Schweizer Staatskirchentum: Unterschied zwischen den Versionen
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− | S.H. Papst Johannes Paul II. anlässlich des ad-limina Besuchs der Schweizer Bischöfe, Sept. 97: | + | * S.H. Papst Johannes Paul II. anlässlich des ad-limina Besuchs der Schweizer Bischöfe, Sept. 97: |
„Das Leben der Ortsgemeinden muss sich in die Strukturen einfügen, die der Kirche eigen und anders geartet sind als die bürgerlichen Institutionen." | „Das Leben der Ortsgemeinden muss sich in die Strukturen einfügen, die der Kirche eigen und anders geartet sind als die bürgerlichen Institutionen." | ||
+ | * Joseph Kardinal Ratzinger, Intzerview auf Radio Vatikan am 18. November 2005: | ||
+ | „Ja, ich denke schon, dass in vieler Hinsicht das amerikanische Modell besser ist. Europa war im Staatskirchentum festgefahren; die Leute, die nicht einer Staatskirche zugehören wollten, sind nach Amerika gegangen und haben also bewusst einen Staat geschaffen, der selber nicht eine Kirche vorschreibt, der aber nicht einfach als religiös neutral erfahren wurde, sondern als der Raum, in dem Religionen sich bewegen können und auch öffentliche Gestaltungsfreiheit haben, nicht bloss ins Private verwiesen sind. Insofern kann man ohne Zweifel von Amerika lernen. Dass wir das jetzt nicht so einfach auf uns übertragen können, ist mir klar, aber der Vorgang, dass der Staat Raum gibt für Religionen, sie aber nicht selber vorgibt, aber doch wieder davon lebt, dass sie da ist und öffentlich Gestaltungskraft hat, ist sicher eine positive Form.“ | ||
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Version vom 17. Juni 2007, 13:16 Uhr
In der Schweiz gibt es religiös die kirchliche (kanonische) und staatskirchliche (staatskirchenrechtliche) Organisationsform zu unterscheiden. Neben der kirchlichen Strukturen (Pfarrei - Bistum - Weltkirche) gibt es diese zweite Struktur. Dabei ist zu beachten, dass in jedem Kanton der Schweiz die staatskirchenrechtliche Organisationsform unterschiedlich sein kann, wie auch die Namen für die jeweiligen Institutionen. Die Schweiz ist zwar säkularisiert, aber Religion wird vom Staat eigentlich dominiert. Der Staat erkennt auch nur die staatlichen Organisationsformen der Kirche an, nicht aber die Kirche und deren Kirchenrecht selbst. (So hat die Schweiz auch erst seit dem Papstbesuch im Jahre 2005 einen Botschafter beim Kirchenstaat.)
Inhaltsverzeichnis
Struktur / Organisation
Da es 26 unterschiedliche Systeme und Namen gibt, sei hier Bezug genommen auf den Kanton St. Gallen:
- Auf der Stufe der Pfarrei gibt es die Kirchgemeinde. Alle Katholiken sind Mitglied der Kirchgemeinde und müssen auch dieser die Kirchensteuer abliefern. Der Kirchenrat oder -vorstand leitet die Amtsgeschäfte und sind demokratisch gewählt.
- Aus den Kirchgemeinden werden Vertreter in die Landeskirche gewählt, im Kanton St. Gallen trägt diese den Namen Katholisches Kollegium (Katholisches Konfessionsteil des Kantons St. Gallens). Es ist ein Parlament, genannt Synode.
- Aus den Vetretern wird eine Art "Exekutive" (SG: Administrationsrat) gewählt, der nebenbei gesagt im Bistum St. Gallen Bischofskandidaten von einer Liste des Papstes streichen kann.
- Die einzelnen Landeskirche sind in der "Römisch-katholischen Zentralkonferenz" zusammengefasst (kurz: RKZ). Diese ist aber privatrechtlich.
System
Der Pfarrer gehört zwar meist zum Kirchenrat, aber oft nur mit beratender Stimme wie im Kanton St. Gallen. Erst durch die Wahl durch die Kirchgemeindeversammlung eines Pfarradministrators oder -moderators zum Pfarrer hat ein Priester das Recht eines Pfarrers. Bei einer Nichtwahl kann der Bischof einen Priester nur interimistisch weiter in so einer Kirchgemeinde belassen. Den Lohn bekommt der Pfarrer, bzw. alle kirchlichen Angestellten von der Kirchgemeinde.
An einigen Orten gibt es für den Pfarrer sogar die Pflicht, sich einer regelmässigen Wiederwahl stellen zu müssen.
Jeder Kanton in der Schweiz hat einen eigenen Vetrag (Konkordat) mit dem Heiligen Stuhl. Ein Bistum hat daher bis zu elf Verhandlungspartner (Bistum Basel).
Ansprechpartner für den Staat der Katholiken in der Schweiz sind Repräsentanten der staatskirchlichen Organisationen, also der Sekretär der RKZ, der Präsident der Landeskirche.
In der Ausbildung von kirchlichen Mitarbeitern kann ein Bischof lediglich bei seinem Regens, bei einem diözesanen Programm bestimmen. Jedoch sind Professoren an den Universitäten nicht vom Bischof beauftragt sondern vom Aufsichtsrat einer Universität. Dies stimmt nur bedingt für die beiden theologischen Hochschulen in Lugano und Chur.
Kirchensteuer
Die finanziellen Mittel, die die Kirchgemeinde einziehen darf, kann sie selber verwalten, ausgeben, usw. Wenig davon geht ans Bistum, an die Pfarrei, weit mehr an die kantonale staatskirchliche Organisationsform. Die Kirchensteuer wird auf kommunaler Ebene (Kirchgemeinde) erhoben, dann im ungefähr Verhältnis 1:10:100 an Bistum, Landeskirche und Kirchgemeinden verteilt. Die Aufgabe der Kirchgemeinden wäre es für den Unterhalt aufzukommen, jedoch inhaltlich sich nicht einzumischen. Doch finanzielle Entscheide haben immer auch pastorale Auswirkungen.
Prinzipien
- Der Staat erkennt nur eine Organisation innerhalb des Staates an, die sich demokratisch organisiert. Prinzip Demokratie.
- Die Entscheide werden von der Basis, vom Volk, gefällt. Prinzip Volkskirche/Basiskirche.
Problemfelder
- Ein Pfarrer, der wiedergewählt werden muss von seinen Gläubigen, befindet sich defacto in einer "Maulkorbsituation". Die Lehre der Kirche kann so nicht mehr authentisch verkündigt werden; und wenn nur in einer "untergrundkirchlichen Situation".
- Ein Bischof der Schweiz ist beschnitten in seinen kanonischen Rechten einen Pfarrer in eine Pfarrei zu bestellen.
- Der Bischof/Pfarrer ist finanziell abhängig von den Kirchgemeinden/Landeskirchen, Machtkonzentration bei den staatskirchenrechtlichen Institutionen.
- Ein Bischof kann Irrlehrer von seinem künftigen Personal in der Ausbildung nicht fern halten.
- Die Bischofsbestellung ist abhängig von demokratisch-volkskirchlichen Einstellungen, der Papst kann den Konkordaten zufolge nicht einen Bischof einsetzen, wie er dies in 99% aller Diözesen der Welt kann.
- Ein Bischof bekommt durch die Beschneidung seiner kanonischen Kompetenzen nur noch repräsentative Funktionen. (siehe Konflikt in der Pfarrei St. Anna, Röschenz (BL).
- Die Kirche ist kein gleichwertiger Partner für die Schweizerische Eidgenossenschaft.
- Es gibt keine Kirchenprovinz in der Schweiz, alle Bischöfe sind dem Papst direkt unterstellt. (II. Vatikanische Konzil hat dies aber klar abgelehnt.)
- Durch die dopppelte Struktur wird die Kirche in der Schweiz gelähmt.
- Die Laien bekommen so in diesem System eine falsche Rolle in der Kirche.
- Es tritt eine Art Spaltung auf zwischen staatskirchenrechtlichen und kanonischen Strukturen.
- Der Staat zwingt so die Kirche in ein demokratisches Korsett und will die Kirche so demokratisieren. (Trotz der vertraglichen Zusicherung XXX
- Spaltung der Nationalkirche, Kantonalkirche Schweiz von der röm.-kath. Universalkirche.
Geschichte
Diese staatskirchenrechtliche Organisationsform ist stark durch protestantische Einflüsse gewachsen und kann nicht mit dem kanonischen Recht in Einklang gebracht werden.
Kirchensteuer als 'Gretchenfrage'
Literatur / Zitate
- S.H. Papst Johannes Paul II. anlässlich des ad-limina Besuchs der Schweizer Bischöfe, Sept. 97:
„Das Leben der Ortsgemeinden muss sich in die Strukturen einfügen, die der Kirche eigen und anders geartet sind als die bürgerlichen Institutionen."
- Joseph Kardinal Ratzinger, Intzerview auf Radio Vatikan am 18. November 2005:
„Ja, ich denke schon, dass in vieler Hinsicht das amerikanische Modell besser ist. Europa war im Staatskirchentum festgefahren; die Leute, die nicht einer Staatskirche zugehören wollten, sind nach Amerika gegangen und haben also bewusst einen Staat geschaffen, der selber nicht eine Kirche vorschreibt, der aber nicht einfach als religiös neutral erfahren wurde, sondern als der Raum, in dem Religionen sich bewegen können und auch öffentliche Gestaltungsfreiheit haben, nicht bloss ins Private verwiesen sind. Insofern kann man ohne Zweifel von Amerika lernen. Dass wir das jetzt nicht so einfach auf uns übertragen können, ist mir klar, aber der Vorgang, dass der Staat Raum gibt für Religionen, sie aber nicht selber vorgibt, aber doch wieder davon lebt, dass sie da ist und öffentlich Gestaltungskraft hat, ist sicher eine positive Form.“