit verschärfen, anstatt im Dialog eine Lösung zu finden. Auf der Suche nach den Ursachen solcher Spaltung finden aufmerksame Beobachter die verschiedensten Elemente: von wachsender Ungleichheit zwischen den Gruppen, sozialen Klassen und Ländern bis zu noch keineswegs überwundenen ideologischen Gegensätzen; vom Gegensatz ökonomischer Interessen bis zu politischer Frontenbildung; von Stammeskonflikten bis zu gesellschaftlicher und religiöser Diskriminierung. Einige für alle sichtbare Tatsachen bilden gleichsam das traurige Antlitz solcher Spaltungen: Sie sind deren Frucht und zeigen ihre Schwere in unwiderlegbarer konkreter Deutlichkeit. Unter vielen anderen schmerzlichen sozialen Erscheinungen unserer Zeit kann man auf die folgenden hinweisen:

  • die Verletzung der grundlegenden Menschenrechte, darunter an erster Stelle das Recht auf Leben und auf eine menschenwürdige Lebensqualität, was umso empörender ist, als sie einhergeht mit einer bisher nie gekannten Rhetorik über diese Rechte;
  • die Angriffe und Drohungen gegen die Freiheit der einzelnen und der Gemeinschaften, darin eingeschlossen, ja noch weit mehr verletzt und bedroht, die Freiheit, einen eigenen Glauben zu haben, zu bekennen und zu leben;
  • die verschiedenen Formen von Diskriminierung: rassisch, kulturell, religiös usw.;
  • Gewalt und Terrorismus;
  • Gebrauch der Folter und ungerechte wie unerlaubte Formen staatlicher Gewalt;
  • die Anhäufung von konventionellen oder atomaren Waffen und ein Rüstungswettlauf mit Militärkosten, die dazu dienen könnten, das unverschuldete Elend von Völkern zu lindern, die sozial und wirtschaftlich zurückliegen;
  • die ungerechte Verteilung der Hilfsquellen dieser Welt und ihrer Kulturgüter, die ihren Gipfel in einer Sozialstruktur erreicht, durch welche der Abstand zwischen den sozialen Bedingungen der Reichen und der Armen immer mehr zunimmt.<ref>Vgl. Johannes Paul II., Ansprache zur Eröffnung der III. Vollsammlung des lateinamerikanischen Episkopates, III, 1-7: AAS 71 (1979) 198-204.</ref>

Der überwältigende Druck dieser Spaltungen macht aus der Welt, in der wir leben, eine bis in ihre Fundamente zerrissene Welt.<ref>Die Sicht einer »zerrissenen Welt« ist in den Werken nicht weniger Schriftsteller von heute, Christen und Nichtchristen, enthalten, die von der Lage des Menschen in dieser unserer geplagten Geschichtsepoche zeugen.</ref>

Weil die Kirche andererseits, ohne sich mit der Welt gleichzusetzen oder von der Welt zu sein, doch in der Welt lebt und im Dialog mit der Welt steht,<ref>Vgl. Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, 43-44; Dekret über Dienst und Leben der Priester Presbyterorum ordinis, 12; Paul VI., Enzyklika Ecclesiam suam: AAS 56 (1964) 609-659.</ref> darf es nicht verwundern, wenn man auch in der kirchlichen Gemeinschaft selbst Auswirkungen und Zeichen jener Zerrissenheit feststellen kann, die die ganze menschliche Gesellschaft verwundet. Außer den Spaltungen zwischen den christlichen Gemeinschaften, die sie seit Jahrhunderten bedrücken, erlebt die Kirche heute in ihrem Inneren Spaltungen zwischen ihren eigenen Mitgliedern, die durch unterschiedliche Auffassungen und Standpunkte im Bereich der Glaubenslehre und Pastoral verursacht werden.<ref>Über die Spaltungen am Leibe der Kirche schrieb zu ihren Anfängen der Apostel Paulus mit flammenden Worten in jenem berühmten Abschnitt 1 Kor 1, 10-16. An dieselben Korinther wird sich Jahre danach der hl. Klemens von Rom wenden, um die Spaltungen im Schoß jener Gemeinde anzuprangern: vgl. Brief an die Korinther, III-VI; LVII: Patres Apostolici, ed. Funk, I, 103-109; 171-173. Bekanntlich ist seit den ältesten Vätern der aus einem Stück gefertigte Rock Christi, den die Soldaten deshalb nicht zerteilt hatten, ein Bild für die Einheit der Kirche geworden: vgl. Cyprian, De Ecclesiae catholicae unitate, 7: CCL 3/1, 254 f.; Augustinus, In Ioannis Evangelium tractatus, 118, 4: CCL 36, 656 f.; Beda Venerabilis, In Marci Evangelium expositio, IV, 15: CCL 120, 630; In Lucae Evangelium expositio, VI, 23: CCL 120, 403; In S. Ioannis Evangelium expositio, 19: PL 92, 911 f.</ref> Auch diese Spaltungen scheinen zuweilen unheilbar zu sein.

So beängstigend solche Wunden der Einheit bereits auf den ersten Blick erscheinen mögen, ihre Wurzel kann man erst entdecken, wenn man bis in die Tiefe schaut: Die Wurzel liegt in einer Wunde im Inneren des Menschen. Im Licht des Glaubens nennen wir sie Sünde: beginnend mit der Ursünde, die jeder von Geburt an wie ein von den Eltern empfangenes Erbe in sich trägt, bis hin zur Sünde, die ein jeder begeht, wenn er die eigene Freiheit gegen den Plan Gottes benutzt.

Sehnsucht nach Versöhnung

3. Und doch, wenn der gleiche prüfende Blick scharfsichtig genug ist, entdeckt er inmitten der Spaltung ein unverkennbares Verlangen von Menschen guten Willens und von wirklichen Christen, die Brüche zu heilen, die Risse zu schließen und auf allen Ebenen die wesentliche Einheit wiederherzustellen.

Dieses Verlangen wird bei vielen zu einer wahren Sehnsucht nach Versöhnung, auch dann, wenn das Wort selbst nicht benutzt wird.

Für manche handelt es sich hierbei um eine Utopie, die zum idealen Hebel für eine echte Veränderung der Gesellschaft werden könnte; für andere dagegen muss die Versöhnung durch hartes, intensives Bemühen errungen werden und stellt darum ein Ziel dar, das man durch ernsthaften Einsatz von Denken und Handeln erreichen soll. In jedem Falle ist das Verlangen nach einer aufrichtigen und dauerhaften Versöhnung ohne allen Zweifel ein grundlegendes Motiv unserer Gesellschaft und eine Folge ihres unaufhaltsamen Friedenswillens; und das ist es - auch wenn dies paradox erscheint - um so stärker, je mächtiger die Ursachen der Spaltung sind.

Allerdings darf die Aussöhnung nicht weniger tief reichen als die Entzweiung. Die Sehnsucht nach Versöhnung und die Versöhnung selbst werden nur in dem Maße voll wirksam sein, wie sie heilend bis zu jener ursprünglichen Verwundung vordringen, welche die Wurzel aller anderen ist; und das ist die Sünde.

Die Blickrichtung der Synode

4. Darum muss jede Institution oder Organisation, die dem Menschen dienen will und ihn in seinen grundlegenden Belangen retten möchte, ihren aufmerksamen Blick auf die Versöhnung richten, um deren Bedeutung und volle Tragweite tiefer zu erfassen und daraus die notwendigen praktischen Konsequenzen zu ziehen.

Auch die Kirche Jesu Christi durfte sich dieser besonderen Aufmerksamkeit nicht verschließen. Mit der Hingabe einer Mutter und der Klugheit einer Lehrerin geht sie mit Eifer und Umsicht daran, aus der Gesellschaft zusammen mit den Zeichen der Spaltung auch jene ebenso deutlichen und aufschlussreichen Zeichen der Suche nach Aussöhnung zu sammeln. Sie ist sich ja bewusst, dass ihr in besonderer Weise die Möglichkeit gegeben und die Sendung aufgetragen ist, den wahren und tief religiösen Sinn sowie die wesentlichen Dimensionen der Versöhnung aufzuzeigen und schon so dazu beizutragen, dass die wesentlichen Aspekte der Frage von Einheit und Frieden klarer werden.

Meine Vorgänger haben unablässig die Versöhnung gepredigt und die ganze Menschheit sowie jede Gruppe und jeden Bereich der menschlichen Gemeinschaft, die sie zerrissen und gespalten sahen, zur Versöhnung aufgefordert.<ref>Die Enzyklika Pacem in terris, das geistliche Testament von Johannes XXIII. (vgl. AAS 55 [1963] 257-304), wird oft als ein »soziales Dokument« und auch als eine »politische Botschaft« angesehen, und das ist sie auch, wenn man diese Begriffe in ihrer ganzen Breite nimmt. Dieses päpstliche Lehrschreiben ist tatsächlich - so erscheint es mehr als zwanzig Jahre nach seiner Veröffentlichung - nicht nur eine Strategie für das Zusammenleben der Völker und Nationen, sondern vor allem eine eindringliche Erinnerung an die höchsten Werte, ohne die der Friede auf Erden zu einem bloßen Traumbild wird. Einer dieser Werte ist gerade die Versöhnung unter den Menschen, ein Thema, auf das sich Papst Johannes XXIII. so oft bezogen hat. Was Paul VI. betrifft, genügt es, daran zu erinnern, dass er bei seinem Aufruf an die ganze Kirche und an alle Welt, das Heilige Jahr 1975 zu feiern, verfügt hat, dass »Erneuerung und Versöhnung« die zentrale Idee dieses wichtigen Jubiläumsjahres sein sollten. Hierbei dürfen auch die Katechesen nicht unerwähnt bleiben, die er diesem Leitthema, auch zur Verdeutlichung des Jubiläumsjahres selbst, gewidmet hat.</ref> Aus einem inneren Antrieb, der zugleich - dessen bin ich gewiss - einer höheren Eingebung sowie den Appellen der Menschheit gehorchte, habe ich selbst in zwei verschiedenen, aber beide Mal feierlichen und verbindlichen Weisen das Thema der Versöhnung besonders herausgestellt: zunächst, indem ich die VI. Allgemeine Versammlung der Bischofssynode einberufen habe; und dann, indem ich es zum Mittelpunkt des Jubiläumsjahres gemacht habe, das zur Feier des 1950. Jahrestages der Erlösung ausgerufen worden ist.<ref>»Diese besonders dichte Zeit, in der jeder Christ dazu aufgefordert ist, seine Berufung zur Versöhnung mit Gott, dem Vater, im Sohn Jesus Christus tiefer zu verwirklichen«, so habe ich in der Verkündigungsbulle zum außerordentlichen Jubiläumsjahr der Erlösung geschrieben, »erreicht ihr Ziel nur dann voll und ganz, wenn sie in einen neuen Einsatz aller und jedes einzelnen für den Dienst an der Versöhnung nicht nur zwischen allen Jüngern Christi, sondern zwischen allen Menschen... einmündet«: Bulle Aperite portas redemptori, 3: AAS 75 (1983) 93.</ref> Als ich der Synode ein Thema zuweisen musste, konnte ich jenem voll und ganz zustimmen, das zahlreiche meiner Brüder im Bischofsamt vorgeschlagen hatten, nämlich das fruchtbare Thema der Versöhnung in enger Verbindung mit der Buße.<ref> Das Thema der Synode lautete genauer: Versöhnung und Buße in der Sendung der Kirche.</ref>

Der Ausdruck und der Begriff der Buße selbst sind sehr vielschichtig. Sehen wir sie mit der Metánoia verbunden, wie die Synoptiker sie darstellen, so bezeichnet Buße die innere Umkehr des Herzens unter dem Einfluss des Wortes Gottes und mit dem Blick auf das Reich Gottes.<ref>Vgl. {{#ifeq: Evangelium nach Matthäus | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: Mt|Mt|Evangelium nach Matthäus}}|{{#if: Mt |Mt|Evangelium nach Matthäus}}}} 4{{#if:17|,17}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}; {{#ifeq: Evangelium nach Markus | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: Mk|Mk|Evangelium nach Markus}}|{{#if: Mk |Mk|Evangelium nach Markus}}}} 1{{#if:15|,15}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref> Buße bedeutet aber auch, das Leben zu ändern in Übereinstimmung mit der Umkehr des Herzens; in diesem Sinne wird das »Buße tun« dadurch ergänzt, dass »würdige Früchte der Buße«hervorgebracht werden:<ref>Vgl. {{#ifeq: Evangelium nach Lukas | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: Lk|Lk|Evangelium nach Lukas}}|{{#if: Lk |Lk|Evangelium nach Lukas}}}} 3{{#if:8|,8}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref> Die ganze Existenz wird in die Buße einbezogen, das heißt, sie ist bereit, beständig zum Besseren voranzuschreiten. Buße tun ist allerdings nur dann echt und wirksam, wenn es sich in Akten und Taten der Buße konkretisiert. In diesem Sinne bedeutet Buße im theologischen und geistlichen christlichen Sprachgebrauch Aszese, das heißt die konkrete und tägliche Anstrengung des Menschen, mit Hilfe der Gnade Gottes sein Leben um Christi willen zu verlieren, als einzige Weise, es wirklich zu gewinnen;<ref>Vgl. {{#ifeq: Evangelium nach Matthäus | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: Mt|Mt|Evangelium nach Matthäus}}|{{#if: Mt |Mt|Evangelium nach Matthäus}}}} 16{{#if:24-26|,24-26}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}; {{#ifeq: Evangelium nach Markus | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: Mk|Mk|Evangelium nach Markus}}|{{#if: Mk |Mk|Evangelium nach Markus}}}} 8{{#if:34-36|,34-36}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}; {{#ifeq: Evangelium nach Lukas | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: Lk|Lk|Evangelium nach Lukas}}|{{#if: Lk |Lk|Evangelium nach Lukas}}}} 9{{#if:23-25|,23-25}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref> den alten Menschen abzulegen und den neuen Menschen anzuziehen;<ref>Vgl. {{#ifeq: Brief des Apostels Paulus an die Epheser | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: Eph|Eph|Brief des Apostels Paulus an die Epheser}}|{{#if: Eph |Eph|Brief des Apostels Paulus an die Epheser}}}} 4{{#if:23 f|,23 f}} f|,23 f}}/anzeige/context/#iv EU | BHS =bibelwissenschaft.de">f|,23 f}}/anzeige/context/#iv EU | #default =bibleserver.com">EU }}</ref> alles in sich zu überwinden, was »fleischlich« ist, damit das »Geistliche« sich durchsetze;<ref>Vgl. {{#ifeq: 1. Brief des Paulus an die Korinther | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: 1 Kor|1 Kor|1. Brief des Paulus an die Korinther}}|{{#if: 1 Kor |1 Kor|1. Brief des Paulus an die Korinther}}}} 3{{#if:1-20|,1-20}} Kor%203{{#if:1-20|,1-20}}/anzeige/context/#iv EU | BHS =bibelwissenschaft.de">Kor%203{{#if:1-20|,1-20}}/anzeige/context/#iv EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref> beständig von den irdischen Dingen hinaufzustreben zu den himmlischen, wo Christus ist.<ref>Vgl. {{#ifeq: Brief des Paulus an die Kolosser | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: Kol|Kol|Brief des Paulus an die Kolosser}}|{{#if: Kol |Kol|Brief des Paulus an die Kolosser}}}} 3{{#if:1 f|,1 f}} f|,1 f}}/anzeige/context/#iv EU | BHS =bibelwissenschaft.de">f|,1 f}}/anzeige/context/#iv EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref> Buße ist also eine Umkehr, die vom Herzen hin zu den Taten geht und daher das gesamte Leben des Christen erfasst.

In allen diesen Bedeutungen ist Buße eng mit Versöhnung verbunden; denn sich mit Gott, mit sich selbst und mit den anderen zu versöhnen, setzt voraus, dass man jenen radikalen Bruch überwindet, den die Sünde darstellt. Dies geschieht nur durch eine innere Wandlung oder Umkehr, die sich durch Bußakte im täglichen Leben auswirkt.

Das Ausgangsdokument der Synode (auch »Lineamenta«, »Grundlinien«, genannt), das ausschließlich vorbereitet worden war, um das Thema vorzustellen und davon einige grundlegende Gesichtspunkte besonders hervorzuheben, hat es den kirchlichen Gemeinschaften in aller Welt ermöglicht, fast zwei Jahre lang über diese Aspekte einer alle interessierenden Frage, nämlich der nach Umkehr und Versöhnung, nachzudenken und daraus neue Kraft für ein christliches Leben und Apostolat zu gewinnen. Die Reflexion hat sich dann bei der unmittelbareren Vorbereitung auf die Synodenarbeit weiter vertieft durch den »Arbeitstext« (»Instrumentum laboris«), der den Bischöfen und ihren Mitarbeitern rechtzeitig zugestellt worden ist. Schließlich haben die Väter der Synode, von denjenigen unterstützt, die zur eigentlichen Synodensitzung berufen worden waren, mit tiefem Verantwortungsbewusstsein dieses Thema und die zahlreichen und verschiedenen damit verbundenen Fragen behandelt. Aus Debatte und gemeinsamem Studium, aus eifrigem und gründlichem Forschen ist so ein großer wertvoller Schatz entstanden, der in den »Schlussvorlagen« (»Propositiones«) im wesentlichen zusammengefasst ist.

Die Synode übersieht nicht die Akte der Versöhnung - einige davon werden in ihrer Alltäglichkeit fast gar nicht bemerkt -, die alle in verschiedenem Maße mithelfen, die zahlreichen Spannungen zu lösen, die vielen Konflikte zu überwinden, die kleinen wie die großen Spaltungen zu beheben und die Einheit wiederherzustellen. Aber das hauptsächliche Bemühen der Synode richtete sich darauf, auf dem Grund dieser einzelnen Akte die verborgene gemeinsame Wurzel zu entdecken, eine Urversöhnung, die gleichsam wie eine Quelle für alles andere im Herzen und Gewissen des Menschen wirkt.

Die besondere, originale Gabe der Kirche hinsichtlich der Versöhnung, wo immer diese erreicht werden soll, besteht darin, dass sie stets bis zu dieser ursprunghaften Versöhnung vordringt. Kraft ihrer wesentlichen Sendung sieht sich die Kirche nämlich verpflichtet, bis an die Wurzeln der Urwunde der Sünde vorzudringen, um dort Heilung zu wirken und gleichsam eine Urversöhnung zu schaffen, die dann ein kraftvolles Prinzip jeder weiteren echten Versöhnung sein soll. Das ist es, was die Kirche beabsichtigt und durch die Synode dargelegt hat.

Von dieser Versöhnung spricht die Heilige Schrift, wenn sie uns auffordert, hierfür alle Anstrengungen zu unternehmen;<ref>»Wir bitten an Christi Statt: Lasst euch mit Gott versöhnen!«: {{#ifeq: 2. Brief des Paulus an die Korinther | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: 2 Kor|2 Kor|2. Brief des Paulus an die Korinther}}|{{#if: 2 Kor |2 Kor|2. Brief des Paulus an die Korinther}}}} 5{{#if:20|,20}} Kor%205{{#if:20|,20}}/anzeige/context/#iv EU | BHS =bibelwissenschaft.de">Kor%205{{#if:20|,20}}/anzeige/context/#iv EU | #default =bibleserver.com">EU }}</ref> aber sie sagt uns auch, dass solche Versöhnung vor allem ein barmherziges Geschenk Gottes an den Menschen ist.<ref>»Wir rühmen uns Gottes durch Jesus Christus, unseren Herrn, durch den wir jetzt schon die Versöhnung empfangen haben«: {{#ifeq: Vorlage:Röm (Bibel) | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: Röm|Röm|Vorlage:Röm (Bibel)}}|{{#if: Röm |[[Vorlage:Röm (Bibel)|Röm]]|[[Vorlage:Röm (Bibel)]]}}}} 5{{#if:11|,11}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}; vgl. {{#ifeq: Brief des Paulus an die Kolosser | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: Kol|Kol|Brief des Paulus an die Kolosser}}|{{#if: Kol |Kol|Brief des Paulus an die Kolosser}}}} 1{{#if:20|,20}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref> Die Heilsgeschichte der gesamten Menschheit wie auch jedes einzelnen Menschen zu allen Zeiten ist die wundervolle Geschichte einer Versöhnung, bei der Gott, weil er Vater ist, im Blut und im Kreuz seines menschgewordenen Sohnes die Welt wieder mit sich versöhnt und so eine neue Familie von Versöhnten geschaffen hat.

Versöhnung wird notwendig, weil es einen Bruch durch die Sünde gegeben hat, aus dem sich alle weiteren Formen einer Spaltung im Inneren des Menschen und in seiner Umgebung herleiten. Damit die Versöhnung vollständig sei, muss sie also notwendigerweise die Befreiung von der Sünde bis in ihre tiefsten Wurzeln umfassen. So sind Umkehr und Versöhnung durch ein inneres Band eng miteinander verbunden: Es ist unmöglich, diese beiden Wirklichkeiten voneinander zu trennen oder von der einen zu sprechen und die andere zu verschweigen.

Die Bischofssynode hat gleichzeitig von der Versöhnung der ganzen Menschheitsfamilie und von der inneren Umkehr jeder einzelnen Person, von ihrer neuen Hinwendung zu Gott, gesprochen; sie wollte damit anerkennen und verkünden, dass es keine Einheit der Menschen ohne eine Änderung im Herzen eines jeden einzelnen geben kann. Die persönliche Umkehr ist der notwendige Weg zur Eintracht unter den Menschen.<ref>Das II. Vatikanische Konzil hat hervorgehoben: »In Wahrheit hängen die Störungen des Gleichgewichts, an denen die moderne Welt leidet, mit jener tiefer liegenden Störung des Gleichgewichts zusammen, die im Herzen des Menschen ihren Ursprung hat. Denn im Menschen selbst sind viele widersprüchliche Elemente gegeben. Einerseits erfährt er sich nämlich als Geschöpf vielfältig begrenzt, andererseits empfindet er sich in seinem Verlangen unbegrenzt und berufen zu einem Leben höherer Ordnung. Zwischen vielen Möglichkeiten, die ihn anrufen, muss er dauernd unweigerlich eine Wahl treffen und so auf dieses oder jenes verzichten. Als schwacher Mensch und Sünder tut er oft das, was er nicht will, und was er tun wollte, tut er nicht (vgl. Röm 7, 14 ff.). So leidet er an einer inneren Zwiespältigkeit, und daraus entstehen viele und schwere Zerwürfnisse auch in der Gesellschaft«: Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, 10.</ref> Wenn die Kirche die Frohe Botschaft von der Versöhnung verkündigt oder dazu einlädt, sie durch die Sakramente zu verwirklichen, handelt sie wahrhaft prophetisch: Sie klagt die Übel des Menschen in ihrer verschmutzten Quelle an; sie weist hin auf die Wurzel der Spaltung und gibt Hoffnung, dass die Spannungen und Konflikte überwunden werden können, damit man zu Brüderlichkeit und Eintracht und zum Frieden auf allen Ebenen und in allen Gruppen der menschlichen Gesellschaft gelangt. Sie beginnt, eine von Haß und Gewalt geprägte geschichtliche Situation in eine Zivilisation der Liebe zu verwandeln; sie bietet allen das sakramentale Prinzip des Evangeliums für jene Urversöhnung an, aus der jede andere versöhnende Geste oder Handlung, auch im gesellschaftlichen Bereich, hervorgeht.

Von dieser Versöhnung als einer Frucht der Umkehr handelt das vorliegende Apostolische Schreiben. Denn wie es schon am Ende der drei vorhergehenden Synodenversammlungen geschehen war, haben die Väter der Synode dem Bischof von Rom, dem obersten Hirt der Kirche und Haupt des Bischofskollegiums, in seiner Eigenschaft als Präsident der Synode auch dieses Mal die Ergebnisse ihrer Arbeit übergeben wollen. Als schwere und zugleich dankbare Verpflichtung meines Amtes habe ich die Aufgabe übernommen, aus dem überaus großen Reichtum der Synode zu schöpfen, um als Frucht der Synode ein Lehr- und Pastoralschreiben zum Thema der Versöhnung und Buße an das Volk Gottes zu richten. In einem ersten Teil möchte ich von der Kirche und dem Vollzug ihrer versöhnenden Sendung, von ihrem Einsatz für die Bekehrung der Herzen, für die erneuerte Einheit zwischen Gott und dem Menschen, zwischen dem Menschen und seinem Bruder, zwischen dem Menschen und der gesamten Schöpfung handeln. Im zweiten Teil werde ich die wurzelhafte Ursache jeder Verwundung und Spaltung unter den Menschen und vor allem in ihrem Verhältnis zu Gott aufzeigen, nämlich die Sünde. Schließlich will ich jene Hilfsmittel angeben, die es der Kirche ermöglichen, die volle Aussöhnung der Menschen mit Gott und folglich auch der Menschen untereinander zu fördern und zu erwirken.

Das Dokument, das ich hiermit den Gläubigen der Kirche, aber auch all denjenigen übergebe, die, gläubig oder nicht, mit Interesse und aufrichtigem Herzen auf sie schauen, will die pflichtgemäße Antwort auf die an mich gerichtete Bitte der Synode sein. Aber es ist auch - das möchte ich um der Wahrheit und Gerechtigkeit willen sagen - ein Werk der Synode selbst. Der Inhalt dieser Seiten stammt nämlich von ihr: aus ihrer entfernten oder näheren Vorbereitung, aus dem Arbeitstext, aus den Stellungnahmen in der Synodenaula und bei den Arbeitsgruppen und vor allem aus den 63 Schlussvorlagen. Dies ist die Frucht der gemeinsamen Arbeit der Väter, zu denen auch Vertreter der Ostkirchen gehörten, deren theologisches, spirituelles und liturgisches Erbe so reich und wertvoll auch für das vorliegende Thema ist. Darüberhinaus hat der Rat des Synodensekretariates in zwei wichtigen Sitzungen die Ergebnisse und Grundlinien der soeben abgeschlossenen Synode geprüft, den inneren Zusammenhang der genannten Schlussvorlagen aufgezeigt und die Themen skizziert, die für die Abfassung dieses Dokumentes am meisten geeignet erschienen. Ich bin all jenen dankbar, die diese Arbeit geleistet haben, während ich im folgenden in Treue zu meiner Sendung all das vermitteln möchte, was mir aus dem für Lehre und Pastoral so reichen Schatz der Synode als ein Geschenk der Vorsehung erscheint für das Leben so vieler Menschen in dieser großartigen und zugleich schwierigen Stunde der Geschichte.

Es empfiehlt sich, das zu tun - und es erweist sich als sehr bedeutungsvoll -, während im Herzen vieler die Erinnerung an das Heilige Jahr, das ganz von Buße, Umkehr und Versöhnung geprägt war, noch lebendig ist. Möge dieses Lehrschreiben, das ich den Brüdern im Bischofsamt und ihren Mitarbeitern, den Priestern und Diakonen, den Ordensmännern und Ordensfrauen, allen Gläubigen und allen gewissenhaften Männern und Frauen übergebe, nicht nur eine Hilfe zur Läuterung, Bereicherung und Vertiefung ihres persönlichen Glaubens sein, sondern auch ein Sauerteig, dem es gelingt, im Herzen der Welt Frieden und Brüderlichkeit, Hoffnung und Freude wachsen zu lassen, Werte, die aus dem Evangelium hervorgehen, wenn es angenommen, meditiert und Tag für Tag nach dem Beispiel Marias gelebt wird, der Mutter unseres Herrn Jesus Christus, durch den Gott alles mit sich versöhnen wollte.<ref>Vgl. {{#ifeq: Brief des Paulus an die Kolosser | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: Kol|Kol|Brief des Paulus an die Kolosser}}|{{#if: Kol |Kol|Brief des Paulus an die Kolosser}}}} 1{{#if:19 ff|,19 ff}} ff|,19 ff}}/anzeige/context/#iv EU | BHS =bibelwissenschaft.de">ff|,19 ff}}/anzeige/context/#iv EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref>

ERSTER TEIL: VERSÖHNUNG UND BUSSE: AUFTRAG UND EINSATZ DER KIRCHE

ERSTES KAPITEL: EIN GLEICHNIS DER VERSÖHNUNG

5. Am Beginn dieses Apostolischen Schreibens steht vor meinem geistigen Auge jener außerordentliche Text des hl. Lukas, dessen tiefen religiösen wie menschlichen Inhalt ich schon in einem früheren Dokument zu erläutern versucht habe.<ref>Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Dives in misericordia, IV, 5-6: AAS 72 (1980) 1193-1199.</ref> Ich meine das Gleichnis vom verlorenen Sohn.<ref>Vgl. {{#ifeq: Evangelium nach Lukas | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: Lk|Lk|Evangelium nach Lukas}}|{{#if: Lk |Lk|Evangelium nach Lukas}}}} 15{{#if:11-32|,11-32}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref>


Vom Bruder, der verloren war…

»Ein Mann hatte zwei Söhne. Der jüngere von ihnen sagte zu seinem Vater: Vater, gib mir das Erbteil, das mir zusteht«, so erzählt Jesus bei der Darstellung der dramatischen Geschichte dieses jungen Mannes: der leichtsinnige Weggang aus seinem Vaterhaus, die Vergeudung all seines Besitzes in einem ausschweifenden Lebenswandel ohne Sinn, die dunklen Tage der Fremde und des Hungers, aber mehr noch die Tage der verlorenen Würde, der Erniedrigung und Beschämung und schließlich die Sehnsucht nach dem Vaterhaus, der Mut zur Heimkehr, der Empfang durch den Vater. Dieser hatte den Sohn keineswegs vergessen; im Gegenteil, er hatte ihm unverändert Liebe und Achtung bewahrt. So hatte er immer auf ihn gewartet, und so umarmt er ihn jetzt, während er zum großen Fest für denjenigen auffordert, der tot war und wieder lebt, der verloren war und wiedergefunden wurde.

Der Mensch - ein jeder Mensch - ist ein solcher verlorener Sohn: betört von der Versuchung, sich vom Vater zu trennen, um ein unabhängiges Leben zu führen; dieser Versuchung verfallen; enttäuscht von der Leere, die ihn wie ein Blendwerk verzaubert hatte; allein, entehrt, ausgenutzt, als er sich eine Welt ganz für sich allein zu schaffen versucht; auch in der Tiefe seines Elendes noch immer gequält von der Sehnsucht, zur Gemeinschaft mit dem Vater zurückzukehren. Wie der Vater im Gleichnis erspäht Gott den heimkehrenden Sohn, er umarmt ihn bei seiner Ankunft und lässt die Tafel herrichten für das Festmahl ihrer neuen Begegnung, mit dem der Vater und die Brüder die Wiederversöhnung feiern.

Was an diesem Gleichnis am meisten beeindruckt, ist die festliche und liebevolle Aufnahme, die der Vater dem heimkehrenden Sohn bereitet: ein Zeichen der Barmherzigkeit Gottes, der immer bereit ist zu verzeihen. Sagen wir es gleich: Die Versöhnung ist in erster Linie ein Geschenk des himmlischen Vaters


… zum Bruder, der zu Hause geblieben war

6. Das Gleichnis lässt aber auch den älteren Bruder auftreten, der seinen Platz beim Festmahl verschmäht. Er wirft dem jüngeren Bruder dessen lockeres Treiben vor und dem Vater den Empfang, den dieser dem verlorenen Sohn vorbehalten habe, während es ihm selbst, immer beherrscht und fleißig und treu zum Vater und zum Hause stehend, niemals erlaubt worden sei - wie er sagt -, mit seinen Freunden ein Fest zu feiern. Ein Zeichen, dass er die Güte des Vaters nicht versteht. Solange dieser Bruder, von sich selbst und seinen Verdiensten allzu sehr überzeugt, eifersüchtig und verächtlich, voller Bitterkeit und Zorn, sich nicht bekehrt und mit dem Vater und dem Bruder versöhnt, ist dieses Mahl noch nicht ganz das Fest der Begegnung und des Sichwiederfindens.

Der Mensch - ein jeder Mensch - ist auch ein solcher älterer Bruder. Egoismus macht ihn eifersüchtig, lässt sein Herz hart werden, verblendet und verschließt ihn gegenüber den anderen und vor Gott. Die Güte und Barmherzigkeit des Vaters reizen und ärgern ihn; das Glück des heimgekehrten Bruders schmeckt ihm bitter.<ref>Das Buch Jona ist im Alten Testament in wunderbarer Weise Vorwegnahme und Bild dieser Seite des Gleichnisses. Die Sünde des Jona ist es, starkes Missfallen zu empfinden und zornig zu werden, weil Gott gnädig und barmherzig, langmütig und voll Güte ist und sich erweichen lässt; er ist es, dem der Rizinusstrauch leidtut, der über Nacht da war und über Nacht wieder eingegangen ist, und nicht versteht, dass es dem Herrn leidtut um Ninive (vgl. Jon 4).</ref> Auch in dieser Hinsicht hat der Mensch es nötig, sich zu bekehren, um sich auszusöhnen.

Das Gleichnis vom verlorenen Sohn ist vor allem die wunderbare Geschichte der großen Liebe Gottes, des Vaters, der dem zu ihm heimgekehrten Sohn das Geschenk einer vollständigen Versöhnung anbietet. Weil es aber in der Gestalt des älteren Bruders ebenso an den Egoismus erinnert, der die Brüder untereinander entzweit, wird es auch zur Geschichte der Menschheitsfamilie. Es kennzeichnet unsere Lage und gibt den zu gehenden Weg an. Der verlorene Sohn in seiner Sehnsucht nach Umkehr, nach Heimkehr in die Arme des Vaters und nach Vergebung stellt all jene dar, die im Grund ihres Herzens die Sehnsucht nach einer Aussöhnung auf allen Ebenen und ohne Vorbehalt verspüren und mit innerer Sicherheit sehen, dass diese nur dann möglich ist, wenn sie sich von jener ersten, grundlegenden Aussöhnung herleitet, die den Menschen aus der Gottferne zur kindhaften Freundschaft mit Gott bringt, um dessen unendliche Barmherzigkeit er weiß. Wenn es jedoch mit dem Blick auf den anderen Sohn gelesen wird, beschreibt das Gleichnis die Lage der Menschheitsfamilie, die von ihren Egoismen zerrissen ist; es beleuchtet die Schwierigkeiten, der Sehnsucht und dem Heimweh nach einer gemeinsamen, versöhnten und geeinten Familie zu entsprechen, und erinnert so an die Notwendigkeit einer tiefen Änderung der Herzen verbunden mit der Wiederentdeckung der Barmherzigkeit des Vaters und der Überwindung von Unverständnis und Feindseligkeit unter Brüdern.

Im Licht dieses unerschöpflichen Gleichnisses von der Barmherzigkeit, die die Sünde tilgt, versteht die Kirche, in dem sie den darin enthaltenen Anruf aufnimmt, ihre Sendung, auf den Spuren des Herrn für die Bekehrung der Herzen und die Versöhnung der Menschen mit Gott und untereinander zu wirken, zwei Bereiche, die eng miteinander verbunden sind.

ZWEITES KAPITEL: ZU DEN QUELLEN DER VERSÖHNUNG

Im Lichte Christi, der Versöhnung bewirkt

7. Wie sich aus dem Gleichnis vom verlorenen Sohn ergibt, ist die Versöhnung ein Geschenk Gottes und ganz seine Initiative. Unser Glaube belehrt uns, dass diese Initiative konkrete Gestalt im Geheimnis Jesu Christi annimmt, der den Menschen erlöst und versöhnt und ihn von der Sünde in all ihren Formen befreit. Paulus fasst gerade in dieser Aufgabe und in diesem Handeln die einzigartige Sendung Jesu von Nazareth, des menschgewordenen Wortes und Sohnes Gottes, zusammen.

Auch wir können von diesem zentralen Geheimnis des Heilswerkes ausgehen, dem Schlüsselbegriff der Christologie des Apostels. »Da wir mit Gott versöhnt wurden durch den Tod seines Sohnes, als wir noch (Gottes) Feinde waren«, so schreibt Paulus an die Römer, »werden wir erst recht, nachdem wir versöhnt sind, gerettet werden durch sein Leben. Mehr noch, wir rühmen uns Gottes durch Jesus Christus, unseren Herrn, durch den wir jetzt schon die Versöhnung empfangen haben«.<ref>{{#ifeq: Vorlage:Röm (Bibel) | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: Röm|Röm|Vorlage:Röm (Bibel)}}|{{#if: Röm |[[Vorlage:Röm (Bibel)|Röm]]|[[Vorlage:Röm (Bibel)]]}}}} 5{{#if:10 f|,10 f}} f|,10 f}}/anzeige/context/#iv EU | BHS =bibelwissenschaft.de">f|,10 f}}/anzeige/context/#iv EU | #default =bibleserver.com">EU }}.; vgl. {{#ifeq: Brief des Paulus an die Kolosser | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: Kol|Kol|Brief des Paulus an die Kolosser}}|{{#if: Kol |Kol|Brief des Paulus an die Kolosser}}}} 1{{#if:20-22|,20-22}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref> Weil also »Gott die Welt in Christus mit sich versöhnt hat«, fühlt sich Paulus dazu gedrängt, die Christen von Korinth aufzurufen: »Lasst euch mit Gott versöhnen!«.<ref>{{#ifeq: 2. Brief des Paulus an die Korinther | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: 2 Kor|2 Kor|2. Brief des Paulus an die Korinther}}|{{#if: 2 Kor |2 Kor|2. Brief des Paulus an die Korinther}}}} 5{{#if:18.20|,18.20}} Kor%205{{#if:18.20|,18.20}}/anzeige/context/#iv EU | BHS =bibelwissenschaft.de">Kor%205{{#if:18.20|,18.20}}/anzeige/context/#iv EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref>

Von einer solchen versöhnenden Sendung durch den Tod am Kreuz spricht mit anderen Worten auch der Evangelist Johannes, wenn er feststellt, dass Christus sterben musste, »um die versprengten Kinder Gottes wieder zu sammeln«.<ref>{{#ifeq: Evangelium nach Johannes | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: Joh|Joh|Evangelium nach Johannes}}|{{#if: Joh |Joh|Evangelium nach Johannes}}}} 11{{#if:52|,52}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref>

Paulus wiederum lässt unsere Sicht des Werkes Christi sich ausweiten in kosmische Dimensionen, wenn er schreibt, dass der Vater in ihm alle Geschöpfe mit sich versöhnt hat, jene im Himmel und jene auf Erden.<ref>Vgl. {{#ifeq: Brief des Paulus an die Kolosser | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: Kol|Kol|Brief des Paulus an die Kolosser}}|{{#if: Kol |Kol|Brief des Paulus an die Kolosser}}}} 1{{#if:20|,20}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref> In Wahrheit kann man vom Erlöser Jesus Christus sagen, dass »er zur Zeit des Untergangs ein neuer Anfang war« <ref>{{#ifeq: Buch Jesus Sirach | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: Sir|Sir|Buch Jesus Sirach}}|{{#if: Sir |Sir|Buch Jesus Sirach}}}} 44{{#if:17|,17}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref> und dass er, wie »unser Friede«,<ref>{{#ifeq: Brief des Apostels Paulus an die Epheser | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: Eph|Eph|Brief des Apostels Paulus an die Epheser}}|{{#if: Eph |Eph|Brief des Apostels Paulus an die Epheser}}}} 2{{#if:14|,14}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref> so auch unsere Versöhnung ist.

Zu Recht werden sein Leiden und Sterben, die in der Eucharistiefeier in sakramentaler Weise erneuert werden, von der Liturgie »Opfer unserer Versöhnung«<ref>Eucharistisches Hochgebet III.</ref> genannt: eine Aussöhnung mit Gott, ohne Zweifel, aber auch mit den Brüdern, wenn Jesus selbst lehrt, dass vor dem Opfer die Versöhnung unter den Brüdern erfolgen muss.<ref>Vgl. {{#ifeq: Evangelium nach Matthäus | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: Mt|Mt|Evangelium nach Matthäus}}|{{#if: Mt |Mt|Evangelium nach Matthäus}}}} 5{{#if:23 f|,23 f}} f|,23 f}}/anzeige/context/#iv EU | BHS =bibelwissenschaft.de">f|,23 f}}/anzeige/context/#iv EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref>

Wenn man also von diesen und anderen bedeutsamen Abschnitten des Neuen Testamentes ausgeht, ist es durchaus berechtigt, unsere Überlegungen auf das gesamte Geheimnis Christi und seiner versöhnenden Sendung hinzulenken. Noch einmal muss der Glaube der Kirche an das erlösende Handeln Christi, an das österliche Geheimnis seines Todes und seiner Auferstehung, hervorgehoben werden, das die Ursache der Versöhnung des Menschen in ihrer doppelten Richtung einer Befreiung von der Sünde und einer Gnadengemeinschaft mit Gott ist.

Gerade vor dem traurigen Hintergrund der Spaltungen und der Schwierigkeiten einer Aussöhnung unter den Menschen lade ich dazu ein, das Geheimnis des Kreuzes zu betrachten, das größte Drama von allen, bei dem Christus das Drama der Trennung des Menschen von Gott bis auf den Grund wahrnimmt und erleidet, und dies so intensiv, dass er mit den Worten des Propheten aufschreit »Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?«<ref> {{#ifeq: Evangelium nach Matthäus | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: Mt|Mt|Evangelium nach Matthäus}}|{{#if: Mt |Mt|Evangelium nach Matthäus}}}} 27{{#if:46|,46}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}; {{#ifeq: Evangelium nach Markus | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: Mk|Mk|Evangelium nach Markus}}|{{#if: Mk |Mk|Evangelium nach Markus}}}} 15{{#if:34|,34}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}; {{#ifeq: Buch der Psalmen | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: Ps|Ps|Buch der Psalmen}}|{{#if: Ps |Ps|Buch der Psalmen}}}} 22{{#if:2|,2}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}</ref> und dabei zugleich unsere Versöhnung erwirkt. Der Blick auf das Geheimnis von Golgota muss uns immer an jene »vertikale« Dimension der Trennung und Wiederversöhnung im Verhältnis des Menschen zu Gott erinnern, die aus der Sicht des Glaubens die »horizontale« Dimension immer übersteigt, das heißt die Wirklichkeit von Spaltung und die notwendige Wiederversöhnung unter den Menschen. Wir wissen ja, dass eine solche gegenseitige Aussöhnung nur die Frucht ist und sein kann aus dem erlösenden Handeln Christi, der gestorben und auferstanden ist, um das Reich der Sünde zu besiegen, den Bund mit Gott wiederherzustellen und so die Trennungsmauer niederzureißen,<ref>Vgl. {{#ifeq: Brief des Apostels Paulus an die Epheser | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: Eph|Eph|Brief des Apostels Paulus an die Epheser}}|{{#if: Eph |Eph|Brief des Apostels Paulus an die Epheser}}}} 2{{#if:14-16|,14-16}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref> die die Sünde zwischen den Menschen aufgerichtet hatte.

Versöhnung durch die Kirche

8. Aber - so sagte Leo der Große, als er vom Leiden Christi sprach - »alles, was der Sohn Gottes für die Aussöhnung der Welt getan und gelehrt hat, kennen wir nicht nur aus der Geschichte seiner Handlungen, die vergangen sind, sondern wir sehen es auch an den Wirkungen dessen, was er heute vollbringt«.<ref> Leo der Große Tractatus 63 (De passione Domini 12), 6: CCL 138/A, 386.</ref> So erfahren wir die Versöhnung, die er in seinem Menschsein vollbracht hat, aus dem Wirken der heiligen Geheimnisse, die von seiner Kirche gefeiert werden, für die sich Christus dahin gegeben und die er zum Zeichen und Werkzeug des Heils gemacht hat.

Das versichert der hl. Paulus, wenn er schreibt, dass Gott die Apostel Christi an seinem versöhnenden Werk teilnehmen lässt. »Gott«, so sagt er, »hat uns den Dienst der Versöhnung aufgetragen... und das Wort von der Versöhnung anvertraut«.<ref>{{#ifeq: 2. Brief des Paulus an die Korinther | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: 2 Kor|2 Kor|2. Brief des Paulus an die Korinther}}|{{#if: 2 Kor |2 Kor|2. Brief des Paulus an die Korinther}}}} 5{{#if:18f|,18f}} Kor%205{{#if:18f|,18f}}/anzeige/context/#iv EU | BHS =bibelwissenschaft.de">Kor%205{{#if:18f|,18f}}/anzeige/context/#iv EU | #default =bibleserver.com">EU }}</ref> In Hände und Mund der Apostel, seiner Boten, hat der Vater voller Erbarmen den Dienst der Versöhnung gelegt, den sie in einer einzigartigen Weise vollziehen, kraft der Vollmacht, »in der Person Christi« zu handeln. Aber auch der gesamten Gemeinschaft der Gläubigen, dem ganzen Leib der Kirche ist das »Wort von der Versöhnung« anvertraut, das heißt der Auftrag, alles zu tun, um Versöhnung zu bezeugen und in der Welt zu verwirklichen.

Man kann sagen, dass auch das II. Vatikanische Konzil, indem es die Kirche definiert hat als »das Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit«, und indem es als ihre Aufgabe bezeichnet, »die volle Einheit in Christus« für die Menschen zu erlangen, »die heute durch vielfältige... Bande enger miteinander verbunden sind«,<ref>Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 1.</ref> damit anerkannt hat, dass sich die Kirche vor allem dafür einsetzen muss, die Menschen zu einer vollständigen Versöhnung zu führen.

Im engen Zusammenhang mit der Sendung Christi kann man also die an sich reiche und vielschichtige Sendung der Kirche zusammenfassen in der für sie zentralen Aufgabe der Versöhnung des Menschen mit Gott, mit sich selbst, mit den Brüdern, mit der ganzen Schöpfung; und dies fortwährend: denn - wie ich schon bei anderer Gelegenheit gesagt habe - »die Kirche ist von Natur aus immer versöhnend«.<ref> »Die Kirche ist von Natur aus immer versöhnend, weil sie den anderen das Geschenk weitergibt, das sie selbst empfangen hat, das Geschenk der Vergebung und der Einheit mit Gott«: Johannes Paul II., Ansprache in Liverpool (30. Mai 1982), 3: Insegnamenti, V, 2 (1982) 1992.</ref>

Versöhnend ist die Kirche, weil sie die Frohe Botschaft von der Versöhnung verkündet, wie sie es in ihrer Geschichte immer getan hat, angefangen vom Apostelkonzil in Jerusalem<ref>Vgl. {{#ifeq: Apostelgeschichte | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: Apg|Apg|Apostelgeschichte}}|{{#if: Apg |Apg|Apostelgeschichte}}}} 15{{#if:2-33|,2-33}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref> bis zur letzten Bischofssynode und zum jüngsten Jubiläumsjahr der Erlösung. Das Besondere an dieser Verkündigung liegt darin, dass die Versöhnung für die Kirche eng mit der Bekehrung des Herzens verbunden ist: Diese ist der notwendige Weg zu einer Verständigung zwischen den Menschen.

Versöhnend ist die Kirche auch, weil sie dem Menschen die Wege zeigt und die Mittel anbietet für die obengenannte vierfache Aussöhnung. Diese Wege sind gerade die Bekehrung des Herzens und die Überwindung der Sünde, mag diese in Egoismus oder Ungerechtigkeit, in Anmaßung oder Ausbeutung des Nächsten, im Verfallensein an materielle Güter oder in hemmungsloser Genusssucht bestehen. Die Mittel sind das treue und liebende Hören des Wortes Gottes, das persönliche und das gemeinschaftliche Gebet und vor allem die Sakramente als die wahren Zeichen und Mittel der Versöhnung, aus denen gerade unter dieser Hinsicht jenes Sakrament hervorragt, das wir zu Recht Sakrament der Versöhnung oder auch Bußsakrament zu nennen pflegen. Hierauf werde ich im folgenden noch näher eingehen.

Die versöhnte Kirche

9. Mein verehrter Vorgänger Paul VI. hat das Verdienst, klargestellt zu haben, dass die Kirche, um die Frohe Botschaft wirksam verkündigen zu können, bei sich selbst beginnen und sich als Hörerin der Botschaft erweisen muss, das heißt als offen für die volle und ganze Verkündigung der Frohen Botschaft Jesu Christi, um sie aufzunehmen und zu verwirklichen.<ref>Vgl. Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi, 13: AAS 68 (1976) 12 f.</ref> Auch ich habe, als ich in einem eigenen Dokument die Überlegungen der IV. Generalversammlung der Synode zusammenhängend dargelegt habe, von einer Kirche gesprochen, die in dem Maße, wie sie anderen Glaubensunterricht erteilt, auch selbst tiefer in den Glauben hineinwächst.<ref>Vgl. Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Catechesi tradendae, 24: AAS 71 (1979) 1297.</ref>

Ich zögere nun nicht, diese Zuordnung hier wieder aufzugreifen und sie auf das Thema anzuwenden, das ich behandle: Ich möchte betonen, dass die Kirche, um versöhnend zu wirken, bei sich selbst beginnen muss, eine versöhnte Kirche zu sein. Hinter dieser einfachen und knappen Formulierung steht die Überzeugung, dass die Kirche, um der Welt die Versöhnung noch wirksamer verkünden und anbieten zu können, immer mehr zu einer Gemeinschaft (und sei sie auch die »kleine Herde« der ersten Zeiten) von Jüngern Christi werden muss, einig im Bemühen, sich beständig zum Herrn zu bekehren und als neue Menschen zu leben, im Geist und in der Wirklichkeit der Versöhnung.

Vor unseren Zeitgenossen, die so empfindsam für den Beweis eines konkreten Lebenszeugnisses sind, ist die Kirche aufgerufen, ein Beispiel für Versöhnung vor allem in ihrem eigenen Inneren zu geben; darum müssen wir alle darauf hinwirken, die Herzen friedfertig zu stimmen, die Spannungen zu verringern, die Spaltungen zu überwinden, die Wunden zu heilen, die sich Brüder vielleicht gegenseitig zufügen, wenn sich der Gegensatz zwischen verschiedenen Einstellungen im Rahmen erlaubter Meinungsvielfalt zuspitzt, und zu versuchen, einig in dem zu sein, was wesentlich für den Glauben und das christliche Leben ist, nach der altbewährten Regel: In dubiis libertas, in necessariis unitas, in omnibus caritas - im Zweifel Freiheit, im Wesentlichen Einheit, in allem Liebe.

Nach demselben Maßstab muss die Kirche auch ihre ökumenische Aufgabe erfüllen. Sie ist sich ja dessen sehr bewusst, dass sie, um vollkommen versöhnt zu sein, unaufhörlich weiter nach der Einheit unter denjenigen suchen muss, die sich rühmen dürfen, Christen zu sein, aber - auch als Kirchen und Gemeinschaften - von einander und von der römischen Kirche getrennt sind. Die Kirche von Rom sucht eine Einheit, die, um Frucht und Ausdruck einer echten Versöhnung zu sein, weder die trennenden Elemente einfach übergeht noch sich auf Kompromisse gründet, die ebenso leichtfertig wie oberflächlich und hinfällig wären. Die Einheit muss das Ergebnis einer wahren Bekehrung aller, der gegenseitigen Vergebung, des theologischen Dialogs, des brüderlichen Umganges miteinander, des Gebetes, der vollen Offenheit für das Handeln des Heiligen Geistes sein, der auch der Geist der Wiederversöhnung ist.

Um sich vollständig versöhnt nennen zu können, fühlt sich die Kirche schließlich auch zu immer größeren Anstrengungen verpflichtet, das Evangelium zu allen Völkern zu bringen und den »Heilsdialog«<ref>Vgl. Paul VI., Enzyklika Ecclesiam suam: AAS 56 (1964) 609-659.</ref> mit jenen weiten Bereichen der Menschheit in der heutigen Welt zu fördern, die den Glauben der Kirche nicht teilen oder die aufgrund der wachsenden Verweltlichung sogar Abstand nehmen von der Kirche und ihr kühl und gleichgültig gegenüberstehen, ja sie manchmal sogar anfeinden und verfolgen. Allen glaubt die Kirche immer wieder mit dem hl. Paulus sagen zu müssen: »Lasst euch mit Gott versöhnen!«.<ref>{{#ifeq: 2. Brief des Paulus an die Korinther | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: 2 Kor|2 Kor|2. Brief des Paulus an die Korinther}}|{{#if: 2 Kor |2 Kor|2. Brief des Paulus an die Korinther}}}} 5{{#if:20|,20}} Kor%205{{#if:20|,20}}/anzeige/context/#iv EU | BHS =bibelwissenschaft.de">Kor%205{{#if:20|,20}}/anzeige/context/#iv EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref>

In jedem Falle aber fördert die Kirche nur eine Versöhnung in der Wahrheit, weil sie sehr wohl weiß, dass weder Versöhnung noch Einheit außerhalb oder gegen die Wahrheit möglich sind.

DRITTES KAPITEL: INITIATIVE GOTTES UND DIENST DER KIRCHE

10. Als versöhnte und versöhnende Gemeinschaft kann die Kirche nicht vergessen, dass die Quelle ihrer Gabe und Sendung der Versöhnung die Initiative voller mitfühlender Liebe und Barmherzigkeit jenes Gottes ist, der die Liebe ist<ref>Vgl. {{#ifeq: 1. Brief des Johannes | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: 1 Joh|1 Joh|1. Brief des Johannes}}|{{#if: 1 Joh |1 Joh|1. Brief des Johannes}}}} 4{{#if:8|,8}} Joh%204{{#if:8|,8}}/anzeige/context/#iv EU | BHS =bibelwissenschaft.de">Joh%204{{#if:8|,8}}/anzeige/context/#iv EU | #default =bibleserver.com">EU }}</ref> und aus Liebe die Menschen erschaffen hat:<ref>Vgl. {{#ifeq: Buch der Weisheit | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: Weish|Weish|Buch der Weisheit}}|{{#if: Weish |Weish|Buch der Weisheit}}}} 11{{#if:23-26|,23-26}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}; {{#ifeq: Genesis | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: Gen|Gen|Genesis}}|{{#if: Gen |Gen|Genesis}}}} 1{{#if:27|,27}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}; {{#ifeq: Buch der Psalmen | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: Ps|Ps|Buch der Psalmen}}|{{#if: Ps |Ps|Buch der Psalmen}}}} 8{{#if:4-8|,4-8}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref> Er hat sie erschaffen, damit sie in Freundschaft mit ihm und in Gemeinschaft miteinander leben.

Versöhnung geht von Gott aus

Gott bleibt seinem ewigen Plan treu, auch wenn der Mensch, vom Bösen getrieben<ref>Vgl. {{#ifeq: Buch der Weisheit | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: Weish|Weish|Buch der Weisheit}}|{{#if: Weish |Weish|Buch der Weisheit}}}} 2{{#if:24|,24}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref> und von seinem Stolz verführt, die Freiheit missbraucht, die ihm dazu gegeben ist, das Gute hochherzig zu lieben und zu suchen, und seinem Herrn und Vater den Gehorsam verweigert; wenn er, anstatt mit Liebe auf die Liebe Gottes zu antworten, sich ihm wie einem Rivalen widersetzt, wobei er sich selbst täuscht und seine Kräfte überschätzt. Die Folge davon ist ein Bruch in den Beziehungen zu demjenigen, der ihn erschaffen hat. Trotz dieser Treulosigkeit des Menschen bleibt Gott treu in seiner Liebe. Gewiss, die Erzählung vom Garten Eden lässt uns über die traurigen Folgen der Zurückweisung des Vaters nachdenken, die zu einer inneren Unordnung im Menschen und zum Bruch in der harmonischen Einheit zwischen Mann und Frau, zwischen Bruder und Bruder führt.<ref>Vgl. {{#ifeq: Genesis | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: Gen|Gen|Genesis}}|{{#if: Gen |Gen|Genesis}}}} 3{{#if:12 f|,12 f}} f|,12 f}}/anzeige/context/#iv EU | BHS =bibelwissenschaft.de">f|,12 f}}/anzeige/context/#iv EU | #default =bibleserver.com">EU }}.; {{#ifeq: Genesis | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: Gen|Gen|Genesis}}|{{#if: Gen |Gen|Genesis}}}} 4{{#if:1-16|,1-16}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref> Auch das Gleichnis des Evangeliums von den zwei Söhnen, die sich, jeder auf seine Weise, vom Vater entfernen und einen Abgrund zwischen sich aufreißen, spricht von dieser Wahrheit. Die Zurückweisung der Vaterliebe Gottes und der Geschenke seines Herzens findet sich immer an der Wurzel von Spaltungen unter den Menschen.

Aber wir wissen, dass Gott, »der voll Erbarmen ist«<ref>{{#ifeq: Brief des Apostels Paulus an die Epheser | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: Eph|Eph|Brief des Apostels Paulus an die Epheser}}|{{#if: Eph |Eph|Brief des Apostels Paulus an die Epheser}}}} 2{{#if:4|,4}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref> wie der Vater im Gleichnis, sein Herz vor keinem seiner Kinder verschließt. Er wartet auf sie und sucht sie; er erreicht sie dort, wo ihre Verweigerung der Gemeinschaft sie zu Gefangenen ihrer Einsamkeit und Trennung macht; er ruft sie, sich wieder um seinen Tisch zu versammeln und sich über das Fest der Vergebung und Versöhnung zu freuen.

Diese Initiative Gottes findet ihre konkrete Gestalt und ihren Ausdruck im erlösenden Handeln Christi, das durch den Dienst der Kirche in die Welt ausstrahlt.

Das Wort Gottes hat ja nach unserem Glauben Fleisch angenommen und ist gekommen, auf der Erde unter den Menschen zu wohnen; es ist in die Geschichte der Welt eingetreten, hat ihre Bedingungen auf sich genommen und sie in seinem Leben zusammengefasst.<ref>Vgl. {{#ifeq: Brief des Apostels Paulus an die Epheser | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: Eph|Eph|Brief des Apostels Paulus an die Epheser}}|{{#if: Eph |Eph|Brief des Apostels Paulus an die Epheser}}}} 1{{#if:10|,10}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref> Christus hat uns offenbart, dass Gott Liebe ist, und hat uns das »neue Gesetz« der Liebe gegeben;<ref>{{#ifeq: Evangelium nach Johannes | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: Joh|Joh|Evangelium nach Johannes}}|{{#if: Joh |Joh|Evangelium nach Johannes}}}} 13{{#if:34|,34}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref> dabei hat er uns die Gewissheit vermittelt, dass der Weg der Liebe auf alle Menschen zuführt, so dass die Bemühungen, eine weltweite Brüderlichkeit<ref>Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, 38.</ref> zu erreichen, nicht vergeblich sind. Indem er mit seinem Tod am Kreuz das Böse und die Macht der Sünde besiegt hat, hat er durch seinen von Liebe durchdrungenen Gehorsam allen das Heil gebracht und ist für alle »Versöhnung« geworden. In ihm hat Gott den Menschen mit sich versöhnt.

Die Kirche setzt die Verkündigung dieser Versöhnung, wie Christus sie in den Dörfern Galiläas und ganz Palästinas ausgerufen hat,<ref>Vgl. {{#ifeq: Evangelium nach Markus | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: Mk|Mk|Evangelium nach Markus}}|{{#if: Mk |Mk|Evangelium nach Markus}}}} 1{{#if:15|,15}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref> fort und lädt die ganze Menschheit unaufhörlich dazu ein, umzukehren und an diese Frohe Botschaft zu glauben. Die Kirche spricht dabei im Namen Christi; sie übernimmt den Aufruf des Apostels Paulus, auf den wir bereits hingewiesen haben: »Wir sind also Gesandte an Christi Statt, und Gott ist es, der durch uns mahnt. Wir bitten an Christi Statt: Lasst euch mit Gott versöhnen!«.<ref>{{#ifeq: 2. Brief des Paulus an die Korinther | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: 2 Kor|2 Kor|2. Brief des Paulus an die Korinther}}|{{#if: 2 Kor |2 Kor|2. Brief des Paulus an die Korinther}}}} 5{{#if:20|,20}} Kor%205{{#if:20|,20}}/anzeige/context/#iv EU | BHS =bibelwissenschaft.de">Kor%205{{#if:20|,20}}/anzeige/context/#iv EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref>

Wer diesem Aufruf folgt, tritt ein in das Werk der Versöhnung und erfährt an sich die Wahrheit, die in jenem anderen Aufruf des hl. Paulus enthalten ist, nach dem Christus »unser Friede ist. Er vereinigte die beiden Teile (Juden und Heiden) und riss durch sein Sterben die trennende Wand der Feindschaft nieder... Er stiftete Frieden und versöhnte die beiden durch das Kreuz mit Gott in einem einzigen Leib«.<ref>{{#ifeq: Brief des Apostels Paulus an die Epheser | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: Eph|Eph|Brief des Apostels Paulus an die Epheser}}|{{#if: Eph |Eph|Brief des Apostels Paulus an die Epheser}}}} 2{{#if:14-16|,14-16}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref> Wenn dieser Text auch direkt die Überwindung der religiösen Trennung zwischen Israel, dem erwählten Volk des Alten Bundes, und den anderen Völkern, die alle zur Teilnahme am Neuen Bund berufen sind, betrifft, so enthält er doch auch die Zusage der neuen geistlichen Universalität, die von Gott gewollt und durch das Opfer seines Sohnes, des menschgewordenen Ewigen Wortes, ohne Grenzen oder irgendwelche Ausschlüsse für alle diejenigen bewirkt worden ist, die umkehren und an Christus glauben. Alle sind wir also dazu berufen, die Früchte dieser gottgewollten Versöhnung zu genießen: jeder Mensch und jedes Volk.

Die Kirche, das große Sakrament der Versöhnung

11. Die Kirche ist gesandt, diese Versöhnung zu verkünden und ihr Sakrament in der Welt zu sein. Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug der Versöhnung, ist die Kirche in verschiedenen Weisen mit unterschiedlichem Wert; alle aber wirken darauf hin zu erreichen, was die göttliche Initiative der Barmherzigkeit den Menschen schenken will.

Sakrament ist sie schon allein durch ihr Dasein als versöhnte Gemeinschaft, die in der Welt das Werk Christi bezeugt und darstellt.

Sakrament ist sie ferner durch ihren Dienst als Hüterin und Interpretin der Heiligen Schrift, der Frohen Botschaft von der Versöhnung; von Generation zu Generation macht sie den Plan der Liebe Gottes bekannt und zeigt jeder die Wege zu einer umfassenden Versöhnung in Christus.

Sakrament ist sie schließlich durch die sieben Sakramente, die in je eigener Weise »die Kirche erbauen«.<ref>Vgl. Augustinus, De Civitate Dei, XXII, 17: CCL 48, 835 f., Thomas von Aquin, Summa theologiae, pars III, q. 64, a. 2 ad tertium.</ref> Weil sie nämlich das österliche Geheimnis Christi in Erinnerung bringen und in der ihnen eigenen Weise erneuern, sind alle Sakramente eine Lebensquelle für die Kirche und bilden in ihren Händen Werkzeuge für die Umkehr zu Gott und für die Versöhnung unter den Menschen.

Andere Wege der Versöhnung

12. Die versöhnende Sendung kommt der ganzen Kirche zu, auch und vor allem jenem Teil, der schon endgültig an der göttlichen Herrlichkeit teilhaben darf, zusammen mit der Jungfrau Maria, mit den Engeln und Heiligen, die den dreimalheiligen Gott schauen und anbeten. Die Kirche im Himmel, die Kirche auf Erden, die Kirche im Fegfeuer, sie wirken in geheimnisvoller Einheit mit Christus zusammen, um die Welt mit Gott zu versöhnen.

Der erste Weg dieses Heilswirkens ist das Gebet. Ohne Zweifel unterstützen die heilige Jungfrau Maria, Mutter Christi und der Kirche,<ref>Vgl. Paul VI., Ansprache zum Abschluss der 3. Sitzungsperiode des II. Vatikanischen Konzils (21. November 1964): AAS 56 (1964) 1015-1018.</ref> und die Heiligen, die das Ende ihrer irdischen Pilgerschaft erreicht haben und nun in der Herrlichkeit Gottes leben, fürbittend ihre Brüder, die noch Pilger auf dieser Erde sind, in deren Bemühen, sich ständig zu bekehren, den Glauben zu vertiefen, nach jedem Fall sich wieder aufzurichten und so zu handeln, dass Gemeinsamkeit und Frieden in Kirche und Welt wachsen. Im Geheimnis der Gemeinschaft der Heiligen verwirklicht sich die universale Versöhnung in ihrer tiefsten und für das gemeinsame Heil fruchtbarsten Form.

Ein zweiter Weg ist die Verkündigung. Als Schülerin des einzigen Meisters Jesus Christus wird die Kirche ihrerseits als Mutter und Lehrerin nicht müde, den Menschen die Versöhnung anzubieten; unbeirrt weist sie auf die Bosheit der Sünde hin, verkündigt sie die Notwendigkeit der Bekehrung, lädt sie die Menschen ein und fordert sie auf, sich versöhnen zu lassen. Ja, das ist ihre prophetische Sendung in der Welt von heute wie von gestern: Es ist dieselbe Sendung ihres Herrn und Meisters Jesus Christus. Wie er, so wird auch die Kirche diese ihre Sendung stets mit dem Gefühl barmherziger Liebe erfüllen und allen die Worte der Vergebung und der Ermutigung zu neuer Hoffnung, die vom Kreuz kommen, überbringen.

Weiter gibt es dann den oft so schwierigen und harten Weg der Pastoral, die versucht, jeden Menschen - wer auch immer er sei oder wo auch immer er lebe - auf den zuweilen langen Weg der Rückkehr zum Vater in der Gemeinschaft mit allen Brüdern zu führen.

Schließlich gibt es den Weg des Zeugnisses, meist ohne Worte, das aus einer zweifachen Überzeugung der Kirche hervorgeht: aus der Überzeugung, von ihrem Wesen her »unzerstörbar heilig«<ref>II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 39.</ref> zu sein, zugleich es aber auch nötig zu haben, »sich Tag für Tag zu reinigen, bis dass Christus sie in all ihrer Schönheit, ohne Flecken und Runzeln, vor sich erscheinen lässt«; denn wegen unserer Sünden leuchtet ihr Antlitz vor den Augen derer, die sie betrachten, nicht recht auf.<ref>Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dekret über den Ökumenismus Unitatis redintegratio, 4.</ref> Dieses Zeugnis muss also zwei grundlegende Formen annehmen: Zeichen sein für jene umfassende Liebe, die Jesus Christus seinen Jüngern als Erweis ihrer Zugehörigkeit zu seinem Reich als Erbe hinterlassen hat; und immer wieder neue Umkehr und Versöhnung bewirken, innerhalb wie außerhalb der Kirche, und Spannungen überwinden, sich gegenseitig vergeben sowie im Geist der Brüderlichkeit und des Friedens wachsen und diese Haltung in der ganzen Welt verbreiten. Auf diesem Wege kann die Kirche mit Erfolg dafür wirken, dass die von meinem Vorgänger Paul VI. so genannte »Zivilisation der Liebe« allmählich entsteht.

ZWEITER TEIL: DIE LIEBE IST GRÖSSER ALS DIE SÜNDE

Das Drama des Menschen

13. Der Apostel Johannes schreibt: »Wenn wir sagen, dass wir keine Sünde haben, führen wir uns selbst in die Irre, und die Wahrheit ist nicht in uns. Wenn wir unsere Sünden bekennen, ist er treu und gerecht; er vergibt uns die Sünden«.<ref>{{#ifeq: 1. Brief des Johannes | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: 1 Joh|1 Joh|1. Brief des Johannes}}|{{#if: 1 Joh |1 Joh|1. Brief des Johannes}}}} 1{{#if:8f|,8f}} Joh%201{{#if:8f|,8f}}/anzeige/context/#iv EU | BHS =bibelwissenschaft.de">Joh%201{{#if:8f|,8f}}/anzeige/context/#iv EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref> Diese inspirierten Worte, an den Anfängen der Kirche geschrieben, leiten besser als jeder andere menschliche Ausdruck die Betrachtung über die Sünde ein, die eng mit jener über die Versöhnung verbunden ist. Sie berühren das Problem der Sünde in seinem anthropologischen Horizont, als einen festen Bestandteil der Wahrheit über den Menschen; aber sie stellen es zugleich in den göttlichen Horizont, in welchem die Sünde der Wahrheit der göttlichen Liebe begegnet, die gerecht ist, großherzig und treu und sich besonders im Vergeben und Erlösen offenbart. Deshalb kann derselbe Apostel Johannes kurz nach jenen Worten schreiben: »Wenn das Herz uns auch verurteilt - Gott ist größer als unser Herz«.<ref>{{#ifeq: 1. Brief des Johannes | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: 1 Joh|1 Joh|1. Brief des Johannes}}|{{#if: 1 Joh |1 Joh|1. Brief des Johannes}}}} 3{{#if:20|,20}} Joh%203{{#if:20|,20}}/anzeige/context/#iv EU | BHS =bibelwissenschaft.de">Joh%203{{#if:20|,20}}/anzeige/context/#iv EU | #default =bibleserver.com">EU }}; vgl. das Zitat dieser Stelle in meiner Ansprache bei der Generalaudienz vom 14 März 1984: Insegnamenti VII, 1 (1984) 683.</ref>

Die eigene Sünde anerkennen, ja - wenn man bei der Betrachtung der eigenen Person noch tiefer vordringt - sich selbst als Sünder bekennen, zur Sünde fähig und zur Sünde neigend, das ist der unerlässliche Anfang einer Rückkehr zu Gott. Das ist auch die beispielhafte Erfahrung des David, der, nachdem »er vor den Augen des Herrn Böses getan hatte«, vom Propheten Nathan getadelt,<ref>Vgl. {{#ifeq: 2. Buch Samuel | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: 2 Sam|2 Sam|2. Buch Samuel}}|{{#if: 2 Sam |2 Sam|2. Buch Samuel}}}} 11-12{{#if:|,{{{3}}}}} Sam%2011-12{{#if:|,}}/anzeige/context/#iv EU | BHS =bibelwissenschaft.de">Sam%2011-12{{#if:|,}}/anzeige/context/#iv EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref> ausruft: »Ich bekenne meine bösen Taten, meine Sünde steht mir immer vor Augen. Gegen dich allein habe ich gesündigt; ich habe getan, was dir missfällt«.<ref>{{#ifeq: Buch der Psalmen | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: Ps|Ps|Buch der Psalmen}}|{{#if: Ps |Ps|Buch der Psalmen}}}} 51{{#if:5f|,5f}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref> Ebenso lässt Jesus Mund und Herz des verlorenen Sohnes diese deutlichen Worte sprechen: »Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt«.<ref>{{#ifeq: Evangelium nach Lukas | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: Lk|Lk|Evangelium nach Lukas}}|{{#if: Lk |Lk|Evangelium nach Lukas}}}} 15{{#if:18.21|,18.21}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}</ref>

Versöhnung mit Gott setzt in der Tat voraus und schließt ein, sich klar und eindeutig von der Sünde zu trennen, die man begangen hat. Sie setzt also voraus und umfasst das Bußetun im vollen Sinn des Wortes: bereuen, die Reue sichtbar machen, das konkrete Verhalten eines Büßers annehmen, der sich auf den Rückweg zum Vater begibt. Das ist ein allgemeines Gesetz, dem jeder in seiner besonderen Situation folgen muss. Das Reden über Sünde und Umkehr darf nicht bei abstrakten Begriffen stehenbleiben.

In der konkreten Verfasstheit des Sünders, in der es keine Umkehr ohne die Erkenntnis der eigenen Sünde geben kann, stellt der kirchliche Dienst der Versöhnung immer wieder eine Hilfe zur Verfügung, die deutlich auf Buße ausgerichtet ist, das heißt den Menschen zur »Selbsterkenntnis«<ref>»Conoscimento di sé«, wie Katharina von Siena oft schreibt: Lettere, Florenz 1970, I, S. 3 f.; Il Dialogo della Divina Provvidenza, Rom 1980, passim.</ref> bringen will, zur Trennung vom Bösen, zur Erneuerung der Freundschaft mit Gott, zur Wiederherstellung der inneren Ordnung, zu einer neuen Hinwendung zur Kirche. Über den Bereich der Kirche und der Gläubigen hinaus wenden sich die Botschaft zur Umkehr und der Dienst an der Buße an alle Menschen, weil alle der Bekehrung und Versöhnung bedürfen.<ref>Vgl. {{#ifeq: Vorlage:Röm (Bibel) | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: Röm|Röm|Vorlage:Röm (Bibel)}}|{{#if: Röm |[[Vorlage:Röm (Bibel)|Röm]]|[[Vorlage:Röm (Bibel)]]}}}} 3{{#if:23-26|,23-26}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref>

Um diesen Dienst an der Buße in angemessener Weise zu erfüllen, ist es auch notwendig, mit den »erleuchteten Augen«<ref>Vgl. {{#ifeq: Brief des Apostels Paulus an die Epheser | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: Eph|Eph|Brief des Apostels Paulus an die Epheser}}|{{#if: Eph |Eph|Brief des Apostels Paulus an die Epheser}}}} 1{{#if:18|,18}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref> des Glaubens die Folgen der Sünde zu erwägen, die ja Anlass sind für Trennung und Zerrissenheit nicht nur im Innern jedes Menschen, sondern auch in seinen verschiedenen Lebensräumen, in Familie und Umwelt, Beruf und Gesellschaft, wie man oft aus Erfahrung feststellen kann, in Bestätigung der biblischen Erzählung von Babel und seinem Turm.<ref> Vgl. {{#ifeq: Genesis | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: Gen|Gen|Genesis}}|{{#if: Gen |Gen|Genesis}}}} 11{{#if:1-9|,1-9}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref> Indem sie erbauen wollten, was zugleich Symbol und Ausgangspunkt der Einheit sein sollte, fanden sich diese Menschen am Ende zerstreuter vor als am Anfang, verwirrt in der Sprache, untereinander gespalten, unfähig zu Übereinstimmung und Gemeinsamkeit.

Warum ist dieser ehrgeizige Plan gescheitert? Warum mühten sich die Erbauer vergebens?<ref>Vgl. {{#ifeq: Buch der Psalmen | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: Ps|Ps|Buch der Psalmen}}|{{#if: Ps |Ps|Buch der Psalmen}}}} 127{{#if:1|,1}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}</ref> Weil die Menschen zum Zeichen und zur Garantie der ersehnten Einheit nur ein Werk ihrer eigenen Hände gemacht und das Wirken Gottes vergessen hatten. Sie hatten allein auf die horizontale Dimension der Arbeit und des gesellschaftlichen Lebens gesetzt, ohne jene vertikale Dimension zu beachten, durch die sie in Gott, ihrem Schöpfer und Herrn, ihre Verwurzelung gefunden und sich auf ihn als das letzte Ziel ihres Weges ausgerichtet hätten.

Man kann sagen, dass das Drama des Menschen von heute, in gewissem Maße das Drama des Menschen zu allen Zeiten, geradezu in seiner Ähnlichkeit mit Babel besteht.

ERSTES KAPITEL: DAS GEHEIMNIS DER SÜNDE

14. Wenn wir die biblische Erzählung von der Stadt Babel und ihrem Turm im Licht der neuen Wahrheit des Evangeliums lesen und sie mit jener anderen Geschichte des Falles der Ureltern vergleichen, können wir daraus kostbare Elemente für ein Verständnis des Geheimnisses der Sünde gewinnen. Dieser Ausdruck, in dem anklingt, was der hl. Paulus über das Geheimnis der Bosheit<ref>{{#ifeq: 2. Brief des Paulus an die Thessalonicher | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: 2 Thess|2 Thess|2. Brief des Paulus an die Thessalonicher}}|{{#if: 2 Thess |2 Thess|2. Brief des Paulus an die Thessalonicher}}}} 2{{#if:7|,7}} Thess%202{{#if:7|,7}}/anzeige/context/#iv EU | BHS =bibelwissenschaft.de">Thess%202{{#if:7|,7}}/anzeige/context/#iv EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref> schreibt, will uns auf das Dunkle und Unbegreifbare aufmerksam machen, das sich in der Sünde verbirgt. Diese ist zweifellos eine Tat des freien Menschen; aber innerhalb dieser menschlichen Realität wirken Faktoren mit, durch welche die Sünde über den Menschen hinausragt in den Grenzbereich, wo Bewusstsein, Wille und Empfinden in Kontakt mit den dunklen Kräften stehen, die nach dem hl. Paulus in der Welt fast bis zu deren Beherrschung wirken.<ref>Vgl. {{#ifeq: Vorlage:Röm (Bibel) | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: Röm|Röm|Vorlage:Röm (Bibel)}}|{{#if: Röm |[[Vorlage:Röm (Bibel)|Röm]]|[[Vorlage:Röm (Bibel)]]}}}} 7{{#if:7-25|,7-25}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}; {{#ifeq: Brief des Apostels Paulus an die Epheser | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: Eph|Eph|Brief des Apostels Paulus an die Epheser}}|{{#if: Eph |Eph|Brief des Apostels Paulus an die Epheser}}}} 2{{#if:2|,2}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}; {{#ifeq: Brief des Apostels Paulus an die Epheser | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: Eph|Eph|Brief des Apostels Paulus an die Epheser}}|{{#if: Eph |Eph|Brief des Apostels Paulus an die Epheser}}}} 6{{#if:12|,12}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref>

Der Ungehorsam gegen Gott

Aus der biblischen Erzählung vom Turmbau zu Babel ergibt sich ein erstes Element, das uns hilft, die Sünde zu verstehen: Die Menschen haben danach verlangt, eine Stadt zu erbauen, sich in einer Gesellschaft zusammenzuschließen, stark und mächtig zu sein ohne Gott, wenn nicht sogar gegen Gott.<ref>Die Terminologie, die die griechische Übersetzung der Septuaginta und das Neue Testament benutzen, wenn sie von Sünde sprechen, enthält mehrere Bedeutungsgehalte. Das am meisten benutzte Wort ist hamartía mit den Ableitungen aus derselben Wurzel. Diese bezeichnet eine mehr oder weniger schwere Verfehlung gegen eine Norm oder ein Gesetz, gegen eine Person oder sogar gegen eine Gottheit. Die Sünde wird aber auch adikía genannt; gemeint ist hierbei das Unrechttun. Man spricht auch von parábasis oder Übertretung; von asébeia, Gottlosigkeit, u.a. Alle diese Ausdrucksweisen ergeben zusammen das Bild von der Sünde.</ref> In dieser Hinsicht stimmen die Erzählung von der ersten Sünde im Garten Eden und die Geschichte von Babel trotz ihrer beachtlichen Unterschiede in Inhalt und Form miteinander überein; in beiden sehen wir, wie Gott ausgeschlossen wird: durch eine direkte Opposition gegen eines seiner Gebote, durch eine Geste der Rivalität ihm gegenüber, durch die verlockende Absicht, sein zu wollen »wie er«.<ref>{{#ifeq: Genesis | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: Gen|Gen|Genesis}}|{{#if: Gen |Gen|Genesis}}}} 3{{#if:5|,5}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}: ».. ihr werdet wie Gott und erkennt Gut und Böse»; vgl. auch. v. 22.</ref> In der Geschichte von Babel erscheint der Ausschluss Gottes nicht so sehr als bewusster Gegensatz zu ihm, sondern als Vergessenheit und Gleichgültigkeit ihm gegenüber, als ob man sich bei dem geplanten gemeinschaftlichen Handeln des Menschen um Gott nicht zu kümmern brauche. Aber in beiden Fällen wird die Beziehung zu Gott gewaltsam abgebrochen. In der Geschichte vom Garten Eden wird der innerste und dunkelste Kern der Sünde in seiner ganzen Ernsthaftigkeit und Dramatik sichtbar: der Ungehorsam gegen Gott, gegen sein Gesetz, gegen die moralische Norm, die er dem Menschen ins Herz geschrieben und mit seiner Offenbarung bestätigt und vervollkommnet hat.

Ausschluss Gottes, Bruch mit Gott, Ungehorsam gegen Gott: das war und ist die Sünde in der ganzen Menschheitsgeschichte, in ihren verschiedenen Formen bis hin zur Verneinung Gottes und seiner Existenz. Das ist die Wirklichkeit, die Atheismus genannt wird.

Ungehorsam des Menschen, der mit einem freien Willensakt die Herrschaft Gottes über sein Leben nicht anerkennt, zumindest in jenem Augenblick, wo er das Gesetz Gottes verletzt.

Die Trennung zwischen den Brüdern

15. In den oben erwähnten biblischen Erzählungen mündet der Bruch mit Gott dramatisch ein in eine Trennung zwischen den Brüdern.

In der Beschreibung der »ersten Sünde« löst der Bruch mit Jahwe zugleich die Freundschaft auf, die die Menschheitsfamilie verband, so dass uns die folgenden Seiten der Genesis den Mann und die Frau zeigen, wie sie gleichsam gegeneinander den Anklagefinger erheben,<ref>Vgl. {{#ifeq: Genesis | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: Gen|Gen|Genesis}}|{{#if: Gen |Gen|Genesis}}}} 3{{#if:12|,12}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref> und dann den Sohn, der in seiner Feindschaft zum Bruder so weit kommt, dass er ihm das Leben nimmt.<ref>Vgl. {{#ifeq: Genesis | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: Gen|Gen|Genesis}}|{{#if: Gen |Gen|Genesis}}}} 4{{#if:2-16|,2-16}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref>

Nach der Erzählung des Geschehens von Babel ist die Folge der Sünde die Zersplitterung der Menschheitsfamilie, die schon mit der ersten Sünde begonnen hatte und nun im gesellschaftlichen Bereich ihren Höhepunkt erreicht.

Wer das Geheimnis der Sünde erforschen will, muss diese Verkettung von Ursache und Wirkung beachten. Als Bruch mit Gott ist die Sünde der Akt des Ungehorsams eines Geschöpfes, das wenigstens einschlussweise den zurückweist, dem es seinen Ursprung verdankt und der es am Leben hält; Sünde ist daher ein selbstmörderischer Akt. Weil der Mensch in der Sünde sich weigert, sich Gott zu unterstellen, zerbricht auch sein inneres Gleichgewicht, und in seinem Herzen brechen Widerspruch und Streit auf. Innerlich zerrissen, erzeugt der Mensch fast unvermeidlich einen Riss auch im Geflecht seiner Beziehungen mit den anderen Menschen und mit der geschaffenen Welt. Das ist ein Gesetz und ein objektiver Tatbestand, die sich in vielen Momenten der menschlichen Psychologie und des geistigen Lebens bestätigen wie auch in der Wirklichkeit des gesellschaftlichen Lebens, wo man die Auswirkungen und Zeichen innerer Unordnung leicht beobachten kann.

Das Geheimnis der Sünde besteht in dieser doppelten Verwundung, die der Sünder sich selbst und seiner Beziehung zum Nächsten zufügt. Deshalb kann man von personaler und von sozialer Sünde sprechen: Jede Sünde ist in einer Hinsicht personal; in anderer Hinsicht aber ist sie sozial, insofern sie auch soziale Folgen hat.

Personale Sünde - soziale Sünde

16. Die Sünde im wahren und eigentlichen Sinne ist immer ein Akt der Person, weil sie ein Akt der Freiheit des einzelnen Menschen ist, nicht eigentlich einer Gruppe oder einer Gemeinschaft. Dieser Mensch kann von mancherlei schwerwiegenden äußeren Faktoren abhängen, von ihnen bedrängt und getrieben sein, wie er auch Neigungen, Belastungen und Gewohnheiten unterworfen sein kann, die mit seiner persönlichen Verfassung gegeben sind. In zahlreichen Fällen können solche äußeren und inneren Faktoren seine Freiheit und damit seine Verantwortung und Schuld mehr oder weniger vermindern. Aber es ist eine Glaubenswahrheit, von Erfahrung und Verstand bestätigt, dass die menschliche Person frei ist. Man darf diese Wahrheit nicht übersehen und die Sünde der einzelnen auf äußere Wirklichkeiten - auf Strukturen und Systeme oder auf die anderen Menschen - abwälzen. Das würde vor allem bedeuten, die Würde und die Freiheit der Person zu zerstören, die sich - wenn auch nur negativ und in entstellter Weise - auch in der Verantwortung für die begangene Sünde zeigen. Darum gibt es im Menschen nichts, was so persönlich und unübertragbar ist, wie das Verdienst aus der Tugend oder die Verantwortung für die Schuld.

Als Akt der Person hat die Sünde ihre ersten und wichtigsten Auswirkungen im Sünder selbst: in seiner Beziehung zu Gott, der tiefsten Grundlage menschlichen Lebens; dann auch in seinem geistigen Leben, wo durch die Sünde der Wille geschwächt und der Verstand verdunkelt werden.

An diesem Punkt müssen wir uns fragen, auf welche Wirklichkeit sich diejenigen bezogen haben, die bei der Vorbereitung der Synode und im Verlauf der synodalen Arbeiten oft die soziale Sünde erwähnten.

Dieser Ausdruck und der zugrundeliegende Begriff haben ja verschiedene Bedeutungen.

Von sozialer Sünde sprechen heißt vor allem anerkennen, dass die Sünde eines jeden einzelnen kraft einer menschlichen Solidarität, die so geheimnisvoll und verborgen und doch real und konkret ist, sich in irgendeiner Weise auf die anderen auswirkt. Das ist die Kehrseite jener Solidarität, die sich auf religiöser Ebene im tiefen und wunderbaren Geheimnis der Gemeinschaft der Heiligen darstellt, derentwegen jemand hat sagen können, dass »jede Seele, die sich selbst emporhebt, die Welt emporhebt«.<ref>Der Ausdruck stammt von der französischen Schriftstellerin ELISABETH LESEUR: Journal et pensées de chaque jour, Ed. J. de Gigord, Paris 1918, S. 31.</ref> Diesem Gesetz des Aufstiegs entspricht leider das Gesetz des Abstiegs, so dass man auch von einer Gemeinschaft der Sünde sprechen kann, durch die eine Seele, die sich durch die Sünde erniedrigt, mit sich auch die Kirche erniedrigt und in gewisser Weise die ganze Welt. Mit anderen Worten, es gibt keine Sünde, und sei sie auch noch so intim und geheim und streng persönlich, die ausschließlich den betrifft, der sie begeht. Jede Sünde wirkt sich mehr oder weniger heftig und zum größeren oder kleineren Schaden aus auf die gesamte kirchliche Gemeinschaft und auf die ganze menschliche Familie. Nach dieser ersten Bedeutung kann man jeder Sünde unbestreitbar den Charakter einer sozialen Sünde zuerkennen.

Einige Sünden aber stellen schon durch ihren Inhalt selbst einen direkten Angriff auf den Nächsten dar oder, besser gesagt in der Sprache des Evangeliums, auf den Bruder. Sie sind eine Beleidigung Gottes, weil sie den Nächsten beleidigen. Solchen Sünden pflegt man die Bezeichnung sozial zu geben; und so liegt hierin die zweite Bedeutung des Begriffs der sozialen Sünde. Sozial in diesem Sinne ist die Sünde gegen die Nächstenliebe, die im Gesetz Christi noch schwerer wiegt, weil es hierbei ja um das zweite Gebot geht, das dem »ersten gleich ist«.<ref> Vgl. {{#ifeq: Evangelium nach Matthäus | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: Mt|Mt|Evangelium nach Matthäus}}|{{#if: Mt |Mt|Evangelium nach Matthäus}}}} 22{{#if:39|,39}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}; {{#ifeq: Evangelium nach Markus | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: Mk|Mk|Evangelium nach Markus}}|{{#if: Mk |Mk|Evangelium nach Markus}}}} 12{{#if:31|,31}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}; {{#ifeq: Evangelium nach Lukas | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: Lk|Lk|Evangelium nach Lukas}}|{{#if: Lk |Lk|Evangelium nach Lukas}}}} 10{{#if: 27 f|, 27 f}} 27 f|, 27 f}}/anzeige/context/#iv EU | BHS =bibelwissenschaft.de">27 f|, 27 f}}/anzeige/context/#iv EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref> Sozial ist ebenso jede Sünde gegen die Gerechtigkeit in den Beziehungen von Person zu Person, von Person zu Gemeinschaft oder auch von Gemeinschaft zu Person. Sozial ist jede Sünde gegen die Rechte der menschlichen Person, angefangen vom Recht auf Leben, dabei nicht ausgenommen das Recht des Kindes im Mutterschoß, oder gegen die leibliche Unversehrtheit der einzelnen; jede Sünde gegen die Freiheit anderer, insbesondere gegen jene höchste Freiheit, an Gott zu glauben und ihn zu verehren; jede Sünde gegen die Würde und Ehre des Nächsten. Sozial ist jede Sünde gegen das Gemeinwohl und seine Forderungen im weiten Bereich der Rechte und Pflichten der Bürger. Sozial kann die Sünde einer Tat oder Unterlassung auf seiten der Verantwortlichen in Politik, Wirtschaft und Verwaltung sein, die sich, obwohl sie es könnten, nicht mit Klugheit um die Verbesserung oder Reform der Gesellschaft entsprechend den Erfordernissen und Möglichkeiten der jeweiligen Zeit bemühen; wie auch auf seiten der Arbeitnehmer, die nicht ihren Pflichten der Präsenz am Arbeitsplatz und der Zusammenarbeit nachkommen, auf dass die Unternehmen weiter zum Wohl der Arbeitnehmer selbst, ihrer Familien und der ganzen Gesellschaft wirken können.

Die dritte Bedeutung von sozialer Sünde meint die Beziehungen zwischen den verschiedenen Gemeinschaften der Menschen. Diese Beziehungen sind nicht immer in Übereinstimmung mit dem Plan Gottes, der in der Welt Gerechtigkeit, Freiheit und Frieden zwischen den Individuen, den Gruppen und den Völkern will. So ist der Klassenkampf ein soziales Übel, wer immer auch dafür verantwortlich ist oder seine Gesetze diktiert. So ist die Bildung fester Fronten zwischen Blöcken von Nationen und von einer Nation gegen die andere und zwischen Gruppen innerhalb desselben Volkes ebenfalls ein soziales Übel. In beiden Fällen kann man sich fragen, ob jemandem die moralische Verantwortung für solche Übel und somit die entsprechende Sünde zugeschrieben werden kann. Nun ist zuzugeben, dass Wirklichkeiten und Situationen, wie die angegebenen als soziale Tatbestände durch ihre weite Verbreitung und ihr Anwachsen bis zu gigantischen Ausmaßen fast immer anonym bleiben, weil ja ihre Ursachen vielschichtig und nicht immer nachweisbar sind. Wenn hierbei von sozialer Sünde gesprochen wird, hat dieser Ausdruck also offensichtlich eine analoge Bedeutung.

Auf jeden Fall darf das Sprechen von sozialen Sünden, und sei es nur im analogen Sinne, niemanden dazu verführen, die Verantwortung der einzelnen zu unterschätzen; es will vielmehr die Gewissen aller dazu aufrufen, dass jeder seine eigene Verantwortung übernehme, um ernsthaft und mutig jene unheilvollen Verhältnisse und unerträglichen Situationen zu ändern.

Dies klar und unmißverständlich vorausgeschickt, muss sogleich hinzufügt werden, dass jene Auffassung von sozialer Sünde nicht berechtigt und annehmbar ist - auch wenn sie heute in bestimmten Bereichen oft vorkommt<ref>Vgl. Kongregation für die Glaubenslehre, Instruktion über einige Aspekte der »Theologie der Befreiung« Libertatis nuntius (6. August 1984), IV, 14-15: AAS 76 (1984) 885 f.</ref> -, welche in unklarer Weise die soziale Sünde der personalen Sünde entgegenstellt und dadurch mehr oder weniger unbewusst dazu führt, die personale Sünde abzuschwächen und fast zu beseitigen, um nur noch soziale Schuld und Verantwortung zuzulassen. Nach dieser Auffassung, die ihre Herkunft von nichtchristlichen Systemen und Ideologien leicht erkennen lässt - welche vielleicht heute selbst von denen aufgegeben sind, die einst ihre offiziellen Verfechter waren -, wäre praktisch jede Sünde sozial in dem Sinne, dass sie nicht so sehr dem moralischen Gewissen einer Person angelastet werden könnte, sondern nur einer vagen Wirklichkeit und einem namenlosen Kollektiv, welche die konkrete Situation, das System, die Gesellschaft, die Strukturen, die Institution sein können.

Wenn die Kirche von Situationen der Sünde spricht oder bestimmte Verhältnisse und gewisse kollektive Verhaltensweisen von mehr oder weniger breiten sozialen Gruppen oder sogar von ganzen Nationen und Blöcken von Staaten als soziale Sünden anklagt, dann weiß sie und betont es auch, dass solche Fälle von sozialer Sünde die Frucht, die Anhäufung und die Zusammenballung vieler personaler Sünden sind. Es handelt sich dabei um sehr persönliche Sünden dessen, der Unrecht erzeugt, begünstigt oder ausnutzt; der, obgleich er etwas tun könnte, um gewisse soziale Übel zu vermeiden, zu beseitigen oder wenigstens zu begrenzen, es aus Trägheit oder Angst, aus komplizenhaftem Schweigen oder geheimer Beteiligung oder aus Gleichgültigkeit doch unterlässt; der Zuflucht sucht in der behaupteten Unmöglichkeit, die Welt zu verändern, und der sich den Mühen und Opfern entziehen will, indem er vorgebliche Gründe höherer Ordnung anführt. Die wirkliche Verantwortung liegt also bei den Personen.

Eine Situation - ebenso wie eine Institution, eine Struktur, eine Gesellschaft - ist an sich kein Subjekt moralischer Akte; deshalb kann sie in sich selbst nicht moralisch gut oder schlecht sein. Hinter jeder Situation von Sünde stehen immer sündige Menschen. Dies ist so sehr wahr, dass selbst dann, wenn eine solche Situation in ihren strukturellen und institutionellen Elementen kraft des Gesetzes oder - wie es leider häufiger vorkommt - durch das Gesetz der Gewalt verändert werden kann, diese Änderung sich in Wirklichkeit als unvollständig und von kurzer Dauer und schließlich als nichtig und unwirksam - wenn nicht sogar als kontraproduktiv - erweist, wenn sich nicht die Personen, die für eine solche Situation direkt oder indirekt verantwortlich sind, selbst bekehren.

Todsünde - lässliche Sünde

17. Im Geheimnis der Sünde gibt es eine weitere Dimension, über die der menschliche Geist immer wieder nachgedacht hat: Gemeint ist die Schwere der Sünde. Es handelt sich um eine Frage, die sich notwendig stellt und auf die das christliche Gewissen stets eine Antwort gegeben hat: Weshalb und in welchem Maße ist Sünde als Beleidigung Gottes und in ihrer Rückwirkung auf den Menschen schwerwiegend? Die Kirche hat hierzu eine eigene Lehre, die sie in ihren wesentlichen Elementen bestätigt, wobei sie jedoch weiß, dass es in konkreten Situationen nicht immer leicht ist, klare Abgrenzungen vorzunehmen.

Schon das Alte Testament erklärte bei nicht wenigen Sünden - bei jenen, die mit Überlegung begangen wurden,<ref>Vgl. {{#ifeq: Numeri | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: Num|Num|Numeri}}|{{#if: Num |Num|Numeri}}}} 15{{#if:30|,30}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref> bei den verschiedenen Formen von Unzucht,<ref>Vgl. {{#ifeq: Levitikus | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: Lev|Lev|Levitikus}}|{{#if: Lev |Lev|Levitikus}}}} 18{{#if:26-30|,26-30}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref> von falschem Gottesdienst<ref>Vgl. {{#ifeq: Levitikus | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: Lev|Lev|Levitikus}}|{{#if: Lev |Lev|Levitikus}}}} 19{{#if: 4|, 4}} 4|, 4}}/anzeige/context/#iv EU | BHS =bibelwissenschaft.de">4|, 4}}/anzeige/context/#iv EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref> und der Anbetung falscher Götter<ref>Vgl. {{#ifeq: Levitikus | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: Lev|Lev|Levitikus}}|{{#if: Lev |Lev|Levitikus}}}} 20{{#if:1-7|,1-7}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref> -, dass der Schuldige »aus seinem Volk« entfernt werden müsse, was auch die Verurteilung zum Tode bedeuten konnte.<ref>Vgl. {{#ifeq: Exodus | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: Ex|Ex|Exodus}}|{{#if: Ex |Ex|Exodus}}}} 21{{#if:17|,17}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref> Diesen Sünden wurden andere gegenübergestellt, vor allem jene, die aus Unwissenheit begangen worden waren: Sie wurden durch ein Opfer nachgelassen.<ref>Vgl. {{#ifeq: Levitikus | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: Lev|Lev|Levitikus}}|{{#if: Lev |Lev|Levitikus}}}} 4{{#if:2 ff|,2 ff}} ff|,2 ff}}/anzeige/context/#iv EU | BHS =bibelwissenschaft.de">ff|,2 ff}}/anzeige/context/#iv EU | #default =bibleserver.com">EU }}.; {{#ifeq: Levitikus | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: Lev|Lev|Levitikus}}|{{#if: Lev |Lev|Levitikus}}}} 5{{#if:1 ff|,1 ff}} ff|,1 ff}}/anzeige/context/#iv EU | BHS =bibelwissenschaft.de">ff|,1 ff}}/anzeige/context/#iv EU | #default =bibleserver.com">EU }}., {{#ifeq: Numeri | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: Num|Num|Numeri}}|{{#if: Num |Num|Numeri}}}} 15{{#if:22-29|,22-29}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref>

Schon im Blick auf diese Texte spricht die Kirche seit Jahrhunderten von Todsünde und von lässlicher Sünde. Diese Unterscheidung und die dabei verwandten Begriffe erhalten jedoch im Neuen Testament ein besonderes Licht; denn hier finden sich viele Texte, die mit kräftigen Ausdrücken die Sünden aufzählen und missbilligen, die in besonderer Weise verurteilenswert sind,<ref>Vgl. {{#ifeq: Evangelium nach Matthäus | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: Mt|Mt|Evangelium nach Matthäus}}|{{#if: Mt |Mt|Evangelium nach Matthäus}}}} 5{{#if:28|,28}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}; {{#ifeq: Evangelium nach Matthäus | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: Mt|Mt|Evangelium nach Matthäus}}|{{#if: Mt |Mt|Evangelium nach Matthäus}}}} 6{{#if:23|,23}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}; {{#ifeq: Evangelium nach Matthäus | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: Mt|Mt|Evangelium nach Matthäus}}|{{#if: Mt |Mt|Evangelium nach Matthäus}}}} 12{{#if:31 f|,31 f}} f|,31 f}}/anzeige/context/#iv EU | BHS =bibelwissenschaft.de">f|,31 f}}/anzeige/context/#iv EU | #default =bibleserver.com">EU }}., {{#ifeq: Evangelium nach Matthäus | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: Mt|Mt|Evangelium nach Matthäus}}|{{#if: Mt |Mt|Evangelium nach Matthäus}}}} 15{{#if:19|,19}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}; {{#ifeq: Evangelium nach Markus | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: Mk|Mk|Evangelium nach Markus}}|{{#if: Mk |Mk|Evangelium nach Markus}}}} 3{{#if:28-30|,28-30}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}; {{#ifeq: Vorlage:Röm (Bibel) | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: Röm|Röm|Vorlage:Röm (Bibel)}}|{{#if: Röm |[[Vorlage:Röm (Bibel)|Röm]]|[[Vorlage:Röm (Bibel)]]}}}} 1{{#if:29-31|,29-31}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}; {{#ifeq: Vorlage:Röm (Bibel) | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: Röm|Röm|Vorlage:Röm (Bibel)}}|{{#if: Röm |[[Vorlage:Röm (Bibel)|Röm]]|[[Vorlage:Röm (Bibel)]]}}}} 13{{#if:13|,13}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}, {{#ifeq: Brief des Jakobus | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: Jak|Jak|Brief des Jakobus}}|{{#if: Jak |Jak|Brief des Jakobus}}}} 4{{#if:|,{{{3}}}}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref> und zwar über den von Jesus selbst bestätigten Dekalog hinaus.<ref> Vgl. {{#ifeq: Evangelium nach Matthäus | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: Mt|Mt|Evangelium nach Matthäus}}|{{#if: Mt |Mt|Evangelium nach Matthäus}}}} 5{{#if:17|,17}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}; {{#ifeq: Evangelium nach Matthäus | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: Mt|Mt|Evangelium nach Matthäus}}|{{#if: Mt |Mt|Evangelium nach Matthäus}}}} 15{{#if:1-10|,1-10}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}; {{#ifeq: Evangelium nach Markus | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: Mk|Mk|Evangelium nach Markus}}|{{#if: Mk |Mk|Evangelium nach Markus}}}} 10{{#if:19|,19}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}; {{#ifeq: Evangelium nach Lukas | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: Lk|Lk|Evangelium nach Lukas}}|{{#if: Lk |Lk|Evangelium nach Lukas}}}} 18{{#if:20|,20}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref> Ich will mich hier insbesondere auf zwei wichtige und eindrucksvolle Abschnitte beziehen.

In einem Text seines ersten Briefes spricht Johannes von einer Sünde, die zum Tod führt (pròs thánaton), im Unterschied zu einer Sünde, die nicht zum Tod führt (mä pròs thánaton).<ref>Vgl. {{#ifeq: 1. Brief des Johannes | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: 1 Joh|1 Joh|1. Brief des Johannes}}|{{#if: 1 Joh |1 Joh|1. Brief des Johannes}}}} 5{{#if:16 f|,16 f}} Joh%205{{#if:16 f|,16 f}}/anzeige/context/#iv EU | BHS =bibelwissenschaft.de">Joh%205{{#if:16 f|,16 f}}/anzeige/context/#iv EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref> Offensichtlich ist der Tod hier geistlich gemeint: Es handelt sich um den Verlust des wahren Lebens oder des »ewigen Lebens«, das für Johannes die Erkenntnis des Vaters und des Sohnes ist,<ref>Vgl. {{#ifeq: Evangelium nach Johannes | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: Joh|Joh|Evangelium nach Johannes}}|{{#if: Joh |Joh|Evangelium nach Johannes}}}} 17{{#if:3|,3}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref> die Gemeinschaft und innige Einheit mit ihnen. Die Sünde, die zum Tode führt, scheint in diesem Abschnitt die Verleugnung des Sohnes<ref>Vgl. {{#ifeq: 1. Brief des Johannes | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: 1 Joh|1 Joh|1. Brief des Johannes}}|{{#if: 1 Joh |1 Joh|1. Brief des Johannes}}}} 2{{#if:22|,22}} Joh%202{{#if:22|,22}}/anzeige/context/#iv EU | BHS =bibelwissenschaft.de">Joh%202{{#if:22|,22}}/anzeige/context/#iv EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref> oder die Anbetung falscher Gottheiten<ref>Vgl. {{#ifeq: 1. Brief des Johannes | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: 1 Joh|1 Joh|1. Brief des Johannes}}|{{#if: 1 Joh |1 Joh|1. Brief des Johannes}}}} 5{{#if:21|,21}} Joh%205{{#if:21|,21}}/anzeige/context/#iv EU | BHS =bibelwissenschaft.de">Joh%205{{#if:21|,21}}/anzeige/context/#iv EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref> zu sein. Jedenfalls will Johannes mit dieser begrifflichen Unterscheidung anscheinend die unendliche Schwere der Sünde, der Zurückweisung Gottes, hervorheben, die sich vor allem im Abfall von Gott und im Götzendienst zeigt, das heißt in der Zurückweisung des Glaubens an die geoffenbarte Wahrheit und in der Gleichsetzung Gottes mit gewissen geschaffenen Wirklichkeiten, die man dabei zu Idolen oder falschen Göttern macht.<ref>Vgl. {{#ifeq: 1. Brief des Johannes | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: 1 Joh|1 Joh|1. Brief des Johannes}}|{{#if: 1 Joh |1 Joh|1. Brief des Johannes}}}} 5{{#if:16-21|,16-21}} Joh%205{{#if:16-21|,16-21}}/anzeige/context/#iv EU | BHS =bibelwissenschaft.de">Joh%205{{#if:16-21|,16-21}}/anzeige/context/#iv EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref> Der Apostel möchte an jener Stelle aber auch die Zuversicht hervorheben, die der Christ durch seine »Wiedergeburt aus Gott« und durch »das Kommen des Sohnes« gewinnt: In ihm ist eine Kraft, die ihn vor dem Fall in die Sünde bewahrt; Gott schützt ihn, »der Böse berührt ihn nicht«. Wenn er aus Schwäche oder Unwissenheit sündigt, trägt er doch in sich die Hoffnung auf Vergebung, auch wegen der Hilfe, die ihm durch das gemeinsame Gebet der Brüder zuteil wird.

An einer anderen Stelle des Neuen Testamentes, im Matthäusevangelium,<ref>{{#ifeq: Evangelium nach Matthäus | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: Mt|Mt|Evangelium nach Matthäus}}|{{#if: Mt |Mt|Evangelium nach Matthäus}}}} 12{{#if:31 f|,31 f}} f|,31 f}}/anzeige/context/#iv EU | BHS =bibelwissenschaft.de">f|,31 f}}/anzeige/context/#iv EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref> spricht Jesus selbst von einer »Lästerung gegen den Heiligen Geist«, die »nicht vergeben wird«, weil sie in ihren verschiedenen Formen eine hartnäckige Weigerung darstellt, sich zur Liebe des barmherzigen Vaters zu bekehren.

Das sind gewiss extreme und radikale Formen: die Zurückweisung Gottes, die Verweigerung seiner Gnade und somit der Widerstand gegenüber der Quelle unseres Heiles selbst,<ref>Vgl. Thomas von Aquin, Summa theologiae, IIa-IIae, q. 14, aa. 1-3.</ref> wodurch sich der Mensch den Weg zur Vergebung willentlich zu versperren scheint. Es ist zu hoffen, dass nur ganz wenige Menschen bis zu ihrem Ende in dieser Haltung der Rebellion oder geradezu der Herausforderung gegen Gott verharren wollen, der seinerseits - wie uns Johannes ebenfalls lehrt <ref>Vgl. {{#ifeq: 1. Brief des Johannes | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: 1 Joh|1 Joh|1. Brief des Johannes}}|{{#if: 1 Joh |1 Joh|1. Brief des Johannes}}}} 3{{#if:20|,20}} Joh%203{{#if:20|,20}}/anzeige/context/#iv EU | BHS =bibelwissenschaft.de">Joh%203{{#if:20|,20}}/anzeige/context/#iv EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref> - in seiner barmherzigen Liebe größer ist als unser Herz und alle unsere psychologischen und geistigen Widerstände überwinden kann, so dass man - wie Thomas von Aquin schreibt - »am Heil keines Menschen in diesem Leben zu verzweifeln braucht, wenn man die Allmacht und die Barmherzigkeit Gottes betrachtet«.<ref>Thomas von Aquin, Summa theologiae, IIa-IIae, q. 14, a. 3, ad primum.</ref>

Aber angesichts der Frage des Zusammenstoßes eines rebellischen Willens mit dem unendlich gerechten Gott kann man nur heilsame Gefühle von »Furcht und Schrecken« empfinden, wie der hl. Paulus empfiehlt,<ref>Vgl. {{#ifeq: Brief des Paulus an die Philipper | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: Phil|Phil|Brief des Paulus an die Philipper}}|{{#if: Phil |Phil|Brief des Paulus an die Philipper}}}} 2{{#if:12|,12}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref> während die Mahnung Jesu über die Sünde, die nicht vergeben werden kann, die Existenz von Schuld bestätigt, die für den Sünder den »ewigen Tod« als Strafe nach sich ziehen kann.

Im Licht dieser und weiterer Texte der Heiligen Schrift haben die Kirchenlehrer und Theologen, die geistlichen Meister und Hirten die Sünden in Todsünden und lässliche Sünden unterschieden. Mit anderen spricht der hl. Augustinus von tödlichen oder todbringenden Vergehen, die er den lässlichen, leichten oder täglichen gegenüberstellt.<ref>Vgl. Augustinus, De Spiritu et littera, XXVIII: CSEL 60, 202f.; Enarrat. in ps. 39, 22: CCL 38, 441; Enchiridion ad Laurentium de fide et spe et caritate, XIX, 71: CCL 46, 88; In Ioannis Evangelium tractatus, 12, 3, 14: CCL 36, 129.</ref> Die Bedeutung, die er diesen Worten gibt, wird später in die offizielle Lehre der Kirche einfließen. Nach Augustinus wird es Thomas von Aquin sein, der in möglichst klaren Begriffen die Lehre formuliert hat, die sich dann in der Kirche beständig erhalten hat.

Bei der Bestimmung und Unterscheidung von Todsünde und lässlicher Sünde mussten der hl. Thomas und die Theologie der Sünde, die sich auf ihn beruft, den biblischen Bezug und somit auch den Gedanken eines geistlichen Todes einbeziehen. Nach dem Doctor Angelicus muss der Mensch, um geistlich zu leben, in Gemeinschaft mit dem höchsten Lebensprinzip bleiben, das Gott ist, insofern dieser das letzte Ziel all seines Seins und Handelns ist. Die Sünde nun ist ein Vergehen, das der Mensch gegen dieses Lebensprinzip begeht. Wenn »die Seele durch die Sünde eine Unordnung schafft, die bis zum Bruch mit dem letzten Ziel - Gott - geht, an das er durch die Liebe gebunden ist, dann ist dies eine Todsünde; wann immer jedoch die Unordnung unterhalb der Trennung von Gott bleibt, ist es eine lässliche Sünde«.<ref>Thomas von Aquin, Summa theologiae, Ia-IIae, q. 72, a. 5.</ref> Daher entzieht die lässliche Sünde nicht die heiligmachende Gnade, die Freundschaft mit Gott, die Liebe und so auch nicht die ewige Seligkeit, während ein solcher Entzug gerade die Folge der Todsünde ist.

Wenn man die Sünde unter dem Aspekt der Strafe sieht, die sie mit sich bringt, so nennt der hl. Thomas zusammen mit anderen Glaubenslehrern diejenige Sünde tödlich, die eine ewige Strafe nach sich zieht, wenn sie nicht zuvor vergeben wird; lässlich nennt er die Sünde, die eine einfache zeitliche Strafe verdient, das heißt eine begrenzte Strafe, die auf Erden oder im Fegfeuer abgebüßt werden kann.

Wenn man den Gegenstand der Sünde betrachtet, so verbindet sich der Gedanke des Todes, des radikalen Bruches mit Gott, dem höchsten Gut, der Abkehr vom Weg, der zu Gott führt, oder der Unterbrechung des Weges zu ihm (lauter Weisen, um die Todsünde zu bestimmen) mit dem Gedanken der Schwere des objektiven Inhaltes: Deshalb wird in Lehre und Pastoral der Kirche die schwere Sünde praktisch mit der Todsünde gleichgesetzt.

Hier berühren wir den Kern der traditionellen Lehre der Kirche, wie er oft im Verlauf der letzten Synode deutlich betont worden ist. Diese hat nämlich nicht nur die vom Tridentinischen Konzil über Existenz und Natur von Todsünde und lässlicher Sünde verkündete Lehre<ref>Vgl. Konzil von Trient, Sessio VI, De iustificatione, Kap. 2 und Kan. 23, 25, 27: Conciliorum Oecumenicorum Decreta, Bologna 1973³, S. 671, 680f. (DS 1573, 1575, 1577).</ref> bekräftigt, sondern hat auch daran erinnern wollen, dass jene Sünde eine Todsünde ist, die eine schwerwiegende Materie zum Gegenstand hat und die dazu mit vollem Bewusstsein und bedachter Zustimmung begangen wird. Man muss hinzufügen - wie es auch auf der Synode geschehen ist -, dass einige Sünden, was ihre Materie betrifft, von innen her schwer und todbringend sind. Das heißt, es gibt Handlungen, die durch sich selbst und in sich, unabhängig von den Umständen, immer schwerwiegend unerlaubt sind wegen ihres objektiven Inhaltes. Wenn solche Handlungen mit hinreichender Bewusstheit und Freiheit begangen werden, stellen sie immer eine schwere Schuld dar.<ref>Vgl. Konzil von Trient, Sessio VI, De iustificatione, Kap. XV: Conciliorum Oecumenicorum Decreta, ed. cit., S. 677 (DS 1544).</ref>

Diese Lehre, die auf dem Dekalog und der Predigt des Alten Testamentes gründet, von der Verkündigung der Apostel aufgenommen wurde und zur ältesten Lehre der Kirche gehört, die sie bis heute wiederholt, entspricht genau der menschlichen Erfahrung aller Zeiten. Aus Erfahrung weiß der Mensch gut, dass er auf dem Weg des Glaubens und der Gerechtigkeit, der ihn zur Erkenntnis und zur Liebe Gottes in diesem Leben und zur vollkommenen Gemeinschaft mit ihm in der Ewigkeit führt, stehenbleiben oder sich ablenken kann, ohne freilich den Weg zu Gott zu verlassen: In diesem Falle handelt es sich um lässliche Sünde, die jedoch nicht abgeschwächt werden darf, als ob sie ohne weiteres etwas Unwesentliches, eine Sünde von geringem Gewicht sei.

Der Mensch weiß allerdings auch durch schmerzliche Erfahrung, dass er mit einem bewussten und freien Akt seines Willens auf dem Weg umkehren und in entgegengesetzter Richtung zum Willen Gottes gehen kann und sich so von ihm entfernt (aversio a Deo - Abkehr von Gott), wobei er die Gemeinschaft mit ihm verweigert, sich von seinem Lebensprinzip, das Gott ist, trennt und so den Tod wählt.

Mit der ganzen Tradition der Kirche nennen wir denjenigen Akt eine Todsünde, durch den ein Mensch bewusst und frei Gott und sein Gesetz sowie den Bund der Liebe, den dieser ihm anbietet, zurückweist, indem er es vorzieht, sich selbst zuzuwenden oder irgendeiner geschaffenen und endlichen Wirklichkeit, irgendeiner Sache, die im Widerspruch zum göttlichen Willen steht (conversio ad creaturam - Hinwendung zum Geschaffenen). Dies kann auf direkte und formale Weise geschehen, wie bei den Sünden der Götzenverehrung, des Abfalles von Gott und der Gottlosigkeit, oder auf gleichwertige Weise, wie in jedem Ungehorsam gegenüber den Geboten Gottes bei schwerwiegender Materie. Der Mensch spürt, dass dieser Ungehorsam Gott gegenüber die Verbindung mit seinem Lebensprinzip abschneidet: Es ist eine Todsünde, das heißt ein Akt, der Gott schwer beleidigt und sich schließlich gegen den Menschen selbst richtet mit einer dunklen und mächtigen Gewalt der Zerstörung.

Während der Synodenversammlung wurde von einigen Vätern eine dreifache Unterscheidung der Sünden vorgeschlagen, die in lässliche, schwere und todbringende Sünden einzuteilen wären. Eine solche Dreiteilung könnte deutlich machen, dass es bei den schweren Sünden Unterschiede gibt. Dabei bleibt es jedoch wahr, dass der wesentliche und entscheidende Unterschied zwischen jener Sünde besteht, die die Liebe zerstört, und der Sünde, die das übernatürliche Leben nicht tötet: Zwischen Leben und Tod gibt es keinen mittleren Weg.

Gleichfalls muss man vermeiden, die Todsünde zu beschränken auf den Akt einer Grundentscheidung gegen Gott (»optio fundamentalis«), wie man heute zu sagen pflegt, unter der man dann eine ausdrückliche und formale Beleidigung Gottes oder des Nächsten versteht. Es handelt sich nämlich auch um Todsünde, wenn sich der Mensch bewusst und frei aus irgendeinem Grunde für etwas entscheidet, was in schwerwiegender Weise der Ordnung widerspricht. Tatsächlich ist ja in einer solchen Entscheidung bereits eine Missachtung des göttlichen Gebotes enthalten, eine Zurückweisung der Liebe Gottes zur Menschheit und zur ganzen Schöpfung: Der Mensch entfernt sich so von Gott und verliert die Liebe. Die Grundentscheidung kann also durch einzelne Akte völlig umgeworfen werden. Zweifellos kann es unter psychologischem Aspekt viele komplexe und dunkle Situationen geben, die für die subjektive Schuld des Sünders Bedeutung haben. Aus der Betrachtung des psychologischen Bereichs kann man jedoch nicht zur Aufstellung einer theologischen Kategorie übergehen, wie es gerade die »optio fundamentalis« ist, wenn sie so verstanden wird, dass sie auf der objektiven Ebene die traditionelle Auffassung von Todsünde ändert oder in Zweifel zieht.

Wenn auch jeder ehrliche und kluge Versuch, das psychologische und theologische Geheimnis der Sünde zu klären, anerkannt werden muss, so hat die Kirche doch die Pflicht, alle Erforscher dieser Materie einerseits an die Notwendigkeit zu erinnern, dem Wort Gottes treu zu bleiben, das uns auch über die Sünde belehrt, und andererseits auf die Gefahr hinzuweisen, dass man dazu beiträgt, in der heutigen Welt den Sinn für die Sünde noch mehr abzuschwächen.

Verlust des Sündenbewusstseins

18. Durch die Heilige Schrift, wie sie in der Gemeinschaft der Kirche gelesen wird, hat sich das christliche Gewissen die Generationen hindurch ein feines Gespür und eine wache Aufmerksamkeit für die Fermente des Todes erworben, die in der Sünde enthalten sind; ein Gespür und eine Aufmerksamkeit, um solche Fermente auch in den tausenderlei Formen auszumachen, die die Sünde annimmt, in den Tausenden von Gesichtern, mit denen sie sich zeigt. Das ist es, was man Sündenbewusstsein zu nennen pflegt.

Dieses Bewusstsein hat seine Wurzel im Gewissen des Menschen und ist gleichsam dessen Barometer. Es ist an das Bewusstsein für Gott gebunden, da es sich von der bewussten Beziehung herleitet, die der Mensch zu Gott, seinem Schöpfer, Herrn und Vater, hat. Wie man also das Bewusstsein für Gott nicht vollständig zum Verschwinden bringen noch das Gewissen auslöschen kann, so kann man auch niemals vollständig das Sündenbewusstsein beseitigen.

Und doch geschieht es nicht selten im Lauf der Geschichte über mehr oder weniger lange Zeiten hin und unter dem Einfluss vielfältiger Faktoren, dass sich das moralische Bewusstsein in vielen Menschen stark verdunkelt. »Haben wir eine richtige Vorstellung vom Gewissen?«, so habe ich mich vor zwei Jahren an die Gläubigen gewandt. - »Lebt der moderne Mensch nicht unter der Bedrohung einer Verdunkelung seines Gewissens? Einer Verformung des Gewissens? Einer Trübung oder Betäubung des Gewissens?«.<ref>Johannes Paul II., Engel-des-Herrn vom 14. März 1982: Insegnamenti, V, 1 (1982) 861.</ref>

Allzu viele Anzeichen deuten darauf hin, dass es in unserer Zeit tatsächlich eine solche Verdunkelung gibt, die um so beunruhigender ist, als dieses Gewissen, vom Konzil definiert als »die verborgenste Mitte und das Heiligtum im Menschen«,<ref>Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, 16.</ref> »eng an die Freiheit des Menschen gebunden ist... Deshalb ist das Gewissen die erste Grundlage der inneren Würde des Menschen und zugleich seiner Beziehung zu Gott«.<ref>Johannes Paul II., Engel-des-Herrn vom 14. März 1982: Insegnamenti, V, 1 (1982) 860.</ref> Deshalb ist es unvermeidlich, dass in dieser Situation auch das Sündenbewusstsein verdunkelt wird, welches eng mit dem moralischen Bewusstsein, mit der Suche nach der Wahrheit, mit dem Willen, die Freiheit verantwortlich zu gebrauchen, verbunden ist. Mit dem Gewissen wird auch das Gottesbewusstsein verdunkelt, und mit dem Verlust dieses entscheidenden inneren Bezugspunktes verliert man dann auch das Sündenbewusstsein. Deshalb konnte mein Vorgänger Pius XII. einmal mit einem emphatischen Wort, das nahezu sprichwörtlich geworden ist, erklären, dass »die Sünde des Jahrhunderts der Verlust des Bewusstseins von Sünde ist«.<ref>Pius XII., Radiobotschaft an den Nationalen Katechetischen Kongreß der Vereinigten Staaten von Amerika in Boston (26. Oktober 1946): Discorsi e Radiomessaggi, VIII (1946) 288.</ref>

Warum gibt es dieses Phänomen in unserer Zeit? Ein Blick auf einige Elemente heutiger Kultur kann uns helfen, das fortschreitende Schwinden und sogar Erlöschen des Sündenbewusstseins zu verstehen, und das gerade wegen der Krise des Gewissens und des Gottesbewusstseins, wie oben betont worden ist.

Der »Säkularismus«, der seiner Natur und Definition nach eine Bewegung von Ideen und Haltungen ist, die für einen Humanismus völlig ohne Gott kämpft, der sich ganz konzentriert auf den Kult des Machens und des Produzierens, der überwältigt ist vom Rausch des Konsums und des Genusses, ohne Sorge um die Gefahr, die eigene Seele zu verlieren, muss notwendigerweise das Sündenbewusstsein untergraben. Bestenfalls wird sich dabei das Sündenbewusstsein auf das reduzieren, was den Menschen beleidigt. Aber gerade hier drängt sich die bittere Erfahrung auf, an die ich in meiner ersten Enzyklika erinnert habe, dass nämlich der Mensch eine Welt ohne Gott bauen kann, diese Welt sich aber schließlich gegen den Menschen selbst richten wird.<ref>Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Redemptor hominis, 15: AAS 71 (1979) 286-289.</ref> Gott ist jedoch tatsächlich der Ursprung und das höchste Ziel des Menschen, und dieser trägt in sich einen göttlichen Keim.<ref>Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, 3; vgl. auch 1 Joh 3, 9.</ref> Deshalb ist es das Geheimnis Gottes, das das Geheimnis des Menschen enthüllt und beleuchtet. Es ist also vergeblich, zu hoffen, dass ein Sündenbewusstsein gegenüber den Menschen und den menschlichen Werten Bestand haben könnte, wenn der Sinn für die gegen Gott begangene Beleidigung, das heißt das wahre Sündenbewusstsein, fehlt.

Dieses Sündenbewusstsein schwindet in der heutigen Gesellschaft auch aufgrund der Missverständnisse, zu denen man kommt, wenn man gewisse Ergebnisse der Humanwissenschaften übernimmt. Gestützt auf bestimmte Aussagen der Psychologie, führt die Sorge, von Schuld zu sprechen oder die Freiheit nicht zu beschränken, zum Beispiel dazu, überhaupt kein Vergehen mehr anzuerkennen. Durch eine ungebührliche Ausweitung soziologischer Kriterien kommt man schließlich dazu - wie ich bereits angedeutet habe -, alle Schuld auf die Gesellschaft abzuwälzen, während der einzelne als unschuldig erklärt wird. Indem gewisse Lehren zur menschlichen Kultur die gewiss unleugbaren Bedingungen und Einflüsse von Umwelt und Geschichte, die auf den Menschen einwirken, erweitern, schränken auch sie die Verantwortung des Menschen so stark ein, dass sie ihm nicht mehr die Fähigkeit zuerkennen, wahre menschliche Akte zu setzen und somit auch zu sündigen.

Das Sündenbewusstsein schwindet auch leicht infolge einer Ethik, die sich aus einem gewissen Geschichtsrelativismus herleitet. Das geschieht auch durch eine Ethik, die die moralische Norm relativiert und ihren absoluten, unbedingten Wert leugnet und folglich bestreitet, dass es Akte geben könne, die in sich unerlaubt sind, unabhängig von den Umständen, unter denen der Handelnde sie setzt. Es handelt sich dabei um einen wahren »Umsturz und Verfall der moralischen Werte«; »das Problem ist dann nicht so sehr die Unkenntnis der christlichen Ethik«, sondern »vielmehr des Sinnes, der Grundlagen und der Kriterien einer moralischen Haltung«.<ref>Johannes Paul II., Ansprache an die Bischöfe der Region Ost in Frankreich (1. April 1982), 2: Insegnamenti, V, 1 (1982) 1081.</ref> Die Wirkung eines solchen Umsturzes der Ethik ist stets eine derartige Schwächung des Sündenbegriffes, dass man bei der Behauptung endet, die Sünde sei wohl vorhanden, aber man wisse nicht, wer sie begehe.

Schließlich schwindet das Sündenbewusstsein, wenn es - wie es in der Unterweisung der Jugend, in den Massenmedien, ja selbst in der Erziehung zu Hause geschehen kann - fälschlicherweise mit einem krankhaften Schuldgefühl gleichgesetzt oder mit einer bloßen Übertretung von gesetzlichen Normen und Vorschriften verbunden wird.

Der Verlust des Sündenbewusstseins ist also eine Form oder eine Frucht der Verneinung Gottes nicht nur in ihrer atheistischen, sondern auch in ihrer säkularistischen Spielart. Wenn Sünde ein Abbruch der Kindesbeziehung zu Gott ist, um die eigene Existenz aus dem Gehorsam ihm gegenüber herauszunehmen, dann ist Sündigen nicht nur eine Verneinung Gottes: Sündigen ist auch, so zu leben, als ob er nicht existiere; Sündigen ist, ihn aus dem eigenen Alltag zu beseitigen. Ein verstümmeltes oder in manchem Sinne unausgewogenes Gesellschaftsmodell, wie es häufig von den Massenmedien vertreten wird, fördert nicht wenig den fortschreitenden Verlust des Sündenbewusstseins. In einer solchen Situation ist die Verdunkelung oder Schwächung des Sündenbewusstseins das Ergebnis einer Ablehnung jeden Bezuges zur Transzendenz im Namen des Verlangens nach personaler Autonomie; oder auch der Unterwerfung unter ethische Modelle, welche der allgemeine Konsens und das generelle Verhalten aufdrängen, auch wenn das Gewissen des einzelnen sie verurteilt; oder auch das Ergebnis der dramatischen sozio-ökonomischen Verhältnisse, die einen so großen Teil der Menschheit unterdrücken und dadurch die Tendenz erzeugen, Irrtum und Schuld nur im Bereich der Gesellschaft zu sehen; schließlich und vor allem auch das Ergebnis der Verdunkelung der Vaterschaft Gottes und seiner Herrschaft über das Leben des Menschen.

Selbst im Bereich des kirchlichen Denkens und Lebens begünstigen einige Tendenzen unvermeidlich den Niedergang des Sündenbewusstseins. Einige zum Beispiel neigen dazu, übertriebene Einstellungen der Vergangenheit durch neue Übertreibungen zu ersetzen: Nachdem die Sünde überall gesehen wurde, gelangt man dazu, sie nirgendwo mehr zu sehen; von einer Überbetonung der Furcht vor den ewigen Strafen kommt man zu einer Verkündigung der Liebe Gottes, die jede für Sünde verdiente Strafe ausschließt; von der Strenge im Bemühen, irrige Gewissen zu bessern, gelangt man zu einer scheinbaren Achtung des Gewissens, derentwegen man sogar die Pflicht, die Wahrheit auszusprechen, unterdrückt. Warum sollte man nicht hinzufügen, dass die Verwirrung, die in den Gewissen vieler Gläubigen durch unterschiedliche Meinungen und Lehren in Theologie, Verkündigung, Katechese und geistlicher Führung zu schwerwiegenden und heiklen Fragen der christlichen Moral geschaffen worden ist, auch dazu führt, das echte Sündenbewusstsein zu mindern und nahezu auszulöschen? Es sollen auch nicht einige Mängel in der Praxis des Bußsakramentes verschwiegen werden: so zum Beispiel die Tendenz, die kirchliche Dimension von Sünde und Bekehrung zu verdunkeln, indem man sie zu rein individuellen Angelegenheiten macht, oder umgekehrt die Tendenz, die personale Tragweite von Gut und Böse aufzuheben, indem man ausschließlich ihre gemeinschaftliche Dimension beachtet; solcherart ist auch die nie ganz gebannte Gefahr eines gewohnheitsmäßigen Ritualismus, der dem Bußsakrament seine volle Bedeutung und seine formende Kraft nimmt.

Das echte Sündenbewusstsein wieder neu zu formen, das ist die erste Weise, um die schwere geistige Krise, die den Menschen unserer Zeit bedrückt, anzugehen. Das Sündenbewusstsein stellt man aber nur durch eine klare Berufung auf unaufgebbare Prinzipien der Vernunft und des Glaubens wieder her, wie die Morallehre der Kirche sie immer vertreten hat.

Es besteht die berechtigte Hoffnung, dass vor allem im christlichen und kirchlichen Bereich ein gesundes Sündenbewusstsein wieder aufbricht. Dem dienen eine gute Katechese, erhellt durch die biblische Theologie des Bundes, ein aufmerksames Hören auf das Lehramt der Kirche, das unaufhörlich den Gewissen Licht bietet, und eine vertrauensvolle Annahme ihres Wortes sowie eine immer sorgfältigere Praxis des Bußsakramentes.

ZWEITES KAPITEL: GEHEIMNIS DES GLAUBENS

19. Um die Sünde zu erkennen, mussten wir unseren Blick auf ihre Natur richten, wie sie uns die Offenbarung der Heilsökonomie hat erkennen lassen: sie ist Geheimnis des Bösen. In dieser Ökonomie ist die Sünde aber nicht der Haupthandelnde und noch weniger der Sieger. Sie hat einen Gegenspieler in einem anderen Wirkprinzip, das wir - um einen schönen und suggestiven Ausdruck des hl. Paulus zu benutzen - das Geheimnis oder Sakrament des Glaubens nennen können. Die Sünde des Menschen wäre siegreich und am Ende zerstörerisch, der Heilsplan Gottes würde unvollkommen bleiben und sogar vereitelt werden, wenn dieses Geheimnis des Glaubens nicht seinen Platz in der Dynamik der Geschichte erhalten hätte, um die Sünde des Menschen zu besiegen.

Wir finden diesen Ausdruck in einem der Pastoralbriefe des hl. Paulus, im 1. Brief an Timotheus. Er tritt unerwartet auf, wie durch eine plötzliche Eingebung. Der Apostel hat nämlich vorher lange Abschnitte seiner Botschaft seinem Lieblingsjünger gewidmet, um ihm die Bedeutung der Gemeindeordnung (die liturgische und die mit ihr verbundene hierarchische) zu erklären; er hat also von der Aufgabe der Gemeindeleiter, vor allem der Diakone, gesprochen, um schließlich das Verhalten von Timotheus selber in »der Kirche des lebendigen Gottes, die die Säule und das Fundament der Wahrheit ist«, zu behandeln. Da ruft er am Ende des Abschnittes unvermittelt und doch wohlbedacht aus, was allem, das er geschrieben hat, einen besonderen Sinn gibt: »Wahrhaftig, das Geheimnis unseres Glaubens ist groß...«.<ref>{{#ifeq: 1. Brief des Paulus an Timotheus | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: 1 Tim|1 Tim|1. Brief des Paulus an Timotheus}}|{{#if: 1 Tim |1 Tim|1. Brief des Paulus an Timotheus}}}} 3{{#if:15 f|,15 f}} Tim%203{{#if:15 f|,15 f}}/anzeige/context/#iv EU | BHS =bibelwissenschaft.de">Tim%203{{#if:15 f|,15 f}}/anzeige/context/#iv EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref>

Ohne den wörtlichen Sinn des Textes im geringsten zu verraten, können wir diese großartige theologische Intuition des Apostels zu einer umfassenderen Sicht von der Aufgabe ausweiten, die der von ihm verkündeten Wahrheit in der Heilsökonomie zukommt. »Wahrhaftig«, wiederholen wir mit dem Apostel, »das Geheimnis unseres Glaubens ist groß«, weil es die Sünde besiegt.

Was aber ist nach paulinischer Auffassung dieser »Glaube«?

Er ist Christus selber

20. Es ist von tiefer Bedeutung, dass Paulus zur Beschreibung dieses »Geheimnisses des Glaubens«, ohne eine grammatikalische Verbindung mit dem vorhergehenden Text herzustellen,<ref>Der Text bereitet darum der Interpretation eine gewisse Schwierigkeit: Das Relativpronomen, das das wörtliche Zitat eröffnet, stimmt nicht mit dem Neutrum mysterion überein. Einige späte Manuskripte haben den Text verändert, um ihn grammatikalisch zu verbessern; Paulus aber ging es lediglich darum, seinem Text einen anderen, angesehenen, zur Seite zu stellen, der für ihn vollkommen klar war.</ref> drei Verse eines Christushymnus wörtlich zitiert, der nach der Meinung von Fachleuten in den hellenistisch-christlichen Gemeinden in Gebrauch war.

Mit den Worten jenes Hymnus, der reich an theologischem Inhalt und voll edler Schönheit ist, bekannten die Gläubigen des ersten Jahrhunderts ihren Glauben an das Geheimnis Christi:

  • dass er sich in der Wirklichkeit des menschlichen Fleisches geoffenbart hat und vom Heiligen Geist zum Gerechten bestellt worden ist, der sich für die Ungerechten hingibt;
  • dass er den Engeln erschienen ist, größer als sie, und den Heiden als Vermittler des Heils verkündet worden ist;
  • dass er in der Welt als Gesandter des Vaters geglaubt und vom Vater selbst als der Herr in den Himmel aufgenommen worden ist.<ref>Die Urkirche glaubt an den verherrlichten Gekreuzigten, den die Engel anbeten und der Herr ist. Das erregende Moment dieser Botschaft bleibt aber, dass er sich »im Fleisch offenbart« hat: Das »große Geheimnis« besteht dann, dass der ewige Sohn Gottes Mensch geworden ist.</ref>

Das Geheimnis oder Sakrament des Glaubens ist deshalb das Geheimnis Christi selber. Es ist in einer gedrängten Synthese das Geheimnis der Menschwerdung und der Erlösung, des vollen Ostergeschehens Jesu, des Sohnes Gottes und des Sohnes Marias: Geheimnis seines Leidens und Sterbens, seiner Auferstehung und Verherrlichung. Was der hl. Paulus durch die Zitation dieser Sätze des Hymnus hat unterstreichen wollen, ist dies, dass dieses Geheimnis das verborgene Lebensprinzip ist, das die Kirche zum Hauswesen Gottes, zur Säule und zum Fundament der Wahrheit macht. In der Linie der paulinischen Unterweisung können wir sagen, dass dieses Geheimnis des unendlichen Erbarmens Gottes uns gegenüber imstande ist, bis zu den verborgensten Wurzeln unserer Bosheit vorzudringen, um die Seele zur Bekehrung zu bewegen, um sie zu erlösen und zur Versöhnung zu führen.

Indem sich der hl. Johannes ohne Zweifel auf dieses Geheimnis bezog, konnte auch er in der ihm charakteristischen Sprache, die von der des hl. Paulus verschieden ist, schreiben: »Wer von Gott stammt, sündigt nicht, sondern der von Gott Gezeugte bewahrt ihn, und der Böse tastet ihn nicht an«.<ref>{{#ifeq: 1. Brief des Johannes | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: 1 Joh|1 Joh|1. Brief des Johannes}}|{{#if: 1 Joh |1 Joh|1. Brief des Johannes}}}} 5{{#if:18|,18}} Joh%205{{#if:18|,18}}/anzeige/context/#iv EU | BHS =bibelwissenschaft.de">Joh%205{{#if:18|,18}}/anzeige/context/#iv EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref> In dieser Aussage des Johannes liegt ein Zeichen von Hoffnung, die auf den göttlichen Verheißungen gründet: Der Christ hat die Zusicherung und die notwendigen Kräfte erhalten, nicht zu sündigen. Es handelt sich hier also nicht um eine durch eigene Tugend erworbene Sündenlosigkeit oder gar um eine solche, die dem Menschen angeboren wäre, wie die Gnostiker meinten. Sie ist ein Ergebnis des Handelns Gottes. Um nicht zu sündigen, verfügt der Christ über die Kenntnis Gottes, erinnert der hl. Johannes an derselben Stelle. Kurz vorher aber hatte er geschrieben: »Jeder, der von Gott stammt, tut keine Sünde, weil Gottes Same in ihm bleibt«.<ref>{{#ifeq: 1. Brief des Johannes | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: 1 Joh|1 Joh|1. Brief des Johannes}}|{{#if: 1 Joh |1 Joh|1. Brief des Johannes}}}} 3{{#if:9|,9}} Joh%203{{#if:9|,9}}/anzeige/context/#iv EU | BHS =bibelwissenschaft.de">Joh%203{{#if:9|,9}}/anzeige/context/#iv EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref> Wenn wir unter diesem »Samen Gottes«, wie einige Kommentatoren vorschlagen, Jesus, den Sohn Gottes, verstehen, können wir also sagen, dass der Christ, um nicht zu sündigen - oder sich von der Sünde zu befreien - über die innere Gegenwart von Christus selbst und vom Geheimnis Christi verfügt, das Geheimnis des Glaubens ist.

Das Bemühen des Christen

21. Es gibt im Geheimnis des Glaubens aber noch eine andere Seite: Das Erbarmen Gottes dem Christen gegenüber muss eine Antwort in der Frömmigkeit des Christen Gott gegenüber finden. In dieser zweiten Bedeutung besagt die »pietas« (eusébeia) das Verhalten des Christen, der auf das väterliche Erbarmen Gottes mit kindlicher Frömmigkeit antwortet.

Auch in diesem Sinn können wir mit dem hl. Paulus sagen, dass »das Geheimnis unseres Glaubens groß ist«. Auch in diesem Sinn wendet sich die Frömmigkeit als Kraft der Bekehrung und Versöhnung gegen die Bosheit und die Sünde. Auch in diesem Fall sind die wesentlichen Aspekte des Geheimnisses Christ in dem Sinn Gegenstand der Frömmigkeit, dass der Christ das Geheimnis annimmt, es betrachtet und daraus die notwendige geistige Kraft schöpft, um nach dem Evangelium zu leben. Auch hier muss man sagen, dass, »wer von Gott stammt, keine Sünde tut«; diese Aussage aber hat einen imperativen Sinn: Gestärkt vom Geheimnis Christi wie von einer inneren Quelle geistiger Kraft ist der Christ gewarnt zu sündigen, ja er erhält sogar das Gebot, nicht zu sündigen, sondern sich würdig zu verhalten »im Hauswesen Gottes, das heißt in der Kirche des lebendigen Gottes«,<ref>{{#ifeq: 1. Brief des Paulus an Timotheus | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: 1 Tim|1 Tim|1. Brief des Paulus an Timotheus}}|{{#if: 1 Tim |1 Tim|1. Brief des Paulus an Timotheus}}}} 3{{#if:15|,15}} Tim%203{{#if:15|,15}}/anzeige/context/#iv EU | BHS =bibelwissenschaft.de">Tim%203{{#if:15|,15}}/anzeige/context/#iv EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref> da er ein »Kind Gottes« ist.

Unterwegs zu einem versöhnten Leben

22. So öffnet das Wort der Schrift, indem es uns das Geheimnis des Glaubens offenbart, den menschlichen Verstand für die Bekehrung und die Versöhnung, verstanden nicht als abstrakte Größen, sondern als konkrete christliche Werte, die es in unserem Alltag zu erwerben gilt.

Bedroht vom Verlust des Sündenbewusstseins und zuweilen versucht von einer wenig christlichen Illusion von Sündenlosigkeit haben es auch die Menschen von heute nötig, die Ermahnung des hl. Johannes als an jeden persönlich gerichtet neu zu hören: »Wenn wir sagen, dass wir keine Sünde haben, führen wir uns selbst in die Irre, und die Wahrheit ist nicht in uns«,<ref>{{#ifeq: 1. Brief des Johannes | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: 1 Joh|1 Joh|1. Brief des Johannes}}|{{#if: 1 Joh |1 Joh|1. Brief des Johannes}}}} 1{{#if:8|,8}} Joh%201{{#if:8|,8}}/anzeige/context/#iv EU | BHS =bibelwissenschaft.de">Joh%201{{#if:8|,8}}/anzeige/context/#iv EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref> ja sogar »die ganze Welt steht unter der Macht des Bösen«.<ref>{{#ifeq: 1. Brief des Johannes | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: 1 Joh|1 Joh|1. Brief des Johannes}}|{{#if: 1 Joh |1 Joh|1. Brief des Johannes}}}} 5{{#if:19|,19}} Joh%205{{#if:19|,19}}/anzeige/context/#iv EU | BHS =bibelwissenschaft.de">Joh%205{{#if:19|,19}}/anzeige/context/#iv EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref> Jeder ist also durch die Stimme der göttlichen Wahrheit eingeladen, realistisch sein Gewissen zu erforschen und zu bekennen, dass er in Schuld geboren ist, wie wir im Psalm Miserere beten.<ref>Vgl. {{#ifeq: Buch der Psalmen | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: Ps|Ps|Buch der Psalmen}}|{{#if: Ps |Ps|Buch der Psalmen}}}} 51{{#if:7|,7}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref>

Dennoch können sich die Menschen von heute, die von Furcht und Verzweiflung bedrängt sind, durch die göttliche Verheißung aufgerichtet fühlen, die ihnen die Hoffnung auf die volle Versöhnung schenkt.

Das Geheimnis des Glaubens von seiten Gottes ist jene Barmherzigkeit, an der der Herr, unser Vater, - ich wiederhole es noch einmal - unendlich reich ist.<ref>Vgl. {{#ifeq: Brief des Apostels Paulus an die Epheser | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: Eph|Eph|Brief des Apostels Paulus an die Epheser}}|{{#if: Eph |Eph|Brief des Apostels Paulus an die Epheser}}}} 2{{#if:4|,4}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref> Wie ich in meiner Enzyklika, die dem Thema der göttlichen Barmherzigkeit gewidmet ist,<ref>Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Dives in misericordia, 8; 15:AAS 72 (1980) 1203-1207; 1231.</ref> gesagt habe, ist dies eine Liebe, die stärker ist als die Sünde, stärker als der Tod. Wenn wir erkennen, dass die Liebe, die Gott zu uns hat, vor unserer Sünde nicht Halt macht, vor unseren Beleidigungen nicht zurückweicht, sondern an Sorge und hochherziger Zuwendung noch wächst; wenn wir uns bewusst werden, dass diese Liebe sogar das Leiden und den Tod des menschgewordenen Wortes bewirkt hat, das bereit war, uns um den Preis seines Blutes zu erlösen, dann rufen wir voller Dankbarkeit aus: »Ja, der Herr ist reich an Erbarmen« und sagen sogar: »Der Herr ist Barmherzigkeit«.

Das Geheimnis des Glaubens ist der offene Weg von der göttlichen Barmherzigkeit zum versöhnten Leben.

DRITTER TEIL: DIE PASTORAL DER BUSSE UND DER VERSÖHNUNG

Die Förderung von Buße und Versöhnung

23. Es ist die wesentliche Aufgabe der Kirche, den Menschen im Herzen zu Umkehr und Buße zu führen und ihm das Geschenk der Versöhnung anzubieten, wodurch sie das Erlösungswerk ihres göttlichen Stifters fortsetzt. Dies ist eine Sendung, die sich nicht in einigen theoretischen Aussagen und in der Verkündigung eines ethischen Ideals erschöpft, welche von keinen wirksamen Kräften begleitet ist. Sie zielt vielmehr darauf ab, sich für eine konkrete Praxis der Buße und der Versöhnung in bestimmten Amtshandlungen auszudrücken.

Diesen amtlichen Dienst, der auf den oben dargelegten Glaubensprinzipien gründet und von ihnen erleuchtet wird, der auf bestimmte Ziele ausgerichtet und durch angemessene Mittel gestützt wird, können wir als eine Pastoral der Buße und der Versöhnung bezeichnen. Ihr Ausgangspunkt ist die Überzeugung der Kirche, dass der Mensch, an den sich jede Form der Pastoral, hauptsächlich aber die Pastoral der Buße und der Versöhnung richtet, der von der Sünde gezeichnete Mensch ist, dessen typisches Bild wir im König David finden. Vom Propheten Nathan zurechtgewiesen, ist er bereit, sich mit den eigenen ruchlosen Vergehen auseinanderzusetzen, und bekennt: »Ich habe gegen den Herrn gesündigt«.<ref>{{#ifeq: 2. Buch Samuel | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: 2 Sam|2 Sam|2. Buch Samuel}}|{{#if: 2 Sam |2 Sam|2. Buch Samuel}}}} 12{{#if:13|,13}} Sam%2012{{#if:13|,13}}/anzeige/context/#iv EU | BHS =bibelwissenschaft.de">Sam%2012{{#if:13|,13}}/anzeige/context/#iv EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref> Er ruft aus: »Ich erkenne meine bösen Taten, meine Sünde steht mir immer vor Augen«;<ref>{{#ifeq: Buch der Psalmen | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: Ps|Ps|Buch der Psalmen}}|{{#if: Ps |Ps|Buch der Psalmen}}}} 51{{#if:5|,5}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref> aber er bittet auch: »Entsündige mich mit Ysop, dann werde ich rein; wasche mich, dann bin ich weißer als Schnee«,<ref>{{#ifeq: Buch der Psalmen | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: Ps|Ps|Buch der Psalmen}}|{{#if: Ps |Ps|Buch der Psalmen}}}} 51{{#if:9|,9}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref> und er erhält die Antwort der göttlichen Barmherzigkeit: »Der Herr hat dir deine Sünde vergeben; du wirst nicht sterben«.<ref>{{#ifeq: 2. Buch Samuel | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: 2 Sam|2 Sam|2. Buch Samuel}}|{{#if: 2 Sam |2 Sam|2. Buch Samuel}}}} 12{{#if:13|,13}} Sam%2012{{#if:13|,13}}/anzeige/context/#iv EU | BHS =bibelwissenschaft.de">Sam%2012{{#if:13|,13}}/anzeige/context/#iv EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref>

Die Kirche findet also einen Menschen - eine ganze Welt des Menschen - vor, der von der Sünde verwundet und von ihr in seinem innersten Sein getroffen ist, der aber zugleich von einem unbändigen Wunsch nach Befreiung von der Sünde erfüllt ist. Vor allem wenn er Christ ist, ist er sich auch dessen bewusst, dass das Geheimnis der Barmherzigkeit, Christus, der Herr, schon in ihm und in der Welt mit der Kraft der Erlösung am Werk ist.

Die versöhnende Funktion der Kirche muss somit jenen inneren Zusammenhang beachten, der die Verzeihung und die Vergebung der Sünde jedes Menschen eng mit der grundsätzlichen und vollen Versöhnung der Menschheit verbindet, die mit der Erlösung geschehen ist. Dieser Zusammenhang lässt uns verstehen, dass aufgrund der Tatsache, dass die Sünde das aktive Prinzip der Entzweiung ist - Entzweiung zwischen dem Menschen und dem Schöpfer, Entzweiung im Herzen und im Sein des Menschen, Entzweiung zwischen den einzelnen Menschen und Gruppen, Entzweiung zwischen dem Menschen und der von Gott geschaffenen Natur -, nur die Bekehrung von der Sünde imstande ist, dort, wo eine solche Entzweiung eingetreten ist, eine tiefe und dauerhafte Versöhnung zu bewirken.

Es ist nicht nötig zu wiederholen, was ich schon über die Bedeutung des »Dienstes der Versöhnung«<ref>Vgl. {{#ifeq: 2. Brief des Paulus an die Korinther | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: 2 Kor|2 Kor|2. Brief des Paulus an die Korinther}}|{{#if: 2 Kor |2 Kor|2. Brief des Paulus an die Korinther}}}} 5{{#if:18|,18}} Kor%205{{#if:18|,18}}/anzeige/context/#iv EU | BHS =bibelwissenschaft.de">Kor%205{{#if:18|,18}}/anzeige/context/#iv EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref> und der entsprechenden Pastoral gesagt habe, die diesen Dienst im Bewusstsein und im Leben der Kirche konkretisiert. Die Kirche würde in einem ihrer wesentlichen Aspekte und in einer unentbehrlichen Funktion versagen, wenn sie nicht klar und entschlossen, gelegen oder ungelegen, die »Botschaft der Versöhnung«<ref>Vgl. {{#ifeq: 2. Brief des Paulus an die Korinther | Reconciliatio et paenitentia (Wortlaut) |{{#if: 2 Kor|2 Kor|2. Brief des Paulus an die Korinther}}|{{#if: 2 Kor |2 Kor|2. Brief des Paulus an die Korinther}}}} 5{{#if:19|,19}} Kor%205{{#if:19|,19}}/anzeige/context/#iv EU | BHS =bibelwissenschaft.de">Kor%205{{#if:19|,19}}/anzeige/context/#iv EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref> verkündete und der Welt das Geschenk der Versöhnung nicht anbieten würde. Es ist sinnvoll, daran zu erinnern, dass sich diese Bedeutung des kirchlichen Dienstes der Versöhnung über die Grenzen der Kirche hinaus auf die ganze Welt erstreckt.

Von der Pastoral der Buße und der Versöhnung zu sprechen, bedeutet also, auf die Gesamtheit der Aufgaben hinzuweisen, die der Kirche auf allen Ebenen obliegen, um beides zu fördern. Noch konkreter, von dieser Pastoral sprechen heißt, alle Handlungen in Erinnerung zu rufen, wodurch die Kirche durch alle und jedes einzelne ihrer Glieder - Hirten und Gläubige auf allen Ebenen und in allen Bereichen - und mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln - Wort und Tat, Unterweisung und Gebet - die Menschen, einzeln oder in Gruppen, zu wahrer Buße führt und sie so auf den Weg zur vollen Versöhnung geleitet.

Die Bischöfe der Synode haben sich als Vertreter ihrer Mitbrüder im Bischofsamt, der Hirten des ihnen anvertrauten Volkes, mit dieser Pastoral in ihren mehr praktischen und konkreten Elementen befasst. Mit Freude pflichte ich ihnen bei und teile ihre Sorgen und Hoffnungen. Ich nehme die Frucht ihrer Untersuchungen und Erfahrungen entgegen und ermutige sie in ihren Plänen und Initiativen. Mögen sie in diesem Teil des Apostolischen Schreibens jenen Beitrag wiederfinden, den sie selber für die Synode geleistet haben, einen Beitrag, dessen Nutzen ich durch diese Seiten der ganzen Kirche zugänglich machen möchte.

Deshalb möchte ich das Wesen der Pastoral der Buße und der Versöhnung darlegen, indem ich mit der Synode die beiden folgenden Punkte besonders behandle:

1. Die von der Kirche benutzten Mittel und Wege, um Buße und Versöhnung zu fördern.

2. Das eigentliche Sakrament der Buße und Versöhnung.

[Fortsetzung folgt]

Anmerkungen

<references />