Columba Marmion: Die Gottverbundenheit: Unterschied zwischen den Versionen

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Wenn ich, mein teures Kind, so rede, so deshalb, weil, je mehr ich Ordensleuten begegne, desto stärker meine Überzeugung wird, dass der Grund all ihrer Armseligkeiten darin zu suchen ist, dass die meisten zu viel an sich selbst denken und zu wenig an Jesus und an die Seelen. Wenn sie doch nur endlich einmal aus sich herausgehen könnten, um ihr ganzes Leben dem Heiland und den Seelen zu widmen! Ihr Herz würde sich weiten gleich dem Ozean; und sie selbst würden auf dem Weg der Vollkommenheit voran fliegen: "Den Weg deiner Gebote bin ich gelaufen, als du Raum gemacht meinem Herzen" (Ps 119, 32. - 3. Februar 1904).  
 
Wenn ich, mein teures Kind, so rede, so deshalb, weil, je mehr ich Ordensleuten begegne, desto stärker meine Überzeugung wird, dass der Grund all ihrer Armseligkeiten darin zu suchen ist, dass die meisten zu viel an sich selbst denken und zu wenig an Jesus und an die Seelen. Wenn sie doch nur endlich einmal aus sich herausgehen könnten, um ihr ganzes Leben dem Heiland und den Seelen zu widmen! Ihr Herz würde sich weiten gleich dem Ozean; und sie selbst würden auf dem Weg der Vollkommenheit voran fliegen: "Den Weg deiner Gebote bin ich gelaufen, als du Raum gemacht meinem Herzen" (Ps 119, 32. - 3. Februar 1904).  
  
=== V. Auf dem Gipfel der Gottverbundenheit: Das beschauliche Gebetsleben ===
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=== 5. Auf dem Gipfel der Gottverbundenheit: Das beschauliche Gebetsleben ===
  
 
Es ist wohl nicht notwendig, das ganze Lehrsystem Dom Marmions über das beschauliche Gebetsleben wiederzugeben, da er es bereits in seinen Werken: "[[Columba Marmion: Christus, das Leben der Seele|Christus, das Leben der Seele]]" und: "[[Columba Marmion: Christus, unser Ideal|Christus, unser Ideal]]" ausführlich getan (Man müsste hier noch das Kapitel "Spiritus precum "hinzufügen aus: "Un maître de la vie spirituelle"). Es genügt, wenn wir hier in Erinnerung bringen, dass die [[Beschauung]] nach ihm "der vollkommenste Ausdruck des Innenlebens eines Gotteskindes ist", "die vollkommenere und höhere Übung der drei göttlichen Tugenden unter dem Einfluss der [[Gaben des Heiligen Geistes]]." Darum hat er auch stets mit so großem Nachdruck hingewiesen auf die Übung der Tugend des Glaubens, auf die hingebende und großherzige Treue den Eingebungen des [[Heiligen Geist]]es gegenüber.  
 
Es ist wohl nicht notwendig, das ganze Lehrsystem Dom Marmions über das beschauliche Gebetsleben wiederzugeben, da er es bereits in seinen Werken: "[[Columba Marmion: Christus, das Leben der Seele|Christus, das Leben der Seele]]" und: "[[Columba Marmion: Christus, unser Ideal|Christus, unser Ideal]]" ausführlich getan (Man müsste hier noch das Kapitel "Spiritus precum "hinzufügen aus: "Un maître de la vie spirituelle"). Es genügt, wenn wir hier in Erinnerung bringen, dass die [[Beschauung]] nach ihm "der vollkommenste Ausdruck des Innenlebens eines Gotteskindes ist", "die vollkommenere und höhere Übung der drei göttlichen Tugenden unter dem Einfluss der [[Gaben des Heiligen Geistes]]." Darum hat er auch stets mit so großem Nachdruck hingewiesen auf die Übung der Tugend des Glaubens, auf die hingebende und großherzige Treue den Eingebungen des [[Heiligen Geist]]es gegenüber.  
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Wir halten es für gut und nützlich, hier noch den Text beizufügen, den Dom Marmion betreffs der Betrachtung und des beschaulichen Gebetes in den Konstitutionen der belgischen Benediktinerkongregation niedergelegt hat. Man wird hier in einer bündigen markigen Form alles Wesentliche über das Gebet wieder finden: eine Zusammenfassung seiner ganzen diesbezüglichen Ansicht. Die weiteren Ausführungen hierüber finden sich in: "[[Columba Marmion: Christus unser Ideal|Christus unser Ideal]], Kap. XVI, ebenso im Buch: Un maître de la vie spirituelle Kap. XVIII).
 
Wir halten es für gut und nützlich, hier noch den Text beizufügen, den Dom Marmion betreffs der Betrachtung und des beschaulichen Gebetes in den Konstitutionen der belgischen Benediktinerkongregation niedergelegt hat. Man wird hier in einer bündigen markigen Form alles Wesentliche über das Gebet wieder finden: eine Zusammenfassung seiner ganzen diesbezüglichen Ansicht. Die weiteren Ausführungen hierüber finden sich in: "[[Columba Marmion: Christus unser Ideal|Christus unser Ideal]], Kap. XVI, ebenso im Buch: Un maître de la vie spirituelle Kap. XVIII).
  
=== VI. Der Ruf zur Gottverbundenheit im Ordensstand ===
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=== 6. Der Ruf zur Gottverbundenheit im Ordensstand ===
  
 
Zu dieser göttlichen Vereinigung, deren ganze Substanz bereits durch die Taufgnade im Keim niedergelegt wird, beruft Christus alle Seelen. An alle richtet der Erlöser jenes höchste Gebot: "Du sollst den Herrn, deinen [[Gott]] lieben aus deinem ganzen Herzen, aus deiner ganzen Seele, aus deinem ganzen Gemüte und aus allen deinen Kräften" (Mk 12, 30).
 
Zu dieser göttlichen Vereinigung, deren ganze Substanz bereits durch die Taufgnade im Keim niedergelegt wird, beruft Christus alle Seelen. An alle richtet der Erlöser jenes höchste Gebot: "Du sollst den Herrn, deinen [[Gott]] lieben aus deinem ganzen Herzen, aus deiner ganzen Seele, aus deinem ganzen Gemüte und aus allen deinen Kräften" (Mk 12, 30).
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Dies ist also, mein Lieber, mein Ideal für Sie und für mich und täglich der Gegenstand meiner leisesten Wünsche und Gebete."  
 
Dies ist also, mein Lieber, mein Ideal für Sie und für mich und täglich der Gegenstand meiner leisesten Wünsche und Gebete."  
  
=== VII. Die Gottverbundenheit bei den Vorgesetzten ===
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=== 7. Die Gottverbundenheit bei den Vorgesetzten ===
  
 
<sub>Die besondere Eigenart dieses Kapitels erlaubte uns nicht, es in den Rahmen unseres Planes einzureihen. Die folgenden Seiten bilden somit einen Nachtrag, doch hätte man es uns sicher verübelt, falls wir sie nicht beigefügt hätten. Zudem zeigen sie uns auch, wie Dom Marmion die Prinzipien seiner Lehre einer besonderen Kategorie von Seelen anzupassen wusste. </sub>
 
<sub>Die besondere Eigenart dieses Kapitels erlaubte uns nicht, es in den Rahmen unseres Planes einzureihen. Die folgenden Seiten bilden somit einen Nachtrag, doch hätte man es uns sicher verübelt, falls wir sie nicht beigefügt hätten. Zudem zeigen sie uns auch, wie Dom Marmion die Prinzipien seiner Lehre einer besonderen Kategorie von Seelen anzupassen wusste. </sub>

Aktuelle Version vom 21. Mai 2023, 12:40 Uhr

Die Gottverbundenheit
Seliger Columba Marmion (1858-1923)

Quelle: Die Gottverbundenheit nach Dom Columba Marmion OSB, aus seinen Briefen ausgewählt von Dom Raimund Thibaut OSB, Nach der dritten französischen Auflage ins Deutsche übertragen von P. Bonifatius Büchelmeier OSB, Ferdinand Schöningh Verlag Paderborn 1935 (371 Seiten; Imprimatur Paderbornae, d. 24. m. Junii 1935, Vicarius Generalis. Gierse). Bei der Digitalisierung wurden die kurzen Anmerkungen in Klammer in den Text integriert, die langen kleiner geschrieben. Leicht bearbeitet von Oswald; Columba Marmion Opera

Vorwort

An anderer Stelle ("Un maître de la vie spirituelle", Kap. XI. X. XIV) wurde auf Grund der Briefe Dom Marmions ausführlich über die zahlreichen Eigenschaften gesprochen, die ihn zu einem ausgezeichneten Seelenführer machten. Mit Recht wurde geschlossen, "dass er sich gezeigt im klaren Licht einer hochstehenden und doch sehr demütigen Menschenfreundlichkeit und auch im ganz innerlichen Glanz einer tiefen Vereinigung mit Gott, aus der sich ein feuriger und erleuchteter Eifer für die Seelen ergießt; schließlich als gefügiges und unaufdringliches Werkzeug in der Hand Gottes, uns ganz nahe in strahlender Güte und immer bemüht, die Herzen weit zu machen auf dem Weg zu den höchsten Höhen" (ebd.: S. 305).

Diese Eigenschaften wird der Leser alle in diesem Buch wieder finden. Es sei uns jedoch gestattet, einige Aufklärungen über die Natur und Eigenart des Werkes vorauszuschicken.

Die vorliegenden Briefe Dom Marrnions bilden vor allem einen Lehrschatz. Die Seelenführung, so wie er sie verstand und handhabte, ist ein Werk der Belehrung. Er beleuchtet zuerst den Weg, bevor er die Seelen darauf führt. Dunkel und Irrtum sind die ersten Hindernisse, die zu entfernen und zu beseitigen sind. Kann man denn im Dunkel der Nacht rasch vorwärts kommen? Und zu was vorwärtsschreiten auf verkehrtem Weg? Christus bat seinen Vater, die Jünger in der Wahrheit zu heiligen.

Dom Marmion vergisst dies nie. Es ist seine Geistesart und seine innere Überzeugung, die ihn die praktischen Folgerungen aus der Warheit der Grundsätze ziehen lässt. Dies war auch die Methode des großen Bischofs Bossuet. "Sie machen sich oft unnütze Sorge", so schreibt er an eine von ihm geführte Seele, "indem Sie behaupten, dass ich nicht auf alle gestellten Fragen antworte, was ich doch wohl tue, denn ich gebe den Grundsatz, aus dem heraus man sich dann selbst die Antwort geben kann. Diese Art der Beantwortung soll man oft anwenden, denn dadurch lernt die Seele in sich selbst die ewige Wahrheit zu befragen, d. h. auf sie aufmerksam zu werden." Ein Grund dieser Handlungsweise bei Bossuet ist, dass er gemäß der Eigenart seines Genies, nicht so sehr auf den einzelnen Menschen, als auf den Menschen im allgemeinen bedacht war (v. Giraud, Bossuet). Daraus ergab sich die weite, freie und selbstlose Art seiner Seelenführung, die man auch bei Dom Marmion vorfindet, der ja auch so gerne Bossuets Werke las.

Vom göttlichen Licht erbittet er das Licht, mit dessen Helle er die Seelen überfluten will, die sich an ihn wenden. Wie er es mit Vorliebe sagt, kann nur Gott, der Urheber der übernatürlichen Ordnung, den Weg zur Heiligkeit zeigen: "Wir müssen Gott suchen auf die Art, die Gott will, sonst werden wir ihn nicht finden."

Darum hat Dom Marmion in der Führung der Seelen stets sein Augenmerk darauf gerichtet, zuerst die Absicht Gottes über die betreffenden Seelen zu erkennen, um sie dann in großer Milde zur vollkommenen Unterwerfung unter den Plan und Willen Gottes zu bringen und zwar zu einer Unterwerfung aus Liebe; dieses Streben trägt dazu bei, seiner Seelenführung ein ganz übernatürliches Gepräge aufzudrücken und ihr einen äußerst wohltuenden Einfluss zu sichern.

Trotzdem finden wir in diesen Briefen nichts Schulmeisterliches oder Pedantisches. Die Lehre, die dieser Meister des geistigen Lebens uns bietet, ist Selbsterlebtes, er hat sie sich zuerst zu eigen gemacht, kann darum aus eigener Erfahrung und aus der Fülle des Herzens zu uns sprechen. Bald trägt er mit mächtigem Flügelschlag die Seele bis zu den höchsten Höhen, bald redet er ihr vertraulich zu, demütig im Tal zu wandeln; würzt manchmal da und dort seine Weisungen, Ratschläge und Ermahnungen mit leisem Humor, mit einer ins Auge fallenden Bemerkung, oder einem bildlichen, sinnvollen Vergleich. Des öfteren schreibt er "frei vom Herzen weg, ohne Künstelei noch Schminke, denn die behandelten Themen ertragen solches nicht, die Einfachheit dient ihnen zum Schmuck wie auch dem lieben Gott, der ihr Urheber ist" (Franz von Sales, lettre au duc de Bellegarde Oeuvres, Edition d'Annecy XVI, 55).

Immer ganz aufs Übernatürliche eingestellt, fühlt Dom Marmion wiederum doch ganz menschlich; unter seiner "allverstehenden milden Liebe gestalten sich die harten Forderungen der Vollkommenheit zu trauten Einladungen" (Un maître de la vie spirituelle. S. 280).

Selbst da, wo er energisch eingreift, vergisst dieser Meister des geistigen Lebens nie den warmen Ton, der zum Herzen führt und weicht nicht von seiner väterlichen einladenden Art ab. Man kann von ihm sagen, was mit Recht an einem der anziehendsten Seelenführer, dem heiligen Anselm, gerühmt wird: "Er redet mit jeder Seele die Sprache, die sie verstehen kann und fasst sie sanft zur gegebenen Zeit an der richtigen Stelle. Indem er so keinen Zugang verschmäht, erreicht er die Seele und dringt in sie ein, um ihr den besonderen Willen Gottes betreffs ihrer Person zu verstehen zu geben. So einmal gefangen, macht er sie fügsam für die Gnade und den Heiligen Geist: und oft sind die Siege seiner Milde und Güte diejenigen einer außerordentlichen göttlichen Liebe" (Lettres spirituelles de St. AnseIme Introduction XXIX. Paris, 25).

Fügen wir hinzu, dass diejenigen, welche mit Dom Marmion in schriftlichem Verkehr standen, in allen Ständen zu finden sind. Gewiss, viele seiner Briefe sind an Ordenssleute gerichtet; wir wissen jedoch, dass in den Augen dieses Meisters der Ordensstand in seinem ureigensten Wesen nicht eine Rand- oder Sonderstellung im Christentum einnimmt, sondern dass er vielmehr das Christentum selbst ist, wie es geübt und gelebt wird (Christus unser Ideal: Vorwort) in der Fülle des lauteren Evangeliums. So sehen wir bei den Anweisungen, die er den bevorzugten Seelen des Ordensstandes gibt, ihn vor allem Nachdruck auf die Grundsätze legen, die jeden Jünger Christi auf seinem Wege leiten. Die Lehre, die er ihnen vorlegt, kann auch ein einfacher Christ in der Welt ohne Schwierigkeiten und mit Nutzen sich in ihrem Kern aneignen (Mit Ausnahme einzelner Teile der zwei letzten Kapitel, wo es sich um Sonderfälle handelt).

Die vorliegende Veröffentlichung der Briefe ist nicht vollständig, sie konnte es auch nicht sein; viele Briefe kamen nicht mehr in unsern Besitz, zudem sind manche der Korrespondenten Dom Marmions noch am Leben. Einige Besitzer von Briefen Dom Marmions konnten wir nicht erreichen. Wir erlauben uns hiermit an dieselben die Bitte zu richten, uns eine vollständige oder auch nur teilweise Abschrift davon zukommen zu lassen. Wir wären ihnen äußerst dankbar dafür.

Sollte man diese Schätze noch für lange Jahre vergraben sein lassen, bis die Zeit es gestattete, sie insgesamt zu veröffentlichen? Oder forderte es nicht das Wohl der Seelen, sie schon jetzt, soweit als möglich, diese seelischen Reichtümer ausnützen zu lassen?

Wir waren der letzteren Meinung; und im Einverständnis mit den Empfängern der Briefe, deren Vertrauen uns ebenso ehrt, wie erfreut, wollten wir nicht länger zögern, das Buch der Öffentlichkeit zu übergeben.Die Veröffentlichung war schon beschlossen beim Erscheinen der Biographie Dom Marmions im Dezember 1929. Wir mussten leider damals die Ausführung verzögern, da ein wichtiger Teil der Briefe nicht rechtzeitig ankam. Nun warteten wir noch mehr als ein Jahr auf verschiedene andere Briefe, die uns versprochen waren und die uns von großer Wichtigkeit schienen, doch leider kamen sie noch nicht in unsere Hände.

Da diese Veröffentlichung aus Brief teilen zusammengesetzt ist, mussten wir dieselben - wie es deren lehrhafter Inhalt auch erlaubte - in eine logische Reihenfolge bringen. Unsere Anordnung war uns gewiesen durch den Hauptgedanken, der alle diese Briefe beherrscht: Die Vereinigung der Seele mit Gott. Allgemeine Auffassung dieser Verbundenheit, ihre verschiedenen Bestandteile, die Bedingungen ihres Fortschrittes, ihre völlige Entfaltung, dies sind die Haupt- und Leitgedanken um die wir, so natürlich als möglich, die gesammelten Auszüge reihten, daraus ergaben sich die verschiedenen Kapitel dieses Werkes.

So stellt dieses in gewissem Sinne eine kurze Abhandlung über die Vereinigung mit Gott dar, und zwar in ihren wesentlichsten Seiten. Ein Blick auf das kurze Inhaltsverzeichnis, das wir hier gleich zu Beginn des Werkes setzten, zeigt die Einfachheit des Planes und die Folgerichtigkeit seiner Einteilung auf. Wir haben es jedoch bei dieser Einteilung vermieden, die Auszüge allzu sehr zu zerstückeln, mehr als einmal zogen wir es vor, trotz der Verschiedenheit der Ideen, den ganzen Text um seines logischen Zusammenhanges willen wiederzugeben: eine allzu große Zerstücklung hätte gar oft der Wucht des Gedankens geschadet. So waren einige Wiederholungen unvermeidlich. Wir ließen sie stehen; denn, abgesehen davon. dass sie die Hauptgedanken Dom Marrnions hervorheben, hätte ihre Unterdrückung oft die Harmonie der Folgerungen zerstört und die Beweiskraft des Gedankenganges geschwächt.

Wir hegen das Vertrauen, dass dieses Buch mit Freude aufgenommen wird von den zahlreichen Lesern des: Christus, das Leben der Seele. Sie werden hier die gleiche Lehre vorfinden, so erhaben und doch so verständlich, übernatürlich und doch menschlich nahe, mehr in der Umgangssprache ausgedrückt und doch nicht weniger abgewogen. Wir sind der Überzeugung, dass diese Lektüre in ihnen recht viel Gutes wirken wird. Während sie die Fülle der göttlichen Erleuchtungen vollends offenbart, die Gott in die Seele Dom Marmions ergoss, wird sie die geistige Ausstrahlung einer wunderbaren Lebensweisheit weit in alle Lande ermöglichen.

Abbaye de Maredsous, 19. August 1933,

am Kirchweihfest der Basilika des hl. Benedikt.

Der Verfasser

I. Die Gottverbundenheit: Grundgedanken

Wir glauben mit folgenden Sätzen den Inbegriff der Gottverbundenheit, so wie Dom Marmion sie verstand, wiedergeben zu können. Seine Auffassung stimmt vollständig mit den heiligen Evangelien, den Briefen des hl. Paulus und des hl. Johannes überein, deren Lehre er genau umrissen, in kurzen, klaren Worten zusammengefasst und deutlich hervorgehoben hat:

Der Mensch kann sich nur heiligen nach dem von Gott selbst festgelegten Plan. Das Geheimnis und das Wesen der Heiligkeit besteht somit darin, diesen Plan zu kennen und sich nach ihm zu richten.

Er sieht vor: den Menschen durch die Gnade der Gotteskindschaft teilnehmen zu lassen an Gottes eigenem ewigen Leben.

Im Mittelpunkt dieses Planes steht Christus, der Gottmensch, in dem die ganze Fülle des göttlichen Lebens wohnt, und der kam, uns dieses Leben mitzuteilen.

Dies geschieht durch die Heiligmachende Gnade, die den Menschen wohl in der Stellung und Abhängigkeit eines Geschöpfes belässt, ihn jedoch zu gleicher Zeit durch die Annahme an Kindes Statt zu einem wahren Kinde Gottes macht. So dehnt der himmlische Vater die Vaterschaft gegenüber seinem Sohn durch Adoption auf alle Christen aus.

Da diese Gnade der Gotteskindschaft alle Rechte, Kräfte und Forderungen der Natur übersteigt, trägt sie einen im eigentlichen Sinne übernatürlichen Charakter. Der Christ muss nicht nur das Gute und Edle seiner Natur beibehalten, sondern auch danach streben, durch die Vereinigung mit Jesus Christus unter der Einwirkung des Heiligen Geistes als Gotteskind zu leben.

Auf diese Fundamentallehre sich stützend verlangt Dom Marmion daher von jeder Seele, die er führt, eine zweifache Haltung: die demütige Unterwerfung eines Geschöpfes und die liebevolle Treue des Kindes. Er will, dass die Seele eingedenk der Rechte Gottes, des höchsten Herrn, dieselben anerkennt, ehrt und achtet durch eine vollkommene Gleichschaltung ihres Willens mit dem Willen Jesu; aber als Kind des Himmlischen Vaters muss sie diese Arbeit der Willenseinstellung und Gleichförmigkeit verankern in einer steten kindlichen Liebe. Beständig lädt Dom Marmion die Seele ein, immer und immer wieder Fühlung mit Gott zu nehmen, durch einen Ausblick des Glaubens, eine Geste des Vertrauens, einen Akt der Liebe und der Hingabe. Sie soll bei jeder Gelegenheit Geist und Herz zu Gott erheben, zum einzigen Born des Lebens, zum Vater alles Guten und unmittelbar aus dieser stets lebendigen und zugänglichen Quelle das Licht schöpfen, das erleuchtet, die Kraft, durch die wir den Versuchungen widerstehen, die Schwierigkeiten überwinden, den Sieg über uns selbst davontragen, die Opfer annehmen, die Verdemütigungen ertragen, die Prüfungen bestehen und so die Pflicht eines jeden Augenblickes erfüllen.

Und dies Alles: durch Jesus Christus, den einzigen Weg, der zum Vater führt, indem wir uns auf seine Verdienste berufen; in steter Vereinigung mit den innerlichen Gesinnungen des Gottmenschen, des Mensch gewordenen Wortes, dem lebendigen Vorbild jeglicher Vollkommenheit, der durch das Wirken seines Geistes Urheber aller Heiligkeit ist.

Dom Marmion will, dass die Seele ihr ganzes Wesen und ihre ganze Tätigkeit bis in die kleinsten Einzelheiten mit dem Übernatürlichen zu durchdringen sucht, und dass sie in lebendigem Glauben, in einer kindlichen, vertrauensvollen, demütigen und großherzigen Liebe das Geheimnis jeden Fortschrittes findet.

Wir mussten diese Grundgedanken eigens erwähnen, um den Wert der nun folgenden Auszüge voll und ganz zur Geltung zu bringen.

* * *

In einem Brief (8. Januar 1908. Diese Idee der drei Geister finden wir schon in persönlichen Aufzeichnungen Dom Marmions an Pfingsten 1907) von hervorragendem Klarblick, den wir deshalb auch an die Spitze dieses Buches setzen, enthüllt Dom Marmion die drei Geister, die sich die Herrschaft in unserer Seele sichern wollen, beschreibt deren Tätigkeit und stellt die allgemeine Regel für ihre Unterscheidung auf:

"Drei Geister kämpfen in jeder Seele um die Herrschaft:

Der Geist des Irrtums und der Lüge, der von Anbeginn an stets das Gegenteil von dem einflüstert, was Gott uns eingibt. "An welchem Tage du davon issest, wirst du des Todes sterben", so sprach Gott. "Keineswegs werdet ihr sterben" (Gen 2, 17; 3,4), so lautet darauf die Antwort des Teufels. Alle seine Einflüsterungen sind nur der Widerhall dieser ersten Lüge.

Der Geist dieser Welt, der uns dazu treibt, die Dinge nach der Neigung der Sinne und der Klugheit des Fleisches zu beurteilen. "Die Klugheit dieser Welt ist Torheit bei Gott" (1 Kor 3,19).

Der Geist Gottes, der uns stets ermahnt, unsere Herzen über das Natürliche zu erheben, und "aus dem Glauben zu leben": "Mein Gerechter lebt aus dem Glauben" (Hebr 10, 38). Dieser Geist neigt und treibt uns ohne Unterlass zu einem einfach kindlich-liebenden Glauben und zur Hingabe unseres Selbst in die Vaterhand Gottes. Er erfüllt uns "mit Friede und Freude im Vertrauen", bringt somit die Früchte hervor, von denen der hl. Paulus spricht (vgl. Gal 5, 22).

Mein teueres Kind, in gewissen Seelen ist diese Tätigkeit der verschiedenen Geister fühlbarer und auffallender als in anderen.

Bei Ihnen ist nun der Einfluss dieser Geister besonders deutlich. Sie werden sie stets an ihren Früchten unterscheiden können, selbst wenn Satan sich als Engel des Lichtes gezeigt hätte. Unser Herr sagt: Sie werden diese Geister an den Früchten erkennen (Mt 7,16), die sie in Ihrer Seele hervorbringen.

Selbst wenn der Geist Gottes uns Vorwürfe macht, oder uns zur Beschämung führt, oder zur Reue und Zerknirschung über unsere Sünden, so erfüllt er die Seele immer mit Frieden und kindlichem Vertrauen zu unserm Himmlischen Vater. Die andern Geister hingegen lassen die Seele im Trockenen, erfüllen sie mit sinnlichen Neigungen; war es aber der höllische Geist, so wirft er uns außerdem in Trostlosigkeit und Entmutigung. Nun also, wie Eva einstens dem Teufel keinen Glauben schenken, ja nicht einmal auf ihn hätte hören sollen, als er dem Zeugnis Gottes widersprach, so hätte sie ihn auch in die Flucht schlagen sollen mit Sankt Michaels Ruf: "Wer ist wie Gott" (Dies bedeutet selbst das Wort: Michael im Hebräischen). Und so müssen auch Sie ihm antworten "Glaubst du, dass ich auf deine Lügen höre, die du mir zuflüsterst, da sie doch dem Worte Gottes widersprechen?" So sollten wir handeln.

Ich empfehle Ihnen, mit großer Treue die Eingebungen des Heiligen Geistes zu befolgen. Das Sakrament der Taufe und das der Firmung haben ihn zur lebendigen Quelle in Ihrer Seele gemacht. Hören Sie auf seine Eingebungen, und jagen Sie alle anderen Einflüsterungen sofort energisch in die Flucht. Wenn Sie dies treu und beharrlich befolgen, wird dieser Geist Gottes nach und nach die Oberhand und Führung erhalten und Ihre Seele mit sich in den Schoß Gottes tragen. Der Heilige Geist wird bei Ihnen jene Stelle vertreten, die Jesus während seines irdischen Wandels bei den Aposteln inne hatte. Gerade wie sie in allem ihre Zuflucht zu ihm nehmen, ihn sprechen und bitten konnten, so hat er uns einen andern Tröster gesandt, der in uns wohnt und uns alle Wahrheit lehren wird, die Christus verkündet hat" (Joh 14, 26).

Einige Wochen vor seinem Tode (1. Dez. 1922; Dom Marmion starb am 30. Jan. 1923) zeichnet Dom Marmion in markigen Zügen den großen Gedanken Gottes über uns:

"Ich kann mit dem hl. Johannes ausrufen, dass ich keine größere Freude kenne, als zu sehen, wie meine Kinder in der Wahrheit wandeln" (2 Joh 4). Um in der Wahrheit zu wandeln, müssen wir mit dem Ewigen Wort verbunden sein, denn es ist die Wahrheit selbst: "Ich bin die Wahrheit" (Joh 14, 6).

Die Wahrheit setzt jedoch voraus, dass wir leben und handeln gemäß den Beziehungen, in die uns Gott unserer Natur nach und in unserer Würde als Gotteskind gestellt hat.

1. Unsere Natur verlangt, dass das Geschöpf stets in demütigster Anbetung vor dem Schöpfer bleibt: dies ist so wesentlich, dass nichts imstande ist, hierin etwas zu ändern. Unsere Annahme an Kindes Statt adelt und erhöht unsere Natur, vernichtet dieselbe jedoch nicht. Daraus folgt, dass, wenn wir uns gegen den Willen Gottes und gegen seine Zulassungen auflehnen, wir nicht mehr die einem Geschöpf gemäße Haltung haben.

2. Die Annahme an Kindes Statt verlangt, dass wir stets als liebende Kinder des Himmlischen Vaters handeln und immer tun, was ihm gefällt: "Suchet sein Angesicht allezeit" (Ps 104, 4). Dieses "sein Angesicht" ist das zustimmende Lächeln seiner Liebe.

Wenn Sie stets die Wahrheit, die in dieser doppelten Beziehung liegt, vor Augen haben und beachten, werden Sie mehr und mehr in der Wahrheit und im Frieden befestigt werden."

Manchmal richtet Dom Marrnion den Blick der Seele, entsprechend ihrer seelischen Verfassung, nur auf einen dieser zwei Punkte: Auf die Stellung des Geschöpfes. Einer Ordensfrau gegenüber betont er die Notwendigkeit der Anbetung und der demütigen Zerknirschung: "Für Ihre geistliche Haltung glaube ich Ihnen mit folgenden Gedanken nützlich zu sein:

1. Handeln Sie ganz aufrichtig mit Gott. Sobald Sie also in einen Fehler fallen (und dies wird von Zeit zu Zeit vorkommen), stellen Sie sich ehrlich dem Richterstuhl Ihres Himmlischen Vaters und bekennen Sie ihm wahrheitsgetreu und aufrichtig den Zustand Ihrer Seele.

2. Verlassen Sie nie ganz den Geist der heiligen Zerknirschung; denn dies ist die Stimmung des verlorenen Sohnes, dem verziehen worden, der aber mit David spricht: "Meine Sünde ist vor mir allezeit" (Ps 51, 5). Das Gebet, das die hl. Theresia niedergeschrieben und stets vor sich auf ihrem Schreibtisch hatte, lautete: "Geh nicht ins Gericht mit deinem Knecht." (Ps 143, 2), und so hoch auch ihre Beschauung war, diese demütige Gesinnung der Reue und Zerknirschung verließ sie nie. Die hl. Katharina von Siena sagte nach ihren Verzückungen: "Ich hab gesündigt, Herr, erbarme dich meiner." Eine Seele, die zerknirscht bleibt, kann nie verloren gehen (Siehe die weitere Ausfürung dieses Gedankens im Buch: Columba Marmion: Christus unser Ideal).

3. So innig auch die Verbundenheit sein mag, zu der Sie unser Heiland beruft, vergessen Sie nie, dass er Gott ist: der Unendliche. Die Liebe des Geschöpfes muss, um wahr zu sein, eine Liebe der Anbetung sein; selbst die hochheilige Menschheit Jesu Christi hält sich vor dem Angesicht des ewigen Vaters in einer Haltung ehrfurchtsvoller unendlicher Liebe: "Der Geist der Furcht des Herrn wird ihn erfüllen" (Is 11, 3).

Wenn Sie diese Ratschläge Ihres geistlichen Vaters treu befolgen, laufen Sie keine Gefahr" ( 1. Mai 1918).

Bei einer anderen Gelegenheit sehen wir ihn eine verzagte, aber gutwillige Seele mehr zum kindlichen Vertrauen ermuntern. Ist doch dies Vertrauen die Bedingung des inneren Aufschwunges:

"Ich bin wirklich sehr erfreut , dass Ihnen der Gedanke kam, die Werke der hl. Gertrud zu lesen, deren Geist gerade das Gegenmittel für Ihre geistigen Gebrechen ist. Das Urteil über Ihre Fehler ist vollkommen richtig. Fehler, die von unserer Schwachheit herrühren und im Herzen verabscheut werden, hindern den lieben Gott nicht, uns zu lieben, sie veranlassen vielmehr sein Erbarmen: "Wie ein Vater sich erbarmt seiner Kinder, so erbarmt sich der Herr über die, die ihn fürchten, denn er weiß, was für Geschöpfe wir sind" (Ps 103, 13). So dachte und handelte auch der hl. Paulus; mit Vorliebe stellte er sich vor den Himmlischen Vater mit all seinen Gebrechen und Schwachheiten, und da er sich immer als Glied Jesu Christi betrachtete, waren seine Gebrechen die des göttlichen Sohnes: "Darum werde ich mich am liebsten meiner Schwachheiten rühmen, damit die Kraft Christi in mir wohne" (2 Kor 12, 9).

Bemühen Sie sich, diesen Geist des kindlichen Vertrauens Gott gegenüber sich anzueignen.

Mir scheint, dass, je mehr ich mit unserm Heiland vereint bin, desto mehr führt und zieht er mich zum Vater - und desto mehr will er mich auch erfüllt sehen mit seinem vertrauensvollen kindlichen Geist.

Sie können nichts Besseres tun, als diesen Gedanken befolgen, denn der ganze Geist des Neuen Testamentes ist in ihm enthalten: "Denn ihr empfinget nicht den Geist der Knechtschaft wiederum zur Furcht, sondern empfinget den Geist der Kindschaft, in dem wir rufen: Abba, Vater" (Röm 8, 15). Fast alle Ihre Schwierigkeiten kommen daher, dass Sie sich nicht führen lassen wollen und nicht durchdrungen sind von diesem Geist der Liebe, sondern viel zu viel auf den anderen Geist hören, den Geist der Furcht, der Ihre Seele lähmt und der Gnade Gottes Hindernisse in den Weg legt" (15. November 1908).

* * *

Auf diese kindliche Unterwürfigkeit kommt Dom Marrnion immer wieder zurück: der Inbegriff alles gottverbundenen Lebens besteht darin, aus Liebe und in Vereinigung mit den Gesinnungen Jesu Christi den Willen des Himmlischen Vaters zu erfüllen:

"Die Vollkommenheit besteht darin, aus Liebe den göttlichen Willen zu erfüllen. Die erste Tat des Gottmenschen im Augenblick der Menschwerdung war die restlose Unterwerfung unter den Willen Gottes: eine Handlung, die nach dem hl. Paulus die ganze Heiligkeit in sich schließt: "Im Anfang des Buches ist von mir geschrieben, sieh, ich komme deinen Willen zu tun, o Gott" (Hebr 10, 7). Und das ganze Leben Mariens ist in folgenden Worten enthalten:

"Sieh, ich bin die Magd des Herrn, mir geschehe nach deinem Wort" (Lk 1, 38. - 15. Oktober 1920).

Nichts befürchtet Dom Marmion für die Seelen so sehr, als eine Täuschung in diesem Punkt. Seine ganze Sorge wendet er diesem Gegenstand zu und nie verfehlt er, die Seelen darauf aufmerksam zu machen. So sehr wünscht er, dass die Seelen in der Wahrheit leben. Zahlreich sind die Briefstellen die dieser seiner großen Sorge Ausdruck geben: "Ich bete innig für Sie, damit der Heiland Sie führe, Ihnen seinen Willen kund tue und Ihnen die Kraft verleihe, ihn zu befolgen" (12. Januar 1912).

"Lassen wir die Dinge sich unter der Hand Gottes entwickeln, wir werden dann schon zur richtigen Zeit sehen, was zu machen ist; im Augenblick kann ich Gottes heiligen Willen noch nicht klar erkennen. In einer so verwickelten Lage bleibt als einzige Richtschnur das: oculus simplex. Wenn Sie in allem nur auf Gott schauen und alle persönlichen Interessen hintansetzen, "Ohne an Finsternis irgend teilzuhaben" (Lk 1, 38), wird Licht und Frieden Ihr Anteil sein" (8. Mai 1912).

"Wie glücklich bin ich im Bewusstsein, dass Sie inmitten so vieler Geschäfte das Auge auf Gott gerichtet halten. "Schauen Sie auf das Ziel"; dies wird Sie in der Wahrheit stets befestigen, "und alles, was Sie unternehmen, wird Ihnen gelingen (vgl. Ps 1, 3. -1 0. Dez. 1912).

"Ich bete ohne Unterlass, dass der liebe Gott Sie in der Wahrheit belasse, ganz nahe seinem treuen Herzen, und dass es dem bösen Feinde nicht gelinge, Sie im Dunkel und Wirrwarr des Augenblickes vom göttlichen Willen und somit von Gott selbst loszulösen" (4. Dezember 1917).

Einige Tage später:

"Halten Sie stets das Auge auf das Licht, möge kein Stäubchen den Blick trüben. Setzen Sie Ihre Seele so viel wie möglich dem Strahl des göttlichen Lichtes aus, denn außer ihm ist alles Licht Finsternis" (23. Januar 1918).

"Wenn Sie das Auge der Seele nur auf Gott allein richten, werden Sie von ihm mit vielen Gnaden bedacht werden" (Mai 1912).

Einer Familienmutter schreibt er:

"Ich bete innig für Sie, dass Gott Ihnen die Gnade schenke und das nötige Licht erteile zur treuen Erfüllung seines heiligen Willens in der schweren Aufgabe, die er auf Sie gelegt, eine so zahlreiche Familie für ihn zu erziehen" (4. Januar 1914).

Es gibt Seelen - großmütige sogar - die sich oft blenden lassen durch ein anscheinend besseres Gut, das jedoch nicht in den Absichten Gottes liegt. Dom Marmion warnt sie deshalb vor einer so gefährlichen Täuschung:

"Wenn die Umstände sich ändern, erst dann und nicht früher werden wir zusehen, wie wir Ihr Leben der neuen Lage anpassen, von der Sie mir schreiben. Leben Sie zur Zeit in der Gegenwart und nicht in einer Zukunft, die vielleicht nie Wirklichkeit wird" (7. November 1917).

In der Tat ist die Vereinigung unseres Willens mit dem göttlichen die einzige Quelle des Erfolges; die diesbezüglichen Stellen sind zahlreich bei Dom Marmion, setzen wir sie hier der Reihe nach:

"Die hervorragendsten Taten, selbst die, welche uns volles Lob einbringen und die Augen aller auf uns lenken, haben vor Gottes Auge nur so viel Wert, als sie "in Gott getan sind", d.h. in voller Abhängigkeit von ihm und aus Liebe zu ihm. Lebt man ganz mit Gott vereint und somit in seinem Licht, so schaut man die Dinge anders an als die weltlich Gesinnten" (22. April 1906).

"Ich freue mich, dass Sie in allem das Ziel vor Augen haben: Gott selbst, und dass Sie somit alle Dinge im richtigen Licht sehen. Gott, der "der Anfang" (Joh. 8, 25) ist, will auch in der Führung unseres Lebens die erste Hand und das erste Wort haben; wir würden unser Ziel verfehlen, wollten wir unsere Ansichten Gottes Ansichten vorziehen. Dies gilt besonders für jene, die Gott im Ordensstande dienen" (20. Oktober 1911).

"Ich dachte gestern besonders an Sie (Namenstag des Betreffenden), und ich bat den lieben Gott, Sie ganz an sich zu ziehen, denn ich sehe jeden Tag mehr ein, dass außer Gott alles "nur Eitelkeit ist, in ihm jedoch alles göttlich wird" (30. April 1906).

"Sie müssen sich ganz in die Arme Gottes, unseres Himmlischen Vaters, werfen. Er liebt Sie mehr, als Sie selbst sich zu lieben vermögen. Nur dort allein werden Sie wahrhaft Gutes wirken, wo Gott mit Ihnen sein wird: "Ich will mit dir sein" (Ex 3, 12. - 27. Juli 1912).

Fügen wir noch folgende Stelle bei, die so recht seinen Geist verrät:

"Lassen Sie sich blindlings von der Hand Gottes führen, ohne all zu sehr darauf zu sehen, wohin er Sie führt; sorgen Sie nur dafür, dass Sie ihm treu folgen und sich nicht von seiner Hand losmachen. Man ist tausendmal mehr mit Gott vereint in der Mitte eines Gedränges, in dem man sich aus Gehorsam befindet, als in der Stille und Einsamkeit einer Zelle, in die man sich nach eigenem Willen hineinzwängt" (23. April 1913).

Wie die Gleichförmigkeit mit Gottes Willen die Quelle alles übernatürlichen Erfolges ist, so ist sie auch die Ursache eines tiefen Friedens. Die folgende Stelle ist aus einem seiner ältesten Briefe entnommen (21. Mai 1895); wir finden darin schon den ganzen Dom Marmion vollkommen übernatürlich gesinnt und doch tief menschlich:

"Ich wünsche so sehr, dass Sie endlich zur Ruhe und zum inneren Frieden gelangen, und es ist sicher eine Eingebung des Heiligen Geistes, der Sie dahin drängt. Doch tun Sie es mit aller Ruhe und betrüben Sie sich nicht allzu sehr, wenn es nicht gleich beim ersten Anlauf gelingt. Das beste Mittel, in Ruhe zu kommen, ist die vollständige Ergebung in Gottes heiligen Willen: denn dort befindet sich allein das Land des Friedens und der Ruhe. Begehren Sie weder etwas, noch hängen Sie Ihr Herz an irgend eine Sache, ohne sie vorerst Gott aufgeopfert und in das heiligste Herz Jesu getaucht zu haben, um sie nur mit ihm und in ihm zu wollen.

Einer der hauptsächlichsten Gründe, weshalb wir den Frieden der Seele verlieren, liegt darin, dass wir etwas wünschen, unser Herz an ein Ding hängen, ohne zu wissen, ob Gott es will oder nicht; stellt sich dann unsern Wünschen ein Hindernis in den Weg, so betrüben wir uns, verlassen die Gleichförmigkeit mit seinem heiligen Willen und verlieren so den Frieden.

Doch, - so fügt er mit der ihm eigenen Mäßigung bei, - vergessen Sie nicht, dass die Gnade unsere Natur nicht zerstört, sondern heiligt. Es hat somit jeder Mensch noch mit seinem Charakter zu rechnen. Halten Sie darum Maß, wenn Sie die Übereilung zu vermeiden suchen; bei Ihrem lebhaften Temperament wäre ein allzu langsames Handeln eine Unnatürlichkeit, und ich möchte, dass Sie diese um jeden Preis vermeiden."

II. Die Gottverbundenheit: Ihre wesentlichen Bestandteile

1. Die Liebe, Grundlage der Vereinigung

Der Ausgangspunkt dieser Vereinigung mit Gott ist die Liebe. Wir kommen hier zu einem der charakteristischen Merkmal der Lehre Dom Marmlons. Schon 1887 hatte er sich dieselbe zu eigen gemacht ("Un maître de la vie spirituelle". S. 66 und 106) und sollte so sein ganzes Leben lang ihren mächtigen und wohltuenden Einfluss erfahren. Das ständige Festhalten an diesem Gedanken ist bewunderungswürdig, er nimmt bei ihm alle Formen an; Dom Marmion hört nicht auf, ihn allen einzuprägen, welchen Standes sie auch sein mögen, denn das Gebot der Liebe gilt für alle, und Dom Marmlon betont das stets gleich dem hl. Franz von Sales ("So lautet das allgemeine Gebot unseres Gehorsams: Man muss alles aus Liebe tun und nicht aus Zwang." 14. Oktober 1604), weshalb er auch die betreffenden Stellen in seinen Briefen unterstreicht.

"Tun Sie alles aus Liebe zu Jesus", so schreibt er einem noch ganz jungen Mädchen in der Welt; "er ist so gut, dass er auch die geringste Sache annimmt, wenn sie aus Liebe verrichtet wird".3. April 1903. "Wir müssen in Wahrheit bekennen", so schreibt der hl. Franz von Sales an Fräulein von Soulsour, "dass wir wirklich arm und nichts Gutes zu tun imstande sind, aber der liebe Gott, welcher unendlich gut ist, gibt sich mit unsern kleinen Anstrengungen zufrieden."

Desgleichen zehn Jahre später:

"Mein liebes Kind, versuchen Sie alles aus Liebe zu tun. Gott ist die Liebe, und er schaut mit Wohlgefallen auf alles, auch das Unscheinbarste, wenn es nur aus Liebe vollbracht wurde. Die Liebe ist wie der Stein der Weisen, der alles in Gold verwandelt, was er berührt" (21. Januar 1913).

So schreibt er auch einer beschaulichen Ordensfrau:

"Verrichten Sie jede Handlung, teure Tochter, mit großer Liebe und nicht im Namen Helenes (Namen der Ordensschwester vor ihrem Eintritt ins Kloster) - sondern im Namen Jesu ... Gott segne Sie und mache Sie ganz sein eigen" (21. Oktober 1908).

Dies war auch der Gedanke des hl. Paulus, wenn er schreibt: "Tut alles im Namen unseres Herrn Jesus, ob ihr nun esst oder trinkt oder etwas anderes tut" (1 Kor 10, 31),

Die Liebe Gottes umfängt alles, um es zu veredeln und es Gott wohlgefällig zu machen. Nichts ist trostreicher als dieser Gedanke für Seelen, die Gott suchen in der Aufrichtigkeit ihres Herzens und in der Einfalt ihrer Demut.

Dom Marmion benutzte jede Gelegenheit, um diesen so fruchtbaren Grundsatz einzuprägen. So antwortet er zu Neujahr einer Schar junger, studierender Mönche:

"Ich danke Ihnen für Ihre Zeilen. Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, wie sehr ich mit Ihnen in der Liebe Jesu verbunden bin. Es ist nicht nötig, Ihnen meine Wünsche besonders darzubringen, da ich sie jeden Tag auf den Altar lege. Dieses Jahr wird Sie anstrengen und ablenken; aber wenn alles im Gehorsam und mit Liebe geschieht, "Alles hilft zum Guten mit" (Röm 8, 28. - 3. Januar 1904).

"Suchen wir unsern Heiland aus ganzem Herzen zu lieben, denn darin liegt alles. Die Tage, Monate und Jahre vergehen und nichts bleibt, als Gott und das, was wir für ihn tun" (13. Februar 1904).

"Ich gratuliere Ihnen", so schreibt er einem andern, "zu Ihrem Fortschritt und zum Preis, den Sie erhielten für Ihr fleißiges Studium, das Sie doch so ermüdet. Wenn die Studien, die Sie aus Gehorsam unternehmen und aus Liebe zu Gott betreiben, Ihnen den Vorteil erwerben, die ganze Ewigkeit hindurch tiefer in Gott einzudringen, so ist diese Zeit wirklich nicht verloren" (3. Januar 1906).

Er steigert selbst seine Forderung:

"Jesus dürstet nach Ihrer Liebe" schreibt er einer Ordensfrau, "ich sage es ein für allemal: schenken Sie ihm Ihr ganzes Herz und Ihre ganze Liebe. Diese Liebe kommt von ihm und ist ein Geschenk, das er uns in der heiligen Kommunion mitteilt" (1905 ohne nähere Zeitangabe).

Der Mahnung fügt er das Gebet hinzu:

"Ich werde an Ihrem Namenstag besonders für Sie beten, damit der liebe Gott Sie in seine Arme oder vielmehr in sein Herz schließe, und mit Ihnen ganz nach seinem Wohlgefallen verfahre" (20. November 1906).

Sein Apostelherz jubelt vor Freude, wenn er den Fortschritt einer Seele auf diesem königlichen Weg bemerkt:

"Wie froh bin ich", schreibt er einem Mädchen, "dass Sie den gegebenen Rat befolgen und all Ihre Handlungen aus Liebe dem göttlichen Heiland aufopfern. Die hl. Magdalena von Pazzis sagt, dass, wenn wir nur für Gott handeln, unser ganzes Leben zu einer ununterbrochenen Kette der Liebe wird, und wir sehr rasch in der Heiligkeit vorankommen" (24. Januar 1905).

Eine Ordensschwester erhielt folgende tiefen Worte:

"Da Sie alles aus Liebe verlassen haben, ist Ihr ganzes Leben ein Gebet; denn man betet im Unterbewusstsein der Seele, ohne dass man es merkt, so lange man treu auf dem Weg des göttlichen Willens wandelt. Mehren Sie, ohne jedoch den Kopf allzu sehr zu ermüden, die Akte der Liebe; sie adeln unser Leben und geben ihm neuen Wert. Es ist dies auch der wahre Weg, um sich die christlichen Tugenden anzueignen. Die natürlichen Tugenden können durch eigene Mühe, durch Gewissenserforschung usw. erworben werden, die christlichen Tugenden jedoch, die ein Ausfluss der Kraft Christi sind, kommen nur von ihm: "Von seiner Fülle empfingen wir alle" (Joh 1, 16 - 30. November 1920).

Den gleichen Gedanken drücken folgende Zeilen aus; zugleich geben sie uns die Gesinnungen wieder, die Dom Marmion kurz vor seinem Tod beseelten:

"Ich freue mich, dass Sie zu Gott auf seinen Wegen gehen, das heißt:

1. Durch eine vollkommene Hingabe Ihrer Person und all Ihrer Interessen an seine Liebe.

2. Durch gewissenhafte Pflichterfüllung aus Liebe zu ihm.

3. Durch Geduld und Schweigen" (18. September 1922).

In vielen Briefen finden wir treffliche und packende Ausführungen dieser Lehre. Mit folgenden Worten z. B. erklärt er dieselben in höchst einfacher Art einem kaum 15-jährigen braven Kind:

"Du weißt, dass, wenn wir im Stand der Heiligmachenden Gnade sind, Jesus immer in unserm Herzen wohnt. Sein einziger und größter Wunsch besteht darin, uns Alles zu sein. Es scheint ein zu schöner Traum zu sein, als dass er wahr sein könnte, dass dieser gute, mächtige und liebevolle Jesus unser Bruder sein will, und doch bezeugt er es uns: "Wer immer den Willen meines Vaters im Himmel tut, der ist mir Bruder und Schwester und Mutter" (Mt 12, 50).

Dies sind die eigenen Worte Jesu. Um das Glück zu haben, dass Jesus unser Bruder und trautester Freund wird, muss man also den Willen seines Vaters tun.

Und worin besteht dieser Wille?

Zuerst muss man die Sünde meiden, und, wenn wir aus Schwachheit fehlen, alsbald um Verzeihung bitten.

Dann muss man alle Handlungen für ihn verrichten. Er ist so gut, dass er auch das Geringste annimmt, wenn es nur für ihn getan wird. Für dich ist dies leicht. Deine Tagesordnung steht fest. Du kennst deine Pflichten; du musst sie nur heiligen, indem du sie Gott weihst" (9. Juni 1903).

Was er diesem Kind erklärte, wiederholt er zwanzig Jahre später einer Ordensfrau aus einem beschaulichen Orden:

"Der Wert unseres ganzen Lebens hängt von dem Beweggrund unseres Handelns ab.Es wird kaum notwendig sein zu bemerken, dass bei Dom Marmion, wie bei allen Moraltheologen, die erste Quelle jeder Moralität die Güte der betreffenden Handlung selbst ist, im Hinblick ihrer Übereinstimmung mit dem göttlichen Gesetz; aber da er sich an Seelen wendet, deren Handlungen gewöhnlich diese Grundbedingung aufweisen, musste Dom Marmion hauptsächlich auf die Reinheit des Beweggrundes der Handlungen Gewicht legen. Nun ist es aber gewiss, dass die Liebe der höchste Beweggrund ist. Der hl. Paulus sagt: "Er hat mich geliebt und sich für mich hingegeben" (Gal 2, 2). Diese Überzeugung, dass Christus ihn liebte, drängte den Apostel, sich ebenfalls ganz Christus hinzugeben. Darum lautete seine Antwort: "Ich will aber gern für eure Seelen aufopfern und aufgeopfert werden" (2 Kor 12,15). Wenn sich einmal eine Seele aus Liebe so hingegeben hat, wird nichts sie aufhalten können: weder Leiden, noch Schwierigkeiten, noch sonst etwas Widerwärtiges, denn: Liebe kennt keine Qual.

Geben Sie sich also auch so Christus Jesu hin, machen Sie keine Einschränkung, fordern Sie keinen Lohn, schenken Sie sich ganz aus Liebe, dann wird alles gut gehen; Ihr Leben wird Gott äußerst wohlgefällig sein und reich an Verdiensten" (Um 1920).

Lesen wir die folgenden klaren und bestimmten Zeilen, die so ganz seine Art und seinen Geist kund tun:

"Der sicherste, kürzeste, lichtvollste und angenehmste Weg ist der Weg der Liebe. "Wer mich liebt", sagt Jesus, "dem werde ich mich offenbaren" (Joh 14, 21). Teure Tochter! Sie gleichen ein wenig einem Vulkan: Es sind noch viele Schlacken in Ihnen, doch brodelt auch ein loderndes Feuer. Was Ihnen not tut, ist, dass dieses Feuer durchbricht und Sie auf dem Weg der Liebe wandeln. Sie dürfen kein anderes Mittel suchen. Um jedoch auf diesem Weg zu gehen, bedarf es einer sehr großen Treue.

Tun Sie alles einzig und allein aus Liebe zu unserm Herrn und nehmen Sie aus Liebe alles an, was er zulässt; geben Sie sich ganz der Liebe hin, ohne nach rechts oder links zu schauen. Nehmen Sie ohne Verwirrung die Widerwärtigkeiten und Schwierigkeiten an, die Sie augenblicklich bedrücken; verrichten Sie, was Ihnen aus Gehorsam auferlegt wird, so gut Sie können, ohne sich jedoch darum zu kümmern, ob man Sie dafür lobt oder tadelt, ob man gut oder ungut zu Ihnen ist. Es muss Ihnen genügen, dass der Heiland Sie liebt.

Trachten Sie nur nach dem Einem: Jesus zu lieben und ihm allein und in allem zu gefallen. Wenn Sie auf diesem Weg der Liebe gehen, werden Sie bereits in drei bis vier Wochen merken, welche Änderungen in Ihrer Seele vorgegangen sind:

Sie werden beten können, Gott wird sich Ihnen nähern; er wird in Ihnen Wohnung nehmen und Sie werden in Gemeinschaft mit dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geiste leben.

Sagen Sie oft zum lieben Gott: Mein Gott, du verdienst so sehr, dass ich nur dich allein liebe und nur dich suche" (Ohne Datum).

Und noch diese Zeilen an die gleiche Adresse:

"Suchen Sie in allem, dem lieben Heiland Freude zu machen; verrichten Sie alles in der reinsten Absicht. Vor jeder Handlung sollen Sie sagen:

"Mein Jesus, ich will dies nur aus Liebe zu dir tun, und wenn ich wüsste, dass diese Handlung dir nicht gefiele, würde ich dieselbe nicht verrichten." Es ist ganz unmöglich, dass Christus sich nicht mit uns vereinigt, wenn wir alles nur für ihn und um seiner Liebe willen tun. Er hat von seinem Vater gesagt:

"Der mich sandte, ist mit mir und lässt mich nicht allein; denn, was ihm wohlgefällt, tue ich allzeit" (Joh 8, 29). Das Gleiche gilt für uns: Unser Heiland wird uns stets mit sich vereint halten, wenn wir alles nur in der Meinung tun, ihm zu gefallen" (Ohne Datum).

* * *

Da es sich hier um einen der wichtigsten Punkte handelt, will Dom Marmion, dass die Seele sorgfältig ihre Beweggründe überwache:

"Schreiben Sie mir in Ihrem nächsten Berichte:

1. Ob Sie sich oft im Lauf des Tages vereint finden mit unserm Heiland.

2. Ob Sie treu darin sind, vor jeder einigermaßen wichtigen Handlung eine reine Meinung zu erwecken.

3. Ob Sie sich immer gleich von der ersten Aufregung hinreißen lassen, oder ob Sie anfangen, die innere Abtötung zu üben, indem Sie hin und wieder die Lebhaftigkeit Ihres Charakters eindämmen, auf dass Jesus der einzige Herr Ihrer Seele werde" (6. März 1901. Einem jungen Mädchen).

Um dieselbe Zeit (Ohne genaues Datum) zeichnet er folgenden tiefpsycholgischen Plan:

"Prüfen Sie sich über folgende Punkte:

1. Prüfen Sie genau die Meinung, aus der heraus Sie handeln; die Liebe, mit der Sie Ihre Aufgaben erfüllen, ist tausend Mal wichtiger als die peinlichste äußere Genauigkeit, mit der Sie dieselben verrichten.

2. Geben Sie ferner acht, ob Ihr Herz vollständig frei und ohne Anhänglichkeit ist: a) in Bezug auf Personen, b) in Bezug auf Ihre Beschäftigungen, also stets bereit, diese in jedem Augenblick auf den leisesten Wink des göttlichen Willens hin zu ändern; c) den Dingen gegenüber, indem Sie nichts davon zurückbehalten, weder für sich, noch für andere, wenn die Nächstenliebe das Opfer fordert.

3. Gott allein ist Ihnen notwendig. Sie finden alles in ihm. Hängen Sie Ihr Herz an nichts, nur an ihn allein; und

4. Geben Sie sich ganz hin, ihm und allem, was er liebt."

Umstände zwingen ein Mädchen, den Eintritt ins Koster zu verschieben, er gibt ihm für diese Lage folgende praktischen Richtlinien:

"Ich empfehle Ihnen:

1. In allem, was Sie tun, stets auf eine reine Meinung bedacht zu sein. Möge Jesus das Auge Ihrer Seele sein (Siehe Lk 11, 34), d. h. vereinigen Sie sich in allem mit seinen Meinungen, damit er selbst Sie zu seinem Vater führe. Ihre Handlungen haben in den Augen Gottes nur den Wert: a) der Meinung, die ihnen vorausgeht, b) des Eifers, mit dem Sie dieselben für ihn tun.

2. Kommunizieren Sie so oft, wie Sie es bis jetzt gewohnt waren. Dort, in der heiligen Kommunion, ist Ihre Kraft und die Quelle des göttlichen Lebens in Ihnen. "Gleichwie mich der lebendige Vater sandte und ich durch den Vater lebe, wird auch, wer mich isst, durch mich leben" (Joh 6, 37).

3. Vermeiden Sie jede Bindung, die Sie von Ihrem Ziele abbringen könnte.

4. Unterlassen Sie so viel als möglich nie, wenigstens einige Augenblicke, geistige Lesung zu halten.

5. Opfern Sie in allem die Natur der Gnade" ( 13. November 1901). Zwanzig Jahre später enthüllt er einer Ordensfrau, die soeben ins Kloster eintrat, die ganze Größe und Ausdehnung der Opfer, die die Liebe fordert:

"Als ich Sie während der Exerzitien kennen lernte, bemerkte ich, dass hinter dem Äußeren einer noch wilden und unbändigen Natur ein stilles und unergründbares Heiligtum der Liebe verborgen ist, und ich habe mich überzeugt, dass Jesus dies alles für sich haben will. Auch Sie merken das, denn das Programm des geistigen Lebens, das Sie mir in Ihren Zeilen zur Prüfung vorlegen, enthält genau das, was der Heilige Geist von Ihnen begehrt:

1. Tun Sie alles aus Liebe.

2. Nehmen Sie geduldig, um der Liebe willen, die Arbeiten, die Leiden auf sich, trotz aller Eintönigkeit, genau, wie Jesus am Kreuz es tat.

3. Wenn Jesus etwas von Ihnen verlangt, verweigern Sie es ihm dann nicht; scheint es der Natur zu schwer, so beten Sie, beten Sie dann, bis er Ihnen mit seiner Gnade zu Hilfe kommt.Dies ist der Gedanke des hl. Benedikt im Vorwort seiner Regel: "Da aber unsere eigene Kraft hierzu nicht ausreicht, flehen wir zum Herrn, er möge uns huldvoll den Beistand seiner Gnade verleihen."

4. Halten Sie das Auge Ihrer Seele stets gerichtet auf Ihre einzige Liebe, auf Jesus, der Ihnen die Gnade gab, alles zu verlassen. Wenn sich etwas zwischen ihn und Sie stellen sollte, wird er es Ihnen im Licht seiner Gegenwart zeigen.

Unmittelbar aus seinem heiligsten Herzen kommt was ich Ihnen sagte: dass er wünscht, Sie möchten alles aus Liebe tun. Beten Sie jeden Tag für mich, wie ich es auch für Sie tun werde. Möge Gott Sie segnen, Sie lieben und aus Ihnen ein Brandopfer der Liebe machen, das vereint ist mit Ihrem gekreuzigten Bräutigam" (3. Dezember 1921) !

Am Abend seines Lebens fasst er seine ganze Lehre über diesen Gegenstand in einem Satz zusammen, in dem das ganze Geheimnis der Vollkommenheit begründet ist, jener Vollkommenheit, nach der er selbst so verlangte:

"Begegnen Sie jedem Wink des göttlichen Willens mit einem Lächeln der Liebe" (3. November 1922. Siehe darüber ausführlicher im Buch: "Christus, das Leben der Seele", Konferenzen: Die Wahrheit in der Liebe und: Unser Wachstum in Christus).

* * *

Eine solche Lehre, immer wieder empfohlen und besonders ganz selbst gelebt, machte es Dom Marmion möglich, so recht das Geheimnis des kleinen Weges der Liebe von Schwester Theresia vom Kinde Jesu zu verstehen. Gebeten im Januar 1911 - man beachte dieses Datum - auch einen Beitrag zu leisten für die Bitte der Eröffnung des Seligsprechungsprozesses genannter Dienerin Gottes, schreibt er an den Heiligen Vater folgende Zeilen, deren Konzept wir glücklicherweise noch vorfanden. In unseren Tagen bietet diese Schrift kaum etwas Besonderes, da wir durch das Studium des Geistes der Heiligen von Lisieux ganz damit vertraut sind; zur Zeit jedoch, als sie geschrieben wurde, beweist sie einen außergewöhnlichen Klarblick. Mit seltener Genauigkeit umriss Dom Marmion, wie es ja seine Gewohnheit war, in einigen wesentlichen Zügen die Lehre, die sich aus dem Leben der Karmelitin ergibt und die ihr von der göttlichen Vorsehung bestimmte Mission35• Diese Zeilen bieten uns so den glücklichen und natürlichen Abschluss der in diesem Kapitel gebotenen Lehren.

"Heiliger Vater, Gott, der wunderbar ist in all seinen Werken und besonders in seinen Heiligen, erwählt seine Auserwählten aus allen Klassen der menschlichen Gesellschaft und unter Personen von verschiedenstem Charakter und Temperament. Er hilft so unserer Schwachheit, indem er uns zeigt, dass die heroische Heiligkeit nicht das ausschließliche Vorrecht einer gewissen Berufsklasse, oder eines besonderen Temperamentes ist, sondern dass sein Ruf: "Seid vollkommen, wie auch euer himmlischer Vater vollkommen ist" (Mt 5, 48) sich an alle richtet.

Es scheint, dass in diesem Jahrhundert, wo wenig Menschen sich berufen fühlen, zu Gott auf dem Weg der großen Bußwerke und Abtötungen früherer Jahrhunderte zu gelangen, Gott uns zeigen wollte, dass die Liebe alles ersetzen kann, und dass dieser Weg der Liebe der leichteste und kürzeste Weg der Vollkommenheit ist.

Schwester Theresia vom Kinde Jesu, Karmelitin zu Lisieux, scheint uns ein lebendiger Beweis dieser Wahrheit zu sein. Sie sagte von sich selbst, dass sie im mystischen Leib Christi das Herz sein wolle und alles aus Liebe verrichten möchte, und diese Liebe, Mutter aller Tugenden, tat sich bei ihr kund durch ihre vollkommene Treue in allen ihren Pflichten; durch eine bedingungslose Hingabe an Gottes heiligem Wohlgefallen; durch jenes grenzenlose Vertrauen in die Güte und Liebe ihres Himmlischen Vaters, das am vollkommensten den Geist der Gotteskindschaft ausdrückt.

Heiliger Vater, wir glauben, dass, wenn Schwester Theresia vom Kinde Jesu auf die Altäre gestellt wird, Eure Heiligkeit der Welt damit ein Vorbild schenkt für jene Vollkommenheit, die eine Wirkung ist der unendlichen Barmherzigkeit des Heiligsten Herzens Jesu, und die sich am besten der Schwachheit unserer Natur in unserem Zeitalter anpasst.

Darum bitte ich Eure Heiligkeit demütigst, den Seligsprechungsprozeß der Dienerin Gottes eröffnen zu lassen zur größeren Ehre Gottes und zur Erbauung der Kirche.

Demütigst niedergeworfen zu den Füßen Eurer Heiligkeit bitte ich voll Vertrauen um den Apostolischen Segen."

Mariedsous, Januar 1911Die Autorisation von Seiten der Ritenkongregation an den Bischof von Bayeux für die Untersuchung der Schriften der Dienerin Gottes datiert vom 20. Februar 1910. Die erste Sitzung des Informationsprozesses fand statt im August 1914. Im Juni 1914 günstiges Urteil der Heiligen Kongregation, womit der Informationsprozess abgeschlossen wurde.

2. Die Treue, Beweis der Liebe

Wenn die Liebe echt ist und nicht als Trugbild nur in unserer Einbildungskraft existiert, muss sie sich in Werken zeigen, deren Quelle sie ist; sie muss die ganze Tätigkeit der Seele beherrschen und sie mit Großmut leiten. Sich auf die Worte Jesu berufend: "Wenn ihr mich liebt, so haltet meine Gebote" (Joh 14, 15), schreibt Dom Marmion: "Die Treue ist der Prüfstein wahrer Liebe" ("[[Columba Marmion: Christus in seinen Geheimnissen." Konferenz: Christi Herz). Oft kommt er in seinen Werken (Siehe die Worte: Liebe, Treue im Inhaltsverzeichnis eines jeden seiner Bücher) auf diesen wichtigsten Grundsatz zurück, und zahlreich und entschieden findet sich derselbe in seinen Briefen vor:

"Um sich mit Gott innig zu vereinen, muss man:

1. Die Gewohnheit sich aneignen, alles zu tun, um Gott zu gefallen. Wenn man sich aus Liebe bemüht, jeden Augenblick Gott zu gefallen, wird sich Gott nach einiger Zeit uns schenken; man wird dann beständig im heiligen Glauben in Vereinigung mit ihm leben.

2. Recht treu sein, denn Gott ist ein eifersüchtiger Gott; er vereinigt sich nicht mit einer ungetreuen Seele, wohl aber mit einer schwachen, denn Gott ist die Barmherzigkeit und niemals wird die Armseligkeit einer Seele Gott von ihr fernhalten" (Ohne Datum).

In einem Osterbrief, der an eine Ordensfrau gerichtet ist, gibt er dem Lieblingswort des hl. Augustinus folgende glückliche Erläuterung:

"Alleluja! Ich sende Ihnen diesen Freudengruß aus tiefstem Herzen. Den Heiligen und uns verkündet das Alleluja den Triumph dessen, der "uns geliebt, und sich für uns hingegeben hat" (vgl. Gal 2, 20). Ich bete, dass diese erste Fastenzeit Ihnen recht viele Früchte einbringe und Ihr Herz mit Liebe zu Jesus erfülle. Der heilige Augustinus schreibt: "Liebe und tue was du willst". Dies ist wahr, denn eine aufrichtige Liebe zu Gott bewirkt, dass wir uns selbst verlassen, um uns ganz Jesus hinzugeben. Die Interessen Jesu werden die unsrigen und sobald wir merken, dass etwas ihm Freude macht, zögert die wahre Liebe keinen Augenblick und fragt nicht erst, ob die Angelegenheit ihr zusage oder nicht; ihr einziger Gedanke ist: "Wird dies dem Freude bereiten, der der einzige Gegenstand meiner Liebe ist?" Sie werden die Erfahrung machen, dass diese aufrichtige Liebe zu Jesus in ihrer Einfalt alle unsere Schwierigkeiten löst, denn unsere Schwierigkeiten kommen von der Eigenliebe, die aufrichtige Liebe zu Jesus aber zerstört diese. Ich sage: Sie werden keine Schwierigkeiten mehr finden, nicht aber, dass Sie keine Kreuz und Prüfungen mehr haben werden; aber wenn man im Besitz der wahren Liebe ist, "Man liebt selbst das Schwierige" (Hl. Augustinus von Hippo: Bekenntnisse) Die Prüfungen verlieren ihre Härte, denn nichts fallt der Liebe schwer " (10. April 1903).

So zeigt sich also wahre Liebe durch großmütige Treue dem göttlichen Wohlgefallen gegenüber:

"Beweise Jesu Deine Liebe", so schreibt er einem noch ganz jungen Mädchen, "durch Deine Treue. Die wahre Liebe besteht darin, den Willen dessen zu tun, den man liebt; und der Wille Jesu ist, dass Du ihn nachahmst, ihn, der zu jeder Stunde sprechen konnte: "Ich tu allzeit, was meinem Vater wohlgefällt" (Joh 8, 29; - 16. August 1904).

Dem gleichen Mädchen schreibt er noch:

"Suche Jesus Christus Deine Dankbarkeit zu beweisen durch große Treue in allen Dingen. Mein teures Kind, Du darfst nie vergessen, dass wahre Frömmigkeit nicht darin besteht, lange Gebete herzusagen, sondern vor allem darin, dass Du Jesus Deine Liebe zeigst durch die Sorgfalt und die Treue, mit denen Du seinen heiligen Willen erfüllst. Für Dich tut sich sein Wille kund durch die Hausordnung und die Standespflichten. Je mehr Du also Jesus lieben wirst, desto mehr wirst Du Dich ganz der Erfüllung seines Willens hingeben" (27. November 1903).

"Was Sie mir über den Fortschritt Ihrer Studien berichten", schreibt er einem Studenten, "machte mir viel Freude, denn die wahre Frömmigkeit, die aufrichtige Liebe zu Jesus drängt uns immer, unsere Standespflichten nach bestem Vermögen zu erfüllen" (29. Januar 1904).

Er macht die Treue zum Gegenstand seines Gebetes für die ihm anvertrauten Seelen:

"In der Oration der zweiten Messe an Weihnachten flehen wir, dass das, was durch den Glauben in unserm Gemüt erglänzt, in unserm Werk widerstrahle. Dies mein Neujahrswunsch für Euch alle" (27. Dezember 1906.).

Diese Treue will er ganz und ohne Vorbehalt wissen, selbst in den kleinsten Sachen, denn auch in ihnen offenbart sich der göttliche Wille:

"Sie dürfen sich nicht entmutigen lassen", schrieb er einer Ordensschwester, "noch glauben, dass es rückwärts geht mit Ihnen. Allerdings machen Sie nicht die Fortschritte, die ich bei Ihnen sehen wollte. Ich möchte, dass Sie Gott ganz angehören, denn Sie vermögen ihn sehr zu lieben. Sie müssen die geringste freiwillige Untreue gegen den lieben Heiland scheuen und sich fleißig üben, aus Liebe treu zu sein auch in den kleinsten Sachen. Machen Sie darüber Ihr Partikularexamen" (Ohne Datum).

Und einer andern:

"Seien Sie treu in den kleinen Dingen, nicht aus Überspanntheit, sondern aus Liebe. Seien Sie es, um dem lieben Heiland Ihre bräutliche Liebe zu beweisen" (Ohne Datum).

Für gewisse Einzelheiten fordert er die Treue mit Nachdruck, weil er darin eine bessere und bestimmtere Orientierung für die Seele sieht:

"Die Pünktlichkeit und die Treue im Aufstehen sind von größter Wichtigkeit."

Und treffend enthüllt er uns die Gründe:

"Es handelt sich nämlich darum, wem wir die ersten Augenblick des Tages schenken: dem Heiland oder seinem Feind. Der ganze Tag trägt den Widerschein dieser ersten Wahl" (21. November 1900).

"Gott liebt Sie", schreibt er einer verheirateten Frau, "denn Sie sind rechtschaffen und erfüllen Ihre Pflichten aus Liebe zu ihm. Ich empfehle Ihnen ganz besonders: jedem Tag am Morgen seine Richtung zu geben durch einen Akt der Liebe zu Gott und dann im Verlauf des Tages von Zeit zu Zeit an ihn zu denken. Er schaut stets auf Sie herab und sieht es so gerne, wenn wir an ihn denken! ,Denke an mich', so sagte er zu einer Heiligen, ,und ich werde an Dich denken'" (29. März 1920).

Er verlangt beständige, ja großmütige Treue:

"Ich vertraue, dass Sie dem lieben Heiland treu bleiben, selbst inmitten der Finsternis, durch die er Sie oft führen will: "Denn wenn ich auch wandle mitten in Todesschatten, so will ich nichts Übles fürchten, weil du bei mir bist" (Ps 23, 4). Ich bete jeden Tag für Sie und hoffe dass Sie den Mut nicht sinken lassen, trotz der Eintönigkeit und Trockenheit Ihres gewöhnlichen Lebens" (Ohne Datum).

Man wird sich so nicht wundern über den tiefen Abscheu, den die Lauheit in ihm erregt, dieser Rost der Seele, der langsam die Liebe zerstört. "Frömmigkeit ohne Opfergeist", sagte er oft, "ist wie ein Organismus ohne Rückgrat." Er warnt die Seele vor der so häufigen Gefahr der Mittelmäßigkeit, und sein Eifer für die Ehre Gottes verleiht seinen Ermahnungen eine besondere Wucht:

"Ihr lieber Brief", so schreibt er einer Benediktinerin, "hat mir viel Freude bereitet. Ich kann mit dem heiligen Johannes sagen: "Ich habe keine größere Freude, als die, wenn ich höre, dass meine Kinder in der Wahrheit wandeln" (3 Joh 4). Unser Beruf ist so schön und erhaben, dass es meine größte Qual ist, wenn ich sehen muss, wie jemand deshalb, weil er der Güte Gottes nicht genügend entspricht, auch nur eines Teilchens jener Gnaden und Freuden verlustig geht, die in unserer Regel und in unserem Leben enthalten sind. Wir sind so schwach, ja, sehr schwach. Wenn unser Heiland auch nur für eine Minute die Hand zurückziehen würde, wären wir der größten Sünden fähig; darum wundert mich auch keine Schwäche; und sie hindert auch den lieben Heiland nicht uns trotzdem zu lieben und sich uns zu schenken. Was ich aber nicht verstehe, ist, wie ein Mönch oder eine Ordensfrau den geringsten freiwilligen Vorbehalt machen kann. Ich kann nicht fassen, wie jemand, der unsern Heiland in der heiligen Kommunion empfangen hat, und dem unser Herr alles schenkte, selbst sein kostbares Blut, dann sagen kann: "Ich weiß wohl, dass dies und jenes dem Herrn Freude machen würde, ich tue es aber trotzdem nicht." Ein Mensch, der in solchen Gesinnungen dahinlebt, wird stets nur ein lauer Mönch und eine laue Ordensfrau sein; von ihnen sagt Gott: "Dass du doch kalt wärest oder warm! Doch weil du lau bist und weder kalt noch warm, werde ich dich aus meinem Munde ausspeien" (Offb 3, 16). Ich liebe die Sünder sehr, und fühle mich nie glücklicher, als wenn ich ihnen helfen kann und dem Guten Hirten gleiche, der die 99 Schafe in der Wüste ließ, um das verlorene zu suchen; aber ich muss Ihnen bekennen, dass es mich die größte Überwindung kostet, auch nur höflich gegen solche gleichgültigen Ordensleute zu sein, die dem Herrn hauptsächlich nur zu ihrer eigenen Befriedigung dienen und die ihm nicht folgen wollen in seinen Verdemütigungen und in seiner Großmut und Opfergesinnung" (7. März 1907).

3. Treue und innere Freiheit

Diese großmütige Treue, die er aus so vielen Gründen verlangte, wollte Dom Marmion jedoch erleuchtet wissen. Selten hat man die Seelen mit so viel Nachdruck und so lebhafter Besorgnis gewarnt und geschützt vor jener irrtümlichen Auffassung, die alle Vollkommenheit in einer rein äußerlichen materiellen Treue sieht. "Obgleich der Ausdruck scharf klingt", pflegte er in solchen Fällen zu sagen, "zögere ich doch nicht, ihn zu gebrauchen: Die oben erwähnte falsche Auffassung grenzt an Pharisäismus und führt zu ihm, und das wäre eine große Gefahr" (Christus unser Ideal.

"Ihr Vorsatz aus den Exerzitien: "In allem das zu tun, was unserm Heiland am meisten Freude bereitet", ist ausgezeichnet. Ich möchte bei Ihnen nicht gern eine Pharisäische Genauigkeit sehen; aber ich wünsche sehr, dass Sie aus Liebe treu seien" (Ohne Datum).

"Worauf es bei unserer Treue besonders ankommt", schreibt er noch (3 "Christus unser Ideal"), "ist der innere Beweggrund, der sie belebt. Die Pharisäer beobachteten alles ganz genau, aber nur um gesehen und von der Menge dafür gelobt zu werden, und so verdarb diese moralische Verirrung ganz und gar ihre Werke.

Die bloß äußere Treue, die um ihrer selbst willen gesucht wird, ohne die sie belebende innere Liebe, ist nur ein krämerhaftes, pharisäisches Zurschautragen, das wir ausschließen müssen. Das Ideal, nach dem wir streben sollen, ist: Pünktlichkeit aus Liebe. Das innere Leben muss die Seele der äußeren Treue sein, diese also das Ergebnis, die Frucht und die Offenbarung der Gesinnungen des Glaubens, des Vertrauens und der Liebe, die in unserm Herzen regieren sollen ... so verstanden ist die Treue die schönste und zarteste Blume unserer Liebe auf dieser Welt.

"In dieser Genauigkeit, die der Liebe entsprießt", fügt er hinzu, "liegt etwas Angenehmes, Leichtes, Weites, Freies, Anmutiges und Freudiges." Er hat diesen Gegenstand mehr als einmal ("Christus unser Ideal") ausführlich in seinen andern Werken behandelt, so dass es nicht notwendig erscheint, hier nochmals darauf zurückzukommen. Diese Treue soll auch nicht zur Skrupulosität führen:

"Eine allzu große Ängstlichkeit", sagt er, "bringt nur überall Schwierigkeiten hervor, wo gar keine sind" (5. Dezember 1894).

Der heilige Bischof von Genf, Franz von Sales, schrieb an Frau de la Flechère: "Ich möchte gern mit einem guten Hammer die Spitze Ihres Geistes stumpf schlagen, da er zu spitzfindig ist in Bezug auf Ihren Fortschritt. Schon so oft habe ich Ihnen gesagt, dass man einfach und schlicht fromm sein soll und, wie man sagt, ein wenig großzügig zu Werke gehen soll. Wenn Sie gut handeln, dann loben Sie Gott dafür, wenn schlecht, so verdemütigen Sie sich. Ich weiß doch sehr wohl, dass Sie nicht mutwillig das Böse tun wollen; was sonst vorkommt, verhilft Ihnen zur Demut. Seien Sie also nicht mehr so ängstlich; Ihr armes Gewissen soll ein Ruhekissen sein und nicht ein Nadelkissen, in das Sie immer hineinstechen; denn nach all Ihren peinlichen Untersuchungen bleibt Ihnen doch nichts anderes übrig, wie Sie gar wohl wissen, als den um seine Liebe angehen, der so gerne die Ihrige haben möchte" (12. September 1613. Oeuvres, Edition d' Annecy, XVI.).

Dom Marmion spricht nicht anders. Einer Ordensfrau gegenüber, die sonst guten Willen hat, die sich aber damit abquält, die Beweggründe ihrer Handlungen endlos zu untersuchen, führt er eine feste, doch Vertrauen weckende Sprache: Die Seele muss sich von allem unnötigen Ballast frei machen, der ihren Aufstieg hindert. Der Brief datiert vom 21. Dezember 1922, einen Monat vor seinem Tod:

"Das ist die große Gnade des Weihnachtsfestes, die Sie von all Ihren Armseligkeiten befreien wird, "diese neue Geburt wird Sie frei machen von der Dienstbarkeit des alten Menschen" (vgl. Kirchengebet der dritten Weihnachtsmesse). Es ist die Gnade der Wiedergeburt mit Jesus zur Freiheit der Kinder Gottes. "Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht in's Himmelreich eingehen" (Mt 18, 3). Was Ihnen fehlt, ist eben diese geistige Kindheit. Ein Kind nimmt alles, was der Vater sagt, einfach und rundweg auf; Sie dagegen machen sich zur Gesetzeslehrerin. Sie sieben und destillieren alles, was man Ihnen sagt, Sie analysieren es und stürzen sich in tausend Einzelheiten. Gott ist zu einfach und rein, zu erhaben, als dass er sich zum Härchenspalter machte und sich mit diesen Unterscheidungen beschäftigte. Nehmen Sie die Weisungen, die man Ihnen gibt, im weitesten Sinn und natürlich auf, so wie sie gemeint sind und überlassen sie alles andere dem lieben Gott. Je mehr Sie Kind werden, desto mehr wird Licht und Freude Ihr Herz erfüllen; je mehr Sie sich zum Advokaten und Rechtsgelehrten machen, desto mehr werden Sie sich verwickeln in einen Wirrwarr von Einzelheiten und Kleinigkeiten. Ergründen Sie nicht zuviel die Beweggründe Ihrer Handlungen. Schauen Sie auf Gott, so wird er selbst Ihr Beweggrund sein. Mit einem Wort: seien Sie ein braves Kind, und Jesus wird gerne in Ihrem Herzen ruhen. Er liebt nicht die Blaustrümpfe!"

Die Vereinigung mit Gott kann nur da gedeihen und sich entfalten, wo Friede und Freude wohnt:

"Wie froh bin ich, Ihre Seele im Frieden zu wissen: "Suche den Frieden und jage ihm nach" (Ps 33, 15). Gott will, dass wir unser Möglichstes tun, um den inneren Frieden zu bewahren, damit er sich Unsern Seelen mitteilen kann: "Der Herr ist nicht im Beben" (1 Kön 19, 11).

Man soll nicht immer wieder auf das Vergangene zurückkommen, Gott will dies nicht, es sei denn ganz im allgemeinen, um sich vor ihm zu verdemütigen wie seine Sünderin und ihn um Verzeihung zu bitten:

Mein Gott, erbarme dich meiner, da ich eine arme Sünderin bin" (21. September 1920).

"Ein Wort nur", so schreibt er seiner Ordensschwester, "um Ihnen zu sagen, welch große Freude Ihr Brief mir bereitet hat. Ich sehne mich so danach, Sie dem lieben Heiland in einer stets wachsenden Freude ergeben zu wissen. Je mehr Sie mit Jesus verbunden sind, desto mehr werden Sie ein Kind Gottes sein - denn er ist der Sohn Gottes seinem Wesen nach. Das Merkmal aber eines Kindes des Himmlischen Vaters ist: "Die heilige Freiheit der Kinder Gottes." Ich sage Ihnen deshalb mit dem mir so lieben heiligen Paulus: "Werdet also Nachahmer Gottes als geliebte Kinder und wandelt in Liebe" (Eph 5, 2). Verachten Sie die Angstgefühle, die der böse Feind in Ihre Seele streuen möchte, werfen Sie sich in solchen Stunden gleich dem heiligen Augustinus in die Arme des Himmlischen Vaters" (24. Dezember 1917).

Viele seiner Briefe sind voll solch beruhigender und befreiender Ratschläge echt "columbanischer" Art und Würze, wie sich einige seiner geistigen Kinder ausdrücken:

"Bleiben Sie Ihren Übungen treu, ohne ängstlich zu sein und verharren Sie im Frieden; verrichten Sie oft des Tags hindurch Akte der Unterwerfung, der Hingabe an den heiligen Willen Gottes und fürchten Sie nichts" (An ein junges Mädchen, Karfreitag 1895).

"Was Ihnen Not tut", so schreibt er desgleichen einer Ordensfrau, "ist eine große Treue, jedoch ohne Zwang und Skrupel, denn je mehr man Kind des Himmlischen Vaters ist, desto mehr erfreut man sich der heiligen Freiheit der Kinder Gottes" (1. Mai 1918).

Diese Freiheit des Herzens und der Seele muss sich selbst ausdehnen auf die Werke freier Wahl, sich erstrecken auf die Übungen, die man für den Augenblick nicht verrichten kann; es ist vor allem notwendig, den Frieden zu bewahren und den Geist der Hingabe an die göttliche Vorsehung.

"Es ist wohl gut, von Zeit zu Zeit aus Liebe sich kleine Abtötungen aufzuerlegen, aber es muss mit einer vollen Herzensfreiheit geschehen, ohne zu denken, dass man schlecht handelt, wenn man die eine oder andere bei Gelegenheit unterlässt. Der Teufel versucht manchmal unser Gewissen zu falschen, indem er uns glauben macht, dass wir schlecht handeln, wenn wir eine gerade sich bietende Abtötung unterlassen. Es ist gut, sie manchmal zu tun und manchmal wieder nicht, um so die innere Freiheit zu bewahren" (26. Mai 1914). "Ich lasse Ihnen den Geist der Freiheit", schrieb der hl. Franz von Sales an Frau von Chantal, "nicht den, der den Gehorsam ausschließt, denn dieser wäre der Geist des Fleisches, sondern den, der den Zwang, die Skrupeln oder das stürmische Wesen fern hält. Da Sie den Gehorsam und die Unterwerfung sehr lieben, so will ich, dass Sie es als durch den Gehorsam geboten ansehen, falls Sie dann und wann Ihre Übungen unterlassen müssen und dass Sie das Fehlende durch mehr Liebe ersetzen." 14. Oktober 1604.

"Wenn die Erfahrung Ihnen zeigt", so schreibt er trefflich der Priorin eines Karmelitinnenklosters, "dass Sie nicht fasten können, beugen Sie sich unter den göttlichen Willen, der das Opfer Ihrer Neigung und Ihres Willens mehr will, als die Opfer, die aus der Strenge und dem Bußgeist kommen" (20. Februar 1917).

Aufrichtig Denkende werden keinen Anstoß nehmen an dem Gedankengang Dom Marmions: die innere Freiheit, weit entfernt Nachlässigkeit, Untreue oder Mangel an Eifer zu sein, ist vielmehr das Ergebnis einer steten Treue der Liebe gegenüber; sie ist "ein Festhalten an Gottes Willen über die menschlichen Mittel der Heiligung hinaus." Sie mindert nicht die Treue, sondern verleiht ihr erst ihren wahren Sinn und hütet "das Vorrecht des Innern".

4. In Christus Jesus

Welch hohes Ideal: diese Vereinigung mit Gott, in vollkommener Gleichschaltung mit dem göttlichen Willen, in der Liebe, die alles hingibt; ganz übernatürliches Ideal, das Gott jedoch uns erreichbar gemacht hat durch seinen Sohn Jesus Christus. Mehr als einmal hat Dom Marmion in den vorhergehenden Seiten unsern Blick auf Christus gelenkt, das menschgewordene Wort: Vorbild jeder und aller Vollkommenheit, Quelle aller Gnaden, sicherer Weg, der zum Vater führt und die Seele in den Schoß Gottes leitet. Diese Lehre, für die er ein so inniges und praktisches Verständnis hatte, die der Leitgedanke seines ganzen Lebens war, die sein ganzes geistiges Aufbauwerk beseelte, musste naturgemäß in seinen Briefen immer wieder auftauchen. Das Leben Christi, von dem er ganz erfüllt ist, hat ihm manche schöne Seiten diktiert, in denen er gewiss, oft ohne es zu wissen, das Ergebnis seiner eigenen Erfahrungen niederschreibt.

In einige gedrängte Zeilen, die ein ganzes Lebensprogramm enthalten, fasst Dom Marmion das Allerwichtigste seiner diesbezüglichen Lehre zusammen:

"Kaum bin ich in der Lage meiner Freude Ausdruck zu geben beim Gedanken, was Gott der Vater Ihnen doch für Gnaden schenkt durch seinen Sohn Jesus; denn trotz Ihrer Armseligkeit führt er Sie durch seinen Geist in der Freude und der demütigen Abhängigkeit von Jesus auf dem besten aller Weg durch Jesus zum Vater. Bleiben wir innig vereint "Im Schoß des Vaters" (Joh 1, 18) durch Jesus Christus" (6. März 1914).

Einem Karmeliter, der ihn bat, "ihm in einigen wesentlichen Zügen den Inhalt seiner Lehre über Jesus Christus und das geistige Leben zusammenzufassen" gibt er folgende gediegene und inhaltsreiche Synthese:

"Ich freue mich, dass der Heilige Geist Sie verstehen lässt, dass wir alles in Jesus Christus haben; denn diese Erkenntnis ist das Senfkörnlein, von dem der liebe Heiland spricht, das zuerst ganz klein ist, gepflegt jedoch, zum großen Baume wird" (vgl. Mt 13,31-32).

Hier in zwei Worten, was ich zu lehren pflege:

Jesus Christus ist die unendliche Heiligkeit: "Denn du allein bist der Heilige, Jesus Christus" (Gloria der Heiligen Messe).

Aber er ist nicht nur heilig in sich selbst, er ist uns geschenkt worden, dass er auch unsere Heiligkeit sei: "Jesus Christus, der uns von Gott Weisheit und Gerechtigkeit und Heiligung und Erlösung ward" (1 Kor 1, 30).

Er ist unsere Heiligkeit:

1. Als vollkommenes Vorbild: "Denn die er vorhersah, bestimmte er auch vorher, dem Bild seines Sohnes gleichförmig zu werden" (Röm 8, 29). Gott findet in ihm sein ganzes Wohlgefallen: "Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich mein Wohlgefallen habe" (Mt 17, 5). Er findet es auch an uns je nach dem Grad unserer Gleichförmigkeit mit Jesus.

2. Als Mittel unserer Vereinigung mit Gott: In Jesus ist die göttliche Natur mit der menschlichen vereinigt in der Einheit der Person, und wir sind vereint mit der Gottheit in dem Maße unserer Verbundenheit mit der hochheiligen Menschheit (Jesu): "Du Eckstein, der du beides fügst zu Einem" (Aus der Antiphon: O Rex Gentium ... 22. Dez. Dom Marmion wendet hier den Text im übertragenen Sinne an).

Diese Vereinigung mit Gott vollzieht sich durch die Heiligmachende Gnade, und diese wiederum ist das Werk der heiligen Dreifaltigkeit in uns.

3. Der Erguss oder die Mitteilung dieser Gnade hängt jedoch von Jesus Christus ab: a) er hat sie uns verdient; b) er ist es auch, der sie uns mitteilt durch seine hochheilige Menschheit; c) diese Gnade bezweckt, in uns die Züge und Gesinnungen Jesu Christi auszuprägen; d) je mehr wir uns auf ihn stützen, desto überfließender ist diese Gnade. In der Tat teilt sich diese Gnade, die in der heiligen Menschheit Christi ohne Maß ausgegossen wurde, seinen Gliedern mit in dem Maße, als sie mit ihm durch den Glauben und die Liebe geeinigt sind: "Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben" (Joh 15, 5).

Alle Gnaden, die wir empfangen, bezwecken, uns durch die Gnade (der Gotteskindschaft) zu dem zu machen, was Jesus von Natur aus ist: zu Kindern Gottes. Darum wurde auch uns derselbe Heilige Geist gegeben, der in Jesus das Prinzip seines ganzen irdischen Lebens war: "Weil ihr aber Söhne seid, sandte Gott den Geist seines Sohnes in eure Herzen, der ruft: Abba, Vater" (Gal 4, 6). Es ist der Heilige Geist, der in uns das Bild Christi vollendet, und der uns mit seinem Leben erfüllt: "Der Geist aber macht lebendig" (2 Kor 3, 6).

Das ist also in wenigen Worten alles, was ich weiß" (18. Juli 1907).

Was er nicht weniger beredt darzustellen versteht, ist die Haltung der Seele vor dem hochheiligen Geheimnis des menschgewordenen Gottessohnes:

"Ich habe viel für Sie gebetet, denn unser Herr gibt mir immer das Verlangen nach Ihrer Vollkommenheit ein. Es scheint mir, dass die Verehrung Jesu in seiner Gottheit und Menschheit die Synthese Ihrer Vollkommenheit ist. In der Verehrung seiner Gottheit finden Sie: Anbetung, Selbstvernichtung, Vertrauen ohne Grenzen in seine Allmacht, Güte und Treue; in der Verehrung seiner Menschheit: Alles wonach das menschliche Herz sich sehnt: Liebe, Wohlwollen, Zuneigung, denn er ist ebenso gut Mensch (Menschensohn) als Gott. Und wie seine menschliche Natur wirklich verschieden ist von seiner göttlichen und doch, ohne sich zu vermischen, in der Einheit der Person besteht, so ist auch seine menschliche Liebe wahrhaft verschieden von seiner göttlichen Liebe, aber in voller Übereinstimmung mit ihr, da sie ja der Ausdruck seiner göttlichen Liebe in menschlicher Form ist. Die Menschheit Jesu Christi ist die Pforte, durch die wir in das Heiligtum seiner Gottheit Zugang haben: "Ich bin die Türe" (zu den Schafen - Joh 10, 7), das ist jenes unendlichen und unfassbaren ewigen Wortes Übertragung in menschliche und verständliche Worte: "Der eingeborne Sohn, der im Schoß des Vaters ist, der tat es kund" (Joh 1, 18). Die Liebe einigt das alles in und zu einem einzigen Akt. Darum ist das Schlusswort immer: "Liebt Jesus Christus."

Sie sagen mir sicher, teure Tochter, wie die Schüler des hl. Johannes: "Warum wiederholen Sie mir immer dasselbe?" Weil ich eben nichts anderes weiß als nur das, und dieses alles in sich schließt: "Ich entschied mich, nichts unter euch zu wissen, als Jesus Christus und diesen als den Gekreuzigten" (1 Kor 2, 2).

Obgleich ich Sie mehr als je schätze und liebe, empfinde ich darum auch kein Bedürfnis mehr, Ihnen noch viel zu schreiben. Ich fühle, dass ich ein wenig dem lieben Heiland geholfen habe, dem großen Grundsatz, dass Jesus alles ist, Eingang zu verschaffen in Ihr Herz und ihn darin zu befestigen, und ich sehe, dass nun meine Aufgabe darin besteht, diesen göttlichen Samen durch meine Gebete zum Keimen zu bringen, und dies tue ich auch mehr als je und, wie mir scheint, mit mehr Eifer und Liebe als zuvor.

Dass doch Jesus Sie segne, meine Tochter, und aus Ihnen jene Heilige mache, die mir in meinen Gebeten stets vorschwebt" (9. April 1903).

So lässt sich also das ganze innerliche Leben auf die Gottverbundenheit mit Christus Jesus zurückführen:

"Ich danke dem lieben Heiland von ganzem Herzen, dass er Sie so innig und fest mit seinem heiligsten Herzen vereint hat und Ihnen immer mehr zu verstehen gibt, wie notwendig es für Sie ist, ganz nahe bei ihm zu leben. In der Tat, meine Tochter, das innerliche Leben wird sehr einfach vom Augenblick an, in dem man einsieht, dass es darin besteht, sich ganz in Jesus Christus zu verlieren, um nur noch ein Herz, eine Seele mit ihm zu sein, nur noch einen Willen mit ihm zu haben. Wenn dieser Schritt einmal getan und festgehalten wird, "versenkt man sich immer mehr in diesen so heiligen Willen", wie es trefflich die heilige Franziska von Chantal sagt, ja man tut nichts mehr außer in ihm" (17. Mai 1903).

* * *

Sich in Jesus verlieren, ihm einverleibt, ihm gleichgestaltet, mit ihm vereint zu sein: das ist der Lehrinhalt, den Dom Marmion, dem heiligen Johannes und dem heiligen Paulus folgend, nicht aufhört zu verkünden. Er begnügt sich nicht damit, Christus als Vorbild aller Tugenden hinzustellen, das wir nachahmen müssen, sondern er betont besonders - und dies ist wieder ein Merkmal seiner Lehre - die heiligende Macht der Menschheit Christi. Er hat mit besonderer Vorliebe, die aus seinem Glaubensgeist"Sie befinden sich auf gutem Weg - schreibt er einer Ordensfrau - denn Sie wandeln auf dem Weg. Je mehr wir Vertrauen setzen in die Kraft, mit der die heilige Menschheit Jesu uns bis in den Schoß des Vaters, führen kann, desto größer ist unser Glaube an Jesus Christus, desto mehr verherrlicht er Gott." entspross, erklärt, wie Christus die Heiligung einer Seele bewirkt, die sich ganz seinem Geist überlässt:

"Betreffs Ihres geistlichen Lebens möchte ich eine Wahrheit gerne tief in Ihrer Seele niederschreiben: Alle unsere Anstrengungen haben nur soweit Erfolg, als Jesus in uns wirkt und uns hilft: "Ich bin der Weinstock, ihr die Reben. Wie der Rebzweig aus sich selbst keine Frucht tragen kann, wenn er nicht am Weinstock bleibt, so auch ihr nicht, wenn ihr nicht in mir bleibt. Denn ohne mich könnt ihr nichts tun" (Joh 15, 4-5). Der hl. Paulus sagt, dass in der Tat Jesus Christus uns von Gott gegeben und geschenkt wurde, auf dass er ,uns Weisheit und Gerechtigkeit und Heiligung und Erlösung' (1 Kor 1, 30) werde. Sie haben noch zu viel Vertrauen auf Ihre eigene Tätigkeit und die Folge ist, dass Sie sich nicht genug auf ihn stützen und sich nicht genügend seiner Führung überlassen" (14. März 1902).

Letztere Bemerkung ist wohl zu überlegen: Wenn die Wirkung Christi in unserer Seele nachhaltig sein soll, muss man die Hindernisse beseitigen, die sich dem freien Schalten seiner Gnade entgegenstellen:

"Die heilige Menschheit Jesu besaß keine eigene Persönlichkeit, (in uns ist gerade diese menschliche Persönlichkeit der Gegenstand unserer Eigenliebe und aller ihrer Folgen wie: Empfindlichkeit, Reizbarkeit usw. Wir müssen dieselbe dem göttlichen Bräutigam, dem Ewigen Wort zum Opfer bringen, dann sind alle menschlichen Hindernisse beseitigt). Und so war diese heilige Menschheit dem göttlichen Bräutigam, dem "Worte" ergeben, Ohne dass irgendein Hindernis sich dazwischen stellte. Das möge Ihnen zum Vorbild dienen. Wenn Sie jede Erstgeburt des eigenen Willens am Felsen - der Christus ist - zerschmettern könnten, wäre Ihre Vereinigung mit ihm vollkommen".Dom Marmion meint hier nicht die Persönlichkeit im rein psychologischen Sinne, wie es oft die modernen Philosophen machen. Christus hatte in der Tat sein menschliches Selbstbewusstsein und seinen vollen menschlichen Willen, aber seine Gottheit und seine Menschheit waren die zwei Naturen ein und desselben Wesens, ein und derselben Person. Von dieser geheimnisvollen Einheit und der ewigen Anschauung Gottes, die diese Vereinigung für die Seele Christi zur Folge hatte, rührte die absolute Unmöglichkeit eines Zwiespaltes zwischen diesen beiden Willen her, dem göttlichen und dem menschlichen. Die moralische Harmonie seiner Seele hatte also ihren Ursprung und ihre Wurzel in der Abwesenheit der menschlichen Persönlichkeit (im ontologischen und gewissermaßen selbst bis zu einem gewissen Punkte im psychologischen Sinne).
Was in Christus ontologische Notwendigkeit war, kann beim Menschen erworben werden durch moralisches Streben: Die stete Gleichschaltung und Gleichförmigkeit mit dem Willen Gottes wird sich dann mit Recht (obgleich nur analog) tugendhaftes Verlassen der "eigenen Persönlichkeit" nennen, Persönlichkeit in der schlimmeren aber leider sehr reellen Auffassung dieses Wortes. Darunter ist dann alles zu verstehen, was ungeordnet ist im Bezug auf die Anhänglichkeiten des eigenen Ich, oder die eigene Selbständigkeit: Dienst am Ich, am eigenen Willen, Sucht nach Selbsterhebung außerhalb Gottes. Das ist der Sinn der hier und im folgenden gegebenen Auszüge. Unter der Feder Dom Marmions bezieht sich das Wort "Persönlichkeit" mehr auf die Tätigkeit des Geschöpfes (Kenntnisse, Liebe, Werke); denn im Bezug auf unser Wesen behalten wir unsere Persönlichkeit. Dieser Unterschied kehrt bei ihm oft wieder. Siehe: "Christus, das Leben der Seele." Konferenz: Christus das Vorbild der Vollkommenheit; "Christus in seinen Geheimnissen." Konferenz: Und das Wort ist Fleisch geworden; "Christus, unser Ideal." Kap. 10. "Columba Marmion: Sponsa Christi"; "Un maitre de Ja vie spirituelle."

"Wenn Sie", so schreibt er einer anderen Person, "sich ganz dem Einfluss und dem göttlichen Wirken der heiligen Menschheit Jesu Christi überlassen, wird er Sie mit sich fortreißen in die göttliche Strömung, die wie ein reißender Wildbach in den Schoß des "Ewigen Wortes" flutet. Dort wird Ihre kleine Persönlichkeit sich verlieren und untergehen in einer tiefen Anbetung und einer vollkommenen Liebe; und alles, was von dieser Persönlichkeit kommt (Eigenliebe, Empfindlichkeit, Niedergeschlagenheit usw.) wird vernichtet werden" (21. September 1910).

Tiefer Gedankengang, den Dom Marmion nach seiner ihm eigenen Art weiter entwickelt in einem Brief an eine Ordensfrau:

"Vor Beginn einer Handlung darf man nicht der Neigung der Natur dazu freien Lauf lassen, sondern muss sich zuerst mit unserm Herrn vereinigen. Infolgedessen werfen Sie sich vor deren Verrichtung auf die Knie zu Füßen des Heilandes und sagen Sie ihm: "Mein bester Jesus, ich lasse hier meine Arbeitslust und meinen Tatendrang, ich will jetzt einzig und allein für dich handeln, und ich vereinige mich mit dir." Und wenn Sie während der Verrichtung merken, dass Sie sich doch von der Natur hinreißen lassen, wenden Sie sich wieder zurück zum Heiland. Es darf also nicht A ... (Name Der Ordensfrau) handeln, denn daraus würde nichts Gutes entsprießen, sondern Jesus durch A ... , dann wird alles gut ausfallen.

Es gibt Seelen, die viel Eifer haben und eine große Tätigkeit entwickeln; sie verrichten viele Gebete, geben sich zahlreichen Abtötungen hin, vollbringen manche Werke; sie kommen auch voran, doch wie ein Hinkender, weil ihre Tätigkeit sich zum Teil auf den Menschen stützt. Wiederum gibt es Seelen, deren Leitung Gott selbst in die Hand genommen, und die rasch vorwärts kommen, weil er in ihnen wirkt und handelt. Doch bevor man zu dieser zweiten Stufe emporsteigt, muss man viel leiden, denn Gott muss die Seele erst fühlen lassen, dass sie allein nichts ist und nichts vermag; sie muss zuerst so weit kommen, dass sie mit voller Überzeugung und Aufrichtigkeit sagt: "Wie ein Lasttier bin ich vor dir geworden: Ich war zu Nichts geworden und wusste es nicht" (Ps 73, 23.22).

Teure Tochter! Der liebe Gott ist im Begriff, dies in Ihnen zu verwirklichen und Sie werden viel zu leiden haben, bis das Ziel erreicht ist; doch erschrecken Sie nicht, wenn auch alles in Ihnen kocht, und verlieren Sie nicht den Mut, wenn Sie daraufhin Ihrer ganzen Unzulänglichkeit gewahr werden; denn Gott wird, nachdem er Ihre ganze menschliche Regsamkeit, samt Ihrer natürlichen Energie, vernichtet haben wird, selbst Ihre Seele in die Hand nehmen, und sie zur Vereinigung mit sich führen. Wenn Sie den heiligen Kreuzweg gehen, vereinigen Sie sich mit den Gesinnungen des göttlichen Erlösers; es kann dem Himmlischen Vater nur Freude machen, wenn wir ihm das Bild seines Sohnes vor Augen führen. Bei der 14. Station sehen Sie den Leib des Herrn erniedrigt, aber nach drei Tagen geht er aus dem Grab hervor voll Leben, ja voll eines herrlichen verklärten Lebens. So wird es auch einst mit uns sein. Wenn wir Gott in uns handeln lassen, werden wir, nachdem er alles Menschliche und Natürliche in uns zerstört haben wird, ebenfalls mit seinem Leben erfüllt werden; dann wird das Wort wahr werden: "Christus ist mein Leben" (Phil 1, 21).

Soweit müssen Sie gelangen; der himmlische Vater will nur noch seinen Sohn in Ihnen sehen. Gedenken Sie der Worte des hl. Paulus: "Ich wünsche - in ihm erfunden zu werden" (nicht in meiner Gerechtigkeit) (Phil 3, 9), dies ist Ihr Weg, teure Tochter. Ihre Persönlichkeit kommt noch zu stark zum Vorschein; halten Sie der Seele das Ideal vor Augen, das wir in Christus finden: in ihm ging alles vom "Wort" aus, ohne menschliche Persönlichkeit, die es in ihm nicht gab. Ich empfehle Ihnen, jeden Morgen alle Ihre Fähigkeiten zu den Füßen Christi niederzulegen, damit alles von ihm ausgehe und Sie nur noch aus Liebe zu ihm handeln" (Ohne Datum).

"Das einzig Wichtige für Sie ist", so drückt er sich in einem anderen Briefe aus, "dass Sie den Reichtum und die Schätze begreifen, die Ihnen in Jesus Christus zu Verfügung stehen. Er ist Ihr Bräutigam, folglich gehören Ihnen alle seine Schätze. Aber Sie müssen sie auch auswerten. Dazu ist Ihnen zweierlei notwendig: Vertrauensvolle Hingabe und gleiche Gesinnung mit dem lieben Heiland. Diese Verbundenheit hängt mehr von ihm ab, als von Ihnen. Er hat gesagt: "Mein Vater lässt mich nicht allein, denn ich tue allezeit, was ihm wohlgefällt" (Joh 8, 29). Denken Sie ein wenig über diese Worte nach. Schauen Sie auf Gott in allem, was Sie tun, und verrichten Sie alles aus Liebe: Gebet, Arbeit, Unterricht, Erholung usw. Dann wird Jesus zu Ihnen kommen: "Wenn einer mich liebt, wird er mein Wort halten und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm nehmen" (Joh 14, 23).

Diese Vereinigung und Verbundenheit mit Christus ist wohl vereinbar mit unseren Beschäftigungen. Je mehr ich Seelen kennen lerne, desto mehr komme ich zur Überzeugung, dass äußere Umstände dieser Vereinigung nicht schaden können" (1907 ohne weiteres Datum).

Die Seele möge sich also ohne Besorgnis dieser höchst wirksamen Tätigkeit der heiligen Menschheit Jesu Christi hingeben; ist Christus nicht die unfehlbare Weisheit und die ewige Liebe?:

"Möge Jesus der einzige Lehrmeister Ihres Innenlebens sein, dann wird er Sie alle Geheimnisse seiner Liebe lehren. Er sprach: "Niemand kennt den Vater, als der Sohn und der, dem es der Sohn offenbaren will (Mt 11, 27). Bedenken Sie das wohl, denn der himmlische Vater ist das höchste Ziel des innerlichen Lebens" (Einer Ordensfrau, Dezember 1913).

"Suchen wir Christus in allem: "Er muss wachsen, wir müssen verschwinden" (vgl. Joh 3, 30). Leben wir für den Vater, in Jesus, mit ihm und durch ihn; mögen alle Regungen unseres Herzens stets zu ihm aufsteigen" (21. Oktober 1908).

Seine Weihnachtsgrüße drückt er einmal folgendermaßen aus: "Das kleine liebe Jesuskind, das in Ihrem Herzen ruht, schaut ständig das Angesicht seines Vaters: Er ging in den Himmel, "um jetzt vor dem Angesicht Gottes für uns zu erscheinen" (Hebr 9, 24).

Es sieht in der ewigen Liebe seines Vaters den Platz, den Sie dort innehaben, die Absichten Gottes über Sie, Absichten, die so bis ins Kleinste gehen, dass "nicht ein Haar von Ihrem Haupt fällt ohne seine Erlaubnis" (Lk 12, 7). Geben Sie sich Jesus, der Ewigen Weisheit hin, damit dieselbe Sie leiten und zur Erfüllung dieses Ideals führen kann" (30. Dezember 1902).

* * *

Das Wirken Christi in der Seele ist hauptsächlich in der eucharistischen Vereinigung von besonderem Erfolg gekrönt:

"Wenn Sie sich jeden Morgen in der heiligen Kommunion ganz und ohne jeden Vorbehalt Jesu hingeben, wird er Ihr Lehrer und Meister im geistigen Leben sein ... Er allein weiß, was jedem not tut, und wenn Sie sich ganz ihm zur Verfügung stellen, wird er das Übrige tun. Wie Gott selbst einfach ist, so ist auch das geistige Leben sehr einfach, sobald Jesus das einzige Leben unserer Seele ist. Legen Sie jeden Tag bei der 14. Station Ihr Leben mit Jesus in das Grab, indem Sie Ihre Taufgelübde erneuern, machen Sie darauf das Leben des auferstandenen Heilandes zum Mittelpunkt Ihres eigenen Lebens, und alles wird gut gehen." 5. Dezember 1919. Siehe die Ausführung dieses tiefen Gedankens in: "Christus, das Leben der Seele": Kap. Die Taufe und in: "Christus in seinen Geheimnissen": Si consurrexistis cum christo.

"Ich freue mich", schreibt er einem seiner Mönche, "dass alles so gut vorangeht. Dieses Sehnen nach Gott zeigt, dass sein Geist in Ihrem Herzen ist. Suchen Sie inmitten der Vielheit Ihrer Beschäftigungen die Einheit durch eine große Reinheit der Gesinnung zu verwirklichen. Wir sind "Glieder Christi" (vgl. Eph 5, 30), und folglich haben wir ein Recht auf alles, was er in unserm Namen tut. Wie wohl tut es, die Augen der Seele zu schließen, seine Füße zu umfangen und ihn in unserm Namen beten und lieben zu lassen" (18. Januar 1901).

Dieses Thema ist für Dom Marmion unerschöpflich; die Wahl tut weh, wenn man aus diesem Reichtum schöpfen soll.

"In der heiligen Kommunion schenkt sich uns der liebe Heiland jeden Tag ganz und gar; er nimmt uns auf und übergibt uns dem "Göttlichen Wort". Wenn unser ganzes Tagwerk eine Fortsetzung der heiligen Kommunion wäre, würde Christus uns nach und nach umgestalten und zu einer hohen Heiligkeit erheben. Was uns gebricht, tut Jesus für uns. In dieser Welt ist ja auch der Bräutigam die Stärke der Braut und Gattin, die von Natur aus schwächer ist, und je ohnmächtiger sie ist, desto mehr handelt er an ihrer Stelle. Auch Sie sind durch die Ordensprofess Braut Christi. Je schwächer, ärmer, unfähiger Sie sind, desto mehr macht sich Christus zu Ihrer Kraft und ersetzt, was Ihnen abgeht. Wenn Sie im Gebet sich nicht ausdrücken können, wie Sie gern möchten, wird Jesus Ihre Gebete verrichten.

Wenn man mich fragen würde, worin eigentlich das innerliche Leben besteht, so würde ich sagen: das ist sehr einfach, man kann es in ein Wort zusammenfassen: Christus. Im Brief an die Galater (6, 16) fasst auch der hl. Paulus, nachdem er gesagt, was Christus alles für uns ist, - seinen Gedankengang in das schöne Wort zusammen: "Und allen, die dieser Richtschnur folgen werden, Friede und Barmherzigkeit über sie." Er hat recht: Alle die Christus suchen, haben den Frieden und erlangen Barmherzigkeit" (Ohne Datum).

"Gott hat alle Schätze der Weisheit und Wissenschaft über die hochheilige Menschheit Jesu Christi ausgegossen (vgl. Kol 2, 3) wegen seiner hypostatischen Vereinigung mit dem Ewigen Wort; und das Maß der Gnaden, die er uns schenkt, hängt ab vom Grad unserer Verbundenheit mit eben diesem Ewigen Wort. Diese Vereinigung mit dem "Wort" vollzieht sich durch die Kraft und Gnade der heiligen Menschheit Christi und dies hauptsächlich in der heiligen Kommunion. Was wir zu tun haben, ist: uns ständig durch die heilige Menschheit Jesu in einem Zustand der Anbetung zu halten, in einem Zustand der Unterwerfung dem "Wort" gegenüber, das in uns wohnt. Unser Leben muss ein Amen sein, ein ständiges Echo auf alle Wünsche und Absichten des Ewigen Wortes in uns. Ist die Seele einmal hier gelandet, überfüllt sie Gott mit seinen besten Gaben" (19. November 1910).

"Leihen Sie dem Ewigen Wort Ihre Stimme", so schreibt er bei einer anderen Gelegenheit, "damit es sich ihrer, wie seines eigenen Organs bediene, um damit den Vater zu loben" (1906).

Aus Liebe war die Menschheit Christi ganz dem Verbum ergeben; auch die Seele muss an diesem göttlichen Glutofen ihre Liebe entzünden, die die Grundlage ihrer Vereinigung mit Gott ist:

"Ich wünsche, meine Tochter, dass Sie sich mit Nachdruck und aller Aufmerksamkeit bestreben, einzig und allein aus Liebe zu Gott zu handeln in allem, was Sie tun. Jede aus reiner Liebe zu Gott verrichtete Handlung ist ein reiner Akt der Liebe zu ihm und je mehr Sie dieser Akt gekostet hat, desto größer und verdienstreicher war die Liebe. So hat auch am Kreuz unser Heiland die größte Liebe bekundet. Was nichts kostet, ist auch nichts wert. Dom Marmion spricht hier von der Schwierigkeit, die mit der Ausführung des Werkes verbunden ist. Diese Schwierigkeit verbindet sich mit der Güte des Werkes und ist somit eine Quelle größeren Verdienstes; sie bekundet in der Tat eine größere aktuelle Liebe, falls man sie überwindet. Die Schwierigkeit, die aus den ungünstigen subjektiven Anlagen des Handelnden herrührt, weit entfernt eine Quelle des Verdienstes zu sein, ist nur zu oft ein Zeichen geringer Liebe.

Aber wo diese reine Liebe finden? Wir haben sie weder durch uns, noch in uns. Sie werden sie finden im Heiligsten [[Herzen Jesu]], das ein Glutofen der Liebe ist, und da Sie dieses heilige Herz so oft in der heiligen Kommunion empfangen, brauchen Sie nur Ihr Herz in dieses göttliche Herz zu legen, um mit seiner Liebe zu lieben. O ja, teure Tochter, das Heiligste Herz Jesu ist ein unendlicher Schatz von Liebe, und dieses Herz gehört uns, es wohnt ständig in uns. "Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, bleibt in mir und ich bleibe in ihm" (Joh 6, 56).

Vereinigen Sie sich also oft mit dem heiligsten Herzen, und lieben Sie Gott mit ihm und durch es.

Hierin liegt ein großes Geheimnis. Hören wir die Worte des heiligen Ambrosius: "Der Mund Christi am Kreuz ist unser Mund geworden, durch ihn rufen und beten wir zum Vater, dass er seinen Zorn besänftige; sein durchbohrtes Herz wurde unser Herz, durch das wir den Vater lieben."Ja,zu diesem Zweck ist Jesus in diese Welt gekommen: "Ich bin gekommen Feuer auf die Erde zu senden, und was will ich, als dass es brenne?" (Lk 21, 49.-21. November 1900).

* * *

Dom Marmion entfacht dieses Feuer durch das "Programm der Liebe" und der Vereinigung, das er einer nach Vollkommenheit dürstenden Seele aufzeichnet. Dieses Programm ist eine kurze aber tiefe Auslegung des großen Gebotes der Liebe: "Du sollst den Herrn deinen Gott lieben aus deinem ganzen Herzen ... " Er zeigt zuerst die vollkommene Erfüllung dieses Gebotes durch Jesus, "einziges Vorbild" und "Mittelpunkt der Liebe."

"Beim Aufstehen sprechen Sie im Verein mit dem Herzen Jesu, dessen erste Regung ein begeisterter Liebesakt war, mit dem er sich ohne jeden Vorbehalt seinem Vater aufopferte: "Sieh mich hier, mein Gott, um deinen Willen zu erfüllen" (Hebr 10, 9).

Bei Beginn der Tagesarbeit vereinigen Sie beim Eintritt in die Kapelle Ihr Herz recht innig mit dem Herzen Jesu. Dieses Herz war ein Brennofen der Liebe, denn Jesus liebte seinen Vater aus ganzem Herzen.

Diese Liebe Ihres Herzens muss sich entfalten zu einer Liebe aus ganzer Seele, indem Sie Ihre Seele und all ihre Kräfte gebrauchen zur Betrachtung, Beschauung und zum göttlichen Lob.

Während des Tages soll diese Liebe aufblühen in der vom Gehorsam gebotenen, aus allen Kräften geleisteten Arbeit. Auch Jesus arbeitete aus Liebe zu seinem Vater aus allen Kräften.

Auch soll im Lauf des Tages Ihre Liebe Sie dazu treiben, Ihren Geist mit dem Gedanken an Gott zu beschäftigen, mit dem Studium seiner Vollkommenheiten, mit allem, was sich auf seinen Dienst bezieht. Das heißt Gott mit seinem ganzen Geist lieben. Der Geist Jesu Christi war beständig vertieft in die Anschauung seines Vaters.

Tagsüber beobachten Sie dann noch gut die Weisungen, die Ihnen die Ordensregel für die verschiedenen Handlungen gibt.

Kehren Sie oft zu diesem Heiligsten Herzen zurück durch die geistige Kommunion. Unser ganzes Leben sollte eigentlich eine ständige süße Unterhaltung mit Jesus, dem Bräutigam unserer Seelen sein" (28. März 1904).

Diese ganze, herrliche Lehre lässt sich in folgenden Gedanken fassen:

"Tun Sie alle Ihre Handlungen so viel als möglich aus reiner Liebe zu Gott und im Verein mit den so vollkommenen Gesinnungen des heiligsten Herzens Jesu" (4. Oktober 1900).

Den gleichen Lehrsatz drückt er noch tiefer in folgendem Wort aus:

"Was uns betrifft, schauen wir immer mit Jesu Augen auf das Angesicht (= das Wohlgefallen) des Vaters: "Sucht sein Angesicht allezeit" (P 105, 4 - Ohne Datum),

5. Programm und Richtlinien

Mehr als einmal wandten sich nach Vollkommenheit dürstende Seelen an Dom Marmlon mit der Bitte um ein Programm für das geistige Leben. Wir sind im Lauf dieser Ausführungen schon einigen solcher Synthesen begegnet, in denen Dom Marmion in kurzen und bündigen Sätzen, gemäß der ihm eigenen Fähigkeit, das Wesen der Lehre über die Gottverbundenheit festlegte, während er sie zu gleicher Zeit den jeweiligen Bedürfnissen der Bittenden anpasste.

Wir lassen hier noch einige in chronologischer Ordnung folgen, die den Lesern Freude machen werden. Wenn auch darin manches rein Persönliche enthalten ist im Bezug auf die Seelen, an die sie gerichtet sind, so findet man doch darin die Grund- und Leitgedanken der früheren Kapitel wieder, und so bilden sie eigentlich die natürliche Ergänzung unseres Werkes.

Bei seiner Abreise nach Touvain im April 1899 wurde Dom Marrnion von einem seiner Mitbrüder gebeten, ihm doch "einige allgemeine Richtlinien und Hauptgrundsätze des geistigen Lebens" zu hinterlassen. Er willfahrt der Bitte mit folgenden gediegenen Zeilen:

1. "Das Wesen, die Substanz eines jeden wahrhaft ernst gemeinten religiösen und frommen Lebens ist die treue Erfüllung des erkannten Willens Gottes. Dieser göttliche Wille offenbart sich a) in den Geboten, b) in den Evangelischen Räten, c) für uns noch in der Regel und durch die Befehle und Anordnungen unserer Vorgesetzten. Alles andere ist nebensächlich und nur in dem Maße wichtig, als es uns hilft, das Wesentliche zu erfüllen.

2. Die Treue, mit der wir unsere religiösen Pflichten (Göttliches Offizium, geistige Lesung, Betrachtung) erfüllen, ist die Quelle, aus der wir die Kraft schöpfen, um diesen Willen erfüllen zu können. Daraus geht hervor, dass, obgleich diese Übungen nicht zum Wesen der Heiligkeit gehören, ihre Vernachlässigung sicher und unvermeidlich zur Übertretung der wesentlichen Pflichten und zum völligen Ruin alles geistigen Lebens führen wird.

3. Die echte Gottesliebe muss im Herzen dessen, der schwer gesündigt, die Form der Zerknirschung annehmen. Nicht jedoch so, dass die Zerknirschung die ausschließliche Liebesäußerung sein soll, wohl aber das Fundament und der Angelpunkt, zu denen man immer wieder zurückkommt: "Seine früheren Sünden unter Tränen und Seufzen täglich im Gebet Gott bekennen" (Heiliger Benedikt. Regel, Kap. 4, 58).

4. Wenn man viel gesündigt hat, soll man sich nicht wundern, wenn man jeden Genusses und jeder Wärme in der Frömmigkeit bar ist. Man muss eben büßen, und die verlorene Gnade wieder erkaufen durch eine lange und nachhaltige Treue.

5. Unter allen Übungen der Frömmigkeit ist die Vereinigung unseres Lebens und unserer Gesinnungen mit denjenigen Jesu Christi die fruchtbarste: "Denn diese Gesinnung habt in euch, die auch in Christus Jesus war" (Phil 2, 5). "Niemand kommt zum Vater außer durch mich" (Joh 14,7). "Ich bin der Weg" (Joh 14, 6). "Durch ihn und mit ihm und in ihm ist dir, Gott Vater, alle Ehre und Herrlichkeit" (Kanon der heiligen Messe).

Eine seiner geistigen Töchter brachte ihm einmal ein Bild mit der Bitte, auf dessen Rückseite eine "kurze Zusammenfassung des geistlichen Lebens" zu setzen. Rasch schreibt er folgende Zeilen:

1. Suchen Sie Gott allein und sein Wohlgefallen.

2. Suchen Sie Gott durch den einzigen Weg: Jesus Christus.

3. Schauen Sie mehr auf Gott, als auf sich selbst. Sehen Sie alles, selbst Ihre Fehler und Gebrechen in ihm. Seine Barmherzigkeit ist ein Meer, in dem sie alle untergehen werden.

4. Beten Sie viel für den, der Sie nie vor Gott vergisst (1915).

6. April 1916. An eine in der Welt lebende Person: "Sie bitten mich, teure Tochter, Ihnen einige Anweisungen für Ihre Lebensführung zu geben. Anbei, was ich in Gottes Gegenwart Ihnen schreibe:

1. Gott war sehr gut und lieb zu Ihnen, da er Ihnen durch sein Licht und seine Gnade zu verstehen gab, dass die wahre Frömmigkeit weniger darin besteht, viele Gebete herzusagen und viele geistige Übungen zu verrichten, als vielmehr Gottes heiligen Willen aufrichtig und ernst zu suchen. Dieses Ausrichten und Einstellen unseres ganzen Lebens und all unserer Tätigkeit auf das göttliche Wohlgefallen macht das Wesen des geistigen Lebens aus. Die Gebete, die Sakramente, die Übungen sind nur Mittel um uns zu stärken, uns zu kräftigen in diesem Suchen.

2. Doch will Gott, dass jeder, je nach Beruf und Umständen, ihm täglich den Tribut der Anbetung und seines Gebetes darbringt, und er verlangt darin große Treue: nicht viele Gebete, aber große Treue in deren Verrichtung. Wenn wir uns wieder sehen, werden wir noch miteinander darüber sprechen, was Sie am besten wählen. Nichts wird Ihnen mehr zum Vorteil sein, als dem heiligsten Messopfer beizuwohnen.

3. Eine Übung empfehle ich Ihnen besonders: die der Stoßgebetchen.

4. Ein wenig geistige Lesung wird Sie in Ihren Vorsätzen stärken.

5. Ihre Fehler rühren von einer gemeinsamen Quelle her: das Fehlen der inneren Abtötung hindert Sie daran, die Regungen Ihres Herzens, Ihrer Zunge, Ihrer ganzen Tätigkeit zu überwachen. Von feurigem Charakter, haben Sie nicht gelernt das Opfer Ihrer ersten Erregung zu bringen. Bemühen Sie sich, Jesus nach und nach so zum Meister und Herrn Ihres Inneren werden zu lassen, dass er Sie halten, führen und in seiner vollkommenen Unterwerfung unter seinen Vater mit sich vereinigen kann.

Sie lieben den Heiland sehr, auch er liebt Sie.

Aber Sie müssen sich noch mehr seinen Händen überlassen. Wenn Sie sich erst ganz seiner Führung unterstellt haben und seinen Einsprechungen gefügig geworden sind, werden Sie dieses Gleichgewicht, diese gleichmäßige Ruhe erlangen, die so notwendig ist, wenn man andere leiten und ihnen Gutes erweisen soll.

Bei unserer nächsten Zusammenkunft werde ich Ihnen das nun Geschriebene noch näher erklären. "

25. Mai 1919. - An eine Familienmutter:

"Ihr Brief hat mir deshalb so viel Freude bereitet, weil ich daraus ersehen konnte, dass Sie Gott mit aller Aufrichtigkeit suchen. Ich sage es Ihnen ganz ehrlich, dass ich der Überzeugung bin, dass Gott Sie sehr liebt und dass die kleinen Widerwärtigkeiten dieses Lebens jenen Teil des Kreuzes Christi ausmachen, das Sie mit ihm vereinigen soll. Gott verlangt nicht von einer verheirateten und in der Welt Lebenden Frau jene Abtötungen und Strengheit, die Klosterinsassen üben können; aber er schickt ihnen andere Prüfungen, die ihrem Stand angepasst sind, und die sie seiner ewigen Majestät so angenehm machen.

Unser Heiland verlangt von Ihnen:

1. Dass Sie jeden Tag die Mühen, Pflichten und Freuden so annehmen, wie Jesus alles auf sich nahm, was sein Vater ihm schickte. Als der hl. Petrus, in seiner großen Liebe zu Jesus, ihn von seinem bitteren Leiden abwendig machen wollte, antwortete der Herr: Soll ich den Kelch nicht trinken, den mir mein Vater reicht (Joh 18, 11) ? Dies ist die Antwort, meine Tochter, die auch Sie geben müssen, wenn Sie meinen, vom Leiden erdrückt zu werden.

2. Die treue Erfüllung Ihrer Standespflichten: a) gegen Gott. - Gebet, Heilige Messe, heilige Kommunion. Nicht allzu viel Gebete, aber große Treue in denen, die man Gott versprochen oder als Pflichtgebete aufgeopfert hat, besonders im Familiengebet.

b) gegen den Nächsten. In Bezug auf Ihren Gatten: Die eheliche Verbindung, sagt der hl. Paulus, ist ein Bild der Vereinigung Christi mit der Kirche (vgl. Eph 5, 23), und das Sakrament der Ehe lässt Sie ständig an dieser Vereinigung teilnehmen. Jesus hat so sehr seine Kirche geliebt, dass er in den Tod ging für sie (vgl. Eph 5, 25), und sie wiederum liebt ihn als ihren Gott und Bräutigam. So müssen auch Sie Ihren Gatten lieben als den Stellvertreter Christi.

Bezüglich Ihrer Kinder: Die Gnade der Mutterschaft ist ein Ausfluss aus dem Herzen Gottes, mit dem er das Herz der Mutter erfüllt, damit sie ihre Kinder liebt und lenkt nach dem göttlichen Wohlgefallen.

c) gegen die eigene Person : Sie haben augenblicklich keine anderen Abtötungen zu verrichten, als jene, die Gott Ihnen täglich schickt. Aber Sie müssen sie heiligen durch die Vereinigung mit den Leiden Jesu Christi.

Seien Sie froh und heiter, natürlich und aufrichtig, wie Sie es immer waren, und Gott wird Sie segnen."

7. Juni 1922. Einer Dame schreibt er:

"Ihr Weg ist der folgende:

1. Gehen Sie mit Jesus vereint und gestützt auf seine Liebe und Verdienste zum Vater mit einer ganz kindlichen Liebe. Diese Meinung und Absicht, in allem Gott zu gefallen, veredelt und vereinfacht unser Leben in seinem ganzen Umfang.

2. Seien Sie Gott ganz unterworfen bei allen Ereignissen; nehmen Sie auch alle Freuden, die unser himmlischer Vater Ihnen sendet, in kindlicher Fröhlichkeit an, ohne sich allzu sehr dem Ergötzen hinzugeben: "Sinnliches Ergötzen nicht suchen" (Regel 4, 12), sagt der hl. Benedikt.

3. Kommunizieren Sie untertags von Zeit zu Zeit geistiger Weise, und nehmen Sie dadurch immer wieder neuen Aufschwung zu Gott.

4. Fallen Sie in irgend einen Fehler oder eine Unterlassung, dann erschrecken Sie nicht darüber, sondern bitten Sie in aller Einfalt unsern Himmlischen Vater um Verzeihung; und dann: wieder voran! Bleiben Sie, was Sie sind, denn N. .. ist brav und gut, und Gott liebt N. .. , aber mit Jesus vereint.

5. Nehmen Sie die Unannehmlichkeiten, die in Ihrer Kur vorkommen, als Buße an."

III. Die Gottverbundenheit: Bedingungen ihrer Entwicklung und ihres Fortschrittes

1. Das Verlangen nach Vollkommenheit

Das Wesen der Gottverbundenheit besteht in einem treuen, großherzigen, liebeerfüllten Anklammern an den heiligen göttlichen Willen in Übereinstimmung mit den Gesinnungen Jesu Christi.

Wie alles Leben, so ist auch das Leben der Vereinigung mit Gott einem Gesetz des Wachstums unterworfen, dessen Bedingungen genau feststehen und denen sich die Seele willig unterwerfen muss. So wie sie sich ergeben aus den Briefen Dom Marmions, kann man sie auf zwei zurückführen: 1. Das Verlangen nach Vollkommenheit und 2. Die Losschälung und die Selbstverleugnung besonders durch die Übung der Geduld (Siehe darüber ausführlicher im Buch: "Christus, das Leben der Seele": Tod der Sünde; die Tugend der Buße).

Das Verlangen nach Vollkommenheit steht am Beginn des Weges. Die Losschälung aber beseitigt dann auf dem Weg selbst die Hindernisse, die sich dem Fortschritt der Seele entgegenstellen.

* * *

Um in den Seelen das Verlangen nach der Vollkommenheit zu entfachen, den ersten Eifer zu fördern, weiß Dom Marmion nichts Besseres, als ihnen die übernatürliche Erhabenheit des Lebens der Gottverbundenheit zu enthüllen; und die leidenschaftliche Liebe zu den Seelen, die ihn beherrschte, verleiht seinem Rufe etwas Hinreißendes: "Eine benediktinische Jungfrau", so schreibt er einer Ordensschwester, "ist nicht berufen, ihren Bräutigam auf den Straßen und öffentlichen Plätzen zu suchen gleich einer Barmherzigen Schwester, sondern im Brautgemach der Beschauung und der Zurückgezogenheit. Nicht im Verkehr mit den Menschen, selbst nicht mit den heiligsten, soll ihr Leben dahinfließen, sondern "ihr Verkehr soll mit den Engeln sein" (vgl. Phil 3, 20). Mein teures Kind. Sie wurden zum besten Teil berufen: "Das Los ist mir gefallen aufs Herrlichste" (Ps 16, 6). Unser Meister empfängt mehr Ehre von einer Seele, die ihm mit Vollkommenheit dient, als von tausend andern, deren Innenleben im Durchschnitt bleibt."

Um dieser Erwägung mehr Kraft zu geben, stützt sich seine Demut auf die Autorität zweier Meister, deren Lehre von allen anerkannt wird:

"Der Ehrwürdige Ludwig Blosius sagt uns, dass jene, die unmittelbar mit Gott vereint sind und ihn frei in sich schalten lassen, dem lieben Heiland sehr teuer sind und der Kirche in einer knappen Stunde nützlicher, als andere, weniger begnadigte, in vielen Jahren. Wenn die Seele zur vollkommenen Vereinigung gelangt ist, schreibt der hl. Johannes vom Kreuz, so hat die kleinste Regung reiner Liebe größeren Wert in den Augen Gottes und ist vorteilhafter für die ganze Kirche, als alle anderen Tugenden zusammen ("Geistliches Lied" Strophe 29).

Und nun die dringende Schlussfolgerung seines Briefes:

"Wie sehr wünsche ich, dass Sie eine vollkommene Ordensperson werden, denn die Jungfrau, die Gott in einem beschaulichen Orden dient, kann nicht wie eine Barmherzige Schwester Verdienste sammeln, indem sie dem Herrn in der Person der Armen und Leidenden dient. Wenn sie also Gott nicht verherrlicht durch ein Leben hoher Vollkommenheit, wird sie wenig für ihn geleistet haben in ihrem Leben; schenkt sie sich jedoch großherzig Jesus Christus und gestattet sie ihm mit ihr zu handeln, wie es ihm beliebt, und sie für die Absichten seiner ewigen Weisheit zu opfern, dann kann nur das Auge des Glaubens den Wert und Nutzen eines solchen Lebens abschätzen" (19. November 1902 und 4. März 1907).

Noch gedrängter finden wir den gleichen Gedanken auf einer Glückwunschkarte zur Profess einer Schwester:

"Mein Gebet für Sie wird lauten: Mache sie, o Herr, zu einer Opfergabe, würdig, dir als ewiges Weihegeschenk dargebracht zu werden. [vgl. das Stillgebet am Feste der Heiligsten Dreifaltigkeit]). Versteht man die Größe und Erhabenheit unseres Berufes, diese vollständige, ganz vorbehaltlose Hingabe an die Ehre unseres Herrn und Heilandes, wodurch man ihm Vollmacht gibt über alles, was er in uns vorfindet, zu verfügen, und bleibt man immer auf der Höhe dieses Opfers in Demut und Gehorsam, dann wirkt man Großes zu seiner Ehre. Er ist der "Anfang" von allem: "Der Anfang, und so rede ich auch zu euch" (Joh 8,25) und was nicht von ihm kommt, ist dem Untergang geweiht" (29. November 1926).

"Ich bete für Sie, auf dass Sie eine wahre Heilige werden. Eine echte Heilige gibt Gott mehr Ehre und rettet mehr Seelen, als tausend gewöhnliche Seelen" (16. August 1904).

"Habe soeben die Heilige Messe für uns gelesen. Ich hoffe, dass der liebe Heiland Ihnen das geschenkt hat, was ich selbst Ihnen geben wollte: eine wachsende Kenntnis und Liebe der hochheiligen Dreifaltigkeit. Möge unser göttlicher Heiland Sie segnen und Ihnen die Gnade verleihen, vollkommen seinen Erwartungen zu entsprechen (14. Oktober 1917).

"Bei meinem letzten Besuch habe ich mit Freude feststellen können, dass Sie sich ganz dem lieben Heiland geschenkt haben; falls Sie nun treu bleiben, werden Sie zu einer innigen und großen Verbundenheit mit ihm gelangen. Sie befinden sich auf dem rechten Weg (12. Juni 1913).

Der Ausdruck "sich hingeben ohne Vorbehalt", dessen letzte zwei Worte oft unterstrichen sind (5. Oktober 1906), findet sich immer wieder bei Dom Marmion; ebenso jener: "sich ganz Christus schenken und übergeben". Diese Worte haben bei ihm einen genau bestimmten Sinn: er versteht darunter den ersten entschiedenen Entschluss einer eifrigen Seele, die Vollkommenheit der Vereinigung mit Gott zu erlangen. Dom Marmion legt großen Wert auf diese Einstellung der Seele: er sieht darin selbst eine unerlässliche Bedingung für jeden geistigen Fortschritt (Die Heilige von Lisieux drückte das Gleiche aus, wenn sie sagt: "Ich gehe aufs Ganze). Daher wiederholen sich folgende Wünsche so oft bei ihm:

1. Januar 1907. - "Möge Gott Sie segnen und Sie ganz an sich ziehen!"

14. März 1914 - "Gott segne Sie, beschütze Sie und lasse Sie zu seiner vollkommenen Liebe gelangen!"

26. Juni 1920. - "Dass Gott Sie doch segnen und lieben und Sie ganz sich zu eigen machen möge!"

Fast unglaubliche Tatsache: es gibt Seelen, die da meinen, das Streben nach hoher Vollkommenheit sei gewissermaßen von Selbstsucht befleckt. Dom Marmion widerlegt entschieden diesen Irrtum: das Streben nach Heiligkeit hat seinen tiefsten Grund im heiligen Willen Gottes selbst:

"Das Streben nach einer hohen Vollkommenheit hat nichts gemein mit Selbstsucht, denn es gibt Gott große Ehre. "Mein Vater", so spricht der Heiland, "ist verherrlicht, wenn ihr viel Frucht bringt" (Joh 15, 8). Desgleichen sagt er: "Seid vollkommen, wie auch euer Vater im Himmel vollkommen ist" (Mt 5, 48), Christus ist nicht allein gestorben um uns zu retten, sondern hauptsächlich um seine Kirche zu heiligen. Unsere Heiligung ist der Triumph seines kostbaren Blutes, sein Ruhm für die ganze Ewigkeit (10. Februar 1914).

Göttlicher Wille einerseits, unendliche Macht der Gnade anderseits, das sind die zwei Pfeiler, auf die sich Dom Marmion beständig stützt, um in den Seelen das Verlangen, ja ein heißes Sehnen nach der Vereinigung mit Gott zu entfachen und zu erhalten. Nachdem er, gleich Sankt Paulus, die Herrlichkeit der Siege Christi verkündet hat, ruft er aus: "Warum gibt es noch so kleinmütige Seelen, die da sagen, dass die Heiligkeit nicht für sie wäre, dass die Vollkommenheit über ihre Kräfte ginge, die, sobald man ihnen nur von Vollkommenheit spricht, gleich antworten: "Das ist nichts für mich, ich werde doch nie heilig werden." Wisst ihr, was sie so sprechen lässt? Ihr mangelnder Glaube an die Kraft und Wirkung der Verdienste Jesu Christi. Denn es ist der Wille Gottes, dass alle sich heiligen: "Denn das ist Gottes Wille, eure Heiligung" (1 Thess 4, 3): es ist das Gebot des Herrn: "Seid vollkommen, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist" (Mt 5, 48 ). Aber wir vergessen allzu sehr den göttlichen Plan, wir lassen außer acht, dass unsere Heiligkeit eine übernatürliche Heiligkeit ist, deren Quelle nur in Christus, unserm Haupt und Führer, zu finden ist; wir schmälern die unendlichen Verdienste und die unerschöpfliche Genugtuung Christi. Gewiss, aus uns selbst vermögen wir nichts auf dem Weg der Gnade und der Vollkommenheit; unser Heiland sagt es ja ausdrücklich: "Ohne mich könnt ihr nichts tun" (Joh 15, 5) und der hl. Augustinus fügt hinzu: "Weder viel noch wenig, nichts kann gemacht werden ohne den, der alles gemacht" (Augustinus LXXXI. Abhandlung über den hl. Johannes). Wie wahr ist das! Ob es sich um große oder um geringe Dinge handelt, wir können nichts tun, ohne Christus; aber, da Christus für uns starb, hat er uns das erworben, dass wir frei und voll Vertrauen zum Vater gehen können und es gibt keine Gnade, die wir nicht durch ihn erhoffen könnten. Kleingläubige Seelen! Warum zweifeln wir an Gott, an unserm so großen und gütigen Gott?" (Christus, das Leben der Seele. 3. Kapitel).

* * *

Dom Marmion ist zu sehr auf dem Laufenden aller einschlägigen Vorkommnisse im geistigen Leben, als dass er die Seelen nicht vor den zahlreichen und manchmal entgegengesetzten Gefahren warnt, die auf die Seelen lauern, sobald sie den Weg der Vereinigung betreten wollen:

"Auf etwas muss ich Sie aufmerksam machen", schreibt er einer Ordensperson, "dass nämlich das Beste oft der Feind des Guten ist, die unsichere Zukunft die Feindin der Gegenwart. Geben Sie darum acht, dass der Feind Sie nicht abseits führe" (26. Oktober 1927).

Einer Seele, die mit vielen inneren Schwierigkeiten zu kämpfen hatte, schreibt er:

"Wundern Sie sich nicht allzu sehr ob dieser Wechsefälle im bewussten Teil Ihrer Seele; das Wichtigste ist, dass Sie im Grunde des Herzens immer mit Gott vereint bleiben durch die Meinung und die Liebe" (20. November 1909).

Es ist auch Weisheit, seine Fehler und schwachen Seiten einzusehen, dank einer gediegenen Demut. Dom Marmion will besonders - und hier zeigt er sich wieder in seiner besonderen Art, - dass die Fortschritte in der Vereinigung mit Gott sich ständig entwickeln in einer Atmosphäre absoluter Aufrichtigkeit gegen sich selbst:

"Die einzige Möglichkeit, den Zustand Ihrer Seele kennen zu lernen", schreibt er einer Ordensfrau, "sind die Früchte, die er hervorbringt" (vgl. Mt 7, 16). Doch bewahren Sie Ihren Frieden. Ich betrachte Sie gewiss nicht als eine Heilige oder als eine Seele, die schon weit im geistigen Leben vorangeschritten wäre, doch hat unser Heiland Sie rein bewahrt und frei von größeren Sünden, und ich weiß, dass er Sie zu einer innigen Vereinigung mit sich berufen hat: "Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde", betete Jesus, "dass du dies vor Weisen und Klugen verbargst und es Kleinen offenbartest" (Mt 11, 25). Sie sind eines dieser Keinen" (10. Januar 1907).

"Ihre Unbeständigkeit", schreibt er einer Karmelitin, "soll Sie nicht allzu sehr erschrecken, Ihnen jedoch Anlass geben, sich eng an den zu halten, der Ihre ganze Stärke ist. Er sieht es gern, wenn wir uns Mühe geben, ihm zu gefallen, selbst dann, wenn unsere Anstrengungen nicht immer von dem Erfolg gekrönt werden, den wir gern sehen wollten" (6. März 1907).

"Es ist kein Irrtum", tröstet er eine Benediktinerin, "zu glauben, dass man den Wunsch hat, ganz dem lieben Heiland anzugehören, obgleich man zur selben Zeit Fehltritte macht. Selbst wenn diese Schwachheiten fünfzigmal des Tags vorkommen, müssten Sie sich doch jedes Mal zum Heiland wenden und Liebesakte verrichten. Das Verlangen nach Liebe ist selbst schon ein Akt der Liebe" (Ohne Datum).

"Um Sie von Ihrer Eitelkeit, Ihrem Wunsch, den Menschen zu gefallen, Ihrer ungesunden Selbstbeobachtung zu heilen, sind folgende Mittel die besten:

1. Tun Sie alles ausdrücklich, um Gott zu gefallen. Je mehr Ihr Auge auf Gott schaut, desto weniger schaut es auf Sie selbst.

2. Danken Sie Gott, der die Quelle alles Guten ist, für all das Gute, das Sie tun, für jeden Erfolg usw.

3. Wundern und beunruhigen Sie sich nicht, wenn Sie einen Fehltritt machen, sondern bitten Sie um Verzeihung. Und dann gleich: "Empor die Herzen" (Ohne Datum) !

Vernehmen wir noch folgende Erläuterungen, die einen wahren Lehrschatz bedeuten:

"Ich habe lange über das nachgedacht, was Sie mir alles mitteilten und ich sehe, dass unser Heiland im Begriff ist, Sie zu formen.

Nichts ist von größerem Nachteil für das geistige Leben, als der Gedanke, dass wir etwas Gutes zu tun vermögen ohne unsern Heiland; unsere Eigenliebe ist jedoch so fein geschliffen, dass wir, ohne es zu merken, uns das wenige Gute zuschreiben, das wir tun. Das aber würde alles verderben. Darum überlässt unser Heiland uns aus Liebe manchmal unserer bösen Natur; dann sind wir voll Schrecken über all das Schlechte und all die Möglichkeiten zum Bösen in uns. Das will dann nicht heißen, dass wir schlechter sind als zuvor; unser Herr lässt uns nur den bösen Grund in uns schauen, den die Gnade zugedeckt hatte. In solchen Stunden müssen wir nach den Absichten Gottes handeln, indem wir uns tief verdemütigen und uns in die Arme Gottes werfen. Der Teufel versucht, Sie durch Ängstlichkeiten zu beunruhigen, damit Sie aufhören gut zu handeln, aus Angst, dass etwas aus Stolz und Ehrsucht geschehe. Man darf deshalb nicht aufhören das Gute zu vollbringen, sondern muss nur ganz sachte seine Meinung veredeln. Das Beste in einem solchen Fall ist, sich mit Christus und seinen Gesinnungen zu vereinigen. So wird diese Verbundenheit mit Jesus Christus heilen, was vielleicht Unvollkommenes in unserer Meinung war.

Dann rühren auch Ihre Aufregungen und Ihr Widerwille zum größeren Teil von Ihrem physischen Zustand her. In diesen Stunden kann man dann auch nicht beten, es ist darum besser zu arbeiten usw. Wir werden noch über all dieses bei meinem nächsten Besuch sprechen" (27. Juni 1915).

Diese so übernatürliche und doch so menschliche Lehre, ganz durchwebt von der weisen Umsicht des hl. Benedikt, belebt die ganze Seelenleitung Dom Marmions. Wir finden sie selbst schon in einem seiner ältesten Brief:

"Was das Verlangen nach Vollkommenheit betrifft, so müssen Sie dieselbe mit der ganzen Inbrunst Ihrer Seele suchen, aber zugleich sich bescheiden und müssen nicht rascher gehen wollen, als unser Herr es eben will" (21. Mai 1895).

Wir finden sie 30 Jahre später wieder in einem Brief, den er kurz vor seinem Tod schrieb:

"Ich möchte so gerne aus Ihnen eine kleine Heilige machen, denn ich sehe, dass der liebe Heiland dies wünscht. Was er verlangt ist: dass Sie alles aus Liebe tun, ganz einfach und schlicht. Doch seien Sie nicht enttäuscht, wenn Sie nicht immer so vollkommen sind, wie Sie es möchten" (An eine Benediktinerin, 20. April 1922).

2. Der Geist der Losschälung

Die vollkommene Vereinigung mit dem Unendlichen ist etwas unaussprechlich Erhabenes, und so innig und heiß das Verlangen danach auch sein mag, man gelangt nicht dazu ohne gründliche Losschälung von allem Irdischen, gepaart mit geduldiger Unterwerfung unter das Wohlgefallen Gottes.

In seinen geistigen Werken, besonders in seinem: "Christus unser Ideal" ist Dom Marmion so gründlich darauf zu sprechen gekommen, als dass es notwendig wäre hier seine Ausführungen über die Abtötung der Sinne und des Geistes nochmals zu bringen. Er hat dort ausführlich dargelegt, dass vor allem andern, und fortschreitend die freiwilligen Losschälungen notwendig seien, die das "alles verlassen" ausmachen und den Weg bahnen zur Vereinigung mit Christus - zum: "wird sind dir gefolgt". Die Zerknirschung des Herzens, die verschiedenen Arten des Verzichtes und der Buße, die Losschälungen der Armut, die Erniedrigungen der Demut, die völlige Vernichtung des eigenen "Ich" in seiner tiefsten psychologischen Wirklichkeit durch die ununterbrochenen Mühsale des Gehorsams (Regel des hl. Benedikt: Prolog) diese ganze Reihe freiwilliger Hinopferungen stellt er in ihrer vollen Ausdehnung vor die Seelen und gibt ihnen den königlichen Weg des Kreuzes ganz frei. Das Leben der Gottverbundenheit muss zuerst den Tribut langer und getreuer Übung in der Aszese leisten.

Was noch mehr hervorleuchtet aus seinen Briefen, ist die nicht minder große Notwendigkeit, tapfer jene Läuterungen anzunehmen, die aus der Hand Gottes selbst kommen, bevor sich die Vereinigung der Seele mit der unendlichen Heiligkeit verwirklicht, denn bei diesem Werk, das das Menschliche mit dem Göttlichen verbinden soll in der Vollkraft der Liebe, unternimmt es Gott selbst, die Seele zu einer solchen Verbundenheit fähig zu machen.

Dom Marmion weiß dies sehr wohl und wir werden sehen, dass unter seiner Feder weder das Ideal der Vereinigung noch die heiligen Forderungen, die sie bedingt, geschmälert werden. Doch wir werden auch gewahr, mit welch sicherer Hand er die Seelen führt und welch unerschütterliches Vertrauen seine stete Liebe und Güte ihnen einflößt. Er wird nichts übersehen, sondern bei jeder Wegkreuzung und Windung da sein, wie ein aufmerksamer Führer.

Vor der finsteren Nacht, durch die Gott die Seele führt, schauert die Natur zurück. Ein wahres Drama beginnt, ein furchtbares Drama, ein Drama, das sich meist nur im Inneren der Seele und des Herzens abspielt, und dessen Zeugen - und manchmal Spieler - nur Himmel und Hölle sind; sein Einsatz ist die Heiligkeit der Seele selbst. Unter diesen Umständen genügt es nicht, dass die Seele, so großherzig sie auch sein mag, ihre Kräfte sammelt, ihre ganze Energie an den Tag legt; sie bedarf noch eines erleuchteten, sicheren und entschlossenen Führers, der sie lenkt, ermutigt, stützt und wenn notwendig, aufrichtet, sie manchmal verteidigt gegen sie selbst, sie stets mitreißt, bis sie die steile Höhe erklommen, auf der sie der Herr haben will.

Die wichtigste und erste Entsagung ist die Absage an die Sünde; Dom Marmion stellt mit klaren und einnehmenden Worten diesen Lehrsatz auf.

"Sie müssen von der Überzeugung durchdrungen sein, dass Ihre sündhafte Vergangenheit kein Hindernis bedeutet für eine, selbst innige Verbundenheit mit Gott. Gott verzeiht, und sein Vergeben ist göttlich. Mit den Engeln war Gott nicht barmherzig, weil sie nicht armselig waren. Mit uns dagegen ist Gott unendlich barmherzig, "weil wir voll Armseligkeiten sind: "Die Erde ist voll der Barmherzigkeit des Herrn" (Ps 33, 5).

Und was fast unwahrscheinlich klingt, jedoch ganz auf Wahrheit beruht, ist, dass gerade unser Elend und unsere Armseligkeit uns ein Anrecht auf die Barmherzigkeit Gottes geben.

Was Ihnen fehlt, was Ihrem geistigen Leben einen leisen Beigeschmack von Leichtfertigkeit, einen Mangel an Gleichgewicht und Standhaftigkeit gibt, ist die Tatsache, dass Sie noch zu wenig die Tugend der Buße geübt haben. Die Beichte lässt wohl die Sünden nach, aber es verbleiben in der Seele noch Spuren der Sünde, die eine entgegengesetzte Übung oder Tugend - die Zerknirschung des Herzens - tilgen muss.

Ich wünsche deshalb, dass Sie sich während einiger Jahre der Übung des Bußgeistes und der Reue hingeben. Sie brauchen sich darum jedoch nicht an Einzelheiten Ihres vergangenen Lebens zu erinnern, sondern müssen nur im allgemeinen gedenken, dass Sie Gott beleidigt haben und es ständig bereuen. Die Tugend der Buße wird sich dann bei Ihnen auf dreierlei Weise offenbaren:

1. Durch den Geist der Zerknirschung. Ich wünsche gar sehr, dass Sie immer diesen Geist in sich unterhalten. Sagen Sie oft: "O Gott, sei mir Sünder gnädig." (Lk 18, 13). Mit diesem Gebet erfleht man eigentlich nichts, man zeigt aber Gott sein Elend. Man wird sich bewusst, dass man vor ihm nur ein armer Sünder ist. Sie dürfen natürlich nicht Ihren Geist fesseln und jeden Affekt des Lobes, der Danksagung ausschließen, aber es soll doch die Reue und Zerknirschung vorherrschen. Gehen Sie oft den heiligen Kreuzweg; beginnen Sie immer Ihre Betrachtung, indem Sie sich wie eine Sünderin Gott zu Füßen werfen. Ich weiß gewiss, dass, wenn Sie sich so einige Jahre dem Reueschmerz und der Zerknirschung des Herzens hingeben, bis Gott Sie zu einer anderen Gesinnung ruft, dies Ihrer Seele unendlich gut tun wird. Haben Sie gezögert, sich Gott ganz zu schenken, nun wohl, machen Sie das Versäumte wieder gut, indem Sie sich von jetzt ab, ohne irgendeinen Vorbehalt ihm weihen in größter Treue und höchster Großmut. Und fürchten Sie nie, dass Ihre früheren Fehltritte und Sünden Sie hindern, zu jener Stufe der Gottverbundenheit zu gelangen, die Gott für Sie bestimmt: er kann in einem Augenblick dies alles wieder gut machen (Siehe die treffliche Erläuterung dieses Gedankens in "Christus unser Ideal": Die Zerknirschung des Herzens).

2. Durch die Abtötung. Bei Ihnen wird sie darin bestehen, die Ordensregel, die Hausordnung genau und pünktlich zu beobachten und die Widerwärtigkeiten des gemeinschaftlichen Lebens mit Großherzigkeit zu ertragen.

3. Durch die Liebe. Sie müssen viel lieben, sie können es auch, denn Sie haben ein liebendes, ja großer Liebe fähiges Herz. Sie müssen das Vergangene durch eine innige Liebe zu unserm Herrn und Heiland wieder gut machen. Sie müssen lieben gleich einer hl. Maria Magdalena zu den Füßen Jesu. "Viele Sünden wurden ihr vergeben, weil sie viel geliebt" (Lk 7, 47). Sprechen Sie oft zum Herrn: "O, mein Gott! ich will dich mehr lieben, als ich dich in der Vergangenheit beleidigt habe" (Ohne Datum) !

Die gleiche Pflicht der Entsagung besteht jedoch auch für die schon von der Sünde gereinigten Seelen:

"Ich vergesse Sie nicht. Ich bete für Sie mit ganzer Inbrunst. Wie in der Natur, so geht es auch im Garten der Seelen; es gibt dort einen Winter, der dem Frühling vorausgeht. Er ist notwendig" (20. November 1914).

"Ich freue mich über Ihren festen Entschluss, dem lieben Heiland, der Sie zu einer großen und innigen Vereinigung mit sich beruft, nichts zu verweigern. Um zu dieser Vereinigung zu gelangen, werden Sie jedoch manche Qual und manche Prüfung erdulden müssen, besonders jene der Einsicht, dass wir aus uns selbst schwach und armselig sind" (28. Mai ohne Jahresangabe).

"Bleiben Sie im Guten treu", so schreibt er einer Ordensfrau aus einem beschaulichen Orden, "und Sie werden zu einer großen Vereinigung mit unserm Herrn kommen. Es ist unmöglich, zu einer innigen Verbundenheit mit der gekreuzigten Liebe zu gelangen, ohne von Zeit zu Zeit die Dornen und Nägel zu spüren. Dies ist die Bedingung der Vereinigung. Sie dürfen sich nicht entmutigen lassen, wenn der liebe Heiland Sie ein wenig Ihre Armseligkeit fühlen lässt. Er erträgt sie immer, aber verbirgt sie vor Ihnen; doch Sie müssen sie sehen und kennen, bevor sie sich äußert. Dies ist verdemütigend und schmerzhaft für so eine kleine Irländerin" (Aus Rücksicht geben wir hier kein Datum an).

"Unsere wahre Ruhe", so drückt er sich im Brief an eine verheiratete Dame aus, "ist im Paradies. Hier auf Erden müssen wir uns an Jesus halten, der sich meist am Kreuz hängend zeigt. Dies ist sein offizielles Bild. Er schenkt uns kleine Freuden, damit wir die Mühseligkeiten des Lebens ertragen und Verdienste für den Himmel sammeln können, doch untermengt er sie mit Kreuzen. Vertrauen Sie auf seine Güte und Liebe, so wird er gewiss Ihre Angelegenheiten regeln. Denken Sie nicht zuviel an die Zukunft. Leben Sie in der Gegenwart. Die zukünftigen Prüfungen bringen die nötigen Gnaden mit sich" (16. September 1921).

Die Seele muss ihr Augenmerk besonders auf die Losschälung von den Geschöpfen richten. Dom Marrnion findet zur Beweisführung dieses Grundsatzes ausgezeichnete und glücklich gewählte Redewendungen, die wohl zu merken sind:

"Verlangen Sie nichts, verweigern Sie nichts und wünschen Sie nichts, als was Gott für Sie begehrt, nämlich Ihre Vollkommenheit. Alles andere ist nicht Gott. Eines nur ist notwendig: Er" (18. Dezember 1916).

"Gott sei Ihr ganzer Trost, nicht in dem Sinne, als ob Sie alle andern Freuden verwerfen sollten, sondern so, dass Sie zum Frieden der Seele keiner der irdischen Freuden und Tröstungen bedürfen" (12. Dezember 1909).

"Ahmen Sie besonders Ihrer Namenspatronin nach", so ermuntert er eine Ordensfrau, "in der Treue zu dem, den sie als einzigen Bräutigam ihrer Seele erkor. O ja! Ich wünsche Sie sehr vollkommen! Ich stelle Sie mir immer vor an dem Punkt, wo keine Fiber Ihres Herzens mehr sich regt außer, wenn Jesus sie berührt, wo kein Geschöpf mehr, insofern es Geschöpf ist, eine Anziehung für Sie hat, Sie erfreut oder betrübt. Wir sind leider noch nicht so weit, weder Sie noch ich. Aber wir wünschen es "Aus ganzem Herzen", nicht wahr? Dann wird Jesus Herr und Meister in unserer Seele sein, denn, wie es wahr ist, dass: "Jeder, der die Sünde tut, ist Knecht der Sünde" (Joh 8, 34), so ist es im gewissen Sinne auch richtig zu sagen: "Wer das Geschöpf liebt, wird dessen Diener" (1902),

In einem andern Brief an dieselbe Schwester gibt er die Gründe dieser Losschälung:

"Es widersteht mir, mich nichtssagender Redewendungen zu bedienen, um Ihnen zu Ihrem Namenstage meine Wünsche darzubringen. Ich lege jeden Tag in das Herz unseres Meisters mein Verlangen nach Ihrer Heiligung und ich bitte ihn, Sie stets mehr und mehr nur ihm "geweiht" zu machen. Christus = konsekriert, gesalbt, für den Vater lebend, losgeschält von den Dingen der Welt und ganz Gott hingegeben. Das ist das göttliche Ideal, das wir verwirklichen müssen durch die Weihe bei unserer Ordensprofess und durch die tägliche Hinopferung mit Jesus auf dem Altar. Ein konsekrierter Kelch kann nur noch Verwendung finden, um das kostbare Blut aufzunehmen. Die gottgeweihte Jungfrau existiert nur noch für ihren göttlichen Bräutigam und hat kein Recht mehr, weder ihre Person noch ihre Fähigkeiten anders zu verwerten, als für ihn, alles ist ihm geweiht und vorbehalten" (1907).

Das Gebiet, auf welchem sich die Selbstverleugnung am meisten betätigen kann und das die Seele am stärksten läutert, ist jenes der von Gott gewollten oder zugelassenen Prüfungen:

"Ludwig Blosius, ein großer Mystiker des Benediktinerordens, sagt, dass die beste Art Abtötung die sei, alles, was Gott schickt oder zulässt: Gutes und Böses, Freud und Leid, von ganzem Herzen anzunehmen, trotz des Widerwillens, den wir dabei empfinden. Ich meinerseits versuche dies zu tun. Tun wir es beide, und helfen wir einander, zu dieser vollkommenen Hingabe in die Hände Gottes zu gelangen" (17. Juni 1902).

"Seien Sie doch großzügig", schreibt er einer Ordensfrau, "und handeln Sie mit der heiligen Freiheit der Kinder Gottes. Gott hat Besitz von Ihrer Seele genommen; und wenn Sie sich ohne Vorbehalt seiner Weisheit und Liebe überlassen, wird er Ihnen schon Abtötungen verschaffen, die bedeutend besser sind, als jene, die Sie selbst wählen" (24. Februar 1921. ).

Es ist eine kostbare Gnade, inmitten der Prüfungen Geduld zu wahren: "Wenn eine Seele sich aus Liebe und ohne Vorbehalt Jesus hingibt, so nimmt er sie auf und hält sie an seinem Herzen, und durch eine Vorsehung voll göttlicher Weisheit und Liebe verschafft er ihr tausend Gelegenheiten, Geduld zu üben. "Die Ausdauer aber hat ein vollendetes Werk" (Jak 1, 4). Die Geduld vervollkommnet unsere Seele, denn, sagt St. Benedikt (Prolog zu seiner Regel), die Geduld ist es, durch die wir an den Leiden Christi teilnehmen" (11. Juli 1922).

* * *

Wir sind in der glücklichen Lage, von Dom Marmion gerade über diesen so wichtigen Punkt der christlichen Aszese eine Reihenfolge von Briefen zu besitzen, die einen Zeitraum von 30 Jahren umfassen. Wir zogen es vor, sie in ihrer zeitlichen Folge zu geben: Das Festhalten an dem Gedanken wird um so mehr hervortreten. Die ersten Auszüge sind Briefen entnommen, die er im Jahre 1894 bis 1895 (Sie bilden den ältesten geschlossenen Bestandteil der Briefe Dom Marmions, den wir besitzen) einem jungen Mädchen schrieb, das im Begriff war, ins Kloster einzutreten.

Der Weg, der zur Gottverbundenheit führt, ist eng und steil: Dom Marmion verkündet dieses allgemeine Gesetz in der ganzen Wucht und Klarheit, die ihm das Evangelium gibt:

"Möge der Heiland Sie ganz an sich ziehen und Ihnen den Mut verleihen, alle Prüfungen zu ertragen, die denen notwendig sind, die sich mit einem Gekreuzigten vereinigen wollen. Hier auf Erden bietet sich der Heiland als am Kreuz hängend dar, das Kreuz ist sein offizielles Bild, und die Vereinigung mit ihm ist unmöglich, wenn wir nicht die Nägel fühlen wollen, die ihn durchbohrten" (17. September 1894).

Dom Marrnion weiß, dass nichts so sehr der Seele Schwingen verleiht als der demütige und liebevolle Blick auf Jesus. Es war gerade Osterzeit und in der Liturgie las man die Begebenheit mit den Jüngern von Emmaus, so fügte er den üblichen Ostergrüßen folgende Zeilen bei:

"Sie erinnern sich der Worte, die Jesus an die zwei Jünger richtete, welche er nach Emmaus begleitete: "War es nicht notwendig, dass Christus dies alles litt und so in seine Herrlichkeit einging" (Lk 24, 26) ? Wir sind seine Glieder und es ist uns unmöglich, in seine Herrlichkeit einzugehen, ohne mit ihm gelitten zu haben. Je mehr man hier unten mit Christus vereint ist, desto mehr lebt man von seinem Leben, und dies ist hier auf Erden ein Leben des Kreuzes und der Leiden. Der hl. Paulus sagt uns: "Wir haben keinen Hohenpriester, der nicht mit unserer Schwachheit Mitleid haben könnte, sondern einen, der in allem ähnlich versucht worden ist, doch ohne die Sünde" (Hebr 4,15). Betrachten Sie seine heilige Mutter, niemand hat je so gelitten wie sie, denn auch niemand war so mit ihm vereint, wie gerade sie. Nach Vereinigung mit Jesus verlangen, heißt nach Leiden sich sehnen.

Also guten Mut! Sie sind auf gutem Weg, später werden Sie dies besser verstehen" (1895).

"Ihnen, meine Tochter", so schreibst er trefflich bei einem andern Anlass, "lässt Gott Ihre kleinen Fehler und Schwachheiten. Sie bedürfen derselben:

1. Um immer in der demütigen Haltung zu bleiben, die für Sie passt und in der Gott Sie immer suchen wird.

2. Damit Sie Jesus verherrlichen, der in Ihnen tätig ist, und um sich nicht selbst das wenige Gute zuzuschreiben, das Sie aus eigenem Antrieb vollbracht zu haben glauben."

Hier die schöne Ausführung dieses Gedankens. Man kann wirklich nicht klarer und überzeugender reden.

"Was Ihre Schwächen und Fehler betrifft, so lässt der liebe Gott sie zu, um Sie in der Demut und im Bewusstsein Ihres Unvermögens zu erhalten.

Der liebe Gott kann zu jeder Zeit Nutzen aus unsern Fehlern erstehen lassen; waren Sie untreu, haben Sie es an Vertrauen und an Hingabe an seinen heiligen Willen fehlen lassen, so werden Sie nichts verlieren, falls Sie sich tief verdemütigen. Im Gegenteil, Sie werden in der Tugend und in der Liebe zu Gott nur wachsen. Wenn Ihnen immer alles nach Wunsch ginge, wenn Sie stets eine starke Gesundheit hätten, wenn Ihre geistigen Übungen stets zu Ihrer vollen Zufriedenheit ausfielen, wenn Sie keine Zweifel, keine Ungewissheit über Ihre Zukunft hätten, usw., würden Sie bei Ihrem Charakter gar bald voll Selbstgefälligkeit und geheimem Stolz werden; und anstatt die Güte des Vaters aller Erbarmungen auf sich zu lenken und sein Mitleid für sein armes schwaches Geschöpf zu erregen, würden Sie ein Gräuel in den Augen Gottes sein: "Ein Gräuel vor dem Herrn ist jeder Hoffärtige (Spr 16, 5). Darum lassen Sie sich nur bearbeiten. Der Heiland liebt Sie, er sieht bis in die Tiefen Ihrer Seele, selbst in die letzten Winkelchen, die Ihnen verborgen sind, und er weiß, was Ihnen Not tut. Lassen Sie ihn handeln, und schreiben Sie dem Heiland nicht Ihre Meinung vor, sondern folgen Sie der seinigen in aller Einfalt des Herzens.

Die Ungewissheiten, die Angst, der Widerwille sind bittere Tabletten - doch notwendig zur Gesundung Ihrer Seele. Es gibt nur einen Weg, der zu Jesus führt, der Weg des Kreuzes. Eine Seele, die Jesus auf diesem Weg nicht folgen will, muss auf die Vereinigung mit ihm verzichten: "Wer mir nachfolgen will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach" (Mt 16,24; Lk 9, 23).

Also Mut! Ich bedarf, gerade so wie Sie, dieser Erwägungen, die Natur liebt das Opfer nicht, aber der Lohn des Opfers - die Liebe Gottes - ist so groß, dass wir bereit sein müssen, noch mehr zu ertragen, um ihn zu erlangen" (15. Dezember 1894).

Einige Zeit später macht Dom Marmion der Seele die Notwendigkeit dieser Läuterungen klar und richtet ihren Blick auf das göttliche Vorbild:

"Sie haben sich ganz dem Herrn geschenkt, und er hat das Opfer angenommen. Es ist dies keine Kleinigkeit, sich ohne Vorbehalt dem Herrn zu schenken. Sein Blick dringt bis in die Tiefen unseres Herzens. Dort sieht er das Elend, die Schwächen, die Möglichkeiten der Sünde, die wir nicht einmal ahnen, und in seiner unendlichen Barmherzigkeit und Weisheit lässt er uns eine Behandlung durchmachen, die große Früchte in der Seele hervorbringt, obgleich sie uns bitter vorkommt. Sie dürfen niemals zurückschauen; überlassen Sie sich vielmehr ganz dem lieben Gott. Es ist unmöglich zu einer innigen Verbundenheit mit unserm Heiland zu gelangen, ohne den Weg der inneren Prüfungen gegangen zu sein. Seien Sie also nicht entmutigt, wenn Sie so großen Widerwillen gegen die Leiden fühlen. Unser Heiland selbst empfand ihn und der Heilige Geist erleuchtete die Evangelisten, dass sie uns ganz genau und ausführlich diese schreckliche Todesangst des Heilands niederschrieben, damit die geprüften Seelen Trost fänden beim Anblick ihres von Schmerz und Widerwillen gebeugten Gottes. Darum sagt uns der heilige Paulus: "Wir haben keinen Hohenpriester, der nicht mit unsern Schwachheiten Mitleid haben könnte, sondern einen, der in allem ähnlich versucht worden ist, doch ohne Sünde (Hebr. 4, 15).

Also immer wieder Mut! Ich versichere Ihnen im Namen Gottes, dass Sie auf dem rechten Weg sind, und dass Sie, mit Geduld und Liebe leidend, den Herrn verherrlichen und seinen Willen jetzt erfüllen" (13. Januar 1895).

Der göttliche Stachel setzt seine Arbeit fort, die Seele bearbeitend mit seinen schmerzlichen Stichen; aber in diesem Geheimnis der reinigenden Leiden tut sich die Zärtlichkeit der Liebe kund:

"Ich habe großes Mitleid mit Ihnen wegen der Prüfung, die der liebe Gott Ihnen augenblicklich schickt. Es ist ein wahres Martyrium Doch ich füge mich ganz in den Willen unseres lieben Heilandes, der Ihnen dieses Kreuz sendet aus der tiefsten Liebe seines heiligsten Herzens. Glauben Sie mir, ich sage Ihnen dies im Auftrag Gottes, die Prüfung wurde Ihnen durch die Liebe unseres Erlösers gesandt, sie hat in Ihrer Seele eine Arbeit zu vollbringen, die sonst niemand zu tun imstande ist. Es handelt sich um die Vernichtung der Eigenliebe und, wenn Sie dann glücklich aus dieser Prüfung hervorgehen, werden Sie dem Herzen Jesu tausendmal teurer sein! Obgleich ich also ein großes Mitleid mit Ihnen fühle, möchte ich es doch um keinen Preis der Welt für Sie anders haben, weil eben Jesus, der Sie tausendmal mehr liebt, als Sie sich selbst, Ihnen dieses Leiden widerfahren lässt. Seien Sie dessen versichert, dass ich während all dieser Zeit in meinen Gebeten und Heiligen Messen an Sie denken werde, damit Ihnen der liebe  Gott die Kraft verleihe, recht guten Gebrauch von dieser Gnade zu machen" (25. Februar 1895).

Entlang eines solchen Weges lauern gar viele Versuchungen der Seele auf. Doch ist keine so gefährlich als jene, den Mut sinken zu lassen unter der Hitze des Tages und der Dürre des Weges:

"Sie wissen bereits, dass es dem lieben Gott gefällt, uns durch das Licht des Gehorsams auf dem Weg der Vollkommenheit zu führen. Oft beraubt er uns jedes anderen Lichtes und lenkt uns, ohne dass wir wissen, wohin seine Wege gehen. Während einer solchen Prüfung müssen Sie ihm ganz unterworfen bleiben und unerschütterlich vertrauen - trotz allem, was der Teufel und Ihre Vernunft Gegenteiliges sagen, - dass Gott darin seine Ehre und Ihren seelischen Fortschritt finden wird, wenn auch auf anderem Weg, als Sie ihn sich gewählt hätten. Ich sage Ihnen im Namen Gottes, dass diese Prüfung eine große Gnade für Sie ist, und ich bin so überzeugt davon, dass ich, sobald ich ihr Auftreten bemerkte, auch sicher war, dass sie längere Zeit anhalten würde. Ich weiß auch, dass sie sehr lästig und beschwerlich ist, ja, das schwerste Kreuz darstellt, das einer gottliebenden Seele aufgebürdet werden kann, aber solange Sie gehorsam bleiben, besteht keine Gefahr.

Die einzige wirkliche Gefahr bestünde augenblicklich darin, dass Sie der Versuchung zur Mutlosigkeit nachgäben. Jede dunkle Wolke hat auch ihre helle Seite und dem Gewitter folgt die Stille (Anspiegelung an englische Sprichwörter: "After a storm comes a calm." - "Every cloud has a silver lining"). So bin ich auch überzeugt, dass diese Prüfung aufhören wird, wenn sie ihre Arbeit in Ihrer Seele vollbracht hat, und dass Sie sich eines Friedens und einer Vereinigung mit Gott erfreuen werden, wie Sie nie zuvor sie empfunden haben. Eine der wichtigsten Früchte, die Gott durch dieses Kreuz in Ihrer Seele hervorbringen will, ist die vollständige Ergebung und die völlige Unterwerfung unter seinen heiligen Willen. Versuchen Sie diese Gesinnung in Ihrer Seele zu pflegen, denn dies wird das Ende der Prüfung beschleunigen."19. März 1895. Bald nachher trat dieses Mädchen in ein Benediktinerinnenkloster ein, wo Dom Marmion oft Gelegenheit hatte, sie mündlich zu sprechen, wodurch der Briefwechsel überflüssig wurde. Doch haben wir ein Kärtchen ohne Datum [wahrscheinlich vom Jahre 1903], wo beim Anlass der Einkleidung einer Nichte der Betreffenden Dom Marmion scherzhaft beifügt: "Ich hoffe, dass es bei ihr eine bessere Wendung nimmt als bei ihrer Tante, die trotz aller Gnaden und der Mühe, die man sich gibt, sie zu heiligen, immer so lau bleibt. Aber unser Heiland ist ja allmächtig und ich hoffe, dass wir es doch noch zu etwas Ordentlichem bringen." In der Tat erbaute sie lange die Ordensfamilie durch ihre innige Liebe und starb wie eine Heilige.

Ein Mädchen hatte schon lange den Wunsch, sich in einem beschaulichen Orden ganz dem Herrn zu schenken; im Augenblick jedoch, wo nach vielen Hindernissen endlich die Klosterpforte sich öffnen will, ist ihre Handlungsweise der Gegenstand giftiger Vorwürfe:

Dom Marmion ruft ihr zu:

"Die Stunde des Opfers hat geschlagen. Schon fühlen Sie, dass es keine Kleinigkeit ist, nach der Würde einer Braut des Gekreuzigten zu streben. Schon lässt er Sie teilnehmen an seinen Leiden und seinen Verdemütigungen. Herodes hat ihn, die ewige Weisheit, als Tor behandelt; Pilatus wie einen Verführer, das Volk zog ihm den Barabbas vor. So beginnen auch Sie, da eine innige Vereinigung mit ihm Ihr Begehren ist, von dieser Welt verlacht und verkannt zu werden, von dieser Welt, die Sie umschmeichelt hätte, wenn Sie ihr hätten zulächeln wollen. Mut! meine Tochter! Denn das sind die sichersten Anzeichen, dass unser Heiland Sie innig mit sich vereinigen will und Sie gebrauchen will zu den Werken, die er zur Ehre seines Vaters unternimmt. Besser wäre es in der Welt zu bleiben, als sich in ein Kloster einzuschließen, wenn Sie nicht bereit sind, darin als Opfer zu leben. Besser, Sie werden Barmherzige Schwester oder einfache Krankenwärterin, als dass Sie in den Karmelitinnenorden eintreten, wenn Sie nicht mit Maria unter dem Kreuz stehen wollen, um den Todeskampf und die Schmach Ihres göttlichen Bräutigams zu teilen. Möge man Sie also verachten, meine teure Tochter, möge man Sie der Selbstsucht und der Undankbarkeit beschuldigen - auch ich bin diesen Weg gegangen - es genüge Ihnen, dass Jesus Ihr Herz sieht" (31. August 1902).

Nun sehen wir das Mädchen im Karmel, fern von den verächtlichen Bemerkungen der Welt, im Frieden des Klosters. Doch soll sie sich keiner trügerischen Hoffnungen hingeben, noch glauben, dass Worte genügen. Das Kloster ist der Kampfplatz, auf dem die großen Schlachten des Allerhöchsten geschlagen werden; auch hier erringt man die Siegespalme nur um den Preis höchster Treue:

"Ich sehe immer klarer, dass Jesus Christus Ihre vorbehaltlose Hingabe an seinen heiligen Willen und an seine Liebe wünscht. Machen Sie keinen Vorbehalt, keine Bedingung, denn er schenkt sich nur denen ganz, die sich auch ihm bedingungslos schenken.

Doch, teure Tochter! geben wir uns keiner Täuschung hin, es ist viel leichter dem Herrn zu sagen: "Ich schenke mich dir ganz und gar", als es in der Tat auch zu tun. Wenige nur, selbst unter seinen Bräuten lieben ihn um seinetwillen. Die meisten lieben sich selbst mehr als Jesus. Denn es genügt, dass er von ihnen etwas fordert, was ihre Gewohnheiten stört oder ihren Neigungen widersteht, so wollen sie nichts mehr von ihm wissen. Die Großmut, mit der eine Karmelitin ihr Noviziat macht, ist von großer Wichtigkeit. Betrachten Sie es als ein großes Übel, als einen schweren Fehler, dem Heiland zu sagen: "Herr, ich weiß wohl, dass du dieses von mir begehrst; ich weiß, dass es dir angenehmer wäre, wenn ich jenes täte, aber ich kann mich nicht dazu entschließen." Denn wenn man gewagt hat, dem lieben Heiland "Nein" zu sagen, mit ihm zu handeln, dann ist die vollkommene Übereinstimmung, dieses gegenseitige Vertrauen, diese beiderseitige Hingabe, die die wahre Vereinigung zwischen Braut und Bräutigam ausmacht, unmöglich geworden."

Doch fürchten sie sich nicht, Jesus wird immer da sein; mit Hilfe seiner allmächtigen Gnade wird er sie tragen bei ihrem Aufschwung zur Höhe:

"Seien Sie, meine Tochter, überzeugt, dass Jesus denen, die sich ihm geschenkt, nie irgendein Opfer auferlegt, ohne ihnen in weitem Maße die Gnade und die nötige Hilfe zu erteilen, damit sie das Kreuz tragen können, ja, ohne dass er selbst mehr als die Hälfte davon auf seine Schultern nimmt. Daran zu zweifeln, hieße an der Liebe und Treue Jesu Christi zweifeln, hieße, Christi Herz zutiefst verwunden" (2. Dezember 1902).

Nach und nach wird der Führer immer drängender:

"Mein Wunsch, Sie als wahre Tochter der heiligen Theresia zu wissen, wird immer stärker, ja, eine echte Karmelitin sollen Sie werden mit einem großen weiten Herzen, das losgeschält und frei von jeder Anhänglichkeit an ein Geschöpf sich erhebt über jene Kleinigkeiten, die so viele Frauenherzen gefangen halten. Jesus will in Ihrem Herzen herrschen ohne Nebenbuhler und Mitbewerber. Er will sich ohne Vorbehalt geben und verlangt darum mit Recht eine bedingungslose Übergabe an die Rechte seiner ewigen Liebe und göttlichen Schönheit. Wir werden in diesem Sinne arbeiten, nicht wahr, meine Tochter, mag es kosten, was es will" (November 1906. Diese Zeilen sind mit Bleistift geschrieben; Dom Marrnion sandte sie vom Krankenbett aus, wo ihn eine Operation festhielt).

Die Stunde der heiligen Profess hat geschlagen, jene Stunde, wo die feierlichen Versprechungen für immer ausgetauscht werden. Dom Marmion will ihr, die er bis hierher geführt, ein "kleines Andenken" hinterlassen; in Wirklichkeit jedoch schenkt er ihr ein Programm höchster Vollkommenheit. Es wäre schade, diese Zeilen zu kürzen; die von solch hoher übernatürlicher Gesinnung zeugen. Seine Sprache ist erhaben und ernst, wie es eben für eine Schülerin des hl. Johannes vom Kreuz passt:

"Mein Gelübde der Armut hindert mich, Ihnen zum großen Tag Ihrer heiligen Profess ein kleines Geschenk überbringen zu lassen; doch die Heilige Schrift sagt: "Ein gutes Wort geht über die beste Gabe" (vgl. Sir 18, 16.17. St. Benedikt, Regel, Kap. 31). Ich will Ihnen daher ein kleines Andenken geben, an das Sie sich später erinnern mögen, um die Gesinnungen wieder wachzurufen, die der göttliche Bräutigam am Tag Ihrer geistigen Vermählung Ihnen eingab.

Wenn ich Ihre Seele im Licht des Gebetes betrachte, sehe ich, wie der liebe Heiland Sie an der Hand führte, gegen die Gefahren und Anfechtungen der Welt schützte und dann aus reiner Liebe zum Ordensstand berief, um in Ihnen eine treue Braut zu finden, die ganz seiner Liebe hingegeben und seinem heiligen Willen geweiht wäre.

Der gute Meister ist der Herr seiner Gaben und ohne irgendein Verdienst ihrerseits beruft er gewisse Seelen zu einer innigeren Vereinigung mit sich, zur Teilnahme an seinen Leiden und Qualen für die Ehre seines Vaters und zum Heile der Seelen: "Ich ersetze in meinem Fleisch, was an dem Leiden Christi für seinen Leib mangelt, der die Kirche ist" (Kol 1,24). "Ihr aber seid Christi Leib und Glied um Glied" (1 Kor 12, 27). Gott hätte die Menschen retten können, ohne dass sie leiden oder Verdienste sammeln müssten, wie er es auch für die Kinder tut, die nach der Taufe sterben; aber durch seinen Beschluss seiner anbetungswürdigen Weisheit hat er bestimmt, dass das Heil der Welt abhängen solle von einer Sühneleistung, deren Hauptteil von seinem Sohn getragen werden sollte, zu der jedoch auch seine Glieder beigezogen würden. Viele Menschen vernachlässigen ihren Anteil an Leiden, die sie in Verbindung mit unserm Herrn tragen sollten, sowie den Beitrag an Gebeten und guten Werken. Darum wählt sich der Heiland gewisse Seelen, die er sich zum großen Werk der Erlösung beigesellt. Es sind dies auserlesene Seelen, wahre Opfer der Sühne und des Lobes, die viel zur Ehre Gottes und für das Heil der Seelen leisten. Sie sind dem lieben Heiland äußerst kostbar und lieb, mehr als man es sich denken kann. Es ist seine Wonne, sich in ihnen wieder zu finden. Nun, meine teure Tochter, ich bin fest überzeugt, dass auch Sie eine solche Seele sind. Ohne irgendein Verdienst von Ihrer Seite, hat der Herr Sie auserwählt. Wenn Sie treu ausharren, werden Sie zu einer innigen Vereinigung mit unserm Heiland gelangen, und einmal vereint mit ihm, verloren in ihm, wird Ihr Leben sehr fruchtbar sein für seine Ehre und das Heil der Seelen. Am Tage der mystischen Vermählung sieht man nur die Blüten an der Krone, die Jesus auf Ihr Haupt setzt; aber, teure Tochter, vergessen Sie nie, dass die Braut eines gekreuzigten Gottes ein Schlacht-Sühneopfer ist. Ich sage Ihnen dies, denn ich sehe voraus, dass Sie zu leiden haben werden, Sie werden viel Mut, viel Glauben, viel Vertrauen nötig haben. Da heißt es Wüsten durchschreiten, durch Finsternisse, Umnachtungen gehen, Mutlosigkeit und Verlassenheit ertragen. Ohne dies nämlich würde Ihre Liebe niemals tief und stark werden. Aber wenn Sie treu ausharren und Gott ganz ergeben sind, wird Jesus Sie immer an der Hand halten: "Wenn ich auch wandle mitten in Todesschatten, so will ich nichts Übles fürchten, weil du bei mir bist" (Ps 23, 4).

Und nun die wunderbare Schlussfolgerung:

"Schenken Sie sich ihm also, teure Tochter, ohne zu verhandeln und abzuwägen Schenken Sie sich ihm ohne Furcht. Bitten Sie nicht um Leiden, sondern überlassen Sie sich der Weisheit und der Liebe Ihres Bräutigams, damit er in Ihnen alles bewirke, was seiner Ehre dient. Er kommt jeden Tag zu Ihnen im heiligen Sakramente, um Sie in sich umzugestalten. Möge dieses eucharistische Leben Jesu stets ein Vorbild für Sie sein. Dort ist Jesus zu gleicher Zeit eine Opfergabe, dargebracht zur Ehre seines Vaters, und eine Speise für seine Brüder, selbst für jene, die ihn mit Kälte und Undank empfangen oder ihn beleidigen. Auch Sie, meine Tochter, müssen jeden Tag mehr und mehr ein Opfer werden, hingegeben zur Ehre der allerheiligsten Dreifaltigkeit im Gebet, im göttlichen Offizium, in der Abtötung, und ebenfalls auch ein Opfer der Liebe, dargebracht für die Seelen durch Sühne, und für Ihre Mitschwestern durch Geduld, Güte, Nachgiebigkeit. Seien Sie eine große Seele, die sich selbst vergisst, um nur an die Interessen Gottes und der Seelen zu denken. Bleiben Sie nicht bei den Kleinigkeiten stehen, die die Gedanken und das Leben so vieler gottgeweihten Seelen ausfüllen. Helfen wir uns auch gegenseitig, um zu diesem erhabenen Ziel zu gelangen, das ich, sowohl für mich, als auch für Sie ersehne" (6. Dezember 1906).

Die Voraussagen des Seelenführers gingen in Erfüllung. Die Seele wird der Einwirkung des starken Gottes preisgegeben, dem mächtigen Arm des Bräutigams, der, wie Bossuet sich ausdrückt, "Bein und Knochen bricht, um allein zu herrschen" (Dies war der Gedanke Dom Pius de Hemptinne, des treuesten Schülers Dom Marmions: "Wenn eine Seele mit dem Herrn vereint ist, geht er ihr nach, verfolgt sie, um sie zu besitzen. Wie ich dies fühlte!" Aus dem Buch: Une âme bénédictine, Seite 97). Aber wie innig und tief ist die Verbundenheit, die daraus erquillt! Dom Marmion schreibt dann eine Seite von seltener Gedankenhöhe, wie auch voll von feinem Taktgefühl:

"Jesus hat Sie zur Braut erkoren: "Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt" (Joh 15, 16). Seine Absicht bei dieser Ihrer Wahl war, Sie so innig mit sich zu vereinigen, Sie so vollkommen zu seiner Braut zu machen, dass Sie nur mehr für ihn leben. Darum auch zog er Sie durch die Anmut seiner Liebe nicht in seinen aktiven Orden, (wo Ihre unternehmende Natur Ihnen allerdings auch nützlich gewesen wäre), sondern in den Karmel, damit Sie dort unbekannt und verborgen mit ihm leben sollten, als wahre Braut, die ihre ganze Freude nur in ihrem Geliebten findet, die nichts sucht, als sein Wohlgefallen und die Interessen seiner Ehre.

Diese Berufung, meine Tochter, ist etwas ganz Erhabenes und Großes: "ganz verborgen mit Christus in Gott" (KoI 3,3). Eine getreue Karmelitin, die nur für Jesus und seine Glieder lebt, verschafft Gott mehr Ehre und tut mehr für das Heil der Seelen in wenigen Monaten, als andere während ihres ganzen Lebens. Denn sie tritt in eine solche Vertrautheit mit ihrem allmächtigen Bräutigam, dass sie über alle Schätze seines Herzens verfügt, und diese sind unendlich!

Aber dies alles unter der Bedingung, dass sie ihre Aufgabe als Braut mit vollkommener Treue und großer Vollkommenheit erfüllt. Sie hat nur diese Aufgabe und wenn sie diese nicht erfüllt, tut sie weniger als eine Barmherzige Schwester oder eine einfache Krankenwärterin, denn diese, wenn sie auch nicht immer bei ihrem Bräutigam bleiben können, beschäftigen sich doch mit seinen Gliedern. In einem Königreich hat der Herrscher seine Minister, seine Generäle, seine ihm treuen Diener; er liebt sie, schätzt sie und sie tun viel für ihn und sein Volk; aber seine Gemahlin, wenn sie treu und liebevoll ist, ist ihm doch teurer als sein ganzes Königreich, und ihre geringsten Wünsche sind Befehle für sein Herz. Wenn sie jedoch nicht treu ist, wenn sie anderen zulächelt, wenn der Herrscher sieht, dass seine Liebe ihr nicht genügt, wenn er bemerkt, dass sie für ihr Glück der Liebe und Zuneigung anderer bedarf, dann erfüllt sie nicht die Aufgabe einer Gemahlin, dann findet er nicht seine Wonne an ihrem Herzen und dann ist er lieber mit seinen Ministern und treuen Dienern zusammen (vgl. Sponsa Verbi, 1. Kap.).

O teure Tochter, wie sehne ich mich, Sie ganz dem Heiland ergeben zu wissen, wie bete ich und bitte Jesus, Sie würdig Ihrer erhabenen Berufung zu machen! Wie wünsche ich, Sie als heilige Karmelitin zu sehen! Um dieses zu erreichen, müssen Sie die Natur opfern, niemals ihr nachgeben, sondern jede Faser Ihres Wesens in die Hände Ihres Bräutigams legen, damit nichts sich regt in Ihnen, als nur auf seinen Befehl und aus Liebe zu ihm. Jesus ist immer in Ihrem Herzen, legen Sie hundertmal täglich Ihr ganzes Sein ihm zu Füßen und lassen Sie ihm freie Hand in allem. Wenn er Sie dann beim Wort nimmt, wenn er tief ins lebendige Fleisch schneidet, stöhnen Sie, schreien Sie auf, gut! Doch küssen Sie die Hand Gottes, die Sie vorbereitet für die göttliche Vereinigung mit dem Gekreuzigten: "Ich bin der wahre Weinstock und mein Vater ist der Weingärtner, und jeden, der Frucht trägt, den wird er reinigen, damit er mehr Frucht trage" (Joh 15, 1.2). Der hl. Johannes vom Kreuz sagt:

Wenn man sich einmal Jesus geweiht hat in einem Kloster, muss man im Glauben jedes Mitglied der Klostergemeinschaft betrachten, als von Jesus Christus beauftragt, uns in der Tugend zu üben und uns zu bilden."4. März 1907. "Sagen Sie sich, dass Sie ins Kloster eingetreten sind, um sich bearbeiten zu lassen, wie ein Stein, den man behaut, bis er zum Bauwerk tauglich ist." Mit dieser Idee werden Sie in all Ihren Mitbrüdern nur Bauleute erblicken, die von Gott bestellt wurden, um durch Abtötung an Ihnen zu meißeln und Sie heilig zu machen."

Doch die Finsternis hält an; der Weg zum inneren Aufstieg ist nicht nur öde, sondern scheint der Seele auch endlos. Sie bedarf einer festen doch zarten Hand, um die Höhen zu erklimmen, wo das Zeichen des Sponsus sanguinis (Blutbräutigam vgl. Ex 4, 25) sich erhebt. Mit welch einem Zartgefühl geht Dom Marmion zuwege! Kann man menschlicheren und gleichzeitig erhabeneren Gesinnungen begegnen?

"Ich sah, dass Sie litten, und ich litt mit: wir sind ja vereint! Und doch könnte ich nichts anderes wünschen. Ich habe Sie mit Jesus als sein Amen in den Schoß des Vaters gelegt. Er liebt Sie unendlich mehr und unendlich besser als ich es vermag.

Ich übergebe Sie ihm, wie Maria Jesus hingab, und wenn er Sie mit Ihrem Bräutigam ans Kreuz heften will und für Sie Schande, Leiden und Missverständnisse wählt, wenn er für Sie die Hinopferung, die Vernichtung bestimmt, so will auch ich es für Sie, wie ich es auch für mich will. Wir sind nicht geschaffen, um uns hier auf Erden zu ergötzen, unser Glück ist oben: "Empor die Herzen". Im göttlichen Plan nimmt alles Gute seinen Ausgang von Kalvaria, vom Leiden. Der hl. Johannes vom Kreuz hat gesagt, dass unser Heiland die Gabe der Beschauung, der vollkommenen Verbundenheit fast immer nur jenen Seelen gibt, die viel für ihn gearbeitet, viel für ihn gelitten haben."Man muss bedenken, dass die Seelen, welche sich zu einer so hohen Stufe (Nachlassen der Sündenstrafen) und zur geistigen Vermählung erschwingen, gewöhnlich durch viele Mühsale und Widerwärtigkeiten gegangen sind. Man muss letztere erdulden, um Gott ähnlich zu werden." La vive flamme de l'amour, Strophe 2, Vers 5. Mein innigster Wunsch für Sie aber ist eben diese vollkommene Vereinigung, so reich an Früchten für die Kirche und die Seelen. Der hl. Paulus sagt uns: "Darum werde ich mich am liebsten meiner Schwachheiten rühmen, damit die Kraft Christi in mir wohne" (2 Kor 12, 9). Ich möchte Sie so ganz schwach sehen in Ihren Augen, aber erfüllt mit der Kraft Christi. Jesus hat uns verheißen, dass durch die heilige Kommunion nicht nur wir in ihm bleiben, sondern dass auch er in uns bleibe (vgl. Joh 6, 57). Darin besteht diese Krsft Christi. Je mehr unser Leben aus dem seinigen quillt, desto mehr haben wir die Kraft Christi-desto mehr verherrlicht es den Vater: "Dadurch wird mein Vater verherrlicht, dass ihr recht viel Frucht bringt. - Wer in mir bleibt und ich in ihm, der trägt viel Frucht" (Joh 15, 8.5. -15. März 1914).

* * *

Um dieselbe Zeit (1903-1905) stand Dom Marmion in brieflichem Verkehr mit einem noch ganz jungen Mädchen, das an einer unheilbaren Krankheit darniederlag und das zwei Jahre später im zarten Alter von 16 Jahren durch den Tod von seinem schweren Leiden Erlösung fand (Im April 1905. Nach dem Zeugnis aller, die das Mädchen kannten, war es eine Seele von bewunderungswürdiger Anmut, Reinheit und großem Adel der Gesinnung). Dom Marmion schrieb ihm mehrere Briefe; der hohe Gedankenflug, das seltene Anpassungsvermögen und die seelische Tiefe machen aus dieser Briefsammlung wirklich einen kleinen Schatz. Wir geben die daraus entnommenen Stellen in chronologischer Reihenfolge:

3. April 1903. "Gewiss, es ist wahr, dass dieses Leben voll der Trauer und der Tränen ist, denn immer wieder muss man zusehen, wie die liebsten Menschen leiden, und muss sich von den teuersten Menschen trennen (Dom Marmion spielt auf den Eintritt einer seiner Schwestern in den Karmel an, und gedenkt des Todes eines jüngeren Bruders im Februar 1903). Doch es gibt eine Heimat, dort oben im Haus des Himmlischen Vaters, wo es weder Tränen noch Trennung gibt. Dort werden wir immer mit denen zusammen sein, die wir lieben. Um jedoch dorthin zu gelangen, müssen wir hier unten leiden. Darum sind es oft gerade die treuesten Freunde Gottes, die viel auf dieser Erde leiden müssen, damit sie ihr Herz nicht an irdischen Tand hängen, da ihrer ein unendliches Glück für die ganze Ewigkeit harrt.

Betrachten Sie Jesus und Maria. Sie waren dem lieben Gott teurer als alle Menschen zusammen, und doch hat nie ein Mensch so viel gelitten wie Jesus, und nie hat eine Mutter solche Schmerzen erduldet, wie Maria, die Mutter der Schmerzen."

29. Januar 1904. "Sie berichten mir, teures Kind, dass Sie sich manchmal so wohl fühlen bei Jesus im Gebet, ein andermal jedoch jede Andachtsübung Sie kalt und trocken lässt. Dies kommt daher, dass im Leben der Seele, wie im Leben der Natur, Sommer und Winter abwechseln. Der Sommer muss uns Mut geben und uns helfen, den Winter zu ertragen; und der Winter muss uns lehren, dass wir aus uns selbst nichts vermögen und ganz auf Gott und seine Gnade angewiesen sind. Wundern wir uns also nicht über diese Wechselfälle, die notwendig sind für das innere Leben, und geben wir Gott zu erkennen, dass wir ihm aus Liebe dienen, indem wir ihm ebenso treu sind zur Zeit der Kälte und Trockenheit, als im Sommer der Tröstungen. Es kann auch vorkommen, dass diese innerliche Trockenheit ein kleiner Mahnruf Gottes ist, damit wir irgend eine Untreue bessern."

29. Mai 1904. Je lieber man Gott ist, desto mehr muss man in dieser Welt leiden. Jesus, der meistgeliebte Sohn Gottes, hat mehr gelitten als irgendein Mensch je zu leiden hatte; Maria, unsere Mutter, ist die Mutter der Schmerzen. Und warum? Weil Gott so gut ist. Er gibt den Ungläubigen, Gottlosen und Bösen, die das Glück nicht haben werden, einstens das schöne Paradies zu besitzen, die Güter dieser Welt: Güter, die einige Jahre dauern und dann für immer vorüber sind. Aber seinen Freunden schenkt er ewige Freuden, denn jedes, auch noch so kleine für Gott und in Vereinigung mit Jesus ertragene Leiden, zieht eine überschwängliche Belohnung nach sich für die ganze Ewigkeit. Darum war Maria so arm, darum hat sie ein lebenslängliches Martyrium zu erdulden gehabt, seit der greise Simeon ihr die Leiden ihres Sohnes vorausgesagt hatte.

Vereinigen Sie also, teures Kind, alles, was Ihrem Körper und Ihrem Herzen weh tut, mit dem Heiligsten Herzen Jesu, denn diese Vereinigung gibt allen Leiden erst den vollen Wert.

1. Oktober 1904. "Sie dürfen sich nicht wundern, wenn Sie bei dem augenblicklich so schwachen Zustand Ihres Körpers nicht immer diesen Eifer und diese Inbrunst wahrnehmen, die Sie gern bei Ihren Gebeten haben möchten. Die arme Seele hängt so vom Körper ab, dass sie nicht viel zu leisten vermag, wenn er krank und müde ist. Selbst die große heilige Theresia beklagte sich trotz ihres Eifers und ihrer Hochherzigkeit bitter, dass die Schwäche ihres Körpers ihre Seele hinderte, sich in der Betrachtung zu Gott zu erheben. Wenn wir jedoch diesen Zustand mit Geduld tragen, dann sind wir dem lieben Gott bedeutend teurer und seinem Herzen viel näher, als wenn wir von Trost und Inbrunst erfüllt sind, denn dann ist unsere Liebe rein und ohne Eigenliebe."

8. Oktober 1904. "Ich war sehr betrübt über die Nachricht, dass Sie sich so schwach und leidend fühlen oder, wie Sie sagen, einer Blume gleichen, die ihr Köpfchen hängen lässt. Ich bete jeden Tag zum Heiland, dass er Ihnen den Mut verleihe, weiter zu leiden und Ihren so mühseligen Zustand zu ertragen aus Liebe zu ihm und in Vereinigung mit der Schwäche und den Leiden bei seiner Kreuzigung. Ach ja, mein Kind: für Jesus leiden ist das wahre Glück. O könnten wir es fassen. Denn wie nahe steht dem Herzen Jesu der, welcher leidet! Sie müssen sich aber oft durch die Liebe mit ihm vereinigen und alles mit ihm und für ihn annehmen, was der liebe Gott Ihnen auferlegt."

30. Dezember 1904. "Wie krank waren Sie! Gäbe es nur diese Welt mit ihren Prüfungen, Trennungen und Tränen, so hätte mich diese Nachricht sehr betrübt, denn ich liebe meine Kleine gar sehr. Doch ich denke an das schöne Paradies, wo wir eines Tages sein werden, und wo jeder Leidenstag, den wir mit Jesus und für Jesus erduldet haben, seine Belohnung erhält, seine Freude und seine ewige Ruhe. O ja, mein Kind, Jesus behandelt Sie, wie er seine liebe Mutter behandelt hat und wie er jene behandelt, die er besonders liebt. Haben Sie Mut. Ich bete für Sie alle Tage, damit der liebe Heiland Ihnen eine vollkommene Unterwerfung unter seinen heiligen Willen verleihe ...

Ein einziger Tag der Schwäche und der Krankheit, freudig für Jesus ertragen, wiegt Monate (mit gutem Gesundheitszustand) auf."

13. Februar 1905. "Wenn es nach den bangen Stunden und den Leiden dieses Lebens keine Ewigkeit der Ruhe und der Freude bei Gott im Vaterhaus gäbe, wäre ich ganz traurig über die schweren Leiden meines teuren Töchterchens. Aber ich richte meinen Blick nach oben zum schönen Paradies, wo wir einst alle beisammen und bei Gott sein werden für immer. Jeder Tag, jede Stunde, ja jeder Augenblick des Leidens, das wir mit Jesus um seiner Liebe willen ertragen, wird uns zu einem neuen Himmel für die ganze Ewigkeit, wird zu einer dauernden Ehre für Jesus. Im Himmel trägt auch Jesus stets seine heiligen Wundmale, die wie fünf Sonnen im hellsten Glanz leuchten und laut verkünden, was er aus Liebe zu seinem Vater und für uns erduldet. Desgleichen wird auch jedes Leiden, das wir vereint mit ihm ertragen, wie eine Sonne leuchten und so dem Himmel kundtun, was wir für den Heiland gelitten haben.

Ich bete jeden Tag mehrmals für Sie und Ihre teuren Eltern, auf dass der liebe Gott Ihnen allen die Gnade verleihe, seine Wege und Ratschlüsse anzubeten und sich ganz mit willigem Herzen den Prüfungen zu unterwerfen, die er Ihnen schickt."

27. März 1905. "Der liebe Heiland wird es mir nicht übelnehmen, wenn ich Ihnen auch während der Fastenzeit einige Zeilen zukommen lasse, da er uns versichert, dass, was wir seinen kranken Gliedern Gutes tun, wir ihm selbst tun. In der heiligen Fastenzeit war in den Klöstern gewöhnlich das Briefschreiben untersagt oder eingeschränkt. Doch die feinfühlende und übernatürliche Liebe Dom Marrnions verlangte von ihm hierin zu Gunsten eines kranken Gliedes Jesu Christi Milde walten zu lassen.

Ich habe erfahren, dass Sie bereits die Letzte Ölung bekommen haben. Ihr ganzer Leib wurde so durch dies Sakrament geheiligt und Gott geweiht und Sie wurden den Armen Gottes übergeben, dass er Sie hüte und tröste. Die Gnade dieses Sakramentes wirkt während des ganzen Krankheitszustandes und verschafft Ihnen stündlich neue Gnaden.

Mein liebes Kind! Es ist in Ihrem Alter recht schwer und hart für die Natur, so leidend und hilflos zu sein. Und doch, wenn wir Sie sehen könnten mit den Augen der Engel, wie würden wir Sie beneiden! Durch die Taufe und die heilige Kommunion sind Sie ein anderer Christus geworden und jetzt, hingeworfen auf das Leidensbett, ein wahres Abbild des Heilandes am Kreuz. Jedes Mal, wenn Sie sich dem gekreuzigten Jesus durch einen Akt der Geduld und der Gleichförmigkeit mit dem Willen Gottes vereinigen, werden Sie dem Herzen Jesu immer teurer. Ihr Leidenszustand, aus Liebe hingenommen und in Vereinigung mit Jesus Christus ertragen, ist dem lieben Gott ebenso angenehm wie der Stand einer Ordensfrau. Und wenn Sie treu ausharren, wenn Sie keine der Gnaden verlieren, die Sie augenblicklich erhalten, können Sie selbst an Verdiensten Ihre Schwester überflügeln, obwohl sie das raue Gewand einer Karmelitin trägt."

Folgt noch ein letzter Satz, dessen übernatürlicher Gedankengang wohl zu merken ist; er fasst die große Lehre vom christlichen Leiden zusammen:

"Ihre Leiden und den Zustand der Entkräftung mit Sanftmut tragen in Vereinigung mit den Leiden Christi, heißt viel leisten."

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Die Geduld in Leiden und Prüfungen zeitigt die besten Früchte in der Verbundenheit mit dem leidenden Heiland. Man erwartet, dass dieser Punkt ein besonderes Gepräge bekommt vom Verfasser des: "Christus, das Leben der Seele." Und in der Tat, mag er sich an Mitglieder eines beschaulichen Ordens wenden, an Missionare, oder an verheiratete Personen, überall führt er die gleiche Sprache: erhaben und überzeugend, menschlich nah und doch übernatürlich; ein warmes Gefühl der Salbung durchweht alle diese Zeilen (All die folgenden Auszüge datieren aus den letzten Jahren seines Lebens; seine eigene Leidenserfahrung erklärt die ausfallende Salbung seiner Worte): "Unser Leben", so schreibt er einer Oberin, "ist genau in dem Maße Gott wohlgefällig, als wir mit dem "Ewigen Wort", vereint sind durch die Liebe und die Ergebung. Die heilige Menschheit Christi hat in den Stunden ihrer Schwäche während seiner Leidenszeit Gott eine besondere Ehre erwiesen. "O Gott, der du die gefallene Natur wieder gehoben hast durch die Schwachheit deiner für uns angenommenen menschlichen Natur" (Dom Marmion verbindet hier in einem Ausdruck zwei Gedanken, die in den liturgischen Gebeten vom 2. Sonntag nach Ostern und vom Feste "der Lanze und Nägel" enthalten sind).

Der göttliche Meister lässt jeden seiner Auserwählten zu irgendeiner der Lebenslagen in Verbindung treten, die er geheiligt und Gott geweiht hat in seiner göttlichen Person. Die einen werden vereint mit seiner heiligen Kindheit, andere mit seinem verborgenen Leben, wieder andere mit seiner seelsorglichen Tätigkeit, noch andere mit seinem Leiden. Einige wenige sind ihm beigesellt in der Schwachheit seiner Todesangst, doch sind es gerade letztere, die ihm die meiste Ehre geben.

In unserm Handeln sind wir nur allzu sehr versucht, unsere natürliche menschliche Tätigkeit an Stelle des Einflusses und des Wirkens Gottes zu setzen. Aber wenn Gott uns dann niederwirft, uns unserer Tätigkeit beraubt, nimmt er vollen Besitz von uns und heiligt und vergöttlicht jede Tätigkeit, die von ihm ihren Ursprung hat (Siehe Kapitel: In Christus Jesus). Das ist es, was Gott jetzt bei Ihnen tut. Ihr Gebet muss dahin zielen, sich jeden Tag tiefer zu versenken in diesen göttlichen Willen. Versenken Sie Ihr Herz in das Herz Jesu und lassen Sie ihn an Ihrer Stelle wollen. Ich flehe jeden Tag zum Herrn, dass er Ihnen die Gnade schenke, das Kreuz tragen zu können, welches er auf Ihre Schultern gelegt. Blosius sagt, dass eine Seele, die sich freiwillig und ohne Vorbehalt Gott hingibt und ihm gestattet, frei nach seinem Wohlgefallen über sie zu verfügen, in wenigen Tagen - für gewisse Seelen gilt selbst: in einer Stunde - mehr tut, als andere durch ihr Hasten und Arbeiten während langer Jahre" (16. Mai 1915).

Wir bringen hier weiter zwei Auszüge aus Briefen, die er einer Missionsschwester in heißen Ländern sandte; sie sind wundervoll in der Tiefe der Auffassung und in der seltenen Erhabenheit der Gesinnung:

"Es gibt wohl hier auf Erden kein schwereres Kreuz als diesen Zustand der Erschöpfung und der Müdigkeit, hervorgerufen durch das Klima und das Leben, das Sie führen müssen. Doch glauben Sie mir, nichts wirkt so rasch in uns das göttliche Leben, als die Verbundenheit mit der Schwäche Jesu Christi.

Durch die Annahme unserer Natur in der Menschwerdung hat Jesus auch all unsere Schwachheiten, unsere Ohnmacht, unsere Leiden auf sich genommen, er hat sich dieselben ganz zu eigen gemacht: "Wahrlich er trägt unsere Krankheiten und ladet auf sich unsere Schmerzen" (Jes 53, 4). Bei seiner Menschwerdung hat das "Göttliche Wort" nicht, wie auf dem Tabor, einen verklärten Leib angenommen, auch nicht einen leidensunfähigen, wie nach der Auferstehung, sondern einen: "… in Ähnlichkeit des Fleisches der Sünde" (Röm 8, 3), den Leib eines Sünders, ähnlich dem unsrigen in allem, mit Ausnahme der Sünde. Er hat unsere Schwachheiten geadelt, göttlich gemacht, indem er sie auf sich nahm, und von dieser Stunde an rufen sie in uns zum Vater, als wenn es die seinigen wären.

Dies vollzieht sich durch einen reinen nüchternen Glauben, durch eine Liebe, die nicht im Gefühl besteht; und an Stelle unserer Schwäche erhalten wir in überschwänglicher Weise die Kraft Christi."

Nachdem er von neuem den hl. Paulus zitiert, schließt er mit folgenden Worten:

"Es drängt mich so sehr, Sie diese große Wahrheit zu lehren und Ihnen zu helfen, sie in die Tat umzusetzen. Sie müssen sich voll und ganz Jesu Christus hingeben, indem Sie im heiligen Glauben alles annehmen, was er Ihnen schickt oder was er zulässt. Sie mögen wissen, teure Tochter, dass in einer Seele, die wie die Ihre alles verlassen hat und nichts anderes sucht als nur Gott allein, stets ein unbewusstes Gebet zum Himmel steigt, das man zwar nicht fühlt, das aber doch da ist, selbst inmitten aller Schwächen. Denn unsere Wünsche sind wahre Gebiete für den, der Herz und Nieren durchforscht (Offb 2, 23 u Ps 7,10). "Das Verlangen der Armen hat erhört der Herr" (Ps 10,17). Doch dazu bedürfen Sie vieler Geduld: "Denn Ausdauer ist euch vonnöten" (Hebr. 10, 36). Durch sie, durch das Zurückhalten jeglicher inneren Unzufriedenheit, durch ein Lächeln, mit dem Sie jeder Widerwärtigkeit begegnen, wird Jesus Sie teilnehmen lassen an seinem heiligen Leiden."

"Ein Gedanke, der Ihnen helfen und Sie stets ermutigen muss, ist folgender: Alles, was Gott für uns tut, ist ein Ausguss seiner Barmherzigkeit: "Deine Huld besteht für immer und ewig; deine Treue steht fest im Himmel (Ps 88, 3). "Gott baut sein ewiges Denkmal seiner Barmherzigkeit im Himmel". Die Steine zu diesem Denkmal sind die Armseligen, die Hilfsbedürftigen, die die Barmherzigkeit Gottes herabrufen durch ihr Elend. Denn Barmherzigkeit ist Güte angesichts der Not. Der Grundstein dieses Denkmals ist Christus selbst, der unsere Schwachheiten auf sich nahm: " Er hat unsere Leiden auf sich genommen und unsere Krankheiten getragen" (Mt 8,17). Er vergöttlicht sie und gibt ihnen unendlichen Wert in den Augen seines Vaters. Wenn Sie jeden Morgen Ihre Müdigkeit, Ihr Dahinsiechen, Ihre so vielen Leiden mit denen Jesu Christi vereinigen, wird er sie aufnehmen und zu den seinigen machen. Und wie der hl. Benedikt es so schön sagt: "Durch die Geduld nehmen wir an den Leiden Christi teil" (Prolog der Regel des hl. Benedikt), 71 werden wir durch geduldiges Tragen der Mühen und Widerwärtigkeiten dieses Lebens an den Leiden Christi teilnehmen. Dann wird seine Kraft, seine Tugend in uns herrschen: "Darum werde ich mich am liebsten meiner Schwachheiten rühmen, damit die Kraft Christi in mir wohne" (2 Kor 12, 9).

Ja, meine Tochter, es ist eine große Gnade, wenn man dies versteht und dem Heiland in seiner Schwachheit nachfolgt. Nichts zieht so sehr die Gunsterweise und die Barmherzigkeit Gottes auf uns herab, wie diese von Geduld durchdrungene Vereinigung unserer Mühen und Schwachheiten mit denen Jesu Christi.

Nehmen Sie also zum Gegenstand Ihres Partikularexamens die geduldige, aus voller Liebe quellende Annahme aller Mühen, Widerwärtigkeiten und Beschwernisse dieses Lebens. So gestaltet sich dann Ihr Leben zu einem beständigen Hilferuf zum Herzen des himmlischen Vaters."

Erhabne und so fruchtbringende Lehre und dennoch allen zugänglich, weil sie eben nur den einfachen christlichen Gedanken ausspricht ! Darum teilt Dom Marrnion sie mit nicht geringerer Freude auch verheirateten Personen mit:

"Es ist unmöglich auf einem anderen Weg zum Himmel zu gelangen, als auf dem, den Christus einschlug: auf dem Weg des Kreuzes. Dem Kreuz werden Sie jeden Tag auf irgend eine Art begegnen! Das Wichtigste ist, es in Vereinigung mit Jesus zu tragen; denn das allein gibt ihm den wahren und vollen Wert.

Ich bete jeden Tag für Sie, meine Tochter, damit Sie von Tag zu Tag dem lieben Heiland immer teurer werden" (20. März 1920).

"Gott hat uns dieses Leben nicht gegeben, damit wir es zu einem Lustgarten machen; es ist im Gegenteil eine Zeit der Prüfung, auf die dann erst die Ruhe, ja eine Ewigkeit von Freude folgt. Christus hat während seines ganzen Lebens gelitten, denn der Schatten des Kreuzes folgte ihm Schritt für Schritt und so nehmen auch alle, die er liebt, mehr oder weniger ihr ganzes Leben hindurch an diesem Kreuz teil. Die Widerwärtigkeiten, das Nichtverstandenwerden, die körperlichen und seelischen Leiden, die Schwierigkeiten im Haushalt, all das ist ein Teil Ihres Kreuzes. Doch wenn Sie alles willig auf sich nehmen, werden diese Leiden geheiligt, vergöttlicht durch die Verbindung mit denjenigen Jesu Christi. Die Tugend, die ich bei unserm nächsten Zusammentreffen bei Ihnen vorfinden möchte, ist vor allem die Geduld. Die Geduld vereinigt uns sehr mit dem leidenden Heiland, wie auch Maria mit ihm verbunden war "am Fuße des Kreuzes."1. November 1921. Einige Wochen später, am 14. Dez. 1921, schrieb er sehr feinfühlend der gleichen Dame im Anschluss an die Weihnachtsgrüße: "Möge Jesus Sie segnen zum Lohn der Mühen, Sorgen und Ängsten, die Sie als Mutter ertragen, um ihm Seelen zu schenken, die ihn die ganze Ewigkeit hindurch loben werden. Auch Maria wird Sie segnen, weil Sie die Gottesmutterschaft mit ihr geteilt haben. Der hl. Beda sagt, dass wir jedes Mal Christus zeugen, wenn wir eine Seele lehren Jesus zu erkennen und zu lieben. So sind Sie also doppelt die Mutter Ihrer Kinder."

Wie immer, so lenkt Dom Marmion auch hier den Blick der Seele auf den leidenden Christus, in dem allein die Quelle der Geduld sich findet. Auch der folgende Brief richtet sich an eine in der Welt lebende Person:

"Es ist ganz in der Ordnung, dass Sie von Zeit zu Zeit in einen Zustand der Trockenheit und des Überdrusses versetzt werden. Alle Seelen, die nach der Vereinigung mit Jesus streben, müssen diesen Weg gehen. Dieses Gefühl der Unfähigkeit, der Schwäche, des Widerwillens ist notwendig, damit unser Stolz nicht sich das zuschreibt, was nur von Gott allein kommt. Das fast unbewusste Gefühl des inneren Friedens, das Sie in der Tiefe des Herzens wahrnehmen, ist ein Zeichen der Gegenwart des Heiligen Geistes in Ihrer Seele.

Jesus ist das Lamm Gottes und seine Hinopferung besteht darin, dass er sich wie ein geduldiges Lämmlein allen Leiden hingab, die sein Vater ihm bereiten wollte. Er wandte sein Antlitz nicht ab von jenen, die ihm ins Gesicht spieen. Er tat seinen Mund nicht auf (Jes 52). Wenn wir mit diesem Lamm Gottes vereint sein wollen, müssen auch wir uns blindlings der uns züchtigenden Hand Gottes preisgeben, ja allen Leiden, die seine Liebe und Weisheit uns schickt. Das ist die beste und erhabenste aller Hinopferungen. Auch Jesus lernte kennen, was Unlust, Angst und Mattigkeit bedeutet; er versteht all das" (24. Juni 1919).

"Sie müssen sich", so schreibt er der gleichen Person, "folgende Wahrheit gut einprägen: Alles, was Gott für uns tut, ist ein Ergebnis seiner Barmherzigkeit. Das Elend, das der Güte vor Augen steht, erweckt die Barmherzigkeit, d. h., lässt ein gütiges Herz mitleiden, bis es uns geholfen hat. Wir sind Mitleidsbedürftige und unsere Leiden, mit Jesu Leiden vereint, rufen zu unserm Himmlischen Vater. Es ist dies ein ununterbrochenes Gebet, vorausgesetzt, dass wir unsere fortgesetzten Leiden, Mühen und Widerwärtigkeiten mit Geduld und Ergebenheit tragen. "Durch die Geduld", sagt der hl. Benedikt, "nehmen wir teil an den Leiden Christi" (18. Oktober 1921).

Und jetzt noch ein letztes Echo der ihm so vertrauten Lehre; die Zeilen sind nur einige Wochen vor seinem Tod niedergeschrieben worden:

"Sie befinden sich auf dem rechten Weg, der stets zu Gott führt: auf dem Weg der Widerwärtigkeiten und der Schwäche. Es ist dies der Weg der treuen Erfüllung unserer Standespflichten, die man trotz der Hindernisse in steter Liebe tut. Jesus ist unsere Stärke; unsere Schwachheit, von ihm übernommen, wird so zur göttlichen Schwachheit, und diese ist stärker, als alle Kraft des Menschen. "Das Schwache an Gott ist stärker als die Menschen." (1 Kor 1, 25). Das ist eine tiefe und wichtige Wahrheit. Das ganze Leiden Christi ist nichts anderes, als der Triumph der göttlichen Schwäche über alle menschliche Macht und Bosheit. Aber dazu brauchen wir eine große Geduld und in jedem Augenblick ein mit Liebe erfülltes Annehmen des göttlichen Willens. Denn "durch die Geduld nehmen wir teil an Christi Leiden." Denken Sie oft daran in Ihren Gebeten; Sie werden so große Fortschritte machen" (21. November 1921, an die gleiche Person).

Um dieselbe Zeit, am 21. November 1922, schrieb Dom Marmion einem jungen Mädchen folgende Zeilen, die noch einmal alles bis jetzt Angeführte zusammenfassen. Man beachte besonders die Schlussfolgerung:

"Die Vereinigung mit Christus vollendet sich im Glauben: "Ich verlobe mich mit dir durch den Glauben" (Of 2, 20). Das Gefühl, mit ihm verbunden zu sein, ist seine Gabe, doch nicht Er selbst. Wir müssen es seiner Weisheit überlassen und ebenso gern geben als entsagen:

"Denn ohne ihn vermögen wir nichts" (Joh 15, 5). Die vollständige Losschälung von den Geschöpfen und das Nur-ihm-anhangen muss uns von der Gnade geschenkt werden. Es ist der Lohn eines demütigen Gebetes und der Geduld. Als Frau Gertrud Morus (Abkömmling des seligen Thomas Morus) auf dem Sterbebett lag, kam ihr Seelenführer: Dom August Baker OSB, welcher viel für sie getan hatte, noch einmal sie besuchen. Die Äbtissin meldete ihr, dass er gekommen wäre. Sie jedoch antwortete: "Ich bedarf keines Menschen." Christus war eben ihr ein und alles. Dies ist nun wohl sehr erhaben und vollkommen. Aber wir dürfen noch nicht so hoch fliegen wollen, solange unsere Flügel noch so klein und schwach sind. Eine vollkommene Geduld in allem, was der liebe Gott uns schickt, vereinigt uns mit dem Leiden Christi. Versuchen Sie, jede Offenbarung des göttlichen Willens mit einem liebevollen Lächeln zu beantworten" (21. November 1922).

IV. Die Entfaltung der Gottverbundenheit durch die Übung der göttlichen Tugenden

1. Der Glaube

Das Leben der Gottverbundenheit ist in seinem innersten Grunde eigentlich nur das Leben der Gnade, das uns durch die Taufe eingepflanzt wurde und sich frei entfaltet in einer Seele, die gereinigt ist von der Sünde und losgeschält von dem eigenen Ich. Dieses Entfalten vollzieht sich hauptsächlich durch die Übung der drei göttlichen Tugenden des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe. Durch die Gnade sind wir an sich schon mit Gott verbunden; diese Tugenden jedoch, die seelische Vermögen, Fähigkeiten zu handeln sind, lassen uns dieses Leben der Vereinigung auch in die Tat umsetzen. Durch den Glauben gelangen wir zur Kenntnis Gottes; durch die Hoffnung hegen wir den Wunsch und leben der Überzeugung, ihn zu besitzen; die Liebe vereinigt uns innig mit ihm in einer Freundschaft des Wohlwollens, in der Gegenseitigkeit der Gesinnung und inniger Lebensgemeinschaft. Diese drei Tugenden sind die der Gottverbundenheit eigenen Tugenden; ihre treue Übung sichert ihr Wachstum und bringt sie zur vollkommenen Entfaltung.

* * *

Der Glaube ist das einzige geeignete und naheliegende Mittel, um die Seele mit Gott zu verbinden, denn der Glaube stellt eine so innige Verbindung mit Gott her, dass der Akt des Glaubens und der der ewigen Anschauung den gleichen Gegenstand zum Ziel haben, obgleich sie ihn auf verschiedene Art und Weise erreichen. Je größer und stärker der Glaube, desto besser ermöglicht er die innigere Verbundenheit, die sich durch die Liebe vollzieht (vgl. Johannes vom Kreuz: Der Aufstieg zum Karmel 2, 8). Wie oft hat Dom Marmion über dieses herrliche Thema, den reinen nackten Glauben gesprochen, mit welcher Begeisterung, mit voller Beherrschung des Gegenstandes! Immer und immer wieder pries er diese wesentlich übernatürliche Tugend, dieses von Gott, dem Schöpfer und Endziel der übernatürlichen Ordnung, in die Seele eingegossene Licht, das uns am Wissen des Ewigen teilnehmen lässt:

"Durch unsern von der Gnade erhöhten und vom Licht der Glorie (lumen gloriae) erhellten Geist werden wir einstens im Himmel unmittelbar mit Gott in Verbindung treten und in seinen Besitz gelangen; und durch denselben, vom Licht des Glaubens erleuchteten Geist besitzen wir Gott hier auf Erden" (9. April 1918).

Gestützt auf das Konzil von Trient, bewies Dom Marmion in wunderbarer Weise, dass der Glaube die Wurzel aller Rechtfertigung, die Grundlage des ganzen christlichen Lebens ist. Oft erläuterte er den Text des hl. Paulus: "Der Gerechte lebt aus dem Glauben" (Röm 1, 17; Hebr 10, 38. vgl. in "Christus, das Leben der Seele": Der Glaube, Grundlage des christl. Lebens), und wenn er über die Geheimnisse Christi sprach, so legte er den Ton stets auf diese Tugend, weil sie allein uns in eine lebendige Gnadenverbindung mit Christus, dem Sohn Gottes, versetzt (Siehe das Wort "Glaube" im Inhaltsverzeichnis des Buches: Christus in seinen Geheimnissen). Der ganze Dom Marmion steht vor uns, wenn er auf dieses Thema zu sprechen kommt (vgl. "Un maître de la vie spirituelle" S. 431). So braucht er, um die Seelen zu belehren und auf diesem Weg zu ermutigen, nur aus der Fülle seines Herzens zu reden:

"Gott", so schreibt er einer Karmelitin, "wird sich uns einst schenken mit einer unaussprechlichen Liebe in der Herrlichkeit der ewigen Anschauung die ganze Ewigkeit hindurch. Doch seine Ehre fordert von uns, dass wir ihm jetzt hier auf Erden in der Nacht des Glaubens dienen, so gut wir es nur können. Der Glaube ist das übernatürliche Leben, denn "aus dem Glauben lebt der Gerechte". Durch einen Ratschluss seiner ewigen Weisheit hat Gott bestimmt, dass unsere Prüfung hier auf Erden eine Prüfung des Glaubens sein sollte; und diesen seinen heiligen Willen müssen wir hier unten liebend umfangen. Wenn Gott uns manchmal in seiner Güte Erleuchtungen und innere Süßigkeiten schenkt, sollen wir sie in Demut annehmen. Falls wir jedoch dieser Gunst nicht gewürdigt werden, müssten wir ihm dennoch unser Leben lang im nackten Glauben dienen, wie auch der entblößte Christus am Kreuz den Vater geliebt und ihm gedient hat" (1. Januar 1920).

"Fahren Sie fort", schreibt er einer anderen Ordensfrau, "still und ruhig im einfachen nackten Glauben zu leben, ohne irgendwie Gefühle kosten zu wollen. Jesus wird Ihnen alles ersetzen. Fühlen Sie im Verkehr mit Gott sich ganz trocken und verstandesmäßig, so schließen Sie die Augen Ihrer Seele und sagen Sie in demütiger Anbetung nur ein langes Amen zu allem, was Jesus für Sie sagt "im Schoß des Vaters" (10. Januar 1907).

Doch was versteht er unter dem Ausdruck: nackter Glaube? Er wird es uns gleich sagen, indem er zugleich dessen ganze Kraft und Erhabenheit preist:

"Ich bin überzeugt, dass Gott Ihre Seele auf dem Pfad des nackten Glaubens führen will, d. h. in einem Glauben, frei von jeder persönlichen Befriedigung, die uns das Gefühl und wahrnehmbare Sicherheit bieten. Sie werden zwar von Zeit zu Zeit einen Licht- und Wärmestrahl erhalten; von dem sollen Sie zehren und sich im übrigen auf den einfachen Glauben stützen, ohne irgend eine (ichbezügliche) Tröstung, jedoch stets mit wirklicher, wenn auch nicht sinnlich wahrnehmbarer Freude in der Tiefe Ihrer Seele. Gewinnen Sie diesen Weg des nackten Glaubens recht lieb; er ist so sicher, so bar jeder Selbstsucht und so glorreich für Gott! Gott verleiht keine Tugend in einem hohen Grad, ohne dass wir um sie gerungen und gelitten hätten. Dies gilt auch vom Glauben: "der Wurzel und dem Fundament jeglicher Rechtfertigung". Es wird Ihnen manchmal vorkommen, als hätten Sie fast den Glauben verloren, und doch bleibt er ganz und vollkommen im Innersten Ihrer Seele gleich einem kleinen, kaum bemerkbaren Pünktchen. Schließen Sie die Augen, bleiben Sie mit Jesus vereint, und sagen Sie ein liebevolles Amen zu allem, was er in seinem Vater sieht" (März 1907).

Wie er es uns klar machte, ist diese Tugend schwer zu üben: ihrem Wesen nach ganz übernatürlich, den Menschen in eine göttliche Sphäre erhebend, "die der Beobachtung entrückt ist", steht sie nur zu oft in Widerspruch mit den Eindrücken der Natur. Dom Marmion lenkt oft die Aufmerksamkeit auf diesen wichtigen Punkt, denn er will, dass das Leben der Gottverbundenheit aufrichtig, stetig und dauernd sei.

"Sie müssen versuchen, sich mehr und mehr vom Glauben, und nicht von dem äußeren Eindruck lenken zu lassen. Gott schenkte uns die Vernunft, und will, dass wir uns durch diese vom Glauben erleuchtete Fähigkeit leiten lassen. Durch die Gabe der Vernunft unterscheiden wir uns von den Tieren, und wir verherrlichen Gott, wenn wir gemäß der uns gegebenen Natur handeln. Es gibt leider so viele Menschen und besonders Frauen, die sich von Eindrücken und Gefühlen leiten lassen, obgleich diese Windfahnen sind" (19. April 1909).

"Ich kann Sie nicht genug darauf aufmerksam machen, dass Sie sich in Ihrem geistigen Leben nicht mit dem beschäftigen sollen, was Sie fühlen oder erleben, denn Sie würden sich gar zu leicht täuschen! Nur zu oft denkt die Frau mit dem Herzen und urteilt sie nach den Empfindungen. Man muss aus dem Glauben leben" (Ohne Datum).

"Machen Sie sich nichts aus Ihren Empfindungen", so schreibt er einer geängstigten Ordensfrau, "es wäre Ihr Unglück, wollten Sie ihnen nachgeben. Gott will, dass wir zu ihm gehen durch den GIauben, ohne Gefühlsempfindungen oder vielmehr trotz ihrer. Man muss sie verachten, denn sie zählen nicht beim lieben Gott" (30. November 1922).

"Wenn Sie Christus am Kreuz betrachten, halten Sie nicht zu viel auf das, was Ihnen dieses Bild zu sagen scheint; gehen Sie den geraden Weg des nackten Glaubens. Wenn jedoch unser Heiland auf diese Art Ihnen hilft, dann seien Sie darüber nicht in Unruhe" (Ohne Datum).

Das Glaubensleben soll sich besonders betätigen beim Empfang der heiligen Kommunion, da sie das höchste Geheimnis des Glaubens ist:

"Was die heilige Kommunion betrifft, mein teures Kind, dürfen Sie sie nie unterlassen. Sie ist das Geheimnis des GIaubens und oft lässt uns der Heiland dabei ohne fühlbare Gnade und Freude, damit eben dieser unser nackter Glaube sich stärke. In der heiligen Kommunion wirkt Jesus in der rein geistigen Region unserer Seele, fern von den Sinnen, und verleiht dort Gnade und Tugend, ohne dass wir uns dessen bewusst sind" (4. Oktober 1913).

"Ihr Brief hat mir vielen Trost gebracht, denn ich ersah daraus, dass unser Heiland Sie den wahren und richtigen Weg führt. Da die heilige Kommunion das Geheimnis des GIaubens ist, kommt es oft vor, dass selbst die eifrigsten Seelen sich aller Andacht beraubt und in der Dürftigkeit des nackten Glaubens vor dem lieben Heiland sehen" (26. Dezember 1916).

Zu den Ermahnungen fügt Dom Marmion in seiner Güte auch die nötigen Aufmunterungen:

"Unsere Beziehungen zu Gott stützen sich auf den GIauben und nicht auf das Gefühl; so kann es vorkommen, dass wir Gott sehr nahe stehen - und dies ist oft der Fall - und uns doch sehr arm und schlecht fühlen" (Ohne Datum).

"Ich wünsche, Ihre Seele im Frieden zu wissen und Ihr Herz froh in der heiligen Freiheit der Kinder Gottes. Ihr Herz sollte so eins sein mit dem göttlichen Herzen, dass seine Gesinnungen die Ihrigen wären und Sie alles mit den Augen Jesu betrachteten. Der Blick Christi ist aber immer auf das Angesicht seines Himmlischen Vaters gerichtet, und er versichert uns, dass der Vater uns so sehr liebt, dass er seines geliebten Sohnes nicht schonte, sondern ihn für uns dahin gab. Möge Ihr Leben immer mehr ein Leben aus dem Glauben und nicht ein Gefühlsleben sein. Glauben aber heißt: für wahr halten, was Jesus sieht. Er ist der "Urheber und die Vollendung unseres Glaubens" (Hebr 12, 2). Ich bete für Sie, damit es bei Ihnen so sei" (13. November 1917).

"Glauben Sie mir, meine Tochter", so ermuntert er trefflich eine andere Ordensschwester, "Jesus möchte so gern Ihr Alles sein und Sie ganz beherrschen. Das ist der Grund, warum er zulässt, dass Sie aus sich selbst so gar nichts sind. Machen Sie sich die erhabene Theologie eines hl. Paulus zu eigen, denn dies hat Ihre Seele gerade nötig. Sie sind sein "Gefäß", zur Zeit fast leer, und der göttliche Meister will es füllen" (14. April 1906).

Dieses Leben im nackten Glauben ist Gott wirklich so wohlgefällig, dass es für die Seele zu einer Quelle vieler Gnaden, ja ganz besonderer Begünstigungen wird:

"Ich danke dem lieben Gott für die guten Gesinnungen, die er in Ihr Herz gelegt hat. Solange Sie klein bleiben, jedoch erfüllt von innigem Vertrauen zu ihm, wird er Sie stets mit seinen Gaben überhäufen. Wohl werden Sie nicht immer seine Gegenwart fühlen, dann gehen Sie eben zu ihm im nackten Glauben, was ihm sehr gefällt" (7. Dezember 1916 an eine Missionsschwester).

"Ich bin überzeugt davon, dass der Heiland Sie sehr liebt, und Ihnen das Gefühl der Vereinigung mit sich nur vorenthält, weil er Sie als "starke Frau" behandeln will, die im Glauben wandelt und nicht nach Eindrücken, wie die meisten Frauen. Das trockene Scheit wird einst auflodern, denn das Verlangen, Gott zu lieben, gefällt, wenn es aufrichtig ist, dem lieben Heiland so sehr, dass er es erfüllt und zwar weit über alles Begehren hinaus" (26. Oktober 1917 an eine Ordensfrau).

"Ich habe festgestellt, dass Sie geradeaus auf Gott zugehen durch eine kindliche und aufrichtige Liebe. Dies ist auch Ihr Weg. Unser guter Meister will Sie ganz zu eigen und will Sie allein besitzen. Er ruft Sie zu dieser geheimnisvollen Vermählung im GIauben. Er will Sie als Braut besitzen, damit Sie sich ganz ihm anvertrauen und ihn Herr und Bräutigam Ihrer Person sein lassen" (21. November 1922 an eine Benediktinerin).

Er fühlt sich glücklich, nach langen Jahren der Seelenführung sich folgendes Zeugnis ausstellen zu können:

"Ich führte Sie auf dem so sicheren Weg des Glaubens und ich weiß, dass, wenn der göttliche Meister Sie auch in einem sehr hohen Grade mit sich vereinigt hat, es immerhin wahr ist, dass er sich nur durch den Glauben mit Ihnen vermählt hat, so dass sich bei Ihnen die Wort bewahrheiten: "Ich verlobe mich dir durch den Glauben" (Offb 2, 20; 1909 ohne weiteres Datum, an eine Karmelitin).

* * *

Wie jede Tugend, so hat auch der Glaube Schwierigkeiten, die sehr quälend werden können. Dom Marmion bittet darum die Seele, recht treu zu bleiben:

"Sie durchleben augenblicklich eine harte Winterszeit, doch dies ist notwendig, um zu einer innigeren Vereinigung zu gelangen. Bleiben Sie zur Zeit recht vereint (mit Jesus) durch den Glauben: "Ich vermähle mich mit dir durch den Glauben", sagt der Bräutigam. Doch der Glaube hat sein Dunkel so gut wie sein Licht, und Gott bleibt gut, ob er sich in das Dunkel des Glaubens hüllt, oder uns auf dem Tabor der Tröstungen erscheint" (14. Februar 1914).

Aus dem Feuerofen der Prüfung, in den Gott die Seele wirft, geht die Tugend geläutert und kräftiger hervor. Manchmal sind diese Prüfungen unterbrochen von inneren Erleuchtungen, die die Seele in bis dahin unbekannte Tiefen der Geheimnisse unseres Glaubens dringen lassen, während der Hunger und Durst nach dem höchsten Gut immer quälender wird. Alles kämpft und ringt in der Seele, um sie, wie es scheint, aus dem Gleise zu bringen.

Dom Marmion hat solche Zustände angetroffen und sie gekennzeichnet. Man begegnet diesen Schwankungen besonders oft in der Zeit des geistigen Aufstieges, bevor der beständige Friede erreicht ist, der das ganze Sein in Gott befestigt. Den Seelen, die ihn in solchen Fällen um Licht und Rat bitten, spendet er Worte, die erleuchten, beruhigen und ermutigen; er zeigt ihren geistigen Augen Christus das wahre Vorbild jeder Vollkommenheit, die Quelle jeglicher Kraft, ihn, dessen Anziehungskraft unbegrenzt ist:

"Gott verlangt von Ihnen eine große Armut und Leere des Geistes: eben den Geist des Karmel. Der von allem entblößte, von allem getrennte und verlassene, ans Kreuz geschlagene Heiland, der für seinen Vater lebt und stirbt, er sei Ihr Vorbild. Je mehr Gott Sie mit sich vereinigt, desto mehr wird Christus Ihr ganzes Leben sein - desto größer aber werden auch die Armut und die Leiden sein in den Zeiten, in denen Gott sich zurückzieht."

Aber ist nicht gerade diese "Armut" glorreich für Gott und fruchtbringend für die Kirche?

"Eine Seele, die sich Gott hinopfert in der Entblößung des reinen Glaubens, der Hoffnung und der vollkommenen Verbundenheit, wirkt in einer Stunde mehr für die Kirche, als andere Seelen, (die weniger großherzig und eifrig sind), während ihres ganzen Lebens" (29. Januar, ohne Jahreszahl).

Da die Versuchungen gegen den Glauben besonders lästig und schwer sind, muss die davon bedrängte Seele beruhigt werden:

"Sie durchleben augenblicklich eine jener schrecklichen Prüfungen, die jede zu einer innigen Vereinigung mit Jesus berufene Seele durchzumachen hat: "Weil du genehm vor Gott warst", sagte der Engel zu Tobias, "musste die Versuchung dich bewähren" (Tob 12, 13). Mein teures Kind, Sie können nicht zu Gott gelangen, ohne die Verbundenheit mit Jesus. "Ich bin der Weg, niemand kommt zum Vater, außer durch mich" (Joh 14, 6). Jesus ist nun aber über Gethsemane und den Kalvarienberg zum Vater gegangen. So muss jede Seele, die mit ihm vereinigt ist, ebenfalls diesen Weg gehen.

Diese Versuchungen gegen den heiligen Glauben sind sein wahrer Kreuzweg, und doch: Ihr Glaube ist da, wenn auch unbewusst, und darum haben Sie auch die Liebe und diese scheint dem Glauben voranzugehen. Der böse Feind versucht sein Möglichstes, um Sie in Verzweiflung zu stürzen. Denn er sieht wohl, dass Sie einstens innig mit dem vereint sein werden, den er hasst. Dies ist auch der Grund, warum er Dunkel und Unruhe in Ihre Seele streut. Doch das ist der Weg, den alle innerlichen Seelen gehen müssen, um zur vollkommenen Vereinigung zu gelangen: "Selig der Mann, der Anfechtung besteht, denn wenn er bewährt ist, wird er die Krone des Lebens empfangen" (Jak 1,12).

Dom Marmion führt mehrere Beispiele von Heiligen an, die solche Prüfungen zu durchleiden hatten, wie der hl. Hugo von Grenoble, die hl. Franziska von Chantal, der hl. Vinzenz von Paul. Er erinnert an das Beispiel der hl. Katharina von Siena, welche nach heftigem Kampf Jesus fragte: "Wo warst du doch, mein guter Meister?", und dann die Antwort erhielt: "In deines Herzens Mitte, dich selig stärkend." Dann fügt Dom Marmion bei:

"So geht es auch bei Ihnen. Jesus ist in der, Mitte Ihres Herzens; er ist es, der Ihnen das Verlangen nach sich eingibt: Darum keine Unruhe" (27. Dezember 1913).

Bei einer anderen Gelegenheit schreibt er folgende Zeilen, die von auffallender Klarheit sind. Diejenigen, die in aszetischen und mystischen Fragen bewandert sind, werden darin eine sichere Lehre finden, gepaart mit großer Erfahrung:

"Ich habe in Gottes Gegenwart Ihren Brief mit viel Aufmerksamkeit gelesen ... Der gegenwärtige Zustand Ihrer Seele verrät alle Kennzeichen einer jener inneren Prüfungen oder passiven Läuterungen, die eine Seele durchleiden muss, bevor sie zur Vereinigung mit der Ewigen Reinheit gelangt.

Der Heilige Geist sagt: "Gesegnet der Mensch, der versucht ist", und der hl. Jakobus schreibt: "Meine Brüder, haltet es für lauter Freude, wenn ihr in mancherlei Anfechtungen geratet" (Jak 1, 2 und 12).

Die Anfechtungen gegen den Glauben und die Hoffnung sind besonders peinlich, ja verursachen eine wahre Todesqual, doch sind sie sehr heilsam. Das verborgene Unterbewusstsein, das nach Gott verlangt, ist ein sicheres Zeichen der Gegenwart des Heiligen Geistes in der Seele. Die Seele schaut die Schönheit Gottes im Dunkel des Glaubens. Aber wie die ewige Anschauung Gottes, deren sich die Seele Jesu erfreute, in nichts seine Todesangst minderte, noch seine heilige Seele hinderte, traurig zu werden bis in den Tod, so ergeht es auch Ihrer Seele. Es ist dies Ihr Fegfeuer und unser Heiland wird Ihre Seele solange in diesen läuternden Flammen lassen, bis jede Selbstsucht und Eigenliebe ausgebrannt ist; dann werden Sie in die unaussprechliche Größe Gottes eingehen.

Was diese Prüfung, durch welche Sie jetzt gehen, so schwer macht, ist die entsetzliche Unsicherheit der Seele über ihren Zustand. Es scheint ihr, "als ob sie allen Glauben und alle Liebe verloren habe, weil sie nichts fühlt. Das ist der ganz reine, der nackte Glaube. Das Verlangen nach Gott ist jedoch ein sehr mächtiges und nachhaltiges Gebet, denn der liebe Gott liest die geheimsten Gedanken dieses Herzens, und dieser Durst nach ihm ist der Weg, der zum Herzen seines Vaters führt: "Dein Ohr hat vernommen den Wunsch des Armen" (Ps 10, 17), und niemand ist "ärmer" als der, welcher Gott dient inmitten der Prüfungen eines einfachen, nüchternen Glaubens.

Darum also Mut! Sie befinden sich auf geradem Pfad und Sie bedürfen nur einer großen Geduld und seines unbegrenzten Vertrauens in die vorsorgliche Liebe unseres so guten Meisters. Sie sind ihm wirklich teuer, obgleich das Gegenteil Ihnen wahr erscheint. Jesus wünscht, dass Sie von selbst zur Überzeugung kommen, wie armselig und unwürdig Sie sind, und dass nur seine Barmherzigkeit Sie so an sein heiligstes Herz drückt. Die ganze Ewigkeit hindurch wird sich Ihnen dann Gott hingeben in der vollen Herrlichkeit seiner unveränderlichen Schönheit. Aber hier unten verlangt es seine Verherrlichung, dass wir ihm durch den GIauben dienen. Tun wir dies also und zwar so aufrichtig und treu, wie wenn wir ihn schon in der Herrlichkeit schauten."

Hier zitiert er wieder - und zwar sehr trefflich - den Gedanken von Ludwig Blosius; erinnert auch daran, wie die hl. Franziska von Chantal so lange von Versuchungen gegen den Glauben gequält wurde und dennoch von Gott eine besondere Gnade des Glaubens und der Beschauung erhielt; dann fährt er weiter:

"Was nun die Praxis betrifft, so beten Sie in tiefster Ehrfurcht Gott an, daraufhin sagen Sie ihm, dass Sie alles glauben und annehmen, was er uns geoffenbart hat und dies allein auf sein Wort hin, und da die heilige Kirche in seinem Namen spricht, auch deren Stimme und Lehre wie die seinige. Verrichten Sie diese Akte aus Liebe, wenn gleich Sie nichts dabei fühlen" (31. Dezember 1919).

So vollzieht sich nach und nach das göttliche Werk der schmerzhaften Läuterungen, die dem Glauben größere Kraft verleihen und der Seele die Demut einpflanzen.

* * *

Manchmal setzt die Prüfung aus, Stille tritt ein, und ein Strahl himmlischen Lichtes leuchtet in das tiefe Dunkel, in dem die Seele kämpft. Der geistige Führer freut sich darüber, denn auch hierin sieht er Gottes Tun; und er selbst fühlt wie ein Vater. Doch bleibt er dabei nicht stehen, sondern mit Güte führt er die Seele zur befreienden Wahrheit zurück:

"Ich war so glücklich über den Empfang Ihrer Briefe, denn ich ersehe, dass unser Meister für einen Augenblick den Schleier lüftete, wie er es auch bei den Jüngern (auf dem Tabor) tat. Gewiss, wir müssen vorwärts schreiten nicht im Schauen sondern durch den Glauben; doch der Heiland neigt sich unserer Schwachheit, und gestattet von Zeit zu Zeit, dass das Licht seiner göttlichen Barmherzigkeit und seiner Schönheit durch die dunkeln Wolken bricht, in denen er sich gewöhnlich verbirgt: "Gewölk und Finsternis ist um ihn her" (Ps 97, 2). Nun sind Sie wieder vom Berg herabgestiegen, wo Sie so gerne für immer hätten sein wollen: "Herr, hier ist für uns gut sein" (Mt 17, 4 - 8) und nun sehen Sie "nur Jesus allein".

Mein Kind, Sie dürfen nie vergessen, dass in der gegenwärtigen Ordnung der Dinge Gott durch unsern GIauben verherrlicht wird: "Ohne Glauben aber ist es unmöglich Gott wohlzugefallen" (Hebr 11, 6). Wohl lässt er es uns manchmal fühlen, dass er gut ist und uns liebt, doch das sind Ausnahmen: Er will, dass wir Glauben und Vertrauen an seine Liebe haben, ohne es zu fühlen:

"Und wir haben der Liebe geglaubt, die Gott zu uns hat" (1 Joh 4,16), sagt der hl. Johannes.

Im Psalm: Attendite (Ps 73) beklagt sich Gott bitter, dass die Juden trotz der wiederholten Beweise seiner liebevollen Vorsehung immer in ihr altes Misstrauen zurückfielen: "(Unsere Väter) waren nicht eingedenk der Menge deiner Barmherzigkeit" (Ps 106, 7). Auch beklagt er sich hierüber: "Immer irren sie im Herzen (Ps 95, 10)."

Ich habe nun, meine teure Tochter, im Gebet über Ihre Seele nachgedacht und ich weiß, Gott will, dass Sie ihm im reinen Glauben dienen, trotz des aufsteigenden Widerwillens. Sie müssen sich also zufrieden geben, im reinen Glauben, ohne Trost und Süßigkeit, weiter zu leben, indem Sie sich auf ihn stützen und auf die Worte, die sein Vertreter und Diener zu Ihnen spricht. Er wird Sie oft Ihrer Schwachheit überlassen und gleichsam jeder Stütze berauben und doch ist er immer in Ihrem Herzen und führt und schützt Sie. Sie müssen ein großes Vertrauen hegen nicht nur zu seiner Liebe, sondern auch zur Weisheit seiner Führung" (7. März 1909).

Jene Lichtstrahlen des Heiligen Geistes, die ihren blitzartigen Schein in die Tiefen der heiligen Geheimnisse werfen, wecken auch oft, wie bereits gesagt, Verlangen und großen Hunger nach Gott:

"Dieser Hunger nach Jesus und seiner Liebe, von dem Sie mir berichten, ist ein beständiges, ununterbrochenes Gebet: Unser Heiland lässt Sie hungern und in der Trockenheit schmachten, gerade um in Ihnen dieses Verlangen, das ihm so sehr wohlgefällt, wachzurufen. Ihr Weg ist der Weg des Glaubens, eines Glaubens ohne Empfindung, eines Glaubens, der wächst in der Schwäche der Versuchung und des Zweifels. Ein schwerer Weg, doch müssen Sie ihn annehmen, denn Gott selbst hat ihn für Sie bestimmt" (17. Juni 1921).

Mit andern Worten beschreibt Dom Marmion ausführlicher, doch nicht mit weniger Klarheit, diesen Seelenzustand:

"Der Heiland führt Sie auf dem Weg, der seinen Vater am meisten verherrlicht und der der vorteilhafteste für Ihre Seele ist: nämlich auf dem Weg des reinen, schlichten Glaubens. Der liebe Gott hat ein heißes Verlangen, sich Ihnen ganz, ohne jeglichen Vorbehalt in der vollen Herrlichkeit seines Lichtes, in vollkommener Liebe zu schenken und dies für die ganze Ewigkeit. Seine Ehre jedoch verlangt, dass wir hier auf Erden ihn lieben und im Glauben ihm dienen. Er schenkt uns sein Licht und seine Tröstungen, um uns auf der Reise durch dieses Erdendunkel zu stärken, doch sie sind nicht unbedingt notwendig. Und wenn er eine Seele findet, die entschlossen ist, trotz allem ihn zu lieben und ihm zu dienen, so prüft er sie, indem er sie ohne fühlbaren Trost oder besondere Erleuchtung im Dunkeln lässt.

Und in der Tat befindet sich auch im tiefsten Grunde ihrer Seele ein starkes, wenn auch unsichtbares Licht, das sie nach Gott verlangen lässt. Dieses Verlangen ist ein vorzügliches Gebet und eine Huldigung an die Schönheit Gottes. Der hl. Franz von Sales sagt, dass wir zufrieden sein sollen mit der Art und Weise, mit der uns Gott führt und nichts "Besonderes" verlangen dürfen. Gott liebt es, eine Seele den Weg gehen zu sehen, auf dem er sie führt" (Ohne Datum Februar 1920).

"Das Licht und die Empfindungen Ihrer Seele während Ihrer Exerzitien", schreibt er einer Ordensschwester, "kamen wirklich vom lieben Gott und bedeuten eine wahre Gnadenquelle. Gewöhnlich folgt aber dann diesen vorübergehenden Gnaden eine Zeit des Zweifels. Selbst die große hl. Theresia verfiel oft in Zweifel und Unruhe nach Augenblicken der höchsten und innigsten Vereinigung, während deren sie nicht im geringsten im Zweifel war über deren göttlichen Ursprung, und das, sobald die göttliche Einwirkung aussetzte. Gewiss, es handelt sich in Ihrem Fall nicht um ebenso große Begünstigungen wie bei dieser Heiligen; doch mache ich Sie darauf aufmerksam, um Ihnen zu zeigen, wie auch in einem solchen Fall der Zweifel einer ganz großen Sicherheit folgen kann" (10. Januar 1907).

Gleich liebevolle Aufforderungen zum Vertrauen finden wir in folgenden Zeilen:

"Das Innewerden einer wahren und innigen Gottverbundenheit, das sich manchmal bei Ihnen einstellt, ist keine Täuschung, obgleich Sie alsbald nachher dessen Echtheit in Zweifel ziehen könnten. Unser Leben ist ein Leben im Glauben, und eine Überzeugung, die sich dauernd auf Erfahrungstatsachen stützt, könnte gar wohl dem Verdienste unseres Glaubens Abbruch tun. Das Einzige, wo keine Täuschung sich einschleichen kann, ist das aufrichtige Verlangen, unsern Willen auf vollkommene Art mit dem Willen Gottes zu vereinigen. Darin können Sie sich nie genug üben. Die hl. Johanna Franziska von Chantal schrieb, dass während vieler Jahre ihr Fortschritt darin bestand, ihren Willen immer mehr und mehr in den Willen Gottes zu versenken. Dies ist auch Ihr Weg. Ich bete täglich für Sie und bin überzeugt, dass der göttliche Heiland wieder einmal seine Barmherzigkeit zeigen will, indem er Ihre Nichtigkeit zur vollkommenen Verbundenheit mit sich erhebt" (5. November 1906).

2. Die Hoffnung

Der Glaube offenbart uns die Erhabenheit unserer Bestimmung: die ewige Teilnahme am göttlichen Leben, die hier auf Erden beginnt als ein Leben innigster Verbundenheit mit Gott. Diese erhabene Bestimmung übersteigt alle Forderungen, Rechte und Kräfte der Natur; doch mit Hilfe der Gnade ist sie zu erreichen. Gott legte in die Seele außer dem Licht des Glaubens den Aufschwung der Hoffnung; d. i. die innigste Überzeugung, diese Glückseligkeit trotz der Hindernisse zu erreichen; d. i. ferner der beständige Wunsch, sie zu erlangen, indem man sich auf die allmächtige Hilfe Gottes, seine Verheißungen und besonders auf die Verdienste Jesu stützt. Darin ist alles begriffen, was man unter christlicher Hoffnung versteht. Die Hoffnung ist eine notwendige aber schwere Tugend, deren Übung bei manchen Seelen harten Prüfungen unterworfen ist. Wir finden bei Dom Marmion herrliche Zeilen gerade über dieses Thema.

Er fasst die ganze Lehre über die Hoffnung in folgende Worte und tut dabei ihre Erhabenheit kund:

"Je näher man zu Gott kommt durch Jesus Christus, desto mehr nähert man sich dem Licht, denn: "Gott ist Licht und keine Finsternis ist in ihm" (Joh 1, 5). Dieses Licht hat zwei Wirkungen:

1. Offenbart es uns die Größe und Erhabenheit unseres Gottes, seine Liebe und seine Vollkommenheiten.

2. Zeigt es uns den Abgrund unseres Elendes, unserer Sündhaftigkeit, unseres Nichts; die Möglichkeiten der Sünde und des Verrates in den Tiefen des eigenen Herzens.

Darum auch das innige Flehen und Beten des hl. Augustinus: "O, dass ich dich, mein Gott, erkennen möchte, und dass ich mich erkenne!" Diese zwei Kenntnisse gehen gleichen Schrittes.

Wenn Gott uns die ganze Tiefe unserer Armseligkeit kund tut, bedarf es der vollen Kraft des Heiligen Geistes, des ganzen Vertrauens zu der Liebe des Himmlischen Vaters, unseres ganzen Glaubens in das Blut Jesu Christi, um nicht erdrückt zu werden von der Last der eigenen Schwäche. Doch gerade dann verherrlichen wir Gott, wenn wir im vollen Bewusstsein unseres Elendes dennoch treu und unerschütterlich auf seine Liebe hoffen" (12. Januar 1918 an eine weltliche Person).

Was Dom Marmion so gern hervorhob ist die Tatsache, dass das ganze Erlösungswerk der Welt in besonderer Weise ein Werk der göttlichen Barmherzigkeit ist:

"Seit einiger Zeit tut mir der liebe Gott durch ein erhabenes Licht besonders kund, dass der ganze Plan seiner ewigen Majestät, seine ganze "Heilsökonomie" uns gegenüber, eine Ökonomie der Barmherzigkeit ist. Es sind unsere Schwävhen und Armseligkeiten, die mit den Leiden und Gebrechen Jesu Christi vereinigt, alle Gnaden, die er uns schenkt, auf uns herabziehen" (30. November 1921).

"Gott gibt mir", so schreibt er an einer anderen Stelle, "seit einiger Zeit eine überaus starke Erkenntnis und dieses Licht beleuchtet nun mein ganzes Leben. Wenn Gott seinen Blick auf diese arme Welt wirft, wenn er die vielen Elenden, Ungläubigen und Sünder sieht, welches mögen wohl seine Gedanken dabei sein? - "Mich erbarmt des Volkes" (Mk 8, 2). Unsere Armseligkeiten und unser Elend erregen seine Barmherzigkeit. Doch nicht nur dies; da wir als Getaufte Glieder Jesu Christi sind, macht er unsere Schwächen zu den seinigen. Er hat sie alle auf sich genommen, sie getragen, vergöttlicht und der himmlische Vater sieht nun in unseren Schwächen und Armseligkeiten die seines Sohnes, welche um Barmherzigkeit rufen: "Selig ist, der des Armen und Dürftigen gedenkt" (Ps 41, 2. - ohne näheres Datum 1922).

Auch darf der Anblick unseres Elendes uns weder in Erstaunen setzen, noch uns entmutigen:

"Unser Elend ist gar tief und groß, größer als wir es selbst vermuten können, aber die Barmherzigkeit Gottes ist noch größer, sie ist unendlich wie Gott selbst. Wenn wir vor ihm unsere Seele ausschütten mit all ihren Schwächen und Fehlern, so dringt das Auge Gottes bis in diesen Abgrund, dessen Tiefe wir selbst nicht sehen, dringt hinein bis in die innersten Falten unseres Herzens und spendet uns Licht und Kraft. Nur dieses Auge kann hineindringen bis ins Innerste unseres Wesens und kann die Tiefen unseres Elends erforschen. Und nur Gott allein vermag hier Hilfe zu bringen. Doch seien wir versichert, dass er es auch tun wird" (Ohne Datum).

Einer Karmelitin schreibt er: "Für Sie ist es nicht gut, das Innere Ihrer Seele zu durchwühlen. Wenn Gott während des Gebetes sei n Licht in Ihre Seele fallen lässt und Ihnen im Glanze dieses seines Lichtes Ihre Armseligkeit und Sündhaftigkeit zeigt, so ist das eine unschätzbare Gnade. Aber das natürliche Prüfen, dieses Zergliedern Ihrer Seele, ist für Ihren gegenwärtigen Zustand nicht gut" (Ohne Datum).

Der gleichen Ordensschwester schreibt er noch:

"Ich bete ohne Unterlass für Sie, auf dass Sie ganz den Absichten Jesu entsprechen. Wohl ist es notwendig, dass Sie sich vor der endgültigen Vereinigung Ihrer Sündhaftigkeit bewusst werden. Doch auch diese Sündhaftigkeit müssen Sie in Gott betrachten. Jesus ist allmächtig; er will Sie heiligen und vermag es auch" (Ohne Datum).

Dom Mannion wiederholt oft diese Ermunterungen:

"Wundern Sie sich nicht allzu viel und verlieren Sie nicht den Mut beim Anblick Ihrer Unvollkommenheiten: Da dieselben nicht gewollt sind, ziehen sie auf uns sogar das Mitleid und die Barmherzigkeit Gottes hernieder, den die Schwäche seiner Kinder rührt" (2. Dezember 1916).

"Versteht man, seine Armseligkeit vor Gott auszubreiten", sagt er einer Benediktinerin, "so zieht man damit die Gnade Gottes auf sich herab, vergessen Sie dies nie. Wenn eine auch sehr vorangeschrittene Seele vergäße, ihre eigenen Fehler und Armseligkeiten zu betrachten und sich nur wohlgefiele in den Gaben, die sie erhalten, so würde sie bestimmt fallen. Darum, meine Tochter, lernen Sie mit dem hl. Paulus sagen: "Darum werde ich mich am liebsten meiner Schwachheiten rühmen, damit die Kraft Christi in mir wohne" (2 Kor 12, 9. - Ohne Datum).

Gott hat seine weisen Absichten mit uns, wenn er uns unser Elend zeigt:

"Gott zeigt uns nicht gleich im Anfang unsere Armseligkeit, weil wir sonst den Mut verlieren würden, aber nach und nach tut er es. Dann fühlen wir, wie sehr wir seiner bedürfen" (Ohne Datum).

"Es wäre ein großer Irrtum zu glauben, dass Gott entzückt ist über unsere Vollkommenheiten; suchen wir vielmehr sein Mitleid und seine Barmherzigkeit zu wecken, indem wir demütig unsere Schwächen bekennen" (Ohne Datum).

Die Erkenntnis unseres Elendes erhält uns in der Demut:

"Verlieren Sie den Mut nicht ob all Ihrer Schwächen; der liebe Gott lässt Ihnen Ihre Armseligkeiten, um Sie ganz zu überzeugen, dass Sie nichts vermögen. Er duldet nicht, dass wir uns auch nur das geringste Gute zuschreiben, das wir tun. Jesus ist unsere Heiligkeit; wir aber müssen nur recht treu sein und abwarten, dass er in uns wirkt" (Ohne Datum).

Wie der Anblick unseres Unvermögens und unserer Fehler uns in der Demut erhält, so bewahrt er uns auch in der Wahrheit:

"Sie fühlen sich verdemütigt durch die Erkenntnis, dass Sie nichts sind und nichts vermögen. Dass Sie es einsehen, ist aber gerade, was Gott will. Es ist sehr gut, sich so verdemütigt zu fühlen, und glauben Sie mir, Sie sind jetzt viel mehr im Wahren, als wie Sie sich für besser hielten" (Ohne Datum).

"So lange wir leben", so schlussfolgert er ausgezeichnet in einem Brief an eine Ordensfrau, "werden wir unsere kleinen Armseligkeiten und Fehler haben. Ohne dies wären wir unverbesserlich stolz, was das größte aller Übel wäre.

Unser Gott prüft uns, indem er uns einmal ermutigt und ein andermal niederdrückt: "Der Herr tötet und belebt, führet in die Hölle und wieder heraus" (1 Sam 2, 6). Wir müssen die hl. Katharina von Siena nachahmen, die sich, als der Teufel sie zum Hochmut verleiten wollte, bis unter ihn verdemütigte, und als er sie in die Verzweiflung stürzen wollte, sich durch den Gedanken an Gottes Barmherzigkeit bis zum Throne Gottes erhob" (1. Mai 1915).

* * *

Dom Marmion hat es verstanden, diese zwei Tugenden: die Demut und das Vertrauen, die immer beisammen sein müssen und nur verbunden echt sind, mit hinreißenden Worten zu preisen. Kein Thema ist ihm so lieb, und nichts hat er mit so vieler übernatürlicher Freude erklärt.

Schöpfen wir mit vollen Händen aus diesen Schätzen. Das eine Mal ruft er der Seele ihre ganze Abhängigkeit von der Gnade ins Gedächtnis:

"Manchmal nimmt uns der göttliche Heiland die fühlbare Gnade und überlässt uns unserer eigenen natürlichen Schwäche, wie er es an seiner heiligen Menschheit getan im Garten von Gethsemane. Da fühlen wir dann unser ganzes Elend, unsere Trägheit, unsere Selbstsucht. Aber er tut das nur, um uns erleben zu lassen, wie sehr wir in allem von ihm abhängen.

Als man ihn eines Tages fragte: "Wer bist du?", gab er zur Antwort: "Der Anfang (Principium) und so rede ich auch zu euch" (Joh 8, 25; Dom Marmion legt den lateinischen Text zu Grunde). Principium will heißen: "erste Quelle: Ursprung". Er ist seinem Wesen nach das Principium alles Guten: "Gutes, das man an sich gewahrt, Gott zuschreiben, nicht sich selbst" St. Benedikt, Regel. K. 4). Da er nun die Wahrheit selbst ist, wünscht er, dass wir davon überzeugt seien (und dieser Überzeugung auch Ausdruck geben), dass all unser Gutes von ihm allein kommt. Die tiefste Wunde, die unsere Seele durch die Sünde erhalten hat, ist die der Eigenliebe. Durch sie schreiben wir uns gewöhnlich immer das Gute zu, das in uns ist. Um uns von dieser Wunde zu heilen, lässt der liebe Heiland oft zu, dass wir erfahren, was wir ohne ihn sind: "Wo nicht deine Gottheit thront, nichts im Menschen Gutes wohnt." Pfingstsequenz. Lassen wir uns in diesen Augenblicken nicht verwirren, sondern sprechen wir dann mit der großen Theresia von Avila: "Sieh, o Herr, hier wieder ein Früchtchen aus meinem Garten."(19. Januar 1905. Diesen Gedanken hat er sich ganz zu eigen gemacht; wir finden ihn 10 Jahre später wieder in einem anderen Brief: "Sie durchleiden augenblicklich alles, was jede Seele, die zu einer innigen Vereinigung mit dem "Gekreuzigten" berufen ist, durchmachen muss. Gott lässt manchmal zu, dass Prüfungen aller Art - schlechte Gesundheit, Verdruss, Versuchungen usw. - die Seele befallen, um sie zu läutern. Sie muss so weit kommen, dass sie sich in einer absoluten Abhängigkeit von ihm fühlt und sich deren bewusst wird. Die Seelen, die mit Jesus vereint sind, deren ganzes Leben nur in ihm begründet ist, leiden mehr als andere, wenn Jesus sie verlässt. Dieser Winter hat den Zweck, den Sommer fruchtbarer zu gestalten. Alles, was Sie tun können, besteht darin, den Kopf zu beugen, die Prüfung anzunehmen und geduldig zu warten, bis der Herr wieder kommt. Jesus gibt Ihnen das Beispiel: Im Ölgarten begann er sich zu fürchten, Angst zu haben, zu trauern, Unlust, Verlassenheit und Widerwillen zu spüren. Ich bete stets für Sie." -19. September 1915.

Ein anderes Mal richtet er den Blick der Seele nach oben auf Gottes unendliche Barmherzigkeit und seine allmächtige Hilfe: "Die heilige Liturgie belehrt uns: "O Gott, du offenbarst deine Allmacht am meisten durch Schonen und Erbarmen" (Kirchengebet vom 10. Sonntag nach Pfingsten).

Machen Sie aus sich ein ewiges Denkmal seiner Barmherzigkeit. Je größer das Elend und die Unwürdigkeit (des Geschöpfes) ist, desto größer und anbetungswürdiger zeigt sich die Barmherzigkeit Gottes. Der Abgrund unseres Elendes ruft den Abgrund (Ps 42, 8) seiner Barmherzigkeit. Es ist dies für mich ein unsagbarer Trost, Sie auf diesem so sicheren Weg zu wissen, der zu so erhabenen Höhen führt, das kostbare Blut verherrlicht und die Barmherzigkeit unseres Gottes laut verkündet. Dies ist auch mein Weg (Siehe: Un maître de la vie spirituelle). Helfen wir uns gegenseitig durch unser Gebet" (Ohne Datum nach 1916).

Meistens jedoch finden wir beide Gedanken vereint; und so schenkt er uns folgende wundervollen Zeilen:

"Ich habe aufrichtiges Mitleid mit Ihnen und bete mit ganzer Inbrunst für Sie, denn ich kenne Ihre derzeitige Prüfung. Doch, meine teure Tochter, hier kann man nicht von Stolz sprechen - obgleich in uns allen Stolz ist - sondern der Grund dieser Trostlosigkeit, dieses schrecklichen Verlassenseins, dieses Hungers und Durstes nach der göttlichen Liebe, ist das Wirken und Arbeiten Gottes in Ihrer Seele. Er reinigt sie, um sie zur Vereinigung mit seinem Sohn fähig zu machen:

"Jeden, der Frucht trägt, den wird er (der Vater) reinigen, damit er mehr Frucht trage (Joh 15, 2)." Was ich jetzt von Ihnen verlangen muss, ist, dass Sie mir vertrauen und meinen Worten Glauben schenken. Nicht unsere Vollkommenheit macht Gott uns gewogen, ihn, den Myriaden von Engeln umgeben, nein, unsere frei bekannte Armseligkeit und Hilflosigkeit ruft seine Barmherzigkeit auf uns herab. Alle Werke, die Gott für uns verrichtet, sind eine Folge seiner Barmherzigkeit. (Die Barmherzigkeit ist die durch den Anblick des Elendes erweckte Güte). Darum sagt auch der hl. Paulus: Lassen wir die andern zu Gott gehen, indem sie sich auf die Vollkommenheit ihres Lebens stützen (wie die Pharisäer), ich für meinen Teil werde mich am liebsten meiner Schwachheiten rühmen, damit die Kraft Christi in mir wohne" (2 Kor 12, 9). Könnten Sie es nur endlich begreifen, dass Sie nie dem lieben Gott teurer sind, ihn nie mehr verherrlichen, als wenn Sie in der Erkenntnis Ihrer vollen Unwürdigkeit und Ihres Elendes seine unendliche Güte betrachten und sich ihm an die Brust werfen im heiligen festen Glauben, dass seine Barmherzigkeit unendlich größer ist als all Ihr Elend! Der hl. Paulus lehrt uns, dass Gott alle seine Werke vollbracht hat "Zum Lobe der Herrlichkeit seiner Gnade" (Eph 1, 6). Der Triumph seiner Gnade besteht jedoch darin, Armselige und Unreine zu erheben und sie würdig der göttlichen Vereinigung zu machen. Betrachten Sie Maria Magdalena. Sie war eine öffentliche Sünderin, hatte sieben Teufel in sich, die der Heiland austrieb, und dennoch erlaubt er ihr nicht nur seine Füße zu berühren, sondern er erschien auch ihr zuerst nach seiner Auferstehung. Er ist ein unendlich reicher Bräutigam, groß und mächtig, und wenn er nun ein so armes Kind, wie Sie es sind, zu seiner Braut erwählt, so setzt er seine ganze Freude daran, ihre Armut zu bereichern und sie mit seiner eigenen Schönheit zu schmücken. Sie durchleben augenblicklich eine Zeit der Trübsal und der Prüfung, aber Jesus liebt Sie sehr. Er ist glücklich, weil Sie sich sehnen, von ihm geliebt zu werden. Das ist nicht Eigenliebe, sondern das Verlangen nach dem, was Gott von Ihnen begehrt. Könnte ich diesen Gedanken Ihnen doch endlich einprägen und Ihren Blick bei Jesus festhalten, - bei seiner Güte - und von Ihrem kleinen "Ich" loslösen. Sucht den Herrn, sucht sein Angesicht allezeit" (Ps 105, 4 -19. April 1920).

In diesen Stunden der Prüfung hörte Dom Marmion nicht auf, das Vertrauen der Seele zu stärken mit dem Hinweis auf Gottes Barmherzigkeit: Muss nicht gerade dann der Seelenführer besonders beruhigend und sicher auftreten?:

"Nichts macht Gott mehr Freude, als der Glaube und das unerschütterliche Vertrauen inmitten der Trostlosigkeit. Verrichten Sie oft Akte des Vertrauens, selbst wenn Sie nichts dabei fühlen. Gerade in diesen Stunden der Trockenheit, der Umnachtung sind sie am verdienstlichsten, Gott am angenehmsten und der Seele am nützlichsten. Die Durchschnittsseelen, die sich Gott nicht rückhaltlos geschenkt haben, finden gar keine Schwierigkeit darin, Liebes- und Vertrauensakte in den Zeiten des Trostes und des Fortschrittes zu verrichten. Doch es ist jenen Seelen eigen, die Gott zu einer innigeren Vereinigung und Vertrautheit mit sich berufen hat, dennoch auf ihn zu hoffen, trotz des Anscheins, dass alles dahin zielt, sie an der Erfüllung der göttlichen Verheißungen zweifeln zu lassen. Solche Seelen sprechen dann mit dem geduldigen Job: "Selbst wenn er mich tötete, werde ich noch auf ihn hoffen" (Job 13, 15), und sagen zu Gott: "O Gott, du bist mein Vater, dein Sohn Jesus sagt uns, dass du unser aller Vater bist, dass du uns liebst und uns nichts vorenthältst, um was wir dich in seinem Namen bitten. Ich glaube dies, obgleich die Welt, der böse Feind, die ganze Hölle, mir das Gegenteil einflüstert; ich glaube deinem Wort aus dem einfachen Grund, weil du es gesagt hast. Vergessen Sie nie, dass der Glaube der Anfang, der Fortschritt und die Vollendung der Vollkommenheit ist" (13. Januar 1895).

Den gleichen Gedanken finden wir zehn Jahre später wieder:

"Ihr Brief bereitete mir große Freude, denn er lieferte mir den Beweis dafür, dass der göttliche Meister die Gebete erhört, die ich täglich für Sie zu ihm sende, und dass Sie sich wirklich auf dem Weg befinden, der zu ihm führt. Ihr Wunsch, mit dem hl. Paulus sprechen zu können: "Ich aber lebe nicht mehr, sondern Christus lebt in mir" (Gal 2, 20), ist auch ganz mein Begehr für Sie, denn jede wahre Heiligkeit besteht darin, das Leben Jesu zu leben.

Damit aber Jesus Christus in uns leben kann und nur er allein, muss die Natur sterben, und diese stirbt sehr schwer und ungern. Wundern Sie sich also nicht, wenn Sie manchmal Widerwillen empfinden, ja vielleicht schweren Versuchungen unterworfen sind. Dies alles ist notwendig - wenigstens fast immer - um zu einer vollkommenen Verbundenheit mit Gott zu gelangen. Wir wären versucht zu sagen: "Glückselig, wer keine Versuchungen zu tragen hat", der Heilige Geist jedoch sagt gerade das Gegenteil: "Selig der Mann, der Anfechtungen besteht" (Jak 1,12). Die Versuchungen lehren uns unsere Schwäche kennen und diese Kenntnis unserer Schwäche ist unsere wahre Stärke. In der Epistel des vergangenen Sonntags (Sexagesima vgl. 2 Kor.) zählt der heilige Apostel Paulus all die wunderbaren Dinge, die er für Christus vollbracht und ertragen hat, auf und schließt dann mit den Worten: "Darum werde ich mich am liebsten meiner Schwachheiten rühmen, damit die Kraft Christi in mir wohne." Könnten wir doch dieses Geheimnis verstehen, dass unsere Schwäche unsere Kraft ausmacht. Wie die Bettler sich ihrer abstoßenden Wunden rühmen und, anstatt sie zu verbergen, noch mehr zeigen, um so das Mitleid guter Menschen zu erregen, so müssen auch wir uns darüber freuen, dass wir ohne Jesus nichts vermögen. Sagen Sie es ihm oft und fühlen Sie sich glücklich, wenn sich eine Gelegenheit bietet, den Abgrund Ihrer Armseligkeit und Ihrer Schwäche zu fühlen. "Je mehr du dich im Bewusstsein deines heiligen Margareta-Maria, "desto mehr werde ich mich zu dir neigen, um dich mit der Macht meiner Liebe zu umgeben" (16. Februar 1903).

Welch eine Freude dann für ihn, wenn er wahrnimmt, dass die Seele von oben erleuchtet, mutig den Weg des Vertrauens wandelt.

"In Ihrem Briefe", so schreibt er einer Ordensoberin, "steht ein Satz, der mir sehr gefallt, weil ich darin die Quelle einer großen Verherrlichung für Jesus sehe. Sie schreiben: "Es ist nichts, absolut nichts in mir, was mir auch nur die geringste Sicherheit bieten könnte; darum höre ich auch nicht auf, mich immer wieder an das Herz des göttlichen Meisters zu werfen." Dies ist, meine Tochter, der richtige Weg, denn alles, was Gott für uns tut, ist ein Erguss seiner Barmherzigkeit, die angezogen wird durch das Geständnis unserer Armseligkeit; und eine Seele, die ihr Elend einsieht und ihr Unvermögen beständig den Blicken der göttlichen Barmherzigkeit enthüllt, gibt Gott große Ehre, da sie ihm immer neue Gelegenheit bietet, ihr seine Güte mitzuteilen. Fahren Sie fort, diesem inneren Drang Folge zu leisten und lassen Sie sich durch das Dunkel der Prüfung zum Hochzeitsmahl des Lammes führen, zu dem er Sie beruft" (14. Juli 1909).

Einige Monate später schreibt er der gleichen Seele:

"Der Heiland drängt mich, viel für Sie zu beten, damit Sie in großer Hochherzigkeit mit ihm auf dem Opferaltar bleiben. Wenn eine noch so arme Seele so vereint mit dem sterbenden Heiland bleibt, und wie Abraham "gegen jede Hoffnung hofft" (Siehe Röm 4,18), so gibt sie Gott eine unermessliche Ehre und hilft Jesus beim großen Werk seiner Kirche" (20. September 1909).

* * *

Die allbarmherzige und stets hilfsbereite Macht Gottes ist die Grundlage unserer Hoffnung; die Verdienste Jesu Christi und unsere übernatürliche Verbundenheit mit Christus, dem Haupt des mystischen Leibes, sind ihre sicherste und beste Stütze. Der große, um nicht zu sagen einzige Beweggrund unseres Vertrauens in seiner sichtbaren, lebendigen Form ist Christus unser Herr. Ganz so wie Christus die große Offenbarung des Vaters ist, in der alle andern Offenbarungen beschlossen sind, so ist Jesus Christus auch das einzige Unterpfand, in dem der Vater alle anderen vereinigt hat.

Dieser Gedanke kommt Dom Marmion immer wieder in die Feder, manchmal in kurzen, bündigen Sätzen, öfter, wie zu erwarten, mit großer Liebe ausführlich erklärt:

1904. "Sein Unvermögen fühlen, ist eine sehr gute Verfassung. Wenn ein König ein armes Mädchen sich zur Braut nehmen wollte, würde letzteres wohl zu ihm sagen: "Da ich nichts besitze, musst du mich eben kleiden und schmücken." Da nun Jesus Sie zur Braut erkor, so stützen Sie sich auf ihn; er ist wirklich Ihr ganzer Reichtum."

1908. "Wenn Sie sich armselig (miserabilis) fühlen, so mögen Sie wissen, dass Gott "Bemitleider et barmherzig" ist. Sie müssen sich mit Vertrauen in die Arme Christi werfen."

1. November 1908. "Stützen Sie sich in allem auf Jesus. Ohne ihn sind wir nichts in den Augen Gottes. Er ist in allem unsere Ergänzung".

"Der in Ihnen lebende Christus", so schreibt er einer Karmelitin (1913), "ist Ihnen alles geworden: "Der uns von Gott Weisheit und Gerechtigkeit und Heiligung und Erlösung ward" (1 Kor 1, 30). Er ist so sehr unsere Ergänzung, dass, wenn wir in seinem Namen handeln, der Vater in uns nur noch die Glieder seines Sohnes sieht, und unsere Schwachheiten die Schwächen seines Sohnes sind. Von Zeit zu Zeit lässt uns Christus die ganze Bürde unserer Last und unserer Schwachheiten fühlen, wie er selbst sie fühlen wollte im Garten von Gethsemane. Also, Kopf hoch und mutig voran in vollkommener Hingabe an Jesus Christus."

In den allerletzten Jahren seines Lebens, als er sich dem Ewigen Licht mehr näherte, werden seine Worte noch eindringlicher:

8. Februar 1921. "Ich bin der Überzeugung, dass eine Frau wie Sie, die als treue Gattin und als Mutter einer großen Familie vorsteht, mit all ihren Verantwortungen dem Herzen Jesu sehr teuer sein muss. Er ist der treue Freund, der bis ins einzelne alle Ihre Schwierigkeiten kennt und der in seiner Liebe zu ersetzen liebt, was Ihren Handlungen abgeht."

1922. "Wir sind voll der Armseligkeiten, aber wir haben die Ehre, Glieder Christi zu sein. Das ist auch der Grund, warum unser himmlischer Vater zärtlich mit uns ist. Leben Sie vereint mit Jesus und mit ihm, dem Vater ganz hingegeben."

31. März 1921. "Möge Gott Sie segnen und Sie ganz an sich ziehen durch den Schleier - der heiligen Menschheit Christi. - Dieser Schleier enthüllt dem Vater den verwundeten und zerschlagenen Leib des Bräutigams und alles, was dieser für seine Braut gelitten." (Siehe die weitere Ausführung dieses Gedankens im Buch: Un maître de la vie spirituelle. S. 447 usw.).

Mai 1922. "Jesus nimmt Ihre kleinen Leiden auf sich; er macht sie sich zu eigen und göttlich: "Wahrlich er trägt unsere Krankheiten" (Jes 53, 4). Alles, was der Vater für uns tut, tut er für seinen Sohn Jesus Christus, und wenn er uns seine Gaben schenkt, belohnt er Jesus in unserer Person: "Selig ist, der des Armen und Dürftigen gedenkt" (Ps 40, 2). Dieser Arme ist der für uns Mensch gewordene Sohn Gottes."

Doch diese kurzen, inhaltsvollen Worte scheinen ihm zu wenig, um eine Lehre, in der er aufgeht, in ihrer ganzen Tiefe und Fruchtbarkeit den Seelen kund zu tun und zu erklären:

"Ihre Seele", so schreibt er einer in der Welt stehenden Person, "ist in der Hand Gottes; er liebt sie, betrachtet sie ständig und lässt sie durch die verschiedenen Zustände gehen, die seine Weisheit für sie nötig findet. Wie die Erde durch den Tod des Winters gehen, wie das Samenkorn sterben muss, bevor die Früchte der Ernte eingebracht werden können, so bedarf auch unsere Seele des Kelters der Prüfung und des Bewusstseins ihrer Schwachheiten, um durch Christus mit seiner Kraft und mit seinem göttlichen Leben ausgestattet zu werden. Je mehr Kenntnis wir von unserer Schwachheit haben und vom Abgrund von Bosheit, der in uns ist, desto mehr verherrlichen wir Gott, wenn wir an die Größe seiner Güte und Barmherzigkeit glauben.

Ich sehe, meine teure Tochter, immer mehr ein, dass es keine gesunde Tugend gibt, wenn sie nicht aufgebaut ist auf dem Fundament der Zerknirschung und einer wahren Kenntnis unserer Armseligkeit. Nach dem göttlichen Plan soll Gott verherrlicht werden durch die Macht seiner Gnade. Wer sein Elend nicht fühlt, nicht sieht, weiß es auch nicht, wie notwendig ihm die Gnade ist. Darum freut sich ein hl. Paulus in der Erkenntnis seiner Schwachheit, damit die ganze Kraft ihm von Christus komme. "Darum werde ich mich am liebsten meiner Schwachheiten rühmen, damit die Kraft Christi in mir wohne" (2 Kor 12, 9). Das ist der Grund, warum uns Gott diesen Weg führt" (22. Juni 1918).

Ein andermal entwickelt er ein ganzes Schema des aszetischen Lebens mit einigen scharf umrissenen Federstrichen:

"Für den Augenblick gebe ich Ihnen nur zwei oder drei Grundsätze, die den ganzen Inhalt Ihres geistigen Lebens ausmachen sollten:

1. Gott tut alles für die Verherrlichung seines Sohnes. Jesus aber wird besonders verherrlicht durch jene Seelen, die im Bewusstsein ihres vollkommenen Unvermögens sich nur auf ihn stützen, nur zu ihm aufblicken, um von ihm Licht, Hilfe, ja alles zu erhalten.

2. Sie müssen danach trachten, ganz und gar in der Überzeugung zu leben, dass all Ihre Nöten, Schwachheiten und Fehler im wahren Sinne des Wortes die Nöten, Schwachheiten und Schwächen Jesu sind, weil Sie durch die Taufe ein Glied Christi geworden sind und es durch die heilige Kommunion immer mehr werden: "Wahrlich er trägt unsere Krankheiten und ladet auf sich unsere Schmerzen." - "Unser aller Missetat hat der Herr auf ihn gelegt" (Jes 53, 4 u. 6). "Er machte ihn für uns zur Sünde" (2 Kor 5, 21).

3. Wenn Sie sich Ihrer Schwachheit und Ihres Elendes bewusst werden, stellen Sie sich dann ohne Furcht vor das Angesicht des Himmlischen Vaters im Namen und in der Person seines göttlichen Sohnes: "Viel lieber also will ich mich meiner Schwachheit rühmen, damit die Kraft Christi auf mich herabkommt (2 Kor 12, 9). Je schwächer Sie sind, desto mehr wünscht Jesus, Ihnen alles zu sein: "Seine Linke ist unter meinem Haupt und seine Rechte umfasst mich" (Hld 2, 6; - Ohne Datum).

Alle zitierten Texte waren ihm sehr teuer; jener des Propheten Jesaia bekommt durch ihn eine wunderbare Auslegung, die sein ganzes Lehrsystem beleuchtet:

"Wahrlich, er trägt unsere Krankheiten und ladet auf sich unsere Schmerzen." Dieser Text hat eine wahrhaft tiefe Bedeutung:

1. Jesus hat alle mit vollem Bewusstsein begangenen Sünden auf sich genommen und sie in seiner eigenen Person gesühnt. "Unser aller Missetat hat der Herr auf ihn gelegt".

2. Als Haupt seiner Kirche hat Jesus in unserm Namen (im Namen seiner Glieder) all unsere Armseligkeiten, Krankheiten und Schmerzen auf sich genommen, sie erduldet in unserm Namen. Er hat sie in seiner Person geheiligt und göttlich gemacht. Kein Kummer, kein Leiden, keine Schwachheit seiner Glieder war ihm verborgen: er hat sie alle freiwillig auf sich genommen.

3. Indem er so alles auf sich nahm, hat er ihnen den Stachel genommen und hilft uns sie zu tragen.

O ja, versuchen Sie nur ihn allein zu lieben, alle andern in ihm und für ihn" (1. Juli 1915 an eine Ordensfrau).

"Ich danke Ihnen für Ihre Zeilen und bin froh, zu ersehen, dass Sie ganz und ohne Vorbehalt dem lieben Meister gehören möchten. Trotz unserer Armseligkeiten, oder vielmehr gerade wegen ihrer, müssen wir uns ohne Furcht auf ihn stützen: ubenter glon'abor in injirmitatibus meis. Ich sehe immer mehr ein, dass, wenn wir uns als Glieder Christi, seines innig geliebten Sohnes, vor den Vater stellen - "Ihr aber seid Christi Leib und Glied um Glied" (1 Kor 12, 27) - der Anblick unseres Elendes die Blicke seiner Barmherzigkeit auf uns lenkt: "Der Abgrund unseres Elendes ruft den Abgrund seiner Barmherzigkeit." Ich denke oft an Sie vor dem Herrn, denn weder die Entfernung noch die Umstände können das trennen, was in der Liebe Gottes geeint ist" (30. Dezember 1904).

Fügen wir noch hinzu, was er einer Missionsschwester schreibt. Diese Zeilen sind von überzeugender Salbung:

"Wir sind Glieder Christi und so mit ihm vereint, so eins mit ihm, dass alle unsere Mühen, Trübsale, unsere Schwerfälligkeit, alle Prüfungen und Leiden der Seele und des Leibes, von ihm getragen werden und ohne Unterlass zum Vater um Barmherzigkeit rufen. Er sieht seinen Sohn, seinen vielgeliebten Sohn, in uns, und seine Barmherzigkeit gießt stets Gnaden aus über uns und andere. Sprechen Sie aus tiefstem Herzen: "Wir haben an die Liebe Gottes geglaubt" (Joh 4, 16). Ich glaube an die Liebe Jesu zu mir, die so groß ist, dass seine Leiden und seine Verdienste die meinigen werden. Oh! wie reich sind wir in ihm!" (30. November 1920).

Um seine Lehre zu erläutern, bedient er sich der Gegenüberstellung zweier Arten von Seelen, ein Verfahren, das er beliebt:

"Es gibt zwei Möglichkeiten, sich vor Gott hinzustellen:

1. So, wie der Pharisäer im Evangelium, indem wir uns auf unsere eigenen Werke stützen und Gott um Belohnung unserer Gerechtigkeit bitten: "Ich beobachte das ganze Gesetz, ich faste, gebe Almosen, du, o Gott, müsstest eigentlich mit mir vollauf zufrieden sein" (vgl. Lk 18, 12). Solche Leute jedoch, die sich selbst für gerecht halten, verabscheut Gott, obgleich sie (äußerlich) ganz fehlerlos und untadelig sind.

2. So, wie der hl. Paulus: "Ich betrachte meine ganze eigene Gerechtigkeit wie Kehricht; meine ganze Zuversicht ist Christus", der durch seine Verdienste unsern Werken all ihren Wert gibt. Darum rühmt sich der Apostel nicht seiner Werke, sondern seiner Schwachheiten: Ich werde "mich am liebsten meiner Schwachheiten rühmen" (2 Kor 12, 9 ). Solche Seelen sind dem lieben Gott lieb und teuer, weil sie seinen Sohn verherrlichen. Dies ist ja sein Wunsch."

Sehen wir jetzt die Nutzanwendung, die er daraus zieht:

"Sie sind sehr armselig. Doch wenn Sie sich nur allein auf ihn stützten, wenn Sie in seinem Namen alles täten und litten, würde er Sie seinem Himmlischen Vater immer wohlgefälliger machen. Er würde Sie hineinführen in jenes Heiligtum, das er "den Schoß des Vaters" nennt; und da, vor den Augen Gottes, würden Sie sich immer bemühen, ihm zu gefallen: Sie würden stets das tun, was Sie als das ihm Wohlgefälligste erkennen würden. Nur jene dürfen im Schoß Gottes wohnen, die ein unerschütterliches Vertrauen in seine väterliche Güte und in seine große, ja unendliche Barmherzigkeit haben, und die ihr Möglichstes tun, um ihm in allem zu gefallen.

Dies sei für den Augenblick Ihr Programm. Es ist mir, wie wenn der liebe Heiland Sie mir als mein Kind geschenkt hätte, das ich ihm wieder schenken muss, damit es ein Triumph seiner Barmherzigkeit werde. Denn der hl. Paulus sagt: "Gott erwählte die Schwachen und die Armen und das, was nichts ist, damit sich kein Fleisch vor ihm rühme" (vgl. 1 Kor 1, 29. - 5. Juni ohne Jahreszahl).

Zu welch schönen Ausführungen veranlassten ihn die Worte: Triumph der göttlichen Barmherzigkeit:

"Ich habe über den Zustand Ihrer Seele nachgedacht. Trotz Ihrer offenkundigen Fehler und sonstigen Armseligkeiten, die sicher größer und zahlreicher sind, als wir sie erkennen, hat Gott Sie doch sehr lieb, und möchte mit seiner Größe Ihre Kleinheit, mit seinem Reichtum Ihre Dürftigkeit, mit seiner großen Weisheit Ihr Unvermögen ersetzen. Er vermag dies alles zu tun, wenn Sie ihn nur frei handeln lassen. "Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, dass du das vor Weisen und Klugen verbargst und es Kleinen offenbartest" (Mt 11, 25). Sie gehören zu diesen ganz kleinen Menschenkindern, auf die zu schauen der liebe Gott sich herablässt.

Richten Sie Ihr Augenmerk mehr auf Gott als auf sich selbst. Rühmen Sie sich Ihrer Gebrechen, als des Gegenstandes und des Beweggrundes der göttlichen Erbarmungen. Lieben Sie die Tugend mehr als Sie das Laster scheuen. Preisen und verherrlichen Sie die Verdienste und die unendliche Macht Jesu Christi, indem Sie leidenschaftlich gern daraus schöpfen, um Ihre Bedürfnisse damit zu decken.

Dies ist sein Programm für ein volles Jahr, ja für ein ganzes Leben" (29. November 1916, einer Ordensfrau).

Gewiss, so ist es. Doch unsere menschliche Natur ist so schwach, dass man immer wieder darauf zurückkommen muss, besonders wenn die Seele, zu sehr besorgt um ihre Schwächen, Gefahr liefe, sich der Mutlosigkeit hinzugeben. Die Sprache des geistlichen Vaters wird dann zärtlicher, eindringlicher und fester. So groß ist seine Überzeugung:

"Ihr letzter Brief hat mich eigentlich ein wenig betrübt, weil ich daraus entnehmen musste, dass Sie beim Anblick Ihrer Armseligkeiten, - die sehr begrenzt sind -, sich den Reichtümern verschließen, die Ihnen in Christus Jesu aufbewahrt werden und die unendlich sind. Gewiss, es ist eine große Gnade, unsere Gebrechen und unsere Dürftigkeit, die in Wirklichkeit immer größer sind als wir vermuten, einzusehen, doch kann diese Kenntnis ein wahres Gift sein, wenn sie nicht ergänzt wird durch einen unerschütterlichen Glauben und ein großes Vertrauen auf die "unendliche Genugtuung" der Verdienste unseres göttlichen Erlösers, auf seinen Reichtum und seine Tugenden, die alle uns gehören: "Ihr seid Christi Leib und Glied um Glied" (1 Kor 12, 28). Die Glieder besitzen wirklich als Eigentum alle Würde und alle Verdienste der Person, deren Glieder sie sind. Und was verherrlicht Christus, den Gottessohn? Dass wir eine so hohe Wertschätzung seiner Verdienste haben und eine so große Überzeugung von der Größe seiner Liebe, die uns mit den Verdiensten beschenken will ("Wir haben an die Liebe Gottes geglaubt" - 1 Joh 4,12), dass weder unser Elend noch unsere Unwürdigkeit uns entmutigen.

Zwei Sorten von Menschen geben Christus wenig Ehre:

1. Solche, die ihre Armseligkeit nicht einsehen, noch sich über ihre Unwürdigkeit Rechenschaft geben, und die folglich nicht fühlen, dass sie unseres Herrn Jesu Christi bedürfen.

2. Solche, die wohl ihr Elend einsehen, aber nicht jenen starken Glauben an die Gottheit Jesu Christi haben, durch den sie sich gleichsam glücklich fühlen, so schwach zu sein, damit Jesus in ihnen verherrlicht werde. Wie weit entfernt sind Sie doch, sich Ihrer Schwachheiten zu rühmen!

Geben Sie sich Mühe, bei allem eine recht lautere Meinung zu haben. Vereinigen Sie Ihre Meinungen mit denen Ihres göttlichen Bräutigams und bekümmern Sie sich nicht um den Erfolg, den Gott sowieso nicht krönt" (1. September 1909 an eine Ordensfrau).

"Ihr so lieber Brief", schreibt er einige Jahre später einer anderen Ordensfrau, "war für mich ein wahrer Trost, denn nichts macht mir soviel Freude, als wenn ich sehe, dass meine Kinder sich ohne Vorbehalt dem lieben Heiland schenken.

Nichts verherrlicht so den lieben Gott, als eine Seele, die, obgleich sie ihre Richtigkeit und ihr Elend ein sieht, sich auf die Verdienste Jesu Christi und auf die Barmherzigkeit des Himmlischen Vaters stützt. Die Seelen, die ihre Dürftigkeit nicht kennen, halten sich wegen ihrer persönlichen Güte für gut und dem lieben Gott angenehm. Sie fühlen nicht, wie sehr sie Jesu bedürfen, und geben so dem liebe Gott wenig Ehre. Christus ist uns alles geworden. Er ist der Ersatz für unser Elend und unsere Armut, und er schenkt sich denen, die "arm im Geiste" sind.

Ich möchte, dass Sie recht strahlend seien, dass Ihr Herz sich recht frei fühle: "Ich bin, o Herr, auf dem Weg deiner Gebote gelaufen, als du Raum gemacht meinem Herzen" (Ps 119, 32). Die Traurigkeit ist ein Hauch der Hölle, die Freude dagegen ein Echo des göttlichen Lebens in uns" (4. Juni 1916).

Dom Marmion schrieb einst folgenden tiefen Satz:

"Die ganze Geschichte Jesu Christi ist der Triumph der "Kraft des Wortes", die die Schwachheit seiner heiligen Menschheit stützte" (Karsamstag 1922).

Ist dies nicht auch die Geschichte aller Seelen, die Gott zu einer vollkommenen Verbundenheit mit sich beruft? Dürfen sie nicht alles von Gott erhoffen, wenn sie sich auf das menschgewordene Wort, seine Verdienste und Gnaden, stützen? Dom Marmion hört nicht auf, es immer wieder einzuprägen:

"Was ich so gerne bei Ihnen finden möchte, ist die Überzeugung, dass all unsere Kraft die "Kraft Christi" ist. Der hl. Paulus legt so großen Wert darauf, dass diese Kraft die einzige Quelle seiner Tätigkeit sei, dass er sich über seine Schwäche freut und sich ihrer rühmt. Diese göttliche Kraft, die von Christus in seine Glieder überströmt, ist es ja auch, die unsern Handlungen ihre Schönheit verleiht, wie es die heilige Kirche so schön in ihrem Gebet sagt: "Deren einzige Stütze die Hoffnung auf die himmlische Gnade ist." (Kirchengebet vom 5. Sonntag nach Erscheinung, des Herrn. - 19. März 1914).

Und ein Jahr vor seinem Tod schreibt er wieder:

"Betrachten Sie Gott mit den Augen Jesu ... Wir sind die Glieder Christi, und unsere Armseligkeiten, die er auf sich genommen, rufen in seinem Namen um Barmherzigkeit zum Vater.

Jesus ist immer vor dem Angesicht Gottes und in ihm verborgen. Sein Gebet wird zum unsrigen, während er das Angesicht seines Himmlischen Vaters schaut. Ich begreife so gut den hl. Paulus, wenn er sagt: "Darum werde ich mich am liebsten meiner Schwachheiten rühmen, damit die Kraft Christi in mir wohne" (2 Kor 12,9. - 2. Januar 1922).


Er fasst seine ganze Lehre in folgendem kräftigen, ganz paulinischen Gedanken zusammen, der sich gewissermaßen ständig im Laufe seines brieflichen Verkehrs wiederholt:

"Je ärmer wir sind, desto mehr Raum ist in uns für die unaussprechlichen Reichtümer Jesu Christi. Unser erkanntes und zugestandenes Elend erwirkt uns seine Freigebigkeit" (Im Jahr 1918).

3. Die Hingabe in der Liebe

Die Übung der Tugenden des Glaubens und der Hoffnung muss durch die der Liebe, der höchsten Tugend, getragen und gekrönt werden: "Aber die größte davon (von den drei göttlichen Tugenden) ist die Liebe" (1 Kor 13, 13). Wir haben bereits gesehen, dass die Liebe das Prinzip jeglicher Vereinigung mit Gott ist. Die folgenden Seiten bringen uns nun die Lehre Dom Marmions über den reinsten und vollkommensten Ausdruck der Liebe: über den Geist der Hingabe. In seinem Buch: Christus unser Ideal, hat uns Dom Marmion gerade über diese Art von Liebe, deren Übung so notwendig ist und so viel Feinfühligkeit erfordert, Zeilen hinterlassen, die zu den schönsten und erhabensten zählen, die er uns geschenkt hat" (Siehe Kapitel: Der Geist der Hingabe). In den Briefen nun, wo er gezwungen war, sich über den jeweiligen Seelenzustand der Briefsteller zu äußern, treten diesbezüglich mehr Einzelheiten hervor; sie bieten uns so ein volles und richtiges Bild der Anschauung dieses Meisters der Aszese über einen der wichtigsten Punkte im Leben der Gottverbundenheit.

Der objektive Grund der Hingabe ist der göttliche Liebeswille, mit dem Gott alles zu seiner Ehre und zu unserer Vereinigung mit sich anordnet. Darum kann man auch nicht zu dieser Tugend gelangen, wenn man nicht tief durchdrungen ist vom Geist der Unterwerfung:

"Die Tugend, die uns zum Besitz aller andern führt, ist der Geist der Unterwerfung. Pflegen Sie diesen Geist der Unterwerfung Gott gegenüber. Vereinigen Sie sich oft mit den Gesinnungen des Gehorsams, welche das Herz Jesu seinem Vater gegenüber hegte, und dies besonders im Gebet und bei der heiligen Kommunion. Unterwerfen Sie sich nicht nur den ausdrücklichen Befehlen Gottes, sondern auch seinem Wohlgefallen, den Ereignissen, die er zulässt, den Anordnungen, die er bezüglich Ihrer Person trifft. Diese Tugend der Unterwerfung bahnt Ihnen den Weg zur wahren und vollen Hingabe" (Ohne Datum).

Diese Hingabe ist nun auch ihrerseits eine der wesentlichsten Bedingungen des wahren Fortschrittes in der Gottverbundenheit:

"Wie Sie es selbst so schön sagen, ist das: "Sich selbst verleugnen, um Christus nachzufolgen" - St. Benedikt, Regel, Kap. 4, V. 10) die Bedingung allen Fortschrittes im geistigen Leben. Doch sagt Ludwig Blosius (dessen Werke ich so gerne lese), dass die Selbstverleugnung in der vollständigen Ergebung in Gottes heiligen Willen gipfelt und zwar in einer Ergebung zu seinen Anordnungen und Zulassungen. Er sagt, dass eine Seele, die mit Jesus vollkommen in den göttlichen Willen ergeben ist, Gott sehr nahe steht, ohne diesen Anschein zu erwecken. Tun Sie also für den Augenblick aus ganzem Herzen alles, was der Gehorsam Ihnen gebietet, und überlassen Sie sich ganz der Liebe und der Fürsorge Gottes für alle Zukunft" (12. Juni 1906).

"Die Seelen, welche Gott zu einer innigen Vereinigung mit sich beruft", so schreibt er unter demselben Datum einer Ordensfrau, "dürfen bei ihrer Hingabe keinerlei Vorbehalt machen. Man muss sich blindlings in die Arme Gottes werfen; sich ihm hingeben durch einen Akt vollkommener Hingabe; schenken Sie sich ihm darum ein für allemal ohne jeden Vorbehalt. Diese Bedingung muss als wesentlich betrachtet werden. Ich verstehe gar wohl, dass das eine oder andere Sie schmerzen wird, doch das ist nicht wesentlich. Die Hauptsache ist, dass Sie ganz Gott angehören. Betrachten Sie sich als eine Gott gehörige "Sache" und nehmen Sie nichts mehr zurück. Wenn Sie kommunizieren, sagen Sie dem lieben Heiland, dass Sie, wie er es getan, jeden Willen seines Himmlischen Vaters annehmen wollen, und dem Vater geloben Sie, dass Sie ganz sein eigen sein, nur ihm angehören möchten, wie das "Wort", das Sie besitzen und empfangen haben" (1906).

Eine solche volle und ganze Hingabe an die ewige Liebe ist die Quelle der kostbarsten Gnaden, die das Leben der Gottverbundenheit mit sich bringt:

"Unser Heiland ist der Herr und Meister seiner Gaben. Da er auch die "Ewige Weisheit" ist, kommen wir geradewegs zum Vater, wenn wir uns auf ihn berufen und stützen (8. Oktober 1896).

"Falls sich eine Seele aus Liebe und blindlings ganz und gar der Führung der Ewigen Weisheit überlässt, der Allmacht, der Ewigen Liebe sich hingibt, wird sich alles zu ihrem Besten gestalten: "Denen, die Gott lieben, gereichen alle Dinge zum Besten" (Röm 8, 28). Der Heiland versichert uns, dass die Liebe des Vaters so zärtlich, so aufmerksam auf alles ist, dass auch nicht einmal "ein Härchen von unserm Haupt fällt ohne seine Erlaubnis. Gehen Sie diesen Weg der gänzlichen Hingabe, es ist der Ihrige, bleiben Sie auf ihm, was der Teufel Ihnen auch Gegenteiliges einflüstern will" (30. November 1920).

Ist das Beispiel der Heiligen nicht ein schlagender Beweis dafür?:

"Wenn man sich ganz der göttlichen Führung überlässt, wenden sich alle Ereignisse zu unserm Besten. Die hl. Katharina von Siena wäre am liebsten ihr ganzes Leben hindurch in ihrer Zelle geblieben, so ganz still und allein. Der Meister jedoch wollte, dass sie inmitten der Volksmassen, der Heere und in Beziehungen mit den Päpsten sei; da sie in allen diesen Dingen nur dem göttlichen Rufe folgte, war der liebe Heiland stets in ihrer nächsten Nähe" (10. Juli 1917).

Gott misst selbst seine Gaben nach dem Grad unserer kindlichen Hingabe, die voll Vertrauen und Liebe sein soll:

"Je mehr ich für Sie bete, desto mehr sehe ich ein, dass Ihr Weg in einer absoluten, nichts ausschließenden Hingabe bestehen soll. Gott wird in dem Grade Sorge für Sie tragen, in dem Sie sich mit all Ihren Anliegen in den Schoß seiner väterlichen Liebe und seiner heiligen Vorsehung werfen. Wenn Sie im Gebet in seiner Gegenwart in der Dunkelheit des Glaubens stehen, so beten Sie ihn trotzdem an in seinen göttlichen Wegen, in seiner Vorsehung, in seiner oft unergründlichen Weisheit. Werfen Sie sich dann in seine Arme, wie es ein Kind tun würde: "Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder, werdet ihr nicht ins Himmelreich eingehen" (Mt 18, 3). Er wird Sie behandeln, wie Sie ihn behandeln und Ihnen jene Freude und jenen Frieden schenken, von dem die Heilige Schrift spricht (vgl. Phil 4, 7). Bringen Sie ihm jeden Tag ein vollwertiges Brandopfer seines Dienstes dar, indem Sie sich mit allem, was Sie betrifft, seiner liebevollen Sorge überlassen: "Wirf deine Sorgen auf den Herrn und er wird dich erhalten" (Ps 55, 23. - 11. Dezember 1908).

Dieser Geist der Hingabe ist eine so erhabene Tugend, so glorreich für Gott, dessen höchste Vollkommenheiten sie ehrt, so fruchtbringend auch für die Seele, dass Dom Marmion nicht umhinkann, sie immer wieder von seinen geistigen Pflegebefohlenen zu verlangen. Im Laufe seiner ganzen Korrespondenz, besonders jedoch in seinen letzten Jahren, stoßen wir stets wieder auf diese dringenden Rufe, auf diese lauten Ermahnungen zur liebedurchglühten Hingabe:

15. Dezember 1894. "Für Sie wird es nie Frieden geben, es sei denn in der vollständigen Hingabe Ihrer selbst in die Hände des Himmlischen Vaters. Ich muss immer wieder auf diesen Punkt zurückkommen, denn der Heiland und Meister verlangt von Ihnen diesen Tribut Ihres Vertrauens und Ihrer Liebe. Jedes Mal also, wenn Sie sich beunruhigt fühlen, wenn Misstrauen und Mutlosigkeit sich einstellen wollen, versuchen Sie ganz sachte durch Gebet und durch Vereinigung mit Jesus Ihren Willen hinüberzulenken zu dieser restlosen Unterwerfung, zu dieser vollständigen Hingabe Ihrer Person, Ihrer Zukunft, Ihres ganzen Wesens in die Hände Gottes."

20. November 1916. "Stehen Sie dem lieben Gott stets zur Verfügung. Ich für meinen Teil biete ihm jeden Tag Ihre Seele an, damit er über sie verfüge nach seiner Weisheit und Liebe."

12. April 1917. "Überlassen Sie sich blindlings der Hand des Himmlischen Vaters, der Sie mehr und inniger liebt, als Sie es selbst vermögen."

12. Januar 1918. "Was dem lieben Gott am meisten gefällt, ist die vorbehaltlose, vollständige Hingabe an seine Weisheit und Liebe."

8. Oktober 1920. "Nachdem Sie alles für Gott verlassen haben, dürfen Sie Glück und volle Zufriedenheit erst für den Zeitpunkt erhoffen, an dem Sie für immer bei ihm sein werden. Der liebe Gott gibt Ihnen so viele Beweise seiner zärtlichen Liebe und väterlichen Fürsorge, dass Sie ihm mit einer vollständigen Hingabe antworten müssen. Nichts verherrlicht Gott so sehr, als dieses Sichgeben in seine heiligen Hände."

20. November 1922. "Überlassen Sie sich blindlings der göttlichen Liebe; sie wird für alles Sorge tragen, trotz der Schwierigkeiten."

5. Dezember 1922. "Betrachten Sie alles im Licht des Glaubens und bleiben Sie ganz ergeben. Gott hat in allem seine weisen Absichten, was er auch anordnen, tun und zulassen mag. Wir sind ihm stets den Tribut unseres Vertrauens schuldig. Er hat geschrieben: "Verflucht der Mensch, der seine Hoffnung auf Menschen setzt" (Jer 18, 5). "Der Herr hat es gegeben, der Herr hat es genommen. Der Name des Herrn sei gebenedeit" (Job 1, 21).

* * *

Doch muss man sich bei diesem so schwierigen Thema vor Irrtümern und Täuschungen hüten. Mit der ihm eigenen natürlichen Klugheit, dem Ergebnis seines langen Verkehrs mit den Seelen, belehrt uns Dom Marmion über die wahre Natur dieses Geistes der Hingabe. Man lese diese ernsten und eindringlichen Ermahnungen, man wird auch nicht die geringste Spur von Quietismus in seinem Lehrsystem finden:

"Was unserm Leben Einfalt und Frieden verleiht, ist eine aufrichtig gemeinte völlige Hingabe unser selbst an Gott um seiner Ehre willen. Sich Gott hingeben heißt, sich ihm schenken mit allem, was wir haben und sind, um gleichsam seine Sache zu werden, über die er ganz nach seinem Belieben verfügen kann.

Der Heiland sagt: "Vater, all das Meinige ist dein" (Joh. 17,10). Und der Vater nahm ihn beim Wort und überlieferte ihn den unerhörtesten Qualen. Viele sprechen von Hingabe, aber wenige nur halten Gott ihr Wort. Sie schenken sich Gott als sein Eigentum, sobald aber Gott anfängt über dieses Eigentum zu verfügen zu seiner Ehre und nach den Absichten und Ratschlägen seiner ewigen Weisheit, so ziehen sie sich gleichsam zurück, jammern und klagen und geben so den Beweis, dass ihre Hingabe nicht ernst gemeint, dass sie nur ein leeres Wort war."

Und nachdem er hier einen Spruch der Mutter Maria vom heiligsten Herzen (Droste zu Vischering) zitiert, fährt er weiter:

"Wenn man die Ordensgelübde abgelegt hat, ist man so sehr eine Sache Gottes, sein Eigentum, dass, falls man nachher sein Leben, seine Beschäftigungen für sich in Anspruch nehmen oder nach eigenem Gutdünken einrichten will, man jedes Mal von einer Sache Gebrauch macht, über die nur mehr Gott verfügen kann, und daher kommt dann der Verlust seiner Gaben und Gnaden. Das Wichtigste nun, was Sie zu tun haben, ist, die Neigungen Ihres Herzens, Ihre Beweggründe, dieses Reich Gottes, das in Ihnen ist, genau zu prüfen. "Alle Herrlichkeit der Tochter des Königs ist inwendig" (Ps 45, 15). Und diese Herrlichkeit und Schönheit besteht in dieser vollkommenen Einfalt der Liebe, die in allem nur auf Gott und seine Interessen schaut" (3. April 1908).

Manchmal hat diese Tugend wohl ihre Schwierigkeiten, denn Gottes Wege sind nicht immer die unsrigen:

"Hat man sich nun ganz und mit aufrichtigem Herzen Gott geschenkt, so lenkt er alles zu unserm Besten. Es gibt in unserm Leben Ereignisse, die für unsere Seele nicht von Vorteil zu sein scheinen, die jedoch im göttlichen Plan zur Bildung unserer Seele eingebaut sind. Nehmen Sie also die augenblickliche Lage, in der Sie sich befinden, im Geist des Glaubens, mit großem Vertrauen in die Güte des Himmlischen Vaters und mit großer Liebe an. "Denen, die Gott lieben, gereichen alle Dinge zum Besten" (Röm 8, 28. - 24. Juni 1917).

Aber:

"Nichts ist vollkommener, noch Gott genehmer, als diese so ganz bedingungslose Hingabe an sein heiliges Wohlgefallen, besonders, wenn dieses Wohlgefallen Kreuz und Lasten auf unsere Schultern legt. Gott erwählt mit Vorliebe, was schwach und klein ist, um seine Werke zu vollbringen, damit alles den Charakter des Göttlichen trage" (8. Februar 1909).

"Ich bin sehr dagegen", so schreibt er einer Ordensfrau, "dass man dem lieben Gott ein Ultimatum stellt oder Zeichen von ihm fordert, um seinen Willen zu erkennen (Wie aus dem Zusammenhang hervorgeht, handelt es sich hier sicher um ein außergewöhnliches Zeichen). Besser ist's, man geht den geraden Weg des Glaubens und nimmt Rat an von denen, die beauftragt sind, uns zu führen. Das Beste wäre, eine neuntägige Andacht zu beginnen, um Gottes Willen zu erkennen und zu gleicher Zeit die Gesundheit zu erflehen, wenn dies mit seinen Plänen übereinstimmt, aber ohne jedoch aus der Heilung eine Bedingung zu machen. Es könnte nämlich auch sein, dass Ihre Leiden die Voraussetzung für göttliche Gnadengaben sind" (15. Oktober 1917).

"Ich kann Ihnen nur die seine sagen", so drückt er sich in einem Briefe einem seiner Mönche gegenüber aus. "Mit dem lieben Heiland sage ich Ihnen: "Du bekümmerst dich und machst dir Unruhe um vieles. Eines nur ist notwendig" (Lk 10, 41), sich mit kindlichem Vertrauen in die Hände des Himmlischen Vaters und in die Hände dessen, der seine Stelle vertritt, zu ergeben: "Denen, die Gott lieben, gereichen alle Dinge zum Besten" (Röm 8, 28). Die beste Vorbereitung zum Priestertum besteht darin, aus Liebe jeden Tag da zu sein, wo der Gehorsam oder die göttliche Vorsehung uns hinstellt" (27. Dezember 1915).

Eine Seele, die wirklich im Geist der Hingabe leben will, muss mit dem Weg der Läuterung rechnen:

"Wenn eine Seele sich aus Liebe ganz dem lieben Heiland überlässt, so nimmt er sie an, hütet sie ganz nahe seinem Herzen und verschafft ihr durch Vorkehrungen einer Fürsorge voll göttlicher Weisheit und Liebe tausend Gelegenheiten, die Geduld zu üben. Die Geduld aber vervollkommnet unsere Seele, wie es auch unser heiliger Vater Benedikt so schön sagt: "Durch die Geduld nehmen wir teil an den Leiden Christi" (St. Benedikt. Prolog zu seiner Regel ; 11. Juli 1922).

* * *

Die Übung dieser Tugend wird dann besonders schwer, wenn sich Stunden der inneren Trockenheit und Umnachtung einstellen. Wenn sie auftreten, zeigt der Führer in Dom Marmion sein Mitgefühl, damit die Seele ja mit Großmut der göttlichen Aufforderung nachkommt. Wie wir es schon so oft festgestellt haben, mildert auch hier eine feinfühlende Zuvorkommenheit die allerhöchsten Forderungen:

"Die Zeit rückt immer näher, wo Sie H ... verlassen müssen, um dahin zu gehen, wohin Gott Sie ruft. Ich wünsche, dass Sie, gleich Abraham, sich ganz der Führung Gottes überlassen. Als Gott Abraham rief, lautete dessen Antwort immer: Adsum! "Hier bin ich." Da gab es keine Widerrede, keinen anderen Vorschlag. Der Herr ruft und der Knecht gehorcht. Ich will, dass Sie einen Tag bestimmen, an welchem Sie das Opfer Ihrer selbst an die liebevolle Vorsehung Gottes bringen, tun Sie ihn mir kund, ich werde dann das heilige Messopfer für Sie darbringen, Sie mit Jesus auf die Patene legen, damit Ihr Opfer dem Himmlischen Vater angenehm werde. Je mehr ich Gott mit den Augen Jesu sehe und betrachte, desto mehr wird es mir klar, dass nichts so erhaben, so göttlich ist, als uns vollständig Gott hinzugeben. Es ist außer allem Zweifel, dass der Schöpfer das Recht hat, über das Geschöpf, das er aus dem Nichts gezogen, frei zu verfügen; es ist ferner sicher, dass er in seiner unendlichen Allwissenheit weiß, was wir am besten tun können, um seinen Absichten zu entsprechen, und drittens ist seine grenzenlose Liebe das sicherste Ruheplätzchen für uns in unserer Blindheit und Schwäche" (14. März 1914).

"Ich teile aus ganzem Herzen den Schmerz Ihrer inneren Prüfung; sie ist mir aus eigener Erfahrung bekannt und ist ein schweres Kreuz. Manchmal führt uns Gott bis zum Abgrund; es scheint uns dann, dass wir fähig wären, ihm hasserfüllt die schwersten Gotteslästerungen entgegen zu schleudern.

Es ist der Teufel, der auf der Oberfläche unserer Seele angelt. Jesus selbst wurde der Wut dieses höllischen Feindes überlassen: "Doch dies ist eure Stunde und die Macht der Finsternis" (Lk 22, 53). Von diesem Augenblick an war der Geist und das Gemüt des Gottessohnes der Gegenstand der heftigsten Angriffe der Hölle: "Wahrlich er trägt unsere Krankheiten" (Jes 53, 4). Doch nichts vermag die Seele so zu läutern, als gerade diese Prüfung, die sie befähigt zur göttlichen Vereinigung. Dann wird die "Kraft Christi" ihre einzige Kraft und Stärke sein" (27. April 1922).

An einer anderen Stelle bedient er sich eines treffenden Vergleiches aus einem Buch des hl. Franz von Sales:

"Beim Lesen Ihres Briefes erkannte ich, dass Ihre Seele nun den Zustand: der Liebe in dunkler Nacht durchwandert. Der hl. Franz von Sales schildert trefflich Ihre Tage, wenn er den Zustand seiner eigenen Seele während seiner letzten Lebensjahre folgendermaßen beschreibt. Ein König hatte einen Musikanten, der ihm sehr ergeben war. Dessen Freude bestand darin, das Herz seines Herrn zu erfreuen durch seinen schönen Gesang und den Wohlklang seiner Musik, doch zu gleicher Zeit ergötzte er sich auch persönlich an seiner eigenen Melodie. Später jedoch wurde er vollständig taub und konnte so kein Vergnügen mehr daran haben. Trotzdem sang und spielte er mit Lust und Liebe weiter, nur um seinen geliebten König zu erfreuen.

Dies Beispiel deckt sich mit Ihrem Fall. Ich kenne Ihr Herz und weiß, dass es dem lieben Gott sehr ergeben ist und auch von ihm geliebt wird. Doch genau wie beim gekreuzigten Heiland soll auch bei Ihnen nur Gott diese Liebe sehen und sich an ihrem Wohlgeruch erfreuen. Auch Sie müssen hingeopfert werden in der Finsternis des Kalvarienberges. Halten Sie dies für sicher" (21. Juni 1910, an eine Ordensfrau).

Zu den Ermahnungen fügt er den Beistand des Gebetes: "Ich weiß Sie so sehr in Gottes Hand", schreibt er einer Karmelitin, "dass ich Ihnen nichts anders wünschen kann, als dass sein heiliger Wille sich vollkommen an Ihnen erfülle. Ich bete viel für Sie, doch nur in dem Sinn, dass Sie sich ganz dem Walten Gottes überlassen" (9. Juni 1917. Siehe ...).

Und einige Tage später:

"Ich liebe Ihre Seele, wie meine eigene, und ich bitte unsern gütigen Meister, Sie in allem nach seinem heiligen Willen zu führen und Ihnen alle möglichen Gelegenheiten zu bieten, in denen Sie ihn frei mit sich schalten lassen können. Denn dieses ist Ihr Weg" (31. Juli 1917).

Eine ganz besonders harte Prüfung für gottsuchende Seelen besteht darin, dass sie sich zu dieser Zeit fern von Gott glauben und sich unfähig fühlen, ihn zu finden. Die Hingabe ist dann der einzige Rettungsgürtel für eine so verlassene, hilflose Seele:

"Ihre Seele ist dem lieben Gott sehr teuer, doch er verlangt eine noch vollkommenere Hingabe und darum lässt er zu, dass Sie Ihr ganzes Unvermögen fühlen und zwar solange, bis Sie sich in allen Dingen an ihn wenden.

Ihr augenblicklicher Zustand kommt teils von Ihrer körperlichen Schwäche, teils ist er eine Prüfung. Wenn alles vorüber sein wird, werden Sie sich dem lieben Gott näher fühlen, obschon Sie jetzt meinen, von ihm abgelenkt zu werden.

Das Kennzeichen, dass Ihr augenblicklicher Zustand nicht an erster Stelle Ihren kleinen Veruntreuungen zuzuschreiben ist, - obgleich letztere mutmaßlicherweise der Sache nicht ganz fern stehen -, wird darin zu suchen sein, dass Sie im Grunde Ihrer Seele eine große Sehnsucht nach Gott fühlen. Diese ist eine wahre Qual, denn es kommt Ihnen vor, wie wenn Sie meilenweit von Gott entfernt wären. Doch er selbst ist es, der Ihnen diese scheinbar sich widersprechenden Gefühle eingibt. Er will, dass Sie sich innig nach ihm sehnen - und zu gleicher Zeit, dass Sie einsehen und zur Überzeugung kommen, ihn ohne seine Hilfe nicht finden zu können. Doch er wird sich finden lassen und kommen: "Das Verlangen der Armen hat der Herr erhört" (Ps 10,17). Für den Augenblick sind Sie einer dieser Armen" (28. April 1908 an eine Ordensfrau).

In diesen inneren Stürmen, die das Schifflein unserer Seele hin und her werfen, muss die Seele Ruhe und Treue bewahren: nichts macht dem lieben Gott mehr Freude und verherrlicht mehr seinen Namen:

"Sie dürfen nicht allzu viel acht geben auf die Wogen und Stürme, die sich auf der Oberfläche Ihrer Seele austoben. Gleich einem Meer ist sie immer in Bewegung, doch in ihren Tiefen ist sie ganz Gottes. Beten Sie zum Heiligen Geist, auf dass er Ihnen die Gabe der Stärke verleihe. Nichts verherrlicht Gott so sehr, als wenn wir uns mit vollem Vertrauen auf ihn stützen, und zwar besonders dann, wenn wir uns schwach und hilflos fühlen: "Denn wenn ich schwach bin", sagt der hl. Paulus, "dann bin ich stark; darum werde ich mich am liebsten meiner Schwachheiten rühmen, damit die Kraft Christi in mir wohne" (2 Kor 12,10). Mögen auch Sie von der Kraft Christi erfüllt werden! Die Braut macht dem Bräutigam nie mehr Freude, als wenn Sie sich mit aller Kraft auf den starken Arm ihres Geliebten stützt" (24. März 1916).

Möge also die Seele, trotz der Prüfungen, die der Herr zulässt, mit aller Großherzigkeit auf diesem Weg ausharren. Es kommt auch hier die Stunde, wo die Seele mit Frieden und Ruhe überhäuft wird in innigster Gottverbundenheit:

"Wenn der Herr vorhat, eine Seele innig mit sich zu vereinigen, lässt er sie durch viele Prüfungen gehen. Falls jedoch die Seele sich ganz seiner Führung überlässt, lenkt er alles zu ihrem Besten, gemäß der Wort des hl. Paulus: "Denen, die Gott lieben, gereichen alle Dinge zum Besten" (Röm 8, 28). Die Ehre Gottes verlangt, dass wir auch in schwierigen Umständen auf ihn hoffen. Auf Gott vertrauen, an seinem Herzen ruhen, wenn alles gut geht, erfordert nicht viel Tugend und verherrlicht gar wenig jenen, der will, dass wir durch den Glauben und gegen jede menschliche Hoffnung ihm dienen. Wahre Tugend ist es: stets fest zu vertrauen, dass Gott uns trotz anscheinend unüberwindlicher Schwierigkeiten niemals verlässt, dass seine Weisheit, Liebe und Allmacht schon Mittel und Wege finden werden. Je mehr eine Seele durch solche Schwierigkeiten und Prüfungen gegangen ist, desto höher wird ihr Flug sein, wenn sie einmal endgültig dem Dienst Gottes verpflichtet sein wird" (14. März 1902).

4. Die Liebe zum Nächsten

Die Gottesliebe hat notwendigerweise die Nächstenliebe zur Gefolgschaft. Das erste Gebot lautet: Du sollst Gott deinen Herrn lieben aus deinem ganzen Herzen und aus deiner ganzen Seele und aus deinem ganzen Gemüte und aus allen deinen Kräften. Ein zweites Gebot aber ist diesem gleich: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst (vgl. Mt 22, 37-39; Mk 12, 30-31; Lk 10, 27). Seit der Menschwerdung, schreibt Dom Marmion - in den so kräftigen, überzeugungsvollen Seiten, die er der Nächstenliebe widmet (vgl. "Christus, das Leben der Seele" Kap. 11 und "Christus unser Ideal") - und durch die Menschwerdung sind alle Menschen, rechtlich, wenn auch nicht immer in der Tat, mit Christus verbunden, wie die Glieder eines Körpers mit ihrem Haupt verbunden sind. Daraus folgt, dass das Leben der Vereinigung mit Gott als notwendige Folge die Liebe zum Nächsten in sich schließt.

In dem brieflichen Nachlass Dom Marmions findet man zwar nur wenige Zeilen über die Nächstenliebe, doch verdienen gerade sie festgehalten zu werden; man entdeckt in ihnen mehr als einmal jene feine Psychologie voll innerer Wahrheit und leuchtender Klarheit, die seine Unterweisung so reizvoll macht:

"Der liebe Gott verlieh Ihnen die große Gnade eines heißen und innigen Wunsches nach Vollkommenheit. Mit dieser Gnade müssten Sie eigentlich auf diesem Weg schon weit vorangeschritten sein.

Was Sie zurückhält, ist der Umstand, dass Sie nicht genug Gott in seinen Gliedern hingegeben sind. Sie möchten ganz allein Gott gehören (indem Sie sich nur mit Ihrer persönlichen Vervollkommnung beschäftigen), doch Gott zeigt sich uns vereinigt mit seinem Sohn und in ihm mit der ganzen Kirche. Kämen Sie aus dieser Ihrer Absonderung heraus, so würden Sie große Fortschritte machen" (Ohne Datum: um 1901).

"Durch die heilige Kommunion treten Sie unmittelbar in Verbindung mit Jesus Christus und durch ihn mit dem Vater und dem Heiligen Geist, die in ihm sind. Sie treten weiter durch ihn und mit ihm in Verbindung mit seinen Gliedern und dies besonders mit jenen, die ihm schon vereint sind durch die ewige Glorie. Es ist dies jene Kommunion (Vereinigung), um die er so innig zum Vater flehte: "Dass sie alle eins seien wie du, Vater, in mir und ich in dir und dass auch sie in uns eins seien" (Joh 17, 21. - 26. Mai 1908).

Diese erhabenen Gedanken finden unter seiner Hand die schönsten Erläuterungen:

"Je mehr man sich Christus hingibt, desto mehr schenkt er sich uns. Und schenkt er sich uns einmal vollständig, so bedeutet dies für uns die Fülle seines Lebens in uns, die Heiligkeit, die vollkommene Vereinigung mit ihm. Sich Jesus schenken heißt aber, zuerst sich ganz ihm hingeben und seiner Weisheit und seiner Liebe die ganze Sorge überlassen, wie alles seiner Ehre und unserm Wohl dienen soll. Je vollkommener und vollständiger diese Hingabe ist, desto mehr wird der Heiland es auf sich nehmen, unser ganzes Leben bis in die geringsten Einzelheiten zu regeln.

Sich Jesus schenken, heißt ferner, sich den andern widmen aus Liebe zu ihm, oder vielmehr sich ihm schenken in der Person des Nächsten. Er sagte ja selbst: "Wahrlich, wahrlich sage ich euch: so oft ihr dem geringsten meiner Brüder Gutes getan habt, habt ihr es mir getan" (vgl. Mt 25, 40). Es gibt leider nur wenige, die diese Wahrheit verstehen, darum gibt es auch so wenig Heilige. Vergessen Sie dies nie: Unser Meister schenkt sich nur denen, die sich ihm schenken in der Person des Nächsten. Ich will Ihnen hier den Grund angeben: als Gottes Sohn Mensch wurde, hat er gleichsam Fleisch angenommen im Nächsten, und wie man nur zu Gott durch die heilige Menschheit Jesu Christi gelangt, so kann man sich auch nicht mit Christus vereinigen, es sei denn, man nehme ihn geeint mit dem Nächsten. Denken Sie gut über diese Wahrheit nach; sie ist wirklich fruchtbar" (17. Dezember 1901).

"Erflehen Sie sich von Ihrer heiligen Namenspatronin, wie ich es selbst auch tue", schreibt er einer Ordensfrau, "eine so große Liebe zu Ihrem himmlischen Bräutigam, dass jede andere Liebe daraus ihren Ursprung nimmt. Wir dürfen unsere Liebe zu Gott mit keinem Geschöpfe teilen, sein Gebot ist ganz bestimmt: "Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben aus deinem ganzen Herzen." Doch, wie wir Gott lieben, können wir auch den Nächsten lieben, weil er ihn liebt und wünscht, dass wir ihn lieben; dann aber in der Ordnung und in dem Maß der Liebe, die Gott will.

Wenn wir so lieben, nimmt unsere Liebe zum Nächsten keineswegs etwas von der Liebe zu Gott weg, sie ist vielmehr nur eine andere Art der Liebe zu ihm. Auf diese Art lieben können, ist eine Gnade. Wir müssen sie von Gott erflehen und durch die Innigkeit unserer Liebe zu ihm zu verdienen suchen. Von der hl. Theresia wird berichtet: "Ihre zärtliche Liebe geht durch das Herz des Gottessohnes und schöpft da ein doppeltes Leben: sie wird göttlich in ihrer Wurzel und bleibt menschlich in ihrer Entfaltung, gerade wie die dreimal heilige Freundschaft des Erlösers zu seinen Apostel, zu seinen Jüngern, zu Johannes und Lazarus ..." (19. November 1902).

* * *

Was nun die Übung der Nächstenliebe betrifft, so wollte Dom Marmion, dass sie übernatürlich und doch auch menschlich sei. Sehen wir, wie er dies erklärt, dabei Skrupel aus dem Weg räumt und die wahre Lehre darüber festlegt:

"Gott erwartet und verlangt, dass jedes Geschöpf, gemäß seiner jeweiligen Natur, ihm diene und ihn liebe. Die Engel müssen ihm dienen nach Art der Engel, d. h. ohne Herz, ohne Gefühl, ohne Affekte, denn all diese Dinge besitzen sie ja nicht. Von den Menschen jedoch verlangt Gott, dass sie ihn lieben auf menschliche Weise: d. h. mit ihrem ganzen Herzen, mit ihrer ganzen Seele, mit ihrem Gemüt und ihren Kräften und auf die gleiche Art und Weise ebenfalls ihren Nächsten. Wir sind weder reine Geister, noch Schattengebilde, sondern menschliche Wesen. Wir können und sollen auch nicht höher steigen wollen, als es eine vollkommene und durch die Gnade erhöhte Menschheit vermag. Nun ist aber Jesus wahrer, d. h. vollkommener Mensch und wahrer Gott. Er liebt seine Mutter, wie nur ein Kind seine Mutter lieben soll, nicht nur mit dem Verstand, sondern auch mit dem Herzen. Er schlang seine Ärmchen um ihren Hals, er ließ sich von ihr liebkosen und hatte das gern. Er liebt alle Menschen: a) um ihrer Seelen willen in Hinsicht auf die Ewigkeit; b) um ihres ganzen Wesens willen, in menschlicher Weise; c) er liebte einige unter ihnen mit besonderer menschlicher Liebe. Er weinte beim Tod des Lazarus. Woher kamen diese Tränen? Aus seinem heiligsten Herzen. Er liebte nicht nach Art der Engel, weil er eben kein Engel war, sondern der "Menschensohn"; niemand war je so "menschlich", wie Jesus es war. Sein Vater fand in ihm sein ganzes Wohlgefallen. Bei dem, was Gott uns geschenkt hat, um uns zu sich zu führen und um uns unsere Verbannung hier unten erträglich zu machen, befindet sich auch die Liebe und Anhänglichkeit der Wesen, die um uns sind. Wer legte in das Mutterherz die Liebe zu ihrem Kind?

War es nicht er? Wie könnte es ihm dann missfallen, wenn wir dieses große Geschenk annehmen? Wir müssen uns hüten, uns vom Teufel täuschen zu lassen, der uns oft zu Sachen treibt, die über die menschlichen Kräfte und den Absichten Gottes entgegen sind. Jesus sagt: "Mein Joch ist süß und meine Bürde leicht" (Mt 11,30). Es wäre ja ganz unerträglich, müssten wir wie Seelen ohne Leib handeln, und wären wir, entgegen unserem Willen, gebunden an unsere Sinne, an unsere Liebe, an menschliche Bande. Begnügen wir uns doch mit der Vollkommenheit des Gottmenschen. Der Heiland liebte Maria, seine heiligste Mutter, a) weil er in ihr das Abbild seiner eigenen Vollkommenheit erblickte; b) weil sie seine heilige Mutter war. Er liebte sie mit der Liebe eines Kindes, die durch die hypostatische Vereinigung zu unendlichen Höhen erhoben war und doch ganz menschlich blieb; c) drittens liebte er Maria wegen aller Tugenden und Gaben, die er in sie gelegt hatte.

Also, mein teures Kind, steuern Sie nicht allzu hoch; geben Sie sich zufrieden, einfach und nüchtern zu denken und zu handeln. Bitten Sie den Heiland um die Liebe der Losschälung, so dass keine menschliche Liebe Ihnen notwendig ist, denn:

"Eines nur ist notwendig" (Lk 10,42). Bedienen Sie sich der irdischen Liebe gerade wie Sie Gebrauch machen von den andern geschaffenen Dingen. Sie hängen nicht an den Geschöpfen, wenn Sie das innere Verlangen haben, sie nur nach dem Willen Gottes zu gebrauchen. Sehen Sie doch, wie die hl. Theresia ihre Mutter zu sich ins Kloster nimmt, betrachten Sie die Freundschaft zwischen dem hl. Franz von Sales und der hl. Chantal, den hl. Augustinus, wie er seine Mutter beweint, ohne ein Fäserchen von Anhänglichkeit" (4. Dezember 1919).

An dieselbe Seele schreibt er, nachdem sie ins Kloster eingetreten war, wertvolle Zeilen innerer Wahrheit:

"Ihre Gedanken und Betrachtungen über den göttlichen Heiland sind zu alltäglich. Er ist nicht im geringsten so, wie Sie sich ihn vorstellen. Sein Herz ist weit wie das Meer, ein richtiges, menschlichfühlendes Herz. Er weinte bittere Tränen beim Tod seines Freundes Lazarus, so dass die Juden sagten: "Seht doch, wie er ihn liebte" (Joh 11, 36) ! Er will nicht, dass Sie als Gespenst nur mit einer Seele umhergehen. Ach nein! Er will, dass Sie natürlich bleiben und Ihr Frauenherz, so, wie er es geschaffen: Liebe spendend, nach Liebe sich sehnend, bewahren, und wenn Sie nun Ihre Lieben verlassen, so will er, dass Sie es ganz tüchtig und gründlich fühlen. Quälen Sie doch nicht immer so Ihr armes Herz durch unnötige Angst, sondern blicken Sie auf Jesus: sein Reichtum hat für Sie, seine Braut, alles bereit, was Ihrer Armut gebricht" (7. Juli 1920).

Als kluger Seelenführer weiß er auch, wo es notwendig ist, auf die Zurückhaltung aufmerksam zu machen, die die Ausübung dieser Tugend verlangt:

"Suchen Sie in allem nur stets Gottes Wohlgefallen; machen Sie die Meinung, in allem nur ihm zu gefallen. Sie haben ein liebendes Herz, das nach Gegenliebe sich sehnt, darum müssen Sie sich fest an Gott anklammern. Wenn Sie dann so treu mit ihm verbunden sind, wird er Ihnen die nötige Freiheit im Verkehr mit dem Nächsten geben, ohne dass Sie sich selbst dabei suchen" (1908).

"Gerne hätte ich Ihnen schon früher geschrieben (Brief an eine Ordensfrau), weil Sie in Not waren, doch ich fand keinen freien Augenblick. Sie haben meine Worte in viel zu engem und übertriebenem Sinn aufgefasst. Ich habe es so gemeint:

Der liebe Gott hat Sie unter seinen besonderen Schutz genommen und verlangt nun von Ihnen all Ihre Liebe und Ihr ganzes Herz. Nun sind aber die Zärtlichkeit und ihre Äußerungen, von denen Sie mir schrieben, wenn auch nicht gerade Sünde, doch ein Zugeständnis an die Natur und sie würden nach und nach Ihre Tugend schwächen. Hat man sich einmal zur vollkommenen Liebe aufgeschwungen, d.h. ist man endlich den Geschöpfen abgestorben, so beginnt man ein neues Leben, in dem man ohne Sorgen lieben kann, denn dann ist die Liebe zu Gott die einzige Triebfeder jeder anderen Liebe. Doch Sie sind noch nicht so weit.

Sie müssen noch durch so manche Prüfung hindurch, müssen "sterben, wie das Samenkorn, das in die Erde fällt" (vgl. Joh 12,24), bevor Sie ohne Gefahr Ihr Herz andern hingeben können. Nachdem die hl. Theresia durch langanhaltende und schmerzhafte Prüfungen gegangen war, schenkte ihr Gott die früheren Zuneigungen wieder. Sie waren jetzt noch stärker und zärtlicher als früher, bedeuteten jedoch keine Gefahr mehr für sie. Dieser Zustand hat als Kennzeichen, dass man der Zuneigung anderer nicht mehr bedarf. Wenn man jedoch traurig ist, sich gleichsam verlassen fühlt, falls man ihrer beraubt ist, so ist es ein sicheres Zeichen, dass diese Anhänglichkeiten zum Teil wenigstens sinnlich und unvollkommen sind, die Seele schwächen und so eine Gelegenheit zur Sünde werden können.

Auf der anderen Seite dürfen Sie nun auch wieder nicht die Sache übertreiben und sich völlig absondern, jede Freundschaft, deren Sie in ihrer Schwäche vorläufig noch bedürfen, schroff ablehnen. Nur müssen Sie die Vorsichtsmaßregeln, welche die Klugheit und die heilige Regel vorschreiben, anwenden. Ich bete für Sie aus ganzem Herzen, denn Sie sind mir in Jesu Christi sehr teuer" (7. Mai 1914).

Da und dort finden sich in seinen Briefen etliche kurze Ratschläge, sich liebenswürdig selbst zu vergessen und freudig die Nächstenliebe zu üben; ist nicht die Herzenshöflichkeit eine christliche Tugend?

"Was Jesus vor allem augenblicklich von Ihnen will, ist, dass Sie sich selbst vergessen um andern zu Diensten zu sein, so wie Jesus es tat, der seinen Jüngern die Füße wusch" (4. Oktober 1913).

"Wie freut es mich, dass Sie nicht nur selbst fröhlich sind, sondern auch bestrebt, andere glücklich zu machen. Sie haben recht: "Ein Heiliger, der traurig ist, ist ein trauriger Heiliger." Wenn man Jesus im Herzen hat, ist traurig sein wie eine Beleidigung für ihn. Das ist, als ob man ihm sagte: "Du genügst mir nicht." Und Jesus ist doch ganz und gar unser" (27. November, um 1903).

"Seien Sie recht heiter, ganz verbunden mit Christus und ganz liebevoll. Dann werden Sie dem lieben Heiland immer teurer und mehr und mehr mein Kind" (27. November, um 1903).

Andere Ratschläge passt er trefflich der Lage der Briefsteller an: "Für den Augenblick", so schreibt er einem Kind, "ist es Deine erste Aufgabe, ein Engel des Trostes für Deine lieben Eltern zu sein. Sie haben nur Dich und Jesus beauftragt Dich, ihn bei den Eltern zu vertreten. Du weißt, was Jesus einst sagte: "Alles, was ihr dem geringsten der Meinen getan, das habt ihr mir getan" (Mt 25, 40). Das gilt in noch höherem Maße von Deinen Eltern. Sie vertreten bei Dir Gottes Stelle, und alles, was Du tun wirst, sie zu trösten und ihnen zu helfen, wird der Heiland annehmen, als wenn Du es ihm erwiesen hättest" (3. April 1903).

Zwei Monate später:

"Deine Lage ist gewiss nicht leicht, Du bist noch ein kleines Kind und schon liegt auf Dir die schwere Last, Deine Eltern in ihrer Trauer zu trösten. Ich gebe zu, dass dies sehr schwer ist für ein so kleines Menschenkind, doch tröste Dich, Du bist nicht allein. Du weißt, dass wenn wir uns im Stand der Heiligmachenden Gnade befinden, der gute Heiland stets in unserm Herzen wohnt. Sein großer Wunsch ist, uns alles zu sein.

Deine erste Pflicht ist, Papa und Mama Freude zu machen. Sei stets fröhlich, ein kleiner Friedensengel, und Jesus wird Dich sehr lieb haben. Denn er wird alles auf sich beziehen, was Du tust, um Deine teuren Eltern zu trösten" (9. Juni 1903).

* * *

Es gibt einen Punkt in der Nächstenliebe, den Dom Marmion immer stark betont hat: das Urteilen über den Nächsten. Wir hören in seinem schriftlichen Nachlass das Echo seiner festen und ernsten Lehre.

Einer seiner ältesten Briefe (27. November 1894) enthielt schon folgende drängenden Ratschläge:

"Achten Sie besonders auf Ihren Verkehr mit dem Nächsten und seien Sie überzeugt, dass das heiligste HerzJesu niemals Ihr Herz berät, wenn Sie in Gedanken und Worten hart gegen den Nächsten sind, denn dieses Herz ist ein Ozean von Mitleid mit unsern Armseligkeiten, und es hat diejenigen Seelen besonders lieb, die sich niemals gestatten, ein hartes Urteil über den Nächsten zu fällen. Die hl. Katharina von Siena erlaubte sich niemals den Nächsten zu verurteilen, selbst wenn seine Handlungen offenkundig schlecht waren, und unser Erlöser offenbarte ihr, wie gerade diese Handlungsweise ihm gefiel. Ich weiß zwar aus eigener Erfahrung, wie schwer diese Vollkommenheit ist, doch wir müssen immer nach dem Vollkommneren trachten, um Jesu Freude zu bereiten" (27. November 1894).

Der gleichen Lehre begegnen wir 30 Jahre später (3. Dezember 1921):

"Suchen Sie so viel wie eben möglich, sich nicht mit den Unvollkommenheiten der andern zu beschäftigen, solange Sie kein Amt dazu verpflichtet. Es ist dies ein Fallstrick des Teufels, der darauf ausgeht, Ihre Verdienste und Ihre Gnade zu mindern. Christus will nicht, dass wir über unsern Nächsten urteilen, es sei denn, dass eine Pflicht uns dazu zwingt. Richtet nicht ! "Mit dem Maß", sagt der Herr, "womit ihr messt, werdet ihr gemessen werden" (vgl. Mt 7, 1-2). Nichts hält den Arm der göttlichen Gerechtigkeit uns gegenüber so zurück, wie die dem Nächsten erwiesene Barmherzigkeit."

Was Dom Marrnion in solchen Tagen besonders empfiehlt, ist das Gebet, denn es macht die Schlauheit des Teufels zunichte, dessen Eigenart es ja ist, überall Zwietracht zu säen (vgl. Mt 13,25):

"Beten Sie für jene, von denen Sie glauben, dass sie schlecht handeln, doch richten Sie nicht über sie. Gott allein sieht ins Herz. Nur er allein kann die Verantwortlichkeit der Seelen beurteilen" (30. November 1920).

Diesem Gedanken gibt er folgende schöne Erläuterung:

"Was uns oft hindert, gesammelt zu bleiben, ist der Umstand, dass wir uns viel zu viel mit den andern beschäftigen. Beurteilen Sie nicht die andern, denken Sie auch nicht, dass Sie den Obern alles melden müssen, was Ihnen schlecht zu sein scheint im Betragen Ihrer Mitschwestern, es sei denn, dass ein Amt Sie dazu verpflichtet. Es ist dies nur der Teufel, der Sie beunruhigen und vom Verkehr mit dem Heiland abhalten will. Der liebe Gott duldet zwar diese Versuchungen, denn er sieht darin das Mittel einer gründlichen Läuterung. Man muss nämlich gleich, wenn ein solcher Gedanke auftaucht, sich seiner entschlagen. Beten Sie sofort für die Person, gegen die sich das Urteil richtet. Wenn der Teufel sieht, dass jeder solche Gedanken, den er Ihnen einflüstert, Ihnen Gelegenheit zu einem guten Gebet gibt, wird er bald seine Taktik aufgeben. Wenden Sie sich unmittelbar an den lieben Heiland, vertrauen Sie ihm die Sache an und beten Sie: "Mein liebster Meister, ich überlasse dir diese Angelegenheit, ich will mich nur mit dir beschäftigen und ganz eins mit dir sein." Gewiss, es kann Fälle geben, wo wir durchaus nicht die Tat billigen können; aber erlauben wir uns auch dann kein Urteil über die Absicht. Das ist eine Sache, die nur Gott und die Seele angeht. Und je älter ich werde und in der Erfahrung wachse, desto mehr sehe ich ein, dass nur das Auge Gottes unsere Meinung sehen und den Wert unserer Handlungen bemessen kann." (Ohne Datum, an eine Ordensschwester).

Anderseits schreibt er auch mit Recht einer Oberin:

"H... macht Fortschritte im beschaulichen Gebete und somit in der Vollkommenheit. Dank der Gnade und des Beistandes Gottes ist dieser Fortschritt begleitet von einer vollkommenen Unterwerfung unter den Gehorsam und einer großen Sanftmut und Nachgiebigkeit im Verkehr mit anderen. Ohne dies wären mir ihre Fortschritte im Gebetsleben verdächtig: "An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen" (Mt 7,16; 8. Februar 1901).

Tatsächlich ist es das Gebet, - hl. Offizium (=Stundengebet) oder Privatgebet -, aus dem uns der Quell der weitherzigen, strahlenden Nächstenliebe zuströmt, die ganz Selbstvergessenheit und eben darum Unterpfand der göttlichen Gnade ist:

"Besonders ist es das heilige Offizium, in dem wir unser ganzes Wesen Gott und den Seelen opfern, und ich komme immer mehr zur Überzeugung, dass die größten Gnaden Gottes denen gegeben werden, die in diesen Augenblicken und Stunden recht treu sich erweisen und am großmütigsten befunden werden. Von dem lieben Heiland steht geschrieben: "Wahrlich er trägt unsere Krankheiten und ladet auf sich unsere Schmerzen" (Jes 53, 4). Wenn wir uns während des heiligen Chorgebetes und der Heiligen Messe so recht innig vereinigen mit ihm und seinen Beziehungen zu seinem Vater, mit den Seligen des Himmels und den treuen Seelen hier auf dieser Erde, verwirklichen wir jenes hohe Gebet seines heiligsten Herzens: "Auf dass sie alle eins seien, wie du, Vater, in mir und ich in dir, dass auch sie in uns eins seien" (Joh 17, 21). Wir werden gleichsam eins mit ihm, wenn wir mit ihm alle Mühen, Sorgen, Leiden der heiligen Kirche auf uns nehmen, und im Namen aller beten, ganz im Vertrauen auf seine unendlichen Verdienste. Wenn wir immer so handeln, gehen wir aus uns heraus, vergessen unsere kleinen Sorgen und Mühseligkeiten und denken nur noch an Gott und an die Seelen. Seinerseits denkt dann Gott mit Wohlgefallen an uns und überhäuft uns mit seinen Gnaden: "Gebt und es wird euch gegeben werden, ein gutes und eingedrücktes und gerütteltes und überfließendes Maß wird man euch in den Schoß geben (Lk 6, 38).

Wenn ich, mein teures Kind, so rede, so deshalb, weil, je mehr ich Ordensleuten begegne, desto stärker meine Überzeugung wird, dass der Grund all ihrer Armseligkeiten darin zu suchen ist, dass die meisten zu viel an sich selbst denken und zu wenig an Jesus und an die Seelen. Wenn sie doch nur endlich einmal aus sich herausgehen könnten, um ihr ganzes Leben dem Heiland und den Seelen zu widmen! Ihr Herz würde sich weiten gleich dem Ozean; und sie selbst würden auf dem Weg der Vollkommenheit voran fliegen: "Den Weg deiner Gebote bin ich gelaufen, als du Raum gemacht meinem Herzen" (Ps 119, 32. - 3. Februar 1904).

5. Auf dem Gipfel der Gottverbundenheit: Das beschauliche Gebetsleben

Es ist wohl nicht notwendig, das ganze Lehrsystem Dom Marmions über das beschauliche Gebetsleben wiederzugeben, da er es bereits in seinen Werken: "Christus, das Leben der Seele" und: "Christus, unser Ideal" ausführlich getan (Man müsste hier noch das Kapitel "Spiritus precum "hinzufügen aus: "Un maître de la vie spirituelle"). Es genügt, wenn wir hier in Erinnerung bringen, dass die Beschauung nach ihm "der vollkommenste Ausdruck des Innenlebens eines Gotteskindes ist", "die vollkommenere und höhere Übung der drei göttlichen Tugenden unter dem Einfluss der Gaben des Heiligen Geistes." Darum hat er auch stets mit so großem Nachdruck hingewiesen auf die Übung der Tugend des Glaubens, auf die hingebende und großherzige Treue den Eingebungen des Heiligen Geistes gegenüber.

Die meisten der Briefe religiösen Inhaltes Dom Marmions (Wir sagen: "die meisten", denn in mehreren finden wir Hinweise auf Aufgaben und Pflichten weltlicher Personen), - von jenen wenigstens, die uns zugeschickt wurden -, sind nicht an Anfänger gerichtet, sondern an solche, die kraft ihres Standes sich der Betrachtung und dem beschaulichen Gebetsleben hingeben. Doch werden alle Seelen neuen Antrieb schöpfen können aus Ratschlägen, die so voll Klugheit, Weisheit und auch Vertrauen sind, und die Dom Marmion so gern erteilt.

Die Beschauung war in den Augen Dom Marmions etwas so Erhabenes und Großes, dass er sie, wie die Heiligen es taten, jeder äußeren Tätigkeit vorzog:

"Keine Anhäufung äußerer Tätigkeit, mag sie auch noch so groß sein, ist Gott so angenehm und der Kirche so nützlich, als der traute Verkehr der Beschauung, in welchem die Seele Gott nach seinem Belieben walten lässt. Für diesen Verkehr hat Gott ja auch die Seele erschaffen. "Maria hat den besten Teil erwählt, der ihr nicht wird genommen werden" (Lk 10, 42).

"Unsere äußere Tätigkeit gefällt Gott nur in dem Maße, als sie ein "Überfließen" unserer inneren Verbundenheit mit ihm ist" (2. November 1915).

An einer anderen Stelle gibt Dom Marmion trefflich den Grund dieser Behauptung an:

"Gott beruft Sie zur inneren Vereinigung und dies ist für Sie von größerem Nutzen und vorteilhafter für die heilige Kirche und die Seelen als all Ihre äußere Tätigkeit.

Sehen Sie, meine Tochter", so fährt er fort, nachdem er, wie so oft, Ludwig Blosius angeführt, "Gott hat uns für sich erschaffen, und wir können nichts Größeres und Besseres tun, als uns ihm unterwerfen und seinen heiligen Absichten entsprechen. Wenn wir Gott gestatten, im Gebet in uns zu wirken, so ist das weder Trägheit noch Untätigkeit. In diesen Augenblicken betätigt sich nämlich in den verborgenen Tiefen unserer Seele ein göttliches Wirken, viel wertvoller als all unsere menschliche Tätigkeit. In dem Maß, wie sich unsere Seele Gott nähert, wird sie einfacher, und weder Worte noch Gebetsformen vermögen auszudrücken, was ihr Inneres empfindet. Die Kirche bekennt in der Liturgie:

"O Gott, vor dem jedes Herz offen steht, zu dem unser Wille redet, und dem nichts verborgen ist, reinige unsere Herzen durch die Eingießung des Heiligen Geistes, damit wir dich vollkommen zu lieben und dich würdig zu loben vermögen" (Oratio ad postulanden gratiam Spiritus Sancti. - 29. Mai 1915).

Dann wünscht er auch so sehr, dass sich die Seelen dem betrachtenden Gebete hingeben:

"Man feiert morgen das Fest des Seligen Jan van Ruysbroeck, eines der größten Mystiker der Kirche Gottes. Ich werde das Glück haben, die Tagesmesse dieses Seligen zu feiern. Ich werde sie feiern für mich, für Sie, für die Ihrigen, damit Gott uns die Gabe des wahren betrachtenden Gebetes verleihe" (1. Dezember 1916).

"Ich freue mich zu hören", so schreibt er an eine in der Welt stehende Person, "dass Sie soviel Licht und Frieden in der Betrachtung finden. Dies ist eine große Gnade und die sicherste Gewähr für Ihre Ausdauer" (7. November 1917).

Einem Herrn gegenüber, der infolge allzu großer Beschäftigung und Verwicklung in weltliche Geschäfte die Übung des betrachtenden Gebetes unterlassen hatte, drückt er sein tiefstes Bedauern darüber aus:

"Ich war wirklich traurig, als ich erfuhr, dass Sie die Betrachtung aufgegeben haben. Es ist dies "ein Fallstrick des bösen Feindes, denn ohne die Betrachtung, in der Herz und Seele Gott berühren, bleibt man immer in einer großen Minderwertigkeit. In diesen Stunden der seelischen Vereinigung schenkt uns Gott sein Licht und sein Leben, obgleich manchmal nicht in wahrnehmbarer Weise" (28. Mai ohne Jahreszahl).

* * *

In seinen "Geistigen Werken" ("Christus, das Leben der Seele": Das Gebetsleben; "Christus, unser Ideal" Kap.: Das monastische Gebetsleben) hat Dom Marmion sich nicht viel damit befasst, die Haltung der betrachtenden und schauenden Seele im einzelnen klarzulegen; es genügte für seinen Plan, das Wesen der Beschauung und die Stufen ihres Fortschrittes klarzustellen, und die Bedingungen darzulegen, unter denen sie sich zur herrlichen Blüte entfaltet und die lieblichsten Früchte zeitigt. In seinen Briefen nun finden wir Ratschläge, die zu verbreiten nützlich sein wird.

Obgleich nach seiner Auffassung die Beschauung mehr eine Gabe von oben, als menschliche Kunst und Fertigkeit ist, so verlangt sie doch unentbehrliche Maßnahmen auch von unserer Seite. Unter letzteren bezeichnet er besonders eine als wertvoll: die Sammlung.

"Meine teure Tochter! Ich wünsche, dass Sie sich alle Mühe geben, stets vereint mit dem lieben Heiland zu leben, ohne sich zu bekümmern, was draußen um Sie herum vorfällt. Sie sind die Braut Christi, so leben Sie denn nur mit ihm allein "im Schoß des Vaters", dort ist der ureigene Platz einer Braut Christi. Doch dazu bedarf es einer großen Treue. Bleiben Sie gesammelt, nicht nur zur Zeit des Gebetes, sondern auch den ganzen Tag hindurch. Ich habe schon oft an mir selbst die Erfahrung gemacht, dass wenn man sich bemüht, auch tagsüber nahe beim lieben Heiland zu bleiben, er sich der Seele in diesem oder jenem Augenblick, auch außerhalb der Gebetszeit offenbart und sie dann rasche Fortschritte machen lässt. Der Heiland sagt: "Wenn jemand mich liebt, werde ich zu ihm kommen und Wohnung bei ihm nehmen" (vgl. Joh 14,23). Er wohnt in einer Seele, die ihn liebt, und sie selbst lebt immer mit ihm. Im Anfang verlangt die Übung der Sammlung wohl manche Anstrengung, doch hat man sich einmal die Gewohnheit angeeignet, dann wird sie gleichsam zur zweiten Natur und somit leicht durchführbar. In Freud und Leid, in allen Schwierigkeiten will man zu ihm, und alles ist dann wieder gut" (Ohne Datum).

Bei einer anderen Gelegenheit erläutert er folgendermaßen seinen Gedankengang:

"Eines hindert oft selbst willige Seelen, Fortschritte im Gebetsleben zu machen, und dies ist auch bei Ihnen der Fall. Des Morgens macht man wohl gut die Betrachtung, man empfängt Jesus in der heiligen Kommunion, man ist wirklich eins mit ihm. Dann verlässt man das Chor, geht frühstücken und nimmt seine Arbeit wieder auf. Man schaut bald dahin, bald dorthin, spricht da ein Wort, dort ein Wort und lässt so nach und nach die Sammlung zerrinnen. So geht es dann weiter den ganzen Tag, die Zeit vergeht, man glaubt vorwärts zu kommen und geht rückwärts. Sie müssen sich gewöhnen, ein kleines Heiligtum in Ihrem Herzen zu haben, wo Sie sich immer wieder beim lieben Heiland einfinden, selbst inmitten Ihrer Beschäftigungen und zerstreuenden Obliegenheiten; und so oft Sie allein sind oder einen freien Augenblick haben, eilen Sie dorthin "Brennt das Feuer auf" (Ps 39, 4).

Versuchen Sie, Ihre Gedanken zu zügeln und zu beherrschen, denn wenn man der Einbildungs- und Vorstellungskraft freien Lauf lässt, kommt man nicht zur Beschauung. Unser Kopf gleicht ein wenig einer Mühle, die alles mahlt, was man hineinschüttet. Darum ist es so wichtig, in den freien Augenblicken untertags Geist und Gedanken nicht herumschweifen zu lassen, sondern sie auf Gott zu lenken. Ohne dies ist weder die Sammlung noch das betrachtende Gebet möglich.

Beschäftigen Sie Ihren Geist auch nicht mit den Arbeiten außerhalb der Zeit ihrer Ausführung. Wir müssen Herr sein über unsere Beschäftigungen und nicht uns von ihnen beherrschen und aufzehren lassen. So z. B. beherrscht Ihre Lieblingsbeschäftigung Sie immer noch zu sehr und hindert Sie, vereint mit dem göttlichen Heiland zu leben" (Ohne Datum).

Eine weitere günstige Einstellung ist das Verlangen nach einer innigen Gottverbundenheit und den inneren Frieden:

"Was nun Ihren Wunsch betrifft und den Zug nach größerer Gottverbundenheit, desgleichen, was den Geist des Gebetes anlangt", so schreibt er im ältesten Brief, den wir von ihm haben (27. Oktober 1891), "entnehme ich Ihren einzelnen Angaben, dass der Heilige Geist in Ihnen dieses Verlangen weckt, und dass er, falls Sie treu und geduldig sind, zur gegebenen Zeit alles vollenden wird, was seiner größeren Ehre und Ihrer Vervollkommnung am dienlichsten ist.

Die Theologen belehren uns, dass, wenn Gott uns ein heißes Verlangen nach irgendeiner Gabe eingibt, wie z. B. nach dem Gebetsgeist, und wir dann des öfteren beim Beten um die betreffende Gnade einen großen Frieden und ein starkes Vertrauen fühlen, dies ein sicheres Zeichen ist, dass der liebe Gott uns gern diese Gabe geben möchte. Ihre Gewohnheit, sich während der Arbeit oft nach Gott zu wenden und Ihre Meinung neu zu beleben und reiner zu gestalten, hilft ausgezeichnet mit, diesen Geist des Gebetes in Ihnen zu bilden, soweit dies natürlich von uns abhängt; denn Sie dürfen es niemals vergessen, dass der Gebetsgeist eine Gabe Gottes ist.

Worauf Sie jetzt Ihr Augenmerk richten müssen, ist die Sorge, den Frieden Ihrer Seele zu bewahren, denn sehr wahrscheinlich wird der böse Feind alles daransetzen, Sie zu hindern, den Geist des Gebetes zu erwerben. Im allgemeinen können Sie jeden Gedanken, der Sie beunruhigt, der Sie in Zweifel versetzt, das Vertrauen mindert und Ihr Herz einengt, als eine Eingebung des Teufels betrachten. Das Beste, was Sie bei diesen Gelegenheiten tun können, ist die Sache, die Sie beunruhigt, aus Ihrem Geist zu bannen, indem Sie sich sagen: "Bei Gelegenheit werde ich einen Priester um die Lösung dieser Schwierigkeit bitten", und dann in Frieden und Ruhe wieder weiter zu leben wie zuvor" (17. Oktober 1891).

Marmions Sorge um die innere Freiheit ist so groß, dass er nicht zugibt, dass eine Seele, die durch die Einwirkung von oben mit Gott vereinigt ist, zerstreut wird durch das Nachdenken über besondere Meinungen beim Gebet:

"Wenn die Seele während des Gebets unter dem Einfluss Gottes steht, so wäre es ein Irrtum, wollte sie dann acht geben auf einzelne Gebetsmeinungen. Ein kurzer Blick auf sie bei Beginn des Gebetes genügt" (2. November 1915).

"Was Ihre Gebetsmeinungen betrifft, so gibt es viele Seelen, die behaupten, dass eine allzu große Genauigkeit und peinliche Sucht, die verschiedenen Meinungen auseinanderzuhalten und einzeln zu bestimmen, nur die Einheitlichkeit ihres Gebetes hindere und Ursache vieler Unruhe und Zerstreuungen sei. Das Beste für solche Seelen wäre, nur von Zeit zu Zeit ihre Meinungen zu bestimmen, so z. B. ein mal des Morgens. Es würde dann ein einfacher Blick bei Beginn des Gebets genügen, um sich ihrer zu erinnern. In all dem, teure Tochter, muss man dem Zug des Heiligen Geistes im heiligen Frieden folgen. Denn alle Unruhe ist eine Todfeindin jenes Geistes der Hingabe, den der Heilige Geist in einer zu großer Gottverbundenheit berufenen Seele finden will" (17. Oktober 1891).

Und weiter:

"Sie dürfen sich im Gebet nicht durch das Denken an bestimmte Meinungen oder Personen belasten. Ihre Verbundenheit mit Gott bewirkt dies alles in hervorragender Weise. Ihre Liebesvereinigung mit Gott hat gleichsam zum Zweck, Blut und Leben (Liebe und göttliches Leben) mit mächtigen Pulsschlägen in die Glieder des mystischen Leibes Christi zu stoßen. Ich meinerseits nehme stets alle Glieder der Kirche in mein Herz, ich übernehme ihre Meinungen im Glauben und in der Liebe, und habe ich dies getan, so denke ich nicht mehr an sie" (9. Januar ohne weiteres Datum).

Der gleiche Rat, den wir in seinem ältesten Brief (1891) vorgefunden haben, begegnet uns wieder einige Wochen vor seinem Tod:

"Erschweren Sie Ihr Gebet nicht, indem Sie an jede Person einzeln denken; überlassen Sie dies dem lieben Heiland, es sei denn, dass es sich um einen besonderen Fall handelt. Im allgemeinen ladet der göttliche Meister die Seelen, die er an sich zieht, wie z. B. die Ihrige, durch innere Erleuchtung selbst ein, wenn er wünscht, dass sie besonders für diese oder jene Person oder Sache beten sollen" (21. November 1922).

Über das betrachtende und beschauliche Gebet selbst hat uns Dom Marmion ausgezeichnete Winke hinterlassen:

"Vergessen Sie nicht", so mahnt er eine in der Welt stehende Person, "dass das Wesentliche im betrachtenden Gebete die Berührung der Seele mit Gott im Glauben und in der Liebe ist. Die Seele, die sich im Glauben auf Jesus Christus stützt, erhebt sich durch ihre demütige Liebe bis in den Schoß Gottes und betrachtet dort die Wahrheit, die sie in Gott schaut. Dort wird die Liebe sie den Vorsatz finden lassen, der in Gottes heiligem Willen liegt, und ein solcher Vorsatz, eingegeben durch das Licht des Heiligen Geistes, ist fruchtbringend und fest. "Er (der Gerechte) gewöhnt sein Herz, vom frühen Morgen zum Herrn seinem Schöpfer, zu erwachen und vor dem Allerhöchsten zu beten" (Sir 39, 6. - August 1917).

Was die Beschaffenheit des beschaulichen Gebetes betrifft, will er es innig, einfach, wahr und lauter haben (Folgende vier Abschnitte sind an Weltleute gerichtet).

"Was die Betrachtung angeht, so möchte ich, dass sie mehr ein Gebet des Herzen und der Liebe, als des reinen Verstandes sei. Ein ausgezeichnetes Buch, das uns lehrt, wie man betrachten muss, sind die Élevations sur Évangiles von Bousset (Dom Marmion vereinigt hier unter einem Titel zwei Bücher von Bossuet, meint jedoch hauptsächlich die Méditations sur I' Évangile). Lesen Sie solange, bis Ihr Herz gerührt wird, dann halten Sie inne, um sich der Liebe hinzugeben" (5. Juli 1916).

"Wenn sich Ihr Geist bei der Betrachtung verirrt und Sie zerstreut sind, sorgen Sie dann dafür, dass wenigstens Ihr Herz sanft zu Jesus gewendet bleibt. Sie werden so nichts verlieren" (5. Dezember 1894).

"Wenn Sie auch augenblicklich in den Exerzitien sind, so dürfen Sie trotzdem nichts mit Überanstrengung des Geistes und des Herzens tun; vielmehr sollen Sie ganz ruhig unter den Augen Gottes bleiben und sich ihm still und ohne Vorbehalt hingeben" (10. November 1917).

"Mit dem kleinen Offizium der lieben Muttergottes, dem Rosenkranz und dem heiligen Kreuzweg haben Sie genügend mündliche Gebete. Es ist gut, sich für den lieben Gott frei zu halten, damit man ohne Hindernis dem Zug folgen kann, den der Heilige Geist uns sicher im Lauf des Tages gibt, damit wir unser Herz zu ihm erheben können" (20. Dezember 1916).

Eine Betrachtung, in der hauptsächlich der Glaube spricht, scheint ihm ganz besonders fruchtbringend:

"Wenn man manchmal so ganz allein mit dem lieben Gott ist, tut man gut, die Hände zu ihm erheben, mit gläubigem Blick in sein heiliges Angesicht zu schauen und ihn dabei bis in die Tiefe der Seele sehen zu lassen, damit sein göttliches Auge bis in die verborgensten Winkelchen und Falten unseres Herzens sehen kann. Denn dann ist unser Gebet rein, lauter und alles vermögend, weil das Kind offen und ehrlich in die Augen seines Himmlischen Vaters schaut und sein heiliges Angesicht, mit andern Worten: sein Wohlgefallen sucht: "Suchet den Herrn, suchet sein Angesicht allezeit" (Ps 105, 4). Das sei Ihre "Parole". Sie enthält meine ganze Seelenleitung für Sie; ich möchte Ihre Seele so gern rein und einfach sehen, wie die eines lieben Kindes.

Ich bin kein Liebhaber von viel Seelenleitung, besonders wenn der liebe Gott jemand die Schönheit der Einfalt hat erkennen lassen (Siehe über diesen wichtigen Punkt die Ausführungen in: Un maître de la vie spirituelle). Gott selbst ist einfach, ja unendlich einfach, und er findet sich wieder in einer einfachen Seele, die sich in seinem "Wort" verborgen hat. Es ist mir nicht möglich, Ihnen die Freuden und das Wohlgefallen des Himmlischen Vaters zu schildern, wenn er eine Seele, besonders nach der heiligen Kommunion, so ganz versunken in sein "Göttliches Wort" erblickt, wie sie von dessen Leben lebt und ihm mit Demut und Liebe ins Angesicht schaut" (30. Oktober 1920).

"Beunruhigen Sie sich nicht", so tröstet er eine Ordensschwester, "ob der Einfachheit Ihres Gebetes. Gehen Sie zu Gott durch Jesus Christus. Er ist der Weg und er wird Ihnen die göttlichen Vollkommenheiten immer so weit aufzeigen, als es Ihnen nützlich sein wird. Außerhalb der Betrachtung werden der heilige Kreuzweg, die geistige Lesung und die anderen Übungen der Frömmigkeit dann schon eine allzu große Verflachung verhindern. Die Hauptsache und das Wesentliche beim Betrachten der Glaubenswahrheiten ist, dass man dabei liebt und sich jeder göttlichen Willensäußerung treu unterwirft" (Ohne Datum).

Man kann nicht irren, wenn man sich durch den Glauben an Christus hält.

"Christus ist "der Weg" und er führt Sie dorthin, wo er selbst ist: in den "Schoß des Vaters". Für diejenigen, welche unser Meister zu diesem Ziel und auf diesem Weg führt, besteht keine Gefahr der Täuschung. Sehnen Sie sich nicht danach, irgendeine Sache oder ein Geheimnis im einzelnen kennen zu lernen, sondern nur Gott allein im einfachen lauteren Glauben durch Jesus Christus. Wenn jedoch der liebe Gott Ihnen eine Sache im einzelnen offenbaren will, bleiben Sie dann recht demütig, und denken Sie daran, dass solche Mitteilungen von bedeutend geringerem Nutzen für Ihre Seele sind, als die allgemeine Kenntnis des Glaubens, in dem sich Gott unmittelbar der Seele mitteilt, da er sie mit seiner Gottheit und Liebe erfüllt: "Ich verlobe mich mit dir durch den Glauben" (Hos 2, 21), sagt der Bräutigam; nur so befindet man sich in der Wahrheit; und der Bräutigam ist die Wahrheit selbst." 13. Februar ohne Jahresangabe. "Wenn Sie die Wahrnehmung machen, dass ein sanfter Friede sich auf Ihre Seele legt, so verharren Sie in einem Schweigen der innigsten Liebe und lassen Sie Gott wirken. Es ist gar nicht auffallend, dass das, was Sie früher so mächtig anzog, wie das Leiden Christi usw. augenblicklich Sie ganz kalt lässt. Dies wird wieder kommen, aber auf andere Art ." Februar 1920.

Die zwei folgenden Auszüge fassen in einigen wenigen Zeilen, die man nicht gut trennen kann, nochmals seine ganze Lehre zusammen:

"Sie fühlen sich immer noch so sehr zu den äußeren Dingen hingezogen, weil Sie die Betrachtung nicht gut machen, und Sie machen die Betrachtung nicht gut, weil Sie immer zerstreut sind.

Da Sie zur Zeit äußerlich viel beschäftigt sind, haben Sie es notwendig, eine stets gute Betrachtung zu halten. Vereinigen Sie sich dabei recht innig mit unserm göttlichen Meister; dann werden Sie auch tagsüber mit ihm vereint bleiben und Ihre Arbeiten werden Sie nicht nur nicht zerstreuen, sondern Ihnen ein Mittel zur Gottverbundenheit werden.

Verrichten Sie während der Betrachtung Akte der Liebe, der Reue, der Selbstvernichtung. Wenn es Ihnen gelingt, auch nur einen einzigen Akt vollkommener Liebe zu verrichten, so werden Sie aus der Betrachtung mit feurigem Herzen hervorgehen und sich dann den Beschäftigungen widmen können, ohne die innere Sammlung zu verlieren.

Auch eine Betrachtung, in der man keinen Gedanken zusammenbringt, ja kalt und eisig bleibt, ist gut, wenn man sich dabei mit dem lieben Heiland, der allerseligsten Jungfrau, den Engeln und Heiligen vereint. So lange wir auf dieser Erde wohnen müssen, wird die Betrachtung und das Gebet stets ein Glück für uns bedeuten, weil wir uns gern mit Gott vereinigen; doch oft auch eine Last, weil unser Leib und unsere Natur uns nach unten ziehen. Darum dürfen Sie auch nicht allzu sehr erstaunt sein, wenn Ihnen manchmal die Zeit zu lang wird beim Beten, obgleich Sie die Betrachtung lieben und sich nach ihr sehnen.

Der Heiland sagt im Evangelium: "Das ist das Werk Gottes, dass ihr an den glaubt, den er sandte" (Joh 6, 29). Der Glaube an die Gottheit Christi ist die Grundlage eines jeden innerlichen Lebens. Doch muss unser Glaube auch folgerichtig sein, so dass er uns ganz an Jesus bindet. Schenken Sie sich, meine teure Tochter, im Gebet oft dem lieben Heiland. Machen Sie sich klein, vernichten Sie sich vor ihm, das wird Ihrer Seele sehr gut tun. Schenken Sie Jesus Ihren Leib und Ihre Seele, Ihren Verstand und Ihr Gemüt; sagen Sie ihm, dass Sie ihn mit sich alles tun lassen wollen, was ihm gefällt; übergeben Sie sich ihm ganz und gar. Doch vergessen Sie nicht, dass die Hingabe an Christus auch die Hingabe an seine Kirche und an den Nächsten in sich birgt.

Denken Sie während der Betrachtung, dass der Vater Ihnen seinen geliebtesten Sohn zeigt mit den Worten: "Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich mein Wohlgefallen habe, ihn sollt ihr hören" (Mt 17, 5). Verdemütigen Sie sich dann tief vor dem Ewigen Wort und vereinigen Sie sich mit ihm im heiligen Glauben.

Ich wünsche, dass Sie so im Geist des Glaubens Ihre Betrachtung machen, sich in stiller Anbetung zu den Füßen Christi haltend. Eine solche Betrachtung, selbst wenn man nichts dabei sagt, noch irgendeine Tröstung empfindet, vermittelt der Seele tiefe Gesinnungen des Glaubens, der Demut, das Gefühl der Größe Gottes und des Vertrauens zu ihm. Vereinigen Sie sich mit Jesus, und in Vereinigung mit seiner heiligen Menschheit schenken Sie sich ganz seiner Gottheit. Verbringen Sie auf diese Weise das halbe Stündchen Ihrer Betrachtungszeit. Sie können sich mit Jesus über einen Text der Heiligen Schrift unterhalten. Wenn die Einbildungskraft oder das Vorstellungsvermögen nicht mit will, so ist es ein Zeichen, dass man sich hauptsächlich mit Liebesakten beschäftigen muss. Sie können übrigens recht zufrieden und beruhigt sein: die Tatsache, dass Sie das betrachtende Gebet lieben, ist ein Beweis und ein Zeichen, dass Sie es besser machen, als Sie meinen" (Ohne Datum).

"Wir können wohl durch unser von der Gnade unterstütztes Bemühen bis zu einer gewissen Stufe der Vollkommenheit gelangen, aber darüber hinaus ist es nur Gott allein, der uns zu einer hohen Verbundenheit mit sich führen kann. Diese Arbeit ist so etwas Feines, Zartes, dass nur Gott sie verwirklichen kann. Was ich Ihnen darum, meine Tochter, besonders empfehle, was Ihnen besonders von Nutzen sein wird, ist das betrachtende Gebet, denn abgesehen von den Sakramenten, wirkt Gott besonders während der Betrachtung in uns.

Geben Sie sich darum Mühe, stets innig mit unserm Heiland vereint zu leben und halten Sie sich täglich eine Zeit frei, in der Sie, allein mit Gott, diesen Anschluss an ihn, diese Umarmung des Bräutigams Ihrer Seele finden können. Da, in der Betrachtung, Auge in Auge mit Gott, lehrt er uns, dass alles, was nicht Gott ist, ein Nichts ist; dann beschäftigt man sich nicht mehr mit den eigenen Schwierigkeiten, man hält sich über nichts mehr auf. Ob die andern für uns sind oder gegen uns, was tut's! Dies alles sind ja Nichtigkeiten.

Im Lauf der Betrachtung wird Gott selbst in Ihnen wirken. Doch wird er es nur in dem Maß tun, als auch Sie sich großherzig und treu erweisen werden, besonders beim Chorgebet, im Gehorsam, bei der Arbeit usw.

Falls Sie während der Betrachtung das Verlangen nach Gott fühlen, einen wahren Heißhunger nach ihm spüren, dürfen Sie nicht fürchten, dass dieses Verlangen Sie vom Gebete ablenke. Es ist vielmehr selbst ein Gebet. Das betrachtende Gebet vollzieht sich manchmal auf einer Höhe, auf der wir seiner nicht mehr inne werden" (Ohne Datum).

* * *

Dom Marmion gibt sich besondere Mühe, die Seelen, die Gott zur Beschauung ruft, über die Ehrfurcht, die sie dem Wirken des Heiligen Geistes entgegenbringen müssen, zu unterrichten, er macht sie auch darauf aufmerksam, dass sie in den schweren und düsteren Stunden der Versuchung treu erfunden werden müssen. Doch Christus, der in ihnen wohnt, wird ihre Kraft sein:

"Wenn Sie sich hingezogen fühlen, stillschweigend zu den Füßen des Meisters zu verharren, wie einst Magdalena, und ihn, ohne etwas zu sagen, nur betrachten mit den Augen des Herzens, bemühen Sie sich dann nicht, nach allen möglichen Gedanken und Beweggründen zu fahnden, sondern geben Sie sich zufrieden, in liebevoller Anbetung zu verharren. Folgen Sie einfach ruhig den Eingebungen des Heiligen Geistes. Lädt er Sie zum Gebet ein, dann beten Sie; will er, dass Sie im Stillschweigen verharren, so schweigen Sie; sagt er Ihnen, dass Sie Ihre Armseligkeit Gott zeigen sollen, so tun Sie es. Lassen Sie ihn wie einen Harfenspieler auf den Saiten Ihres Herzens spielen und ihnen die Melodie entlocken, mit der er den göttlichen Bräutigam beglücken will.Dieser Gedanke ist wohl der hl. Gertrud entlehnt: "Wenn ich mich all deiner Wohltaten erinnere, Vater im Himmel droben und dir den Tribut meines Dankes darbringen will, schlage ich die melodische Harfe des Herzens deines göttlichen Sohnes an; durch die Kraft des Heiligen Geistes, des Trösters, lass ich durch sie mein Gebet erklingen: Dir o Gott, ewiger Vater, sei Lob und Dank von allen Geschöpfen des Himmels, der Erde und der Unterwelt; von all jenen, die waren, sind und noch kommen werden." (Les beiles prières de sainte Mechtilde et de sainte Gertrude Ed. in. 32 p. 50).

Seelen, die wie die Ihrige zum inneren Gebetsleben berufen sind, werden oft auf alle Art versucht, zu eitler Ruhmsucht, zu Gotteslästerungen, ja selbst zur Sinnlichkeit. Doch fürchten Sie nichts. Sie können nichts Größeres tun zur Verherrlichung Gottes, noch Nützlicheres für die Seelen, als sich in allem ihm zu unterwerfen.

Das "Ewige Wort" ist immer in Ihrem Herzen: "Wenn einer mich liebt", sagt Jesus; "wird mein Vater ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm nehmen" (Joh 14, 23). Doch nach der heiligen Kommunion oder wenn wir vor dem Tabernakel beten, verbindet uns seine heilige Menschheit, (die das Band zwischen uns und seiner Gottheit ist), enger und wirksamer mit ihm" (29. Mai 1915).

Durch die Wirkung dieses eingegossenen Gebets gibt sich die Seele ganz dem Herrn hin und geht ganz in der Erfüllung des göttlichen Willens auf. Nichts ist so glorreich für Gott und so nützlich für die Seelen:

"Das Beste, was Sie tun können, um dem lieben Gott zu gefallen und der Kirche zu nützen, ist, sich in voller Hingebung der göttlichen Tätigkeit in Ihrer Seele zu unterwerfen. In einem solchen Gebiet findet sich zwar oft wenig wahrnehmbares Licht und Gefühl, doch die Seele ist wirklich mit Licht erfüllt und das Herz voll inniger Liebe. Darin liegt nichts Selbstsüchtiges, denn Gott hat Sie für sich geschaffen, und Sie vermögen nichts Größeres zu tun als sich seinem heiligen Willen zu unterwerfen. Je mehr sich eine Seele Gott nähert, desto einfacher wird ihr Gebet, bis es zuletzt ausklingt in einem einzigen heißen Seufzer nach Gott: "Das Verlangen der Armen hat erhört der Herr" (Ps 10, 17). Der hl. Franz von Assisi verbrachte einmal eine ganze Nacht in diesem einzigen Gebete: "Mein Gott und mein alles", und die hl. Franziska von Chantal gestand dem hl. Franz von Sales, dass ihr einziges Gebet zu jeder Stunde, bei der heiligen Kommunion, bei der Heiligen Messe, bei der Betrachtung immer nur lautet: "Lass mich, o Herr, immer mehr in deinen heiligen Willen mich versenken!" Stören Sie nicht die Einheitlichkeit Ihres Gebetes, indem Sie besonders bestimmte Meinungen festhalten: Gott kennt dieselben, und es genügt, dass wir sie nur von Zeit zu Zeit vorbringen. Solange Sie mit innerem Frieden dem Einfluss Gottes unterworfen sind, tun Sie mehr für den Herrn und für die Seelen als mit Ihrer ganzen sonstigen äußeren Tätigkeit; wenn er letztere haben will, wird er es Ihnen schon anzeigen" (1. Juli 1915).

Einer anderen beschaulichen Seele gibt er Ratschläge, in denen er sich als klugen und erleuchteten Seelenführer zeigt:

"1. Der Heilige Geist lädt Sie ein zum beschaulichen Gebet. Sie dürfen also diesen Geist nicht durch eine unangebrachte eigene Tätigkeit auslöschen. Nichts verherrlicht so den lieben Gott, nichts ist so vorteilhaft für uns, als dem lieben Gott volle Freiheit in der Führung unserer Seelen einzuräumen, sobald er zeigt, dass er sie leiten will. Blosius sagt, dass eine Seele, die sich ganz und ohne Vorbehalt dem Wirken Gottes überlässt, ihm gestattet, frei nach seinem Gefallen zu schalten, in einer Stunde mehr für seine Ehre und das Heil der Seelen tut, als andere in vielen Jahren.

2. Sobald Sie den inneren Zug wahrnehmen, im Schweigen heiliger Anbetung vor Gottes Angesicht zu verharren, müssen Sie sich ganz dem Heiligen Geiste überlassen und dort im reinen Glauben ruhen: "Ich verlobe mich mit dir durch den Glauben" (Hos 2, 21). Selbst wenn der liebe Gott Ihnen durchaus keine innere Wahrnehmung, kein Gefühl, keinen besonderen Gedanken schenkt, bleiben Sie trotzdem in kindlicher Einfalt vor ihm in stiller heiliger Liebe. In solchen Stunden arbeitet er unvermerkt in unserer Seele und tut mehr für ihre Vervollkommnung, als wir durch die Mühen und Gedanken unseres ganzen Lebens zu tun imstande wären.

3. Wenn Sie dann und wann sich angezogen fühlen, Bitten zu stellen oder andere Akte zu verrichten, so folgen Sie getrost dieser Einladung. Es ist nicht notwendig, Worte oder bestimmte Gedanken auszusprechen. Halten Sie sich mit Ihrer Bitte ganz einfach und kindlich im heiligen Schweigen vor Gottes Angesicht: Er sieht alles, was Ihr Herz sagen möchte: "Das Verlangen der Armen hat der Herr erhört" (Ps 10, 17).

4. Die Zerstreuungen kreisen nur auf der Oberfläche Ihrer Seele, sie sind ein Kreuz; doch Sie müssen lernen, sie zu missachten. Ihr Gebetsleben vollzieht sich in den verborgenen Tiefen Ihrer Seele, die sozusagen im Schoß Gottes, in seinem innersten Wesen ruht und ihren Durst am Strom der Liebe und des Lichtes stillt.

5. Sollte es vorkommen, dass Gott Sie innerliche Worte vernehmen lässt, so unterwerfen Sie dieselben doch ja der Prüfung Ihres Seelenführers, bevor Sie nach ihnen handeln" (2. Oktober 1919).

* * *

Wir haben nun noch die Auffassung Dom Marmions mitzuteilen, die er in Bezug auf die göttliche Berufung zur Beschauung hegte. Wir sagten bereits, dass er in ihr "die normale - obgleich unverdiente - Krönung des ganzen geistigen Lebens" erblickte. Die Beschauung schien ihm "die Blüte, die volle Entfaltung der Gesinnungen zu sein, die unter dem Wirken des Heiligen Geistes aus unserer übernatürlichen Annahme an Kindesstatt in Christus hervorsprießen". Sie muss nach ihm jeder getauften Seele erreichbar sein, wenn diese nur großherzig und von gutem Willen beseelt ist. Zudem fordert der Heiland alle seine Jünger auf, nach der Vollkommenheit zu trachten, damit sie würdige Kinder des Himmlischen Vaters seien. Die Vollkommenheit in ihrer Fülle - aber ist praktisch nur möglich, wenn die Seele aus der Beschauung lebt. In den Augen Dom Marmions ist die Beschauung "ein unendlich kostbares Geschenk, selbst wiederum Quelle ausgezeichneter Gnaden" ("Christus, das Leben der Seele" 10. Kap.). "Zu diesem heiligen gottverbundenen Leben sind namentlich viele Ordensleute berufen" ("Christus unser Ideal" 16. Kap.).

Dieser Zustand der Vereinigung mit Gott ist auch schon deshalb so "begehrenswert", weil er "umgestaltend" wirkt und: "weit entfernt Stolz zu erzeugen, in der Seele ein tiefes Gefühl des eigenen Unvermögens und des eigenen Nichts hervorruft. Denn es ist für das Geschöpf ganz und gar unmöglich, die Größe und Erhabenheit Gottes zu begreifen und nicht zu gleicher Zeit sich der eigenen Kleinheit und Nichtigkeit bewusst zu werden" ("Christus unser Ideal" Kap. 6, §6).

Anmaßung und Vermessenheit wäre dort zu suchen, wo man sich einbilden würde, durch seine eigene Kraft und Anstrengung zur Vollblüte der Gottverbundenheit zu gelangen, - die doch einzig und allein vom freien und uneingeschränkten Willen Gottes abhängt, - oder auch zu den Begleiterscheinungen, die manchmal mit der Beschauung verbunden sind.

Doch wenn es sich um den wesentlichen Inhalt der Beschauung handelt, d.h. um die sehr klare, sehr einfache, sehr vollkommene Kenntnis, die Gott darin von sich selbst, oder von seinen Vollkommenheiten gibt, und um die innige große Liebe, die daraus in die Seele sich ergießt, dann, ja dann begehren Sie aus allen Kräften, einen hohen Grad der Beschauung zu erlangen und sie in ihrer Vollkommenheit zu genießen. Denn Gott ist der erste Urheber unserer Heiligkeit, er ist machtvoll in seinen Ergießungen; und nicht nach ihnen verlangen, hieße, Gott nicht lieben wollen aus ganzer Seele, aus ganzem Gemüt, aus ganzem Herzen und aus allen Kräften."

Er schließt mit folgenden weisen Ratschlägen:

"Es versteht sich natürlich, dass wir dieses Verlangen dem Willen Gottes unterwerfen müssen. Er allein weiß, was jeder Seele frommt. Und obgleich wir keine Mühe scheuen sollen, um großherzig und demütig treu gegenüber der gegenwärtigen Gnade zu sein, noch aufhören dürfen, innig und mit allem Eifer nach einer größeren Vollkommenheit zu streben, so ist es doch von Wichtigkeit, stets im Frieden zu bleiben, überzeugt, dass Gottes Güte und Weisheit über jedem von uns wacht."

Was nun die praktische Ausführung seiner diesbezüglichen Meinung betrifft, so ist er zunächst sehr zurückhaltend, um ja nicht dem besondern Zug des Heiligen Geistes vorzugreifen; er richtet mit großer Sorgfalt sein Augenmerk darauf, zuerst die Seele zur völligen Selbstverleugnung zu führen, sie nach und nach, durch beständige Treue in echter Tugend zu befestigen, ihr ein wahres und großmütiges Suchen nach Gott einzugeben - bis sich dann der Ruf von oben kund tut. Sobald dieser sich aber vernehmen lässt, führt und drängt er entschlossen die Seele auf den Weg, den er nun als den ihrigen erkannt hat, und mit einer Freude, die der bisherigen Achtung vor der hoheitlichen göttlichen Freiheit gleichkommt, sieht er nun fast noch mehr auf die Ehre Gottes als auf das Wohl der Seele.

Einige Seiten genügen, um uns diese seine Gesinnung kund zu tun.

Wir sehen zuerst seine Freude beim Innewerden des göttlichen Rufes:

"Ich freue mich, feststellen zu können, dass Sie so oft von Seiten dessen, der Sie ganz als Braut besitzen will, durch innere Einsprechungen angeregt werden, sich rückhaltlos seiner Liebe hinzugeben" (6. März 1901).

Wenn notwendig, beruhigt er die Seele und zeigt ihr, dass diese göttliche Herablassung eine freie Gabe Gottes ist, dass Gottes Barmherzigkeit und Mitleid sich nur gegenüber der Armseligkeit äußert.

"Ich bin vollständig davon überzeugt, dass der liebe Gott trotz Ihrer Unwürdigkeit und Ihrer Nichtigkeit Sie innig mit sich vereinigt sehen will, dass er dies wünscht. Er ist der Herr seiner Gaben; freigebig schenkt er sie den Seelen, die er mit sich vereinigen will; und ich möchte, dass Sie sich ohne Angst dem Heiligen Geiste überlassen. Selbst wenn er Sie ganz innig mit Gott vereinigen will, widerstehen Sie auch dann nicht und seien Sie nicht bange. Ihre Armseligkeit und Unwürdigkeit, die Gott in seiner Güte Ihnen hat aufdecken wollen, werden Sie vor Täuschungen schützen, und sich in Zukunft nur noch mehr vor Ihren Augen enthüllen.

Die Ehre Gottes liegt, soweit sie von uns abhängt, hauptsächlich in der unendlichen Herablassung seiner Barmherzigkeit. Je elender und unwürdiger wir sind, desto mehr wird - vorausgesetzt, dass wir guten Willen haben und Gott aufrichtig suchen - seine Barmherzigkeit verherrlicht, wenn sie sich zu uns herablässt. "So wird im Himmel über einen einzigen Sünder, der Buße tut, größere Freude sein als über neunundneunzig Gerechte, die der Buße nicht bedürfen" (Lk 15, 7).

Gottes Ehre wird mehr gefördert, wenn sich Gott zu einem armen, niedrigen, selbstsüchtigen, alltäglichen Geschöpf herablässt, als wenn er sich einem jener hohen, erhabenen und vornehmen Wesen mitteilt, die seine Aufmerksamkeit, nach unserm Dafürhalten, mehr in Anspruch nehmen sollten. Der heilige Paulus verstand diese Wahrheit sehr gut: "Gott", so schreibt er, "erwählte das Unedle dieser Welt und das Verachtete, um das Starke zu beschämen, usw.", "damit sich kein Fleisch vor ihm rühme" (1 Kor 1, 29). Der Triumph des Leidens und der Verdienste Jesu ist dann erreicht, wenn sie ein armes, schwaches und elendes Geschöpf bis zur Vereinigung mit der Gottheit erheben. Darum, mein teures Kind, fürchten Sie nichts. Auf! voran! Da sicher Gott Sie ruft."

Er schließt mit dem Satz Ludwig Blosius' den er so oft anführt, und fügt hinzu: "Und dies ist sicher und bestimmt so" (5. Oktober 1906).

Der gleiche feste und überzeugende Gedanke spiegelt sich in folgenden Sätzen wieder: mit autoritativer Sachkenntnis - wobei sich jedoch seine gewohnte Zurückhaltung nicht ganz verbirgt - befreit er die Seele von ihren Befürchtungen und öffnet ihr die Bahn zum unerschütterlichsten Vertrauen:

"Was Sie selbst betrifft, so ist es durchaus keine Vermessenheit, wenn Sie dem "Zug", von dem Sie sprechen, Folge leisten. Im Gegenteil, sich aus Furcht zurückzuhalten, würde Gott missfallen. Dieses starke Verlangen liegt durchaus im Rahmen eines nüchternen Glaubens, obgleich es sehr übernatürlich ist. Soweit ich darum auch in Ihrer Seelenführung etwas zu sagen habe - und soviel ich verstehe, haben Sie mir alles Recht gegeben - wünsche ich, dass Sie ohne Furcht den Einladungen der Gnade Folge leisten und die betreffenden Gebete weiter verrichten, die Sie zu einer solchen Vereinigung bereit machen. "Eine Seele, die sich ganz der Führung Gottes überlässt, ihm freie Hand lässt, in ihr zu schalten und zu walten, wie es ihm gefallt, gibt Gott mehr Ehre und leistet für die Seelen mehr in einer knappen Stunde, als andere in vielen Jahren" (Ludwig Blosius).

Gott handelt oft so mit selbst recht unvollkommenen und undankbaren Seelen, einfach, weil es ihm so gefällt.

Sie sind eine pessimistische Impressionistin, aber Ihre Angst vor guten Impressionen ist übertrieben.

Glauben Sie mir: Ihre entmutigenden Ansichten sind falsch, die andern fast immer richtig" (26. April 1909).

* * *

Dom Columban Marmion will, dass man die geistige Lesung mit dem betrachtenden Gebet verbindet. Was er hier an erster Stelle empfiehlt, ist die Lesung der Heiligen Schrift. In herrlichen Worten voll innerer Wärme beweist er, dass es keine reinere und erfolgreichere Quelle der Beschauung gibt als die heiligen Bücher ("Christus, das Leben der Seele" und in "Christus, unser Ideal").

Und in der Tat, was ist die Beschauung anders, als eine Regung der Seele, die gerührt und erleuchtet durch das Licht von oben, sich in die Geheimnisse Gottes vertieft, um Leben daraus zu schöpfen? Nun offenbart sich aber Gott durch das "Ewige Wort", und diese Offenbarungen des menschgewordenen Wortes sind enthalten im heiligen Evangelium. Dort sehen und finden wir Jesus, wie er das Unfassbare in menschliche Worte kleidet und das Unsichtbare durch greifbare Handlungen unserm schwachen Geist vorstellt. Wir brauchen nur unsere Augen zu öffnen, unser Herz bereit zu machen, um diese Lichtstrahlen zu erkennen und uns ihrer zu erfreuen.

"Vernachlässigen Sie nicht die Lesung der Heiligen Schrift. Wenn Sie sich bei dieser Lesung hingezogen fühlen, mit Gott zu sprechen, so halten Sie ein wenig inne und reden Sie mit Gott. Ich denke, dass Sie auch irgendein Heiligenleben lesen" (5. Dezember 1894).

"Ich wünsche, dass Sie aufmerksam, in Einfalt und mit frommem Sinn das Neue Testament lesen, welches für uns vom Heiligen Geist niedergeschrieben wurde. Dort finden wir die wahre Kenntnis Jesu Christi, dort lernen wir seinen Geist, den Geist des Gebetes, und alles andere kennen (1. Mai 1915).

"Als Stütze im beschaulichen Gebetsleben diene Ihnen die Lesung des XV., XVI. und XVII. Kapitels aus dem Evangelium des hl. Johannes (10. November 1917). Konnte er neben dem Evangelium die Episteln vergessen, die er so gerne und so oft las?

"Versuchen Sie, sich die wunderbare Theologie des hl. Paulus anzueignen. Ich würde Ihnen raten, die schöne Erklärung der Epistel des hl. Paulus von Bernardin a Piconio zu lesen" (19. April 1906. Schon 1895 empfahl er dieses Werk, das er auch selbst studiert hatte).

Als treuer Sohn des hl. Benedikt betrachtet er auch die Liturgie als eine der reinsten und fruchtbringendsten Quellen der Beschauung. Neben den so überzeugten Seiten, die er diesem Gegenstand in seinen religiösen Werken gewidmet hat ("Christus, das Leben der Seele" Kap. 9. "Christus unser Ideal" Kap. 14 u. 15), findet sich noch eine bemerkenswerte Seite, die seinen Briefen entnommen ist (Vom 7. Mai 1917). Obgleich sie schon anderwärts angeführt wurde, geben wir hier einige Stellen wieder, da sie trefflich zu unserm Thema passen:

"Die Liturgie schöpft unter dem Einwirken des Heiligen Geistes aus der Heiligen Schrift, aus der Überlieferung, aus der Symbollehre der Kirche, eine reine und vollkommen der Seele angepasste Lehre.

Die liturgischen Texte, so z. B. die Messen "de tempore" (der Festzeit), sind wahre Kunstwerke lebhaften Aufbaues. Dort wird das Neue Testament durch das Alte erklärt. Die geistige Haltung der Seele Gott gegenüber findet ihren Ausdruck in den Orationen. Nach und nach dringt die Seele tiefer in ihren wahren Sinn und findet gleichsam den Gegenstand ihrer Betrachtung schon von unserer Mutter, der Kirche, zubereitet, wie einst Jakob das Festessen für Isaak durch seine Mutter zubereitet fand.

Die große Schwierigkeit, die so manche Seelen beim Gebet finden, kommt zum großen Teil von der Trennung des persönlichen Gebetes von dem der Kirche: allein, in sich selbst verschlossen, suchen sie durch Vernunftschlüsse den Sinn der Heiligen Schriften zu erschließen und gehen nicht mehr an Hand der Kirche zu Jesus."

Betreffs der aszetischen und mystischen Autoren lässt er den Seelen großen Spielraum. Doch schaut er auch hier, wie überhaupt in allem, was das geistige Leben betrifft, auf die jeweiligen Bedürfnisse der Seelen und legt auch darin wieder Zeugnis von seiner Umsicht ab.

Unter den verschiedenen Autoren, deren Lektüre er empfiehlt, ist besonders der hl. Franz von Sales zu nennen, hauptsächlich seine "Philothea".

"Es ist mir sehr recht, dass Sie den hl. Franz von Sales als Autor Ihrer Betrachtungen nahmen, denn gerade seinen Geist möchte ich so gerne bei Ihnen sehen" (5. Oktober 1913).

Den beschaulichen Seelen, die in einem Kloster leben, empfiehlt er die hl. Theresia und den hl. Johannes vom Kreuz.

Besonders schätzt er den Ehrwürdigen Ludwig Blosius und empfiehlt oft seine "Anleitung zum innerlichen Leben", deren Aszese er einfach und doch sehr tief findet (19. Januar 1913).

"Wenn Sie sich die: "Doctrine spirituelle" von Blosisus verschaffen könnten, so würde Ihnen zur Zeit dieses Buch sehr nützlich sein" (29. Mai 1905).

Die Art von Blosius ist ganz, was ich liebe. Sie ist so wahr und echt, so ganz ähnlich der des heiligsten Herzens Jesu" (19. April 1909).

Ängstlichen Seelen empfiehlt er: "Le consolateur des âmes timorées" (Der Tröster der ängstlichen Seelen)Die Benediktiner von Sankt Paul de Wisques gaben in ihrer Paxsammlung eine ausgezeichnete Ausgabe heraus. Es ist auch bekannt, wie sehr der hl. Franz von Sales die Werke dieses frommen Abtes liebte und schätzte. Als er die französische Übersetzung der "Institution spirituelle" erhielt, schrieb er der Schwester Soulfour: "Ich ließ sie bei Tisch lesen und wurde tief von ihr durchdrungen; ich bitte auch Sie, sie zu lesen und zu genießen, denn sie ist es wirklich wert." Auch der hl. Ignatius ließ sie in den Noviziaten der Gesellschaft Jesu lesen, und einer der berühmtesten Schriftsteller der Gesellschaft, Pater Surin, hält Blosius für den sichersten und besten Lehrer der Mystik. (Traité de I' amour de Dieu 1664 t. II c 9). vom gleichen Verfasser, sowie die Schriften der hl. Gertrud, "deren Geist", - so schreibt er einer beschaulichen Seele, die eine allzu große Furcht in Mutlosigkeit hält, - "gerade das Gegenmittel ist für die Leiden Ihrer Seele" (15. November 1908). Wenn es irgendeine Lektüre gibt, die die Seele zum Vertrauen aneifert, so sind es die Seiten, wo diese große Ordensfrau im "Gesandten der göttlichen Liebe" die unendlichen Liebesbeweise und Zärtlichkeiten des gottmenschlichen Herzens erzählt (Siehe: Sainte Gertrude sa vie intérieure. Collection "Pax" V).

Dann weist Dom Marmion auch mehr als einmal auf die: "Méditations sur l' Evangile" und auf die "Elévations sur les mystères" von Bossuet hin. Unter den neueren Autoren empfiehlt er Pater Faber: "Alles für Jesus"; Mgr. Gay, Mgr. Ullathorne, Mgr. Hedley. Den geprüften Seelen rät er die Lektüre der Imitation du Sacré-Coeur von Pater Arnold S.J. und nennt dieses Büchlein "ein Werk voll praktischer Weisungen und Lehren über das geistige Leben." Da es, wie er sagte, von einem geschrieben ist, der selbst viel durchgemacht hat, wird es viel Trost denen bringen, die der Herr auf dem rauen Pfad seines heiligen Kreuzes führt (21 Mai 1895).

Auch die Heiligenleben empfiehlt er. Doch auch hier zeigt er wieder seine außergewöhnliche Umsicht. Worauf es ihm besonders ankommt, ist, dass die geistige Lesung eine Quelle der Betrachtung wird:

"Rufen Sie bei Beginn der geistigen Lesung den Heiligen Geist an, und wenn der göttliche Heiland Ihnen einen guten Gedanken oder einige Liebesakte eingibt, halten Sie ein wenig inne, und sprechen Sie gleich einem kleinen Kind mit ihm."Karfreitag 1895. Siehe die wertvollen Ratschläge, die er in "Un maître de la vie spirituelle" betreffs dieses Gegenstandes einer Karmelitin gibt. Geben wir hier auch folgenden Auszug, der besonders seiner Beurteilung wegen interessant ist, und der ein lautes Echo der Demut Dom Marmions wiedergibt:
"Ich kenne "Das Geheimnis Mariens" vom seligen Ludwig Maria GrignionGrignon de Montfort. Diese Andacht ist für bestimmte Seelen, die sich durch die Gnade angezogen fühlen, ohne Zweifel sehr nützlich und heilsam, doch muss man dazu durch die Gnade des Heiligen Geistes berufen sein. Ich meinerseits habe sie auch geübt, doch hat sie meine Seele eher zerstreut. Pater Faber berichtet ebenfalls, dass er im Anfang einen großen Widerwillen gegen sie empfand, dass er jedoch später die Gnade erhielt, sie mit großer Süßigkeit und viel Nutzen für seine Seele zu üben. Augenblicklich übe ich sie nicht, ich gehe zu Gott durch Jesus, und Maria muss mir helfen, ihren Sohn kennen zu lernen und mich zu ihm führen. Was nun andere Seelen betrifft, ermuntere ich sie diesen Weg zu gehen, wenn sie sich dazu angezogen fühlen; denn diese Andacht wurde von einem Heiligen verbreitet, und wenn sie uns vielleicht übertrieben scheint, kommt es daher, weil wir noch nicht auf die Heiligkeit abgestimmt sind. Streben Sie nach tiefer Demut durch den Geist der Anbetung und der Ehrfurcht vor Gott, und alles übrige wird Ihnen beigegeben werden." - 23. Juli .1906.

So gab er entsprechend dem erkannten Zug des Heiligen Geistes acht auf die innere Entfaltung der Seele.

* * *

Bei Durchsicht der Briefe Marmions begegneten wir des öfteren der Mutter Garnier, Stifterin und Generaloberin der Schwestern: Adoratrices du Sacre-Coeur, welche in ihrem Kloster zu Tyburn (London) am 17. Juni 1924 starb. Es war dies eine wahrhaft auserlesene und tugendhafte Seele, vom Heiland zu einer innigen Gottverbundenheit berufen, und wir hoffen, dass sie später einmal als eine besonders ausgezeichnete Heilige bekannt werden wird. Dom Marmion kannte sie seit 1908 und blieb von da an bis zu seinem Tod (1923) in steter Verbindung mit ihr. Aus diesem Briefwechsel entnehmen wir einige Seiten, um mit ihnen dieses Kapitel zu schließen. Sie werden uns zeigen, welch innige und heilige Liebe diese zwei Seelen verband, und einen Einblick in die weisen Ratschläge geben, die dieser Seelenführer jener gab, die ihm die Leitung ihrer Seele ganz anvertraute. Es geht daraus besonders das eine hervor, dass Dom Marmion jene Seelen, die von außergewöhnlichen Gnadengaben begünstigt waren, so behandelte, als ob sie sich gar nicht in einer besonderen Atmosphäre bewegten. Wir halten dies für einen Beweis hoher Weisheit. Ohne den eigenen Charakter dieser Gaben zu verneinen, sind die Vorschriften, die er solchen Seelen betreffs des Gebetslebens und der Betrachtung gibt, doch die des Glaubens, der Demut, des Vertrauens, der Hingabe, und diese sind für jede Seele, die sich dem Gebetsleben und der Beschauung hingibt, gleich nützlich und notwendig (Darum findet man auch in seinen Briefen sehr wenig über außergewöhnliche Wege und mystische Erscheinungen).

"Ich habe in Gegenwart Gottes und mit großer Aufmerksamkeit alles gelesen, was Sie mir betreffs Ihrer Seelenstimmungen und der Gnaden berichteten, die Gott Ihnen gibt. Ich hege durchaus keinen Zweifel am göttlichen Ursprung dieser Gnaden und Ihrer Beschauung. Letztere trägt den Stempel und alle Merkmale der göttlichen Einwirkung und des Einflusses von oben. Was Sie mir über das Wohnen Jesu in Ihrem Innern und seine Verbundenheit mit Ihnen im Gebet berichten, gefällt mir sehr gut und beruhigt mich vollständig. Es ist dies auch mein Weg. Auch für mich ist Jesus alles ... Ich hoffe auch einstens sagen zu können: "Ich lebe, doch nicht ich, sondern Christus lebt in mir" (Gal 2,20). Dann wird er auch mir, gemäß seiner Verheißung, die Geheimnisse seiner Gottheit offenbaren: "Wer aber mich liebt, dem werde ich mich offenbaren" (vgl. Joh 14, 21). Diese Offenbarung ist jene ganz erhabene, sehr fruchtbare und sichere Gnade, die der göttliche Meister Ihnen zur Zeit gibt. Werden Sie darin treu befunden, dann wird diese Gnade selbst so weit gehen, Sie in eine ganz bevorzugte Braut Jesu Christi umzugestalten. Diese Gnade ist eine der kostbarsten und segensreichsten, nicht allein für Sie selbst, sondern auch für die Kirche, denn der Heiland kann jener nichts abschlagen, die er in sein erhabenes Brautgemach führt.

Und doch sind Sie noch sehr unvollkommen. Doch der liebe Heiland erwählt eben oft gerade das, was arm, klein und armselig ist, um es zum Gegenstand seiner Güte zu machen, damit ja "kein Fleisch sich rühme" (1 Kor 1, 29), sondern, dass man erkenne, dass alles von ihm kommt. Die Unvollkommenheiten, von denen Sie sprechen, und die auch wirklich vorhanden sind, lassen in mir nicht den geringsten Zweifel aufkommen an der Echtheit der Gnaden, die Sie erhalten. Gott ist der höchste Herr und er lässt Ihnen Ihre Schwächen, damit Sie einsehen, dass diese großen Gnadengaben nicht von Ihnen stammen und Ihnen nicht wegen Ihrer Tugenden erteilt werden, sondern wegen Ihrer Armseligkeit. Sie sind ein Glied Jesu Christi, so gibt der himmlische Vater in Wirklichkeit seinem Sohn, was er einem seiner schwachen und armseligen Glieder erteilt. Seien Sie also weder überrascht noch werden Sie mutlos, wenn Sie in einen Fehler fallen, sondern schöpfen Sie aus dem Herzen Ihres Bräutigams - es stehen Ihnen ja alle seine Reichtümer zur freien Verfügung - die Gnade und die Tugend, die Ihnen noch abgehen" (2. Dezember 1908).

Der Geistesführer ermutigt die Seele, welche im göttlichen Licht ihr Elend sieht:

"Die zahlreichen Fehler, die Sie mir angeben, beweisen in der Tat, dass unser Herr seine Blick auf ein gar armes Geschöpf geworfen hat, um es mit seinen Gnaden zu überhäufen, doch sind diese Fehler nicht unvereinbar mit diesen Gaben: "Er schaute herab auf die Niedrigkeit seiner Magd" (Lk 1, 48).

Alles was Gott für uns tut, ist in der Tat ein Ergebnis seiner Barmherzigkeit: "Alle Wege des Herrn sind Barmherzigkeit und Wahrheit" (Ps 25, 10). Gerade die Schwächen, die wir bekennen, ziehen das Mitleid Gottes auf uns herab. Wir sind Glieder Christi, und alle unsere Armseligkeiten sind die seinigen. Also fürchten Sie nicht, teure Tochter, sondern geben Sie sich ruhig der göttlichen Einwirkung hin. Hüten Sie sich nur vor jeder bewussten Selbstüberhebung und jeder freiwilligen Regung des Stolzes, denn dann würden Sie die Haltung der Demut verlieren, die das Auge Gottes auf Sie lenkt" (1. November 1908).

In Christus muss die Seele das Geheimnis ihrer Gottverbundenheit finden: er ist der unfehlbare Weg, der zum Vater führt, der vielgeliebte Sohn, der auf die Seele das Wohlgefallen herabzieht, dessen Gegenstand er selbst ist:

"In allem, was Sie mir über Ihre Seele berichten, erkenne ich die Merkmale des göttlichen Wirkens. Trotz Ihrer Fehler fährt der liebe Heiland fort, selbst Sie zu führen, und Sie können sich ohne Furcht seiner Weisheit und Liebe überlassen. Das menschgewordene Wort hat alles für seinen Vater verrichtet, er sagt: Alles, was mein ist, ist dein" (Joh. 17, 10). Wenn Sie sich darum ihm ganz zur Verfügung stellen, wird er Sie mit sich "in den Schoß des Vaters" führen: "Vater, ich will, dass sie, die du mir gegeben hast, da, wo ich bin, auch mit mir seien" (Joh 17,24). Jesus ist aber immer "im Schoß des Vaters". Zu diesem Zweck bedarf es einer steten, großen Selbstverleugnung, damit Jesus die einzige Quelle all unserer Handlungen werde: "Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir" (Gal 2,20). Das ist die vollkommene Vereinigung des göttlichen Bräutigams mit seiner Braut, eine Verbundenheit, zu der er Sie bestimmt, wenn Sie treu erfunden werden. Dann wird man zum Gegenstand einer bevorzugten Liebe von Seiten des Himmlischen Vaters, "von dem jede gute Gabe und jedes vollkommene Geschenk stammt" (Jak 1, 17. - 31. August 1909).

Wenn sich die Seele hauptsächlich auf Christus stützt, kann sie auf jene inneren Aufstiege hoffen, welche zu Gott führen: doch ist Marmions Andeutung sehr zurückhaltend, denn er beugt sich vor dem Walten des Heiligen Geistes:

"Falls Sie die Gnade nicht nach einer anderen Seite zieht, empfehle ich Ihnen, die Betrachtung zu den Füßen der heiligen Menschheit Christi zu beginnen. Er selbst wird Sie durch diesen Schleier ins Heiligtum seiner Gottheit führen. Die Ehre des ewigen Vaters besteht in der Verherrlichung seines Sohnes Jesus. Je mehr wir uns auf ihn stützen, desto mehr huldigen wir den Absichten des ewigen Vaters" (21. Dezember 1908).

Für die Zeit der Betrachtung will er die Seele frei sehen von den Sorgen, die auf ihr lasten; treu dem Wirken des Heiligen Geistes, soll sie sich der Liebe des Himmlischen Vaters überlassen:

"Überlassen Sie sich während der Betrachtung ganz den Regungen des Heiligen Geistes; halten Sie alle Sorgen um die zeitlichen Dinge fern; so will es der göttliche Meister: "Ich beschwöre euch, Töchter Jerusalems, dass ihr nicht weckt noch aufweckt die Geliebte, bis sie selbst will" (Hld 2, 7). Diese Augenblicke der völligen Hingabe an dies göttliche Wirken in der Seele geben Gott eine so große Ehre und gewähren ihm eine so große Befriedigung, dass er nicht will, dass auch nur das Geringste sie unterbreche. Je treuer Sie darin sein werden, sich ihm ohne Sorge um Irdisches hinzugeben, desto mehr wird er alles auf sich nehmen. Er hat es ja auch versprochen: "Sucht zuerst das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit, und dies alles wird euch dreingegeben werden" (Lk 12, 31 - 1. November 1908).

Die gleiche Achtung vor der innerlichen Gnadenwirkung ergibt sich aus den folgenden Zeilen:

"Was Ihr Verhalten während der Betrachtung betrifft, wünsche ich folgendes: Falls Gott Sie einlädt, und Sie merken, dass es gut wäre, die göttliche Barmherzigkeit für Ihre Bedürfnisse anzurufen, folgen Sie diesem Zug, denn Jesus lehrte uns, um "das tägliche Brot" zu bitten. Doch seien Sie in den Augenblicken der göttlichen Vereinigung ganz und gar zu Diensten des Bräutigams. In der Tat sind das Lob, die Ruhe, das Schweigen während der Beschauung Gott so angenehm, dass sie jedes andere Gebet reichlich ersetzen, und während Sie so zu seiner Ehre das Reich Gottes in sich suchen, wird er für alles andere Sorge tragen: dann wird euch das andere dazugegeben" (Lk 12, 31. - 6. September 1909).

Wie wir bereits angedeutet, wurde Mutter Garniser mit außergewöhnlichen Gnaden bedacht; ihre tiefe Demut unterstellte dieselben dem Urteil ihres Führers. Von den Beantwortungen des letzteren führen wir hier nur zwei Stellen an, die uns einigermaßen einen Einblick geben in die Gaben, mit denen Gott diese Seele begünstigte, und die uns zu gleicher Zeit die auserlesene Klugheit dessen beweisen, dem sie sich anvertraute:

"Das Wirken der hochheiligen Dreifaltigkeit in Ihrer Seele, das Ihnen dreifach in seiner Quelle und eins in sich selbst scheint, stimmt vollkommen mit der Lehre der heiligen Kirche überein. Es liegt also kein Grund vor, sich zu ängstigen. Das Gefühl des Staunens und der heiligen Ergriffenheit bei der Berührung mit dem unbegreiflichen Gott ist ein ausgezeichnetes Merkmal des Geistes, der Sie führt. Also, meine Tochter, keine Angst! Werfen Sie sich blindlings an das Herz Ihres Gottes. Diese geistigen Schauungen der göttlichen Vollkommenheiten sind ganz echt und finden in einer Region der Seele statt, zu der der Geist der Täuschung keinen Zutritt hat.

Anders verhält es sich mit andern Vorgängen, wie z. B. mit den sinnlich vernehmbaren Worten, oder bildlichen Erscheinungen (d. h. solchen, die eine mit den Sinnen wahrnehmbare Form annehmen) oder Offenbarungen. Solche Dinge können von Gott kommen, der der oberste Herr und Meister unserer Seelen ist und in ihnen wirken kann, wie es ihm beliebt. Aber auch der böse Feind kann sich dabei einschleichen; man muss bei derlei sehr vorsichtig sein. Ich schreibe Ihnen dies für derartige Fälle, denn dann müssten Sie mir dieselben alsbald offenbaren und nichts auf Grund dieser Mitteilungen unternehmen, ohne durch den Gehorsam dazu ermächtigt zu sein. Nicht, dass mich in dem, was Sie mir über den Zustand Ihrer Seele berichteten, irgend etwas beunruhigte, im Gegenteil, ich finde in allem den Stempel Gottes, aber ich spreche für den Fall, dass sich derartiges einstellen sollte" (1. November 1908).

Ein wenig später vernehmen wir ebenso feste und beruhigende Worte:

"Ich danke dem lieben Gott und preise ihn ob der großen Gnaden, die er Ihrer Armseligkeit verleiht, denn dies alles trägt das Siegel des göttlichen Eingreifens. Der Adler ist das Symbol des göttlichen Wirkens. So ist der hl. Johannes dargestellt unter der Form eines Adlers, weil er vorerst die Menschheit Jesu Christi übergeht und sich bis zum Wort im Schoß des Vaters erhebt (Hinweis auf den Anfang des Johannesevangeliums). Diese Wirkung vollzieht sich rasch und ist allmächtig, besonders in diesen "Entrückungen" oder seelischen Höhenflügen, von denen Sie sprechen, und sie gestaltet die Seele in einigen Augenblicken. Geben Sie sich ohne Furcht den Einwirkungen Gottes hin. Weil Sie Ihre Armseligkeit und Ihre Kleinheit erkennen, ziehen Sie das Auge dessen auf sich, der die Himmel und das Weltall aus dem Nichts gezogen. Gerne, sagt St. Paulus, überschüttet er das Kleine und Verächtliche mit seinen Gaben, damit niemand sich rühme außer in ihm" (vgl. 1 Kor 1, 28 - 29. - 21. Dezember 1908).

* * *

Wir halten es für gut und nützlich, hier noch den Text beizufügen, den Dom Marmion betreffs der Betrachtung und des beschaulichen Gebetes in den Konstitutionen der belgischen Benediktinerkongregation niedergelegt hat. Man wird hier in einer bündigen markigen Form alles Wesentliche über das Gebet wieder finden: eine Zusammenfassung seiner ganzen diesbezüglichen Ansicht. Die weiteren Ausführungen hierüber finden sich in: "Christus unser Ideal, Kap. XVI, ebenso im Buch: Un maître de la vie spirituelle Kap. XVIII).

6. Der Ruf zur Gottverbundenheit im Ordensstand

Zu dieser göttlichen Vereinigung, deren ganze Substanz bereits durch die Taufgnade im Keim niedergelegt wird, beruft Christus alle Seelen. An alle richtet der Erlöser jenes höchste Gebot: "Du sollst den Herrn, deinen Gott lieben aus deinem ganzen Herzen, aus deiner ganzen Seele, aus deinem ganzen Gemüte und aus allen deinen Kräften" (Mk 12, 30).

Dieses Gebot verpflichtet also alle Menschen, welches auch immer ihr Stand und ihre Lebenslage sein mag; und die Vereinigung mit Gott, deren Maß die Liebe ist, lässt sich in allen Lebenslagen verwirklichen. Die Geschichte der Heiligkeit beweist dies zu Genüge.

Wir haben darum auch in den vorhergehenden Kapiteln gesehen, wie Dom Marmion von der Gottverbundenheit zu den verschiedensten Menschen spricht, seine Briefe sind gerichtet an Kinder, junge Mädchen, an Weltpersonen, an Verheiratete.

Doch es gibt einen Stand, der wegen seiner besonderen Beschaffenheit, wegen seiner zahlreichen und besonders günstigen Hilfsmittel mit Recht Stand der Vollkommenheit genannt werden kann: es ist der Ordensstand. In diesem Stand sind die Seelen durch die heiligen Gelübde in eine besonders günstige Lage versetzt, um die zahlreichen Hindernisse, die sich der Vereinigung mit Gott in den Weg stellen, zu entfernen und diese Verbundenheit in ihrer ganzen Ausdehnung und Tiefe zu verwirklichen.

Mehr als ein Brief Dom Marmions beschäftigt sich mit diesem Ruf zur Vereinigung mit Gott im Ordensstand. Gegebenenfalls bietet er die ihm eigene, große Umsicht auf, damit der Wille Gottes erkannt wird, und, ist er erkannt, seine unbeugsame Zähigkeit, diesem Willen Gehör zu verschaffen.

* * *

Bis der göttliche Wille sich kundgibt, muss die Seele ganz in demütiger Unterwerfung und innerem Frieden bleiben.

Aus einer Reihenfolge von Briefen an ein junges Mädchen entnehmen wir folgende Stellen:

"Ich bete stets innig für Sie und bitte den Himmlischen Vater, Sie nach seinem heiligen Willen zu führen. Ich werde besonders während Ihrer Exerzitien für Sie beten, damit Gott Ihnen seinen heiligen Willen kundtut, denn, teures Kind, unser ganzes Glück hier auf Erden besteht darin, diesen anbetungswürdigen Willen zu befolgen.

Wenn ich Ihnen einen Rat geben darf, so sage ich Ihnen, sich nicht zu quälen. Gott wird Ihnen zu gegebener Zeit schon seinen heiligen Willen kund tun. Wenn Sie also auch in diesen Exerzitien nicht ganz klar sehen, beunruhigen Sie sich nicht. Sagen Sie zum lieben Gott: "Ich will ganz dein eigen sein, doch so, wie du es für gut findest" (11. Juli 1913).

"Gewiss, meine Tochter, Sie sind keine Heilige. Ihre Tugend ist noch sehr schwach, aber trotzdem ruft Sie der Heiland zur Vollkommenheit. Er verlangt nach Ihrem Herzen. Doch wir dürfen nicht vorgreifen und müssen eine große Ehrfurcht haben vor dem Willen Gottes; denn Gott ist der oberste Herr und er allein hat das Recht Sie zu berufen wohin und wozu er will. Für den Augenblick steht sein Wille uns noch nicht klar und deutlich vor Augen. Warten Sie also in Ruhe und Frieden ab. Ich vermute, dass er uns seinen Willen noch nicht kundtut, weil die Zeit dazu noch nicht gekommen ist. Er will, dass Sie noch einige Zeit bei Ihren lieben Eltern bleiben. In einer solch guten Umgebung noch ein wenig zu warten, ist ja auch gefahrlos. Verrichten Sie vorläufig alles aus Liebe zu Gott, bis er Ihnen seinen Willen zu erkennen gibt" (17. Dezember 1913).

Und weiter:

Der liebe Gott verlangt augenblicklich noch nicht, dass Sie die Entscheidung treffen; wenn er Sie dann doch zum Ordensstand beruft, so wird er Ihnen auch zu gleicher Zeit Lust und Verlangen danach geben. Der böse Feind sucht Ihr inneres Leben zu zerstören, indem er Sie glauben macht, dass, wenn Sie treu und eifrig sind, Sie sich berufen fühlen. Doch, mein Kind, wenn Gott Sie wirklich riefe, würden Sie steinunglücklich sein, falls Sie seinem Ruf nicht folgten, denn dann wäre Ihr ganzes Dasein verfehlt. Wenn er Sie nicht ruft, so werden auch Ihr ganzer Eifer und Ihre Treue niemals den Beruf zu Folge haben. Ich bin nicht sicher, ob Sie berufen werden, und bis heute glaube ich nicht, dass Sie es sein werden." Es könnte fast scheinen, dass Dom Marmion übertreibt, wenn er eine solche Sicherheit fordert hinsichtlich der inneren Berufung. Doch bedenke man, dass es sich im vorliegenden Fall nicht um eine Theorie über den Beruf handelt. Hier ging es mehr darum, eine zögernde Seele auf dem Weg der Vollkommenheit zu halten, weil die Lauheit sie unglücklich machen, das treue Ausharren im Gegenteil sie zu dem für sie vorteilhaftesten Stand führen würde.

"Sie haben also - so schließt er mit Entschlossenheit - zwei Ratgeber: mich-, der ich Sie um Jesu willen sehr liebe und in dessen Namen ich spreche; und den Teufel, der Sie hasst und Sie deshalb zu täuschen sucht, wie er es bei Eva tat" (15. April ohne Jahresdatum).

Indem er ein andermal seine Meinung über diesen Gegenstand zusammenfasst, schreibt er folgende vertrauenserweckende Zeilen:

"Gott liebt Sie, und er sorgt für Ihre Zukunft gemäß seiner Liebe; überlassen Sie sich ihm ohne Furcht und Sorge" (20. Februar 1918).

* * *

Sobald sich jedoch Gottes Wille kund getan hat, muss man die größte Großherzigkeit an den Tag legen, um seine Weisungen und Anregungen trotz der Hindernisse, die sich der Ausführung in den Weg stellen, zu befolgen:

"Jeder wahre Beruf hat seine Zeit der Prüfung", so schreibt er einem jungen Mädchen, "doch wenn Sie treu befunden werden, wird der Herr Sie mit seiner Gnade unterstützen und Sie treten dann mit desto mehr Freude ins Kloster ein, als Sie mehr Prüfungen ertragen für unsern Heiland. Ich segne Sie vom Grund meines Herzens und werde für Sie beten, damit Sie mutig und treu ausharren" (17. Oktober 1909).

Einige Monate später:

"Je mehr man um den Beruf mit Schwierigkeiten zu kämpfen hat, desto stärkere Wurzeln schlägt er und desto mehr schätzt man ihn später.

Hüten Sie Ihr ganzes Herz für Jesus Christus. Wenn Sie den Mut besitzen, sich mit seiner Liebe allein zufrieden zu stellen, wird er Ihnen später die Gnade verleihen lieben zu können, ohne den Geschöpfen anzuhangen. Arbeiten Sie fleißig und für ihn." (7. Januar 1910).

Sehr oft erhebt sich eine Menge der verschiedensten Einwürfe. Dom Marmion weiß sie durch das Licht des Glaubens zu zerstreuen und macht so die Schlauheit des Fürsten der Finsternis zuschanden. Mehrere Briefe an ein junges Mädchen (Sie gehören zu den ältesten, die wir von Dom Columba haben) enthalten hierüber Belehrungen, die ganz durchtränkt sind vom Geist des Evangeliums: man wird darin eine Antwort finden auf alle diese sich gelegentlich widersprechenden Einwürfe, die den Geist unter solchen Umständen meist beunruhigen: "Ich sage Ihnen im Namen Gottes: "komm, meine Tochter". Setzen Sie allen Erwägungen der Welt und des Fleisches diesen Gedanken gegenüber: "Jesus ruft mich, um seine Braut zu sein." Wenn ein Mädchen in der Welt liebt, so verlässt es alles: Vater, Mutter, Freundinnen, ja alles, um einem Menschen nachzugehen und anzuhangen; und Jesus, der Sohn Gottes, der sein letztes Tröpfchen Blut für Sie vergoss, der Sie überhäufte mit ganz besonderen Segnungen und Gnaden, verdient er nicht, dass Sie alles verlassen, wenn er Sie ehrt durch die Einladung, sich inniger mit ihm zu vereinigen? Es erstaunt mich gar nicht, dass Sie jetzt so vielen Schwierigkeiten und Widerständen begegnen, ich sah es kommen. Die besten Gnaden Gottes müssen durch Leiden erkauft werden, und auf dem Kreuz baut Jesus Christus alle seine großen Werke auf. Selbst seine Mutter, die er doch mehr liebte als alle andern Geschöpfe, war nicht ausgenommen: er verlangte von ihr nicht den Verzicht auf die Liebe einer Schwester oder einer Mutter, sondern das Stehen unter dem Kreuz, während vor ihren Augen ihr Sohn und Gott in den größten Qualen sein Leben aushauchte.

Ich betrachte diese Schwierigkeiten und diesen Widerstand als einen Beweis, dass unser Heiland Sie ganz für sich haben will und es ihm darum geht, Sie durch diese so bitteren Prüfungen zu läutern, damit Ihr Opfer ganz und gar rein und frei von jeder Eigenliebe sei.

Die in der Welt wohnen und besonders unsere Eltern, so gut und eifrig sie auch sein mögen, haben nicht immer das Licht, um Gottes Willen in diesen Dingen zu erkennen. Denn das Auge ihres Geistes ist verfinstert durch menschliche Beweggründe und ihr Urteil gründet sich auf die Bande des Blutes, ohne dass sie es merken. Die Motive, die sie vorbringen, sind Vernunftgründe menschlicher Klugheit. Und als ich sie im Licht göttlicher Klugheit abwog, kam ich zur Überzeugung, dass Sie nicht darauf hören dürfen.

Zunächst: das Gute, das Sie in der Welt wirken könnten. Gott bedarf Ihrer guten Werke nicht und zudem sind sie ihm auch nur insofern wohlgefällig, als sie mit seinem heiligen Willen übereinstimmen. Versteifen wir uns darauf zu tun, was an und für sich gut sein mag, so nimmt Gott es doch nicht mehr an, wenn er uns schon zu anderen berufen hat. Unsere Werke missfallen ihm dann vielmehr als etwas, das wir seinem heiligen Willen vorziehen. Betrachten Sie Saul: menschliche Vernunftgründe dem Licht des Glaubens vorziehend, behält er das Beste der Herde zurück, um es Gott als Opfer darzubringen. Welches Werk kann heiliger sein, als Gott ein Opfer darzubringen? Trotzdem erzählt uns die Heilige Schrift, dass Gott für diese Untreue Saul verfluchte und ihn für immer von sich stieß (1 Sam 15). So sage auch ich Ihnen: Der Heiland hat kein Verlangen nach Ihren Werken, er will Sie haben und verschmäht jede andere Gabe. Wenden Sie sich an Gott, und überlassen Sie ihm die Sorge um die Weiterführung Ihrer guten Werke.

Obgleich ich so ernst und hart rede, hege ich doch in meinem Herzen das größte Mitgefühl und empfehle Sie oft in meinen Gebeten dem lieben Gott; ich habe aber Angst, dass Sie der Gnade kein Gehör schenken. Der Heiland sagt: "Wer Vater und Mutter mehr liebt als mich, ist meiner nicht wert" (Mt 10,37). Die hl. Franziska von Chantal hatte viel dringendere Familiengründe, als Sie, in der Welt zu bleiben, besonders da es sich bei ihr nicht nur um den Eintritt in ein Kloster handelte, sondern um die Gründung eines ganz neuen Ordens. Auch sie fühlte, gleich Ihnen, die ganze Bitterkeit einer Trennung von den ihrigen; sie hörte, wie man von allen Seiten ihr Vorhaben als überspannt und unklug erachtete; sie sah die Armen sie auf den Knien bitten, doch in der Welt zu bleiben und ihnen weiter Gutes zu tun; und doch wäre sie lieber gestorben, als der Treue zu ermangeln gegenüber demjenigen, der sie berief.

Also guten Mut! Jesus ruft Sie, um seine Braut zu sein. Halten Sie daran fest. Glauben Sie mir, Sie werden Ihrer Familie ebenso viel (ja tausendmal mehr) Gutes tun, wenn Sie sich Gott ganz hingeben, als wenn Sie in der Welt bleiben. Denn Gott ist die Quelle jedes wahren Gutes, und er selbst wird das Gute wirken, das er durch Ihre Vermittlung hätte tun können. Waffnen Sie sich also mit Gedanken des Glaubens. Zeigen Sie keine Unschlüssigkeit mehr. Nehmen Sie in voller Ergebung die Leiden an, die Jesus Ihnen zur Zeit schickt.

Mögen sie auch noch so schmerzen, sie sind ein Beweis seiner aufrichtigen Liebe zu Ihnen. Seien Sie fest entschlossen, und Sie werden sehen, dass die Schwierigkeiten geringer werden. Denn, wenn Ihre Eltern Sie zögernd und unentschieden sehen, werden sie alles aufbieten, Sie umzustimmen. Fast alle, die der liebe Gott zum Ordensstand beruft, müssen durch ähnliche Prüfungen gehen, sonst wären sie des Hochzeitsmahls mit dem Lamm nicht würdig.

Das einzige, was mich beunruhigt, ist, dass Ihre Gesundheit Schaden leiden könnte durch diese Prüfungen. Darum möchte ich Sie, sobald sich dies einigermaßen machen lässt, eintreten sehen.

Ich nehme in Christus lebhaft Anteil an Ihnen und bete viel für Sie. Schreiben Sie mir so oft Sie wollen und so, wie es Ihnen ums Herz ist" (12. September 1894).

"Wenn Jesus Sie jetzt leiden lässt, so verfährt er eben mit Ihnen, wie mit allen, die er liebt und zu einer innigen Verbundenheit mit sich beruft. Hätten Sie keine Prüfungen durchzumachen, so würde ich vielleicht an Ihrem Beruf zweifeln; doch so trägt die Prüfung, besonders jene, die von der Anhänglichkeit herrührt, die wir zu unseren Lieben tragen, das göttliche Siegel des heiligen Kreuzes.

Ich rate Ihnen, nicht viel zu sprechen, wenn man Ihnen Gegengründe und Beweise gegen Ihren Beruf bringt. Antworten Sie dann ganz ruhig: "Nachdem ich viel gebetet und den Rat meines Beichtvaters eingeholt habe, bin ich überzeugt, dass Gott mich ruft, und dass ich an Treue gegen die Gnade fehlen würde, wenn ich mich weigerte, ihr Folge zu leisten." Lassen Sie sich nicht auf Beweisführungen ein, die doch zu nichts dienen, sondern hören Sie stillschweigend zu und empfehlen Sie sich dem lieben Gott" (16. September 1894).

"Ich habe großes Mitleid mit Ihrer Schwester und Ihrer Frau Mutter, aber Jesus hatte noch ein unendlich größeres Mitleid mit seiner heiligen Mutter, dem hl. Johannes und den heiligen Frauen, die am Fuße des Kreuzes standen; und dennoch wollte er, dass sie den Kelch des Leidens bis zur Neige trinken sollten. Weil nun Gott durch diesen Schmerz Sie heiligen will, so füge auch ich mich seinen heiligen Absichten, und ich wünsche, dass auch Sie durch die Betrachtung und durch die Vereinigung mit dem leidenden Heiland jeden Tag mehr sich diese Gesinnungen zu eigen machen.

Wie ich Ihnen schon das letzte Mal mitteilte, ist es sehr wichtig, dass Sie sich während dieser Zwischenzeit von ganzem Herzen den gewohnten guten Werken widmen, wie wenn Sie dieselben für immer tun wollten. Alles, was man für Gott tut, ist wohl der Mühe wert, dass man es gut verrichtet.

Da der böse Feind über Ihren Entschluss ins Kloster zu gehen sehr aufgebracht ist, ist es nicht ausgeschlossen, dass er weitere innere und äußere Hindernisse auftürmt und sich zu diesem Zweck selbst in einen Engel des Lichts verwandelt. Sagen Sie also, wenn irgendeine ernste Schwierigkeit auftaucht: "Ich entscheide nichts, bevor ich Gott und meinen Beichtvater befragt habe." Ich werde auch ferner viel für Sie beten, bis ich Sie endgültig und wohlbehalten bei den anderen Täubchen im Nest sehe" (2. Oktober 1894).

"Die Zeit, die Sie nach dem Willen Gottes noch (vor Ihrem Eintritt) in der Welt zubringen müssen, ist nicht nur nicht verloren, sondern schafft in Ihrer Seele eine Arbeit, die für Ihr Fortschreiten in der Tugend notwendig ist. Der liebe Gott wünscht von Ihnen eine vollkommene Unterwerfung, eine absolute Hingabe an seinen heiligen Willen, und darum durchkreuzt er Ihren Willen, selbst in den heiligsten Dingen, auf dass zuletzt nur ein Wille in Ihnen lebendig sei: der, Gottes Willen in allem zu tun. Viele bilden sich ein, eine wahre aufrichtige Unterwerfung unter Gottes Willen zu besitzen; doch werden sie verhindert, ihren geistigen Übungen, an denen sie hängen, nachzugehen, so sieht man an ihrem Kummer und ihrer Unzufriedenheit, wie viel ihnen noch abgeht an diesem heiligen Gleichmut. Unser Meister offenbarte einer Person, dass das, was ihm am besten bei der hl. Gertrud gefalle, die Freiheit des Geistes sei, d. i. ihre völlige Losschälung von allen Dingen, selbst den heiligsten, um sich einzig und allein nur an den Willen Gottes zu klammern" (2. Oktober 1894).

Einer späteren Karmelitin gibt er die gleichen Richtlinien der Großherzigkeit und des geduldigen Wartens:

4. Oktober 1900. - "Halten Sie recht fest an Ihrem Beruf. Unser Heiland will, dass Sie Karmelitin und nichts anderes seien. Sagen Sie dies dem Teufel, wenn er Ihnen etwas anderes vorschlägt. Alle Erwägungen über "die Nützlichkeit Ihres Lebens in der Welt, über Undankbarkeit den Eltern gegenüber usw. sind nur Versuchungen und ein Teil jener Prüfung, die Ihr Opfer so glorreich für den gestaltet, der Sie als Braut erwählt hat, und so verdienstlich für Sie. Ohne diese Kämpfe und diese Zerrissenheit des Herzens würde der Eintritt in den Karmel viel zu wenig das Merkmal des Kreuzes tragen."

25. Juli 1901 - "Unser Glaube lehrt uns, dass uns das, um was wir für unser Seelenheil und im Namen Jesu Christi bitten, gewährt wird. Nun gehört aber die Erfüllung der göttlichen Absicht mit unseren Seelen sicher zu den Angelegenheiten unseres Heiles. Wenn Sie fortfahren mit festem Vertrauen jenen zu bitten, dem Sie einstens den süßen Namen eines Bräutigams beilegen wollen, dann ist es sicher, dass nichts Sie hindern kann, Ihrem Beruf zu folgen. Wenn alles menschlicherweise verloren scheint, dann zeigt der liebe Heiland mit Vorliebe, dass seine Weisheit und Güte alle Pläne der Menschen zunichte machen kann. Doch müssen wir auch tun, was von uns abhängt; und wenn wir alles getan, was wir vermochten, wird der Heiland einschreiten ... Wenn er Sie trotz allem noch ein wenig warten lässt, seien Sie versichert, meine Tochter, dass er auch hierin seine heiligen Absichten hat."

13. November 1901. "Ich bin hocherfreut zu sehen, dass Sie stets mit dem lieben Heiland vereint bleiben: davon hängt ja auch alles ab. Ich bin so überzeugt, dass er, nachdem Sie sich ganz dem lieben Heiland überlassen haben, alle Ihre Wege mit unendlicher Weisheit und Liebe lenkt, dass ich mich über diese Zögerung, die er Ihnen auferlegt, nicht beunruhigen kann. Gewiss, ich sehne mich, Sie unter den guten Kindern des Karmels zu sehen, um Sie für den göttlichen Meister heranzubilden, aber ich unterwerfe mich ganz und gar seinen heiligen Absichten betreffs Ihrer Seele. Er ist der. Herr."

"Bezug nehmend auf Ihre Angst, dass in Ihrem Entschluss vielleicht Selbstsucht liege", so schreibt er einem andern Mädchen, "so wissen Sie doch, dass Gott der "Herr" ist, und dass er an erster Stelle ein Recht auf Sie hat. "Wer Vater und Mutter mehr liebt als mich, ist meiner nicht wert" (Mt 10, 32). Gewöhnlich drückt uns beim Eintritt ins Kloster der Schmerz, den wir den Unsrigen dadurch zufügen, am meisten. Die ganze Frage ist diese: Ruft Sie Gott? Und da muss ich schon sagen, wenn wir nicht auf eine Offenbarung warten wollen, so können Sie keine größere Sicherheit erwarten. Ihre Mutter bedarf Ihrer nicht. Wenn also Jesus Sie ruft, Vater, Mutter, Bruder und Schwester usw. zu verlassen und ihm zu folgen, hat er ein Recht auf Gehorsam, und Ihr Glück, sowie das jener, die Sie lieben, kann zum großen Teil von Ihrer Treue in dieser Angelegenheit abhängen" (10. Februar 1914).

In anderen Umständen - er berührte diesen Punkt soeben - kann die Kindespflicht zur unweigerlichen Forderung werden; Dom Marmion will, dass man sich dann beuge vor dem klar erkannten Willen Gottes, selbst um den Preis, höhere Wünsche im Augenblick opfern zu müssen:

"Unser Heiland verlangt von Ihnen augenblicklich ein schweres Opfer, denn jetzt heißt es für Sie, sich selbst zu verleugnen, zur Zeit an die innigsten und heiligsten Wünsche und Strebungen Ihres edlen Herzens zu verzichten, um der Kindespflicht zu genügen, die die Umstände fordern. Ich verstehe Ihre Lage gar wohl (Diese Worte besagen, dass es sich um einen außergewöhnlichen Fall handelt). Ihre so guten Eltern haben das Opfer in heroischer Weise gebracht. Aber auch die Natur ist da und will ihre Rechte. Die Gnade aber, die ihnen nicht fehlen wird, und auch die Liebe, deren Ihr Herz so fähig ist, muss sie stärken. Ja, mein Kind, die Eltern haben jetzt Ihr Lächeln nötig, Ihre Liebe, die soviel als möglich jene ersetzen soll, die sie verloren. Und selbst, wenn Ihr Herz blutet, so dürfen Ihre Eltern es nicht merken.

Ich kann Ihnen nicht genug sagen, wie eine solche Pflichterfüllung dem heiligsten Herzen Jesu Freude macht. Glauben Sie mir, Sie können für den Augenblick nichts Verdienstlicheres, nichts Heiligeres, nichts Angenehmeres für jenen tun, den Sie lieben, als ihm Ihre Liebe und Selbstverleugnung zu beweisen, indem Sie sie Ihrer Umgebung und besonders Ihren teuren Eltern erzeigen. Je verborgener eine solche Handlungsweise bleibt, je mehr sie nur Jesus allein bekannt ist, desto wohlgefälliger ist sie ihm.

Ich werde Ihnen, wie ich es versprochen, helfen durch mein allmorgendliches Gebet bei der Hl. Messe und mich aufrichtig Ihnen widmen. Vertrauen Sie darauf, dass Sie auf diese Art nur gewinnen; kommt dann der Augenblick, wo sich die Klosterpforten Ihnen öffnen, so stehen für Sie ganz besondere Gnaden bereit, die aus Ihnen jene heilige Ordensfrau machen, welche mir im Geist vorschwebt, und für die ich aus aufrichtigem Herzen bete" (Aus Rücksicht übergehen wir hier das Datum).

* * *

Die Liebe Dom Marmions war so weit und groß, seine Sorge so aufmerksam, dass sie sich auch auf die Angehörigen jener ausdehnte, deren Beruf er leitete. Zwei seiner Briefe zeigen uns sein feines Taktgefühl, seine übernatürliche, feste Einstellung, gepaart mit unvergleichlicher Liebe:

"Mein teurer Freund, ich danke Ihnen für das Vertrauen, das Sie mir entgegenbringen, indem Sie mich über die so wichtige Frage des Berufes Ihrer teuren Tochter zu Rate ziehen. Nachdem ich gut darüber nachgedacht und auch den lieben Heiland gebeten habe, uns seinen heiligen Willen zu zeigen, schreibe ich Ihnen nun in aller Aufrichtigkeit und Offenheit, was ich darüber vor Gott denke.

Man kann dem lieben Gott kein größeres Opfer bringen, als das eines so heiß und innig geliebten Kindes. Darum hat auch Gott, nachdem er Abraham zum Haupt aller Gläubigen machen wollte, das Opfer seines vielgeliebten Sohnes Isaak verlangt; und weil Abraham nicht zögerte, Gott das Kind wiederzugeben, das er von ihm empfangen, segnete ihn der Herr und überschüttete ihn und seine Nachkommenschaft mit den größten Segnungen des Himmels.

Ich verstehe sehr wohl, teurer Freund, dass dies für Sie kein geringeres Opfer bedeutet. N... hat außergewöhnliche Vorzüge und Eigenschaften des Geistes wie des Herzens, und gewiss hätten die Eltern ein Recht, all die Opfer, die sie für ein solches Kind gebracht haben, von ihm jenen Trost und jene Stütze zu erwarten, deren N ... fähig ist. Ich gebe selbst zu, dass ein solches Opfer für die Natur zu schwer scheint. Doch ich weiß, dass ich mich an einen wahren Christen wende, der seinem Gott nichts verweigern möchte, wenn er nur die Gewissheit hat, dass es so sein heiliger Wille ist.

Nun wohl, ich bin vor Gott fest überzeugt, dass es sich bei Ihrer Tochter um einen echten Beruf handelt, dass der Heiland sie im Karmel haben will, und dass er wünscht, dass Sie ihr bereits jetzt schon den Eintritt gestatten. In einem anderen Fall würde man wohl zögern, einem Mädchen von diesem Alter den Eintritt in ein Karmelitinnenkloster zu erlauben. Die Schwestern selbst haben mir erklärt, dass sie niemals so junge Kandidatinnen aufnehmen, ohne eine wahre Sicherheit über deren wirklichen Beruf. Auch meine eigene Meinung geht dahin, dass man die Tragweite eines solchen Schrittes wohl begriffen und verstanden haben muss, bevor man sich zu diesem Leben entschließt. Nun bin ich aber überzeugt, dass der Charakter Ihrer Tochter so gefestigt und ihr Urteil so klar ist, dass von einer Unvorsichtigkeit gar keine Rede sein kann, wenn wir ihr jetzt schon den Eintritt gestatten. Dies ist auch die Meinung der Ordensschwestern des betreffenden Klosters und des R. P. Provinzials, der ihrer sofortigen Aufnahme zustimmt. Ich sage Ihnen also, teurer Freund, dass ich sicher bin, dass der göttliche Meister dies Opfer von Ihnen erwartet, und weiter bin ich aber auch der Überzeugung, dass gerade dieses Opfer der schönste Trost Ihres Lebens und eine Quelle großen Vertrauens in Ihrer Todesstunde sein wird. Ich erinnere mich, dass mein eigener Vater, nachdem er bereits zwei seiner Töchter Christus im Kloster geschenkt hatte, zögerte, der jüngsten und geliebtesten die Erlaubnis dazu zu geben. Da er aber gewohnt war, dem lieben Gott nichts abzuschlagen, gab er sie dennoch, trotz seines inneren Widerstrebens. Kurz darauf wurde er krank und stand im Begriff, vor dem ewigen Richter zu erscheinen. Nun erklärte er, dass ihm nichts so viel Trost bereite, als der Gedanke, dem Heiland das Teuerste, was er auf der Welt besessen, zum Opfer gebracht zu haben.

Ich rate Ihnen also, teurer Freund, die heilige Kommunion zu empfangen und dann in der Stille und Innigkeit der sakramentalen Vereinigung Ihr Kind dem Heiland als Braut anzubieten und ihn zu bitten, sie aus Ihren Händen anzunehmen; und ich, meinerseits, verspreche Ihnen in seinem Namen göttlichen Segen für Sie und Ihre Lieben" (15. Juni 1902).

"Mein lieber Freund! Ich erhielt soeben Ihre Zeilen und danke dem lieben Gott, dass er Ihnen Licht und Einsicht gab, die wahren Interessen zu verstehen. Sie werden eines Tages den Wert Ihres Opfers einsehen und sich die ganze Ewigkeit hindurch freuen, dem lieben Gott das geschenkt zu haben, was Ihnen so teuer und lieb war.

Nachdem ich vor Gott ernstlich nachgedacht habe, sage ich Ihnen in seinem Namen, ihm Ihr Töchterchen am 24. September, dem Feste U. L. Frau von der Erlösung der Gefangenen, darzubringen.

Ich werde an diesem Tag Maria bitten, Ihr Kind aus Ihren Händen anzunehmen und für Sie und Ihre ganze Familie das zu tun, was N ... getan hätte, wenn sie zu Hause geblieben wäre. Maria wird für Sie eine wahre Mutter sein und Ihnen tausendmal vergelten, was Sie aus Liebe zu ihrem göttlichen Sohn geopfert haben" (19. August 1902).

* * *

Es kann manchmal vorkommen, dass nach einem wohlgemeinten und auch großherzigen Versuch das Ordensleben trotzdem nicht durchführbar ist. Die Seele ist dann oft verwirrt, entmutigt: alles scheint ihr verloren, der Himmel selbst verschlossen. Dieser Zustand ist besonders schmerzlich für großmütige Seelen, die nach einer großen Gottverbundenheit streben. Bei solchen Gelegenheiten fand Dom Marmion Worte des Trostes und der Aufmunterung: Die Vollkommenheit findet sich weder notwendigerweise noch ausschließlich im Ordensstand; die Ruhe und der Friede der Seele, wie auch die Vereinigung mit Gott, bestehen nur in der vertrauenden Hingabe an den göttlichen Willen:

"Wie sind Sie doch weit entfernt, die Tiefen des Herzens Jesu zu ergründen! Hier handelt es sich keineswegs um ein Fehlen oder eine Verminderung seiner Liebe. Er liebt Sie wirklich und Sie bleiben seine kleine liebe Braut: "Seine Linke ist unter meinem Haupt und seine Rechte umfasst mich" (Hld 2, 6). Denn Sie ruhen an seinem Herzen.

Die Tatsache, dass Sie nicht in einem Kloster leben, ist nur zufälliger Umstand, der weder Ihre Liebe mindern, noch sie aufheben kann, wenn dies, wie es bei Ihnen der Fall ist, vom Willen Gottes nach seinen heiligen, verborgenen Absichten über Ihre Seele so angeordnet wurde. Der hl. Benedikt Labre, der doch ein kanonisierter Heiliger ist, verehrt von der ganzen Kirche, hatte eine gewaltige Neigung zum benediktinischen Leben; er trat selbst mehrmals (dreimal, scheint mir), in den Orden ein. Und nachdem er sein Bestes eingesetzt, war er immer wieder gezwungen ihn zu verlassen. Und er wurde ein Heiliger, was er im Kloster wahrscheinlich nicht geworden wäre, weil dies eben nicht der Weg war, den Jesus für ihn gewählt. Das ganze Leben eines Heiligen kann in die Worte der heiligen Liturgie zusammengefasst werden: "Dieser Mann hat alles erfüllt, was Gott ihm aufgetragen" (Offizium der Bekenner). Darin besteht die ganze Vollkommenheit.

Ich kenne Sie zur Stunde vollkommen und darum versichere ich Ihnen: a) dass Gott Sie wirklich liebt; b) dass er vollständig zufrieden ist mit den Anstrengungen, die Sie bis jetzt machten, um das zu erfüllen, was Sie als den Willen Gottes betrachteten; c) dass Sie eine ebenso große Vollkommenheit erreichen können und zu einer ebenso innigen Vereinigung zu gelangen vermögen, wenn Sie in großer Liebe, großer Geduld mit sich selbst und in tiefer Demut die Aufgabe erfüllen, die sein heiliger Wille Ihnen jeden Tag auflädt.

Ich kann Ihnen desgleichen aber auch versichern, dass der Teufel es ist, der sich bemüht, Verwirrung und Mutlosigkeit in Ihre Seele zu streuen. Es gibt nichts, was der Heiland so sehr von jenen verlangt, die ihn lieben, als gegen jede Hoffnung zu hoffen, indem sie sich darauf stützen, dass er es ehrlich, treu und liebevoll mit ihnen meint; und nichts verwundet ihn mehr als Mutlosigkeit und Mangel an Vertrauen."

Nachdem er dann, gleich dem hl. Paulus, das Beispiel des Glaubens und des Vertrauens Abrahams betreffs Isaaks gegeben, fährt er weiter:

"Sie sehen zuviel auf Ihre Armseligkeit, Ihr Elend, Ihre kleinen Fehler - und zu wenig auf Jesus. Er ist so groß, so liebenswürdig, so treu, so weise, so mächtig! Sagen Sie doch oft: "O Herz Jesu, ich vertraue auf dich", selbst dann, wenn Sie nichts dabei fühlen. Gefühle sind belanglos.

Es gibt eine kleine Broschüre von Bischof Goodier unter dem Titel: Une voie plus élevée ("Ein höherer Weg"). Sie passt vollkommen für Ihren Zustand und sagt Ihnen alles, was ich Ihnen eben sagte, tausendmal besser, als ich es vermag.

P.S. Die Muttergottes und viele heilige Jungfrauen und treue Bräute Christi: Tekla, Agatha, Agnes lebten nicht im Kloster und dennoch waren sie vollkommene Bräute des Herrn" ( 6. Februar 1921).

* * *

Doch selbst dann, wenn der Ordensmann bereits seine Gelübde abgelegt, ist er deswegen noch nicht gefeit gegen die Versuchungen seines heiligen Berufes. Die Unbeständigkeit des Menschen ist so groß, dass das Verlangen nach Änderung leicht bei ihm Zugang findet. Die Versuchung, von einem Orden in einen anderen überzutreten, schreibt Dom Marmion, ist sozusagen klassisch bei den Novizen. Sie findet sich selbst bei Ordensleuten mit Gelübden In solchen Fällen legte Dom Marmion eine besondere Sorgfalt an den Tag, den göttlichen Willen zu erkennen. Einer seiner Untergebenen, welcher ihm den Wunsch geäußert hatte, Karthäuser werden zu wollen, antwortet er:

"Ich habe Ihren Brief mit großer Aufmerksamkeit gelesen; darauf habe ich aus ganzem Herzen gebetet, denn ich habe eine große Ehrfurcht vor den Rechten Gottes, und ich möchte um nichts in der Welt meine Ideen und Wünsche den Absichten der göttlichen Vorsehung entgegenstellen. Ich denke, dass ich alles beiseite setzte, was auch nur im geringsten mein Urteil hätte trüben können, meine ganz besonders große und väterliche Liebe für Sie, der Gedanke an Ihre Eltern, an die Dienste, die Sie etwa leisten könnten usw. Ich glaube, dass ich mich unter den Augen Gottes in einen Zustand vollkommenen Gleichmuts seinem Willen gegenüber versetzt habe, einzig und allein darauf bedacht, den Willen Gottes zu erkennen und zu erfüllen. Zudem habe ich ja als Ihr Abt ein Recht, von Gott eine ganz besondere Gnade und ein ganz besonderes Licht zu erwarten, wenn es sich um die Leitung der Meinigen handelt. Nun habe ich aber die Gewissheit erlangt, dass Ihr Vorhaben sich nicht mit dem Willen Gottes deckt, ferner, dass Sie, würden Sie sich doch auf diesen Weg begeben, den Ordensberuf verlieren und schließlich wieder in die Welt zurückkehren würden. Es kommt zwar oft vor (es war auch bei mir und mehreren andern so), dass dieser Gedanke (in einen strengeren Orden überzutreten) im Geiste jener aufsteigt, die bestrebt sind, sich ganz innig dem Dienste Gottes hinzugeben. Der liebe Gott wird Ihrem guten Willen Rechnung tragen. Doch, wie unser heiliger Vater Benedikt es so schön sagt, wenn er von solchen Mönchen spricht, "dürfen sie es nicht im Neulingseifer für das klösterliche Leben tun, sondern sie müssen gegen den Teufel streiten gelernt haben durch lange Bewährung im Kloster, wo sie durch die Beihilfe vieler geschult wurden" (Regel des hl. Benedikt, 1. Kap.). Ich habe mit erfahrenen Karthäusermönchen gesprochen und sie sagen, dass nur jene gut sind, die einen großen Eifer und eine große Willensstärke besitzen; die andern laufen Gefahr, ihre Zeit mit faulem Nichtstun zuzubringen und tun folglich wenig für Gott und für den Nächsten. Pater Prior und Pater Novizenmeister teilen ebenfalls ganz meine Meinung. Ich kann also mit dem besten Willen nicht Ihr Vorhaben billigen, bei den Karthäusern Ihre Exerzitien zu machen. Dies würde nur dazu führen, dass Sie in einer wunderschönen, unwirklichen Welt leben und einen Widerwillen empfangen würden gegen das Leben, zu dem Gott Sie berufen hat. Der derzeitige Wille Gottes ist zweifelsohne, dass Sie mutig das Kreuz treuester Erfüllung Ihrer Standespflichten auf sich nehmen, wie die Studien usw. Alles andere ist Täuschung und Selbstsucht." (24. Februar 1913).

* * *

Wir sind in der glücklichen Lage, einige Briefe Dom Marmions zu besitzen, welche er an einen jungen Mann richtete, den er in ein Karmeliterkloster brachte. Bei jedem wichtigen Anlass, den das klösterliche Leben mit sich bringt, schrieb Dom Columba seinem Schützling Briefe von hoher Gelehrsamkeit, deren Wert nicht eigens unterstrichen zu werden braucht. Wir führen sie in ihrem ganzen Umfang an, obwohl manches darin Gesagte bereits erwähnt wurde:

27. Dezember 1903. - "Ihr so lieber Brief hat mich recht getröstet, und ich danke dem Herrn aus ganzem Herzen, dass er sich meiner bedient, Ihnen seinen heiligen Willen kund zu tun und Sie zu ermutigen in den Schwierigkeiten, mit denen ein jeder wahre Beruf zu kämpfen hat. Ich fühle immer mehr, wie sehr ich "ein unnützer Diener" in den Händen Gottes bin, der sich trotzdem meiner zu seinem Dienste bedienen will. Ihr freundliches Angebot, meiner am heiligen Altar zu gedenken, gereicht mir zu großem Trost. Auch ich werde Sie nie vergessen, bis wir einst beisammen sind, dort oben im schönen Paradies unseres Himmlischen Vaters.

Treten Sie ins Kloster ein, ohne andern bestimmten Plan oder Beweggrund, als den ganz allein Gott anzugehören und der Kleinste und der Gehorsamste zu sein denen gegenüber, deren sich der liebe Gott bedienen will, ihn (bei Ihnen) zu vertreten. Sie werden in dem Maß ein guter Ordensmann sein, als Sie im Gehorsam und in der Unterwerfung wachsen. Vergessen Sie nie, dass durch den Eintritt ins Kloster und besonders durch die heilige Profess ein gegenseitiger Vertrag zwischen Gott und Ihnen zustande kommt. Gott verpflichtet sich, Sie durch diejenigen, die seine Stelle vertreten, zu seiner wahren Liebe zu führen, und er ist weise und mächtig genug um seinerseits den Vertrag zu halten, wie auch jene beschaffen sein mögen, die ihn vertreten. Ihrerseits muss nur eines geschehen: Sie müssen sich durch die Obern führen lassen. Es wird manchmal vorkommen, dass der liebe Gott, um Ihren Glauben und Ihre Treue zu prüfen, es zulassen wird, dass die Obern Ihnen Dinge gebieten, die Ihrer Heiligung zu widerstreben scheinen (z. B. verbieten Sie Ihnen Bußwerke zu verrichten). Doch wenn Sie den Glauben haben: "Wird alles zum Besten dienen" (Röm 8, 28).

Ich werde jetzt in den Tagen, die Ihrem Eintritt vorausgehen, noch besonders für Sie beten, denn ich weiß, dass der böse Feind alles aufbieten wird, Sie an Ihrem Beruf zu hindern; und wenn ihm dies nicht gelingt, wird er versuchen, Ihre Seele zu zerstreuen, damit Sie nicht in guter Verfassung ins Noviziat eintreten; diese gute Verfassung ist aber von der größten Wichtigkeit."

31. Januar 1905. - "Nun sind Sie endlich im Haus unseres so guten Gottes und haben Ihren Weg zu laufen begonnen. Scheuen Sie, nachdem Sie so viele Opfer gebracht und alles verlassen haben, vor keinem anderen Opfer zurück, sobald Sie merken, dass der Herr es von Ihnen verlangt. Denn ich bin der Überzeugung, dass der Ordensmann glücklich und ein Werkzeug zur Ehre Gottes wird in dem Maß, in dem er sich völlig dem Willen von oben überlässt.

Wie glücklich bin ich zu sehen, dass Sie sich die Kenntnis der Grundsätze und den Geist Ihres heiligen Ordens aneignen. Die Ordensleute unterscheiden sich nicht so sehr durch ihr Keid und durch die Gebräuche ihres Ordens, als durch den inneren Geist, der die Seele ihres Ordens ist. Es gibt so viele, die nur die Tracht ihres Ordens tragen, aber weder dessen Geist, noch Geschichte, noch Aszese kennen. Sie lassen die herrlichen Werke, die ihr Gründer und ihre Heiligen zu ihrer Bildung geschrieben, beiseite und suchen ihr ganzes inneres Leben nach anderen Quellen zu gestalten.

Der Grund unserer Berufung liegt in dem Wunsch des göttlichen Heilands, dass ihm gedient und er verherrlicht werde nach dem Geist des Ordens, in den er uns berufen. Was Sie betrifft, haben Sie ja eine so reine, so wesentliche, so approbierte Nahrung in den Schriften Ihrer heiligen Mutter Theresia, des hl. Johannes vom Kreuz und anderer Geistesmänner Ihres Ordens, dass es ein Verbrechen wäre, wollten Sie sich bilden, indem Sie aus anderen Quellen schöpften.

Ich verlasse Sie nun, mein teurer Bruder, indem ich Sie für die Zukunft "der weisen Führung Ihrer Obern anvertraue. Seien Sie Ihnen gegenüber wie ein Kind, denn jene sind das Sprachrohr, durch welches der liebe Gott Ihnen seinen Willen kund tun wird. Ich werde Gott bitten für Sie und für mich, so werden wir verbunden bleiben im Herzen Jesu. Ich rate Ihnen, während der Zeit des Noviziates recht eng mit Jesus und Maria gesammelt zu bleiben, denn dies ist sehr wichtig und Ihr ganzes religiöses Leben hängt davon ab".

26. November 1906. - "Ihr lieber Brief bedeutete für mich eine wahre Freude. Sie konnten mir berichten, dass der Herr Sie nun aufnimmt zum hohen Glück, sich vollkommen für immer mit ihm zu vereinigen. Ich habe gar sehr für Sie gebetet, dass Sie ohne Schaden durch die Gefahren und Versuchungen hindurchgehen, die der böse Feind so oft im Noviziat bereitet.

Ich bete nun jetzt noch mit größerem Eifer während der Zeit bis zu Ihrer heiligen Profess, damit dieser Akt ein vollkommenes und endgültiges Opfer für Sie werde. Die heilige Profess enthält gleichsam wie im Keim die ganze klösterliche Heiligkeit, und, um zur Vollkommenheit des erhabenen Berufes zu gelangen, braucht man nichts außerhalb dieser grundlegenden Gnade zu suchen. Die klösterliche Profess, treu beobachtet, führt unfehlbar zur Heiligkeit. Wie oft kommt es vor, dass der Teufel uns in diesem Punkt täuscht! Er gibt uns ein, dass, wenn wir mehr für dieses oder jenes Werk Verwendung fanden, wir große Fortschritte machen könnten. Merken Sie sich gut, teurer Bruder, was ich Ihnen jetzt sage: Am Tag unserer heiligen Profess wird ein Vertrag abgeschlossen zwischen Gott und uns. Wir verpflichten uns, uns durch den Gehorsam führen zu lassen. Und Gott bindet sich seinerseits, uns zu sich zu bringen, vorausgesetzt, dass wir uns mit Vertrauen und Glauben den Händen der Vorgesetzten überlassen.

Geben Sie sich also ohne Vorbehalt und ohne einen besonderen Wunsch dem lieben Gott hin. Er kennt Sie und weiß, was Sie vermögen, darum lassen Sie ihn handeln. Ich ahne, dass Sie sehr viel für den lieben Gott tun werden, wenn Sie sich demütig seiner Führung überlassen."

27. Januar 1906. - "Ich sende Ihnen diese Zeilen, um Ihnen meine brüderlichen Glückwünsche darzubringen und Ihnen die Beharrlichkeit und Vollkommenheit zu wünschen.

Nach zwanzig Jahren klösterlichen Lebens darf ich Ihnen wohl sagen, dass Gott uns in allem, was wir tun, um so mehr trägt und segnet, als wir uns in allem ihm überlassen, als wir in völliger Abhängigkeit von seinem heiligen Wohlgefallen leben.

Unser himmlischer Vater ist die Quelle des Lebens, das erste Prinzip, der Anfang von allem, und wir verherrlichen ihn, wenn wir ihm in all unserm Tun die Initiative überlassen. Ordensleute, die Pläne und Entwürfe für die Zukunft machen, besonders jene, die sie durch kleine menschliche Mittel zu verwirklichen trachten, werden niemals Frieden haben und nichts leisten, was irgendwie von Wert ist. Am glücklichen Tag unserer heiligen Profess schließen wir einen Vertrag mit dem lieben Gott. Auf der einen Seite stehen wir und verpflichten uns, uns ihm hinzugeben unter der Führung des heiligen Gehorsams, und auf der anderen Seite steht der liebe Gott, der uns verspricht, uns durch die Vorgesetzten, welche er über uns stellen wird, zu seiner vollkommenen Liebe zu führen: "Du hast Menschen über uns gesetzt" (Ps 65, 12. Der hl. Benedikt gebraucht diesen Text in seiner Regel. Kap. 7) und dies trotz ihrer etwaigen Fehler und Verirrungen. Dieses Opfer des Gehorsams ist das größte Opfer, das man bringen kann. Manchmal ist das Gehorchen leicht und angenehm, ein andermal lässt Gott zu, dass diejenigen, die er über uns setzt, uns große Leiden bereiten. Doch wenn wir das Auge des Glaubens auf den gerichtet halten, der alles lenkt und ohne dessen Zulassung nichts Schädliches uns treffen kann, werden wir alles auf uns nehmen, ohne zu straucheln. Es ist etwas sehr Ernstes, sich so ohne Vorbehalt in die Hände Gottes zu geben (Siehe die nähere Ausführung dieses Gedankens: "Christus unser Ideal" Kap. 12). Er ist die ewige unendliche Liebe, aber auch ein ignis consumens (ein verzehrendes Feuer). So vorbehaltlos hat Jesus sich im Augenblick der Menschwerdung den Händen der unendlichen Liebe hingegeben: "Im Anfang des Buches ist von mir geschrieben, deinen Willen zu tun, mein Gott ... Da sprach ich: Sieh, ich komme, deinen Willen zu tun" (Ps 40, 8-9; Hebr 10, 5 u. 7).

Und wie hat die Liebe Christus behandelt?

Sie hat ihn den Geißelstreichen, dem Auswurf, den Dornen, dem Schimpf des Kalvarienberges preisgegeben. Und wenn die Liebe das grüne Holz so behandelte, was wird mit uns geschehen; die wir verdient haben, verbrannt zu werden?

Wenn ich Ihnen dies alles sage, so geschieht es, weil ich den heißesten Wunsch hege, dass Sie einst ein vollkommener Mönch werden, der dem lieben Gott, der uns so viel gegeben hat, nichts verweigert.

Bleiben wir immer dem Geist unseres Berufes treu, denn, wie groß auch die Werke sein mögen, die wir außerhalb unseres Berufes verrichten, werden wir Gott doch nur mit dem Freude bereiten, was wir ihm versprochen. Da ich nun versprochen habe, Benediktiner zu sein, und Sie versprechen werden, Karmeliter zu sein, werden Sie auch nur in dem Maß Gott gefallen, als Sie das Ideal Ihres Berufes verwirklichen. Letzterer ist ja so herrlich, er schöpft im betrachtenden Gebete, in der Einsamkeit, in der Bußgesinnung die Schätze der Gnade, von deren Überfülle er dann auf die Seelen gießt. Eine Seele, die wirklich mit Gott vereint lebt durch das Gebet und die Abhängigkeit von seinem Wohlgefallen, tut mehr für die Seelen in einer Woche, als andere, die außerhalb dieser Sammlung leben, während ihres ganzen Lebens: "Paulus pflanzt, Apollo begießt, Gott aber gibt das Gedeihen" (vgl. 1 Kor 3, 6).

Dies ist also, mein Lieber, mein Ideal für Sie und für mich und täglich der Gegenstand meiner leisesten Wünsche und Gebete."

7. Die Gottverbundenheit bei den Vorgesetzten

Die besondere Eigenart dieses Kapitels erlaubte uns nicht, es in den Rahmen unseres Planes einzureihen. Die folgenden Seiten bilden somit einen Nachtrag, doch hätte man es uns sicher verübelt, falls wir sie nicht beigefügt hätten. Zudem zeigen sie uns auch, wie Dom Marmion die Prinzipien seiner Lehre einer besonderen Kategorie von Seelen anzupassen wusste.

Wir finden in den Briefen Dom Marrnions ganze Seiten, worin er sich an Obere religiöser Genossenschaften oder an Novizenmeisterinnen wendet. Wir bringen einige dieser Seiten; sie künden uns, wie dieser Meister der Aszese eine wahrhaft gediegene Lehre denen zu vermitteln wusste, die beauftragt sind, andere auf dem Weg der Vollkommenheit zu führen.

Es ist dies oft ein recht schweres Amt. Der hl. Benedikt weist im Kapitel seiner heiligen Regel, das er dem Vorsteher des Klosters widmet (Kap. 2. Siehe auch Kap. 64), - ein Kapitel, dessen wunderbare, aus der Erfahrung gewonnene Weisungen auch allen andern Obern nützlich sein können - mehr als einmal mit ungewöhnlichem Nachdruck auf die furchtbare Verantwortung hin, die mit Recht auf ihren Schultern ruht. "Der Abt sei fest davon überzeugt", so spricht St. Benedikt, "dass er am Tag des Gerichtes über so viele Seelen vor dem Herrn Rechenschaft abzulegen hat, als er Brüder unter seiner Obhut weiß, selbstverständlich dazu noch über seine eigene Seele. So bleibt er beständig in Furcht wegen des Gerichtes, das er als Hirte über die anvertrauten Schafe zu gewärtigen hat. Wenn er sich so vor der Rechenschaft über andere Seelen in acht nimmt, macht ihn das um die eigene besorgt (vgl. "Un maitre de Ja vie spirituelle" Kap. 10).

Erleuchtete Seelen, die eine solche Verantwortung wohl nur allzu sehr fühlen, erschrecken mit Recht darüber. Zu der dauernden Sorge im Geistlichen gesellen sich nicht geringere Sorgen um das materielle Wohl, ferner die zahllosen Widersprüche, die von der großen Verschiedenheit der Charaktere herrühren; die Widerwärtigkeiten, die jeden Tag neu auftauchen; die stetige Selbstverleugnung, was Dom Marmion ein "ständiges Verzehrtwerden bei lebendigem Leibe" nennt; dies alles lässt es begreifen, dass Seelen, - besonders solche, die sich der Beschauung widmen, - zurückschrecken vor einer solchen Last.

Wenn jedoch der Gehorsam sie uns auf die Schultern lädt, muss man sie annehmen in der festen Überzeugung, dass die Hilfe des Herrn nicht fern ist:

"Es ist ganz ausgeschlossen, dass der Heiland durch den Gehorsam Ihnen etwas auflädt, was zum Schaden Ihrer Seele sein könnte. Wohl wird es vorkommen, dass die auferlegte Last Ihnen über Ihre Kräfte zu gehen scheint, doch Gott ist ja verpflichtet, Ihnen die nötige Erleuchtung und Gnade zu geben, damit Sie Ihr Amt erfüllen können" (7. März 1909).

Dom Marmion weist oft auf diesen Punkt hin. Der Novizenmeisterin eines Karmels, die ihre Unfähigkeit geltend machen will, empfiehlt er Zuversicht und Vertrauen:

"Sie müssen sich ohne Abwägen in die Hände des Himmlischen Vaters geben. Nichts ist gefährlicher, als sich von seiner Hand loszureißen, wäre es auch unter den heiligsten Vorwänden."

Er nimmt dann seine Zuflucht zu einem seiner typischen Beispiele aus der Heiligen Schrift; unter seiner Hand enthält dessen Anwendung auf eine seiner treuesten geistigen Töchter nichts Beleidigendes:

"Eine Eselskinnbacke in der Hand Gottes vermag mehr als ein stählernes Schwert in jeder anderen Hand (Anspielung auf den biblischen Bericht, wonach Samson auf Befehl Gottes die Philister mit einer Eselskinnbacke in die Flucht schlug). Die Ämter verweigern, die uns Gott auflegt, heißt, es an Demut und Vertrauen fehlen lassen" (17. März 1918).

"Das Vollkommenste und Sicherste bei der Hingabe in Gottes treue Hand besteht darin, dass man Gottes Willensäußerungen mit kindlichem Vertrauen annimmt. Wohl ist es gestattet, seinen Widerwillen und seine Unfähigkeit zur Kenntnis zu bringen, doch ist dies einmal geschehen, soll man "aus Liebe und im Vertrauen auf den Beistand Gottes gehorchen", wie es unser heiliger Vater Benedikt so schön sagt (Regel Kap. 68). Ich weiß schon, dass Ihre Bürde sehr groß ist, aber der liebe Gott ist verpflichtet, Ihnen zu helfen, und Sie sind verpflichtet, sich zu opfern, selbst wenn dies zu einer Verdemütigung Ihrerseits führen würde" (Ohne Datum).

* * *

Scheinbar ernster, gewiss aber feiner ist der Einwand, dass man inmitten so vieler Sorgen des Vorsteheramtes die innige Verbundenheit mit Gott nicht festhalten könne. Einer Oberin gegenüber, die trotz öfterer Mahnung und Belehrung immer wieder auf diesen Vorwand zurückkommt, um sich von der Last zu befreien, die der Gehorsam ihr auferlegt hatte, spricht Dom Marmion die feste und sichere Sprache des Glaubens, der die versteckte List des Geistes der Finsternis vereitelt. Er zeigt der Seele die gefährlichen Einbildungen, in denen sie Gefahr läuft sich zu verlieren:

"Als ich für Sie betete, sah ich ein, dass die völlige und vertrausensvolle Unterwerfung Ihrer selbst unter den heiligen Willen Gottes das einzige ist, was der Heiland von Ihnen verlangt. Was außerhalb dieses heiligen Willens geschieht, ist Täuschung und bedeutet Gefahr, welchen Frieden oder Trost Sie auch zu finden glauben, wenn Sie sich diesem Willen entziehen. Die Heilige Schrift sagt: "Es gibt Wege, die den Menschen recht scheinen, aber in den Tiefen der Hölle endigen" (vgl. Sprichwörter 16, 25. Ebenso St. Benedikt, Regel Kap. 7). Unser Heiland ruft Sie zu seiner vollkommenen Liebe, doch findet er von Ihrer Seite viel Widerstand, der sein Wirken hindert und sein Herz betrübt. Der Widerstand hat drei Ursachen:

1. Geht Ihnen die Großherzigkeit ab: Sie ziehen Ihre Ruhe und Ihren Trost der Ehre Gottes vor.

2. Hängen Sie an Ihrem eigenen Urteil: anstatt der ewigen Weisheit zu folgen, die sich Ihnen durch die Stimme Ihrer (höheren) Obern kundtut, möchten Sie dem lieben Heiland Ihre Meinung aufdrängen.

3. Ist Finsternis in Ihrem Gewissen: sie kommt davon, dass Ihnen zur Strafe für Ihren Mangel an Hingabe Gnade und Licht entzogen werden.

Glauben Sie mir, teure Tochter, ich spreche im Namen Jesu Christi. Ihr einziger Weg, um zum Frieden und zur Heiligkeit zu gelangen, ist der einer vollständigen Hingabe an die Weisheit und Liebe des Heilandes. Ich bringe hier eine Stelle aus einem Brief des hl. Franz von Sales, der an eine Seele gerichtet ist, welche sich in einer ähnlichen Lage wie Sie befand. Sie sehen, dass Ihr armer Vater Ihnen das ganz Gleiche stets wiederholt und sagt:

"Leben Sie nur für Gott, teure Tochter, denken Sie ja nicht, dass der göttliche Heiland weiter entfernt ist von Ihnen, während Sie mit all den Dingen beschäftigt sind, die Ihr Amt mit sich bringt, als er es wäre, wenn Sie in behaglicher Ruhe Ihr Leben zubrächten. Nein, teure Tochter, nicht die Ruhe bringt ihn unsern Herzen nahe, sondern die Treue unserer Liebe; nicht das Gefühl seiner Süßigkeit, sondern die Einwilligung in seinen heiligen Willen; es ist viel wünschenswerter, dass dieser sich in uns, als dass unser Wille sich in ihm erfüllt" (Brief 148).

Darum kann Dom Marmion auch mit Recht schließen:

"Seien Sie wohl überzeugt, dass Sie vergebens den Frieden suchen werden, solange Sie sich weigern, blindlings dem heiligen Willen Gottes ergeben zu sein, denn wenn auch die (höheren) Obern, endlich durch Ihr Drängen besiegt, Ihren Bitten nachgeben, Sie von Ihrem Amt entheben und Sie in der Einsamkeit leben lassen würden, so wäre doch diese erzwungene Erlaubnis keineswegs der Ausdruck von Gottes heiligem Willen. Selbst wenn Sie in diesem Zustand sich von den Süßigkeiten und Tröstungen des Himmels überschüttet fühlten, würde ich dies alles für verdächtig und für reine Täuschung Satans halten. Also seien Sie wie ein kleines Kind und stützen Sie sich auf Ihren göttlichen Bräutigam."

Sehen wir nun die praktischen Winke und Richtlinien, die er ihr gibt:

"Damit der böse Feind es nicht wieder fertig bringt, Sie vom Willen Gottes abzulenken, fassen Sie folgende Vorsätze:

1. Machen Sie niemals innerlich Einwendungen bei Befehlen der Obern. Falls Sie etwas beunruhigt, sagen Sie es mir offen, doch in voller Unterwerfung.

2. Geben Sie Gott die Ehre, die ihm zukommt, d. h. stützen Sie sich auf ihn mit allem Vertrauen trotz Ihres Elendes und Unvermögens. Nichts ist so glorreich für unsern Herrn Jesus Christus, als der Glaube und das Vertrauen eines armen, elenden Menschen, der in ihm ruht: "Befiehl dem Herrn deine Wege und hoffe auf ihn, er wird's schon machen" (Ps 37, 5).

Teure Tochter, diese Zeilen sind geschrieben von Ihrem armseligen Vater, der trotz seines Elendes Sie aufrichtig in unserm Heiland liebt, und viel für Ihren Fortschritt in der göttlichen Liebe betet."

Diese übernatürlichen Gesichtspunkt, die er von einer Priorin ihren höheren Vorgesetzten gegenüber verlangt, will er auch ebenso in den Beziehungen zwischen der Novizenmeisterin und der Priorin desselben Hauses in die Tat umgesetzt wissen. Dieser Punkt ist sehr heikel. Die hohe Weisheit des Seelenführers gibt die Grundlage an für die Lösung solcher Schwierigkeiten und schützt die für das Wohl der Seelen so notwendige Eintracht.

"Die Stellung der Novizenmeisterin gegenüber ihrer Priorin ist sehr schwierig; nur große Einfalt, gepaart mit reiner Absicht kann ihr gerecht werden. Die Priorin hat Standesgnade, Schutz und Führung durch den Heiligen Geist, weil sie die Stelle Jesu Christi vertritt. Keine Geistesgaben, keine Tugend, kein persönliches Erleuchtetsein wird der Klostergemeinschaft so von Nutzen sein, als diese ihre Standesgnade. Sie müssen darum alle Gaben der Natur und der Gnade, die unser Herr Ihnen geschenkt hat, der Priorin in Demut und Großherzigkeit übergeben, damit sie in ihr durch die Gnade des Hauptes fruchtbar gemacht werden. Denken Sie darüber nach" (7. März 1918).

* * *

Was verlangt nun Dom Marmion von den Vorgesetzten bei Ausübung ihres Amtes? Er fordert besonders die Verleugnung ihrer selbst und die Hingabe für das Wohl der Seelen; ist die Befehlsgewalt nicht gegeben worden für das Gemeinwohl?

"Das Erste und Notwendigste, was Sie zu tun haben, teure Tochter, ist, dass Sie aus sich herausgehen und sich Jesus und seinen Gliedern widmen. Je mehr Sie sich selbst vergessen, desto mehr wird Jesus Freude an Ihrer Seele haben. Jedes Mal, wenn Sie die Eigenliebe fühlen in all deren Äußerungen: wie Empfindlichkeit, Kummer, Ärger, Verlangen, Gegenstand der Aufmerksamkeit zu sein, Entmutigung, bringen Sie also bald alles dem Heiland zum Opfer" (28. März 1904).

In dieser völligen und selbstlosen Hingabe an die Seelen sieht Dom Marrnion mit Recht einen der sichersten Beweise der Liebe zu Gott:

"Die Liebe, mit der man handelt, ist der Schlüssel, das Geheimnis unseres Lebens. Man kann nicht genug daran denken; schnell wäre man ein Heiliger, wenn man sich viel Mühe geben würde, jede Handlung aus großer Liebe zu verrichten" (Siehe oben 2. Kap.). Ich habe gestern mit wahrer Freude die so schönen Artikel gelesen, die der hl. Thomas der Frömmigkeit widmet (lI-II qu. 82). Die Frömmigkeit ist die Blüte der Liebe. "Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich mehr als diese? ... Weide meine Schafe" (Joh 21,15.17). Sich den andern schenken, oder vielmehr sich Christus hingeben in seinen Gliedern, das ist der wahre Beweis der Liebe. Darum hat Sie auch Gott schon von Ewigkeit her zur Oberin bestimmt und eine wahre Oberin ist eine Mutter, die sich ihren Kindern schenkt, wie eine leibliche Mutter es nie vermag. Das ist schwer, aber groß! "Christus liebte die Kirche und gab sich selbst für sie" (vgl. Eph 5, 25). Dies Wort sagt Ihnen alles: "tradidit" (er gab sich hin). Es wird auch noch die letzten Reste unserer kleinen N ... (früherer Namen dieser Priorin) vernichten, die noch nicht ganz dem Wirken Christi ergeben ist" (16. Dezember 1902).

"Geben wir uns Mühe, die Seelen für Jesus zu heiligen", so schreibt er einer anderen Oberin. "Bei unserer Profess gaben wir uns ohne Vorbehalt ihm hin, schenken wir uns nun um seinetwillen den Seelen, die seine Glieder sind" (8. Februar [1901 ?])

Diese Liebe muss sich auf alle erstrecken, denn Christus lebt in jeder Seele:

"Sehen Sie Jesus in allen Seelen, die Ihnen anvertraut sind, den schwachen Heiland, den in die Enge getriebenen Heiland, der aber bestimmt da ist" (21. Oktober 1908).

"H ... ist ein schwieriger Fall. Dieser Seele fehlt die Einfalt, es wird schwer sein, sie ihr beizubringen. Aber ohne Einfalt wird eine Führung die Dinge nur noch mehr verwirren. Helfen Sie ihr, dass sie ganz allein Gott sucht, und alles wird gut werden (5. Juni, ohne Jahresdatum).

"Jede "Oberin", so schreibt er noch, "die Gott einfach und aufrichtig sucht, hat Anrecht auf eine besondere Standesgnade, durch die sie erleuchtet wird. Ihr Urteil über Schwester N ... ist richtig. Beachten Sie es, um Missbräuche zu verhindern, aber nicht um sie weniger zu lieben. Überlassen Sie alles dem lieben Heiland. Solange Sie Ihre Augen nur auf ihn gerichtet halten, um seinen Willen und seine Absichten zu erkennen und auszuführen, wird er alles auf sich nehmen" (Ohne Datum).

Die Liebe ist übrigens die notwendige Bedingung, um die Seelen sicher zu Gott zu führen:

"Versuchen Sie doch", so mahnt er eine Oberin, "immer mütterlicher und liebenswürdiger zu werden, denn", so fügt er in einer Redewendung voll psychologischen Klarblicks bei, "wir können wohl die Seelen leiten durch die Macht und die Autorität; aber nur durch Milde und Liebe gewinnen" (10. Januar 1907).

Doch will er, dass diese Liebe glühe, ganz übernatürlich sei, nur im göttlichen Licht sich bewege und stets Frieden bringe:

"Ich sehne mich so sehr, dass Sie sich ganz vorbehaltlos dem lieben Gott schenken und dass Sie alles in ihm finden. Die herrliche "Gemeinschaft der Heiligen" drängt mich mehr und mehr dazu; wir sind auch wirklich in Christus so "Eins". Je inniger wir mit Christus vereint sind, desto mehr umgibt er uns mit heiliger Liebe und desto mehr entfacht er sie in uns.

In Jesus, in ihm allein, werden Sie alle jene wieder finden, die Ihnen in Wahrheit so teuer sind. Er ist die Wahrheit. Je mehr wir mit ihm vereinigt bleiben, desto wahrer und echter gestaltet sich die Verbundenheit mit denen, die wir lieben. Wenn wir sie nur in unsern armen menschlichen Herzen finden, in unsern Gefühlen, in unserm Denken, so ist unsere Vereinigung ohne Frucht für sie - wir selbst fühlen dann nur eine tiefe, verzweifelte Leere in uns; - wenn wir uns jedoch mit ihnen vereinigen in Jesus, dient unsere Verbindung ihnen zur Freude und uns zum Frieden" (7. September 1909).

* * *

Diese Liebe zu den Seelen ist stets mit Leiden verbunden, auf diesem Gebiet gibt es sogar besonders schwere Kreuz, doch sind gerade sie die Quellen des Erfolges:

"Die Leiden sind der Preis und das Zeichen wahrer göttlicher Gunsterweise ... Nur die Werke und Gründungen, die sich auf das Kreuz und die Leiden aufbauen, bleiben bestehen" (23. Januar 1909).

"Die Leiden, die Sie ausgestanden, sind für mich das Zeichen eines besonderen Segens von Seiten dessen, der in seiner Weisheit alles auf das Kreuz aufbauen wollte" (Ohne Datum).

"Unser Meister hat mir zu verstehen gegeben, dass wir Oberen und Vorgesetzten mit dem Guten Hirten ins einen Leiden vereint sein müssen, wenn wir den Seelen, die uns anvertraut sind, Gutes erweisen wollen." (6. November [1917?]).

Diese Leiden sind vielerlei. Oft drückt besonders die Sorge um das zeitliche Wohl die Obern. Dom Marmion verlangt dann einen großen Glaubensgeist. Solche Stellen sind zahlreich:

"Geben Sie sich immer mehr dem Heiland hin, der ja Ihr Bräutigam ist: "Er weiß, dass ihr das alles bedürft" (Mt 6, 32). Kein Härchen Ihres Hauptes fällt ohne seine Erlaubnis. Vertrauen! Er selbst wird Ihr Werk zu Ende führen, wenn Sie sich mit dem ganzen Vertrauen einer Braut der Macht und der Weisheit seiner Liebe überlassen. Die Braut schenkt ihrem Bräutigam nie mehr Freude und Ehre, als wenn sie im Bewusstsein seiner Liebe, seiner Kraft und Weisheit in ihren Schwierigkeiten stets ihre Augen auf ihn gerichtet hält" (Juni 1899).

"Um Sie im Glauben und im Vertrauen zu üben, wird Sie der Heiland manchmal mit großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten kämpfen lassen. Doch so lange Sie nur ihn suchen und seinen heiligen Willen in allem, wird er Ihnen immer wieder zur richtigen Zeit zu Hilfe kommen. Geben Sie nie um irgendeines zeitlichen Vorteils in einer grundsätzlichen Frage nach. Wenn Sie so handeln, werden Sie unsern Heiland immer treu finden" (1. November 1908).

"Was Ihre zeitlichen Angelegenheiten betrifft", schreibt er einer anderen, "so bin ich sehr betrübt, dass die Geldfrage Ihnen nun Schwierigkeiten bereitet. Doch der hl. Benedikt schreibt: "Wenn der Abt zuerst das Reich Gottes sucht für sich und seine Kinder, wird ihm alles andere gegeben werden (Regel 2. u. 64. Kapitel). Je schwächer wir sind und je unfähiger, uns zu helfen, desto lieber kommt uns der Heiland zu Hilfe. Ich weiß, dass Ihnen der Meister diese kleinen Widerwärtigkeiten schickt, um Ihnen Gelegenheit zu bieten, Akte des Vertrauens und der wahren Hingabe zu vollziehen" (17. Mai 1903).

"Das Kloster", so drückt er sich der Priorin eines Karmels gegenüber aus, "ist eine übernatürliche Familie, die für das Geistige wie für das Zeitliche unmittelbar vom Himmlischen Vater abhängt. Sein Schutz, seine väterliche Vorsehung wird sich in dem Maß zeigen, in welchem Ihr Vertrauen und Ihre kindliche Hingabe wachsen werden. Es ist ganz unmöglich, dass die Oberin eines Klosters sich mit Vertrauen in die Arme Gottes werfe, und der himmlische Vater nicht über alles, was sie betrifft, selbst über die geringsten Dinge wacht" (1. März 1918).

* * *

Schwerer jedoch und auch drückender sind die Widerwärtigkeiten und Leiden moralischer oder seelischer Natur:

"Bemühen wir uns, uns Jesus in den andern zu schenken. Dies fordert viel innere Überwindung" (11. Februar 1902).

"Vereinigen Sie sich täglich mit der Hostie, um dann mit Jesus zu Gottes Ehren aufgeopfert und von denen verzehrt zu werden, die Sie umgeben und bei Ihnen sind" (1. September 1909).

"Ich freue mich", schreibt er einer Schwester, "dass der göttliche Meister Ihnen in Ihrem Amt der Novizenmeisterin hilft. Sie können dem Heiligsten Herzen keine größere Freude machen, als ihm jene teuren Seelen zu bilden, die bestimmt sind, seine geliebtesten Bräute zu werden. Wenn Sie in diesem Amt auf ein Kreuz stoßen, so mögen Sie wissen, dass die Vorsteherin um diesen Preis die besonderen Gnaden erkaufen muss, die zu ihrem Amt notwendig sind" (Ohne Datum, doch zwischen 1900 - 1902).

Und einem Novizenmeister schreibt er:

"Es ist unmöglich, im Kloster ein Amt zu bekleiden, ohne von Zeit zu Zeit Sorgen und Schwierigkeiten zu haben. Es ist dies ein Teil der Schuld, die wir Gott gegenüber haben für seinen Schutz und seine Gnade. Die Novizen werden immer bald so, bald anders versucht, besonders durch falsche Einflüsterungen des Teufels, unter Erscheinung des Guten. Der Wunsch z. B. Karthäuser zu werden, Trappist und was noch alles mehr, ist bei den Novizen eine ganz klassische Versuchung. Ich bitte Sie, sagen Sie ihnen doch, dass, nachdem sie Gott so geführt, wie er es getan, es recht töricht wäre, neue Pläne zu schmieden. Die Novizen sollten eigentlich nur sein Gebet auf ihren Lippen haben: "In deiner Güte, o Herr, schenke mir dein Licht", und sollten warten, bis Gott seinen Willen kundtut. Ich bin der Überzeugung, dass es Gottes Wille ist, dass sie treu ausharren; diejenigen, welche weggehen, werden Schiffbrüchigen gleichen und nicht länger auf dem Schoß der göttlichen Gnade getragen werden.

Ihre Aufgabe ist schwer. Doch gehen Sie immerhin daran und halten Sie die Blicke gerichtet: "wie die Augen der Magd auf ihrer Gebieterin Hände" (vgl. Ps 25, 15. und Ps 123, 2. - 10. April ohne Jahresdatum).

Das gewöhnlichste und stets wiederkehrende Kreuz, das gerade durch seine stete Wiederholung so drückend wird, ist das, was der hl. Benedikt "den Dienst an den Charakteren" (Regel des hl. Benedikt, Kap. 2) nennt, ein Dienst, der die natürliche Kraft lähmt, aber die Geduld stählt.

"Der hl. Paulus", so schreibt er einem Ordensobern, "sagt uns, dass die heilige Menschheit im Augenblick der Vereinigung mit der hochheiligen Gottheit, das ganze Leiden ihres Lebens, das der Vater ihr zeigte, vor sich sah, und dass Christus es dennoch ganz annahm, wie geschrieben steht: "Im Anfange des Buches ist von mir geschrieben - deinen Willen zu tun, o Gott." Ich wollte es: "Sieh, ich komme, o Gott, deinen Willen zu tun." "In diesem Willen sind wir ein für allemal durch das Opfer des Leibes Jesu Christi geheiligt." (vgl. Hebr. 10,7. usw.). Wenn man es aus Gehorsam


auf sich genommen hat: Der Eigenart vieler gerecht zu werden (Regel Kap. 2, so hat man sich unter das schwerste Kreuz gebeugt. Der hl. Franz von Assisi sagt, dass der vollkommene Gehorsam eines Obern in der Annahme dieses Kreuzes bestehe. Seitdem ich dies begriffen, lebe ich trotz sehr vieler Schwierigkeiten aller Art in steter Freude. Ich merke, dass es auch Ihnen so geht. Denken Sie ja nicht daran, Ihr Kreuz abzuwerfen und zu fliehen, wie St. Petrus es getan: "Wohin gehst du" (Quo vadis?) Denn dies ist der Weg zu Ihrer Heiligung, zumal Sie dies Amt ja nicht suchten" (27. März 1920).

"Trotz des aufrichtigen Wunsches, alles Gute zu tun, jede Freude zu gewähren, die in unserer Macht liegt, kann es vorkommen, dass man oft nicht weiß, wie man es anstellen muss, um wirklich gut zu handeln. Ist man gut, gleich versuchen die andern, die Oberhand zu gewinnen, geht man streng vor, so nehmen sie die Haltung eines verfolgten Opfers an. Und ich selbst, so schließt er, leide am meisten darunter, nicht mit allen auf gleich herzlichem Fuße zu stehen" (9. April 1920).

"H ... ist ein Kreuz", so schreibt er einer Oberin, "(man muss sie ertragen), denn ohne sie hätten Sie nur die Ehre, nicht aber auch die Bürde Ihres Amtes" (1. Juni 1899).

"Sie erfüllen Gottes heilige Absichten, indem Sie manchmal offen mit N... sprechen. Sie hat guten Willen, ja sehr viel guten Willen sogar, aber sie hängt noch ganz an ihrem eigenen Urteil und an ihrem eigenen Willen. Es wird sie noch viel kosten, bis sie mit voller Gefügigkeit sich Gottes heiligem Wirken unterwerfen kann. Verlieren Sie den Mut nicht; Charakterfehler sind am schwierigsten zu überwinden, selbst für jene, die sonst guten Willen haben und wirklich richtig "und gut handeln wollen" (März 1917).

Für manche eifrige Seele besteht ein Kreuz, das besonders schwer drückt: es ist dies das Gefühl der Ohnmacht gegenüber dem Bösen:

"Sobald Jesus Ihnen Seelen anvertraut, sind unfehlbar auch Leiden damit verbunden und groß ist gerade das Leid, das Böse sehen und dulden zu müssen, das man trotz besten Willens nicht entfernen und unterdrücken kann. Dieses Kreuz tragen alle, die über andere gestellt sind" (17. Dezember 1901).

Doch auch der glühendste Eifer muss mit weiser Vorsicht verbunden sein. Dom Marmion schreibt folgende Zeilen voll benediktinischen Geistes:

"Der große Fehler, den jede junge Oberin begeht, mag sie noch so heilig und erleuchtet sein, ist unzweifelhaft der, dass sie es am Maßhalten fehlen lässt, besonders wenn sie von Natur aus eifrig und großmütig ist. Sie müsste eigentlich stets die Worte Jesajas über den kommenden Erlöser vor Augen haben: "Ein geknicktes Rohr wird er nicht brechen und einen glimmenden Docht nicht auslöschen" (Jes 42, 3. - Mt 12, 20). Nur wenn ein Herz wirklich unverbesserlich wird, darf man die Worte des Heiligen Geistes in die Tat umsetzen: "Schaffet den Bösen weg aus eurer Mitte (vgl. 1 Kor 5, 13). Das eine räudige Schaf könnte sonst die ganze Herde anstecken" (Regel, Kap. 28. 4. Dezember 1917).

So schwer auch diese Prüfung ist, muss man sie doch mit Geduld tragen, denn auch sie gehört zum Haushaltungsplan der göttlichen Vorsehung. Die Seele muss den Blick auf Christus richten, dort wird sie das Vorbild eines guten Hirten finden:

"Sie dürfen nicht nachgeben und gestatten, dass man von diesen Dingen spricht. Tun Sie Ihre Pflicht, nachdem Sie Rat beim Herzen Jesu geholt haben: handeln Sie, und lassen Sie die andern denken, was sie wollen" (Ohne Datum).

"Ich habe viel für Sie gebetet, seit ich Ihren Brief erhalten: ich sehe, dass der liebe Heilland Sie durch die Feuerprobe gehen lässt. Ich begreife gar wohl Ihre Leiden, die in der Schwierigkeit bestehen, zu unterscheiden zwischen dem Abscheu, der Verurteilung des Bösen und der Ungerechtigkeit einerseits - und den Gefühlen gegenüber der betreffenden Person anderseits. Unser heiliger Vater Benedikt sagt vom Abt: "Er hasse das Böse, liebe die Brüder" (Regel, Kap. 64).

Meine teure Tochter, der Heiland ließ mich in letzter Zeit so gut verstehen, dass die Vollkommenheit des Gehorsams - besonders für die Vorgesetzten - in der Annahme aller Umstände der Umgebung bestehe, in die Gott sie gestellt hat. Als Jesus in diese Welt trat, befand er sich von "seinen Brüdern" umgeben, die nicht an ihn glauben wollten, ja sich über ihn lustig machten; von den Aposteln, die seiner Lehre so wenig entsprachen und ihn verließen; von den Pharisäern, die sein Werk behinderten und verunglimpften usw., und dennoch nahm er alles an: "Sieh, ich komme, deinen Willen zu tun" (Hebr. 10, 7). Ja, bis zum letzten Jota nahm er alles auf sich: "Ein Strich oder ein Punkt des Gesetzes wird nicht vergehen, ehe alles geschieht" (Mt 5, 18). Der hl. Johannes vom Kreuz sagt im Buch "Aufstieg zum Berge Karmel", dass, wer einmal in einer Ordensgesellschaft Profess abgelegt hat, alle Schwestern, alle Vorgesetzten, als ebenso viele Werkzeuge der göttlichen Liebe und Weisheit betrachten müsse, die alle mitwirken, dass "alles zu unserm Besten gereicht" (Röm 8, 28).

... Beten wir also viel und sprechen wir wenig. Ein einziges Wort kann so viel Schaden stiften" (10. September 1913. Der Brief ist an eine Novizenmeisterin gerichtet).

Auch gibt es Fälle, wo die Hinopferung mit Undank belohnt wird: ein tiefes und schweres Leiden, das der göttliche Meister auch einst getragen:

"Ich sehe, dass der liebe Heiland Sie sehr gern hat, denn zu der Aufgabe, seine Bräute zu betreuen, lässt er Sie jetzt noch teilnehmen an seinen Leiden und Verdemütigungen. Es ist unmöglich, hier auf Erden zu einer wahren Liebe zu gelangen, ohne das Kreuz des Gottessohnes, d. h. seine Leiden, seine Verdemütigungen zu teilen, ohne den Undank derjenigen zu fühlen, für die wir uns geopfert. Jene, die am Palmsonntag dem Heiland wie einem Triumphator huldigten, schrieen einige Tage nachher ihr: kreuzige ihn (Joh 19,15). Opfern Sie sich jeden Tag nach der heiligen Kommunion Jesus auf, um ihm dann den ganzen Tag hindurch in Ihren Mitschwestern zu dienen und seine Mühen durch geduldiges Ertragen der Undankbarkeit einiger Unzufriedener zu teilen" (Dezember 1921).

* * *

Aber womit diese starke Liebe zu den Seelen nähren, wo diese zu allen Stunden, ja manchmal in jedem Augenblick nötige Geduld schöpfen, diese gänzliche und stete Selbstverleugnung? Nirgends anders als in der Vereinigung mit Jesus. Nur sie allein verscheucht die Finsternisse und bringt das nötige Licht, dessen die Obern in ihrem schweren Amt so sehr bedürfen:

"Um eine würdige Oberin zu sein, bedarf es einer großen Reinheit und einer großen Erhabenheit der Gesinnung und nur in einer starken innigen und ständigen Verbundenheit mit Christus lässt sich aus seinem Herzen die Kraft schöpfen, von den Einflüssen dieser Erde unberührt zu bleiben" (Ohne Datum).

Einem Obern gibt Dom Marmion folgende Weisung voll innigen Glaubensgeistes:

"Wenn es mir gestattet ist, Ihnen einen väterlichen Rat zugeben, so sage ich Ihnen im Namen Jesu, dessen Stelle ich in so unvollkommener Weise vertrete: "Wenn dein Auge lauter ist, wird dein ganzer Körper licht sein. Wenn also dein Körper ganz licht ist, ohne an Finsternis irgend teiIzuhaben, wird er ganz hell sein und dich wie eine Leuchte voll Glanz erhellen" (Lk 11, 34 - 36). Der "Teil der Finsternis" (pars tenebrarum) ist die Eigenliebe, die ganz unbewusst die Seelen an sich zieht. Dann macht man Fehler und stößt die Seelen ab. Ich weiß, dass Sie großen und auch wahren Eifer für die Seelen haben, doch glaube ich, dass noch eine "Teil der Finsternis" da ist. Ich sage Ihnen dies aus väterlicher Treue und Liebe und ich bin überzeugt, dass Sie es in dem Sinne aufnehmen, in dem es gesagt wurde: auf dass in allem Gott verherrlicht werde" (Regel, Kap. 57. - 22. November 1920).

Die Verbundenheit mit Jesus Christus ist das Geheimnis des Erfolges bei den Seelen: "Eine der höchsten und vollkommensten Äußerungen der Liebe besteht darin, aus Liebe zu Gott die Leitung und Führung anderer zu übernehmen. Gott lenkte die Augen nun auf Sie, weil Sie so schwach und klein sind, damit man klar und deutlich sehen kann, dass das Gute, das Sie tun, von ihm kommt: "Denn die Torheit bei Gott ist weiser, als die Weisheit dieser Welt" (1 Kor 3,19). Ich bitte den lieben Gott, Ihnen die Gnade zu verleihen, sich ganz der Führung Jesu Christi zu überlassen. Denn wenn wir uns mit vollem Vertrauen und ohne Vorbehalt seiner Weisheit und Liebe überlassen, nimmt er sich mit großer Sorgfalt all der Einzelheiten unseres Lebens an. In der Tat sagt der hl. Paulus: "Jesus Christus ward uns von Gott Weisheit und Gerechtigkeit und Heiligung und Erlösung" (1 Kor 1, 30). "Empfiehl deine Wege dem Herrn und hoffe auf ihn, er wird's schon machen" (Ps 37, 5. An eine Oberin, ohne Datum).

Diese Verbundenheit mit Jesus vertieft sich durch das Gebet:

"Betrachten Sie die Augenblicke, welche Sie, falls Ihre Pflichten es gestatten, im stillen liebevollen Verkehr mit Gott zubringen, nie als verloren, weder für Sie selbst, noch für die Klostersgemeinschaft. Gott ist die Quelle jeglichen Gutes, das Sie sich selbst oder anderen erweisen" (29. November 1906).

"Mögen die andern für Sie beten, Ihr Gebet ist die Liebe. Der liebe Gott weiß besser als Sie selbst, was Ihnen und der Kommunität frommt. Je mehr Ihr Glaube wächst, desto mehr werden Sie Vertrauen haben zur heiligen Menschheit Jesu Christi, mit der Sie so vereint sind in der heiligen Eucharistie. Das ist Ihr Weg. Auf ihm wird Sie Christus in den Schoß des Vaters und der heiligen Dreifaltigkeit führen. Dort werden Sie in der Wahrheit, im Licht und in der Liebe sein" (20. Februar 1917).

Es ist ganz selbstverständlich, dass er dieses Thema weiter entwickelt; er zeigt uns so, ohne es zu wissen, die Ergebnisse seiner eigenen Erfahrung:

"Vereinigen Sie sich immer mehr mit Jesus Christus", schreibt er der Priorin eines Karmels, "damit er durch Sie handle:

1. Er ist der Sohn Gottes; er gehört und ist ganz dem Vater; er erklärt sich und all das Seinige von ihm abhängig: "Alles, was mein ist, ist dein" (Joh 17,10).

2. Er ist die Ewige Weisheit; er verherrlicht den Vater, wenn er diese Weisheit denen mitteilt, die sein Vater ihm gegeben.

3. Er ist die "Die Weisheit, von der die Liebe ausgeht": Der Heilige Geist geht von ihm aus. Sie müssen sich also in all diesen Sachen mit ihm vereinigen, denn Sie vertreten seine Stelle bei den Seelen, die Ihnen anvertraut sind" (1906).

"Unser Erlöser wird vieles durch Sie wirken", so schreibt er einer andern Oberin im Karmel "doch nur unter drei Bedingungen:

1. Dass Sie sich stets klein und demütig in seiner Gegenwart verhalten, ohne irgend eine Anmaßung und ohne auf sich selbst zu schauen.

2. Dass Sie sich immer auf Jesus Christus stützen, denn er ist der Weg: "Ich bin der Weg, niemand kommt zum Vater außer durch mich" (Joh 14, 6).

3. Dass Sie Ihre Seele den Sonnenstrahlen der göttlichen Gerechtigkeit aussetzen, damit "er Sie heilige in der Wahrheit" (Joh 17, 17. - 20. November 1916).

* * *

Mehr als ein Brief richtet sich an Novizenmeisterinnen. Es ist dies ja auch eine besonders schwierige Arbeit, so junge Seelen zur Verbundenheit mit Jesus heranzubilden. Dom Marmion spricht davon mit ganz besonderer Vorliebe. Lesen wir z. B. folgende Zeilen:

"Die Aufgabe einer Novizenmeisterin ist wunderschön. Wenn Sie jedoch glauben, irgendetwas für die Seelen aus sich selbst tun zu können, so täuschen Sie sich: "Denn ohne mich könnt ihr nichts tun" (Joh 15, 5), wenn Sie aber in einer großen Abhängigkeit von Gott leben, wird alles gut gehen, weil dann der Heiland Ihnen selbst eingeben wird, was Sie tun und sagen sollen. Er hat Sie zu seiner Gehilfin auserkoren. Ihre Aufgabe besteht darin, ihm Seelen zuzuführen, sie auf das Hochzeitsmahl mit dem Bräutigam vorzubereiten. Der hl. Bernhardin von Siena versichert uns, dass alle, die aus Gehorsam die Leitung der Seelen übernehmen, auf die Hilfe Gottes bauen können, der verpflichtet ist, sie zu erleuchten und zu belehren. Einen göttlichen Auftrag haben Sie erhalten:

Gott ist somit auch gehalten, seine Gnaden und sein Licht Ihnen zu geben, und Sie müssen zu diesem Licht Vertrauen haben und glauben, dass es vom Heiligen Geist kommt.

Am Tage Ihrer Firmung hat Christus in der Person des Bischofs Ihrer Seele das Zeichen des heiligen Kreuzes eingedrückt als unauslöschliches Merkmal: "Ich zeichne dich mit dem Zeichen des Kreuzes." Dieses Zeichen bleibt in Ihrer Seele; der Heilige Geist sieht in ihm immer ein Anrecht an seine Gnaden. Ich wünsche, dass Ihre Seele immer mehr ein Heiligtum des Heiligen Geistes werde, von dem ein Strahl des himmlischen Lichts auf die Seelen sich ergießt, mit denen Sie zusammenkommen.

Doch um das zu bewerkstelligen, ist es notwendig, dass Sie verschwinden; dass Sie Ihren Ideen, Ihren kleinen persönlichen Kunstkniffen entsagen, damit Christus ganz in Ihnen und durch Sie handle. Wenn Sie sich jeden Morgen seinen Händen überlassen, wird er durch Sie handeln. Eine heilige Ordensfrau, die Jesus selbst führt (denn sie ist in den Missionen), sagte mir einmal, dass sie, weil sie unternehmungslustig ist, in allem die Initiative hatte nehmen wollen und so auch in seiner bestimmten Angelegenheit. Da hörte sie den Heiland, der ihr sagte: "Du hast nun zu wählen: entweder mach ich es ohne dich, oder du machst es, jedoch ohne mich." Sie begriff und ließ die Sache durch eine ihrer Schwestern besorgen. Unser Heiland wollte nicht, dass sie selbständig und aus eigenem Antrieb handelte.

Wenn Sie Ihr Möglichstes getan haben, und die Sache gelingt doch nicht, so wundern Sie sich nicht! Betrachten Sie Jesus: wie viel fehlte noch bei den Aposteln, wie benahmen sie sich zur Zeit seines Leidens! Diese Gedanken werden Sie trösten" (Ohne Datum),

Den ganz übernatürlichen Gesichtspunkten fügt Dom Marmion Ratschläge seiner Umsicht bei:

"Es ist ein Zeichen besonderer Liebe zu Ihnen, dass der Heiland Ihnen die Novizinnen anvertraute. Den hl. Petrus fragt er: "Liebst du mich mehr als diese?" und als Belohnung übergibt er ihm seine Schafe" (vgl. Joh 21,15 -18).

1. Führen Sie dieselben zu Gott durch Jesus Christus: er ist der alleinige Weg. "Ich bin der Weg, niemand kommt zum Vater außer durch mich."

2. Da Sie eine gute und starke Gesundheit besitzen, müssen Sie stets bedenken, dass das, was für Sie eine Kleinigkeit ist, die Schwächeren gar sehr bedrücken kann. Dies ist sehr wichtig.

3. Setzen Sie Ihrer Hingabe an Gott gar keine Grenzen. Sobald Sie da eine Ausnahme machen, sind Sie nicht mehr eins mit dem lieben Gott, und der Friede ist dahin. Das würde heißen, Ihre kleinen Ideen Gott vorziehen, dessen Liebe unendlich und dessen Weisheit ohne Grenzen ist. Er liebt jene, die Ihnen anvertraut sind mehr, als Sie selbst dazu imstande sind. Je mehr Sie auf ihn bauen, desto mehr wird er der gute Hirte und der Vater der Herde sein. Er sagte einst zu Martha: "Eines nur ist notwendig" (Lk 10,41), und es wäre für ihn eine grobe Beleidigung, wenn wir glauben wollten, er bedürfe irgendeiner menschlichen Hand zu seinen Werken. Das will natürlich nicht sagen, dass Sie das Gebet aufgeben sollen, im Gegenteil, tun Sie wie ich, beten wir weiter, damit der liebe Gott diesen Kelch (Anspielung auf eine frühere Stelle des Briefes, wo Dom Marmion den Widerwillen der genannten Oberin betont, in ihrem Amt weiter zu verbleiben) an Ihnen vorübergehen lasse. Während der Betrachtung seien Sie ganz hingegeben und bekümmern Sie sich dabei um nichts. Er wird für alles Sorge tragen, wenn Sie sich mit ihm beschäftigen und an ihn denken" (20. Februar 1917).

Lesen wir noch eine andere Stelle aus einem ähnlichen Brief. Auch sie verrät eine tiefe Weisheit. Der Brief ging in einen Karmel:

"Für die Seelenbildung ist bei der Novizenmeisterin nichts vonnöten als eine tiefe Kenntnis des Geistes und der Lehre der heiligen Theresia, eine Kenntnis, die unwillkürlich und unzweifelhaft den Weg bahnt zum richtigen Verständnis der Heiligkeit, der Schrift usw., so wie sie dieselben verstanden haben wollte. Es sind nicht so sehr die Worte, noch die Texte Ihrer heiligen Mutter, die Ihren Novizinnen von Nutzen sein werden (später natürlich müssen sie aus diesem mystischen Schatz schöpfen, wie auch aus dem des hl. Johannes vom Kreuz), sondern worauf es besonders ankommt, ist, dass die Novizenmeisterin alle Dinge unter dem Gesichtspunkte jener betrachtet, die sich Theresia von Jesus nannte" (17. März 1914).

Es ist also der Geist Christi, der die Novizenmeisterin in ihrer so wichtigen Aufgabe beseelen muss. Selbst von diesem Geist leben und andere davon durchdringen, dass auch sie davon leben, das ist der ganze Inbegriff ihres Wirkens. Dieser Gedanke gibt Dom Marmion Gelegenheit zu einer sehr schönen Ausführung:

"Wie glücklich bin ich wahrnehmen zu können, dass unser guter Heiland Ihnen seinen Geist eingibt. O ja! in der Leitung der Seelen, besonders in den Anfängen müssen wir oft den Augenblick der Gnade abwarten und verstehen lernen, diese armen Schäflein, die noch so schwach und so von ihren kleinen Anstrengungen ermüdet sind, auf unsern Schultern zu tragen. Bedenken Sie, meine Tochter, dass die Worte Jesu: "ohne mich könnt ihr nichts tun" (Joh 15, 5) hauptsächlich von den Anstrengungen gesagt wurden, die wir machen, um andere auf dem Weg zur Heiligkeit zu führen, und dass hauptsächlich durch Ihre Vereinigung mit Jesus und durch Ihre Hingabe an seine Liebe die Gnade Ihren anvertrauten Kindern gegeben wird. Der hl. Johannes vom Kreuz sagt, dass ein Akt reiner Liebe zu Gott mehr für das Heil der Seelen vermag, als alle äußeren Werke. Trachten Sie besonders danach, dass die Novizinnen alles aus Liebe tun. Großes ist es, aus Pflichtgefühl zu handeln, größer aber noch, die Pflicht aus Liebe zu erfüllen. Die Seelen, die an erster Stelle aus Pflichtgefühl handeln und dann erst aus Liebe, verfehlen und vernachlässigen immer ein bestimmtes Etwas, das die Augen Gottes auf uns lenkt. Das Beste ist, seine Pflicht so vollkommen wie möglich zu erfüllen, nicht weil wir die treue Pflichterfüllung bewundern (das wäre nur moralische Tugend), sondern weil die treue Pflichterfüllung der Ausdruck der Liebe ist: "Wenn ihr mich liebt, so haltet meine Gebote" (Joh 14, 15. - 25. Juni 1901).

Hier, wie überall, wird sich die Liebe, die immer das höchste Gebot bleibt, im Werk zeigen:

"Ohne übermäßig streng zu sein, tun Sie vielleicht gut daran, eine große Pünktlichkeit in allem zu fordern, was Ihre Gebräuche und heiligen Überlieferungen betrifft. Die Treue ist der Liebe Blüte. Für sie ist nichts zu klein. Die hl. Theresia sagte, dass sie ihr Leben für die kleinste der Rubriken oder für den kleinsten Punkt der heiligen Regel gäbe, denn darin drückte sich für sie der Wille des Geliebten aus" (15. März 1914).

"Die Treue ist der Liebe Blüte; für sie ist nichts zu klein." Könnten wir diese schönen Seiten besser abschließen, als mit diesem feinen, so richtigen und so schön ausgedrückten Gedanken?

* * *

Am Schluss dieser Abhandlung über die Gottverbundenheit können wir nichts Besseres tun, als Dom Marmion bitten, uns selbst nochmals einen kurzen Überblick dieser seiner wunderbaren Lehre zu geben. Er wird es in einigen kurzen und bündigen Sätzen tun, in denen sich nochmals seine heiße Liebe zu Christus und zu den Seelen offenbart, der einzigen Leidenschaft seines ganzen Lebens:

"Das Streben nach Gott um seiner selbst willen, das Bewusstsein Ihrer eigenen Unwürdigkeit und das Vertrauen zu seiner Güte und zum heiligen Blut Christi sind die drei Merkmale der wahren Vereinigung mit Gott. Haben Sie keine Angst. Dieser Weg ist sicher. Nichts verherrlicht Gott so sehr, als der Triumph der Gnade in einer Seele, die ihre Armseligkeit, ihre Schwäche, ihre Unwürdigkeit einsieht, und die alles von seiner Allmacht und Güte erhofft. Das ist die "Das Lob der Herrlichkeit seiner Gnade" von der der hl. Paulus spricht (Eph 1. 6; 4. Dezember 1916).

Anhang

Briefe, die erst nach den zwei ersten Ausgaben in die Hand des Verfassers kamen.

I. An eine Ordensoberin

6. Februar 1911.

"Ich komme reichlich spät, Ihnen für den schönen Brief von Neujahr zu danken. Nicht dass ich Sie vergessen hätte, wie Sie ja gar wohl wissen, trage ich Sie doch mit all Ihren Wünschen und Ihren geistigen Kindern jeden Morgen in meinem Herzen zum heiligen Altar. Auch bin ich mit Herz und Gedanken stets mit Ihnen vereint, denn ich sehne mich sehr danach, dass Sie eine recht heilige Braut des heiligsten Herzens Jesu werden. Die ehrwürdige Mutter Generaloberin hat mir bereits mitgeteilt, dass Sie Hausoberin geworden sind. Dies zeigt wieder, wie sehr Gott es vorzieht sich der schwächsten Instrumente zu bedienen, um seine Werke zu vollbringen, "damit keiner sich rühme" (vgl. 1 Kor 3, 21). Am Tag der heiligen Profess haben wir uns Gott selbst hingegeben. Sind wir Vorgesetzte geworden, so weihten wir uns seinen Gliedern, und das Maß seiner Freigebigkeit uns gegenüber ist gleich dem der Großherzigkeit, mit der wir uns den Seinigen hingeben: "Gebt, und euch wird gegeben werden, ein gutes und eingedrücktes und gerütteltes und überfließendes Maß wird man euch in den Schoß geben. Denn mit dem Maß, womit ihr messt, wird euch wieder gemessen werden" (Lk 6, 38).

Meine Tochter, das größte Geschenk, das man Gott machen kann, ist die Hingabe seiner selbst. Doch muss dies auch ein wirkliches Geschenk sein, mit dem Gott dann machen kann, was ihm beliebt. Haben wir einmal dieses Geschenk in Aufrichtigkeit dargebracht, so müssen wir alles Gottes Weisheit und seiner Liebe überlassen. Ich empfehle Ihnen, während der Heiligen Messe, besonders nach der Kommunion im Glauben eins zu sein mit Jesus, Ihrem Bräutigam, in allem, was er in Ihrem Namen tut und sagt beim Vater. Seien Sie sein Amen, wie er das ewige und unendliche Amen seines Vaters ist. Ihre Aufgabe ist es, in Anbetung zu verharren, verloren in Ihrem Nichts, vor der Majestät des Vaters, und Jesus wird Sie vertreten. Er hält sich ständig vor dem Angesicht seines Vaters, sagt der hl. Paulus, "da er allzeit lebt, um für uns zu bitten" (Hebr 7, 25).

21. November 1913.

"Ihr Brief, so schlicht und so voll Vertrauen, machte mir sehr viel Freude. Eine meiner größten Freuden und Tröstungen inmitten meiner Sorgen und Arbeiten ist der Gedanke, dass unser Heiland mich zum geistigen Vater des seinem anbetungswürdigen Herzen so teuren Klosters N ... auserwählen wollte. Ich fühle auch, dass ich besonders Ihr Vater bin. Es sind aber diejenigen, die Gott in unserm Leben in nähere Beziehung zu uns treten lässt, nicht ohne tiefere Bedeutung für uns. Sie haben eine bestimmte Sendung und besondere Gnaden, um Gott uns und uns Gott zu schenken. Sie sind gleichsam seine Minister und Sendlinge an uns. So denke ich, dass auch ich von ihm zu Ihnen gesandt und in Ihr Leben gestellt wurde, um Sie ihm zu übergeben. Ihr Weg ist der Weg der reinen Liebe im lauteren Glauben. Sie müssen sich ihm hingeben um seinetwillen und damit er in Ihnen handle und wirke nach seinem Gutdünken, zu seiner Ehre und nicht nach Ihrem Dafürhalten. Bevor er sich uns in der Beschauung und inniger Vereinigung schenkt, verlangt er, dass wir viel gearbeitet und gelitten haben. Dies bezeugt Ihr augenblicklicher Zustand. Sie müssen arbeiten, leiden, sich den andern widmen, gleichsam um wie Jesus aufgezehrt zu werden, der sich jeden Morgen nach seiner Hinopferung jedem, der da kommt, zur Speise gibt. Er wünscht auch in Ihnen eine große Geradheit und Reinheit der Meinung zu sehen, die Gott ins Angesicht schaut gleich einer Taube, und weiter, trotz der Zartheit Ihres Herzens, eine große Herzensreinheit: "Selig, die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott anschauen" (Mt 5, 8).

Hier also, teure Tochter, in wenigen, Worten (denn Ihr Weg ist einfach) der Weg, auf dem Sie Gott sehen will. Wenn Sie darauf treu befunden werden, werden Sie ihm eines Tages begegnen und auf Ihr Rabboni (vgl. Joh 20, 16. Hindeutung auf die Erscheinung des auferstandenen Heilandes der Maria-Magdalena) wird Jesus: "N ... " sagen. Dieses einzige Wort wird Sie mit größerer und tieferer Freude erfüllen, als alle Anhänglichkeit dieser Welt. Beten Sie für mich, denn auch ich wünsche nur für Gott zu leben und in seiner Liebe aufzugehen. Ich gebe Ihnen ein Stelldichein im Herzen des Meisters, wo wir in seiner Liebe vereinigt sind."

4. März 1914.

"Besten Dank für Ihre werten Zeilen. Unser Heiland sagt: "Seliger ist geben, als nehmen" (Apg 20, 35). Wenn Sie glücklich waren, eine Tochter des hl. Benedikt zu werden, so empfand ich noch eine süßere und tiefere Freude, Ihnen dieses Glück verschaffen zu können. Wie ich es Ihnen schon früher sagte, betrachte ich es als eine der größten Gnaden meines Lebens, vom Herrn als Instrument ausersehen zu sein, durch das er seine Gunsterweise dem Kloster von N ... schenkt. Ich betrachte Sie alle als meine lieben teuren Kinder und trage Sie stets in meinem Herzen, wenn ich vor dem Angesicht des Allerhöchsten erscheine.

In der Tat, Seelen, die sehr liebevolle Herzen haben, sind zu einer großen Liebe zu Gott berufen, sonst würden sie sich zur Liebe der Geschöpfe hinreißen lassen. Sie, teure Tochter, sind eine von diesen Seelen. Sie besitzen ein Herz, das ein ungestümes Bedürfnis hat, zu lieben und geliebt zu werden. Dies ist eine große Gnade, bedeutet aber auch eine große Gefahr. Sie müssen alles aus Liebe tun, damit diese göttliche Liebe die Triebfeder Ihres ganzen Lebens werde. Wenn Sie manchmal bemerken, dass die Liebe zum Geschöpf Sie hinzureißen beginnt, heben Sie dann Ihr Herz nach oben und schenken Sie der ewigen Liebe alles, was das Geschöpf ihm rauben wollte."

II. An eine Novizenmeisterin

Juni 1907:

"Vereinigen Sie sich immer mehr mit Jesus Christus, damit er durch Sie wirke. Er ist:

1. Gottes Sohn, und folglich ist " er ist ganz dem Vater", sich und alles, was er hat, dem Vater zuschreibend:

"All das Meinige ist Dein" (Joh 17, 10).

2. Die ewige Weisheit. Er verherrlicht seinen Vater, wenn er diese Weisheit denen mitteilt, die sein Vater ihm gibt.

3. "Die Weisheit, von der die Liebe ausgeht", denn der Heilige Geist geht von ihm aus. Sie müssen sich in all diesen Sachen mit ihm vereinigen, denn Sie vertreten ihn bei den Seelen, die er Ihrer Obhut anvertraut hat."

III. Exerzitienvorsätze für eine Ordensfrau

(Diese Vorsätze wurden eigenhändig von Dom Marmion auf die Bitte der betreffenden Schwester in ein Heftchen eingetragen. Sie umfassen einen Zeitraum von fünf Jahren; aus Takt unterdrücken wir das Datum).

1. Geben Sie Ihrem ganzen Leben ein übernatürliches Gepräge, indem Sie nichts tun, es sei denn für Gott durch Jesus Christus.

2. Bewachen Sie darum die Regungen Ihrer Seele und beherrschen Sie dieselben durch eine stete innerliche Abtötung.

3. Um zu all diesem die Gnade zu erlangen, geben Sie dem Dienst Gottes, dem Gebet usw. den Vorrang vor jeder anderen Beschäftigung: "Der Meister ist da und ruft dich" (Joh 11, 28).

Beobachten Sie dies alles, teure Tochter, und Sie werden dadurch das Herz Jesu trösten, ebenso auch Ihren armen geistigen Vater, der es so gut mit Ihnen meint.

* * *

1. Ich werde die letzten Jahre meines Lebens, die voraussichtlich nicht mehr zahlreich sein werden, damit zubringen, mich auf die Ewigkeit vorzubereiten.

2. Unser Heiland sagte von sich selbst: "Mein Vater lässt mich nicht allein, denn was ihm gefällt, tue ich allzeit" (Joh 8, 29). So will auch ich mir Mühe geben, ihm in allem zu gefallen, um mich seines beständigen Schutzes zu erfreuen.

3. Also wird es mein hauptsächlicher Vorsatz sein, Gott zu gefallen durch eine große Treue:

a) in der Ausrottung meiner Fehler,

b) in der vollkommenen Erfüllung meiner Pflichten und zwar aus Liebe.

4. Da ich aus Erfahrung weiß, dass meine Vorsätze nichtig und ohne Erfolg find, wenn sie nicht durch ein starkes innerliches Leben getragen sind, werde ich mich während dieses Jahres besonders bemühen, ein innerliches Leben zu führen, indem ich:

a) großen Wert auf die Betrachtung lege,

b) oft Stoßgebetchen bete,

c) mich tagsüber öfters prüfe, woran ich bin, einen Augenblick inne halte, um mich mit Jesus zu vereinigen und neuen Aufschwung zu nehmen.

Ich werde alle diese Vorsätze in meiner Messe Gott aufopfern und ihn bitten, Sie rückhaltlos anzunehmen und Sie zur Heiligkeit zu führen.

* * *

"Lernet von mir, denn ich bin sanftmütig und demütig von Herzen" (Mt 11, 29).

Die Sanftmut ist die gemeinsame Blüte der Liebe und der Demut. Jesus war die Sanftmut selbst. Während Petrus ihn verleugnete und laut beteuerte ihn nicht zu kennen, schaut Jesus ihn mit Sanftmut an: "Da wandte sich der Herr um und schaute Petrus an" (Lk 22, 61), und dieser Blick der Liebe und Sanftmut hat Petri Herz umgewandelt und wurde die Quelle jener Liebestränen, die fortan immer flossen.

"Selig die Sanftmütigen, denn sie werden das Erdreich besitzen" (Mt 5, 4).

Ohne Sanftmut ist es ganz unmöglich, in inniger Vereinigung mit Jesus zu leben. Er ist die Sanftmut selbst und jedes Fehlenlassen an Milde dem Nächsten gegenüber trifft sein eigenes Herz. "Alles, was ihr dem geringsten meiner Brüder getan, habt ihr mir getan" (Mt 25, 40).

Ich werde mir so keine Ruhe geben, bis ich nicht eine große Sanftmut mir erworben habe. Dies soll der Ausdruck meiner Liebe zu Jesus sein. Darum werde ich:

1. Mir die Gewohnheit aneignen, in allen meinen Mitschwestern Jesus zu sehen. Sie empfangen ihn täglich und er "bleibt in ihnen". Ich werde sie darum in Gedanken wie in Worten wie Jesus selbst behandeln.

2. mir jedes Mal eine kleine Buße auferlegen, wenn ich in diesem Punkte fehle.

3. öfters die Worte wiederholen: "O Jesus, sanftmütig und demütig von Herzen, bilde unser Herz gleich deinem Herzen."

Das Gebot der Liebe quoll aus dem Innersten des Herzens Jesu hervor. Nachdem er die heilige Eucharistie eingesetzt, ist er eins mit seiner Kirche, seinen Gliedern geworden, und um diese Vereinigung anzudeuten, sagt er: Ich und meine Glieder sind ein und dasselbe: "alles, was ihr dem geringsten meiner Brüder getan, habt ihr mir getan" (vgl. Joh 17,21 - Mt 25, 40). Dies sagt schon das Wort: Kommunion (Vereinigung). Diejenigen, die gewohnheitsmäßig an der Nächstenliebe sich verfehlen, zerstören diese Communio in ihren Herzen und gehen rückwärts anstatt vorwärts. Liebt und tut, was ihr wollt.

Vorsatz: In jeder Schwester Jesus sehen und sie demgemäß behandeln.

* * *

"Mit dem Maße, mit dem ihr messet, wird auch euch gemessen werden" (Lk 6, 38).

"Ein gutes und eingedrücktes und gerütteltes und überfließendes Maß"

Wir sind es, die dem lieben Gott die Art auflegen, mit uns zu verfahren. Denn er verpflichtet sich, uns so zu behandeln, wie wir die andern. Wenn wir den Nächsten gegenüber anmaßend sind, sie leicht blamieren, ihnen hart begegnen, wird auch Gott hart mit uns verfahren: "Ein erbarmungsloses Gericht wird über den ergehen, der nicht Barmherzigkeit übte" (Jak 2,13). Wenn wir aber großmütig und sehr nachsichtig zu den andern sind, wird es Gott auch zu uns sein, und er wird uns jene Gnaden der Auswahl geben, die uns schnell auf dem Weg der Vollkommenheit voranbringen.

Vorsatz: Aus Liebe zu Jesus Christus werde ich meine Neigung, andere zu verurteilen und böse gegen sie zu sein, abtöten.

IV. An eine Ordensschwester

23. November 1903:

"Die hl. Theresia versichert uns, dass so groß auch unsere Schwachheiten und unsere bösen Neigungen sein mögen, die allmächtige Gnade Jesu Christi uns doch vollständig davon befreien und zu einer vollkommenen Vereinigung mit seiner heiligen Majestät erheben kann - vorausgesetzt, dass wir treu befunden werden, uns täglich im betrachtenden Gebete seiner göttlichen Leitung zu unterwerfen. Der göttliche Heiland wird nie die Ausflucht annehmen, die unsere Eigenliebe uns stets eingeben möchte: "Ich bin zu schwach, meine Leidenschaften sind zu stark, ich vermag mich nicht zu überwachen, usw." Denn er wird erwidern: All dies ist wahr, aber ich besitze alles, was dir fehlt, und für dich besitze ich es, wenn du von deiner Seite aus es im heiligen Gebet mit Beharrlichkeit von mir erflehst. Und je mehr du schwach und armselig bist, desto stärker wird der Beistand meiner Gnade sein."

Wohlan denn, meine Tochter, denn Sie können eine Heilige werden, da Sie ein zu großer Liebe fähiges Herz haben. Und davon hängt alles ab.

Zwei große Hindernisse hindern Sie jedoch am Vorwärtsschreiten:

1. Sehen Sie die Splitter im Auge des Nächsten und die Balken im eigenen Auge bemerken Sie nicht. Daher diese vielen Fehler gegen die Nächstenliebe, dieses Fehlenlassen an Takt und Feingefühl jenen gegenüber, die empfindsame und schwache Naturen haben; diese Schwierigkeit, Mahnworte still hinzunehmen (ausgenommen sie kämen von Seiten Ihres Vaters).

2. Fehlt Ihnen die nötige Eingezogenheit tagsüber, was Sie besonderer Gnaden beraubt, deren Sie doch so sehr bedürfen.

Darum also, teure Tochter, fassen wir zwei gute Vorsätze:

1. Alles daran zu setzen, um die Betrachtung gut zu machen.

2. Uns alle Mühe zu geben und das Herz Jesu darum zu bitten, dass in Ihrem Herzen die wahre Liebe Fuß fasse, denn die äußeren Handlungen sind das Echo unseres Innern.

Meine Tochter, ich rede mit aller Offenheit zu Ihnen, weil Sie mir im Herrn so teuer sind, und weil ich weiß, dass ich Ihnen mit Freimut alles sagen darf.

Ihr in Jesus Christus treu ergebener Vater. D. C."

2. November 1916:

"Schwester N... schrieb mir, um mich über Ihre Krankheit in Kenntnis zu setzen. Es ist jetzt so schwer, Ihnen all das schriftlich mitzuteilen, was mein Herz Ihnen sagen möchte (Es war zur Zeit der deutschen Besatzung in Belgien, wo strenge Zensur herrschte). Wenn man den Geist der Vaterschaft über eine Seele bekommen hat, so können weder Entfernung noch andere Umstände demselben Abbruch tun. Dies, um Ihnen zu sagen, dass ich bei Ihnen bin in dieser Zeit der Prüfung und dass ich Sie jeden Morgen in meinem Vaterherzen zum heiligen Altar trage. Da ich dieser Tage selbst herzleidend war, hatte ich einige Augenblicke große Angst vor dem Sterben. Aber unser Heiland zeigte mir, dass seine große Güte, die wir am Kreuze anbeten, ebenfalls die Güte seines Vaters ist, denn sie haben nur einen göttlichen Willen, der beiden gleich ist."

V. Einer andern Ordensfrau

Um 1905:

"Unsere Betrachtung soll hauptsächlich in Liebesaffekten bestehen, reden Sie darum nicht viel während derselben. Es gibt Leute, die "Phrasen drechseln" mit Gott, aber man soll nicht darauf ausgehen, sich in "ausgesuchten Phrasen" zu bewegen, sondern Gott anschauen, ihn anbeten und um seine Liebe bitten. Jeder Herzenswunsch gleicht einem Schrei, der bis in den Himmel dringt."

Um dieselbe Zeit:

"Die Kenntnis Gottes, zu der wir durch unsere eigenen Anstrengungen kommen, ist zwar gut, doch unvollkommen. Sie birgt Finsternis und Schwierigkeiten. Wohl dient sie, um die göttliche Liebe in uns zu entfachen, und diese Liebe kann uns dann, wenn sie stark und vollkommen wird, bis in den Schoß Gottes tragen. Dort erleuchtet uns Gott selbst, und dieses Licht, Frucht der Liebe, ist voll Friede und Süßigkeit. Für Sie, teure Tochter, ist der Weg der Liebe derjenige, der Sie zur Vollkommenheit führen wird. Der Verstand steht still vor dem Vorhang des Allerheiligsten, die Liebe jedoch tritt näher und dringt in das geheiligte Dunkel ein und findet dort Gott, der zu ihr "von Mund zu Mund spricht" (vgl. Num 12, 8), wie ein Freund zu seinem Freund. Im Schoß des Vaters, in den uns das "Wort" einführt, schöpft man jene Sanftmut, die aus dem Herzen unseres Vaters quillt, "der seine Sonne aufgehen lässt über Gute und Böse und regnen lässt über Gerechte und Ungerechte" (Mt 5, 45) ! Teure Tochter, halten Sie darum recht oft Ihr Herz ganz nahe diesem göttlichen Herzen, damit Ihr Eifer und Ihre Lebhaftigkeit von dieser göttlichen Milde ganz erfüllt werden: "Lernet von mir, denn ich bin sanftmütig und demütig von Herzen" (Mt 11,29). Je mehr Ihre Regsamkeit ihre Quelle in Gott nimmt, desto mehr wird sie göttlich sein und Sie zu seiner vollkommenen Liebe führen."

VI. An eine in der Welt stehende Person

6. März 1918:

"Ich muss gestehen, dass Ihr so lieber Brief mich sehr getröstet und ermuntert hat. Wenn es sich bewahrheitet, dass der Priester : "Der geheiligte Gaben darbringt" - nur da ist, um Christus zu schenken, zuerst seinem Vater in der Heiligen Messe und dann den Seelen durch die Sakramente und das Wort Gottes, so ist es mein größter Trost, zu wlssen, dass ich durch die Veröffentlichung dieser Konferenzen (Christus, das Leben der Seele) ein wenig zu diesem göttlichen Werk beigetragen habe. Jesus sagte einst zur Samariterin: "Wenn du die Gabe Gottes kennen würdest" (Joh 4, 10). Wenn die Seelen auch nur ein wenig begriffen, was sie an Christus besitzen, wenn sie es verstünden, wie man es lange Jahrhunderte hindurch verstand, dass unser ganzes geistiges Leben nichts anderes ist, als der in uns lebende Christus, dass es als Quell jenen Funken göttlichen Lebens hat, den wir am, Tag unserer Taufe erhalten - dann wäre die Heiligkeit jedermann zugänglich und in uns so einfach und natürlich wie in ihm.

Dieses göttliche Leben, das vom Vater auf den Sohn und durch diesen auf uns strömt, ist so einfach wie Gott selbst. Tragen meine Konferenzen ein wenig dazu bei, diese Wahrheiten wieder aufzufrischen, so verlange ich nichts weiter hier auf Erden."

VII. An eine andere in der Welt stehende Person

(Auszüge von einer Serie von Briefen, von denen wir nur folgende Bruchteile geben können):

"Ich werde immer mehr und mehr mit Arbeit überladen, aber ich kann dennoch nicht meine arme Tochter in Traurigkeit und Kummer sitzen lassen. Die Traurigkeit ist nämlich sowohl dem Körper wie der Seele schädlich. Darum, teure Tochter, wieder Mut! Kopf hoch!

... In den Tagen der Prüfung findet man den Weg zu Gott, man sieht, wie trügerisch und nichtig die Welt ist. Sie müssen daraus Nutzen ziehen und sich noch mehr an Gott anklammern, und da es Ihr Beruf ist, als Familienmutter in der Welt zu leben, dürfen Sie sich nicht einem schwarzen Trübsinn hingeben, sondern fangen Sie an, froh in die Zukunft zu schauen. Ich bete jeden Morgen für Sie in der Heiligen Messe, damit unser Heiland Ihnen die Gnade schenke, das Ideal einer vollkommenen Christin zu verwirklichen.

Jesus ist das Vorbild all seiner Jünger. Nun ist aber Jesus wahrer Gott und wahrer Mensch. Um ihm nachzuahmen, muss das göttliche Leben in Ihnen durch die Gnade und die Vereinigung mit Gott herrschen, und damit auch die Menschheit in Ihnen zur Vollkommenheit gelange, bedarf es der Übung aller Tugenden, die die menschliche Natur schmücken. Diese Tugenden sind menschlich ihrem Äußeren nach, göttlich jedoch in ihrer Quelle und Wurzel."

" ... Mein armes Kind, ich fühle all Ihren Kummer. Doch ich weiß auch, dass die Prüfung uns oft in die Arme des Himmlischen Vaters führt, der allein uns in Wahrheit liebt."

" ... Als geistige Richtlinie, wünsche ich, teure Tochter, dass Sie danach streben, mit der Gnade Gottes stillschweigend alles zu ertragen. Jesus, die ewige Weisheit, wird wie ein Narr behandelt, wird von den Soldaten geschlagen und er schweigt. In der Geduld besitzt man seine Seele (Lk 21,19). Seine Seele besitzen ist aber etwas Großes und zeugt von großer Willensstärke.

Die tägliche heilige Kommunion wird Ihnen die Kraft verleihen, die schlechten Behandlungen mit Geduld zu tragen. Vergessen Sie auch Ihrerseits nie, dass die Eltern - wie sie auch sein mögen - Gottes Stelle vertreten und dass er alles, was man gegen die ihnen schuldige Ehre tut, als sich zugefügt betrachtet."

" ... Ich wünsche, dass Sie sich blindlings in die Arme Gottes werfen. Er wird Sie auf sicherem Weg zu sich führen und alles zu Ihrem Besten lenken, je nach der Treue Ihres Vertrauens zu ihm."

Am Vorabend der Hochzeit seiner Korrespondentin:

"Ich bete aus ganzem Herzen, dass Jesus in Ihrem Heim das Abbild seiner Vereinigung mit seiner Braut, der Kirche, finde. Dies wird auf Sie alle jenen Schutz, alle Gnade und Gunsterweise herabziehen, deren Sie bedürfen."

"Ich danke Ihnen für Ihren lieben Brief, der mich sehr erfreute. Ich sehe, dass der göttliche Heiland Ihnen das Licht und den Mut schenkt, das so heilige Werk der Mutterschaft im richtigen Licht zu sehen. Ihre Leiden sind die sichere Garantie des göttlichen Segens für das Kind, das Sie unter dem Herzen tragen, und eine ergiebige Quelle von Verdiensten und der Heiligung für Sie selbst."

" ... Ich hoffe, dass Sie ein kleines Altärchen in Ihrem Zimmer haben, wo Sie beten können, auch, dass Sie sich jeden Tag einige Augenblicke reservieren, um sich dort allein mit Gott zu finden. Ich empfehle Ihnen als Lektüre die: "Anleitung zum geistigen Leben" vom hl. Franz von Sales."

"Ihr so lieber Brief bedeutete eine wahre Freude für mich, denn ich ersah daraus, dass Sie das wahre Glück besitzen, das man hier auf Erden haben kann, und das darin besteht, sich ganz dem Willen Gottes hinzugeben und seine Freude in der Erfüllung der täglichen Pflichten zu finden. Ja, das Leben ist ernst, denn es erstreckt sich bis in die Ewigkeit, und der Anblick jener Menschen, die nur den Vergnügungen nachjagen, ist sehr traurig. Ich fühle mich so glücklich, dass Sie in Ihrem lieben N .. , den richtigen Gefährten Ihres Lebens, Ihrer Freuden wie Ihrer Leiden gefunden haben. Kein irdisches Glück ist ohne Schatten, wenn daher manchmal Ihre Gesundheit zu wünschen übrig lässt, kommt es daher, weil der liebe Gott nicht will, dass Sie sich allzu sehr an diese Erde hängen, denn unser wahres Heim ist droben im Himmel, bei unserm Himmlischen Vater.

"'" Ich preise Gott, dass er Ihnen heilige Nachkommenschaft geben will und Ihnen die Ehre verleiht, ihm reine Herzen zuzubereiten, die ihn während der ganzen Ewigkeit loben sollen."

"Ich war so glücklich, ja überglücklich über all Ihre Freude und schon ist wieder die Prüfung da. Doch alle großen Werke Gottes sind auf das Kreuz aufgebaut und so musste Ihr Leben als Braut und Mutter mit dem Kreuz beginnen."

"Freundlichen Dank für Ihre lieben Zeilen. Ich hätte Ihnen schon eher geschrieben, doch wusste ich nicht, wo Sie sich augenblicklich aufhielten. Ich bete jeden Tag viel für Sie und Ihre Freuden sind meine Freuden, Ihr Leid mein eigenes Leid. Doch erheben Sie Ihr Herz zu Gott und betrachten Sie alles im Licht der Ewigkeit und der Wahrheit. Diese Erde ist nicht unser bleibendes Heim. Der Himmel ist unsere wahre Heimat, darum lenkt auch der himmlische Vater alles so, dass wir uns nicht allzu viel an das hängen, was vergehen muss. Er schenkt uns Freuden, um unsern Weg durch das Tränental dieses Lebens erträglich zu machen, und er schickt uns allen Kreuze, denn um in den Himmel zu gelangen, muss man das Kreuz mit Christus tragen. Gott hat viel für Sie getan. Er gab Ihnen einen Gemahl, der hohe Eigenschaften hat und Ihrer Achtung und Liebe würdig ist. Dieser Ihr Gemahl hat Sie gern, achtet und umgibt Sie mit einer wirklich treuen Liebe. Gott schenkte Ihnen gute und brave Kinder und umgab Sie mit treuen Freunden. Aber auf der anderen Seite müssen Sie auch die Nichtigkeiten dieser Welt, die Spitzfindigkeiten und Eifersüchteleien derselben gleichsam mit dem Finger fühlen. Sie müssen das Kreuz umfangen ... Es ist sehr gefährlich, sich dem göttlichen Plan entziehen zu wollen. Überlassen Sie sich und all Ihre Belange der Güte des Himmlischen Vaters. Er wird schon alles zum besten lenken, dessen bin ich sicher."

". .. Ich danke Gott von ganzem Herzen für die Hilfe, die er Ihnen zuteil werden lässt, und für die Gnaden, die er Ihnen schenkt. Ich weiß, dass Sie viel gelitten haben und ich bitte täglich den Herrn, Sie zu erhalten, zu trösten und Ihnen zu Hilfe zu kommen. Doch je mehr ich mich den "ewigen Hügeln" (Brief datiert von 1921), desto mehr sehe ich ein, dass unser Leben hienieden nur ein Übergang, eine Prüfung ist, und dass alle, die mit Jesus vereint sind, die Anteilnahme an seinem Kreuz zu erwarten haben. Dieses Kreuz, so wie es sich gerade bietet, mit Liebe umfangen, darin besteht die wahre Heiligkeit. Ich schreibe Ihnen wie ein Vater seinem Kind, denn Sie sind ja auch meine wahre Tochter, die ich von ganzem Herzen liebe, auf die ich stolz bin, und deren Wohlergehen ich nicht nur hienieden sondern auch, und dies besonders, in der Herrlichkeit des Himmels wünsche."

" ... Je älter ich werde, desto mehr sehe ich ein, dass dieses Leben nur ein Vorübergang, eine kurze Erscheinung bedeutet, begrenzt von zwei Ewigkeiten, einer die vorausgeht, einer andern, die folgt. Das Leben ist eine Prüfung, die der Ewigkeit vorangeht, eine Sühnezeit, eine Teilnahme am Leiden Jesu Christi. Gott ist so gut, dass er in diesen Kelch einige Tröpflein Freuden (jedoch sehr vergängliche) gießt, um das Leben erträglich zu machen, aber es ist durchaus nicht seine Absicht, dass wir in diesen Freuden aufgehen. Der hl. Benedikt fand ein Wort, das uns so recht unser Verhalten bei den Freuden, die uns Gott schenkt, angibt. Er sagt: "die Freuden nicht aufsuchen", in ihnen nicht aufgehen (Regel K. 4). Er sagt nicht, dass wir uns nicht erfreuen dürfen, Gott selbst schenkt uns ja Freuden, gestattet, ja will manchmal, dass wir sie annehmen. Was er jedoch nicht will, ist, dass wir in deren Genuss aufgehen, denn dann läuft man Gefahr, Gott zu verlassen und sich dem Geschöpf preiszugeben. Die verschiedenen so harten Prüfungen, die seit einigen Jahren über Sie kommen, waren Weisungen Ihres Himmlischen Vaters, um Sie von den Geschöpfen loszuschälen."

VIII. An einen Seminaristen

(Diese Zeilen sind die Antwort Dom Marmions an einen Seminaristen, der sich mit der Bitte an ihn wandte, ihm geistiger Führer auf dem Weg zum Priestertum zu sein)

30. September 1920:

"Der normale Weg, den die göttliche Vorsehung die zum Priestertum Berufenen führt, ist die Unterwerfung unter die Leitung eines klugen und frommen Priesters im Seminar, dem man sich loyal erschließt und von dem man sich führen lässt. Hat man ihn einmal gewählt, so muss man ihn im Geiste des Glaubens als das Werkzeug Gottes ansehen gemäß jenen Worten Christi: "Wer euch hört, hört mich" (Lk 10, 16). Der Ruf des Bischofs muss Ihnen im Einklang mit dieser geistigen Führung die Gewissheit des göttlichen Willens zeigen."

Literatur

  • Die Verbundenheit mit Gott nach Dom Columba Marmion OSB, aus seinen Briefen ausgewählt von Dom Raimund Thibaut OSB, Nach der dritten französischen Auflage ins Deutsche übertragen von P. Bonifatius Büchelmeier OSB (372 Seiten; Imprimatur Paderbornae, d. 24. m. Junii 1935, Vicarius Generalis. Gierse); Sarto Verlagsbuchhandlung GmbH, Unveränderte Neuauflage 2016 (371 Seiten; ISBN 978-3-943858-77-8).