Paenitemini (Wortlaut): Unterschied zwischen den Versionen

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Vgl. Am 5; Jes 1,13-20; Jer 14,12; Sach 7,4-14; Tob 12,8; Ps 50,18 f; usw. </ref>."  
 
Vgl. Am 5; Jes 1,13-20; Jer 14,12; Sach 7,4-14; Tob 12,8; Ps 50,18 f; usw. </ref>."  
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Im Alten Testament fehlt auch nicht der so genannte soziale Charakter der Buße. Denn aus den alttestamentlichen Bußriten wird nicht nur ein gemeinsames Sündenbewusstsein deutlich, sondern auch die Buße als Bedingung für die Zugehörigkeit zum Gottesvolk erkennbar<ref>Vgl. Lev 23,29: "Jede Person, die sich an diesem Tag nicht Enthaltung auferlegt, soll aus ihren Stammesgenossen ausgerottet werden." </ref> .
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Man braucht ferner nur darauf hinzuweisen, dass die Buße auch vor der Ankunft Christi als Mittel und Zeichen der Heiligkeit und Vollkommenheit angesehen wurde, wie Judith<ref>Vgl. Jdt 8,6. </ref>, Daniel<ref>Vgl. Dan 10, 3 </ref>, die Prophetin Anna und viele hervorragende Männer und Frauen beweisen, "die unter Fasten und Beten (Gott) dienten Tag und Nacht<ref>Vgl. Lk 2,37; Sir 31,12,17-19; 37,32-34. </ref>", "in Freude und Wonne<ref>Vgl. Sach 8,19; Mt 6,17. </ref>".
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Aus dem Alten Testament wird schließlich offenbar, dass gerechte Menschen durch ihre Buße Sühne geleistet haben für die Sünden der ganzen menschlichen Gemeinschaft. Unter ihnen verdient Moses besondere Erwähnung, der vierzig Tage gefastet hat, um Gott wegen der Schuld des ungetreuen Volkes zu versöhnen<ref>Vgl. Dtn 9,9.18; Ex 24,18 </ref>. Unter diesem Gesichtspunkt wird uns vor allem der "Knecht Gottes" geschildert, "der unsere Krankheiten ... auf sich genommen" und "auf den der Herr gelegt ... unser aller Missetat<ref>Vgl. Jes 53,4-11. </ref>".
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Aber das alles war zeichenhaft für das Zukünftige<ref>Vgl. Hebr 10,1. </ref>. Denn die Buße, die eine durch die religiöse Erfahrung der gesamten Menschheit erwiesene notwendige Voraussetzung für das innere Leben darstellt und dazu durch ein besonderes Gebot der göttlichen Offenbarung eingeschärft wird, gewinnt in Christus und der Kirche völlig neue, und zwar sehr tiefe Bedeutungsinhalte.
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Christus, der immer in seinem Leben damit begann, erst zu tun und dann zu lehren, hat, bevor er sein Amt antrat, vierzig Tage und vierzig Nächte in Gebet und Fasten verbracht. Ebenso machte er den Anfang seines öffentlichen Wirkens zwar mit der Frohen Botschaft: "das Reich Gottes hat sich genaht"; doch sofort fügte er das Gebot an: "Tuet Buße und glaubet an das Evangelium<ref>Mk 1,15. </ref>." Diese Worte sind sozusagen der Inbegriff und die Zusammenfassung des ganzen christlichen Lebens. In das Reich Christi darf man nur eintreten durch Metanoia, das heißt durch eine tiefgreifende Wandlung des ganzen Menschen, kraft deren er neu zu denken, zu urteilen und sein Leben zu gestalten beginnt, ergriffen von der Heiligkeit und Liebe Gottes, die zuletzt durch seinen Sohn offenbart und uns in ihrer Fülle zuteil geworden sind<ref>Vgl. Hebr 1,2; Kol 1,19 und weitere Stellen. Eph 1,23 und weitere Stellen. </ref>.
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Die Einladung des Sohnes Gottes zum Vollzug dieser Metanoia wirkt um so drängender, weil er nicht nur dazu ermahnt, sondern auch selbst ein Beispiel der Buße gibt. Denn Christus hat den Büßenden das größte Beispiel dadurch gegeben, dass er nicht für eine eigene Sünde Strafe erleiden wollte, sondern für die Sünden der anderen<ref>Vgl. Summa Theologica III, q. 15, a. 1, ad 5. </ref>.
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Vor das Angesicht Christi gestellt, wird der Mensch mit neuem Licht erfüllt und erkennt so die Heiligkeit Gottes und zugleich die Bosheit der Sünde<ref>Vgl. Lk 5,8; 7,36-50.</ref>. Durch Christi Wort wird ihm die Botschaft übermittelt, durch die ihm die Bekehrung zu Gott angeboten und die Verzeihung der Sünden gewährt wird. Diese Gnadengeschenke erlangt Er in ihrer Fülle durch die Taufe, die den Menschen gleichgestaltet zur Ähnlichkeit des Leidens, des Sterbens und der Auferstehung des Herrn<ref>Vgl. Röm 6,3-11; KoI2,11-15; 3,1-4. </ref> und von daher seinem ganzen Leben gleichsam das Siegel dieses Geheimnisses aufprägt.
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Den Spuren des göttlichen Meisters folgend, muss jeder, der sich Christ nennt, sich selbst verleugnen, sein Kreuz auf sich nehmen und an Christi Leiden teilhaben. Wie er so in das Bild seines Todes umgestaltet wird, kann er auch die Herrlichkeit der Auferstehung verdienen<ref>Vgl. Phil 3,10 f; Röm 8,17. </ref>. Weiterhin darf er danach nicht mehr für sich leben<ref>Vgl. Röm 6,10; 14,8; 2 Kor 5,15; Phill, 21. </ref>, sondern für Gott, der ihn geliebt und sich selbst für ihn dahin gegeben hat<ref>Gal 2, 20.
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Vgl. Dogmatische Konstitution über die Kirche, "Lumen Gentium", Art. 7: "Alle Glieder müssen ihm gleichgestaltet werden, bis Christus Gestalt gewinnt in ihnen (vgL Gal 4,19). Deshalb werden wir aufgenommen in die Mysterien seines Erdenlebens, sind ihm gleichgestaltet, mit ihm gestorben und mit ihm auferweckt, bis wir mit ihm herrschen werden (vgl. Phil 3,21; 2 Tim 2, 11; Eph 2,6; Kol 2,12 usw.). Solange wir auf Erden in Pilgerschaft sind und in Bedrängnis und Verfolgung ihm auf seinem Weg nachgehen, werden wir - gleichwie der Leib zum Haupt gehört - in sein Leiden hineingenommen; wir leiden mit ihm, um so mit ihm verherrlicht zu werden (vgl. Röm 8,17)," </ref> ; leben muss er auch für die Brüder, "damit er an seinem Fleische ersetzt, was dem Leiden Christi noch mangelt ... für seinen Leib, der da die Kirche ist<ref>Vgl. Kol 1,24.
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Vgl. Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche, "Ad gentes", Art. 36: "Aus diesem erneuerten Geiste werden spontan Gebete und Bußwerke Gott dargebracht werden, damit seine Gnade die Arbeit der Missionare befruchte" ... , VgL Dekret über die Ausbildung der Priester, "Optatam totius", Art. 2, </ref>".
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Hinzu kommt, dass die Kirche ja in der innigsten Weise mit Christus verbunden ist und deshalb die Buße eines jeden Gläubigen eine gewisse innere Beziehung zur gesamten menschlichen Gemeinschaft hat. Denn es ist nicht so, dass man in der Kirche nur durch die Taufe die grundlegende Gnadengabe der Metanoia empfängt; in der Kirche wird dieselbe Gnadengabe auch erneuert und gestärkt durch das Sakrament der Buße. "Die (aber) zum Sakrament der Buße hinzutreten, erhalten für ihre Gott zugefügten Beleidigungen von seiner Barmherzigkeit Verzeihung und werden zugleich mit der Kirche versöhnt, die sie durch ihre Sünde verwundet haben und die zu ihrer Bekehrung durch Liebe, Beispiel und Gebet mitwirkt<ref>Vgl. Dogmatische Konstitution über die Kirche, "Lumen Gentium", Art, 11: "Die aber zum Sakrament der Buße hinzutreten, erhalten für ihre Gott zugefügten Beleidigungen von seiner Barmherzigkeit Verzeihung und werden zugleich mit der Kirche versöhnt, die sie durch die Sünde verwundet haben und die zu ihrer Bekehrung durch Liebe, Beispiel und Gebet mitwirkt. Durch die heilige Krankensalbung und das Gebet der Priester empfiehlt die ganze Kirche die Kranken dem leidenden und verherrlichten Herrn, dass er sie aufrichte und rette (vgl. Jak 5,14-16), ja sie ermahnt sie, sich bewusst, dem Leiden und dem Tode Christi zu vereinigen (vgl. Röm 8,17; Kol 1,24; 2 Tim 2,11-12; 1 Petr 4, 13) und so zum Wohle des Gottesvolkes beizutragen."
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Vgl. Dekret über Dienst und Leben der Priester, "Presbyterorum ordinis", Art. 5: "Die Priester leiten darum die Gläubigen an, die göttliche Opfergabe in der Messfeier Gott dem Vater darzubringen und mit ihr die Hingabe ihres eigenen Lebens zu verbinden. Sie unterweisen sie im Geist Christi des Hirten, ihre Sünden reumütig der Kirche im Sakrament der Buße zu unterwerfen, so dass sie sich ständig mehr zum Herrn bekehren"."; ebd., Art. 6: "Eine kirchliche Gemeinschaft bezeigt darüber hinaus durch Liebe, Gebet, Beispiel und Buße eine echte Mütterlichkeit, um Menschen zu Christus zu führen." </ref>." In der Kirche erhält schließlich in einer besonderen Weise auch das geringe Bußwerk aus der übernatürlichen Sühneleistung Christi Anteil, das den einzelnen Büßenden im Bußsakrament auferlegt wird, und mit diesem stehen kraft allgemeiner kirchlicher Anordnung zutiefst auch die übrigen Werke in Verbindung, die der Gläubige tut, leidet und erträgt<ref>Vgl. Thomas v. Aquin, Quaestiones Quodlib., 111, q. 13, a. 28: "Es scheint aber recht angemessen zu sein, dass der Priester den Büßenden nicht mit der vollen Last der Genugtuung belastet, weil, wie ein kleines Feuer von vielen darübergelegten Holzscheiten leicht ausgelöscht wird, es geschehen kann, dass ein kleiner Affekt der Reue, der einstmals im Büßenden hervorgerufen worden ist, wegen der schweren Last der Genugtuung ausgelöscht würde und der Sünder gänzlich verzweifelte. Deshalb ist es besser, dass der Priester dem Büßer angibt, wieviel Buße er sich für die Sünden auferlegen soll; und er soll sich nur das Maß an Buße auferlegen, das der Büßer vernünftigerweise tragen kann; aufgrund ihrer Erfüllung gewöhnt sich der Büßer daran, Größeres zu erfüllen, was auch der Priester ihm aufzuerlegen nicht versucht hätte, Und das, was er über die ausdrücklich auferlegte Bürde hinaus tut, erhält größere Sühnekraft für die vergangene Schuld, und zwar aufgrund jener allgemeinen Auflage, in der der Priester spricht: was du auch Gutes tust, es gereiche dir zur Vergebung der Sünden. Deshalb ist es eine lobenswerte Gewohnheit, dass das von vielen Priestern gesprochen wird." </ref> .
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So kommt es, dass die Aufgabe, das "Sterben" Christi allzeit an Leib und Seele herumzutragen<ref>Vgl. 2 Kor 4,10.</ref> , das ganze Leben des Getauften zu jeder Zeit und in jeder Beziehung durchdringt.
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==II.==
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Der innere und religiöse Charakter der Buße ist sicher ihre wichtigste Eigenart, die auch immer wieder neue Formen in der Kirche ausprägt. Dennoch kann sie die äußere Übung dieser Tugend nicht ersetzen oder mindern, ja sie betont deren Notwendigkeit in der menschlichen Gesellschaft unserer Zeit mit besonderer Eindringlichkeit<ref>Vgl. Dekret über Dienst und Leben der Priester, "Presbyterorum ordinis", Art. 16: "Sie (die in neuer und vorzüglicher Weise Christus geweihten Priester) sollen vor allem die durch die Erfahrung der Kirche bewährten aszetischen Verhaltensweisen, die in der modernen Welt nicht weniger notwendig sind, befolgen." Vgl. Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute, "Gaudium et Spes", Art, 49: "Um die Pflichten dieser christlichen Berufung beständig zu erfüllen, ist ungewöhnliche Tugend erforderlich. Von daher müssen die Gatten, durch die Gnade zu heiligem Leben gestärkt, Festigkeit in der Liebe, Seelengröße und Opfergeist pflegen und im Gebet erbitten."
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Vgl. ebd" Art. 52.
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Vgl. Ansprache Pius' XII. an die Kardinäle, Erzbischöfe, Bischöfe und die übrigen Ortsordinarien aus Anlaß der dogmatischen Definition der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel, gehalten in Rom am 2. 11. 1950: AAS 42 (1950) 786-788.
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Vgl. Justin, Dialog mit dem Juden Tryphon 141,2-3: PG 6, 797-799 [BKV' 33, 1917, 229]: "."das heißt derjenige, welcher seine Sünden bereut und daher Nachlassung der Sünden von Gott erhält. Ihr jedoch wie noch mancher, der da eurer Gesinnung ist, belügt euch über diese Worte und legt sie also aus: mögen sie auch Sünder sein, so rechnet doch der Herr, wenn sie nur Gott kennen, ihnen ihre Sünde nicht an. Beweis für unsere Auslegung ist uns die eine Sünde Davids, in welche ihn sein Hochmut fallen ließ: die Sünde wurde dann nachgelassen, nachdem er sie so sehr beweint und beklagt hatte. So erzählt die Schrift. Wenn aber einem solchen Manne nicht, ehe er seine Sünde bereut hätte, Nachlassung gewährt wurde, sondern erst nachdem dieser große König, Gesalbter und Prophet in bekannter Weise geweint und gehandelt hatte, können dann die Unreinen und die ganz Verkommenen, ohne unter Weinen und Klagen Buße zu tun, Hoffnung haben, dass der Herr ihnen ihre Sünden nicht anrechne?"
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Vgl. 2. Klemensbrief 8,1-3: F. X. Funk, Die Apostolischen Väter I. Tübingen 21961, 192-194. </ref> . Darum ist die Kirche auch bemüht, die Zeichen der Zeit zu erkennen und neben Fasten und Abstinenz immer wieder neue Formen der Buße zu suchen, die zur Erreichung ihres Zweckes je nach den einzelnen Zeitverhältnissen besser geeignet und angepasst sind.
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Die echte Tugend der Buße darf die Übung der Aszese, die auch die körperliche Abtötung einschließt, nicht außer acht lassen; denn der ganze Mensch, Seele und Leib - ja sogar die vernunftlose Kreatur, wie die Heilige Schrift oft erwähnt<ref>Vgl. Jon 3,7 f. </ref> - muss sich dieser heiligen Übung hingeben, durch die alle geschaffenen Dinge die Heiligkeit und Majestät Gottes anerkennen.
  
 
[Fortsetzung folgt]
 
[Fortsetzung folgt]

Version vom 18. März 2014, 09:17 Uhr

Apostolische Konstitution
Paenitemini

unseres Heiligen Vaters
Paul VI.
über die kirchliche Fasten- und Bußdiziplin
17. Februar 1966

(Offizieller lateinischer Text AAS 58 [1966] 177-198)

(Quelle: Nachkonziliare Dokumentation – im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz, Band 2, lateinisch und deutscher Text, S. 6-47, Imprimatur No. 61/1967 Treveris, die 28 m. Junii 1967 Vicarius Generalis Dr. Hofmann. Anmerkungen sind eigene Übersetzungen aus: Dokumente zur Erneuerung der Liturgie, Band 1, Dokumente des Apostolischen Stuhls 1963 – 1973; Herausgegeben von Heinrich Rennings und Martin Klöckner, Verlag Butzon & Bercker Kevelaer 1983, Randnummern 604-635, S. 321-344 (nach dem „Enchiridion Documentorum Instaurationis Liturgicae“; ISBN 3-7666-9266-6)

Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


Paulus Bischof
Diener der Diener Gottes zur fortwährenden Erinnerung

"Tuet Buße und glaubet an das Evangelium <ref> Mk 1,15.</ref>." Diese Worte des Herrn müssen heute, so scheint Uns, wiederholt werden, da die Kirche nach dem glücklichen Ausgang des II. Allgemeinen Vatikanischen Konzils gleichsam rascheren Schrittes ihren Weg fortsetzt. Denn unter den schweren und drängenden Fragen, die Unsere Hirtensorge bewegen, steht, so meinen Wir, keineswegs an letzter Stelle die Aufgabe, alle Unsere Söhne, ja alle Menschen dieser Zeit, die ein religiöses Empfinden haben, über Inhalt und Bedeutung des göttlichen Gebotes der Buße zu belehren. Dass wir diese Verpflichtung tatsächlich erfüllen, dazu drängt Uns die vollere Kenntnis vom Wesen der Kirche, die das Konzil gebracht hat, und die enge Verbindung, die zwischen ihr und der Welt besteht.

Während des Konzils war ja die Kirche bemüht, das ihr eigene Geheimnis tiefer zu durchdenken, und hat so ihr eigentliches Wesen völlig neu überprüft. Sie hat die einzelnen Elemente dieses ihres Wesens, menschliche und göttliche, sichtbare und unsichtbare, vergängliche und unwandelbare, von Grund auf untersucht. Vor allem hat sie die Bande überprüft, durch die sie mit Christus und seinem Heilswerk verbunden ist, und dabei die Pflicht in helleres Licht gestellt, zu der all ihre Glieder von Gott her berufen sind, teilzunehmen an der Aufgabe Christi selbst, und zwar auch hinsichtlich der Sühne <ref>Vgl. Dogmatische Konstitution über die Kirche, "Lumen Gentium", Art. 5: " ... empfängt die Kirche, die mit den Gaben ihres Stifters ausgestattet ist und seine Gebote der Liebe, der Demut und der Selbstverleugnung treulich hält, die Sendung, das Reich Christi und Gottes anzukündigen und in allen Völkern zu begründen. So stellt sie Keim und Anfang dieses Reiches auf Erden dar"; ebd., Art. 8: "Wie aber Christus das Werk der Erlösung in Armut und Verfolgung vollbrachte, so ist auch die Kirche berufen, den gleichen Weg einzuschlagen, um die Heilsfrucht den Menschen mitzuteilen. Christus Jesus hat, ,obwohl er doch in Gottesgestalt war, ... sich selbst entäußert und Knechtsgestalt angenommen' (Phil 2,6); um unseretwillen ,ist er arm geworden, obgleich er doch reich war' (2 Kor 8,9). So ist die Kirche, auch wenn sie zur Erfüllung ihrer Sendung menschlicher Mittel bedarf, nicht gegründet, um irdische Herrlichkeit zu suchen, sondern um Demut und Selbstverleugnung auch durch ihr Beispiel auszubreiten."

Vgl. Dekret über das Apostolat der Laien, "Apostolicam Actuositatem", Art. 1. </ref> . Weiterhin ist sich die Kirche lebendiger bewußt geworden, dass sie, obschon nach Gottes Ratschluss heilig und untadelig <ref>Eph 5,27</ref>, doch aus Mitgliedern besteht, die sündig sind und deswegen der beständigen Bekehrung zu Gott und der Selbsterneuerung bedürfen <ref>Vgl. Dogmatische Konstitution über die Kirche, "Lumen Gentium", Art. 8: "Während aber Christus heilig, schuldlos, unbefleckt war (Hebr 7,26) und Sünde nicht kannte (2 Kor 5,21), sondern allein die Sünde des Volkes zu sühnen gekommen ist (vgl. Hebr 2,17), umfasst die Kirche Sünder in ihrem eigenen Schoße. Sie ist zugleich heilig und stets der Reinigung bedürftig, sie geht immerfort den Weg der Buße und Erneuerung."

Vgl. Dekret über den Okumenismus, "Unitatis Redintegratio", Art. 4: "Obgleich nämlich die katholische Kirche mit dem ganzen Reichtum der von Gott geoffenbarten Wahrheit und der Gnadenmittel beschenkt ist, ist es doch Tatsache, dass ihre Glieder nicht mit der entsprechenden Glut daraus leben, so dass das Antlitz der Kirche den von uns getrennten Brüdern und der ganzen Welt nicht recht aufleuchtet und das Wachstum des Reiches Gottes verzögert wird. Deshalb müssen alle Katholiken zur christlichen Vollkommenheit streben und, ihrer jeweiligen Stellung entsprechend, bemüht sein, dass die Kirche, die die Niedrigkeit und das Todesleiden Christi an ihrem Leibe trägt, von Tag zu Tag geläutert und erneuert werde, bis Christus sie sich dereinst glorreich darstellt, ohne Makel und Runzeln" (vgl. Eph 5,27); ebd., Art. 7: "Es gibt keinen echten Ökumenismus ohne innere Bekehrung. Denn aus dem Neuwerden des Geistes (vgl. Eph 4,23), aus der Selbstverleugnung und aus dem freien Strömen der Liebe erwächst und reift das Verlangen nach der Einheit. Deshalb müssen wir vom göttlichen Geist die Gnade aufrichtiger Selbstverleugnung, der Demut und des geduldigen Dienstes sowie der brüderlichen Herzensgüte zueinander erflehen"; ebd., Art. 8: "Diese Bekehrung des Herzens und die Heiligkeit des Lebens ist in Verbindung mit dem privaten und öffentlichen Gebet für die Einheit der Christen als die Seele der ganzen ökumenischen Bewegung anzusehen; sie kann mit Recht geistlicher Ökumenismus genannt werden." </ref> , und zwar nicht bloß der inneren und individuellen, sondern auch der äußeren und sozialen <ref>Vgl. Konstitution über die heilige Liturgie, "Sacrosanctum Concilium", Art. 110: "Die Buße der vierzigtägigen Fastenzeit sei nicht bloß eine innere und individuelle Übung, sondern auch eine äußere und soziale." </ref>. Schließlich hat die Kirche auch mit größerer Aufmerksamkeit ihre Aufgabe gegenüber dem irdischen Gemeinwesen bedacht <ref>Vgl. Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute, "Gaudium et Spes", verschiedentlich und besonders Art. 40. </ref> : indem sie nämlich die Menschen belehrt, auf welche Weise sie mit der Welt umgehen und den Dienst an ihr heiligen sollen, mahnt sie dieselbe zugleich zu heilsamer Enthaltsamkeit, die sie davor bewahren soll, dass sie sich auf ihrem Pilgerweg zum himmlischen Vaterland durch den Gebrauch der irdischen Dinge behindern lassen <ref>Vgl. 1 Kor 7,31: "Denn die Gestalt dieser Welt vergeht"; Röm 12,2: "Gleicht euch nicht dieser Welt an".

Vgl. Dekret über den Ökumenismus, "Unitatis Redintegratio", Art. 6: "Die Kirche wird auf dem Wege ihrer Pilgerschaft von Christus zu dieser dauernden Reform gerufen, deren sie allzeit bedarf, soweit sie menschliche und irdische Einrichtung ist".

Vgl. Dogmatische Konstitution über die Kirche, "Lumen Gentium", Art. 8: "Die Kirche ,schreitet zwischen den Verfolgungen der Welt und den Tröstungen Gottes auf ihrem Pilgerweg dahin' (Augustinus, De civ. Dei 17, 51,2: PL 41,614) und verkündet das Kreuz und den Tod des Herrn, bis er wiederkommt" (vgl. 1 Kor 11,26); ebd., Art. 9: "Auf ihrem Weg durch Prüfungen und Trübsal wird die Kirche durch die Kraft der ihr vom Herrn verheißenen Gnade Gottes gestärkt, damit sie in der Schwachheit des Fleisches nicht abfalle von der vollkommenen Treue, sondern die würdige Braut ihres Herrn verbleibe und unter der Wirksamkeit des Heiligen Geistes nicht aufhöre, sich selbst zu erneuern, bis sie durch das Kreuz zum Lichte gelangt, das keinen Untergang kennt."

Vgl. Pastoral konstitution über die Kirche in der Welt von heute, "Gaudium et Spes", Art. 37,39 und 93. </ref>

Diese Beweggründe veranlassen Uns, heute vor Unseren Söhnen die Worte zu wiederholen, die Petrus gleich nach dem Pfingstereignis in seiner Ansprache an das Volk gerichtet hat: "Tuet Buße ... zur Vergebung eurer Sünden ... <ref>Apg 2,38. </ref>"; und was Paulus einst den heidnischen Bewohnern von Lystra verkündete, wollen Wir heute allen Völkern kundtun: "Bekehret euch zu dem lebendigen Gott <ref>Apg 14,14; vgl. Ansprache Pauls VI. vor der Versammlung der Vereinten Nationen vom 4. 10. 1965: AAS 57 (1965) 885. </ref>."


I.

Als die Kirche auf dem Konzil aufmerksamer die Berührungspunkte erwog, die sie mit den von ihrer Gemeinschaft getrennten Brüdern und darüber hinaus auch mit den nichtchristlichen Religionen verbindet, konnte sie mit Genugtuung feststellen, dass die Buße fast allüberall in hoher Wertschätzung steht, sie ist ebenso eng verknüpft mit dem religiösen Empfinden, von dem das Leben der Urvölker geprägt ist, wie mit den verfeinerten Vorstellungen, die sich bei den höheren Religionsformen auf fortgeschrittener Kulturstufe finden <ref>Vgl. Erklärung über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen, "Nostra Aetate", Art. 2: "So erforschen im Hinduismus die Menschen das göttliche Geheimnis ... und suchen durch aszetische Lebensformen oder tiefe Meditation oder liebend-vertrauende Zuflucht zu Gott Befreiung von der Enge und Beschränktheit unserer Lage. In den verschiedenen Formen des Buddhismus wird das radikale Ungenügen der veränderlichen Welt anerkannt und ein Weg gelehrt, auf dem die Menschen mit frommem und vertrauendem Sinn entweder den Zustand vollkommener Befreiung zu erreichen oder - sei es durch eigene Bemühung, sei es vermittels höherer Hilfe - zur höchsten Erleuchtung zu gelangen vermögen"; ebd., Art. 3: "Mit Hochachtung betrachtet die Kirche auch die Muslim, die den alleinigen Gott anbeten ... und ihn besonders durch Gebet, Almosen und Fasten verehren". </ref> .

Im Alten Testament tritt der religiöse Charakter der Buße noch klarer zutage. Mögen die Menschen auch Buße leisten, um den Unwillen Gottes nach der Sünde zu besänftigen <ref>Vgl. 1 Sam 7,6: (Die Israeliten, die von Gott gezüchtigt worden sind, weil sie den Baal und die Astarte angebetet haben,) "versammelten sich in Mizpa .... Sie fasteten an diesem Tag und klagten: Wir haben uns gegen den Herrn versündigt. .....

Vgl. 1 Kön 21,20.27: (Elija spricht zu Ahab.) "Weil du dich hergabst, das zu tun, was dem Herrn missfällt, werde ich Unheil über dich bringen .... Als Ahab diese Drohungen hörte, zerriss er seine Kleider, trug ein Bußgewand auf dem bloßen Leib, fastete, schlief im Bußgewand und ging bedrückt umher."

Vgl. Jer 36,9: ,,'" hatte man ... alles Volk ... zu einem Fasten vor dem Herrn aufgerufen."

Vgl. Jon 3,4f: "Jona ... rief: Noch vierzig Tage und Ninive ist zerstört! Und die Leute von Ninive glaubten Gott. Sie riefen ein Fasten aus, und alle, groß und klein, zogen Bußgewänder an." </ref> , oder weil sie vom Unglück heimgesucht sind <ref>Vgl. 1 Sam 31,13: (Nachdem die Philister den Israeliten eine schwere Niederlage beigebracht hatten,) "begruben sie (die Israeliten) ihre Gebeine unter der Tamariske in Jabesch und fasteten sieben Tage lang."

Vgl. 2 Sam 1,11 f: (Als er die Botschaft vom Tode Sauls und Jonathans hörte,) "fasste David sein Gewand und zerriss es, und ebenso machten es alle seine Männer. Sie klagten und weinten ... , und sie fasteten bis zum Abend."

Vgl. ebd. 3,35: (Nach Abners Tod) "schwor David: Gott soll mich strafen, wenn ich, ehe die Sonne untergeht, ein Stück Brot oder etwas anderes esse." Vgl. Bar 1,3-5: "Baruch verlas den Wortlaut dieses Buches vor dem König von Juda Jojachin ... und vor dem ganzen Volk .... Da weinten, fasteten und flehten sie vor dem Herrn."

Vgl. Ri 20,26: (Nach der Niederlage der Israeliten gegen die Benjamiter) "zog das ganze Heer der Israeliten nach Bet-El hinauf; dort saßen sie klagend vor dem Herrn und fasteten den ganzen Tag bis zum Abend ...... </ref> oder drohendes schlimmes Unheil befürchten <ref>Vgl. Jdt 4,8.12 (Holofernes führte Krieg und bedrohte die Israeliten, die in Judäa wohnten.) "Alle Männer Israels aber flehten Gott inständig an, taten Buße unter strengem Fasten ... und der Herr hörte ihr Rufen und sah auf ihre Not. Das Volk fastete mehrere Tage lang ......

Vgl. Est 4,15 f: "Ester (die zum König gehen will, um für ihr Volk um Gnade zu bitten,) ließ Mordechai antworten: Geh und rufe alle Juden zusammen, die in Susa leben! Fastet für mich! Esst und trinkt drei Tage und Nächte lang nichts! Auch ich und meine Dienerinnen wollen ebenso fasten."

Vgl. Ps 35,13: "Ich aber zog ein Bußkleid an, als sie erkrankten, und quälte mich ab mit Fasten."

Vgl. 2 Chr 20,3: "Joschafat geriet in Furcht; er beschloss, den Herrn zu befragen, und ließ in ganz Juda ein Fasten ausrufen." </ref>, oder um göttliche Wohltaten zu erlangen<ref>Vgl. 1 Sam 14,24: "Da drohte Saul dem Volk und sagte: Verflucht sei jeder, der etwas isst, ehe es Abend wird und ich mich an meinen Feinden gerächt habe. Das Volk aß also bis zum Abend nichts,"

Vgl. 2 Sam 12,16: "Da flehte David wegen des Kindes zu Gott, fastete und schlief nachts auf der bloßen Erde"; vgl. ebd. 12,22.

Vgl. Esr 8,21: "Dann rief ich dort am Fluss bei Ahawa ein Fasten aus; so wollten wir uns vor unserem Gott beugen und von ihm eine glückliche Reise erbitten für uns, unsere Familien und die ganze Habe," </ref> , so pflegen sie doch dabei das äußere Bußwerk mit einer inneren Haltung der Bekehrung zu Gott zu verbinden, so dass sie das Herz von der Sünde abkehren und mit neuem Auftrieb zu Gott hinwenden<ref>In den oben genannten Stellen wird der innere Charakter der Buße deutlich herausgestellt: vgl. 1 Sam 7,3: "Wenn ihr euch von ganzem Herzen zum Herrn bekehren wollt ... , wendet euch ihm zu und dient nur ihm, dann wird er euch aus der Hand der Philister befreien,"

Vgl. Jer 36,6f: "So geh du hin und lies am Fasttag aus der Rolle , .. dem Volk im Tempel die Worte des Herrn vor", Vielleicht flehen sie vor dem Herrn um Erbarmen und kehren um, jeder von seinem bösen Weg".

Vgl. Bar 1,17 f: " ... denn wir haben gegen den Herrn gesündigt und ihm nicht gehorcht. Wir haben auf die Stimme des Herrn, unseres Gottes, nicht gehört und die Gebote nicht befolgt, die der Herrn uns vorgelegt hat."

Vgl. Jdt 8,17: "Darum wollen wir die Rettung von ihm erwarten und ihn um Hilfe anrufen. Er wird unser Flehen erhören, wenn es seinem Willen entspricht."

Vgl. Jon 3,8: "Jeder soll ... sich von seinen bösen Taten abwenden und von dem Unrecht .. ,",

Vgl. Sach 8,19-21: "So spricht der Herr der Heere. Das Fasten", werden für das Haus Juda Tage des Jubels und der Freude und froher Feste sein" " und die Einwohner der einen Stadt werden zur anderen gehen und sagen: Wir wollen gehen, um den Zorn des Herrn zu besänftigen und den Herrn der Heere zu suchen! - Auch ich will hingehen!" </ref> . Ja, auch nach erlangter Vergebung der Sünden, wenn auch keine Gabe von Gott zu erbitten ist, enthalten sie sich der Speisen und geben ihre Güter hin; Fasten pflegt ja immer begleitet zu werden mit Lob- und Bittgebeten zu Gott und Werken der Nächstenliebe<ref>Vgl. Jes 58,6f: "Nein, das ist ein Fasten, wie ich es liebe: ... den Hungrigen dein Brot zu geben, die Armen aufzunehmen, die keine Wohnung haben, wenn du einen Nackten siehst, ihn zu bekleiden und deinen Bruder nicht im Stich zu lassen."

Vgl. Tob 12,8f: "Es ist gut, zu beten und zu fasten, barmherzig und gerecht zu sein. Lieber wenig, aber gerecht, als viel und ungerecht. Besser, barmherzig sein als Gold aufhäufen. Denn Barmherzigkeit rettet vor dem Tod und reinigt von jeder Sünde. Wer barmherzig und gerecht ist, wird lange leben." </ref> . Denn sie üben das Fasten und legen Bußgewänder an, um "ihre Seele" zu kasteien<ref>Vgl. Lev 16,31: " .. , und ihr sollt euch Enthaltung auferlegen. Das gelte als feste Regel." </ref> , um sich vor Gott zu verdemütigen<ref>Vgl. Dan 10,12: "Dann sagte er zu mir: Fürchte dich nicht, Daniel! Schon vom ersten Tag an, als du dich um Verständnis bemühtest und dich deswegen vor deinem Gott beugtest, wurden deine Worte gehört." </ref>, um ihr Angesicht zu Gott zu wenden<ref>Vgl. Dan 9,3: "Ich richtete mein Gesicht zu Gott, dem Herrn, um ihn mit Gebet und Flehen, bei Fasten in Sack und Asche, zu bitten," </ref>, um sich leichter auf Gebetsübungen einzustimmen<ref>Vgl. ebd, </ref>, um die göttlichen Dinge besser zu verstehen<ref>Vgl. Ex 34,28: "Mose blieb dort beim Herrn vierzig Tage und vierzig Nächte. Er aß kein Brot und trank kein Wasser." </ref>, um bereit zu werden zur Begegnung mit Gott<ref>Vgl. Sach 7,5: "Ihr habt gefastet und Klage abgehalten ". - aber bin ich es, für den ihr so streng gefastet habt?" </ref>. So ist die Buße bereits im Alten Testament ein frommes und ganz persönliches Tun, das letztlich dahin zielt, dass wir Gott lieben und uns ihm völlig anheim geben. Nicht für uns, nein, für Gott müssen wir fasten<ref>Vgl. Jes 58,4. </ref> . Dieser Charakter muss jeglicher Form der Buße eignen, auch dann, wenn sie sich in gesetzlich vorgeschriebenen und geordneten Riten vollzieht. Wo das nicht verwirklicht wird, gilt die Klage des Herrn: "Fastet nicht, wie ihr es bis zu diesem Tag getan habt, damit im Himmel euer Rufen gehört werde . . . Zerreißt eure Herzen und nicht eure Kleider … <ref>Joel 2,13. Vgl. Jes 58,5 f: "Ist das ein richtiger Bußtag: wenn man den Kopf hin- und herwiegt, wie ein Schilfrohr sich wiegt und sich mit einem Sack und mit Asche bedeckt? Nennst du das ein Fasten und einen Tag, der dem Herrn gefällt? Nein, das ist ein Fasten, wie ich es liebe: die Fesseln Unschuldiger zu lösen, die Stricke des Jochs zu entfernen, die Versklavten freizulassen, jedes Joch zu zerbrechen".

Vgl. Am 5; Jes 1,13-20; Jer 14,12; Sach 7,4-14; Tob 12,8; Ps 50,18 f; usw. </ref>."

Im Alten Testament fehlt auch nicht der so genannte soziale Charakter der Buße. Denn aus den alttestamentlichen Bußriten wird nicht nur ein gemeinsames Sündenbewusstsein deutlich, sondern auch die Buße als Bedingung für die Zugehörigkeit zum Gottesvolk erkennbar<ref>Vgl. Lev 23,29: "Jede Person, die sich an diesem Tag nicht Enthaltung auferlegt, soll aus ihren Stammesgenossen ausgerottet werden." </ref> .

Man braucht ferner nur darauf hinzuweisen, dass die Buße auch vor der Ankunft Christi als Mittel und Zeichen der Heiligkeit und Vollkommenheit angesehen wurde, wie Judith<ref>Vgl. Jdt 8,6. </ref>, Daniel<ref>Vgl. Dan 10, 3 </ref>, die Prophetin Anna und viele hervorragende Männer und Frauen beweisen, "die unter Fasten und Beten (Gott) dienten Tag und Nacht<ref>Vgl. Lk 2,37; Sir 31,12,17-19; 37,32-34. </ref>", "in Freude und Wonne<ref>Vgl. Sach 8,19; Mt 6,17. </ref>".

Aus dem Alten Testament wird schließlich offenbar, dass gerechte Menschen durch ihre Buße Sühne geleistet haben für die Sünden der ganzen menschlichen Gemeinschaft. Unter ihnen verdient Moses besondere Erwähnung, der vierzig Tage gefastet hat, um Gott wegen der Schuld des ungetreuen Volkes zu versöhnen<ref>Vgl. Dtn 9,9.18; Ex 24,18 </ref>. Unter diesem Gesichtspunkt wird uns vor allem der "Knecht Gottes" geschildert, "der unsere Krankheiten ... auf sich genommen" und "auf den der Herr gelegt ... unser aller Missetat<ref>Vgl. Jes 53,4-11. </ref>".

Aber das alles war zeichenhaft für das Zukünftige<ref>Vgl. Hebr 10,1. </ref>. Denn die Buße, die eine durch die religiöse Erfahrung der gesamten Menschheit erwiesene notwendige Voraussetzung für das innere Leben darstellt und dazu durch ein besonderes Gebot der göttlichen Offenbarung eingeschärft wird, gewinnt in Christus und der Kirche völlig neue, und zwar sehr tiefe Bedeutungsinhalte.

Christus, der immer in seinem Leben damit begann, erst zu tun und dann zu lehren, hat, bevor er sein Amt antrat, vierzig Tage und vierzig Nächte in Gebet und Fasten verbracht. Ebenso machte er den Anfang seines öffentlichen Wirkens zwar mit der Frohen Botschaft: "das Reich Gottes hat sich genaht"; doch sofort fügte er das Gebot an: "Tuet Buße und glaubet an das Evangelium<ref>Mk 1,15. </ref>." Diese Worte sind sozusagen der Inbegriff und die Zusammenfassung des ganzen christlichen Lebens. In das Reich Christi darf man nur eintreten durch Metanoia, das heißt durch eine tiefgreifende Wandlung des ganzen Menschen, kraft deren er neu zu denken, zu urteilen und sein Leben zu gestalten beginnt, ergriffen von der Heiligkeit und Liebe Gottes, die zuletzt durch seinen Sohn offenbart und uns in ihrer Fülle zuteil geworden sind<ref>Vgl. Hebr 1,2; Kol 1,19 und weitere Stellen. Eph 1,23 und weitere Stellen. </ref>.

Die Einladung des Sohnes Gottes zum Vollzug dieser Metanoia wirkt um so drängender, weil er nicht nur dazu ermahnt, sondern auch selbst ein Beispiel der Buße gibt. Denn Christus hat den Büßenden das größte Beispiel dadurch gegeben, dass er nicht für eine eigene Sünde Strafe erleiden wollte, sondern für die Sünden der anderen<ref>Vgl. Summa Theologica III, q. 15, a. 1, ad 5. </ref>.

Vor das Angesicht Christi gestellt, wird der Mensch mit neuem Licht erfüllt und erkennt so die Heiligkeit Gottes und zugleich die Bosheit der Sünde<ref>Vgl. Lk 5,8; 7,36-50.</ref>. Durch Christi Wort wird ihm die Botschaft übermittelt, durch die ihm die Bekehrung zu Gott angeboten und die Verzeihung der Sünden gewährt wird. Diese Gnadengeschenke erlangt Er in ihrer Fülle durch die Taufe, die den Menschen gleichgestaltet zur Ähnlichkeit des Leidens, des Sterbens und der Auferstehung des Herrn<ref>Vgl. Röm 6,3-11; KoI2,11-15; 3,1-4. </ref> und von daher seinem ganzen Leben gleichsam das Siegel dieses Geheimnisses aufprägt.

Den Spuren des göttlichen Meisters folgend, muss jeder, der sich Christ nennt, sich selbst verleugnen, sein Kreuz auf sich nehmen und an Christi Leiden teilhaben. Wie er so in das Bild seines Todes umgestaltet wird, kann er auch die Herrlichkeit der Auferstehung verdienen<ref>Vgl. Phil 3,10 f; Röm 8,17. </ref>. Weiterhin darf er danach nicht mehr für sich leben<ref>Vgl. Röm 6,10; 14,8; 2 Kor 5,15; Phill, 21. </ref>, sondern für Gott, der ihn geliebt und sich selbst für ihn dahin gegeben hat<ref>Gal 2, 20.

Vgl. Dogmatische Konstitution über die Kirche, "Lumen Gentium", Art. 7: "Alle Glieder müssen ihm gleichgestaltet werden, bis Christus Gestalt gewinnt in ihnen (vgL Gal 4,19). Deshalb werden wir aufgenommen in die Mysterien seines Erdenlebens, sind ihm gleichgestaltet, mit ihm gestorben und mit ihm auferweckt, bis wir mit ihm herrschen werden (vgl. Phil 3,21; 2 Tim 2, 11; Eph 2,6; Kol 2,12 usw.). Solange wir auf Erden in Pilgerschaft sind und in Bedrängnis und Verfolgung ihm auf seinem Weg nachgehen, werden wir - gleichwie der Leib zum Haupt gehört - in sein Leiden hineingenommen; wir leiden mit ihm, um so mit ihm verherrlicht zu werden (vgl. Röm 8,17)," </ref> ; leben muss er auch für die Brüder, "damit er an seinem Fleische ersetzt, was dem Leiden Christi noch mangelt ... für seinen Leib, der da die Kirche ist<ref>Vgl. Kol 1,24.

Vgl. Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche, "Ad gentes", Art. 36: "Aus diesem erneuerten Geiste werden spontan Gebete und Bußwerke Gott dargebracht werden, damit seine Gnade die Arbeit der Missionare befruchte" ... , VgL Dekret über die Ausbildung der Priester, "Optatam totius", Art. 2, </ref>".

Hinzu kommt, dass die Kirche ja in der innigsten Weise mit Christus verbunden ist und deshalb die Buße eines jeden Gläubigen eine gewisse innere Beziehung zur gesamten menschlichen Gemeinschaft hat. Denn es ist nicht so, dass man in der Kirche nur durch die Taufe die grundlegende Gnadengabe der Metanoia empfängt; in der Kirche wird dieselbe Gnadengabe auch erneuert und gestärkt durch das Sakrament der Buße. "Die (aber) zum Sakrament der Buße hinzutreten, erhalten für ihre Gott zugefügten Beleidigungen von seiner Barmherzigkeit Verzeihung und werden zugleich mit der Kirche versöhnt, die sie durch ihre Sünde verwundet haben und die zu ihrer Bekehrung durch Liebe, Beispiel und Gebet mitwirkt<ref>Vgl. Dogmatische Konstitution über die Kirche, "Lumen Gentium", Art, 11: "Die aber zum Sakrament der Buße hinzutreten, erhalten für ihre Gott zugefügten Beleidigungen von seiner Barmherzigkeit Verzeihung und werden zugleich mit der Kirche versöhnt, die sie durch die Sünde verwundet haben und die zu ihrer Bekehrung durch Liebe, Beispiel und Gebet mitwirkt. Durch die heilige Krankensalbung und das Gebet der Priester empfiehlt die ganze Kirche die Kranken dem leidenden und verherrlichten Herrn, dass er sie aufrichte und rette (vgl. Jak 5,14-16), ja sie ermahnt sie, sich bewusst, dem Leiden und dem Tode Christi zu vereinigen (vgl. Röm 8,17; Kol 1,24; 2 Tim 2,11-12; 1 Petr 4, 13) und so zum Wohle des Gottesvolkes beizutragen."

Vgl. Dekret über Dienst und Leben der Priester, "Presbyterorum ordinis", Art. 5: "Die Priester leiten darum die Gläubigen an, die göttliche Opfergabe in der Messfeier Gott dem Vater darzubringen und mit ihr die Hingabe ihres eigenen Lebens zu verbinden. Sie unterweisen sie im Geist Christi des Hirten, ihre Sünden reumütig der Kirche im Sakrament der Buße zu unterwerfen, so dass sie sich ständig mehr zum Herrn bekehren"."; ebd., Art. 6: "Eine kirchliche Gemeinschaft bezeigt darüber hinaus durch Liebe, Gebet, Beispiel und Buße eine echte Mütterlichkeit, um Menschen zu Christus zu führen." </ref>." In der Kirche erhält schließlich in einer besonderen Weise auch das geringe Bußwerk aus der übernatürlichen Sühneleistung Christi Anteil, das den einzelnen Büßenden im Bußsakrament auferlegt wird, und mit diesem stehen kraft allgemeiner kirchlicher Anordnung zutiefst auch die übrigen Werke in Verbindung, die der Gläubige tut, leidet und erträgt<ref>Vgl. Thomas v. Aquin, Quaestiones Quodlib., 111, q. 13, a. 28: "Es scheint aber recht angemessen zu sein, dass der Priester den Büßenden nicht mit der vollen Last der Genugtuung belastet, weil, wie ein kleines Feuer von vielen darübergelegten Holzscheiten leicht ausgelöscht wird, es geschehen kann, dass ein kleiner Affekt der Reue, der einstmals im Büßenden hervorgerufen worden ist, wegen der schweren Last der Genugtuung ausgelöscht würde und der Sünder gänzlich verzweifelte. Deshalb ist es besser, dass der Priester dem Büßer angibt, wieviel Buße er sich für die Sünden auferlegen soll; und er soll sich nur das Maß an Buße auferlegen, das der Büßer vernünftigerweise tragen kann; aufgrund ihrer Erfüllung gewöhnt sich der Büßer daran, Größeres zu erfüllen, was auch der Priester ihm aufzuerlegen nicht versucht hätte, Und das, was er über die ausdrücklich auferlegte Bürde hinaus tut, erhält größere Sühnekraft für die vergangene Schuld, und zwar aufgrund jener allgemeinen Auflage, in der der Priester spricht: was du auch Gutes tust, es gereiche dir zur Vergebung der Sünden. Deshalb ist es eine lobenswerte Gewohnheit, dass das von vielen Priestern gesprochen wird." </ref> .

So kommt es, dass die Aufgabe, das "Sterben" Christi allzeit an Leib und Seele herumzutragen<ref>Vgl. 2 Kor 4,10.</ref> , das ganze Leben des Getauften zu jeder Zeit und in jeder Beziehung durchdringt.

II.

Der innere und religiöse Charakter der Buße ist sicher ihre wichtigste Eigenart, die auch immer wieder neue Formen in der Kirche ausprägt. Dennoch kann sie die äußere Übung dieser Tugend nicht ersetzen oder mindern, ja sie betont deren Notwendigkeit in der menschlichen Gesellschaft unserer Zeit mit besonderer Eindringlichkeit<ref>Vgl. Dekret über Dienst und Leben der Priester, "Presbyterorum ordinis", Art. 16: "Sie (die in neuer und vorzüglicher Weise Christus geweihten Priester) sollen vor allem die durch die Erfahrung der Kirche bewährten aszetischen Verhaltensweisen, die in der modernen Welt nicht weniger notwendig sind, befolgen." Vgl. Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute, "Gaudium et Spes", Art, 49: "Um die Pflichten dieser christlichen Berufung beständig zu erfüllen, ist ungewöhnliche Tugend erforderlich. Von daher müssen die Gatten, durch die Gnade zu heiligem Leben gestärkt, Festigkeit in der Liebe, Seelengröße und Opfergeist pflegen und im Gebet erbitten."

Vgl. ebd" Art. 52.

Vgl. Ansprache Pius' XII. an die Kardinäle, Erzbischöfe, Bischöfe und die übrigen Ortsordinarien aus Anlaß der dogmatischen Definition der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel, gehalten in Rom am 2. 11. 1950: AAS 42 (1950) 786-788.

Vgl. Justin, Dialog mit dem Juden Tryphon 141,2-3: PG 6, 797-799 [BKV' 33, 1917, 229]: "."das heißt derjenige, welcher seine Sünden bereut und daher Nachlassung der Sünden von Gott erhält. Ihr jedoch wie noch mancher, der da eurer Gesinnung ist, belügt euch über diese Worte und legt sie also aus: mögen sie auch Sünder sein, so rechnet doch der Herr, wenn sie nur Gott kennen, ihnen ihre Sünde nicht an. Beweis für unsere Auslegung ist uns die eine Sünde Davids, in welche ihn sein Hochmut fallen ließ: die Sünde wurde dann nachgelassen, nachdem er sie so sehr beweint und beklagt hatte. So erzählt die Schrift. Wenn aber einem solchen Manne nicht, ehe er seine Sünde bereut hätte, Nachlassung gewährt wurde, sondern erst nachdem dieser große König, Gesalbter und Prophet in bekannter Weise geweint und gehandelt hatte, können dann die Unreinen und die ganz Verkommenen, ohne unter Weinen und Klagen Buße zu tun, Hoffnung haben, dass der Herr ihnen ihre Sünden nicht anrechne?"

Vgl. 2. Klemensbrief 8,1-3: F. X. Funk, Die Apostolischen Väter I. Tübingen 21961, 192-194. </ref> . Darum ist die Kirche auch bemüht, die Zeichen der Zeit zu erkennen und neben Fasten und Abstinenz immer wieder neue Formen der Buße zu suchen, die zur Erreichung ihres Zweckes je nach den einzelnen Zeitverhältnissen besser geeignet und angepasst sind.

Die echte Tugend der Buße darf die Übung der Aszese, die auch die körperliche Abtötung einschließt, nicht außer acht lassen; denn der ganze Mensch, Seele und Leib - ja sogar die vernunftlose Kreatur, wie die Heilige Schrift oft erwähnt<ref>Vgl. Jon 3,7 f. </ref> - muss sich dieser heiligen Übung hingeben, durch die alle geschaffenen Dinge die Heiligkeit und Majestät Gottes anerkennen.

[Fortsetzung folgt]

Anmerkungen

<references />