Gaudium et spes: Unterschied zwischen den Versionen

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Nach den Anfangsworten '''Gaudium et spes''' (Freude und Hoffnung) wird die Pastoralkonstitution des [[II. Vatikanum]] zitiert. Erst zur letzten Sitzung des Konzils am 7. Dezember 1965 verabschiedungsreif, prägte das Bemühen um diese pastorale "Ansprache" an die ''Welt von heute'' das Profil des ganzen Konzils mit, von den ersten Anfängen an.
 
Nach den Anfangsworten '''Gaudium et spes''' (Freude und Hoffnung) wird die Pastoralkonstitution des [[II. Vatikanum]] zitiert. Erst zur letzten Sitzung des Konzils am 7. Dezember 1965 verabschiedungsreif, prägte das Bemühen um diese pastorale "Ansprache" an die ''Welt von heute'' das Profil des ganzen Konzils mit, von den ersten Anfängen an.
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== keine Lehrverurteilungen ==
  
 
Recht früh fiel die Entscheidung, bestärkt durch Papst [[Johannes XXIII.]], die modernen Zeitirrtümer nicht in Einzelsätzen durch das Konzil zu verurteilen, nicht einmal explizit den [[Kommunismus]].  
 
Recht früh fiel die Entscheidung, bestärkt durch Papst [[Johannes XXIII.]], die modernen Zeitirrtümer nicht in Einzelsätzen durch das Konzil zu verurteilen, nicht einmal explizit den [[Kommunismus]].  
  
Das Verhältnis der Kirche zur modernen Welt kam vor dem II. Vatikanum insbesondere in drei Dokumenten der Päpste zum Ausdruck: im mit der Enzyklika [[Quanta cura]] verbundenen [[Syllabus errorum]] Papst [[Pius IX.]] von 1864, in der Enzyklika [[Pascendi]] [[Pius X.]] und in der Enzyklika [[Humani generis]] [[Pius XII.]] von 1950. Während der Syllabus eindeutig und eindringlich auf politisch-gesellschaftliche Fragen übergreift, blieben die beiden anderen Mahnworte streng an theologischen Problemen der Moderne orientiert. Denn [[Leo XIII.]], der erste Nachfolger Pius IX., hatte bereits die im engeren Sinne sozialen, gesellschaftlichen Fragen genauer von der dogmatischen Lehrverkündigung unterschieden, also die neuere [[Soziallehre]] der Kirche begründet. Mittelbar bedeuteten jedoch auch die Lehrverurteilungen durch Pius X. und die Mahnungen (ohne Verurteilungen) Pius XII. eine Maßnahme der Abgrenzung von modernen Daseinsauffassungen.
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Das Verhältnis der Kirche zur modernen Welt kam vor dem II. Vatikanum insbesondere in drei Dokumenten der Päpste eher defensiv zum Ausdruck: im mit der Enzyklika [[Quanta cura]] verbundenen [[Syllabus errorum]] Papst [[Pius IX.]] von 1864, in der Enzyklika [[Pascendi]] [[Pius X.]] und in der Enzyklika [[Humani generis]] [[Pius XII.]] von 1950. Während der Syllabus eindeutig und eindringlich auf politisch-gesellschaftliche Fragen übergreift, blieben die beiden anderen Mahnworte streng an theologischen Problemen der Moderne orientiert. Denn [[Leo XIII.]], der erste Nachfolger Pius IX., hatte bereits die im engeren Sinne sozialen, gesellschaftlichen Fragen genauer von der dogmatischen Lehrverkündigung unterschieden, also die neuere [[Soziallehre]] der Kirche begründet. Mittelbar bedeuteten jedoch auch die Lehrverurteilungen durch Pius X. und die Mahnungen (ohne Verurteilungen) Pius XII. eine Maßnahme der Abgrenzung von modernen Daseinsauffassungen.
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Obzwar durchweg um einen pastoralen, vielleicht sogar zu werbenden Ton bemüht, fehlt jedoch auch in ''Gaudium et spes'' die Distanznahme zu modernen Erscheinungen nicht. Die vehementen Forderungen nach [[Gerechtigkeit]] und [[Frieden]], die Bekräftigung der katholischen [[Ehe]]lehre und die Erinnerung an die [[Erbsünde]] sind dafür Beispiele, nämlich einer notwendigen [[Intransigenz]] inmitten des pastoralen Dialogs.
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== kirchlicher ''Weltauftrag'' ==
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In der zeitgenössischen Rezeption der Pastoralkonstitution wurde aber vor allem die, auch beabsichtigte, Selbstkorrektur (in Darstellung und Methode) der kirchlichen Botschaft bemerkt. Eilig wurde diese jedoch in manchen Weltgegenden als "grünes Licht" zur Mitarbeit an der modernen Zivilisation, wie sie gegenwärtig gegeben ist, ausgelegt. Über die eigentliche Zielsetzung hinaus, wurde die Konstitution also. im Namen des ''Weltauftrags'' der Kirche, als Ermächtigung interpretiert, als sei auch dem Christen heute alles Zeitgemäße erlaubt, in Lehre und Moral, solange er nur "guten Willens" bleibe.
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Bei dieser allgemein verbreiteten, progressiven Interpretation blieb hingegen die Sensation fast unbemerkt, dass das Konzil sich mit ''Gaudium et spes'' überhaupt in größter Breite zu 'weltlichen' Themenkomplexen äußert. Somit bleibt der öffentliche Anspruch der Kirche, der vom Papsttum seit jeher, mit großer Deutlichkeit seit 1075 (''dictatus papae''), dann wieder in der Gegenreformation und vom [[I. Vatikanum]], gelehrt wurde und ununterbrochen erhoben wurde, feierlich bekräftigt; vielleicht sogar bis zur Grenze der Kompetenzüberschreitung?
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== bleibende Bedeutung ==
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Die bleibende Bedeutung der Pastoralkonstitution besteht vermutlich in der Tatsache, dass ein Konzil dem kirchlichen Amt die Zuständigkeit für diese ''weltlichen'' Fragen in solcher Vollständigkeit und Reichweite zuschreibt, wenn auch unter zugleich eingestandenem Respekt für die relative Autonomie der ''weltlichen'' Sachbereiche. Das päpstliche Lehramt, zum Teil durch die [[Bischofssynode]] gestützt, hat daran seither wiederholt angeknüpft, zuletzt [[Benedikt XVI.]] bereits in seiner Antrittsenzyklika (insb. Nr. 26 ff.).  
  
Obzwar durchweg um einen pastoralen, vielleicht sogar zu werbenden Ton bemüht, fehlt jedoch auch in ''Gaudium et spes'' die Distanznahme zu modernen Erscheinungen nicht. Die vehementen Forderungen nach Gerechtigkeit und Frieden, die Bekräftigung der katholischen Ehelehre und die Erinnerung an die Erbsünde sind dafür Beispiele, nämlich einer notwendigen [[Intransigenz]] inmitten des pastoralen Dialogs. In der zeitgenössischen Rezeption der Pastoralkonstitution wurde aber vor allem die, auch beabsichtigte, Selbstkorrektur (in Darstellung und Methode) der kirchlichen Botschaft bemerkt. Voreilig wurde diese jedoch in manchen Weltgegenden als "grünes Licht" zur Mitarbeit an der modernen Zivilisation, wie sie gegenwärtig gegeben ist, ausgelegt. Über die eigentliche Zielsetzung hinaus, wurde die Konstitution als Ermächtigung interpretiert, als sei auch dem Christen heute alles Moderne erlaubt, in Lehre und Moral, solange er nur "guten Willens" bleibe.
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Ungeachtet der partiell veralteten Diktion, die vielleicht schon 1965 nicht ganz auf der Höhe der Zeit war, macht die Kirche in ''Gaudium et spes'' geltend, dass sie im Namen Christi  ein Wort für die ganze Welt zu sagen hat, aber auch von der Welt lernen will. Die gegenseitigen Lernfortschritte im Dialog sind sicherlich bereits in Gang gekommen, wenn auch Episkopat und Klerus, vor allem aber Strömungen der modernen Theologie (vgl. [[Holländischer Katechismus]]), teilweise zunächst nur das "Startsignal" für ein "Wir auch" wahrzunehmen schienen.
  
In dieser allgemeinen Interpretation blieb hingegen die Sensation unbemerkt, dass das Konzil sich mit ''Gaudium et spes'' überhaupt in größter Breite zu 'weltlichen' Themenkomplexen äußert. Somit bleibt der öffentliche Anspruch der Kirche, der vom Papsttum seit jeher, mit großer Deutlichkeit seit 1075 (''dictatus papae''), dann wieder in der Gegenreformation und vom [[I. Vatikanum]], gelehrt wurde und ununterbrochen erhoben wurde, feierlich bekräftigt.  
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Die katholische Kirche wird heute vielerorts in der Öffentlichkeit sogar eher als mitwirkende Kraft ''mitten in der Welt'' wahrgenommen denn als geistliches Reservat.
  
Die bleibende Bedeutung der Pastoralkonstitution besteht somit in der Tatsache, dass ein Konzil dem kirchlichen Amt die Zuständigkeit für diese Fragen in solcher Vollständigkeit und Reichweite zuschreibt, wenn auch unter Respekt für die relative Autonomie der ''weltlichen'' Sachbereiche. Das päpstliche Lehramt, zum Teil durch die [[Bischofssynode]] gestützt, hat daran seither wiederholt angeknüpft, zuletzt [[Benedikt XVI.]] bereits in seiner Antrittsenzyklika (insb. Nr. 26 ff.). Ungeachtet der partiell veralteten Diktion, die vielleicht schon 1965 nicht ganz auf der Höhe der Zeit war, macht die Kirche in ''Gaudium et spes'' geltend, dass sie ein Wort für die ganze Welt zu sagen hat, aber auch von der Welt lernen will. Die gegenseitigen Lernfortschritte im Dialog sind sicherlich bereits in Gang gekommen, wenn auch Episkopat und Klerus, vor allem aber Strömungen der modernen Theologie (vgl. [[Holländischer Katechismus]]), teilweise zunächst nur das "Startsignal" für ein "Wir auch" wahrzunehmen schienen.
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== bleibende Problematik ==
  
Möglicherweise sind längst verdeckt vorhandene Krisenerscheinungem des kirchlichen Amts seit dem Vatikanum I (1869-70) durch das [[Pastoralkonzil]] nicht mehr in kurzer Frist zu heilen gewesen. Seine Zielsetzung war aber die Kräftigung der Wirkungsbreite des kirchlichen Auftrags in der Zivilisation der Gegenwart.
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Möglicherweise sind längst verdeckt vorhandene Krisenerscheinungem des kirchlichen Amts seit dem Vatikanum I (1869-70) durch das ''Pastoralkonzil'' nicht mehr in kurzer Frist zu heilen gewesen. Die Zielsetzung, wie sie in ''Gaudium et spes'' zum Ausdruck kommt, war aber die Kräftigung der Wirkungsbreite des kirchlichen Auftrags in der Zivilisation der Gegenwart.
  
Was nun die Welt von "heute" kennzeichnet, an die sich das Konzil wandte, so greift eine Deutung zu kurz, die darin nur die konkrete Nachkriegsepoche seit 1945 sehen will. Sicherlich war teilweise ein Reformstau aufzulösen, auch eine Anpassung notwendig (zur Ökumene, im interreligiösen Dialog, bei ziviler Religionsfreiheit). Doch das "heute" des Konzils meint nicht eine Saison, nicht einmal die Zeit nach der frz. Revolution. Die heutige Zeit zeichnet sich gegenüber allen Zeitaltern zuvor dadurch aus, dass die global vereinte Menschheit, die [[Völkergemeinschaft]], sich soweit fortentwickelt hat, dass sie stets von der Vernichtung der gesamten Zivilisation bedroht ist. Der 6. August 1945 ("Hiroshima") bezeichnet somit fast das Datum einer zweiten [[Ursünde]]. Nicht mehr nur der einzelnen Mensch ist von Sünde und Tod bedroht, sondern die ganze Menschheit. Ihr will die Kirche dienen.
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Was nun die Welt von "heute" kennzeichnet, an die sich das Konzil wandte, so greift eine Deutung zu kurz, die darin nur die konkrete Nachkriegsepoche seit 1945 sehen will. Sicherlich war teilweise ein Reformstau aufzulösen, auch eine Anpassung notwendig (zugunsten der Ökumene, im interreligiösen Dialog, bei ziviler Religionsfreiheit). Doch das "heute" des Konzils meint nicht eine Saison, eine Ära, nicht einmal die gesamte moderne Zeit nach der frz. Revolution. Die heutige Zeit zeichnet sich gegenüber allen Zeitaltern zuvor dadurch aus, dass die global vereinte Menschheit, die [[Völkergemeinschaft]], sich soweit fortentwickelt hat, dass sie stets von der Vernichtung der gesamten Zivilisation bedroht ist. Der 6. August 1945 ("Hiroshima") bezeichnet somit fast das Datum einer zweiten [[Ursünde]]. Nicht mehr nur der einzelne Mensch ist von Sünde und Tod bedroht, sondern die ganze Menschheit. Ihr also will die Kirche dienen.
  
Diese gänzlich neue Lage hat die Kirche mit einem Kraftakt von beispielloser Stärke beantwortet, mittels einer Hinwendung zur Welt, die einen Dialog vorschlägt. Diese Methode kann die ganze Menschheit zu Christus zu führen, der ihr einziger Mittler zu Gott ist. Somit stellt nicht zuletzt das Werk des Papstes [[Johannes Paul II.]] die fruchtbare Umsetzung des Konzils und insbesondere seines pastoralen Auftrags dar, wie er in ''Gaudium et spes'' seinen Ausgangspunkt (für die kommenden Jahrhunderte) genommen hat.
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Diese gänzlich neue Lage hat die Kirche im Konzil mit einem unerwarteten Kraftakt von beispielloser Mühe beantwortet, mittels einer Hinwendung zur Welt, der sie die einen Dialog über Gefahren und Rettung vorschlägt. Diese Methode kann die ganze Menschheit zu Christus zu führen, der ihr einziger Mittler zu Gott ist. Somit stellt nicht zuletzt das Werk des Papstes [[Johannes Paul II.]] die fruchtbare Umsetzung des Konzils und insbesondere seines pastoralen Auftrags dar, wie er in ''Gaudium et spes'' seinen Ausgangspunkt (für die kommenden Jahrhunderte) genommen hat.
  
 
=== Kritik ===
 
=== Kritik ===
  
Der [[Integralismus]] wie auch, aus nur scheinbar entgegengesetzten Motiven, auch ein verbreiter, diffuser "sozialer Modernismus" (dieser ist nicht zu verwechseln mit dem von naiver Wissenschaftsfrömmigkeit getragenen theologischen [[Modernismus]] um 1900), ertragen das Spannungsverhältnis nicht, dass sich aus der Aufgabe ergibt, die das Konzil der Kirche stellte. Zugleich die katholische Identität zu bewahren, die Tradition zukunftsfähig zu machen, aber auch angemessene neue Methoden für einen pastoralen Erfolg zu suchen, das ist eine so anspruchsvolle Arbeit, dass sie mancherorts zu Resignation, Relativismus oder Verbitterung führt.
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Diese Anstrengung blieb nicht ohne Kritik. Der quantitativ unbedeutende [[Integralismus]] wie auch, aus nur scheinbar entgegengesetzten Motiven, auch ein verbreiter, diffuser "sozialer Modernismus" (dieser ist nicht zu verwechseln mit dem von naiver Wissenschaftsfrömmigkeit getragenen, theologischen [[Modernismus]] um 1900), ertragen das Spannungsverhältnis nicht, dass sich aus der schwierigen Aufgabe ergibt, die das Konzil der Kirche stellte. Zugleich die katholische Identität zu bewahren, die Tradition zukunftsfähig zu machen, aber auch angemessene neue Methoden für einen pastoralen Erfolg zu suchen, das ist eine so anspruchsvolle Arbeit, dass sie mancherorts zu Resignation, Relativismus oder Verbitterung führt.
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Der Integralismus, der erst in Folge des Konzils zu einer eigenständigen, lautstarken Bewegung am Rande und außerhalb der Kirche wurde (vgl. [[Marcel Lefebvre]]), verknüpft politisch-gesellschaftliche Aussagen, die auf bestimmte Konflikte bezogen waren, mit den zentralen Glaubenswahrheiten der Kirche. Diese Erstarrung eines sich "katholisch" gerierenden Lebensgefühls, bis in die Ästhetik hinein, hat im Kern das Vertrauen auf die Realpräsenz Christi im konkreten, amtlichen Handeln der Kirche (und auf ''Seine'' Gegenwart in der [[Liturgie]]) ebenso verloren wie es dem subjektivistischen "Modernismus" vorzuhalten ist.  
  
Der Integralismus, der erst in Folge des Konzils zu einer eigenständigen, lautstarken Bewegung am Rande und außerhalb der Kirche wurde (vgl. [[Marcel Lefebvre]]), verknüpft politisch-gesellschaftliche Aussagen, die auf bestimmte Konflikte bezogen waren, mit den zentralen Glaubenswahrheiten der Kirche. Diese Erstarrung eines sich katholisch gerierenden Lebensgefühls, bis in die Ästhetik hinein, hat im Kern das Vertrauen auf die Realpräsenz Christi im konkreten, amtlichen Handeln der Kirche (und auf seine Gegenwart in der amtlichen [[Liturgie]]) ebenso verloren wie es dem subjektivistischen Modernismus vorzuhalten ist. Somit ist diese, integralistische Anschauung, wenn auch im kollektiven Tonfall vorgetragen (als "Kirche aller Zeiten"), auch nur eine auf subjektiven Kriterien aufbauende Religionsmeinung, die gerade den öffentlichen Anspruch des Christentums nicht zu erfüllen vermag. Da ''Gaudium et spes'' diesen öffentlichen Anspruch unter heutigen Gegebenheiten neu formuliert, ist dieses Dokument (neben der Liturgiekonstitution und der Erklärung zur Religionsfreiheit) das hauptsächliche Ärgernis für die integralistischen Konzilsgegner.  
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Da ''Gaudium et spes'' den öffentlichen Anspruch der Kirche unter heutigen Gegebenheiten neu formuliert, ist dieses Dokument (neben der Liturgiekonstitution und der Erklärung zur Religionsfreiheit) das hauptsächliche Ärgernis für die integralistischen Konzilsgegner.  
  
Auf dem Konzil selbst hat sich der Integralismus nicht artikuliert, da sämtliche Konzilsväter, insbesondere auch die konservative Minderheit, das katholische Gehorsamprinzip gegenüber Papst und Konzilien nie in Zweifel zogen. Unter vorgeblicher Anknüpfung an ältere Vorbilder wurde diese neue Religion eines antipäpstlichen Katholizismus "traditioneller Art" (eigentlich eine naturalistische Weltanschauung, die sich das Prädikat "übernatürlich" verleiht) erst nach dem Konzil frei erfunden. Tatsächlich ist heute dieser neue, absolut falsche Traditionsbegriff die letzte, noch greifbare Erscheinungsform der vom Protestantismus, Liberalismus und Modernismus bereits geforderten Überwindung des kirchlichen Amtes (vgl. Brief von Papst [[Paul VI.]] an Msgr. Lefebvre vom 11. Oktober 1976).
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Auf dem Konzil selbst hat sich der Integralismus nicht artikuliert, da sämtliche Konzilsväter, insbesondere auch die konservative Minderheit, das katholische Gehorsamprinzip gegenüber Papst und Konzilien nicht in Zweifel zogen. Unter vorgeblicher Anknüpfung an ältere Vorbilder wurde diese neue Religion eines antipäpstlichen Katholizismus "traditioneller Art" erst nach dem Konzil neu erfunden. Tatsächlich ist heute dieser neue, absolut falsche Traditionsbegriff die letzte, noch greifbare Erscheinungsform der vom Protestantismus, Liberalismus und Modernismus bereits geforderten Abschaffung oder faktischen Delegitimation des kirchlichen Amtes (vgl. Brief von Papst [[Paul VI.]] an Msgr. Lefebvre vom 11. Oktober 1976).
  
Diese Forderung wird von der gesamten Weltöffentlichkeit, fast allen Staaten, Völkern, Religionen und sogar von der Wissenschaft dank des Konzils (das die kirchliche Amtstätigkeit von Begriffen politischer [[Macht]] loslöste) nämlich nicht mehr erhoben.
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Diese Forderung wird von der gesamten Weltöffentlichkeit, fast allen Staaten, Völkern, Religionen und sogar von der Wissenschaft dank des Konzils (das die kirchliche Amtstätigkeit von Begriffen politischer [[Macht]] loslöste) nämlich nicht mehr erhoben: Außerhalb des Integralismus akzeptieren alle, dass Papst und Konzil berechtigt waren, dem katholischen Leben neue Ziele zu setzen, insbesondere durch ''Gaudium et spes''.
  
  
 
[[Kategorie:Lehramtstexte]]
 
[[Kategorie:Lehramtstexte]]

Version vom 22. August 2007, 09:35 Uhr

Nach den Anfangsworten Gaudium et spes (Freude und Hoffnung) wird die Pastoralkonstitution des II. Vatikanum zitiert. Erst zur letzten Sitzung des Konzils am 7. Dezember 1965 verabschiedungsreif, prägte das Bemühen um diese pastorale "Ansprache" an die Welt von heute das Profil des ganzen Konzils mit, von den ersten Anfängen an.

keine Lehrverurteilungen

Recht früh fiel die Entscheidung, bestärkt durch Papst Johannes XXIII., die modernen Zeitirrtümer nicht in Einzelsätzen durch das Konzil zu verurteilen, nicht einmal explizit den Kommunismus.

Das Verhältnis der Kirche zur modernen Welt kam vor dem II. Vatikanum insbesondere in drei Dokumenten der Päpste eher defensiv zum Ausdruck: im mit der Enzyklika Quanta cura verbundenen Syllabus errorum Papst Pius IX. von 1864, in der Enzyklika Pascendi Pius X. und in der Enzyklika Humani generis Pius XII. von 1950. Während der Syllabus eindeutig und eindringlich auf politisch-gesellschaftliche Fragen übergreift, blieben die beiden anderen Mahnworte streng an theologischen Problemen der Moderne orientiert. Denn Leo XIII., der erste Nachfolger Pius IX., hatte bereits die im engeren Sinne sozialen, gesellschaftlichen Fragen genauer von der dogmatischen Lehrverkündigung unterschieden, also die neuere Soziallehre der Kirche begründet. Mittelbar bedeuteten jedoch auch die Lehrverurteilungen durch Pius X. und die Mahnungen (ohne Verurteilungen) Pius XII. eine Maßnahme der Abgrenzung von modernen Daseinsauffassungen.

Obzwar durchweg um einen pastoralen, vielleicht sogar zu werbenden Ton bemüht, fehlt jedoch auch in Gaudium et spes die Distanznahme zu modernen Erscheinungen nicht. Die vehementen Forderungen nach Gerechtigkeit und Frieden, die Bekräftigung der katholischen Ehelehre und die Erinnerung an die Erbsünde sind dafür Beispiele, nämlich einer notwendigen Intransigenz inmitten des pastoralen Dialogs.

kirchlicher Weltauftrag

In der zeitgenössischen Rezeption der Pastoralkonstitution wurde aber vor allem die, auch beabsichtigte, Selbstkorrektur (in Darstellung und Methode) der kirchlichen Botschaft bemerkt. Eilig wurde diese jedoch in manchen Weltgegenden als "grünes Licht" zur Mitarbeit an der modernen Zivilisation, wie sie gegenwärtig gegeben ist, ausgelegt. Über die eigentliche Zielsetzung hinaus, wurde die Konstitution also. im Namen des Weltauftrags der Kirche, als Ermächtigung interpretiert, als sei auch dem Christen heute alles Zeitgemäße erlaubt, in Lehre und Moral, solange er nur "guten Willens" bleibe.

Bei dieser allgemein verbreiteten, progressiven Interpretation blieb hingegen die Sensation fast unbemerkt, dass das Konzil sich mit Gaudium et spes überhaupt in größter Breite zu 'weltlichen' Themenkomplexen äußert. Somit bleibt der öffentliche Anspruch der Kirche, der vom Papsttum seit jeher, mit großer Deutlichkeit seit 1075 (dictatus papae), dann wieder in der Gegenreformation und vom I. Vatikanum, gelehrt wurde und ununterbrochen erhoben wurde, feierlich bekräftigt; vielleicht sogar bis zur Grenze der Kompetenzüberschreitung?

bleibende Bedeutung

Die bleibende Bedeutung der Pastoralkonstitution besteht vermutlich in der Tatsache, dass ein Konzil dem kirchlichen Amt die Zuständigkeit für diese weltlichen Fragen in solcher Vollständigkeit und Reichweite zuschreibt, wenn auch unter zugleich eingestandenem Respekt für die relative Autonomie der weltlichen Sachbereiche. Das päpstliche Lehramt, zum Teil durch die Bischofssynode gestützt, hat daran seither wiederholt angeknüpft, zuletzt Benedikt XVI. bereits in seiner Antrittsenzyklika (insb. Nr. 26 ff.).

Ungeachtet der partiell veralteten Diktion, die vielleicht schon 1965 nicht ganz auf der Höhe der Zeit war, macht die Kirche in Gaudium et spes geltend, dass sie im Namen Christi ein Wort für die ganze Welt zu sagen hat, aber auch von der Welt lernen will. Die gegenseitigen Lernfortschritte im Dialog sind sicherlich bereits in Gang gekommen, wenn auch Episkopat und Klerus, vor allem aber Strömungen der modernen Theologie (vgl. Holländischer Katechismus), teilweise zunächst nur das "Startsignal" für ein "Wir auch" wahrzunehmen schienen.

Die katholische Kirche wird heute vielerorts in der Öffentlichkeit sogar eher als mitwirkende Kraft mitten in der Welt wahrgenommen denn als geistliches Reservat.

bleibende Problematik

Möglicherweise sind längst verdeckt vorhandene Krisenerscheinungem des kirchlichen Amts seit dem Vatikanum I (1869-70) durch das Pastoralkonzil nicht mehr in kurzer Frist zu heilen gewesen. Die Zielsetzung, wie sie in Gaudium et spes zum Ausdruck kommt, war aber die Kräftigung der Wirkungsbreite des kirchlichen Auftrags in der Zivilisation der Gegenwart.

Was nun die Welt von "heute" kennzeichnet, an die sich das Konzil wandte, so greift eine Deutung zu kurz, die darin nur die konkrete Nachkriegsepoche seit 1945 sehen will. Sicherlich war teilweise ein Reformstau aufzulösen, auch eine Anpassung notwendig (zugunsten der Ökumene, im interreligiösen Dialog, bei ziviler Religionsfreiheit). Doch das "heute" des Konzils meint nicht eine Saison, eine Ära, nicht einmal die gesamte moderne Zeit nach der frz. Revolution. Die heutige Zeit zeichnet sich gegenüber allen Zeitaltern zuvor dadurch aus, dass die global vereinte Menschheit, die Völkergemeinschaft, sich soweit fortentwickelt hat, dass sie stets von der Vernichtung der gesamten Zivilisation bedroht ist. Der 6. August 1945 ("Hiroshima") bezeichnet somit fast das Datum einer zweiten Ursünde. Nicht mehr nur der einzelne Mensch ist von Sünde und Tod bedroht, sondern die ganze Menschheit. Ihr also will die Kirche dienen.

Diese gänzlich neue Lage hat die Kirche im Konzil mit einem unerwarteten Kraftakt von beispielloser Mühe beantwortet, mittels einer Hinwendung zur Welt, der sie die einen Dialog über Gefahren und Rettung vorschlägt. Diese Methode kann die ganze Menschheit zu Christus zu führen, der ihr einziger Mittler zu Gott ist. Somit stellt nicht zuletzt das Werk des Papstes Johannes Paul II. die fruchtbare Umsetzung des Konzils und insbesondere seines pastoralen Auftrags dar, wie er in Gaudium et spes seinen Ausgangspunkt (für die kommenden Jahrhunderte) genommen hat.

Kritik

Diese Anstrengung blieb nicht ohne Kritik. Der quantitativ unbedeutende Integralismus wie auch, aus nur scheinbar entgegengesetzten Motiven, auch ein verbreiter, diffuser "sozialer Modernismus" (dieser ist nicht zu verwechseln mit dem von naiver Wissenschaftsfrömmigkeit getragenen, theologischen Modernismus um 1900), ertragen das Spannungsverhältnis nicht, dass sich aus der schwierigen Aufgabe ergibt, die das Konzil der Kirche stellte. Zugleich die katholische Identität zu bewahren, die Tradition zukunftsfähig zu machen, aber auch angemessene neue Methoden für einen pastoralen Erfolg zu suchen, das ist eine so anspruchsvolle Arbeit, dass sie mancherorts zu Resignation, Relativismus oder Verbitterung führt.

Der Integralismus, der erst in Folge des Konzils zu einer eigenständigen, lautstarken Bewegung am Rande und außerhalb der Kirche wurde (vgl. Marcel Lefebvre), verknüpft politisch-gesellschaftliche Aussagen, die auf bestimmte Konflikte bezogen waren, mit den zentralen Glaubenswahrheiten der Kirche. Diese Erstarrung eines sich "katholisch" gerierenden Lebensgefühls, bis in die Ästhetik hinein, hat im Kern das Vertrauen auf die Realpräsenz Christi im konkreten, amtlichen Handeln der Kirche (und auf Seine Gegenwart in der Liturgie) ebenso verloren wie es dem subjektivistischen "Modernismus" vorzuhalten ist.

Da Gaudium et spes den öffentlichen Anspruch der Kirche unter heutigen Gegebenheiten neu formuliert, ist dieses Dokument (neben der Liturgiekonstitution und der Erklärung zur Religionsfreiheit) das hauptsächliche Ärgernis für die integralistischen Konzilsgegner.

Auf dem Konzil selbst hat sich der Integralismus nicht artikuliert, da sämtliche Konzilsväter, insbesondere auch die konservative Minderheit, das katholische Gehorsamprinzip gegenüber Papst und Konzilien nicht in Zweifel zogen. Unter vorgeblicher Anknüpfung an ältere Vorbilder wurde diese neue Religion eines antipäpstlichen Katholizismus "traditioneller Art" erst nach dem Konzil neu erfunden. Tatsächlich ist heute dieser neue, absolut falsche Traditionsbegriff die letzte, noch greifbare Erscheinungsform der vom Protestantismus, Liberalismus und Modernismus bereits geforderten Abschaffung oder faktischen Delegitimation des kirchlichen Amtes (vgl. Brief von Papst Paul VI. an Msgr. Lefebvre vom 11. Oktober 1976).

Diese Forderung wird von der gesamten Weltöffentlichkeit, fast allen Staaten, Völkern, Religionen und sogar von der Wissenschaft dank des Konzils (das die kirchliche Amtstätigkeit von Begriffen politischer Macht loslöste) nämlich nicht mehr erhoben: Außerhalb des Integralismus akzeptieren alle, dass Papst und Konzil berechtigt waren, dem katholischen Leben neue Ziele zu setzen, insbesondere durch Gaudium et spes.