Gaudet mater ecclesia (Wortlaut): Unterschied zwischen den Versionen

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an die Väter des [[II. Vatikanum|Zweiten Vatikanischen Konzils]] nach der [[Heilige Messe|Heiligen Messe]] <br>
 
an die Väter des [[II. Vatikanum|Zweiten Vatikanischen Konzils]] nach der [[Heilige Messe|Heiligen Messe]] <br>
 
'''zur Eröffnung des Zweiten Vatikanischen Konzils''' <br>
 
'''zur Eröffnung des Zweiten Vatikanischen Konzils''' <br>
 
[[11. Oktober]] [[1962]]<br>
 
[[11. Oktober]] [[1962]]<br>
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(Offizieller [[latein]]ischer Text: [[AAS]] LIV [1962] p. 786-796)
  
(Offizieller lateinischer Text: [[AAS]] LIV [1962] p. 786-796)
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(Quelle: [[Herder-Korrespondenz]], [[Herder Verlag]] Freiburg im Breisgau 1962/63, Heft November 1962, S. 85-88)</center>
 
 
(An dieser Rede besteht nach damaliger vatikanischer Gepflogenheit kein Urheberrecht)</center>
 
  
 
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'''<center> Ehrwürdige Brüder! </center>'''
 
'''<center> Ehrwürdige Brüder! </center>'''
  
(1) Heute freut sich die Kirche, unsere Mutter, denn durch die besondere Gnade der göttlichen Vorsehung ist der langersehnte Tag angebrochen, an dem das Zweite Ökumenische Vatikanische Konzil feierlich hier am Grab des heiligen Petrus unter dem Schutz der jungfräulichen Gottesmutter, deren Würde wir heute feiern, beginnt.
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Es jubelt die Mutter Kirche, weil durch besondere Gnade der göttlichen Vorsehung dieser hochersehnte Tag angebrochen ist, an dem hier am Grabe des hl. Petrus unter dem Schutz der jungfräulichen Gottesmutter, deren Mutterwürde heute festlich begangen wird, das Zweite Vati­kanische Ökumenische Konzil seinen Anfang nimmt.
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== Die Ökumenischen Konzilien in der Kirche ==
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Alle Konzilien – sowohl die zwanzig Ökumenischen wie die unzähligen Provinzial- und Regionalkonzilien von nicht geringer Bedeutung -, die im Laufe der Geschichte gefeiert wurden, bezeugen offensichtlich die Lebenskraft der katholischen Kirche und zählen in ihren Annalen zu den strahlenden Lichtern.
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Der letzte geringe Nachfolger des Apostelfürsten, der zu Euch spricht, wollte bei der Einberufung dieser hochansehnlichen Versammlung wiederum, daß das kirchliche Lehramt, das niemals fehlte und das bis ans Ende der Tage bestehen wird, befestigt wird; es soll, indem es den Irrtümern, den Notwendigkeiten und Chancen unserer Zeit Rechnung trägt, durch dieses Konzil allen Menschen auf Erden in außerordentlicher Weise vorgestellt werden.
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Der Stellvertreter Christi, der zur Eröffnung dieser allgemeinen Synode zu Euch spricht, blickt natürlich in die Vergangenheit zurück und hört gleichsam jene Stimmen, die uns lebhaft ermutigen. Gern erinnert er sich der Verdienste der Päpste aus vergangenen und jüngsten Zeiten. Feierliche und ehrwürdige Stimmen sind es, deren Zeugnis in den Konzilien von Ost und West seit dem 4. Jahrhundert bis auf unsere Tage zu uns gekommen ist. Sie verkünden beständig den Ruhm dieser göttlichen und menschlichen Institution, der Kirche Christi, die vom göttlichen Erlöser Namen, Gnade und jegliche Vollmacht erhält.
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Aber neben diesen Gründen geistlicher Freude können Wir auch nicht leugnen, welche Schmerzen und Bitternisse seit 1900 Jahren in langer Reihenfolge diese Geschichte verdunkelt haben. Wahrlich, es galt und gilt immer noch, was einst der greise Simeon zu Maria, der Mutter Jesu, aus prophetischer Eingebung sagte: „Dieser ist bestimmt zum Falle und zur Auferstehung vieler und zu einem Zeichen, dem widersprochen wird“ (Luk. 2, 34). Auch Jesus selbst sagte später zum Erweis, wie die Menschen verschiedener Zeiten gegen ihn auftreten würden, diese geheimnisvollen Worte: „Wer euch hört, der hört mich“ (Luk. 10, 16), und: „Wer nicht mit mir ist, der ist gegen mich; wer nicht mit mir sammelt, der zerstreut“ (Luk. 11,23).
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Die schwersten Sorgen und Fragen, die der Menschheit zur Lösung aufgegeben sind, haben sich nach fast zwei­tausend Jahren nicht verändert. Denn Christus Jesus ist immer noch die Mitte der Geschichte. und des Lebens. Und die Menschen hängen entweder Ihm und seiner Kirche an, dann haben sie Licht, Güte und die Früchte rechter Ordnung und des Friedens, oder sie leben ohne Ihn, ja handeln Ihm entgegen und verweilen bewußt außerhalb der Kirche, dann herrscht bei ihnen Verwirrung, sie verbittern die Beziehungen untereinander und beschwören mörderische Kriege herauf.
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Jedesmal, wenn Ökumenische Konzilien begangen werden, bezeugen sie diese Vereinigung zwischen Christus und seiner Kirche in feierlicher Weise und verbreiten weithin das Licht der Wahrheit. Sie lenken das Leben der einzelnen Menschen wie der Familien und der Gesellschaft auf rechten Pfaden. Sie erwecken und stärken geistliche Kräfte und richten die Herzen beständig auf die wahren und ewigen Güter.
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Vor uns stehen die außerordentlichen Zeugnisse dieses Lehramts der Kirche bzw. der universalen Synoden in den verschiedenen Epochen dieser zwanzig Jahrhunderte christlicher Geschichte, gesammelt in vielen und eindrucksvollen Bänden, die hier in Rom wie in den berühmtesten Bibliotheken der ganzen Welt ein heiliges Erbe der kirchlichen Archive sind.
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== Entstehungsursache des Zweiten Vatikanums==
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Was die Entstehung dieses großen Ereignisses betrifft, das uns hier versammelt, so möge wiederum ein demütiges Zeugnis genügen, das Wir auch selber aus eigener Erfahrung bestätigen können: Zuerst haben Wir fast unerwartet dieses Konzil im Geiste erwogen, dann haben Wir es in schlichten Worten vor dem heiligen Kollegium der Kardinäle an jenem denkwürdigen 25. Januar 1959, am Fest der Bekehrung des hl. Apostels Paul, in eben jener St. Pauls-Basilika an der Via Ostia ausgesprochen. Sogleich wurden die Anwesenden durch eine plötzliche Bewegung des Geistes, wie vom Strahl eines überirdischen Lichtes, berührt, und alle waren freudig betroffen, wie ihre Augen und Mienen zeigten. Zugleich entbrannte in der ganzen Welt ein leidenschaftliches Interesse, und alle Menschen begannen eifrig auf die Feier des Konzils zu warten.
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Inzwischen ist in drei Jahren ein arbeitsreiches Werk zur Vorbereitung des Konzils bewältigt worden. Es führte dazu, daß genau und ausgiebig erforscht wurde, in welchem Ansehen heute der Glaube, das religiöse Leben und die Kraft des christlichen, vor allem des katholischen Volkes stehen. Daher ist uns diese Zeit der Vorbereitung des ökumenischen Konzils nicht unverdient als ein erstes Zeichen und eine Gabe himmlischer Gnade erschienen.
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Erleuchtet vom Licht des Konzils, so vertrauen Wir fest, wird die Kirche an geistlichen Gütern zunehmen und, mit neuen Kräften von daher gestärkt, unerschrocken in die Zukunft schauen. Denn durch eine angemessene Erneuerung und durch eine weise Organisation wechselseitiger Zusammenarbeit wird die Kirche erreichen, daß die Menschen, Familien und Völker sich mehr um die himmlischen Dinge sorgen.
  
== Die ökumenischen Konzilien in der Geschichte der Kirche ==
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Deshalb ist die Feier des Konzils ein Grund zu großer Dankespflicht gegenüber dem Geber alles Guten, um mit Lobgesängen die Ehre unseres Herrn Jesus Christus zu verherrlichen, der der unbesiegte und unsterbliche König der Zeiten und der Völker ist.
  
(2) Die Abfolge der einzelnen Konzilien, wie sie im Verlaufe der Geschichte gefeiert wurden - die zwanzig Ökumenischen Konzilien wie zahllose Provinzial- und Regionalkonzilien von einiger Bedeutung - bezeugt klar die Vitalität der katholischen Kirche. Sie sind markante Momente in ihrer Geschichte. Der gegenwärtige, unbedeutende Nachfolger des heiligen Petrus, der jetzt zu euch spricht, wollte mit seiner Entscheidung, eine solche feierliche Versammlung einzuberufen, die Kontinuität des kirchlichen Lehramtes von neuem bekräftigen; indem dieses nämlich die Fehlentwicklungen, die Herausforderungen und die Chancen des modernen Zeitalters berücksichtigt, zeigt es sich allen Menschen unserer Zeit auf außergewöhnliche Weise.
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== Der zeitgeschichtliche Sinn des Konzils ==
  
(3) Ganz spontan blicken wir zu Beginn dieses Allgemeinen Konzils auf die Vergangenheit zurück: wie Stimmen, deren Echo uns ermutigt, wollen wir die Erinnerung an die verdienstvollen Taten unserer Vorgänger, der Päpste aus ferner und naher Vergangenheit, wieder wachrufen. Es sind beeindruckende und verehrungswürdige Stimmen, die das Zeugnis der Konzilien des Ostens und des Westens, vom vierten Jahrhundert über das Mittelalter bis in die Neuzeit übermitteln. So verkünden sie ständig den Ruhm dieser göttlichen und menschlichen Institution, d.h. der Kirche, die von Jesus ihren Namen, ihre Gnadengaben und ihre Wesensbestimmung erhält.
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Da ist aber, ehrwürdige Brüder, noch ein anderer Punkt zu beachten, der Euch zum Verständnis hilft. Um auch Eure Freude vollkommener zu machen, die in dieser feierlichen Stunde Unser Herz erfüllt, wollen Wir hier berichten, unter welch glücklichen Umständen diese ökumenische Synode ihren Anfang nahm.
  
Obwohl wir so Grund zur Freude haben, bleibt es dennoch wahr, daß diese Geschichte der letzten neunzehn Jahrhunderte auch von bitteren Schmerzen und von Prüfungen überschattet ist. Nicht ohne Grund hat der Greis Simeon zu Maria, der Mutter Jesu, die in Vergangenheit und Gegenwart bestätigte Prophetie gesprochen: "Durch dieses Kind werden viele zu Fall kommen und viele aufgerichtet werden, und es wird ein Zeichen sein, dem widersprochen wird". (Lk 2,34). Und Jesus selbst hat in seinem öffentlichen Auftreten mit deutlichen, auf ein abgründiges Geheimnis hindeutenden Worten gesagt, wie die Menschen im Verlaufe der Jahrhunderte sich ihm gegenüber verhalten werden: "Wer nicht für mich ist, der ist gegen mich; wer nicht mit mir sammelt, der zerstreut".
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In der täglichen Ausübung Unseres apostolischen Hirtenamtes geschieht es oft, daß bisweilen Stimmen solcher Personen unser Ohr betrüben, die zwar von religiösem Eifer brennen, aber nicht genügend Sinn für die rechte Beurteilung der Dinge noch ein kluges Urteil walten lassen. Sie meinen nämlich, in den heutigen Verhältnissen der menschlichen Gesellschaft nur Untergang und Unheil zu erkennen. Sie reden unablässig davon, daß unsere Zeit im Vergleich zur Vergangenheit dauernd zum Schlechteren abgeglitten sei. Sie benehmen sich so, als hätten sie nichts aus der Geschichte gelernt, die eine Lehrmeisterin des Lebens ist, und als sei in den Zeiten früherer Konzilien, was die christliche Lehre, die Sitten und die Freiheit der Kirche betrifft, alles sauber und recht, zugegangen.
  
(4) Die große Herausforderung, vor die sich die Menschheit gestellt sieht, besteht auch nach fast 2000 Jahren unverändert weiter. In seiner Herrlichkeit macht Christus immer noch die Mitte der Geschichte und des Lebens aus. Entweder schließen sich die Menschen ihm und seiner Kirche an; dann haben sie Anteil an Einsicht, Güte, Ordnung und Frieden. Oder sie sind ohne ihn, gar gegen ihn und bewußt gegen seine Kirche; dann herrscht Verwirrung, Verwilderung der menschlichen Beziehungen und die dauernde Drohung von Kriegen der Menschen gegeneinander.
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Wir aber sind völlig anderer Meinung als diese Unglückspropheten, die immer das Unheil voraussagen, als ob die Welt vor dem Untergange stünde. In der gegenwärtigen Entwicklung der menschlichen Ereignisse, durch welche, die Menschheit in eine neue Ordnung einzutreten scheint, muß man viel eher einen verborgenen Plan der göttlichen Vorsehung anerkennen. Dieser verfolgt mit dem Ablauf der Zeiten, durch die Werke der Menschen und meist über ihre Erwartungen hinaus sein eigenes Ziel, und alles, auch die entgegengesetzten menschlichen Interessen, lenkt er weise zum Heil der Kirche.
  
Jedesmal, wenn ein Ökumenisches Konzil gefeiert wird, findet damit die Einheit zwischen Christus und seiner Kirche in feierlicher Weise Ausdruck. So trugen die Ökumenischen Konzilien zur umfassenden Verbreitung der Wahrheit, zur sachgemäßen Lebensorientierung der einzelnen Menschen, der Familien und der Gesellschaft bei. Sie stärkten die geistigen Kräfte, indem sie sie zu den wahren und ewigen Gütern lenkten.
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Das läßt sich leicht feststellen, wenn man aufmerksam die schweren politischen und wirtschaftlichen Probleme sowie die heute schwebenden Streitfragen durchdenkt. Die Menschen werden von diesen Sorgen so erfüllt, daß sie keine Zeit mehr haben, sich um religiöse Fragen zu kümmern, mit denen sich das heilige Lehramt der Kirche beschäftigt. Ein solches Verhalten ist sicher nicht frei von Bösem, und es ist füglich zu verurteilen. Niemand kann aber leugnen, daß diese neuen Verhältnisse des modernen Lebens wenigstens den Vorzug haben, die zahllosen Hindernisse zu beseitigen, durch welche einst die Kinder dieser Welt das freie Wirken der Kirche zu behindern pflegten.
  
Die Zeugnisse des außerordentlichen Lehramtes der Kirche im Verlaufe der verschiedenen Epochen in den zwanzig Jahrhunderten der Geschichte des Christentums liegen uns gesammelt vor in vielen und eindrucksvollen Bänden: ein unveräußerliches Erbe, das uns die kirchlichen Archive in Rom und berühmte Bibliotheken der ganzen Welt aufbewahren.
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Es genügt ein kurzer Blick auf die Kirchengeschichte, um sofort zu erkennen, wie die ökumenischen Konzilien selber, die doch eine Reihe ruhmreicher Taten der Kirche waren, oft durch unzulässige Einmischung der staatlichen Autoritäten nicht ohne große Schwierigkeiten und Schmerzen begangen werden konnten. Die Fürsten dieser Welt nahmen sich zwar zuweilen vor, mit aller Aufrichtig dem Schutz der Kirche zu dienen, aber das geschah meistens nicht ohne geistlichen Schaden und Gefahr, da jene Herren oft von politischen Gesichtspunkten geleitetwurden und eine recht eigensüchtige Politik trieben.
  
== Warum dieses Konzil? ==
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Wir möchten Euch heute gestehen, wie sehr Wir darunter leiden, daß viele unserer Bischöfe hier abwesend sind, uns aber sind sie sehr teuer. Sie wurden wegen ihrer Treue zu Christus eingekerkert, oder sie werden durch sonstige Hindernisse festgehalten. Der Gedanke an sie veranlasst Uns, glühende Gebete an Gott zu richten. Dennoch erkennen Wir nicht ohne Hoffnung und zu Unserem großen Trost wie die Kirche heute, endlich von so vielen Hindernissen irdischer Art befreit, aus dieser Vatikanischen Basilika wie aus einem neuen apostolischen Abendmahlssaal durch Euch ihre Stimme in voller Majestät und Größe erheben kann.
  
(5) Was die Initiative für dieses große Vorhaben betrifft, das uns hier zusammenführt, genüge zum geschichtlichen Nachweis das Zeugnis unserer bescheidenen persönlichen Erfahrung: Am Anfang waren es Überlegungen, die uns spontan überkamen und die wir für uns allein erwogen, bis wir sie dann mit dem einen Wort "Ökumenisches Konzil" vor dem ehrwürdigen Kollegium der Kardinäle am denkwürdigen 25. Januar 1959, am Fest Pauli Bekehrung, in der Basilika St. Paul vor den Mauern geäußert haben. Unerwartete Zustimmung, eine vom Geist Gottes inspirierte Einsicht, freudige Anteilnahme in den Augen, in den Herzen: alles in allem große Begeisterung, die auf der ganzen Welt großes Interesse für die Durchführung des Konzils wachrief.
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== Erste Aufgabe: Schutz und Verbreitung der Lehre ==
  
Drei Jahre intensiver Vorbereitung haben einen breiteren und vertieften Prozeß des Lernens und des Fragens nach den gegenwärtigen Bedingungen für Glauben, für religiöse Praxis, für die Lebensfähigkeit des Christentums überhaupt und speziell des Katholizismus eingeleitet. So zeigt sich die Vorbereitungszeit als ein erstes Zeichen, eine erste Gabe der göttlichen Gnade.
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Die Hauptaufgabe des Konzils liegt darin, das heilige Überlieferungsgut (depositum) der christlichen Lehre mit wirksameren Methoden zu bewahren und zu erklären.
  
(6) Wir vertrauen unerschütterlich darauf, daß die Kirche durch dieses Konzil inspiriert an geistlichem Reichtum wachsen und so mit neuer Kraft gestärkt mutig in die Zukunft blicken wird. Es ist unsere feste Zuversicht: Durch ein angemessenes [[Aggiornamento]] und durch eine kluge Organisation der gegenseitigen Zusammenarbeit wird die Kirche erreichen, daß die einzelnen Menschen, die Familien und die Völker mit größerer Aufmerksamkeit die himmlischen Dinge beachten. Deshalb ist die Feier des Konzils ein außergewöhnlicher Grund zur Dankbarkeit gegenüber dem Spender aller guten Gaben. Deshalb preisen wir mit Lobgesang die Ehre unseres Herrn Jesus Christus, des siegreichen und unsterblichen Königs der Zeiten und der Völker.
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Diese Lehre umfaßt den ganzen Menschen, der aus Leib und Geist besteht, und sie heißt uns, die wir diese Erde bewohnen, als Pilger unserem himmlischen Vater entgegenzugehen.
  
== Die Zeit ist gekommen ==
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Das zeigt auch, warum dieses sterbliche Leben so zu führen ist, daß wir unsere Pflichten gegenüber dem irdischen wie gegenüber dem himmlischen Reich erfüllen müssen, um das uns von Gott gewiesene Ziel erreichen zu können. Das heißt, alle Menschen, die Einzelnen wie die zur Gesellschaft vereinten, haben die Pflicht, ohne Unterlaß nach den himmlischen Gütern zu streben, solange dieses Leben währt, und die irdischen Güter nur für diesen Zweck zu gebrauchen, so daß ihr zeitlicher Nutzen den Menschen nicht an ihrer himmlischen Seligkeit Schaden zufügt.
  
(7) Ehrwürdige Brüder, es gibt noch ein anderes Argument, das zu beachten hilfreich ist. Um unsere Freude zu vergrößern, wollen wir vor dieser großen Versammlung die günstigen und ermutigenden Umstände hervorheben, unter denen dieses Ökumenische Konzil beginnt.
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Christus, der Herr, hat wahrlich gesagt: „Suchet zuerst das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit“ (Matth. 6, 33). Dieses Wort „zuerst“ erklärt, wohin wir vor allem unsere Gedanken und Anstrengungen wenden müssen. Man darf jedoch nicht die anderen Worte dieses Herrengebotes vernachlässigen: „und dies alles wird euch hinzugegeben werden“ (ebd.). Aber in Wirklichkeit gab es und gibt es in der Kirche immer Menschen, die mit allem Fleiß nach der evangelischen Vollkommenheit streben und gleichzeitig der bürgerlichen Gemeinschaft dienen, so daß ihres Lebens Beispiel und ihre heilvolle Nächstenliebe alles, was es in der menschlichen Gesellschaft an Hohem und Edlem gibt, beträchtlich stärkt und bereichert.
  
(8) In der täglichen Ausübung unseres Hirtenamtes verletzt es uns, wenn wir manchmal Vorhaltungen von Leuten anhören müssen, die zwar voll Eifer, aber nicht gerade mit einem sehr großen Sinn für Differenzierung und Takt begabt sind. In der jüngsten Vergangenheit bis zur Gegenwart nehmen sie nur Mißstände und Fehlentwicklungen zur Kenntnis. Sie sagen, daß unsere Zeit sich im Vergleich zur Vergangenheit nur zum Schlechteren hin entwickle. Sie tun so, als ob sie nichts aus der Geschichte gelernt hätten, die doch eine Lehrmeisterin des Lebens ist, und als ob bei den vorausgegangenen Ökumenischen Konzilien Sinn und Geist des Christentums, gelebter Glaube und eine gerechte Anwendung der Freiheit der Religion sich in allem hätten durchsetzen können. Wir müssen diesen Unglückspropheten widersprechen, die immer nur Unheil voraussagen, als ob der Untergang der Welt unmittelbar bevorstünde.
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Damit diese Lehre die vielfältigen Bereiche des menschlichen Wirkens erreicht, sowohl den Einzelnen wie die Familien und das soziale Leben, ist es vor allem nötig, daß die Kirche ihre Aufmerksamkeit nicht von dem Schatz der Wahrheit abwendet, den sie von den Vätern ererbt hat. Sodann muß sie auch der Gegenwart Rechnung tragen, die neue Umweltbedingungen und neue Lebensverhältnisse geschaffen und dem katholischen Apostolat neue Wege geöffnet hat.
  
(9) In der gegenwärtigen Situation werden wir von der göttlichen Vorsehung zu einer allmählichen Neuordnung der menschlichen Beziehungen geführt. Sie wirkt mit den Menschen zusammen; aber sie verfolgt über deren Erwartungen hinaus ihren eigenen Plan. Alles, sogar was die Menschen dagegen tun, wendet sie zu dem, was für die Kirche das bessere ist. Dieser Zusammenhang läßt sich mühelos erkennen, wenn man die gegenwärtige Welt betrachtet. Sie ist bestimmt durch politische und ökonomische Auseinandersetzungen, die für die Sorge um den Glauben - wie sie dem kirchlichen Lehramt aufgetragen ist - wenig Zeit läßt. Das ist alles andere als gut und kann nicht einfach gebilligt werden. Aber man kann trotzdem nicht bestreiten, daß unter den neu gegebenen Bedingungen des modernen Lebens es ein Vorteil ist, daß jene vielen Hindernisse ausgeräumt sind, mit denen einst Staaten das freie Handeln der Kirche eingeschränkt haben. Es genügt in der Tat ein flüchtiger Blick auf die Kirchengeschichte, um deutlich zu erkennen, daß die Ökumenischen Konzilien, die doch eine Folge von Ruhmestaten für die katholische Kirche waren, wegen unzuläßiger Einmischung staatlicher Autoritäten unter schwierigsten und traurigen Umständen abgehalten werden mußten. Auch wenn die Herrscher manchmal dabei die aufrichtige Absicht hatten, dem Schutz der Kirche zu dienen, so geschah dies meistens doch nicht ohne Schaden und Gefahr für den Glauben, sooft sie eine eigennützige und gefährliche Politik verfolgten.
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Darum hat die Kirche den wunderbaren Entdeckungen menschlichen Geistes und dem Fortschritt der Erkenntnisse, die wir uns heute zunutze machen, nicht untätig zugesehen, noch hat sie es an der rechten Wertschätzung fehlen lassen. Aber in der wachsamen Sorge um diese Entwicklung hat sie es nicht versäumt, die Menschen zu mahnen, über diese Art irdischer Erwartungen hinaus auf Gott zu schauen, die Quelle aller Weisheit und Schönheit, damit sie, denen gesagt wurde: „Macht euch die Erde untertan!“ (Gen. 1, 28), niemals jenes ernste Gebot vergessen: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, anbeten und ihm allein dienen!“ (Matth. 4, 10; Luk. 4, 8). Sonst würde der flüchtige Zauber des Irdischen den wahren Fortschritt verhindern.
  
(10) Bei dieser Gelegenheit möchte ich euch nicht unseren tiefen Schmerz ob der Abwesenheit vieler uns nahestehender Bischöfe verhehlen. Sie sind wegen ihrer Treue zu Christus im Gefängnis, oder sie sind durch andere Umstände verhindert. Der Gedanke an sie veranlaßt uns zu inständigem Gebet. Trotz allem: heute sind wir getröstet und voll Hoffnung, wenn wir die Kirche sehen, wie sie im jetzigen Augenblick, von den vielen weltlichen Hindernissen der Vergangenheit befreit, hier von der Vatikanischen Basilika aus wie bei einem neuen Pfingsten durch euch ihre Stimme mit Würde und Größe erhebt.
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== Wie heute die christliche Lehre verkündet werden soll ==
  
== Was haben wir zu tun? ==
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Aus dem Gesagten, Ehrwürdige Brüder, wird hinreichend deutlich, was dem Ökumenischen Konzil für die Verkündigung der Lehre im einzelnen aufgetragen ist.
  
(11) Die Hauptaufgabe des Konzils besteht darin, das unveräußerliche Überlieferungsgut der christlichen Lehre wirksamer zu bewahren und zu lehren. Diese Lehre betrifft den ganzen Menschen mit Leib und Seele. Der Mensch ist ein Pilger auf dieser Erde, und sie heißt ihn, nach dem Himmel zu streben. Und zwar zeigt sie, wie unser irdisches Leben zu führen ist, damit wir unsere Pflichten als Bürger der Erde wie des Himmels erfüllen und so das von Gott gewiesene Ziel erreichen können. Das heißt: Alle Menschen, einzeln oder in Gemeinschaft, haben die Pflicht, solange dieses Leben währt, ohne Unterlaß nach den himmlischen Gütern zu streben und die irdischen Güter so zu gebrauchen, daß dabei nicht ein Hindernis für die ewige Seligkeit entsteht.
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Das heißt, das 21. Ökumenische Konzil, dem eine wirksame und hochzubewertende Unterstützung durch erfahrene Gelehrte des Kirchenrechts, der Liturgie, des Apostolats und der Verwaltung zur Verfügung steht, will die katholische Lehre rein, unvermindert und ohne Entstellung überliefern, so wie sie trotz Schwierigkeiten und Kontroversen gleichsam ein gemeinsames Erbe der Menschheit geworden ist. Dieses Erbe ist nicht allen genehm, aber es wird allen, die guten Willens sind, als ein überreicher und kostbarer Schatz angeboten.
  
Christus der Herr hat gesagt: "Euch muß es zuerst um das Reich Gottes und um seine Gerechtigkeit gehen". (Mt 6,33). Dieses Wort "zuerst" macht uns aufmerksam, worauf wir unsere Überlegungen und Anstrengungen richten sollen. Man soll aber nicht die zweite Hälfte des gleichen Herrengebotes außer acht lassen: "Dann wird euch alles andere dazugegeben". In der Tat gab es immer wieder und gibt es noch weiterhin in der Kirche Menschen, die mit allen Kräften die vom Evangelium geforderte Vollkommenheit zu realisieren suchen und dabei den Einsatz für die Gesellschaft nicht vernachlässigen. Von ihrem dauerhaft geübten, beispielhaften Leben und von ihrem Einsatz für die Nächstenliebe wird das, was es an Gutem und Edlem in der menschlichen Gesellschaft gibt, nachhaltig gefördert und gestärkt.
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Doch es ist nicht unsere Aufgabe, diesen kostbaren Schatz nur zu bewahren, als ob wir uns einzig und allein für das interessieren, was alt ist, sondern wir wollen jetzt freudig und furchtlos an das Werk gehen, das unsere Zeit erfordert, und den Weg fortsetzen, den die Kirche seit zwanzig Jahrhunderten zurückgelegt hat.
  
(12) Damit aber diese Lehre die vielen und verschiedenen Bereiche menschlicher Aktivitäten erreicht, den Einzelnen, die Familien wie die Gesamtgesellschaft, ist es vor allem notwendig, daß die Kirche sich nicht von der unveräußerlichen Glaubensüberlieferung abwendet, die sie aus der Vergangenheit empfangen hat. Gleichzeitig muß sie auf die Gegenwart achten, auf die neuen Lebensverhältnisse und -formen, wie sie durch die moderne Welt geschaffen wurden. Diese haben neue Wege für das katholische Apostolat eröffnet.
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Es ist auch nicht unsere Sache, gleichsam in erster Linie einige Hauptpunkte der kirchlichen Lehre zu behandeln und die Lehre der Väter wie der alten und neueren Theologen weitläufig zu wiederholen, denn Wir glauben, daß Ihr diese Lehren kennt und sie Eurem Geiste wohl vertraut sind. Denn für solche Disputation mußte man kein ökumenisches Konzil einberufen. Heute ist es wahrhaftig nötig, daß die gesamte christliche Lehre ohne Abstrich in der heutigen Zeit von allen durch ein neues Bemühen angenommen werde. Heiter und ruhigen Gewissens müssen die überlieferten Aussagen, die aus den Akten des Tridentinums und des I. Vatikanums hervorgehen, daraufhin genau geprüft und interpretiert werden. Es muß, was alle ernsthaften Bekenner des christlichen, katholischen und apostolischen Glaubens leidenschaftliche erwarten, diese Lehre in ihrer ganzen Fülle und Tiefe erkannt werden, um die Herzen vollkommener zu entflammen und zu durchdringen. Ja, diese sichere und beständige Lehre, der gläubig zu gehorchen ist, muß so erforscht und ausgelegt werden, wie unsere Zeit es verlangt.
  
(13) Deshalb blieb die Kirche nicht untätig angesichts des erstaunlichen Fortschritts dank der Entdeckungen menschlicher Erfindungsgabe, und sie hielt mit einer gerechten Beurteilung desselben nicht zurück. Während sie aber diese Entwicklungen verfolgte, hat sie die Menschen unabläßig ermahnt, ihren Blick über die irdischen Dinge hinaus auf Gott, den Ursprung jeder Weisheit und Schönheit, zu richten. Sie hat das entscheidende Gebot "vor dem Herrn, deinem Gott, sollst du dich niederwerfen und ihm allein dienen" (Mt 4,10; Lk 4,8) nicht vergessen lassen, damit nicht die vergängliche Faszination durch irdische Dinge den wirklichen Fortschritt verhindere.
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Denn etwas anderes ist das Depositum Fidei oder die Wahrheiten, die in der zu verehrenden Lehre enthalten sind, und etwas anderes ist die Art und Weise, wie sie verkündet werden, freilich [[Commonitorium (Vinzenz von Lérins - Wortlaut)#23. Fortschritt im Glauben|im gleichen Sinn und derselben Bedeutung]]. Hierauf ist viel Aufmerksamkeit zu verwenden; und, wenn es not tut, muß geduldig daran gearbeitet werden, das heißt, alle Gründe müssen erwogen werden, um die Fragen zu klären, wie es einem Lehramt entspricht, dessen Wesen vorwiegend pastoral ist.
  
== Der springende Punkt ==
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== Wie die Irrtümer abzuwehren sind ==
  
(14) Aus dem bisher Gesagten wird deutlich, was vom Konzil für die Verkündigung der Lehre erwartet werden soll: Das 21. Ökumenische Konzil, das sich einen effizienten und bedeutsamen Reichtum an Erfahrungen im Bereich des Rechts, der Liturgie, der Pastoral und der Administration zu Nutze machen kann, will die Glaubenslehre rein und unvermindert, ohne Abschwächung und Entstellung weitergeben, wie sie im Verlaufe von zwanzig Jahrhunderten nicht ohne Schwierigkeiten und Kontroversen zum gemeinsamen Erbe der Menschen wurde; ein Erbe, das nicht von allen wohlwollend angenommen wurde, aber ein Reichtum, der immer allen Menschen guten Willens erreichbar war. Unsere Aufgabe ist es nicht nur, diesen kostbaren Schatz zu bewahren, als ob wir uns nur um Altertümer kümmern würden. Sondern wir wollen uns mit Eifer und ohne Furcht der Aufgabe widmen, die unsere Zeit fordert. So setzen wir den Weg fort, den die Kirche im Verlaufe von zwanzig Jahrhunderten gegangen ist.
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Am Beginn des Zweiten Vatikanischen Ökumenischen Konzils ist es so klar wie jemals, daß die Wahrheit des Herrn in Ewigkeit gilt. Wir beobachten ja, wie sich im Lauf der Zeiten die ungewissen Meinungen der Menschen einander ablösen, und die Irrtümer erheben sich oft wie ein Morgennebel, den bald die Sonne verscheucht.
  
(15) Der springende Punkt für dieses Konzil ist es also nicht, den einen oder den andern der grundlegenden Glaubensartikel zu diskutieren, wobei die Lehrmeinungen der Kirchenväter, der klassischen und zeitgenössischen Theologen ausführlich dargelegt würden. Es wird vorausgesetzt, daß all dies hier wohl bekannt und vertraut ist. Dafür braucht es kein Konzil. Aber von einer wiedergewonnenen, nüchternen und gelassenen Zustimmung zur umfassenden Lehrtradition der Kirche, wie sie in der Gesamttendenz und in ihren Akzentsetzungen in den Akten des Trienter Konzils und auch des Ersten Vatikanischen Konzils erkennbar ist, erwarten jene, die sich auf der ganzen Welt zum christlichen, katholischen und apostolischen Glauben bekennen, einen Sprung nach vorwärts, der einem vertieften Glaubensverständnis und der Gewissensbildung zugute kommt. Dies soll zu je größerer Übereinstimmung mit dem authentischen [[Glaubensgut]] führen, indem es mit wissenschaftlichen Methoden erforscht und mit den sprachlichen Ausdrucksformen des modernen Denkens dargelegt wird. Denn eines ist die Substanz der tradierten Lehre, d.h. des [[depositum fidei]]; etwas anderes ist die Formulierung, in der sie dargelegt wird. Darauf ist - allenfalls braucht es Geduld - großes Gewicht zu legen, indem alles im Rahmen und mit den Mitteln eines Lehramtes von vorrangig pastoralem Charakter geprüft wird.
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Die Kirche hat diesen Irrtümern zu allen Zeiten widerstanden, oft hat sie sie auch verurteilt, manchmal mit großer Strenge. Heute dagegen möchte die Braut Christi lieber das Heilmittel der Barmherzigkeit anwenden als die Waffe der Strenge erheben. Sie glaubt, es sei den heutigen Notwendigkeiten angemessener, die Kraft ihrer Lehre ausgiebig zu erklären, als zu verurteilen. Das bedeutet nicht, daß es keine falschen Lehren und keine gefährlichen Meinungen gebe, die man vermeiden und zerstreuen muß. Aber diese widerstreiten so offensichtlich den rechten Grundsätzen der Ehrbarkeit, und sie haben so verheerende Früchte gezeitigt, daß heute bereits die Menschen von sich aus solche Lehren verurteilen. Das gilt besonders von jenen Sitten, die Gott und seine Gebote verachten, vom blinden Vertrauen auf den technischen Fortschritt und auf einen Wohlstand, der sich ausschließlich auf den Lebenskomfort stützt. Sie erkennen selber mehr und mehr, daß es sehr auf die Würde der menschlichen Person und die daraus folgenden Verpflichtungen ankommt. Was aber am meisten zählt: sie haben aus Erfahrung gelernt, daß die Anwendung äußerer Gewalt gegen andere, das Potential der Rüstungen und politische Vorherrschaft nicht genügen, um die ihnen aufliegenden schweren Probleme glücklich zu lösen.
  
== Das Heilmittel der [[Barmherzigkeit]] ==
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Angesichts dieser Lage erhebt die katholische Kirche durch dieses Ökumenische Konzil die Leuchte der Glaubenswahrheit. Sie will sich damit als eine sehr liebevolle, gütige und geduldige Mutter erweisen, voller Erbarmung und Wohlwollen zu ihren Kindern, die sie verlassen haben. Schon Petrus sagte einst angesichts einer Menschheit, die unter großen Nöten litt, zu einem Armen, der ihn um Almosen anging: „Gold und Silber besitze ich nicht, doch was ich habe, gebe ich dir: Im Namen Jesu Christi von Nazareth stehe auf, und gehe umher!“ (Apg. 3, 6). So bietet die Kirche den modernen Menschen keine vergäng­lichen Reichtümer und auch kein irdisches Glück. Sie schenkt ihnen vielmehr die Gaben der göttlichen Gnade, die den Menschen zur Würde der Gotteskindschaft erheben und die zur wirksamen Bewahrung und Förderung des menschlichen Lebens dienen. Sie öffnet ihnen die lebendigen Quellen ihrer Lehre, die die Menschen mit dem Lichte Christi erleuchten, so daß sie erkennen können, was sie in Wahrheit sind, welche Würde ihnen zukommt und welchem Ziel sie nachzustreben haben.Schließlich verbreitet sie durch ihre Söhne überall die Fülle christlicher Liebe, die am besten jeden Streit beseitigt und Einheit, gerechten Frieden wie die brüderliche Einheit aller bewirkt.
  
(16) Am Beginn des Zweiten Vatikanischen Konzils ist es klarer denn je, "daß die Wahrheit des Herrn in Ewigkeit bleibt". Wir sehen ja, wie im Wechsel der Epochen einander entgegengesetzte Meinungen der Menschen aufeinander folgen und wie Irrtümer, kaum entstanden, wie der Morgennebel vor der Sonne vergehen. Die Kirche war immer im Widerspruch zu solchen Irrtümern; manchmal hat sie diese auch mit größter Strenge verurteilt. Heutzutage zieht es die Braut Christi vor, eher das Heilmittel der Barmherzigkeit zu gebrauchen als das der Strenge. Sie ist davon überzeugt, daß es dem jetzt Geforderten besser entspricht, wenn sie die Triftigkeit ihrer Lehre nachweist als wenn sie eine Verurteilung ausspricht. Dies bedeutet nicht, daß es heute nicht an irreführenden Lehren, Meinungen und gefährlichen Schlagworten fehlen würde, vor denen man sich hüten und die man ablehnen muß. Aber sie stehen so deutlich im Gegensatz zur geforderten Norm rechten Verhaltens, und sie haben so verhängisvolle Folgen gezeitigt, daß es den Menschen heute von selber klar wird, daß sie zu verurteilen sind. Das betrifft vor allem jene Lebensweisen, die zur Verachtung Gottes und seiner Gebote führen, das übertriebene Vertrauen in die Fortschritte der Technik, ein Wohlergehen, das sich ausschließlich nach dem Lebensstandard bemißt. Zunehmend sind die Menschen von überragenden Wert der Würde der menschlichen Person überzeugt und daß sie mehr Beachtung und Engagement verdient. Was aber am meisten zählt: Die Erfahrung hat die Menschen gelehrt, daß die Gewalt, die sie einander zufügen, daß Rüstungspotentiale und politsche Hegemonie ungeeignet sind für eine erfolgreiche Lösung der schwierigen Probleme, unter denen sie leiden.
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== Für die Einheit der Christen und der Menschen ==
  
(17) So erhebt die katholische Kirche mit diesem Ökumenischen Konzil die Fackel des [[Glauben]]s. So will sie sich als eine für alle liebevolle, gütige und geduldige Mutter erweisen, voll Barmherzigkeit und Wohlwollen gerade jenen Kindern gegenüber, die sich von ihr entfernt haben. Petrus hat angesichts der notleidenden Menschen zum Bettler, der ihn um Almosen bat, gesagt: "Silber und Gold besitze ich nicht. Doch was ich habe, das gebe ich dir: Im Namen Jesu Christi, des Nazoräers, geh umher!" (Apg 3,6) Die Kirche bietet den Menschen heute weder vergänglichen Reichtum noch irdisches Glück. Sie gibt ihnen mit der Würde der [[Gotteskindschaft]] Anteil an vielen Gnadengaben und damit einen wirksamen Schutz und eine Hilfe für ein menschlicheres Leben. Sie öffnet den Zugang zur lebensspendenden Quelle der Lehre, die die Menschen im Lichte Christi erkennen läßt, wer sie in Wahrheit sind, welche Würde ihnen zukommt und was ihre Bestimmung ist. Schließlich läßt sie durch ihre Söhne  christliche Liebe überall sich voll auswirken, in dem sie die Zwietracht an der Wurzel beseitigt, Eintracht, gerechten Frieden und Geschwisterlichkeit aller Menschen fördert.
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So ergibt sich die Sorge der Kirche für die Ausbreitung und Bewahrung der Wahrheit daraus, daß nach Gottes Heilsplan, „der alle Menschen retten und zur Erkennt­nis der Wahrheit gelangen lassen will“ (1 Tim. 2, 4), die Menschen nur mit Hilfe der ungeschmälerten Offenbarung zur absoluten und sicheren Einheit der Herzen gelangen können, mit der ein wahrer Frieden und das ewige Heil verbunden sind.
  
== Auf der Suche nach der Einheit ==
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Diese sichtbare Einheit in der Wahrheit hat aber leider die gesamte christliche Familie noch nicht in Vollendung und Vollkommenheit erreicht. Daher sieht es die katho­lische Kirche als ihre Pflicht an, alles Erdenkliche zu tun, damit das große Mysterium jener Einheit erfüllt werde, die Christus Jesus am Vorabend seines Opfertodes von seinem himmlischen Vater mit glühenden Gebeten erfleht hat. Sie erfreut sich des stillen Friedens im Bewußtsein, daß sie darin aufs innigste mit diesem Gebet Christi verbunden ist. So freut sie sich auch von Herzen, wenn sie bemerkt, welche reichen Früchte dieses Gebet auch bei denen trägt, die von ihren Hürden getrennt leben. Ja, genau betrachtet, erstrahlt diese Einheit, die Jesus Christus für seine Kirche erlangte, in einem dreifachen Licht: die Einheit der Katholiken untereinander, die als leuchtendes Beispiel ganz fest bewahrt bleiben muß, sodann die Einheit, die im Gebet und den leidenschaftlichen Erwartungen der vom Apostolischen Stuhl getrennten Christen besteht, wieder mit uns vereint zu sein, und schließlich die Einheit der Hochachtung und Ehrfurcht gegenüber der katholischen Kirche, die ihr von anderen, noch nicht christlichen Religionen erwiesen wird.
  
(18) In ihrer Sorge für die Ausbreitung und Bewahrung der Wahrheit beruft sich die Kirche darauf, daß nach der Absicht Gottes "alle Menschen gerettet und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen" sollen (1 Tim 2,4). Darum können die Menschen nur mit Hilfe der unversehrten Offenbarung eine umfassende und dauerhafte Einheit der Herzen erreichen, mit der wahrer Friede und ewiges Heil verbunden sind. Diese sichtbare, in der Wahrheit gegründete Einheit hat aber die christliche Gemeinschaft noch ganz und gar nicht erreicht.
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Dabei bereitet es Uns. großen Schmerz, daß bisher der größte Teil der Menschheit noch nicht von den Quellen der göttlichen Gnade lebt, die in der katholischen Kirche fließen, obwohl alle Menschen von Geburt an durch das Blut Christi erlöst worden sind. So kommen Uns beim Gedanken an die katholische Kirche, deren Licht alles erleuchtet und deren übernatürliche Einheit zum Nutzen der ganzen Menschheit dient, diese Worte des hl. Cyprian in den Sinn: „Die Kirche, erfüllt vom göttlichen Licht, strahlt hinaus in die ganze Welt. Dennoch ist es nur ein Licht, das überallhin flutet, ohne daß die Einheit des Körpers aufgelöst wird. Ihre Zweige streckt sie in reicher Fülle aus über die ganze Erde hin, mächtig hervorströmende Bäche läßt sie immer wieder sich ergießen. Und dennoch gibt es nur eine Quelle, nur einen Ursprung, nur eine Mutter, die mit überquellender Fruchtbarkeit gesegnet ist: aus ihrem Schoß werden wir geboren, mit ihrer Milch genährt, von ihrem Geist beseelt“ (De cath. ecclesiae unit., 5).
  
(19) Die katholische Kirche sieht es als ihre Pflicht an, sich mit Nachdruck dafür einzusetzen, daß "das große Geheimnis" der Einheit sich voll offenbart. Um dies hat Jesus Christus am Vorabend seines Opfertodes zu seinem himmlischen Vater inständig gebetet. Die Kirche weiß, daß sie in dieses Gebet Christi einbezogen ist und ihr damit das Glück des Friedens zugesichert ist. Auch macht es sie froh, wenn sie sieht, wie dieses Gebet auch bei jenen, die außerhalb ihrer Gemeinschaft stehen, Frucht trägt und Heil bringt. Ja, wenn wir es recht bedenken, bricht sich das Licht der Einheit, um die Christus für seine Kirche gebetet hat in drei Strahlen: die Einheit der Katholiken untereinander, die als Vorbild ungebrochen bewahrt werden muß, die Einheit mit den vom apostolischen Stuhl getrennten Christen, deren Gebet und leidenschaftliche Hoffnung darauf abzielt, daß wir wieder zusammengeführt werden, endlich die Einheit, die die noch nicht christlichen Religionen mit der katholischen Kirche in Wertschätzung und Respekt verbindet. In dieser Sicht schmerzt es, wenn wir bedenken, daß Jesus sein Blut zur Erlösung aller Menschen vergossen hat, und sehen müssen, daß der größere Teil der Menschheit noch keinen Zugang zu den Quellen der Gnade hat, die ihnen die katholische Kirche zuleiten könnte. Und so kommen uns beim Gedanken an das Licht und die Kraft übernatürlicher Einheit, die von der katholischen Kirche her der ganzen Menschheit zugute kommt, die Worte des heiligen [[Cyprian]] in den Sinn: "Die vom Herrn erleuchtete Kirche sendet über den ganzen Erdkreis ihre Strahlen aus. Dennoch ist es nur ein Licht, das überallhin flutet, ohne daß die Einheit des Körpers aufgelöst wird. Ihre Zweige streckt sie in reicher Fülle aus über die ganze Erde hin, mächtig hervorströmende Bäche läßt sie immer wieder sich ergießen. Und dennoch gibt es nur eine Quelle, nur einen Ursprung, nur eine Mutter, die mit überquellender Fruchtbarkeit gesegnet ist: aus ihrem Schoß werden wir geboren, mit ihrer Milch genährt, von ihrem Geist beseelt." (Über die Einheit der kath. Kirche 5.)
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Ehrwürdige Brüder!
  
(20) Ehrwürdige Brüder! Dies ist die Absicht des Zweiten Vatikanischen Ökumenischen Konzils. Es vereint die besten Kräfte der katholischen Kirche im Bemühen, daß die Heilsbotschaft von den Menschen bereitwilliger angenommen wird. Dadurch bereitet und festigt es den Weg zu der Einheit der ganzen Menschheit, die ein unerläßliches Fundament ist, daß die "irdische Stadt" der "himmlischen Stadt" ähnlicher wird, "deren König die Wahrheit, deren Gesetz die Liebe und deren Umgrenzung die Ewigkeit ist". ([[Augustinus von Hippo|Augustinus]], Briefe 138,3.)
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Dieses ist die Absicht des Zweiten Vatikanischen Ökumenischen Konzils: da es die hervorragendsten Kräfte der Kirche vereint und da es sich eifrig bemüht, daß die Heilsbotschaft von den Menschen bereitwillig aufgenommen werde, bereitet und festigt es auf diese Weise den Weg zu jener Einheit des Menschengeschlechts, die das notwendige Fundament bildet für eine Verähnlichung der irdischen mit der himmlischen Stadt, „in der die Wahrheit herrscht, deren Gesetz die Liebe, deren Existenz aber die Ewigkeit ist“ (Augustinus, Ep. CXXXVIII, 3).
  
 
== Schluss ==
 
== Schluss ==
  
(21) Ehrwürdige Brüder im Bischofsamt! Jetzt "wendet sich unsere Stimme an euch" (2 Kor 6,11). Wir sind hier in der Vatikanischen Basilika versammelt, einem Brennpunkt der Kirchengeschichte, wo Himmel und Erde jetzt eng miteinander verbunden sind, am Grab des heiligen Petrus, an den Grabmälern sehr vieler unserer Vorgänger, deren sterbliche Überreste sich in dieser feierlichen Stunde sozusagen in lautlosem Jubel mitfreuen. Mit Beginn dieses Konzils bricht in der Kirche ein strahlender, glückverheißender Tag an. Noch herrscht die Morgendämmerung, und schon fühlen wir uns bei den ersten Zeichen des anbrechenden Tages wohl. Alles atmet Heiligkeit, alles weckt Freude. Und da sollten wir auch die Sterne sehen, die mit ihrem Glanz dieses Gotteshaus erfüllen. Nach dem Zeugnis des Apostels Johannes seid ihr diese Sterne (Offb 1,20). Und mit euch sehen wir die goldenen Leuchter rings um das Grab des Apostelfürsten, nämlich die euch anvertrauten Kirchen. Zusammen mit euch sehen wir Persönlichkeiten von Rang und Namen in einer Haltung tiefen Respekts und erwartungsvoller Sympathie anwesend. Sie sind aus fünf Kontinenten nach Rom gekommen, um die Völker und Staaten zu vertreten.
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Nun aber „wendet sich Unsere Stimme an euch“ (2 Kor. 6, 11), Ehrwürdige Brüder im Bischofsamt. Wir sind hier vereinigt in der Vatikanischen Basilika, wo der Angelpunkt der Kirchengeschichte ist und Himmel und Erde jetzt eng verbunden sind, hier am Grabe des hl. Petrus, bei so vielen Ruhestätten Unserer heiligen Vorgänge: deren sterbliche Reste sich in dieser feierlichen Stunde gleichsam in verborgenem Jubel mitfreuen.
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Mit dem beginnenden Konzil hebt in der Kirche ein Tag strahlenden Lichtes an. Noch ist es wie Morgenröte, und schon berühren die Strahlen der aufgehenden Sonne Unser Herz. Alles atmet hier Heiligkeit, alles erweckt Jubel. Betrachten wir doch die Sterne, die mit ihrer Klarheit die Majestät dieses Heiligtums mehren. Diese Sterne seid Ihr, nach dem Zeugnis des Apostels Johannes (Offb. 1, 20). Und mit Euch sehen Wir gleichsam goldene Leuchter um das Grab des Apostelfürsten, nämlich die Euch anvertrauten Kirchen (ebd.). Zugleich sehen Wir Männer von Rang und Würden, die aus fünf Erdteilen nach Rom gekommen sind, um ihre Nationen zu vertreten, sie sind hier mit großer Ehrfurcht und menschlichster Erwartung zugegen.
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So darf man wohl sagen, daß sich Himmel und Erde zur Feier des Konzils in gemeinschaftlichem Werk vereinen. Die Heiligen des Himmels schützen unsere Arbeit, die Gläubigen auf Erden beten unablässig zu Gott, und Ihr folgt gewissenhaft den Eingebungen des Heiligen Geiste und gebt Euch eifrig Mühe, daß Eure Arbeit den Erwartungen und Bedürfnissen der verschiedenen Völker in höchstem Maße entspricht. Damit dies geschehe, werden von Euch ein erhabener Friede des Geistes, brüderliche Eintracht, Mäßigung in den Vorschlägen, Würde in den Beratungen und weise Überlegung gefordert.
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Mögen Eure Mühen und Eure Arbeit, auf die so viel Völker schauen und ihre Hoffnung setzen, alle Erwartungen recht erfüllen.
  
(22) So kann man wirklich sagen, daß zur Feier des Konzils sich Himmel und Erde vereinen: die Heiligen des Himmels, um unsere Arbeit zu schützen; die Gläubigen auf der Erde, um ohne Unterlaß zu Gott zu beten; und schließlich ihr, um auf die Inspiration durch Gottes Geist zu hören, auf daß die gemeinsame Arbeit den heutigen Erwartungen und Bedürfnissen all der Völker entspreche. Das fordert von euch Gelassenheit in der Bereitschaft, brüderliche Eintracht, rechtes Maß in den eingebrachten Vorschlägen, Fairness in den Debatten und Klugheit in den Entscheidungen. Mögen eure Anstrengungen und eure Arbeit, auf die sich die Aufmerksamkeit vieler Völker und außerdem die Hoffnung der ganzen Welt richtet, die Erwartungen aller in möglichst großem Maße erfüllen.
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Allmächtiger Gott, auf Dich setzen wir unser ganzes Vertrauen, da wir uns nicht auf unsere eigene Kraft verlassen können. Sieh gnädig auf diese Hirten Deiner Kirche. Das Licht Deiner Gnade helfe uns, wenn wir Beschlüsse fassen und Gesetze erlassen. Und erhöre die Gebete, die wir in einmütigem Glauben, mit einer Stimme und einigen Herzens an Dich richten.
  
(23) Allmächtiger Gott! Auf dich setzen wir unsere Zuversicht, da wir uns nicht auf unsere eigenen Kräfte verlassen können. Schau gnädig auf die hier anwesenden Hirten deiner Kirche. Das Licht deiner übernatürlichen Gnade helfe uns, rechte Entscheidungen zu fällen und weise Gesetze zu erlassen. Und erhöre gnädig unsere Gebete, die wir im gemeinsamen Glauben mit einmütigem Sinn und mit einer Stimme vor dich bringen.
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O Maria, Hilfe der Christen, Hilfe der Bischöfe, in Deinem Heiligtum von Loreto haben Wir das Geheimnis der Menschwerdung betrachtet und erst kürzlich Deine Liebe besonders erfahren. So führe denn alles zum guten Ende. Bitte für uns bei Gott mit dem hl. Joseph, Deinem Bräutigam, mit den hll. Aposteln Petrus und Paulus, mit dem hl. Johannes dem Täufer und dem Evangelisten.
  
Maria, Zuflucht der Christen, Zuflucht der Bischöfe! In einem Heiligtum von Loreto haben wir vor kurzem Deine besondere Zuneigung uns gegenüber erfahren. Wir haben dort das Geheimnis der Menschwerdung verehrt. Führe alles zu einem guten Ende. Zusammen mit dem heiligen Joseph, deinem Bräutigam, den heiligen Aposteln Petrus und Paulus, dem heiligen Johannes dem Täufer und dem heiligen Evangelisten Johannes bitte für uns bei Gott.
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Jesus Christus, Unserem lieben Erlöser, dem unsterblichen König aller Völker und Zeiten, sei Liebe, Macht und Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen!“
  
Jesus Christus, unserem Erlöser und Heiland, dem unsterblichen König der Völker und der Zeiten, sei Liebe, Macht und Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.
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==Weblinks==
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* [https://poschenker.wordpress.com/category/enzykliken-papstliche-dokumente/johannes-xxiii-gaudet-mater-ecclesia/ Der deutsche Text bei] poschenker.wordpress.com
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* [http://www.ub.uni-freiburg.de/fileadmin/ub/referate/04/semapp/konzil.html Der deutsche Text bei www.ub.uni-freiburg.de]
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*  [http://w2.vatican.va/content/john-xxiii/la/speeches/1962/documents/hf_j-xxiii_spe_19621011_opening-council.html Die lateinische Fassung auf der Vatikanseite]
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* [https://w2.vatican.va/content/john-xxiii/it/speeches/1962/documents/hf_j-xxiii_spe_19621011_opening-council.html Die italienische Fassung auf der Vatikanseite]
  
 
[[Kategorie: Lehramtstexte (Wortlaut)]]
 
[[Kategorie: Lehramtstexte (Wortlaut)]]
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[[Kategorie:Lehramtstexte (Johannes XXIII.)]]

Aktuelle Version vom 27. Mai 2021, 14:26 Uhr

Ansprache
Gaudet mater ecclesia

von Papst
Johannes XXIII.
an die Väter des Zweiten Vatikanischen Konzils nach der Heiligen Messe
zur Eröffnung des Zweiten Vatikanischen Konzils
11. Oktober 1962
(Offizieller lateinischer Text: AAS LIV [1962] p. 786-796)

(Quelle: Herder-Korrespondenz, Herder Verlag Freiburg im Breisgau 1962/63, Heft November 1962, S. 85-88)
Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


Ehrwürdige Brüder!

Es jubelt die Mutter Kirche, weil durch besondere Gnade der göttlichen Vorsehung dieser hochersehnte Tag angebrochen ist, an dem hier am Grabe des hl. Petrus unter dem Schutz der jungfräulichen Gottesmutter, deren Mutterwürde heute festlich begangen wird, das Zweite Vati­kanische Ökumenische Konzil seinen Anfang nimmt.

Die Ökumenischen Konzilien in der Kirche

Alle Konzilien – sowohl die zwanzig Ökumenischen wie die unzähligen Provinzial- und Regionalkonzilien von nicht geringer Bedeutung -, die im Laufe der Geschichte gefeiert wurden, bezeugen offensichtlich die Lebenskraft der katholischen Kirche und zählen in ihren Annalen zu den strahlenden Lichtern.

Der letzte geringe Nachfolger des Apostelfürsten, der zu Euch spricht, wollte bei der Einberufung dieser hochansehnlichen Versammlung wiederum, daß das kirchliche Lehramt, das niemals fehlte und das bis ans Ende der Tage bestehen wird, befestigt wird; es soll, indem es den Irrtümern, den Notwendigkeiten und Chancen unserer Zeit Rechnung trägt, durch dieses Konzil allen Menschen auf Erden in außerordentlicher Weise vorgestellt werden.

Der Stellvertreter Christi, der zur Eröffnung dieser allgemeinen Synode zu Euch spricht, blickt natürlich in die Vergangenheit zurück und hört gleichsam jene Stimmen, die uns lebhaft ermutigen. Gern erinnert er sich der Verdienste der Päpste aus vergangenen und jüngsten Zeiten. Feierliche und ehrwürdige Stimmen sind es, deren Zeugnis in den Konzilien von Ost und West seit dem 4. Jahrhundert bis auf unsere Tage zu uns gekommen ist. Sie verkünden beständig den Ruhm dieser göttlichen und menschlichen Institution, der Kirche Christi, die vom göttlichen Erlöser Namen, Gnade und jegliche Vollmacht erhält.

Aber neben diesen Gründen geistlicher Freude können Wir auch nicht leugnen, welche Schmerzen und Bitternisse seit 1900 Jahren in langer Reihenfolge diese Geschichte verdunkelt haben. Wahrlich, es galt und gilt immer noch, was einst der greise Simeon zu Maria, der Mutter Jesu, aus prophetischer Eingebung sagte: „Dieser ist bestimmt zum Falle und zur Auferstehung vieler und zu einem Zeichen, dem widersprochen wird“ (Luk. 2, 34). Auch Jesus selbst sagte später zum Erweis, wie die Menschen verschiedener Zeiten gegen ihn auftreten würden, diese geheimnisvollen Worte: „Wer euch hört, der hört mich“ (Luk. 10, 16), und: „Wer nicht mit mir ist, der ist gegen mich; wer nicht mit mir sammelt, der zerstreut“ (Luk. 11,23).

Die schwersten Sorgen und Fragen, die der Menschheit zur Lösung aufgegeben sind, haben sich nach fast zwei­tausend Jahren nicht verändert. Denn Christus Jesus ist immer noch die Mitte der Geschichte. und des Lebens. Und die Menschen hängen entweder Ihm und seiner Kirche an, dann haben sie Licht, Güte und die Früchte rechter Ordnung und des Friedens, oder sie leben ohne Ihn, ja handeln Ihm entgegen und verweilen bewußt außerhalb der Kirche, dann herrscht bei ihnen Verwirrung, sie verbittern die Beziehungen untereinander und beschwören mörderische Kriege herauf.

Jedesmal, wenn Ökumenische Konzilien begangen werden, bezeugen sie diese Vereinigung zwischen Christus und seiner Kirche in feierlicher Weise und verbreiten weithin das Licht der Wahrheit. Sie lenken das Leben der einzelnen Menschen wie der Familien und der Gesellschaft auf rechten Pfaden. Sie erwecken und stärken geistliche Kräfte und richten die Herzen beständig auf die wahren und ewigen Güter.

Vor uns stehen die außerordentlichen Zeugnisse dieses Lehramts der Kirche bzw. der universalen Synoden in den verschiedenen Epochen dieser zwanzig Jahrhunderte christlicher Geschichte, gesammelt in vielen und eindrucksvollen Bänden, die hier in Rom wie in den berühmtesten Bibliotheken der ganzen Welt ein heiliges Erbe der kirchlichen Archive sind.

Entstehungsursache des Zweiten Vatikanums

Was die Entstehung dieses großen Ereignisses betrifft, das uns hier versammelt, so möge wiederum ein demütiges Zeugnis genügen, das Wir auch selber aus eigener Erfahrung bestätigen können: Zuerst haben Wir fast unerwartet dieses Konzil im Geiste erwogen, dann haben Wir es in schlichten Worten vor dem heiligen Kollegium der Kardinäle an jenem denkwürdigen 25. Januar 1959, am Fest der Bekehrung des hl. Apostels Paul, in eben jener St. Pauls-Basilika an der Via Ostia ausgesprochen. Sogleich wurden die Anwesenden durch eine plötzliche Bewegung des Geistes, wie vom Strahl eines überirdischen Lichtes, berührt, und alle waren freudig betroffen, wie ihre Augen und Mienen zeigten. Zugleich entbrannte in der ganzen Welt ein leidenschaftliches Interesse, und alle Menschen begannen eifrig auf die Feier des Konzils zu warten.

Inzwischen ist in drei Jahren ein arbeitsreiches Werk zur Vorbereitung des Konzils bewältigt worden. Es führte dazu, daß genau und ausgiebig erforscht wurde, in welchem Ansehen heute der Glaube, das religiöse Leben und die Kraft des christlichen, vor allem des katholischen Volkes stehen. Daher ist uns diese Zeit der Vorbereitung des ökumenischen Konzils nicht unverdient als ein erstes Zeichen und eine Gabe himmlischer Gnade erschienen.

Erleuchtet vom Licht des Konzils, so vertrauen Wir fest, wird die Kirche an geistlichen Gütern zunehmen und, mit neuen Kräften von daher gestärkt, unerschrocken in die Zukunft schauen. Denn durch eine angemessene Erneuerung und durch eine weise Organisation wechselseitiger Zusammenarbeit wird die Kirche erreichen, daß die Menschen, Familien und Völker sich mehr um die himmlischen Dinge sorgen.

Deshalb ist die Feier des Konzils ein Grund zu großer Dankespflicht gegenüber dem Geber alles Guten, um mit Lobgesängen die Ehre unseres Herrn Jesus Christus zu verherrlichen, der der unbesiegte und unsterbliche König der Zeiten und der Völker ist.

Der zeitgeschichtliche Sinn des Konzils

Da ist aber, ehrwürdige Brüder, noch ein anderer Punkt zu beachten, der Euch zum Verständnis hilft. Um auch Eure Freude vollkommener zu machen, die in dieser feierlichen Stunde Unser Herz erfüllt, wollen Wir hier berichten, unter welch glücklichen Umständen diese ökumenische Synode ihren Anfang nahm.

In der täglichen Ausübung Unseres apostolischen Hirtenamtes geschieht es oft, daß bisweilen Stimmen solcher Personen unser Ohr betrüben, die zwar von religiösem Eifer brennen, aber nicht genügend Sinn für die rechte Beurteilung der Dinge noch ein kluges Urteil walten lassen. Sie meinen nämlich, in den heutigen Verhältnissen der menschlichen Gesellschaft nur Untergang und Unheil zu erkennen. Sie reden unablässig davon, daß unsere Zeit im Vergleich zur Vergangenheit dauernd zum Schlechteren abgeglitten sei. Sie benehmen sich so, als hätten sie nichts aus der Geschichte gelernt, die eine Lehrmeisterin des Lebens ist, und als sei in den Zeiten früherer Konzilien, was die christliche Lehre, die Sitten und die Freiheit der Kirche betrifft, alles sauber und recht, zugegangen.

Wir aber sind völlig anderer Meinung als diese Unglückspropheten, die immer das Unheil voraussagen, als ob die Welt vor dem Untergange stünde. In der gegenwärtigen Entwicklung der menschlichen Ereignisse, durch welche, die Menschheit in eine neue Ordnung einzutreten scheint, muß man viel eher einen verborgenen Plan der göttlichen Vorsehung anerkennen. Dieser verfolgt mit dem Ablauf der Zeiten, durch die Werke der Menschen und meist über ihre Erwartungen hinaus sein eigenes Ziel, und alles, auch die entgegengesetzten menschlichen Interessen, lenkt er weise zum Heil der Kirche.

Das läßt sich leicht feststellen, wenn man aufmerksam die schweren politischen und wirtschaftlichen Probleme sowie die heute schwebenden Streitfragen durchdenkt. Die Menschen werden von diesen Sorgen so erfüllt, daß sie keine Zeit mehr haben, sich um religiöse Fragen zu kümmern, mit denen sich das heilige Lehramt der Kirche beschäftigt. Ein solches Verhalten ist sicher nicht frei von Bösem, und es ist füglich zu verurteilen. Niemand kann aber leugnen, daß diese neuen Verhältnisse des modernen Lebens wenigstens den Vorzug haben, die zahllosen Hindernisse zu beseitigen, durch welche einst die Kinder dieser Welt das freie Wirken der Kirche zu behindern pflegten.

Es genügt ein kurzer Blick auf die Kirchengeschichte, um sofort zu erkennen, wie die ökumenischen Konzilien selber, die doch eine Reihe ruhmreicher Taten der Kirche waren, oft durch unzulässige Einmischung der staatlichen Autoritäten nicht ohne große Schwierigkeiten und Schmerzen begangen werden konnten. Die Fürsten dieser Welt nahmen sich zwar zuweilen vor, mit aller Aufrichtig dem Schutz der Kirche zu dienen, aber das geschah meistens nicht ohne geistlichen Schaden und Gefahr, da jene Herren oft von politischen Gesichtspunkten geleitetwurden und eine recht eigensüchtige Politik trieben.

Wir möchten Euch heute gestehen, wie sehr Wir darunter leiden, daß viele unserer Bischöfe hier abwesend sind, uns aber sind sie sehr teuer. Sie wurden wegen ihrer Treue zu Christus eingekerkert, oder sie werden durch sonstige Hindernisse festgehalten. Der Gedanke an sie veranlasst Uns, glühende Gebete an Gott zu richten. Dennoch erkennen Wir nicht ohne Hoffnung und zu Unserem großen Trost wie die Kirche heute, endlich von so vielen Hindernissen irdischer Art befreit, aus dieser Vatikanischen Basilika wie aus einem neuen apostolischen Abendmahlssaal durch Euch ihre Stimme in voller Majestät und Größe erheben kann.

Erste Aufgabe: Schutz und Verbreitung der Lehre

Die Hauptaufgabe des Konzils liegt darin, das heilige Überlieferungsgut (depositum) der christlichen Lehre mit wirksameren Methoden zu bewahren und zu erklären.

Diese Lehre umfaßt den ganzen Menschen, der aus Leib und Geist besteht, und sie heißt uns, die wir diese Erde bewohnen, als Pilger unserem himmlischen Vater entgegenzugehen.

Das zeigt auch, warum dieses sterbliche Leben so zu führen ist, daß wir unsere Pflichten gegenüber dem irdischen wie gegenüber dem himmlischen Reich erfüllen müssen, um das uns von Gott gewiesene Ziel erreichen zu können. Das heißt, alle Menschen, die Einzelnen wie die zur Gesellschaft vereinten, haben die Pflicht, ohne Unterlaß nach den himmlischen Gütern zu streben, solange dieses Leben währt, und die irdischen Güter nur für diesen Zweck zu gebrauchen, so daß ihr zeitlicher Nutzen den Menschen nicht an ihrer himmlischen Seligkeit Schaden zufügt.

Christus, der Herr, hat wahrlich gesagt: „Suchet zuerst das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit“ (Matth. 6, 33). Dieses Wort „zuerst“ erklärt, wohin wir vor allem unsere Gedanken und Anstrengungen wenden müssen. Man darf jedoch nicht die anderen Worte dieses Herrengebotes vernachlässigen: „und dies alles wird euch hinzugegeben werden“ (ebd.). Aber in Wirklichkeit gab es und gibt es in der Kirche immer Menschen, die mit allem Fleiß nach der evangelischen Vollkommenheit streben und gleichzeitig der bürgerlichen Gemeinschaft dienen, so daß ihres Lebens Beispiel und ihre heilvolle Nächstenliebe alles, was es in der menschlichen Gesellschaft an Hohem und Edlem gibt, beträchtlich stärkt und bereichert.

Damit diese Lehre die vielfältigen Bereiche des menschlichen Wirkens erreicht, sowohl den Einzelnen wie die Familien und das soziale Leben, ist es vor allem nötig, daß die Kirche ihre Aufmerksamkeit nicht von dem Schatz der Wahrheit abwendet, den sie von den Vätern ererbt hat. Sodann muß sie auch der Gegenwart Rechnung tragen, die neue Umweltbedingungen und neue Lebensverhältnisse geschaffen und dem katholischen Apostolat neue Wege geöffnet hat.

Darum hat die Kirche den wunderbaren Entdeckungen menschlichen Geistes und dem Fortschritt der Erkenntnisse, die wir uns heute zunutze machen, nicht untätig zugesehen, noch hat sie es an der rechten Wertschätzung fehlen lassen. Aber in der wachsamen Sorge um diese Entwicklung hat sie es nicht versäumt, die Menschen zu mahnen, über diese Art irdischer Erwartungen hinaus auf Gott zu schauen, die Quelle aller Weisheit und Schönheit, damit sie, denen gesagt wurde: „Macht euch die Erde untertan!“ (Gen. 1, 28), niemals jenes ernste Gebot vergessen: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, anbeten und ihm allein dienen!“ (Matth. 4, 10; Luk. 4, 8). Sonst würde der flüchtige Zauber des Irdischen den wahren Fortschritt verhindern.

Wie heute die christliche Lehre verkündet werden soll

Aus dem Gesagten, Ehrwürdige Brüder, wird hinreichend deutlich, was dem Ökumenischen Konzil für die Verkündigung der Lehre im einzelnen aufgetragen ist.

Das heißt, das 21. Ökumenische Konzil, dem eine wirksame und hochzubewertende Unterstützung durch erfahrene Gelehrte des Kirchenrechts, der Liturgie, des Apostolats und der Verwaltung zur Verfügung steht, will die katholische Lehre rein, unvermindert und ohne Entstellung überliefern, so wie sie trotz Schwierigkeiten und Kontroversen gleichsam ein gemeinsames Erbe der Menschheit geworden ist. Dieses Erbe ist nicht allen genehm, aber es wird allen, die guten Willens sind, als ein überreicher und kostbarer Schatz angeboten.

Doch es ist nicht unsere Aufgabe, diesen kostbaren Schatz nur zu bewahren, als ob wir uns einzig und allein für das interessieren, was alt ist, sondern wir wollen jetzt freudig und furchtlos an das Werk gehen, das unsere Zeit erfordert, und den Weg fortsetzen, den die Kirche seit zwanzig Jahrhunderten zurückgelegt hat.

Es ist auch nicht unsere Sache, gleichsam in erster Linie einige Hauptpunkte der kirchlichen Lehre zu behandeln und die Lehre der Väter wie der alten und neueren Theologen weitläufig zu wiederholen, denn Wir glauben, daß Ihr diese Lehren kennt und sie Eurem Geiste wohl vertraut sind. Denn für solche Disputation mußte man kein ökumenisches Konzil einberufen. Heute ist es wahrhaftig nötig, daß die gesamte christliche Lehre ohne Abstrich in der heutigen Zeit von allen durch ein neues Bemühen angenommen werde. Heiter und ruhigen Gewissens müssen die überlieferten Aussagen, die aus den Akten des Tridentinums und des I. Vatikanums hervorgehen, daraufhin genau geprüft und interpretiert werden. Es muß, was alle ernsthaften Bekenner des christlichen, katholischen und apostolischen Glaubens leidenschaftliche erwarten, diese Lehre in ihrer ganzen Fülle und Tiefe erkannt werden, um die Herzen vollkommener zu entflammen und zu durchdringen. Ja, diese sichere und beständige Lehre, der gläubig zu gehorchen ist, muß so erforscht und ausgelegt werden, wie unsere Zeit es verlangt.

Denn etwas anderes ist das Depositum Fidei oder die Wahrheiten, die in der zu verehrenden Lehre enthalten sind, und etwas anderes ist die Art und Weise, wie sie verkündet werden, freilich im gleichen Sinn und derselben Bedeutung. Hierauf ist viel Aufmerksamkeit zu verwenden; und, wenn es not tut, muß geduldig daran gearbeitet werden, das heißt, alle Gründe müssen erwogen werden, um die Fragen zu klären, wie es einem Lehramt entspricht, dessen Wesen vorwiegend pastoral ist.

Wie die Irrtümer abzuwehren sind

Am Beginn des Zweiten Vatikanischen Ökumenischen Konzils ist es so klar wie jemals, daß die Wahrheit des Herrn in Ewigkeit gilt. Wir beobachten ja, wie sich im Lauf der Zeiten die ungewissen Meinungen der Menschen einander ablösen, und die Irrtümer erheben sich oft wie ein Morgennebel, den bald die Sonne verscheucht.

Die Kirche hat diesen Irrtümern zu allen Zeiten widerstanden, oft hat sie sie auch verurteilt, manchmal mit großer Strenge. Heute dagegen möchte die Braut Christi lieber das Heilmittel der Barmherzigkeit anwenden als die Waffe der Strenge erheben. Sie glaubt, es sei den heutigen Notwendigkeiten angemessener, die Kraft ihrer Lehre ausgiebig zu erklären, als zu verurteilen. Das bedeutet nicht, daß es keine falschen Lehren und keine gefährlichen Meinungen gebe, die man vermeiden und zerstreuen muß. Aber diese widerstreiten so offensichtlich den rechten Grundsätzen der Ehrbarkeit, und sie haben so verheerende Früchte gezeitigt, daß heute bereits die Menschen von sich aus solche Lehren verurteilen. Das gilt besonders von jenen Sitten, die Gott und seine Gebote verachten, vom blinden Vertrauen auf den technischen Fortschritt und auf einen Wohlstand, der sich ausschließlich auf den Lebenskomfort stützt. Sie erkennen selber mehr und mehr, daß es sehr auf die Würde der menschlichen Person und die daraus folgenden Verpflichtungen ankommt. Was aber am meisten zählt: sie haben aus Erfahrung gelernt, daß die Anwendung äußerer Gewalt gegen andere, das Potential der Rüstungen und politische Vorherrschaft nicht genügen, um die ihnen aufliegenden schweren Probleme glücklich zu lösen.

Angesichts dieser Lage erhebt die katholische Kirche durch dieses Ökumenische Konzil die Leuchte der Glaubenswahrheit. Sie will sich damit als eine sehr liebevolle, gütige und geduldige Mutter erweisen, voller Erbarmung und Wohlwollen zu ihren Kindern, die sie verlassen haben. Schon Petrus sagte einst angesichts einer Menschheit, die unter großen Nöten litt, zu einem Armen, der ihn um Almosen anging: „Gold und Silber besitze ich nicht, doch was ich habe, gebe ich dir: Im Namen Jesu Christi von Nazareth stehe auf, und gehe umher!“ (Apg. 3, 6). So bietet die Kirche den modernen Menschen keine vergäng­lichen Reichtümer und auch kein irdisches Glück. Sie schenkt ihnen vielmehr die Gaben der göttlichen Gnade, die den Menschen zur Würde der Gotteskindschaft erheben und die zur wirksamen Bewahrung und Förderung des menschlichen Lebens dienen. Sie öffnet ihnen die lebendigen Quellen ihrer Lehre, die die Menschen mit dem Lichte Christi erleuchten, so daß sie erkennen können, was sie in Wahrheit sind, welche Würde ihnen zukommt und welchem Ziel sie nachzustreben haben.Schließlich verbreitet sie durch ihre Söhne überall die Fülle christlicher Liebe, die am besten jeden Streit beseitigt und Einheit, gerechten Frieden wie die brüderliche Einheit aller bewirkt.

Für die Einheit der Christen und der Menschen

So ergibt sich die Sorge der Kirche für die Ausbreitung und Bewahrung der Wahrheit daraus, daß nach Gottes Heilsplan, „der alle Menschen retten und zur Erkennt­nis der Wahrheit gelangen lassen will“ (1 Tim. 2, 4), die Menschen nur mit Hilfe der ungeschmälerten Offenbarung zur absoluten und sicheren Einheit der Herzen gelangen können, mit der ein wahrer Frieden und das ewige Heil verbunden sind.

Diese sichtbare Einheit in der Wahrheit hat aber leider die gesamte christliche Familie noch nicht in Vollendung und Vollkommenheit erreicht. Daher sieht es die katho­lische Kirche als ihre Pflicht an, alles Erdenkliche zu tun, damit das große Mysterium jener Einheit erfüllt werde, die Christus Jesus am Vorabend seines Opfertodes von seinem himmlischen Vater mit glühenden Gebeten erfleht hat. Sie erfreut sich des stillen Friedens im Bewußtsein, daß sie darin aufs innigste mit diesem Gebet Christi verbunden ist. So freut sie sich auch von Herzen, wenn sie bemerkt, welche reichen Früchte dieses Gebet auch bei denen trägt, die von ihren Hürden getrennt leben. Ja, genau betrachtet, erstrahlt diese Einheit, die Jesus Christus für seine Kirche erlangte, in einem dreifachen Licht: die Einheit der Katholiken untereinander, die als leuchtendes Beispiel ganz fest bewahrt bleiben muß, sodann die Einheit, die im Gebet und den leidenschaftlichen Erwartungen der vom Apostolischen Stuhl getrennten Christen besteht, wieder mit uns vereint zu sein, und schließlich die Einheit der Hochachtung und Ehrfurcht gegenüber der katholischen Kirche, die ihr von anderen, noch nicht christlichen Religionen erwiesen wird.

Dabei bereitet es Uns. großen Schmerz, daß bisher der größte Teil der Menschheit noch nicht von den Quellen der göttlichen Gnade lebt, die in der katholischen Kirche fließen, obwohl alle Menschen von Geburt an durch das Blut Christi erlöst worden sind. So kommen Uns beim Gedanken an die katholische Kirche, deren Licht alles erleuchtet und deren übernatürliche Einheit zum Nutzen der ganzen Menschheit dient, diese Worte des hl. Cyprian in den Sinn: „Die Kirche, erfüllt vom göttlichen Licht, strahlt hinaus in die ganze Welt. Dennoch ist es nur ein Licht, das überallhin flutet, ohne daß die Einheit des Körpers aufgelöst wird. Ihre Zweige streckt sie in reicher Fülle aus über die ganze Erde hin, mächtig hervorströmende Bäche läßt sie immer wieder sich ergießen. Und dennoch gibt es nur eine Quelle, nur einen Ursprung, nur eine Mutter, die mit überquellender Fruchtbarkeit gesegnet ist: aus ihrem Schoß werden wir geboren, mit ihrer Milch genährt, von ihrem Geist beseelt“ (De cath. ecclesiae unit., 5).

Ehrwürdige Brüder!

Dieses ist die Absicht des Zweiten Vatikanischen Ökumenischen Konzils: da es die hervorragendsten Kräfte der Kirche vereint und da es sich eifrig bemüht, daß die Heilsbotschaft von den Menschen bereitwillig aufgenommen werde, bereitet und festigt es auf diese Weise den Weg zu jener Einheit des Menschengeschlechts, die das notwendige Fundament bildet für eine Verähnlichung der irdischen mit der himmlischen Stadt, „in der die Wahrheit herrscht, deren Gesetz die Liebe, deren Existenz aber die Ewigkeit ist“ (Augustinus, Ep. CXXXVIII, 3).

Schluss

Nun aber „wendet sich Unsere Stimme an euch“ (2 Kor. 6, 11), Ehrwürdige Brüder im Bischofsamt. Wir sind hier vereinigt in der Vatikanischen Basilika, wo der Angelpunkt der Kirchengeschichte ist und Himmel und Erde jetzt eng verbunden sind, hier am Grabe des hl. Petrus, bei so vielen Ruhestätten Unserer heiligen Vorgänge: deren sterbliche Reste sich in dieser feierlichen Stunde gleichsam in verborgenem Jubel mitfreuen.

Mit dem beginnenden Konzil hebt in der Kirche ein Tag strahlenden Lichtes an. Noch ist es wie Morgenröte, und schon berühren die Strahlen der aufgehenden Sonne Unser Herz. Alles atmet hier Heiligkeit, alles erweckt Jubel. Betrachten wir doch die Sterne, die mit ihrer Klarheit die Majestät dieses Heiligtums mehren. Diese Sterne seid Ihr, nach dem Zeugnis des Apostels Johannes (Offb. 1, 20). Und mit Euch sehen Wir gleichsam goldene Leuchter um das Grab des Apostelfürsten, nämlich die Euch anvertrauten Kirchen (ebd.). Zugleich sehen Wir Männer von Rang und Würden, die aus fünf Erdteilen nach Rom gekommen sind, um ihre Nationen zu vertreten, sie sind hier mit großer Ehrfurcht und menschlichster Erwartung zugegen.

So darf man wohl sagen, daß sich Himmel und Erde zur Feier des Konzils in gemeinschaftlichem Werk vereinen. Die Heiligen des Himmels schützen unsere Arbeit, die Gläubigen auf Erden beten unablässig zu Gott, und Ihr folgt gewissenhaft den Eingebungen des Heiligen Geiste und gebt Euch eifrig Mühe, daß Eure Arbeit den Erwartungen und Bedürfnissen der verschiedenen Völker in höchstem Maße entspricht. Damit dies geschehe, werden von Euch ein erhabener Friede des Geistes, brüderliche Eintracht, Mäßigung in den Vorschlägen, Würde in den Beratungen und weise Überlegung gefordert.

Mögen Eure Mühen und Eure Arbeit, auf die so viel Völker schauen und ihre Hoffnung setzen, alle Erwartungen recht erfüllen.

Allmächtiger Gott, auf Dich setzen wir unser ganzes Vertrauen, da wir uns nicht auf unsere eigene Kraft verlassen können. Sieh gnädig auf diese Hirten Deiner Kirche. Das Licht Deiner Gnade helfe uns, wenn wir Beschlüsse fassen und Gesetze erlassen. Und erhöre die Gebete, die wir in einmütigem Glauben, mit einer Stimme und einigen Herzens an Dich richten.

O Maria, Hilfe der Christen, Hilfe der Bischöfe, in Deinem Heiligtum von Loreto haben Wir das Geheimnis der Menschwerdung betrachtet und erst kürzlich Deine Liebe besonders erfahren. So führe denn alles zum guten Ende. Bitte für uns bei Gott mit dem hl. Joseph, Deinem Bräutigam, mit den hll. Aposteln Petrus und Paulus, mit dem hl. Johannes dem Täufer und dem Evangelisten.

Jesus Christus, Unserem lieben Erlöser, dem unsterblichen König aller Völker und Zeiten, sei Liebe, Macht und Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen!“

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