Sacra virginitas (Wortlaut): Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 24. Februar 2009, 11:42 Uhr

Maria, die Mutter Jesu
Enzyklika
Sacra virginitas
unseres Heiligen Vaters
Pius XII.
an die Ehrwürdigen Brüder, die Patriarchen, Primaten, Erzbischöfe, Bischöfe
und die sonstigen Oberhirten, die in Frieden und Gemeinschaft mit dem Apostolischen Stuhle leben
über die heilige Jungfräulichkeit
25. März 1954
(Lateinischer Text: AAS XLVI [1954] 161-191)

(Quelle: Offizielle deutsche Übersetzung, Johannes-Verlag Leutesdorf am Rhein 1955 (3. Auflage); Imprimatur N 165/55. Treveris, die 30 m. Novembris 1955 Dr. Weins, Vicarius Generalis. Die Nummerierung folgt der englischen Fassung [1])

Allgemeiner Hinweis: Die in der Kathpedia veröffentlichen Lehramstexte, dürfen nicht als offizielle Übersetzungen betrachtet werden, selbst wenn die Quellangaben dies vermuten ließen. Nur die Texte auf der Vatikanseite [2] können als offiziell angesehen werden (Schreiben der Libreria Editrice Vaticana vom 21. Januar 2008).

Ehrwürdige Brüder,
Gruß und Apostolischen Segen

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Der christliche Ursprung der Jungfräulichkeit

1 Die heilige Jungfräulichkeit und die vollkommene, dem Dienst Gottes geweihte Keuschheit gehören ohne Zweifel zu den kostbarsten Schätzen, die der Stifter der Kirche der von ihm gegründeten Gemeinschaft gleichsam als Erbe hinterlassen hat.

2 Aus diesem Grund haben die heiligen Väter erklärt, die immerwährende Jungfräulichkeit sei ein hohes, von der christlichen Religion eingeführtes Gut. Sie bemerken mit Recht; dass die alten Heiden den Vestalinnen einen solchen Lebenswandel nur für eine bestimmte Zeit auferlegten (1); dass, wenn im Alten Testament Bewahrung und Schutz der Jungfräulichkeit vorgeschrieben werden, dies nur als Forderung für die Zeit vor der Ehe gelte (2); und außerdem – so schreibt Ambrosius (3) – „lesen wir, dass auch im Tempel von Jerusalem Jungfrauen waren. Doch was sagt der Apostel ? ,Alles, was mit ihnen geschah, war sinnbildlich (4), als Vorzeichen für Künftiges.”

3 Schon seit dem apostolischen Zeitalter gedeiht und blüht diese Tugend im Garten der Kirche. Wenn in der Apostelgeschichte (5) berichtet. wird, dass die vier Töchter des Diakons Philippus Jungfrauen gewesen seien, so wird damit sicher nicht so sehr auf die Jugend als vielmehr auf ihren Lebensstand hingewiesen. Nicht viel später erwähnt Ignatius von Antiochien (6) grüßend die Jungfrauen, die, zusammen mit den Witwen, schon einen nicht unbeträchtlichen Teil der Christengemeinde von Smyrna ausmachten. Und im zweiten Jahrhundert – so bezeugt der heilige Justinus – ”gibt es viele Sechzig- und Siebzigjährige beiderlei Geschlechtes, die, von Kindheit an im Geiste Christi erzogen, sich unversehrt bewahren“ (7). Nach und nach wuchs die Zahl der Männer und Frauen, die ihre Keuschheit Gott weihten; in gleicher Weise gewann ihre Stellung und Aufgabe in der Kirche nicht wenig an Bedeutung, wie Wir ausführlich in Unserer Apostolischen Konstitution ”Sponsa Christi” dargelegt haben (8).

4 Ferner haben die heiligen Väter – wie Cyprianus, Athanasius, Ambrosius, Johannes Chrysostomus, Hieronymus, Augustinus und nicht wenige andere – in ihren Schriften über die Jungfräulichkeit diese mit dem höchsten Lob bedacht. Diese Lehre der Kirchenväter, im Laufe der Jahrhunderte von den Kirchenlehrern und den Lehrern der christlichen Vollkommenheit noch ausgebaut, trägt in der Tat unter den Christen beiderlei Geschlechts viel bei zur Weckung oder, nachdem er schon gefasst ist, zur Festigung des Entschlusses, sich in vollkommener Keuschheit Gott zu weihen und in ihr bis zum Tode zu verharren.

5 Unzählbar ist die Schar derer, die seit den Anfängen der Kirche bis auf unsere Zeit ihre Keuschheit Gott dargebracht haben, sei es, dass sie ihre Jungfräulichkeit unberührt bewahrten, sei es, dass sie nach dem Tode ihres Ehegefährten Gott ihren Witwenstand dauernd weihten, sei es, dass sie ihre Sünden bereuend, ein völlig keusches Leben wählten; alle aber hervorragend durch den gleichen, einmütigen Entschluss, für immer um Gottes willen volle geschlechtliche Enthaltsamkeit zu beobachten. Was also die Kirchenväter über die Hoheit und das Verdienst der Jungfräulichkeit lehrten, soll für sie alle Einladung, Festigung und Bestärkung sein, dass sie unentwegt in dem dargebrachten Opfer beharren und nichts, auch nicht das Geringste, von dem auf Gottes Altar gelegten Ganzopfer wegnehmen und für sich beanspruchen.

6 Wenn aber eines der drei Gelübde des Ordensstandes (9) auf dieser vollkommenen Keuschheit beruht und wenn diese von den Klerikern mit den höheren Weihen in der lateinischen Kirche (10) und von den Mitgliedern, der Weltlichen Institute (11) verlangt wird, so blüht sie gleichwohl auch bei nicht wenigen, die ganz dem Laienstand angehören. Gibt es doch Männer und Frauen, die zwar nicht dem öffentlichen Stand der Vollkommenheit zugehören, die aber dennoch kraft ihres Entschlusses oder eines Privatgelübdes der Ehe und der geschlechtlichen Befriedigung vollständig entsagen, um mit größerer Freiheit dem Nächsten dienen sowie leichter und inniger ihren Geist mit Gott vereinen zu können.

A. Zweck des Rundschreibens

7 Allen und den einzelnen dieser geliebten Söhne und Töchter, die irgendwie Leib und Seele Gott geweiht haben, gilt Unser väterliches Wohlwollen, und Wir ermahnen sie eindringlichst, ihren heiligen Entschluss zu festigen und sorgsam auszuführen.

8 Nun gibt es aber heute manche, die diesbezüglich vom rechten Weg abweichen und die Ehe so sehr erheben, dass sie ihr tatsächlich den Vorzug vor der Jungfräulichkeit geben und damit die gottgeweihte Keuschheit und den kirchlichen Zölibat herabsetzen. Darum verlangt es die Verantwortung des apostolischen Amtes von Uns, dass Wir die Lehre von den hohen Aufgaben der Jungfräulichkeit gerade heute darlegen und sichern, um die katholische Wahrheit gegen jene Irrtümer zu verteidigen.

I. Wesen und Würde der Jungfräulichkeit

A. Die Lehre Jesu

9 Vor allem glauben Wir darauf hinweisen zu sollen, dass die Kirche die Hauptpunkte ihrer Lehre über die Jungfräulichkeit den Worten ihres göttlichen Bräutigams selber entnommen hat.

10 Als den Jüngern die in der Rede ihres Meisters ausgesprochenen Bindungen und Bürden der Ehe sehr schwer erschienen und sie zu ihm gesagt hatten: „Wenn es zwischen Mann und Frau so steht, ist es ja besser, nicht zu heiraten“ (12), da antwortete Jesus Christus, nicht alle würden dies fassen, sondern nur die, denen es gegeben sei; manche würden durch ein Gebrechen der Natur, andere durch Gewalt und Bosheit der Menschen von der Ehe abgehalten; wieder andere aber würden sich aus freiem Willen und Antrieb ihrer enthalten, und zwar „um des Himmelreiches willen”; dann schloss er mit den Worten: ”Wer es fassen kann, der fasse es (13)”.

a) Auf Lebenszeit

11 In diesem Satz spricht also der göttliche Meister nicht von den körperlichen Hindernissen gegen eine Eheschließung, sondern von dem geistigen Entschluss des freien Willens, für immer der Ehe und der geschlechtlichen Befriedigung zu entsagen. Wenn er nämlich die freiwillig Ehelosen mit denen vergleicht, die von Natur oder durch Menschengewalt zum gleichen Verzicht gezwungen werden, lehrt uns, damit der göttliche Erlöser nicht gerade dies, dass zur wahren Vollkommenheit der Keuschheit ihre immerwährende Dauer gehört ?

b) Um des Himmelreiches willen

12 Dazu kommt – wie die heiligen Väter und die Kirchenlehrer vortrefflich dargelegt haben –, dass die Jungfräulichkeit nur dann eine christliche Tugend ist, wenn wir sie ”um des Himmelreiches willen” (14) auf uns nehmen; das heißt, nur dann, wenn wir diesen Lebensstand ergreifen, um uns umso leichter den göttlichen Dingen widmen zu können, um einmal um so sicherer die ewige Seligkeit zu erreichen und um schließlich um so unbeschwerter auch die anderen mit voller Hingabe zum Himmelreich führen zu können.

13 Es können also nicht diejenigen beiderlei Geschlechtes die Ehre der christlichen Jungfräulichkeit für sich beanspruchen, die sich aus übergroßer Selbstsucht der Ehe enthalten oder aus Scheu vor deren Lasten, wie der heilige Augustinus bemerkt (15), und auch nicht jene, die nach Pharisäerart die Unversehrtheit ihres Leibes hochmütig zur Schau tragen möchten; schon das Konzil von Gangra verwirft es ja, dass der Jungfräuliche oder Enthaltsame sich von der Ehe wie von etwas zu Verabscheuendem fernhalte und nicht vielmehr gerade wegen der Schönheit und Heiligkeit der Jungfräulichkeit (16).

B. Die Lehre des heiligen Paulus

a) Auf den Herrn bezogen

14 Überdies bemerkt der Völkerapostel unter göttlicher Eingebung: „Der Unverheiratete ist um die Sache des Herrn besorgt, wie er dem Herrn gefalle ... Die unverheiratete Frau und die Jungfrau ist besorgt um die Sache des Herrn und will heilig sein an Leib und Seele (17).”

15 Dies ist also der Leitgedanke und der Hauptgrund der christlichen Jungfräulichkeit: auf das Göttliche allein hinzustreben und bedacht zu sein; Gott in allem gefallen zu wollen; mit Hingebung an ihn zu denken; ihm Leib und Seele ganz zu weihen.

C. Die Lehre der Väter

a) Weihe an Gott

16 So haben die heiligen Väter jederzeit den Ausspruch Jesu Christi und die Lehre des Völkerapostels gedeutet. Von den Anfängen der Kirche an haben sie die Jungfräulichkeit als eine Gott dargebrachte Weihe des Leibes und der Seele betrachtet. Deshalb verlangt der heilige Cyprian von den Jungfrauen: „Jene, die sich Christus geweiht und, der fleischlichen Begierde entsagend, mit Leib und Seele Gott anheim gegeben haben, ... sollen sich nur für Gott schmücken und ihm allein zu gefallen suchen (18)”. Noch weiter geht der Bischof von Hippo, wenn er erklärt: „Nicht um ihrer selbst willen wird die Jungfräulichkeit geehrt, sondern weil sie Gott geweiht ist... Und wir preisen an den Jungfrauen nicht,: dass sie solche sind, sondern dass sie durch heilige Enthaltsamkeit Gott geweihte Jungfrauen sind (19).” Die beiden Fürsten der theologischen Wissenschaft – Thomas von Aquin (20) und Bonaventura (21) – lehren mit Berufung auf den heiligen Augustinus, dass die Jungfräulichkeit nur dann die Festigkeit einer Tugend besitze, wenn sie aus der Übernahme des Gelübdes hervorgehe, sie für immer unverletzt zu bewahren. Tatsächlich verwirklichen jene am meisten und am vollkommensten den Ausspruch Christi über den dauernden Verzicht auf die Ehe, die sich durch ein ewiges Gelübde dazu verpflichten. Und man kann nicht mit Recht behaupten, dass der Vorsatz jener, die sich einen Weg zum Widerruf offen halten wollen, besser und vollkommener sei.

b) Geistige Ehe

17 Dieses Band vollkommener Keuschheit betrachteten die heiligen Väter als eine Art geistiger Ehe, wodurch die Seele mit Christus vereinigt wird; einige gingen daher so weit, dass sie in diesem Fall die Verletzung des gegebenen Wortes dem Ehebruch gleichachteten (22). So schreibt der heilige Athanasius, die katholische Kirche pflege jene Bräute Christi zu nennen, die sich durch die Tugend der Jungfräulichkeit auszeichneten (23). Und der heilige Ambrosius, der eigens über die gottgeweihte Jungfrau schreibt, stellt den Satz auf: „Jungfrau ist, wer sich Gott vermählt (24).” Noch mehr: Wie aus den Schriften gerade des Mailänder Kirchenlehrers hervorgeht (25), war schon vom vierten Jahrhundert an der Ritus der Jungfrauenweihe jenem sehr ähnlich, den die Kirche in unseren Tagen bei der Einsegnung der Ehe anwendet (26).

18 Aus dem gleichen Grunde ermahnen die heiligen Väter die Jungfrauen, ihrem göttlichen Bräutigam eine größere Liebe entgegenzubringen, als sie es dem gegenüber täten, mit dem sie sich ehelich verbunden hätten, und seinem Willen jederzeit im Denken und Handeln zu willfahren (27). So schreibt ihnen zum Beispiel der heilige Augustinus: „Liebt aus ganzem Herzen den Schönsten unter den Menschenkindern: ihr seid dafür frei; euer Herz ist nicht behindert durch eheliche Bindungen... Wenn ihr also den Ehegefährten eine große Liebe schulden würdet, wie innig müsst ihr dann den lieben, um dessentwillen ihr keine Ehegefährten haben wolltet? Ganz eurem Herzen soll er eingeprägt sein, der für euch ans Kreuz geheftet wurde (28).” Dies entspricht übrigens auch den Gesinnungen und Vorsätzen, welche die Kirche selbst von den Jungfrauen am Tage ihrer rituellen Weihe an Gott erwartet, wenn sie ihnen die folgenden Worte nahe legt: „Das Reich der Welt und allen irdischen Schmuck habe ich verschmäht um der Liebe unseres Herrn Jesus Christus willen, den ich schaute, den ich liebte, an den ich glaubte, den ich mir erkor (29).” Nichts anderes also als die Liebe zu ihm drängt die Jungfrau mit sanfter Gewalt dazu, ihren Leib und ihre Seele ganz dem göttlichen Heiland zu weihen, wie auch der heilige Methodius, Bischof von Olympus, ihr die herrlichen Worte in den Mund legt: ”Du selbst, Christus, bist mir alles. Für dich bewahre ich mich keusch, und mit brennender Lampe in den Händen eile ich dir, mein Bräutigam, entgegen (30).” Die Liebe zu Christus ist es darum, die die Jungfrau veranlasst, sich hinter Klostermauern zu flüchten und dort für immer zu bleiben, um sich freier und leichter dem himmlischen Bräutigam zu widmen und ihn zu lieben; sie drängt und treibt sie an, die Werke der Barmherzigkeit für den Nächsten bis zum Tode mit allen Kräften auszuüben.

c) Verähnlichung mit dem jungfräulichen Christus

19 Von jenen Männern aber, „die sich nicht mit Frauen eingelassen haben und jungfräulich sind (31)“, versichert der Apostel Johannes: „Sie folgen dem Lamme, wohin es geht (32).” Bedenken wir darum die Mahnung, die ihnen allen der heilige Augustinus erteilt: „Folgt dem Lamme; denn auch des Lammes Fleisch ist jungfräulich ... Mit Recht folgt ihr ihm durch Jungfräulichkeit des Herzens und des Fleisches, wohin es geht. Was heißt folgen anders als nachahmen? Christus hat ja für uns gelitten und uns ein Beispiel hinterlassen, wie der Apostel Petrus sagt, „dass wir in seine Fußstapfen treten” (33). Alle diese Jünger und Bräute Christi haben den Stand der Jungfräulichkeit umfangen, wie der heilige Bonaventura erklärt, „wegen der Gleichförmigkeit mit Christus dem Bräutigam, dem dieser Stand die jungfräulichen Seelen gleichgestaltet” (34). Ihrer glühenden Liebe zu Christus konnte es nämlich nicht genügen, durch seelische Bande mit ihm vereinigt zu werden, sondern es war notwendig für sie, die gleiche Liebe in der Nachahmung seiner Tugenden zu bewähren und ganz besonders in der Gleichförmigkeit mit seinem Leben, das ganz zum Guten und zum Heil des Menschengeschlechtes gelebt war. Wenn die Priester, die Ordensmänner und die Ordensfrauen wie alle jene, die in irgendeiner Form sieh dem göttlichen Dienste geweiht haben, die vollkommene Keuschheit üben, so geschieht dies wahrhaftig deshalb, weil ihr göttlicher Meister jungfräulich war bis zu seinem Lebensende. So ruft der heilige Fulgentius aus: „Dieser ist aber der eingeborene Sohn Gottes, der eingeborene Sohn auch der Jungfrau, der eine Bräutigam aller gottgeweihten Jungfrauen, der heiligen Jungfraulichkeit Frucht, Zier und Gabe, er, den die heilige Jungfräulichkeit körperlich gebar, dem die heilige Jungfräulichkeit sich geistig vermählt, von dem die heilige Jungfräulichkeit befruchtet wird, dass sie unberührt beharre, von dem sie geschmückt wird, dass sie schön bleibe, von dem sie gekrönt wird, dass sie immerdar glorreich herrsche (35).

D. Nähere theologische Begründung

a) Freiheit für den Dienst Gottes

20 An dieser Stelle, ehrwürdige Brüder, halten Wir es für angebracht, näher zu begründen und eingehender zu erklären, wieso die Liebe Christi hochherzige Seelen zum Verzicht auf die Ehe bewegt und welche geheimnisvollen Beziehungen zwischen der Jungfräulichkeit und der Vollkommenheit christlicher Liebe bestehen. Schon in dem vorhin angeführten Ausspruch Jesu Christi wird angedeutet, dass ein vollständiger Verzicht auf die Ehe die Menschen von deren schweren Aufgaben und Pflichten befreit. Auf Eingebung des Geistes Gottes legt der Völkerapostel den Grund dieser Befreiung mit folgenden Worten dar: „Ich möchte, dass ihr ohne Sorge seid... Der Verheiratete ist aber um weltliche Dinge besorgt, wie er der Frau gefalle. So ist er geteilt (36).” Wozu jedoch zu bemerken ist: Der Apostel missbilligt hier nicht die Männer, die um ihre Frauen besorgt sind, und er tadelt nicht die Frauen, die ihren Gatten zu gefallen sich bestreben; er sagt vielmehr nur, dass ihre Seelen zwischen Gatten- und Gottesliebe geteilt und von zwiespältigen Sorgen bedrängt sind, durch die sie es, infolge der Pflichten des Zusammenlebens, nicht leicht haben, sich der Betrachtung göttlicher Dinge zu widmen. Denn die ihnen auferlegte Pflicht der Ehe gebietet klar: „Die zwei werden ein Fleisch sein (37).” Die Eheleute sind ja in traurigen wie in frohen Tagen durch gegenseitige Bande verknüpft (38)”. So ist es leicht zu verstehen, warum jene, die sich dem göttlichen Dienst hinzugeben wünschen, den jungfräulichen Lebensstand wie eine Art Befreiung erwählen, nämlich um vollständiger Gott dienen und zum Wohl des Nächsten mit allen Kräften beitragen zu können. Um Beispiele anzuführen: Wie hätte denn der wunderbare Künder der Wahrheit des Evangeliums, der heilige Franz Xaver, wie hätte der barmherzige Vater der Armen, der heilige Vinzenz von Paul, der erfinderische Erzieher der Jugend, der heilige Johannes Bosco, und die unermüdliche „Mutter der Auswanderer”, die heilige Franziska Xaveria Cabrini, wie hätten sie die ungeheuren Mühen und Arbeiten bewältigen können; wenn sie für die körperliche und seelische Wohlfahrt eines Gatten und einer Nachkommenschaft hätten sorgen müssen?

b) Erhebung des Geistes

21 Es gibt noch einen weiteren Grund, weswegen alle jene, die sich ganz Gott und dem Heil des Nächsten hinzugeben verlangen, den jungfräulichen Stand auf sich nehmen. Es ist jener, den die heiligen Väter anführten, wenn sie von den Vorteilen derer handelten, die sich gänzlich der sinnlichen Lust deshalb enthalten, damit sie mehr für die Erhebungen und Freuden des geistlichen Lebens befähigt seien. Ohne Zweifel – so haben auch sie es klar ausgesprochen – ist die Lust, die naturgemäß aus der Ehe entsteht, in sich nicht zu verwerfen; die keusche Ehe ist vielmehr durch ein besonderes Sakrament geadelt und geweiht. Gleichwohl ist ebenso zuzugeben, dass die niederen Fähigkeiten der menschlichen Natur seit dem traurigen Fall Adams der rechten Vernunft widerstreiten und zuweilen den Menschen auch zu unehrbarem Tun verleiten. „Der Gebrauch der Ehe”, so schreibt der engelgleiche Lehrer, „zieht den Geist davon ab, sich gänzlich dem Dienste Gottes hinzugeben (39).”

c) Sinn des Zölibatgesetzes

22 Damit die Diener des Heiligtums diese geistige Freiheit des Leibes und der Seele erlangen und nicht in irdische Geschäfte verstrickt seien, verlangt die lateinische Kirche von ihnen, dass sie freiwillig und gern der Verpflichtung vollkommener Keuschheit folgen (40). „Wenn”, wie von Unserem hochseligen Vorgänger Pius XI. gesagt wurde, „dieses Gesetz die Kleriker der orientalischen Kirche nicht schlechthin verpflichtet, so wird doch auch bei ihnen der kirchliche Zölibat in Ehren gehalten; und zuweilen, zumal wenn es sich um die höchsten Stufen der Hierarchie handelt, wird er notwendig gefordert und vorgeschrieben (41).”

23 Es ist ferner zu erwägen, dass die Verwalter der heiligen Geheimnisse nicht nur deshalb sich ganz der Ehe enthalten, weil sie ein apostolisches Amt versehen, sondern ebenso weil sie dem Altar dienen. Wenn schon die Priester des Alten Testamentes, während sie den Tempeldienst versahen, vom Gebrauch der Ehe abstanden, damit sie nicht wie die übrigen Menschen vom Gesetz als unrein erklärt würden (42), um wie viel mehr geziemt es sich, dass die Diener Jesu Christi, die täglich das eucharistische Opfer darbringen, in ständiger Keuschheit leben? Zur Enthaltsamkeit der Priester nimmt der hl. Petrus Damiani Stellung mit der mahnenden Frage: „Wenn also unser Erlöser die Blüte unversehrter Reinheit so sehr geschätzt hat, dass er nicht allein aus jungfräulichem Schoß geboren, sondern auch von einem jungfräulichen Nährvater in die Arme geschlossen wurde, und dies, da er noch als Kind in der Wiege weinte, von wem, so frage ich in allem Ernst, will er jetzt seinen Leib berühren lassen, da er schon in unermesslicher Macht im Himmel herrscht (43)”

d) Vorrang der Jungfräulichkeit vor der Ehe

24 Auch aus diesem Grund vor allem muss gesagt werden, was die klare Lehre der Kirche ist, dass die heilige Jungfräulichkeit durch ihren hohen Wert die Ehe überrage. Dies hatte schon der göttliche Heiland seinen Jüngern als Rat für ein vollkommeneres Leben nahegelegt (44); und der Apostel Paulus sagte zwar von dem Vater, der seine Tochter in die Ehe gibt: „Er tut wohl daran”, fügte aber sogleich hinzu: „Und wer sich nicht verheiratet, handelt besser (45).” Zum Vergleich der Ehe mit der Jungfräulichkeit gibt derselbe Apostel seine Meinung mehr als einmal, besonders aber mit diesen Worten kund: „Ich wollte, ihr wäret alle wie ich... Den Unverheirateten und den Witwen aber sage ich: Sie tun gut, wenn sie so bleiben wie ich (46).” Wenn also die Jungfräulichkeit, wie Wir schrieben, höher steht als die Ehe, so hat dies zweifellos in erster Linie seinen Grund darin, da sie auf einen höheren Zweck hingeordnet ist´(47); ferner auch darin, dass sie höchst wirksam beiträgt zur gänzlichen Hingabe an den Dienst Gottes, während dagegen die Seele des in die Bande und Geschäfte der Ehe verwickelten Menschen mehr oder weniger ”geteilt” ist (48).

e) Die Früchte der Jungfräulichkeit für die Kirche

25 Wenn wir sodann auf die Menge der Früchte schauen, die aus der Jungfräulichkeit erwachsen, so wird ihre Vortrefflichkeit sicher in noch helleres Licht gestellt: „Denn an der Frucht erkennt man den Baum (49).“

f) Apostolat und Caritas

26 Wenden Wir nun den Blick auf die unzählbare Schar der Jungfräulichen und auf das Heer der Apostel, die vom ersten Zeitalter der Kirche an bis heute sich der Ehe enthalten haben, um leichter und vollständiger aus Liebe zu Christus dem Heil des Nächsten zu leben, und die auf diese Weise die staunenswerten Werke der Religion und Nächstenliebe gefördert haben, so werden Wir unwillkürlich von hoher und beglückender Freude erfüllt. Wenn Wir Geziemenderweise nichts von den Verdiensten und apostolischen Früchten jener wegnehmen wollen, die, in den Reihen der Katholischen Aktion kämpfend, durch ihr frommes Bemühen auch solche erreichen können, an die nicht selten Priester, und Ordensleute beiderlei Geschlechts nicht herankommen, so wissen Wir doch, dass diesen letzten jene Werke der Nächstenliebe zweifellos zum größeren Teil zuzuschreiben sind. Sie nämlich begleiten und leiten hochherzig das Leben der Menschen jeden Alters und jeden Standes, und wenn sie ermüdet oder krank zusammenbrechen, übergeben sie die Fortführung ihrer heiligen Aufgabe anderen als Erbteil. So geschieht es nicht selten, dass ein kaum geborenes Kind von jungfräulichen Händen in Empfang genommen wird und dass ihm nichts fehlt von dem, was sonst die Mutter selbst mit inniger Liebe ihm erweisen könnte; größer geworden und zum Gebrauch der Vernunft gelangt, wird es jenen zur Erziehung anvertraut, damit sie seinen Verstand über die Vorschriften der christlichen Lehre unterrichten, seinen Geist in den entsprechenden Fächern ausbilden und seine Charakteranlagen in die rechte Bahn lenken. Wenn jemand sich elend fühlt oder von Krankheit befallen wird, nehmen die sich seiner an, die, von Christi Liebe getrieben, seine Gesundheit durch sorgsame Betreuung und passende Heilmittel zu kräftigen sich mühen; wenn er seine Eltern verliert, wenn er von äußerer Not und seelischem Elend betroffen wird, wenn er ins Gefängnis gebracht wird: es fehlt ihm nicht an Trost und Hilfe, sondern Diener des Heiligtums, Ordensmänner, gottgeweihte Jungfrauen schauen erbarmend auf ihn wie auf ein krankes Glied des mystischen Leibes Jesu Christi und rufen sich die Worte des göttlichen Heilands in Erinnerung: „Ich war hungrig, und ihr gabt Mir zu essen; durstig, und ihr gabt Mir zu trinken. Ich war fremd, und ihr habt Mich beherbergt; nackt, und ihr habt Mich bekleidet. Ich war krank, und ihr habt Mich besucht; gefangen, und ihr seid zu Mir gekommen... Wahrlich, Ich sage euch , was ihr einem dieser Meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr Mir getan (50).” Was sollen Wir aber erst sagen zum Lob der Künder des Wortes Gottes, die, fern von ihrer Heimat, die Massen der Ungläubigen unter schwersten Mühen zum christlichen Glauben bekehren? Was über die gottgeweihten Bräute Christi, die ihnen kostbare Hilfsarbeit leisten? Ihnen allen, den einzelnen und ihrer Gesamtheit, sollen die Worte gelten, die Wir in dem apostolischen Mahnwort „Menti Nostrae” geschrieben haben und die Wir hier gerne wiederholen: „Geschweige denn, dass der Priester durch das Zölibatgesetz des Amtes und der Aufgabe des Vaters verlustig geht, mehrt er sie vielmehr ins Ungemessene, da er nicht für dieses irdische und hinfällige Leben Nachkommenschaft ins Dasein ruft, sondern für das himmlische und ewig bleibende (51).”

g) Gebet und Opfer

27 Überdies ist die Jungfräulichkeit nicht nur fruchtbar durch die Unternehmungen und Werke nach außen, denen sich jene leichter und vollständiger widmen können, die den jungfräulichen Gebot und Lebensstand ergreifen, sondern auch durch die Form der vollkommenen Liebe zu den Mitmenschen, nämlich durch die inbrünstigen Fürbitten für sie und durch die freiwillige Übernahme schwerer Opfer zum gleichen Zweck. Dem haben ja die Diener Gottes und die Bräute Jesu Christi ihr ganzes Leben gewidmet, jene Männer und Frauen besonders, die ihre Jahre hinter Klostermauern verbringen.

h) Glanz der Heiligkeit

28 Endlich bezeugt die Christus geweihte Jungfräulichkeit schon durch sich selbst einen solchen Glauben an das, was das Himmelreich betrifft, und beweist sie eine solche Liebe zum göttlichen Heiland, dass es nicht verwunderlich ist, wenn sie reiche Früchte der Heiligkeit hervorbringt. Kaum zu zählen sind die Jungfrauen und alle jene, die sich dem Apostolat hingeben, vollkommener Keuschheit befleißen und durch ihren ganz gottgefälligen Wandel eine Zierde der Kirche bilden. Die Jungfräulichkeit gibt ja eine solche innere geistige Kraft, dass sie, wenn nötig, auch zum Martyrium anzuspornen vermag. Dies bezeugt offenkundig die Geschichte, die allen so viele siegreiche Scharen von Jungfrauen zur Bewunderung vor Augen stellt, angefangen von der Römerin Agnes bis zu Maria Goretti.

29 Nicht ohne Grund wird die Jungfräulichkeit eine engelgleiche Tugend genannt, wie der heilige Cyprian mit vollem Recht in einem Schreiben an die Jungfrauen behauptet: „Was wir sein werden, das habt ihr schon zu sein begonnen. Ihr besitzt die Herrlichkeit der Auferstehung schon in dieser Welt fest und schreitet durch die Welt, ohne von ihr angesteckt zu werden. Indem ihr beharrlich keusch und jungfräulich bleibt, seid ihr den Engeln gleich ( HYPERLINK \l "Anmerkung052" 52),” Der Seele, die nach einem ganz reinen Leben dürstet und von brennendem Verlangen nach dem Himmelreich erfüllt ist, bietet sich die Jungfräulichkeit dar „als eine kostbare Perle”, um derentwillen jemand „seine ganze Habe verkauft und sie erwarb” (53). Jene aber, die in der Ehe leben, und sogar diejenigen, die sich im Sumpf der Laster wälzen, bewundern nicht selten, wenn sie Jungfrauen gewahr werden, den Glanz ihrer leuchtenden Reinheit und fühlen den Drang nach einem Ziel, das über die Sinnenfreuden hinausliegt. Das behauptet der Aquinate, wenn er schreibt: „Der Jungfräulichkeit... wird die höchste Schönheit zugeschrieben“ (54), und das ist sicher der Grund, weshalb die Jungfrauen durch ihr Beispiel alle anziehen. Bekunden nicht außerdem all diese Männer und Frauen durch ihre vollkommene Keuschheit ganz deutlich, dass die Herrschaft der Seele über die Triebe des Leibes eine Wirkung der göttlichen Hilfe und ein Zeichen kraftvoller Tugend ist?

i) Abbild der bräutlichen Kirche

30 Besonders möchten Wir das erwägen, was die köstlichste Frucht der Jungfräulichkeit ist, dass nämlich die Jungfrauen die vollkommene Jungfräulichkeit der Mutter Kirche selbst sowie die Heiligkeit ihrer eigenen innigen Verbindung mit Christus offenbaren und gleichsam vor Augen führen. Die Worte, die der Bischof beim Ritus der Jungfrauenweihe gebraucht, indem er sich bittend an Gott wendet, wurden sehr weise gerade aus diesem Grunde geschrieben: „damit es mehr in die Höhe strebende Seelen gäbe, die in dem, was Mann und Frau betrifft, die Ehe ablehnen, sich nach der Hingabe an Gott sehnen, nicht nachahmen, was sich in der Ehe vollzieht, sondern schätzen, was durch die Ehe vorgebildet wird (55).”

31 Dass die Jungfrauen lebendige Bilder jener vollkommenen Unversehrtheit sind, in der die Kirche mit ihrem göttlichen Bräutigam verbunden ist, gereicht ihnen wahrlich zu höchster Ehre; dass sie aber zugleich ein wunderbares Zeichen jener blühenden Heiligkeit und geistlichen Fruchtbarkeit sind, wodurch die von Jesus Christus gegründete Gemeinschaft sich auszeichnet, das verursacht in Wahrheit dieser Gemeinschaft überquellende Freude. Hierüber schreibt sehr gut Cyprian: „Die Jungfräulichkeit ist die Blüte des kirchlichen Wachstums, Zierde und Schmuck der Begnadeten, beglückende Anlage, unversehrtes und unverdorbenes Werk des Lobes und der Ehre, Gottes Bild, das der Heiligkeit des Herrn entspricht, der erlauchtere Teil der Herde Christi. Durch sie und in ihnen erblüht weiterhin der Mutter Kirche herrliche Fruchtbarkeit: und je mehr die Jungfräulichkeit an Zahl wächst, desto größer ist die Freude der Mutter (56).”

II. Verteidigung der Jungfräulichkeit gegen falsche Lehren

32 Diese Lehre, wonach die Jungfräulichkeit und der Zölibat klar den Vorrang haben und höher stehen als die Ehe, wurde, wie Wir sagten, schon vom göttlichen Erlöser und vom Völkerapostel verkündet: ebenso wurde sie auf dem Konzil von Trient (57) feierlich als Glaubenssatz definiert und allezeit von den heiligen Vätern und den Kirchenlehrern einmütig erklärt. Wie ferner Unsere Vorgänger, haben auch Wir selbst, sooft sich Gelegenheit bot, sie immer und immer wieder dargelegt und eindringlich empfohlen. Da es jedoch in jüngster Zeit nicht an solchen fehlte, die eben diese von den Vätern der Kirche überlieferte Lehre bekämpften, nicht ohne schwere Gefahr und ohne Schaden für die Gläubigen, so hielten Wir im Bewusstsein Unserer Pflicht es für angezeigt, den Gegenstand neuerdings in diesem Rundschreiben zusammenzufassen sowie die Irrtümer aufzudecken und zu verwerfen, die häufig unter dem falschen Schein des Wahren vorgetragen werden.

a) Überbetonung des Geschlechtstriebes

33 Vor allem ist es zweifellos ein Abweichen vom allgemeinen gesunden Denken der rechtschaffenen Menschen, das die Kirche immer in Ehren hielt, wenn man den natürlichen Geschlechtstrieb als die zentrale und beherrschende Neigung des Menschenganzen betrachtet und daraus den Schluss zieht, der Mensch könne nicht sein ganzes Leben lang diesen Trieb beherrschen ohne schwere Gefahr, Lebenselemente seines Körpers und besonders die Nerven in Unordnung zu bringen und damit das Gleichgewicht der menschlichen Person zu schädigen.

34 Wie der heilige Thomas mit vollem Recht bemerkt, ist die in der Seele am tiefsten verwurzelte Strebung in Wirklichkeit der Selbsterhaltungstrieb, während der aus der geschlechtlichen Anlage stammende Trieb den zweiten Platz einnimmt. Außerdem gehört es zum Befehlsbereich der menschlichen Vernunft, die das einzigartige Vorrecht unserer Natur ist, diese inneren Regungen und Triebe zu zähmen und sie durch ihre geordnete Beherrschung zu veredeln (58).

35 Freilich, seit der ersten Sünde Adams suchen leider die in Unordnung geratenen körperlichen Fähigkeiten und Begierden nicht nur über die Sinne, sondern auch über den Geist zu herrschen, indem sie das Denken trüben und den Willen schwächen. Doch die Gnade Jesu Christi wird uns durch die Sakramente hauptsächlich dazu gegeben; dass wir, im Geiste lebend, den Leib dienstbar mache (59). Die Tugend der Keuschheit verlangt nicht von uns, dass wir den Stachel der Begierde nicht fühlen, sondern dass wir sie vielmehr der rechten Vernunft und dem Gesetz der Gnade unterordnen und aus allen Kräften nach dem streben, was im menschlichen und christlichen Leben das Edlere ist.

36 Um die Herrschaft der Seele über die körperlichen Sinne vollkommen zu erlangen, ist es nicht genug, sich nur der Akte zu enthalten, die unmittelbar gegen die Keuschheit sind; es ist auch unbedingt notwendig, willig und großmütig alles aufzugeben, was den Akten dieser Tugend mehr oder weniger entfernt entgegen ist; denn dann herrscht die Seele vollständig im Leibe, und dann kann sie ihr geistiges Leben in Frieden und Freiheit entfalten. Wer unter denen, die auf dem Boden der katholischen Religion stehen, sähe darum nicht, dass die vollkommene Keuschheit und Jungfräulichkeit dem natürlichen Wachstum der Männer und Frauen und dem natürlichen Fortschritt nicht nur nicht entgegensteht, vielmehr dies alles in hohem Maße steigert und veredelt?

b) Überschätzung der Ehe

37 Vor kurzem haben Wir zu Unserer Betrübnis den Satz jener verwerfen müssen, die sich bis zur Aufstellung versteigen, dass die Ehe das einzige sei, was das natürliche Wachstum der menschlichen Person und ihre gebührende Vervollkommnung gewährleisten könne (60). Einige behaupten nämlich, die im Sakrament der Ehe „ex opere operato“ gegebene göttliche Gnade mache den Gebrauch der Ehe in der Weise heilig, dass er ein Werkzeug werde, um die einzelnen Seelen wirksamer als selbst die Jungfräulichkeit mit Gott zu verbinden, da ja die christliche Ehe, nicht aber die Jungfräulichkeit, ein Sakrament sei. Diese Lehre brandmarken Wir als falsch und schädlich. Gewiss vermittelt jenes Sakrament den Brautleuten göttliche Gnade zur rechten Erfüllung der ehelichen Pflichten; gewiss bestärkt es die Bande gegenseitiger Liebe, von denen dieselben umschlungen werden; aber es ist nicht dazu eingesetzt, dass es den Gebrauch der Ehe gleichsam zu einem Werkzeug mache, das an sich geeigneter wäre, die Eheleute seelisch durch das Band der Liebe mit Gott selbst zu verbinden (61).

38 Gesteht nicht vielmehr der Apostel Paulus den Eheleuten das Recht zu, sich zeitweilig vom Gebrauch der Ehe zu enthalten, um dem Gebet obzuliegen (62), und zwar deshalb, weil solche Enthaltsamkeit die Seele freier macht, wenn sie sich den ewigen Dingen und dem Bittgebet vor Gott hingeben möchte?

39 Man kann endlich auch nicht behaupten, wie es einige tun, die „gegenseitige Hilfe“ (63), welche die Vermählten in der christlichen Ehe suchen, sei ein vollkommeneres Mittel zur Selbstheiligung als die Einsamkeit des Herzens, wie sie es nennen, der Jungfrauen und Ehelosen. Denn wenn auch alle im Stande vollkommener Keuschheit Lebenden auf menschliche Liebe dieser Art verzichtet haben, so kann doch deshalb von ihnen nicht behauptet werden, sie hätten durch diesen Verzicht ihre menschliche Persönlichkeit gleichsam vermindert oder beraubt. Empfangen sie doch von dem Spender aller himmlischen Gaben selbst eine geistliche Gabe, welche die von den Eheleuten einander geleistete „gegenseitige Hilfe” gewaltig übertrifft. Da sie sich ja ganz dem weihen, der ihr Ursprung ist und der sie selbst an seinem göttlichen Leben teilnehmen lässt, so entäußern sie sich nicht, sondern bereichern sich im höchsten Grade. Wer den, wenn nicht die jungfräulichen Menschen, kann in einem wahren Sinn jenes wundervolle Wort des heiligen Paulus auf sich anwenden: „Nicht mehr ich lebe, Christus lebt in mir (64)“?

40 Darum urteilt die Kirche sehr weise, dass die Ehelosigkeit der Priester festzuhalten sei; sie weiß nämlich, dass dieselbe eine Quelle geistlicher Gnaden ist und bleiben wird, Gnaden, die den Priester immer enger mit Gott verbinden.

c) Überschätzung des Laienstandes

41 Wir halten es fernerhin für angebracht, kurz den Irrtum derer zu berühren, die in der Absicht, Jugendliche von den Seminarien und Mädchen von den Ordensinstituten fernzuhalten, ihnen einzureden suchen, die Kirche brauche heute die Hilfe und den Tugendeinsatz der Christen, die als Eheleute das Leben mit den anderen Menschen in der Welt teilten, notwendiger als den der Priester und gottgeweihten Jungfrauen, die durch ihr Keuschheitsgelübde – der menschlichen Gesellschaft gleichsam entzogen würden. Dass diese Ansicht, ehrwürdige Brüder, durchaus falsch und äußerst gefährlich ist, muss jeder sehen.

d) Verkennung des sozialen Wertes der Jungfräulichkeit

42 Wir wollen gewiss nicht in Abrede stellen, dass katholische Eheleute, gleichgültig wo sie sind und in welchen Verhältnissen sie stehen, durch das Beispiel ihres christlichen Lebens und das Zeugnis ihrer Tugend reiche und heilsame Früchte bringen können. Wer aber deshalb den Rat gibt, es sei wünschenswerter, in der Ehe zu leben, als sich ganz Gott zu weihen, der verwirrt und verkehrt zweifellos die rechte Ordnung der Dinge. Es ist Unser dringender Wunsch; ehrwürdige Brüder, dass die schon Vermählten und die Brautleute unterrichtet werden über ihre schwere Verpflichtung, nicht nur die bereits vorhandene oder zukünftige Nachkommenschaft gut und sorgfältig zu erziehen, sondern auch durch das Bekenntnis ihres Glaubens und das Beispiel ihres Lebens die Mitmenschen nach Vermögen zu fördern. Denen aber, die darauf ausgehen, junge Menschen vom Eintritt ins Seminar oder in religiöse Orden und Genossenschaften und von der Ablegung der heiligen Gelübde dadurch abzuhalten, dass sie ihnen zureden, sie könnten in der Ehe als Familienväter und Familienmütter durch ein offenes und für alle Welt sichtbares Bekenntnis ihres christlichen Lebens höhere religiöse Werte erreichen, ihnen allen können Wir aus der Gewissensverpflichtung, die Uns Unser Amt auferlegt, Unseren scharfen Tadel nicht ersparen. Sie würden wahrlich besser und richtiger daran tun, die zahllosen Eheleute mit aller Hingabe anzuspornen zu Werken eines eifrig mithelfenden Laienapostolates, als dass sie die jungen Menschen - heute leider nicht viele - , die sich dem Dienst Gottes weihen wollen, von der Jungfräulichkeit abzuhalten sich bemühen. Dazu schreibt treffend der heilige Ambrosius: „Immer war es die gnadenvolle Aufgabe der Priester, den Samen der Unschuld auszustreuen und die Sehnsucht nach der Jungfräulichkeit zu wecken (65).

43 „Wir glauben auch daran erinnern zu sollen, dass die Behauptung irrig und falsch ist, nach der diejenigen, die sich vollkommener Keuschheit geweiht haben, sozusagen außerhalb der menschlichen Gesellschaft ständen. Sind denn die gottgeweihten Jungfrauen, die ihr Leben dem Dienst der Armen und Kranken ohne Unterschied der Herkunft, der sozialen Stellung oder des Glaubensbekenntnisses widmen, nicht mit deren Elend und deren Schmerzen innig verbunden und fühlen sie nicht eine so zarte Liebe zu ihnen, als ob sie ihre Mütter wären? Und übt nicht der Priester nach dem Beispiel seines göttlichen Meisters das Amt des Guten Hirten aus, der seine Schafe kennt und sie bei Namen nennt (66)? Nun haben aber diese Priester und Ordensleute aus der von ihnen geübten vollkommenen Keuschheit die Kraft, allem zu entsagen und alle mit der Liebe Christi zu lieben. Und auch die, die ein beschauliches Leben führen, tragen durch ihr Gebet und ihre Fürbitte wie auch durch das Opfer ihrer selbst, das sie Gott darbieten für das Heil der übrigen, wahrhaftig viel zum Wohl der Kirche bei; ja, wenn sie sich bei der heutigen Lage der Dinge auch den Werken des Apostolates und der Nächstenliebe widmen, nach den Grundsätzen, die Wir in dem Apostolischen Schreiben ”Sponsa Christi (67)” aufstellten, verdienen sie auch deshalb höchste Anerkennung; man kann auch nicht sagen, dass sie der menschlichen Gemeinschaft fern stehen, wo sie doch in dieser zweifachen Weise für das geistliche Wohl der Mitmenschen arbeiten.

III. Praktische Folgerung

44 Nun kommen Wir, ehrwürdige Brüder, zu den praktischen Folgerungen, die sich aus der Lehre der Kirche über die hohe Bedeutung der Jungfräulichkeit ergeben.

a) Nicht der einzige Weg

45 Vor allem ist offen zu erklären: Aus der höheren Vollkommenheit, die der Jungfräulichkeit gegenüber der Ehe zuzuerkennen ist, folgt nicht, dass jene zur Erreichung der christlichen Vollkommenheit notwendig ist.

46 Es kann auch ohne die gottgeweihte Keuschheit eine wirkliche Heiligkeit des Lebens geben; das bezeugt die große Zahl heiliger Männer und Frauen, welche die öffentliche Verehrung der Kirche genießen und die treue Ehegatten gewesen sind und als ausgezeichnete Familienväter und Familienmütter ein herrliches Beispiel gegeben haben; ja, es kommt nicht selten vor, dass man Eheleute trifft, die mit großem Eifer nach christlicher Vollkommenheit streben.

b) Rat

47 Außerdem ist zu bemerken, dass Gott nicht alle Christen durch ein Gebot zur Jungfräulichkeit bestimmt, wie es ja auch der heilige Paulus lehrt: „Was die Jungfrauen betrifft, so habe ich kein Gebot vom Herrn, ich gebe aber einen Rat (68).” Zur Wahl vollkommener Keuschheit werden wir nur durch einen Rat bewogen, da sie ja die, „denen es gegeben ist” (69), sicherer und leichter zu der von ihnen erstrebten evangelischen Vollkommenheit und zum himmlischen Reich zu führen vermag; darum wird sie, wie der heilige Ambrosius richtig bemerkt, nicht auferlegt, sondern vorgelegt (70).

c) Freie Entscheidung

48 Darum verlangt einerseits die vollkommene Keuschheit von den Christen die freie Entscheidung, bevor sie sich Gott ganz anbieten und weihen; anderseits erbittet sie von Gott selbst das übernatürliche Geschenk und die übernatürliche Gnade (71). Schon der göttliche Erlöser erinnert uns daran mit folgenden Worten: „Nicht alle fassen dieses, sondern nur die, denen es gegeben ist. Wer es fassen kann, der fasse es (72).” In aufmerksamer Erwägung dieser Worte Christi ermahnt der heilige Hieronymus alle, dass „jeder seine Kräfte berechne, ob er die Vorschriften der Jungfräulichkeit und Keuschheit erfüllen könne. Denn an sich ist die Keuschheit liebreizend und anziehend für jeden. Es sind aber die Kräfte in Betracht zu ziehen, damit der, der es fassen kann, es fasse. Die Stimme des Herrn klingt wie mahnend und seine Soldaten zum Lohn der Keuschheit anfeuernd. Wer es fassen kann, der fasse es: wer kämpfen kann, der kämpfe, der überwinde und triumphiere (73).”

d) Schwierigkeit

49 Die Jungfräulichkeit ist nämlich eine schwierige Tugend. Um sie zu üben, ist nicht nur der feste und ausdrückliche Vorsatz notwendig, ganz und für immer auf die rechtmäßigen Freuden der Ehe zu verzichten, sondern auch über die widerstrebenden körperlichen und seelischen Regungen ständig zu wachen, sie in mühevollem Ringen zu zähmen und zu beschwichtigen, die Lockungen der Welt zu fliehen und die Angriffe des bösen Feindes zurückzuschlagen. Wie wahr ist darum das Wort des heiligen Chrysostomus: „Wurzeln und auch Frucht der Jungfräulichkeit ist eine vita crucifixa, ein Leben des Gekreuzigtseins (74).” Denn die Jungfräulichkeit ist nach dem heiligen Ambrosius eine Art Opfer und der jungfräuliche Mensch selbst ein Opfer der Züchtigkeit, ein Opfer der Keuschheit (75)”. Der heilige Bischof Methodius von Olympus vergleicht die Jungfrauen sogar mit den Blutzeugen (76), und der heilige Gregor der Große lehrt, die vollkommene Keuschheit ersetze das Martyrium: ”Denn, wenn es auch keine Verfolgung gibt, so hat doch unsere friedliche Zeit ihr Martyrium, da wir ja, wenn wir auch unseren Hals nicht dem Schwert des Henkers ausliefern, in unserem Herzen mit dem geistigen Messer unsere fleischlichen Begierden töten (77).” Darum verlangt die gottgeweihte Keuschheit tapfere und vornehme Seelen, die „des Himmelreiches wegen (78)” zu kämpfen und zu siegen bereit sind.

50 Bevor sie darum diesen äußerst steilen Weg einschlagen, sollen alle, die aus Erfahrung wissen, dass sie auf diesem Gebiet an allzu großer Schwäche leiden, mit Demut die Mahnung des Apostels Paulus hören: „Wenn sie aber nicht enthaltsam sein können, so mögen sie heiraten. Es ist doch besser zu heiraten, als (vor Begierde) zu brennen (79).” Für viele ist nämlich die Last ständiger Enthaltsamkeit zu schwer, als dass man sie ihnen anraten könnte. Ebenso sollen die Priester, die das wichtige Amt haben, mit ihrem Rat den jungen Menschen zu helfen, die versichern, dass sie sine gewisse Neigung zum Priestertum oder zum Ordensstand verspüren, diese enthalten, die Frage sorgfältig zu prüfen, damit sie keinen Weg einschlagen, von dem nicht zu hoffen ist, dass sie ihn sicher und glücklich bis zum Ende zurücklegen können. Die Tauglichkeit dazu sollen sie klug abwägen und auch, sooft es sich nahe legt, das Urteil erfahrener Männer hören; wenn aber dann, besonders nach den Erfahrungen des früheren Lebens, ein ernster Zweifel ungelöst bleibt, sollen sie ihren ganzen Einfluss einsetzen, dass die Bewerber von der Wahl des Standes der vollkommenen Keuschheit abstehen und nicht zu den heiligen Weihen oder den Ordensgelübden zugelassen werden.

e) Nicht unmöglich

51 Wenn die gottgeweihte Keuschheit auch eine schwierige Tugend ist, so kann sie trotzdem treu und vollkommen von denen beobachtet werden, die der Einladung Jesu Christi nach sorgfältiger Überlegung großmütig entsprechen und alles ihnen Mögliche zur Erreichung dieses Zieles tun. Nachdem sie nämlich einmal den Stand der Jungfräulichkeit oder der Ehelosigkeit erwählt haben, werden sie von Gott dieses Gnadengeschenk erhalten, mit dessen Hilfe sie ihren Vorsatz durchführen können. Wenn darum einige „glauben, die Gabe der Keuschheit (auch wenn sie sie gelobt haben) nicht zu besitzen (80)”, so sollen sie deshalb nicht behaupten, sie könnten ihren Verpflichtungen hierin nicht entsprechen; „denn ,Gott befiehlt nichts Unmögliches, sondern wenn er befiehlt, mahnt er, zu tun, was du kannst (81), und zu erbitten, was du nicht kannst’, und er hilft, damit du es kannst´ (82).” An diese trostvolle Wahrheit erinnern Wir auch die, deren Wille durch nervöse Störungen geschwächt ist, und denen manche Ärzte, zuweilen auch katholische – unter der schönklingenden Begründung, sie könnten ohne Schaden für ihr seelisches Gleichgewicht die Keuschheit nicht bewahren –, allzu leicht den Rat geben, sich von dieser Verpflichtung befreien zu lassen. Wie viel nützlicher und angebrachter ist es, solchen Kranken nur Festigung ihres Willens zu helfen und sie daran zu erinnern, dass auch ihnen die Keuschheit nicht unmöglich sei nach dem Wort des Apostels: ”Gott ist getreu. Er lässt euch nicht über eure Kraft versucht werden, sondern schafft mit der Versuchung auch den guten Ausgang, dass ihr sie bestehen könnt (83).”

52 Hilfsmittel, die uns vom göttlichen Erlöser selbst empfohlen wurden, unsere Tugend wirksam zu schützen, sind die aufmerksame und ständige Wachsamkeit, mit der wir alles leisten, was in unserer Macht steht; außerdem das anhaltende Gebet, mit dem wir von Gott erbitten, was wir bei unserer Schwäche nicht erreichen können: „Wachet und betet, damit ihr nicht in Versuchung fallet; der Geist ist zwar willig, aber das Fleisch ist schwach (84).”

f) Wachsamkeit

Eine solche Wachsamkeit, die sich auf jeden Augenblick unseres Lebens und auch auf jeden Umstand erstreckt, ist uns unumgänglich notwendig: „Denn des Fleisch gelüstet wider den Geist und der Geist wider das Fleisch (85).” Wenn jemand aber in etwa, wenn auch nur wenig, den körperlichen Regungen nachgibt, so wird er merken, dass er leicht zu den „Werken des Fleisches”, die der Apostel aufzählt (86), und zu noch beschämenderen und hässlicheren menschlichen Lastern kommt.

53 Darum tut es Not, besonders auf die Regungen der Begierden und der Sinne zu achten und diese auch in freiwilliger Lebensstrenge und mit körperlicher Züchtigung so zu bezähmen, dass wir sie der rechten Vernunft und dem Gesetz Gottes unterwerfen: „Die aber Christus angehören, haben ihr Fleisch mit seinen Lüsten und Begierden ans Kreuz geschlagen (87).” Auch der Völkerapostel gesteht von sich selbst: „Ich züchtige meinen Leib und mache ihn mir dienstbar, damit ich nicht etwa, nachdem ich anderen gepredigt habe, selbst verworfen werde (88).” Alle heiligen Männer und heiligen Frauen wachten sorgsam über die Regungen ihrer Sinne und Begierden und nahmen sie zuweilen in harte Zucht, nach der Lehre des göttlichen Meisters selbst: „Ich aber sage euch: Jeder, der eine Frau lüstern ansieht, hat in seinem Herzen schon Ehebruch mit ihr begangen. Wenn also dein rechtes Auge dir zum Ärgernis wird, so reiße es aus und wirf es von dir. Denn es ist besser, eines deiner Glieder geht verloren, als dass dein ganzer Leib in die Hölle geworfen wird (89).” In dieser Mahnung verlangt der Erlöser – wir klar ersichtlich ist – vor allem das, dass wir der Sünde nicht einmal in Gedanken nachgeben und dass wir festen Willens alles von uns fernhalten, was diese schönste Tugend auch nur im geringsten beflecken könnte. In diesem Punkt kann keine Sorgfalt, keine Strenge zu groß sein. Wenn eine schwache Gesundheit oder andere Gründe jemandem keine größeren körperlichen Strengheiten gestatten, so entschuldigen sie ihn doch niemals von der Wachsamkeit und inneren Selbstüberwindung.

54 Hierzu ist noch zu bemerken, was übrigens auch Lehre der heiligen Väter (90) und Kirchenlehrer (91) ist, dass unser Bemühen, die Lockungen der Sünde und den Anreiz der Begierden zu überwinden, am leichtesten gelingt, wenn wir nicht geradenwegs den Kampf gegen sie aufnehmen, sondern sie vielmehr nach Kräften fliehen. Zum Schutz der Keuschheit vermag nach dem Wort des heiligen Hieronymus die Flucht mehr als der offene Kampf: „Ich fliehe, um nicht zu unterliegen (92).” Diese Flucht nun ist so zu verstehen, dass wir nicht nur die Gelegenheit zur Sünde sorgfältig meiden, sondern vor allem auch in derartigen Kämpfen Herz und Sinn auf das richten, was Gott ist, ganz auf ihn eingestellt, dem wir unsere Jungfräulichkeit gelobt haben. „Schaut auf die Schönheit eures Geliebten!“ mahnt der heilige Augustinus (93).

g) Falsche Weltoffenheit

55 Diese, Flucht und eifrige Wachsamkeit, durch die wir uns sorgfältig von den Gelegenheiten zur Sünde entfernen müssen, wurden von den heiligen Männern und Frauen aller Zeiten für die beste Art gehalten, auf diesem Gebiet zum Siege zu kommen; heute jedoch scheinen nicht alle dieser Ansicht zu sein. Manche meinen nämlich, alle Christen, besonders aber die Diener des Heiligtums, seien nicht wie in den früheren Zeiten von der Welt abzusondern, wie sie sich ausdrücken, sondern sie müssten in der Welt stehen und darum notwendigerweise das Wagnis auf sich nehmen und ihre Reinheit auf die Probe stellen, damit sich auf diese Weise klar zeige, ob sie eine starke Wiederstandskraft haben oder nicht; darum sollten die jungen Kleriker alles sehen, um sich daran zu gewöhnen, alles gelassenen Sinnes anzuschauen und sich unempfindlich zu machen gegenüber allen Reizen. Darum behaupten sie auch unbedenklich, die jungen Leute könnten ohne Scheu frei alles anschauen was sich ihnen darbiete; sie könnten das Kino besuchen, auch von der kirchlichen Zensur verbotene Filme; sie könnten alle Zeitschriften einsehen, auch die unsittlichen; ja, auch die Liebesromane lesen, die im Verzeichnis der verbotenen Bücher aufgeführt werden oder schon vom Naturrecht verboten sind. Dies halten sie für erlaubt, weil sie urteilen, diese Schauspiele und Schriften seien heute die Geistesnahrung der großen Masse, deren Denken und Fühlen die verstehen müssten, die ihr helfen wollten. Es ist aber leicht einzusehen, dass dies ein falscher und äußerst schädlicher Grundsatz für die Heranbildung des Klerus und für die Anleitung zur Heiligung des ihm anvertrauten Berufs ist. Denn, „wer die Gefahr liebt, kommt darin um“ (94); hierhin passt gut die Mahnung des heiligen Augustinus: „Behauptet nicht, ihr habet reine Herzen, wenn ihr unreine Augen habt, da das unreine Auge der Bote eines unreinen Herzens ist (95).”

56 Zweifellos hat diese unheilvolle Handlungsweise ihren Grund in einer großen Gedankenverwirrung. Wohl hat Christus der Herr zu den Aposteln gesprochen: „Ich habe euch in die Welt gesandt” (96); aber vorher hatte er von ihnen gesagt: „Sie sind nicht von der Welt, wie auch Ich nicht von der Welt bin” (97), und er bat seinen himmlischen Vater: „Ich bitte nicht, dass Du sie aus der Welt nimmst, sondern dass Du sie vor dem Bösen bewahrst (98).” Um die Priester von den bösen Reizen fernzuhalten, mit denen alle, die mitten in der Welt leben, leicht in Berührung kommen können, hat die Kirche, die genau nach den Grundsätzen Christi lebt, geeignete und weise Richtlinien (99) aufgestellt, durch welche die Heiligkeit ihres Lebens genügend von den Sorgen und Vergnügungen der Weltmenschen ferngehalten wird.

h) Seminarerziehung

57 Weil nun der junge Klerus zum geistlichen Leben und zur Vollkommenheit des Priesters oder Ordensmannes erzogen werden soll, ist er noch mit mehr Grund von der Unruhe der Welt fernzuhalten, bevor er hervortritt, seinen Kampf zu kämpfen; er soll für längere Zeit Aufnahme finden im Priesterseminar oder im Studienhaus seines Ordens, um dort gewissenhaft unterwiesen und sorgfältig darin geschult zu werden, allmählich und klug an die Gegenwartsfragen heranzutreten und sie kennen zu lernen nach den Richtlinien, die Wir selbst in der Apostolischen Unterweisung ”Menti Nostrae” gegeben haben (100). Denn welcher Baumgärtner wird seine Setzlinge, die wohl gute Auslese, aber noch zart sind, darum dem Unwetter aussetzen, damit sie eine Probe ihrer Stärke lieferten, die sie überhaupt noch nicht besitzen? Zöglinge eines Priesterseminars und junge Ordensleute sind aber mit einer jungen und zarten Baumpflanzung zu vergleichen, die man noch schützen und Schritt für Schritt auf Widerstand und Kampf schulen muss.

i) Schamhaftigkeit

58 Richtiger sicher und nützlicher handeln die Erzieher der zum Heiligtum berufenen Jugend, wenn sie dem Gemüt der jungen Menschen die Vorschriften christlicher Schamhaftigkeit einschärfen, die so machtvoll die jungfräuliche Unversehrtheit bewahrt und die man wirklich die Klugheit der Keuschheit nennen kann. Die Schamheftigkeit sieht ja die hereinbrechende Gefahr voraus, sie verbietet, sich der Gefahr auszusetzen, und gebietet, auch den Umständen aus dem Wege zu gehen, die ein weniger Kluger nicht flieht. Schlechte und weniger ehrbare Reden liebt sie nicht, vor Unziemlichkeiten, auch nur im Kleinen, scheut sie zurück und hütet sich sorgfältig vor verdächtiger Vertraulichkeit mit Personen des anderen Geschlechtes, da sie den Geist bestimmt, dem Körper die gebührende Ehrfurcht zu erweisen, weil er Glied Christi (101) und Tempel des Heiligen Geistes ist (102). Wer das christliche Zartgefühl besitzt, verabscheut jede Sünde der Unreinheit und zieht sich sofort von ihr zurück, sooft er von ihren Lockungen angezogen wird.

j) Aufklärung

59 Die Schamhaftigkeit legt dann auch den Eltern und Erziehern geeignete Worte nahe und gibt sie ihnen an die Hand, um damit das Gewissen der Jugend in Dingen der Herzensreinheit zu bilden. „Deshalb ist”, wie Wir vor nicht langer Zeit in einer Ansprache bemerkten, „dieses Zartgefühl nicht so zu verstehen, als ob es einem ständigen Schweigen über diesen Gegenstand gleichkomme und bei der sittlichen Erziehung nicht einmal in ruhig-nüchterner und vorsichtiger Weise je von ihm die Rede sei (103).” Doch halten es heute manche Lehrer und Erzieher allzu oft für ihre Aufgabe, unschuldige Knaben und Mädchen in die Geheimnisse des Werdens des menschlichen Lebens einzuführen auf eine Weise, die ihre Schamhaftigkeit verletzt. Es sind auf diesem Gebiet der richtige Takt und das richtige Maß anzuwenden, wie sie von der christlichen Schamhaftigkeit gefordert werden.

k) Demut

60 Dieses keusche Zartgefühl aber wird von der Gottesfurcht genährt, das heißt von jener Kindesfurcht, die, begründet auf der Tugend tiefer christlicher Demut, uns vor allem, was Sünde ist; achtsamst zurückschrecken lässt; Unser Vorgänger, der heilige Papst Klemens I., drückt diesen Gedanken so aus: „Wer im Fleische keusch ist, rühme sich nicht, da er weiß, dass jemand anders ihm diese Gabe schenkt (104).” Was aber die christliche Demut für die Bewahrung der Jungfräulichkeit bedeutet, hat vielleicht niemand lichtvoller gelehrt als der heilige Augustinus: „Weil die ständige Enthaltsamkeit”, so sagt er, „und vor allem die Jungfräulichkeit ein großes Gut darstellt in den Heiligen Gottes, ist mit größter Wachsamkeit darauf zu achten, dass sie nicht durch Stolz zugrunde gerichtet werde ... In dem Maß, wie ich die Größe des Gutes sehe, hebe ich für seinen Verlust Angst vor dem Dieb, dem Stolz. Nur Gott also bewacht das Gut der Jungfräulichkeit, Er, der es selbst geschenkt hat, und ,Gott ist Liebe’ (105). Damit ist die Liebe der Beschützer der Jungfräulichkeit; der Standort dieses Beschützers aber ist die Demut (106).

61 Etwas anderes ist darüber hinaus sehr zu berücksichtigen, dass nämlich zur Bewahrung der unversehrten Reinheit weder die Wachsamkeit noch das Zartgefühl genügen. Es sind da Hilfen nötig, die wesentlich über die Kräfte der Natur hinausgehen: das Gebet zu Gott, die Sakramente der Buße und der Eucharistie sowie die warme Liebe zur Gottesmutter.

l) Ständiges Gebet

62 Nie darf man vergessen, dass die vollkommene Keuschheit ein erhabenes Geschenk Gottes ist. Hierzu bemerkt treffend der heilige Hieronymus: „Denen ist es gegeben worden (107), die darum gebeten haben, die danach verlangten, die sich bemühten, es zu empfangen. Jedem nämlich, der bittet, wird gegeben, und der sucht, wird finden, und der anklopft, dem wird aufgetan werden (108).” Vom frommen Gebet, so fügt der heilige Ambrosius hinzu, hängt die beständige Treue der Jungfrauen gegen den göttlichen Bräutigam ab (109). Und der heilige Alfons von Liguori, der inbrünstige Beter, lehrt, es gebe kein notwendigeres und sichereres Mittel zur Überwindung der Versuchungen gegen die schöne Tugend der Reinheit, als sich sofort im Gebet zu Gott zu flüchten (110).

m) Buße und Eucharistie

63 Doch muss zum Gebet das Sakrament der Buße kommen, das, häufig und eifrig als geistliches Heilmittel benutzt, uns reinigt und heilt; ebenso das Nährbrot der heiligen Eucharistie, die ja nach der Versicherung Unseres unvergesslichen Vorgängers, Papst Leos XIII., das beste „Mittel gegen die Begierde” ist (111). Je reiner und keuscher das Herz ist, um so mehr verlangt es nach diesem Brot, aus dem es die Kraft schöpft zum Widerstand gegen alle Reize zur Sünde der Unreinheit, und durch das es immer, enger mit dem göttlichen Bräutigam verbunden wird: „Wer Mein Fleisch isst und Mein Blut trinkt, der bleibt in Mir und Ich in ihm (112).”

n) Marienverehrung

64 Ein wirklich ausgezeichneter und im Laufe der Jahrhunderte immer und immer wieder durch Erfahrung erprobter Weg, die unversehrte und vollkommene Reinheit zu bewahren und zu pflegen, ist die gediegene und glühende Liebe zur jungfräulichen Gottesmutter. Sie umfasst sozusagen alle anderen Kraftquellen; denn wer von ihr ehrlich und tief durchdrungen ist, der fühlt sich zweifellos heilsam angetrieben, zu wachen, zu beten, zur Beichte zu gehen und sich dem Tisch des Herrn zu nahen. Darum ermuntern Wir in väterlicher Liebe alle Priester, Ordensmänner und Ordensfrauen, sich unter den besonderen Schutz der hehren Gottesmutter zu stellen, der Jungfrau der Jungfrauen, „der Lehrerin der Jungfräulichkeit”, nach einem Wort des heiligen Ambrosius (113); sie ist die mächtige Mutter besonders für jene, die sich ganz dem Dienste Gottes geweiht haben.

65 Dass die Jungfräulichkeit durch sie ihren Anfang nahm, bemerkt schon der heilige Athanasius (114), und der heilige Augustinus lehrt es mit den Worten: „Die Würde der Jungfräulichkeit nahm ihren Ursprung von der Mutter des Herrn (115).” Nach dem Vorbild des heiligen Athanasius (116) stellt der heilige Ambrosius das Leben der Jungfrau Maria den Jungfrauen als Muster hin: Eifert ihr nach, meine Töchter ... (117). Es sei euch Mariens Leben ein ausdrucksvolles Bild der Jungfräulichkeit, aus dem, wie aus einem Spiegel, die Schönheit der Keuschheit und das Wesen der Tugend widerstrahle. Dorther nehmt für euer Leben das Vorbild, in dem wie in einem Idealbild die Lehren der Rechtschaffenheit ausgedrückt liegen und zeigen, was ihr verbessern, was ihr ausprägen, woran ihr festhalten sollt... Sie ist das Bild der Jungfräulichkeit. So war Maria, dass ihr einziges Leben Richtschnur ist für alle...(118). Maria soll also die Lebensordnung gestalten (119).” Ihre Gnade ist so reich, dass sie nicht nur die eigene Jungfräulichkeit bewahrte, sondern auch die von ihr Heimgesuchten mit dem Ehrenzeichen der Unversehrtheit beschenkte (120).” Wie berechtigt ist daher auch der andere Ausspruch des heiligen Ambrosius: „Welch ein Reichtum ist doch die Jungfräulichkeit Mariens (121)!” Wegen dieses Reichtums ist auch für die Ordensschwestern, die Ordensmänner und Priester von heute die Betrachtung der Jungfrauschaft Mariens von großem Nutzen, um der Keuschheit des eigenen Standes treuer und vollkommener nachzuleben.

66 Ihr sollt euch aber, geliebte Söhne und Töchter, nicht damit begnügen, die Tugenden der Allerseligsten Jungfrau Maria zu betrachten; flieht mit größtem Vertrauen zu ihr nach dem Rat des heiligen Bernhard, der mahnt: ”Suchen wir die Gnade, und suchen wir sie durch Maria (122).” Stellt ihr ganz besonders die Sorge für euer geistliches Leben und eure Vervollkommnung jetzt im Laufe des Marianischen Jahres anheim, nach dem Beispiel des heiligen Hieronymus, der sagte: „Meine Jungfräulichkeit ist geweiht in Maria und Christus (123).”

IV. Schlussmahnung

67 In den großen Schwierigkeiten, die heute die Kirche meistern muss, erfüllt es Uns, den Obersten Hirten, mit tiefem Trost, ehrwürdige Brüder, sehen zu können, dass die Jungfräulichkeit in ihrer Blüte über die ganze Welt hin auch heute, wie in früheren Zeiten, in hohen Ehren steht, wenn sie euch, wie erwähnt, von Irrtümern angegriffen wird, die aber, so hoffen Wir, vorübergehend sind und bald verschwinden werden.

a) An die Erzieher

68 Trotzdem gestehen Wir, dass Unsere Freude in etwa von Trauer überschattet ist: Wir wissen nämlich, dass in nicht wenigen Ländein die Zahl derer von Tag zu Tag abnimmt, die auf göttlichen Ruf hin den Stand eines jungfräulichen Lebens erwählen. Da Wir die besonderen Gründe dafür bereits oben ausführten, brauchen Wir die Frage nicht wieder zu berühren. Wir vertrauen aber darauf, dass die Jugenderzieher, die in dieser Frage geirrt haben, ihre Irrtümer möglichst bald erkennen und davon abrücken; darum sollen sie es sich euch angelegen sein lassen, sie wiedergutzumachen, und alles daransetzen, denen, die sich durch übernatürlichen inneren Zug zum Priestertum oder zum Ordensleben berufen fühlen und die ihrer Sorge anvertraut sind, mit allen Mitteln zu helfen, ihr hohes Ziel zu erreichen. Möge es gelingen, dass neue und größere Scharen von Priestern, Ordensmännern und Ordensschwestern, an Zahl und Tugend den gegenwärtigen Bedürfnissen der Kirche gewachsen, möglichst bald ausziehen, den Weinberg des Herrn zu bebauen.

b) An die Eltern

69 Wir ermahnen ferner, wie es das Bewusstsein Unseres apostolischen Amtes erheischt, die Familienväter und -mütter, dem Dienste Gottes gern die Kinder zu opfern, die dazu berufen sind. Wenn ihnen das einige Last, Trauer und Widerstreben verursacht, dann sollen sie aufmerksam die Worte bedenken, die der heilige Ambrosius an die Mütter von Mailand richtete: „Von so manchen Jungfrauen weiß ich, dass sie entschlossen sind, aber dass sie von ihren Müttern darin gehindert werden, auch nur aus dem Hause zu gehen... Wenn eure Töchter einem Menschen ihre Liebe schenken wollten, so könnten sie nach dem Gesetz den wählen, den sie wünschen. Wenn sie also Menschen wählen dürfen, sollten sie denn Gott nicht wählen dürfen (124)?”

70 ”Die Eltern mögen bedenken, welche Ehre es für sie ist, zu sehen, wie ihr Sohn zum Priester geweiht wird oder ihre Tochter dem göttlichen Bräutigam ihre Jungfräulichkeit gelobt. Über die gottgeweihten Jungfrauen sagt derselbe Bischof von Mailand: „Ihr habt es gehört, ihr Eltern..., eine Jungfrau ist ein Geschenk Gottes, eine Weihegabe des Vaters, ein Priesterdienst der Keuschheit. Eine Jungfrau ist eine Opfergabe der Mutter, täglich dargebracht zur Versöhnung der Macht Gottes (125).”

71 Bevor Wir nun aber, ehrwürdige Brüder, zum Ende Unseres Rundschreibens kommen, möchten Wir Unsere ganze Aufmerksamkeit in besonderer Weise den Männern und Frauen zuwenden, die, dem Dienste Gottes geweiht, in nicht wenigen Ländern harte und unheilvolle Verfolgungen erdulden. Sie sollen sich die gottgeweihten Jungfrauen der Urkirche zum Beispiel nehmen, die für ihre Jungfräulichkeit starkmütig und unbesiegt ins Martyrium gingen (126).

c) An die Verfolgten

72 Sie alle sollen in ihrem einmal gefassten heiligen Entschluss, Christus zu dienen, tapferen Herzens ”bis zum Tode” (127) ausharren und sich vor Augen halten, dass ihre Ängste, Drangsale und Gebete überaus wertvoll sind vor Gott, um sein Reich in ihrer Heimat und in der gesamten Kirche aufzurichten; ebenso sollen sie gewiss sein, dass die, welche ”dem Lamme folgen, wohin es geht” (128), in Ewigkeit ein ”neues Lied” (129) singen werden, das kein anderer singen kann.

73 Gegen sie, die Priester sowohl wie die Ordensmänner und gottgeweihten Jungfrauen, die ihren Glauben standhaft bekennen bis zum Martyrium, hegen Wir in Unserem Herzen Gefühle väterlicher Liebe und väterlichen Mitgefühls. Und nicht nur für sie, sondern für alle, die sich in irgendeinem Teil der Welt dem Dienste Gottes hingeben und weihen, bitten Wir flehentlich zu Gott, dass er sie ermutige, stärke und tröste; und euch, ehrwürdige Brüder, mahnen Wir eindringlich, jeden einzelnen und alle zusammen wie euch eure Gläubigen, mit Uns im Gebet ihnen den göttlichen Trost, die göttliche Gaben und Hilfen zu erbitten, deren sie alle so notwendig bedürfen.

74 Vermittler dieser göttlichen Gaben und Beweis Unseres besonderen Wohlwollens soll der Apostolische Segen sein, den Wir euch, ehrwürdige Brüder, den übrigen Dienern des Heiligtums und den gottgeweihten Jungfrauen, besonders aber denen, ”die Verfolgung leiden um der Gerechtigkeit willen” (130), und allen euren Christgläubigen aus der Fülle des Herzens im Herrn erteilen.

Gegeben zu Rom, bei Sankt Peter, am 25. März, dem Feste Mariä Verkündigung,
im Jahre, 1954, dem sechzehnten Unseres Pontifikats
Pius XII. PP.

Anmerkungen

(1) Vgl. S. Ambr., De virginibus, lib. I, c. 4. n. 15; De virginitate, c. 3, n. 13; P.L. XVI, 193, 269.

(2) Vgl. Ex 22, 16-17; Dt 22, 23-29; Sir 42, 9.

(3) S. Ambros., De virginibus, lib. I, c. 3, n. 12; P.L. XVI, 192.

(4) 1 Kor 10, 11.

(5) Apg 21, 9.

(6) Vgl. Ign. Antioch., Ep. ad Smyrn., c. 13; ad. Funk-Diekamp, Patres Apostolici, vol. I, p. 286.

(7) S. Justin., Apol. I pro christ., c. 15; P.G. Vl, 349.

(8) Vgl. Const. Apost. Sponsa Christi., A.A.S. XLIII, 1951, pp. 5-8.

(9) Vgl. C.I.C., can. 487.

(10) Vgl. C.I.C., can. 132, § 1.

(11) Vgl. Const. Apost. Provida mater, art. III, § 2; A.A.S. XXXIX, 1947, p. 121.

(12) Mt 19, 10.

(13) Mt 19, 11-12.

(14) Mt 19, 12.

(15) S. Augustin., De sancta virginitate, c. 22; P.L. XL, 407.

(16) Vgl. Can. 9; Mansi, Coll. concil., II, 1096.

(17) 1 Kor 1, 32, 34.

(18) S. Cypr., De habitu virginum, 4; P.L IV, 443.

(19) Augustin., De sancta virginitate, cc. 8, 11 ; P.L XL, 409, 401.

(20) S. Thom., Summa Th., II-II, q. l52, a. 3, ad 4.

(21) S. Bonav., de perfectione evangelica, q. 3, a. 3, sol. 5.

(22) Vgl. S. Cypr., De habitu virginum, c. 20; P.L IV,459.

(23) Vgl. S. Athan., Apol. Ad Constant., 33; P.G. XXV, 640.

(24) S. Ambr., De virginibus, lib; I, c. 8, n. 52; P.L. XVI, 202.

(25) Vgl. Daselbst, lib. III, cc.1-3, nn.1-14; De institutione virginis, c. 11, nn. 104-114; P.L. XVI, 219-224, 333-336.

(26) Vgl. Sacramentarium Leoninum, XXX; P.L. LV, 129; Pontificale Romanum; De benedictione et consecratione virginum.

(27) Vgl. S. Cypr., De habitu virginum, c. 4 et 22; P.L IV, 443-444 et 462 ; S. Ambr., De viginibus, lib. I, c. 7, N. 37; P.L. XVI, 199.

(28) S. Augustin., De sancta virginitate, cc. 54-55; P.L. XL, 428.

(29) Pontificale Romanum: De benedictione et consecratione virginum.

(30) S. Methodius Olympi, Convivium decem virginum, orat. XI, c. 2; P. G. XVIII, 206.

(31) Offb 14, 4.

(32) Offb 14, 4.

(33) 1 Petr 2, 21; S. Augustin, De sancta virginitate, c. 27; P.L. XL, 411.

(34) S. Bonav., De perfectione evangelica, q. 3, a. 3.

(35) S. Fulgent., Epist. 3, c. 4, n. 6; P.L. LXV, 326.

(36) 1 Kor 7, 32 – 33.

(37) Gn 2, 24; vgl. Mt 19, 5.

(38) Vgl. 1 Kor 7, 39.

(39) S. Thom., Summa Th., II-II, q. 186, a. 4.

(40) Vgl. C.I.C., can. 132, § 1.

(41) Vgl. Litt. Enc. Ad catholici sacerdotii fastigium, A.A.S. XXVIII, 1936, 24-25.

(42) Vgl. Lv 15,16-17; 22, 4; 1 Sm 21, 5-7; vgl. S. Siric. Papa, Ep. ad Himer. 7; P.L. LVI, 558-559.

(43) S. Petr. Dam., De coelibatu sacerdotum, c. 3; P.L. CXLV, 384.

(44) Vgl. Mt 19,10-11.

(45) 1 Kor 7, 38.

(46) 1 Kor 7, 7-8; vgl. 1 u. 26.

(47) Vgl. S. Thom., Summa Th., II-II, q. 152, aa. 3-4.

(48) Vgl. 1 Kor 7, 33.

(49) Mt 12, 33.

(50) Mt 25, 35-36 u. 40.

(51) A.A.S. XLI I, 1950, p. 663.

(52) S. Cypr., De habitu virginum, 22; P.L. IV, 462; vgl. S. Ambr., De virginibus, lib. I, c. 8, n. 52; P.L. XVI, 202.

(53) Mt 13, 46.

(54) S. Thom., Summa Th., II-II, q. 152, a. 5.

(55) Pontificale Romanum: De benedictione et consecrratione virginum.

(56) S. Cypr., De habitu virginum, 3; P.L. IV, 443.

(57) Sess. XXlV, can. 10.

(58) Vgl. S. Thom., Summa Th., I-II, q. 94, a. 2.

(59) Vgl. Gal. 5, 25; 1 Kor 9, 27.

(60) Vgl. Allocutio ad Moderatrices supremas Ordinum et Institutorum Religiosarum, d. 15 Septembris 1952; A.A.S. XLIV, 1952, p. 824.

(61) Vgl. Decretum S. Officii, De matrimonii finibus, d. 1 Aprilis 1944; A.A.S. XXXVI, 1944, p. 103.

(62) Vgl. 1 Kor 7, 5.

(63) Vgl. C.I.C., can. 1013, § l.

(64) Gal 2, 20.

(65) S. Ambr., De virginitate, c. 5, n. 26; P.L. XVI, 272.

(66) Vgl. Jo 10, 14; 10, 3.

(67) Vgl. A.A.S. XLIII, 1951, p. 20.

(68) 1 Kor. 7, 25.

(69) Mt 19, 11.

(70) S. Ambr., De viduis, c. 12, n. 72; P.L. XVI, 256; vgl. S. Cypr., De habitu virginum, c. 23; P.L. IV, 463.

(71) Vgl. 1 Kor 7, 7.

(72) Mt 19, 11-12.

(73) S. Hieronym., Comment. in Matth., XIX, 12; P.L. XXVI, 136.

(74) S. Joann. Chrysost., De virginitate, 80; P.G. XLVIII, 592.

(75) S. Ambr., De virginitate, lib. I, c. 11, n. 65; P.L. XVI, 206.

(76) Vgl. S. Methodius Olympi, Convivium decem virginum, orat. Vll, c. 3; P. G. XVIII, 128-129.

(77) S. Gregor., Hom. in Evang., lib. I, hom. 3, n. 4; P.L. LXXVI, 1089.

(78) Mi 19, 12.

(79) 1 Kor 7, 9.

(80) Vgl. Conc. Trid., sess. XXIV, can. 9,

(81) Vgl. S. August., De natura et gratia, c. 43, n. 50; P.L. XLIV, 271.

(82) Conc. Trid., sess. VI, c. 11.

(83) 1 Kor 10, 13.

(84) Mt 26, 41.

(85) Gal 5, 17.

(86) Vgl. Gal 5, 19 – 21.

(87) Gal 5, 24.

(88) 1 Kor 9, 27.

(89) Mt 5, 28-29.

(90) Vgl. S. Caesar. Arelat., Sermo 41; ed. G. Morin, Maredsous, 1937, vol. I, p. 172.

(91) Vgl. S. Thomas, In Ep. I ad Cor. VI, lect. 3; S. Franciscus Sales, Introduction à la vie dévote, part. IV, c. 7; S. Alphonsus a Liguori, La vera sponsa di Gesu Cristo, c. 1; n. 16; c. 15, n. 10.

(92) S. Hieronym., Contra Vigilant., 16; P.L. XXIII, 352.

(93) S. Augustin., De sancta virginitate, c. 54; P.L. XL., 428.

(94) Sir 3, 27.

(95) S. Augustin., Epist. 211, n. 10; P.L. XXXIII, 961.

(96) Jo 17, 18.

(97) Jo 17, 16.

(98) Jo 17, 15.

(99) Vgl. C.I.C., can. 124-142; vgl. S. Pius PP. X, Exhort. ad clar. cath., Haerent animo. A.S.S. XLI, 1908, pp. 565-573; Pius PP. XI, Litt. enc., Ad catholici sacerdotii fastigium, A.A.S; XXVIII, 1936, pp. 23-30; Pius XII, Adhort. apost. Menti Nostrae. A.A.S. XLII, 1950, pp. 692-694.

(100) Vgl. A.A.S. XLII, 1950, pp. 690-691.

(101) Vgl. 1 Kor 4, 15.

(102) 1 Kor 4, 19.

(103) Alloc. Magis quam mentis, d. 23 sept, a. 1951,; A.A.S. XLIII,1951, p. 736.

(104) S. Clemens Rom., Ad Corinthioe, XXXVIIII, 2; ed. Funk-Diekamp, Patres Apostolici, vol. I, p. 148.

(105) 1 Jo 4, 8.

(106) S. Augustin., De sancta virginitate, cc. 33, 51; P.L. XL, 45, 42d; vgl, cc. 31, 32, 38; 412-415, 419.

(107) VgI. Mt 19,11.

(108) Vgt. Mt 7, 8; S. Hieron., Comm. in Matth., XIX, 11; P.L. XXVI, 135.

(109) Vgl. S. Ambros., De virginibus, 1ib. III, c. 4, nn. 18-20; P.L. XVI, 225.

(110) Vgl. S. Alphonsus a Ligouri, Pratica di amar Gesu Cristo, c. 17, nn. 7-16.

(111) Leo Xlll, Encylica Mirae caritatis, d. 28 Maii, a. 1902; A.L. XXII, pp. 1902, 1903.

(112) Jo d, 57.

(113) S. Ambros., De institutione virginis, c. 6, n. 46; P.L. XVI, 320.

(114) Vgl. S. Athanas., De virginitate, ed. Th. Lefort, Muséon, XLII, 1929, p. 247.

(115) S. Augustin., Serm. 51, c. 16, n. 26; P. L. XXXVIII, 348.

(116) Vgl. S. Athanas., De virginitate, ed Th. Lefort, Museon, XLII, 1929, p. 244.

(117) S. Ambros., De institutione virginis, c. 14, n. 87 ; P.L. XVI, 328.

(118) S. Ambros., De virginibus, lib. II, c. 2, n. 6, 15; P.L XVI, 208, 210.

(119) S. Ambros., De virginibus, lib. Il, c. 3, n. 19 ; P. L. XVI, 211.

(120) S. Ambros., De institutione virginis, c. 7, n. 50; P. L. XVI, 319.

(121) S. Ambros., De institutione virginis, c. 13, n. 81; P. L XVI, 339.

(122) S. Bernard, In nativitate B. Mariae Virginis, Sermo de aquaeductu, nn; 8; P.L. 183, 441.

(123) S. Hieronym., Epist. 22, n. 18; P.L. XXII, 405.

(124) S. Ambroa., De virginibus, lib. I, c. 10, n. 58; P.L. XVI, 205.

(125) S. Ambros., De virginibus, lib. I, e. 7, n. 32; P.L. XVI, 198.

(126) Vgl. S. Ambros., De virginibus, lib. II, c, 4, n. 32; P.L. XVI, 215-216.

(127) Phil 2, 18.

(128) Offb 14, 4.

(129) Offb 14, 3.

(130) Mt 5, 10.