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Version vom 17. Juli 2006, 00:05 Uhr
Inhaltsverzeichnis
Biografie
Priester und Bischof
Giovanni Battista Montini wurde am 26. September 1897 in dem kleinen Ort Concesio, nahe der norditalienischen Bischofsstadt Brescia, als Sohn des Journalisten, Verlegers und späteren Abgeordneten Giorgio Montini (1861 - 1943) und Giuditta Alghisi (1874 - 1949) geboren. Er hatte zwei Brüder, Ludovico (1896) und Francesco (1900). Nach dem Abitur 1916 in Brescia besuchte er das Priesterseminar der Stadt, seiner schwachen Gesundheit wegen durfte er jedoch fast durchgehend zuhause wohnen. Bischof Giacinto Gaggia von Brescia erteilte Montini am 29. Mai 1920 in der Kathedrale die Priesterweihe.
Anschließend führte Montini seine Studien in Mailand fort, wo er im selben Jahr zum Doktor des Kirchenrechtes promovierte. Im November 1920 wechselte er nach Rom, wo er sich an der Gregoriana und der staatlichen Universität immatrikulierte. Im Jahr darauf besuchte Montini die päpstliche Diplomatenakademie, worauf eine steile Kirchenlaufbahn begann.
Im Mai 1923 wurde Montini für einige Monate als Beigeordneter an die Apostolische Nuntiatur in Warschau entsandt. Nach seiner gesundheitsbedingt frühen Rückkehr nach Rom holte ihn Substitut Mons. Giuseppe Pizzardo im Oktober 1924 in das päpstliche Staatssekretariat. Zugleich übernahm Montini die Funktion des geistlichen Assistenten der katholischen Studenten (FUCI)in Rom, von 1925 bis 1933 auch auf nationaler Ebene. Pizzardo, der zukünftige Kardinal, förderte den jungen Montini in den Folgejahren konsequent. Im Staatssekretariat lernte Montini auch Domenico Tardini kennen, dessen Lebensweg über lange Zeit parallel zu seinem eigenen verlaufen sollte. Nach Abschluss weiterer theologischer Studien lehrte Montini seit 1931 als Dozent für Geschichte an der päpstlichen Diplomatenakademie.
Schon 1925 wurde Montini Minutant, also leitender Beamter, im Staatssekretariat. Papst Pius XI. ernannte ihn am 13. September 1937 zum Substituten im Staatssekretariat. Damit war er Stellvertreter von Staatssekretär Kardinal Eugenio Pacelli, der zwei Jahre darauf unter dem Namen Pius XII. neuer Papst wurde. Zeitgleich mit Montinis Beförderung wurde Mons. Tardini Sekretär für die außerordentlichen kirchlichen Angelegenheiten und damit für die römischen Außenbeziehungen zuständig, während der Substitut einem Innenminister vergleichbar ist.
Als Pacellis Nachfolger, Kardinal Luigi Maglione, 1944 starb, ernannte Pius XII. weder Montini noch Tardini zum neuen Staatssekretär, sondern übernahm diese Funktion bis zu seinem Tod 1958 selbst. Beide Prälaten beförderte er für ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereich am 29. November 1952 zu Pro-Staatssekretären, ohne sie jedoch in den Bischofsrang zu erheben.
Schließlich ernannte Pius XII. Monsignore Montini, einen seiner engsten und längsten Mitarbeiter, am 1. November 1954 als Nachfolger des großen Ildefonso Schuster zum neuen Erzbischof von Mailand. Obwohl dieser Sitz einer der ältesten und der bedeutendste ganz Italiens ist, kam sofort die Vermutung auf, der Papst habe Montini auf Betreiben seiner Gegner in der Kurie "weggelobt". Tatsächlich verzichtete Pius XII. in den nächsten vier Jahren auf die Kreierung neuer Kardinäle, um bewusst keinen Nachfolger zu "designieren". Trotzdem erhielt Erzbischof Montini beim kommenden Konklave einige "Proteststimmen". Er hatte sich in Mailand als neuen pastoralen Methoden aufgeschlossener "Erzbischof der Arbeiter" profiliert, so dass eine Wahl zum nächsten Pontifex nicht mehr wahrscheinlich war. Glaubwürdigen Berichten zufolge hat Montini die Kardinalswürde, die Pius XII. ihm 1952 antrug, aus freiem Willen abgelehnt. Manche unterstellen dem Papst aber das Ziel, die Wahlchancen des päpstlichen "Kronprinzen" Giuseppe Siri von Genua zu stärken. Da sich Pius XII. über den Ernst der Situation der Kirche im klaren war ist es jedoch eher wahrscheinlich, dass er, anders als sein Vorgänger zu seinen Gunsten, das Konklave in keinerlei Richtung präjudizieren wollte, sondern bewusst eine Zäsur riskierte.
Kardinal Eugène Tisserant erteilte Erzbischof Montini am 12. Dezember 1954 im Petersdom die Bischofsweihe, und am 6. Januar 1955 erfolgte die Inbesitznahme der Kathedra. Die Mailänder Jahre fanden ihren Höhepunkt in einer großen Volksmission im Jahr 1957. Im Jahr darauf starb Pius XII., und obgleich auch Montinis Name im Konklave gegenwärtig war, konzentrierte sich das Konklave auf Kardinal Siri und Kardinal Agagianian; da diese sich gegenseitig blockierten, wurde schließlich Angelo Giuseppe Roncalli, der Patriarch von Venedig, unter dem Namen Johannes XXIII. zum Papst gewählt. In seinem ersten Konsistorium am 15. Dezember 1958 nahm er Erzbischof Montini als den ersten seiner Kardinäle in den Senat der Kirche auf und übertrug ihm die Titelkirche Ss. Silvestro e Martino ai Monti. Gemeinsam mit Montini erhielt auch der zum Staatssekretär ernannte Tardini den Purpur.
Das Pontifikat
Nach der ersten Sitzungsperiode des von ihm einberufenen Zweiten Vatikanischen Ökumenischen Konzil starb Johannes XXIII. am 3. Juni 1963. Kardinal Montini ging nunmehr, auch dank zahlreicher neuer Kardinalserhebungen, als hoher Favorit in das Konklave, und am 21. Juni erfolgte seine Wahl durch 80 Wähler im 5. Wahlgang zum neuen Bischof von Rom. Er wählte den Namen Paul VI. Am 30. Juni 1963 setzte Kardinal Alfredo Ottaviani ihm auf der Piazza von St. Peter die Tiara auf. Im Jahr darauf legte Papst Paul die Tiara, ein Geschenk der Mailänder Diözesanen, auf dem Altar der Peterskirche nieder. Sie wurde zu Gunsten der Armen vom Immakulata-Heiligtum zu Washington (USA) erworben, wo sie noch heute ausgestellt ist. Er ist der letzte Pontifex, der sich hat krönen lassen, da sein Nachfolger dieses Ritual abschaffte.
Das Konzil, dessen Zielsetzung durch Johanes XXIII. er als vom Hl. Geist inspiriert ansah, setzte Paul VI. ohne Zögern fort und eröffnete am 29. September 1963 die zweite Sitzungsperiode. Während des Konzils reist der Papst ins Heilige Land und nach New York an den Sitz der Vereinten Nationen sowie nach Bomba in Indien, um die Ansdichten der Bischofsversammlung durch päpstliche Gesten zu unterstreichen. Am 8. Dezember 1965 schloss er die größte Kirchenversammlung der Geschichte ab und trug Sorge für die Umsetzung der Beschlüsse in den Alltag der Ortskirchen. Er nahm eine vorsichtig fortschrittliche Position ein. Im Verlauf des Konzils setzte er sich jedoch mehrfach für berechtigte Anliegen der konservativen Minderheit ein, insbesondere um den Charakter der katholischen Kirche als "Papstkirche" und die Autorität des geistlichen Amtes zu bewahren. Die vom Konzil im Konsens gewünschte Anpassung der Liturgie an die neue Zeit machte sich Paul VI zum persönlichen Anliegen, das mit größtem Nachdruck, sogar über die Texte des Konzils hinaus, fortgesetzt wurde.
Paul VI. veröffentlichte sieben Enzykliken: "Ecclesiam Suam" (1964), "Mense Maio" und "Mysterium fidei" (1965), "Christi matri" (1966), "Populorum progressio" und "Sacerdotalis coelibatus" (1967), und, als letzte und am meisten diskutierte, "Humanae vitae" (1968). Während die beiden marianischen Rundbriefe von 1965 und 1966 die Marienverehrung im Mai und im Oktober (für den Frieden der Welt) betonen, widmen sich die fünf weiteren Lehrschreiben allesamt thematischen Komplexen, die vom Konzil nicht mit dieser Detailgenauigkeit bearbeitet werden konnten. Priesterzölibat und Ehelehre hatte sich der Papst vorbehalten, mit Ecclesiam suam und Populorum progressio zwei katjhoplische Programmschriften "ad intra" und "ad extra" formuliert, deren Tragweite bis heute nicht wirklich rezipiert zu sein scheint. Die nachkonziliare Krise wäre milder verlaufen, hätten Theologen, Bischöfe und Klerus der Antrittsenzyklika von 1964 den geschuldeten Gehorsam erwiesen.
Nachdem Johannes XXIII. eine erste Reise innerhalb Italiens unternommen hatte (nach Assisi und Loreto), führte Papst Paul diese Seelsorgepraxis weiter und unternahm als erster Papst seit dem Untergang des Kirchenstaates 1870 auch Auslandsreisen. Sie führten ihn in das Heilige Land (1964; Amman, Bethanien, Jerusalem, Bireh, Ta Anach, Megiddo, Nazareth, Kanaa, Tabgha, See Genezareth, Kapharnaum, Berg der Seligpreisungen, Tabor, Bethlehem), in den Libanon und nach Indien (1964; Beirut, Bombay), zur UNO-Hauptversammlung nach New York (1965), nach Fatima (1967), in die Türkei (1967; Istanbul, Izmir, Ephesos), nach Kolumbien und auf die Bermudas (1968; Bogotá, Hamilton), in die Schweiz (1969; Genf), nach Uganda (1969; Entebbe, Kampala, Namunongo) und nach Fernost (1970; Teheran, Dacca, Colombo, Manila, Pago Pago, Apia, Sydney, Djakarta, Hong Kong).
Seine bedeutendste Reise war ohne Zweifel die erste. In Jerusalem traf er sich mit Athenagoras, dem Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel. In einer historischen Geste hoben die Oberhäupter der katholischen und der orthodoxen Christen das gegenseitige Anathema des Jahres 1054 auf und begannen so erste Schritte des ökumenischen Dialogs, der beim Papstbesuch im Fanar 1967 fortgesetzt wurde.
Innerkirchlich setzte Paul VI. zahlreiche Reformen um. So strukturierte er die päpstliche Kurie neu, indem er bereits 1964 das Sekretariat für die Nichtchristen errichtete und 1965 das Heilige Offizium in die Heilige Kongregation für die Glaubenslehre umbenannte, deren Vorsitz er an einen Kardinalpräfekten abgab. Schließlich begründete er 1965 das Sekretariat für die Nichtglaubenden und, vor allem, als Konsequenz des Konzils und síchtbares Zeichen der Kollegialität der Bischöfe, die Bischofssynode, die 1967 zum ersten Mal zusamentrat, um die unerwartet heftige nachkonziliare Krise zu erörtern. Auch 1967 folgte die Einrichtung des Päpstlichen Rates für die Laien und der Päpstlichen Kommission "Iustitia et Pax". In demselben Jahr schaffte der Papst zahlreiche rein zeremonielle Funktionen und Ehrenämter ab.
Innerhalb des Kardinalkollegiums erweiterte Paul VI. die bereits von Johannes XXIII. überschrittene Höchstzahl von 70 Papstwählern auf 120, schloss jedoch die über 80jährigen von der Mitgliedschaft in den Dikasterien der Kurie und vom Recht zur Papstwahl aus. Dieser Schritt wurde von den Betroffenen als Maßnahme zur Entmachtung aufgefasst, insbesondere seitens des einflussreichen Kardinaldekans Eugène Tisserant. Für Bischöfe führte Paul die Altersgrenze von 75 Jahren ein, bei deren Erreichen sie dem Heiligen Stuhl ihre Demission einzureichen haben. Altbischöfen wird seit 1970 kein Titularsitz mehr übertragen, sondern sie führen ihren bisherigen Titel fort.
Im Jahr 1975 feierte der bereits gesundheitlich angeschlagene Papst das Heilige Jahr, das der innerkirchlichen Versöhnung gewidmet war. Mit 9 Mio. Besuchern war dieses das bislang meistbesuchte Heilige Jahr der Kirchengeschichte (2000: 20 Mio.). Im Folgejahr 1976 suspendierte der Papst den ihm persönlich seit langen Jahren bekannten traditionalistischen Erzbischof Marcel Lefébvre vom Priester- und Bischofsamt. Im Sommer 1977 kreierte er seine letzten vier Kardinäle, darunter seinen lamngjährigen Substituten im Staatssekretariat und Erzbischof von Floirenz Giovanni Benelli und den späteren Nachfolger Joseph Ratzinger (Benedikt XVI.). Ein Jahr später, als Italien vom Terror der Roten Brigaden erschüttert wurde, setzte der Papst sich vergeblich für das Leben des entführten und mit ihm befreundeten Spitzenpolitikers Aldo Moro ein.
Am 6. August 1978 starb Paul VI. auf Castel Gandolfo an den Folgen einer Herzattacke. Er wurde am 12. August in der Krypta von St. Peter in einem Erdgrab beigesetzt. Zu seinem Nachfolger wählten die 111 im Konklave versammelten Kardinäle Albino Luciani, den Patriarchen von Venedig, der den Namen Johannes Paul I. annahm.
Würdigung
Während "der gute Papst" Johannes, sein Vorgänger, mehr aber noch der große Nachfolger Johannes Paul II. in der katholischen Welt weithin populär und geachtet sind, wird die Amtsführung des zweiten Konzilspapstes Montini von Konservativen wie Liberalen als inkonsequent kritisiert. Die Bedeutung seiner Entscheidungen wird aber allmählich entdeckt, zumal die große Leistung des Wojtyla-Pontifikats, von einigen Korrekturen abgesehen, voll und ganz die Linie Pauls VI. verfolgte und erst eigentlich zum Erfolg führte. Nicht Johannes XXIII., der in Theologie und Frömmigkeit ganz dem 19. Jahrhundert angehört, sondern erst Montini markiert den Übergang von den großen Pius-Päpsten zu den großen nachkonziliaren Päpsten.
Literatur
- Andrea Lazzarini, Papst Paul VI. Sein Leben und seine Gestalt, Herder Freiburg u.a. 1964.
- Georg Huber, Paul VI, Bonifacius Paderborn 1964.
- Corrado Pallenberg, Paul VI. Schlüsselgestalt eines neuen Papsttums, List München 1965.
- Jean Guitton, Dialog mit Paul VI., Molden Wien u.a. 1967.
- Papst Paul VI., Christus und der Mensch von heute, Molden Wien u.a. 1968.
- Gustl Kernmayr, Papst Paul VI. Das Abenteuer seiner Jugend, Franz Schneider München-Wien 2. Aufl. 1978.
- Luitpold A. Dorn, Paul VI. Der einsame Reformer, Styria Graz u.a. 1989.
- Con Paolo VI verso il giubileo del 2000, Libreria Editrice Vaticana 1997.
- Paolo VI. Tutti i principali documenti. Latino-italiano (collectio vaticana Bd. 5), Libreria Editrice Vaticana 2002.
Vorgänger Johannes XXIII. |
Papst 1963 - 1978 |
Nachfolger Johannes Paul I. |