Theresa von Avila: Die Seelenburg

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Theresia von Jesus von Avila.JPG
Die Seelenburg
Theresia von Avila, verfasst 1577

Quelle: Die Seelenburg der heiligen Theresia von Jesu, Verlag Kösel-Pustet München 1938 (Imprimatur Monachii, die 18 Novembris 1937 F. Buchwieser Vic. Gen.), Fünfter Band, S. 5-232; aus den Sämtlichen Schriften der Heiligen Theresia von Jesus (in Fraktur). Neue deutsche Ausgabe übersetzt und bearbeitet nach der spanischen kritischen Ausgabe des P. Silverio de S. Teresa O.C.D. von P. Aloysius Alkhofer O. Carm. Disc..

Gesamtwerk:


Vorwort des Herausgebers

Die »Seelenburg«, auch Buch der »Wohnungen« genannt, ist wohl eines der schönsten literarischen Werke, die je menschliche Intelligenz hervorgebracht hat. Sie ist ein Meisterwerk der Mystik und auch das Meisterwerk der heiligen Theresia. In anschaulicher Weise macht sie uns mit den Gunstbezeigungen Gottes vertraut, die zur Rechtfertigung und Heiligung der Seele führen, und belehrt uns über den Fortschritt der schon begnadigten Seele bis zur höchsten Entfaltung des geistlichen und mystischen Lebens, die in der umgestaltenden Liebe Gottes, im Einwirken der Gaben des Heiligen Geistes, in den übernatürlichen Tugenden und Vollkommenheiten begründet ist. Aus diesem Grunde ist gerade dieses Werk der Heiligen so gesucht von allen, die dem Gnadenwalten Gottes in der Seele des Menschen verständnisvoll gegenüberstehen. Und wenn Dr. Joseph Pieper in einer Rezension des »Lebens« der Heiligen sagt: »Niemand kann die Frage ›Was ist der Mensch?‹ auch nur annähernd beantworten, der nichts von den mystischen Möglichkeiten weiß«, so lenkt er damit das Augenmerk der gottsuchenden Seele gerade auf die mystischen Werke der Heiligen, und nicht zuletzt auf die »Seelenburg«, in der wir noch in höherem Maße als im »Leben« einen »überlegenen und klarsichtigen Wegweiser zum Seinskern des wahren christlichen Lebens« finden. Wenn nun die »Seelenburg« in Verbindung mit den »Gedanken über die Liebe Gottes« und den »Rufen der Seele zu Gott« in dieser Neuausgabe der Werke der Heiligen nach dem dritten Band erscheint, so geschieht dies nur aus Rücksicht auf die zahlreichen Nachfragen der Leserwelt, da dieses Meisterwerk der Mystik schon seit längerer Zeit vergriffen ist und diese Lücke in der fortlaufenden Neuausgabe ausgefüllt werden muss. Die Fortsetzung der Briefe (vierter Band) wird dadurch etwas zurückgestellt. … [Auslassung, d. Bearb.] Die einzelnen Anmerkungen zu dem vorliegenden Bande stammen zum weitaus größten Teil aus dem der deutschen Übersetzung zugrunde liegenden spanischen Texte; nur wenige sind meiner früheren deutschen Ausgabe entnommen. Großen Dank schulde ich Herrn Dr. Lambert Kunle, Professor in Pforzheim, der mir schon bei der Korrektur des zweiten und dritten Bandes in liebevoller Weise entgegengekommen ist und dadurch viele Ungenauigkeiten ferngehalten hat. Auch bei Herausgabe dieses Bandes gab er mir bedeutungsvolle Winke durch seine Mitarbeit bei der Korrektur. Möge nun die »Seelenburg« viele heilsbegierige Leser finden und ihnen reichen Nutzen bringen für ihr eigenes Seelenleben sowie auch zur Leitung anderer ihnen anvertrauten Seelen!

Regensburg, 16. Juli 1937
Der Herausgeber

Einführung in die Seelenburg

Es war im Frühjahr 1577. Die heilige Theresia befand sich eben in Toledo. Pater Gracián O.C.D., damals Apostolischer Kommissar und damit auch der Obere der Karmeliten, unterhält sich mit der heiligen Mutter im Sprechzimmer der Karmelitinnen von Toledo über Fragen des geistlichen Lebens. Die Heilige weist bei dieser Gelegenheit darauf hin, dass sie über diesen und jenen Punkt schon ausführlich in ihrer Autobiographie geschrieben habe. Wohl, meinte darauf Pater Gracián; doch da jenes Buch (das »Leben«) von der spanischen Inquisition zurückgehalten werde und infolgedessen nicht gelesen werden könne, werde es gut sein, wenn sie über diese Dinge ein neues Buch schriebe, ohne darin sich selbst zu nennen.

Die Heilige wehrte sich gegen dieses Ansinnen und meinte: »Warum soll ich über so erhabene Dinge schreiben? Das ist Sache der Theologen; sie haben darüber Studien gemacht. Es gibt ohnehin schon so viele Bücher, die sich mit diesen Fragen beschäftigen. Ich bin dazu völlig ungeeignet usw.«

Doch Pater Gracián bestand auf seinem Wunsch und wies den Einwand, dass darüber gelehrte Theologen schreiben sollten, zurück mit dem Hinweis, dass sie, die Heilige, auf diesem Gebiet besondere Erfahrung habe, und dass darum das, was sie aus eigener Erfahrung darüber sagen könne, weit nützlicher sei und besser verstanden werde, als was gelehrte Doktoren aus Büchern zusammentragen.

Als bald darnach auch Dr. Velásquez Domherr von Toledo und damals Beichtvater der Heiligen, dem Theresia das Ansinnen bzw. den Auftrag des Paters Gracián unterbreitete, diesen Auftrag unterstützte, beugte sich die Heilige dem höheren Willen ihrer Oberen; und obwohl an Jahren schon weit vorgerückt — sie zählte damals 62 Jahre —, von Krankheiten geschwächt und von Arbeiten aller Art überhäuft, machte sie sich daran, den ihr gegebenen Auftrag auszuführen.

Dies der Anstoß zum Buche: Die »Seelenburg«.

Als nun die Heilige am Vorabend des Festes der Heiligsten Dreifaltigkeit darüber nachsann, was sie zum Gegenstand ihrer Schrift nehmen sollte, da gab ihr Gott selbst den Fingerzeig dazu. In einer wunderbaren Vision ließ er seine treue Dienerin folgendes schauen: Etwas wie eine Burg, aus leuchtendem Kristall aufgebaut, erhob sich vor ihren staunenden Augen. In dieser Burg waren deutlich verschiedene Abteilungen oder Wohnungen zu erkennen. In der innersten dieser Wohnungen thronte der König der ewigen Herrlichkeit, dessen strahlender Glanz die Wohnungen dieser Burg durchdrang und ihnen unsagbare Schönheit verlieh. Dieses himmlische Leuchten war aber nur im Inneren der Burg zu gewahren; außerhalb derselben war alles in Dunkel gehüllt, voll Schmutz und Natterngezücht und giftigem Gewürm. Darin erkannte die Heilige die Schönheit einer Seele, die im Stande der Gnade ist. Gleich darauf änderte sich das Bild: Das Licht verschwand, und ohne dass der Herr der Glorie die Wohnung verließ, verdunkelte sich der Kristallpalast und ward schwarz und unsagbar häßlich; und das Natterngezücht und das Gewürm, dass zuerst außerhalb der Burg war, kroch ins Innere derselben. Dieses zweite Bild fasste Theresia auf als ein Sinnbild von der Häßlichkeit der Seele im Stande der Sünde.

Das Geschaute nahm nun Theresia zur Grundlage für ihre Schrift, zu deren Abfassung sie gleich am folgenden Tage, dem Feste der Heiligsten Dreifaltigkeit, 2. Juni 1577, in Toledo schritt, und die sie nach einer Unterbrechung von mehreren Monaten — sie siedelte im Juli des gleichen Jahres in das Josephskloster nach Ávila über und konnte sie erst im Oktober wieder fortsetzen — am 29. November 1577 in Ávila vollendete. Sie betitelte diese Schrift: »Castillo Interior« (»Innere Burg« oder, wie es gewöhnlich im Deutschen wiedergegeben wird, »Seelenburg«) oder auch »Moradas« (Wohnungen).

Wir brauchen uns nicht darüber zu wundern, dass Theresia in so kurzer Zeit das äußerst schwierige und heikle Thema, das in der »Seelenburg« behandelt wird, so meisterhaft und restlos löste. Abgesehen von ihrer reichen Erfahrung auf dem Gebiete des mystischen Erlebens, offenbart sich darin auch wieder ihr großes Genie. Und außerdem lag der Inhalt bzw. der Grundbau dieses Werkes schon seit vielen Jahren im Bereich ihres Gedankengutes. Schon in frühen Jahren, erzählt sie uns selbst, hat auf sie eine Stelle des Evangeliums, nämlich die Worte: »Intravit Jesus in quoddam castellum«, einen besonderen Eindruck auf ihr Gemüt gemacht. Und als sie später (um 1556) sich mit der Lektüre des damals in geistlichen Kreisen geschätzten Werkes des Franziskaners Bernardin de Laredo: Subida al Monte Sion beschäftigte und darin unter anderem las, dass die Wohnung Gottes in der Seele des Gerechten gleich sei einer festen Burg, aus Diamanten und Edelsteinen erbaut, da hatte dieses Bild vom Wohnen Gottes in der Seele wie in einer Burg in der Phantasie Theresias schon greifbare Gestalt angenommen. Bereichert und ausgeschmückt mögen diese Vorstellungen noch geworden sein durch die Überreste und Erinnerungen aus ihrer jugendlichen Beschäftigung mit Romanlektüre von Ritterkämpfen und Ritterburgen. Und so fließt das romantische und mystische Element in diesen Vorstellungen in eins zusammen. Dazu kam, dass sie um das Jahr 1565 eine Vision hatte, in der sie die Seele in Form eines Spiegels schaute, der nach allen Seiten wie eine Lichtkugel sein Licht ausstrahlte, und im Mittelpunkt derselben Christus, thronend in herrlichem Glanze. So berichtet die Heilige selbst in ihrem »Leben«. Und wiederum schreibt sie im »Weg der Vollkommenheit« (Kap. III.), also gleichfalls um 1565, von dem König, der sich in die Festung zurückzieht, während die Feinde ins Land eindringen. Im 29. Kapitel des gleichen Werkes führt sie diesen Gedanken noch weiter aus, wenn sie die Seele als Wohnung Gottes mit einer Burg vergleicht, die aus lauterem Gold und kostbaren Edelsteinen erbaut ist und darum wahrhaft würdig des großen Königs, dem sie zu eigen. Ausdrücklich fügt sie hier noch bei: »Dieser Palast, diese Burg ist euere Seele; wenn die Seele rein und mit Tugenden geschmückt ist, so gibt es keinen auch noch so herrlichen Palast, der mit ihr verglichen werden könnte … Und darin wohnt der König der Herrlichkeit.« — Im Jahre 1572 nimmt die Heilige wiederum diesen Gedanken auf, wenn sie in den »Rufen der Seele« (XVI) von dieser Festung spricht und von dem, der sie bewohnt. Eine weitere Anspielung auf diesen Gedanken finden wir schließlich um das Jahr 1577, kurz vor Abfassung der »Seelenburg«, wenn sie in einem Liede singt: »Eres mi casa y morada!« (»Meine Burg bist du und mein Gezelt!«)

Die Idee also, die diese wunderbare Schrift, die »Seelenburg«, durchdringt und trägt, ist schon lange vorher in ihrer Seele lebendig gewesen. Darum ist auch die »Seelenburg« nicht ein künstlich aufgebautes Gebilde, wie so manche ähnliche Werke über das übernatürliche Seelenleben, sondern ist von Anfang bis zum Ende erlebt, ist aus ureigenem seelischen Erleben herausgewachsen.

Das Bild von der Burg mit den verschiedenen Abteilungen oder Wohnungen bildet das alle Teile dieser Schrift einigende und umschlingende Band und ist für die heilige Verfasserin der Ausgangspunkt zu ihrer Abhandlung über das höhere Gnadenleben. In ihr sehen wir die Seele stufenweise die einzelnen Wohnungen durchschreiten und sich wandeln von einer unvollkommenen, ja sündigen Seele, wie sie anfangs ist, zur auserlesenen Braut des Herrn, die, mit dem Geschmeide ihrer Tugenden geziert, das Auge des göttlichen Bräutigams entzückt, der mit ihr, im Innersten dieser Wohnung weilend, die mystische Vermählung vollzieht. Und der Schlüssel zu dieser Burg und zu den einzelnen Wohnungen ist das Gebet, dessen verschiedene Stufen, Eigenschaften und Wirkungen die Heilige im Verlauf der Schrift in einzigartiger Weise schildert, mit einer geradezu bezaubernden Schönheit von Bildern und Vergleichen und mit einer Gedankentiefe, wie sie eben nur der heiligen Theresia zu eigen ist und vergeblich bei anderen mystischen Schriftstellern gesucht wird.

Die Einteilung der »Seelenburg« in sieben ungleich große Abschnitte entsprechend den sieben Wohnungen der Burg, hat wiederum zur Grundlage die sieben Stufen des Gebetes, welche die Seele durchwandeln muss, um zum inneren Gemach der Burg zu gelangen. Das Ganze zerfällt, wie im »Weg der Vollkommenheit«, in zwei größere Teile, deren einer die aktiven Wege der Seele, d. i. das aktive oder diskursive Gebet (1. bis 3. Wohnung), der andere die passiven Wege oder das beschauliche Gebet (4. bis 7. Wohnung) behandelt.

Der große Wert dieser Schrift liegt darin, dass die heilige Verfasserin in erhabenerem Schwung der Ideen und zugleich mit größerer Klarheit und Genauigkeit als in ihren anderen Werken in ihr das Wesen und die Wirkungen des gewöhnlichen und übernatürlichen Gebetes mit seinem Gefolge von göttlichen Gaben und Tugenden und außerordentlichen Gnadenerscheinungen aufzeigt. Hat sie es doch geschrieben, als sie Dank der göttlichen Gnadenerweise viel reichere Erfahrungen auf dem Gebiete des übernatürlichen Seelenlebens gesammelt hatte und auch das Material der Darstellung mit größerer Meisterschaft beherrschte. Darum dürfte gerade die »Seelenburg« wohl unter allen Werken, die zu dieser Frage erschienen sind, das wertvollste und wichtigste sein. Und es ist infolgedessen auch, wie ein bedeutender zeitgenössischer Mystiker, Pater Arintero O. Pr., eingesteht, für alle späteren Autoren auf diesem Gebiet zur Norm und Grundlage geworden; denn Theresia hat es verstanden, in das Chaos der Anschauungen und Begriffe vom übernatürlichen Seelenleben durch ihre klare Sprache wundervolle Ordnung zu bringen.

Über das Schicksal dieser unschätzbaren Handschrift, die gegenwärtig im Karmelitinnenkloster von Sevilla aufbewahrt wird, wissen wir, dass die Heilige sie dem Pater Hieronymus Gracián zur Aufbewahrung übergab, um sie vor dem Zugriff der Inquisition zu retten. Von Pater Gracián ging sie in die Hände der Schwester Maria vom heiligen Joseph, Priorin von Sevilla, über; und die Schwestern von Sevilla waren von da an, mit Ausnahme weniger Jahre, die treuen Hüterinnen dieses kostbaren Schatzes. 1587 wurde die Handschrift der ehrwürdigen Schwester Anna von Jesus übergeben, die damals die Schriften der heiligen Mutter für Pater Ludwig de León O.S.A. sammelte, der die erste Gesamtausgabe derselben vorbereitete. Nach Vorbereitung dieser Ausgabe schenkte Pater Gracián die Handschrift einem gewissen Don Pedro Cerezo Pardo, einem der größten Wohltäter der karmelitanischen Reform. Als im Jahre 1617 dessen Tochter Katharina im Kloster der Karmelitinnen von Sevilla den Schleier nahm, brachte sie außer einer reichen Mitgift auch die Handschrift der »Seelenburg« als köstliche Morgengabe mit, wo sie dann auf Kosten einer anderen eintretenden Novizin, Doña Johnna de Mendoza, Tochter des Herzogs von Béjar, den ihrem inneren Wert gebührenden Einband: Beleg mit silbergetriebenen Platten mit vergoldetem Schmuck und Emailverzierungen, erhielt.

Im Druck erschien die »Seelenburg« zum erstenmal in Salamanka 1588 in der schon erwähnten Gesamtausgabe der Schriften der Heiligen Theresia durch Ludwig de León, die dann schon im Laufe der folgenden Jahre wiederholt aufgelegt wurde (siehe dazu unsere Einleitung im I. Band, S. 19). eine besonders wertvolle Einzelausgabe der »Seelenburg« ward im Jahre 1882, anlässlich der dritten Zentenarfeier des Todestages der Heiligen, durch Kardinal Joachim Lluch O. Carm., Erzbischof von Sevilla, bewerkstelligt.

Pater Ambrosius a. S. Theresia, O. C. D. (Rom).

Die Seelenburg

JHS

Diese Abhandlung mit dem Titel Seelenburg schrieb Theresia von Jesu aus dem Orden unserer Lieben Frau vom Berge Karmel für ihre Schwestern und Töchter aus dem Orden der Unbeschuhten Karmelitinnen.

JHS

1. Nur wenige Aufträge, die mir im Gehorsam erteilt wurden, sind mir so schwergefallen wie der jetzige Befehl, über das Gebet zu schreiben. Einerseits scheint mir der Herr dazu weder geistige Befähigung noch Lust zu geben, andererseits merke ich schon seit drei Monaten ein solches Sausen und so große Schwäche im Kopfe, dass ich selbst die notwendigen Geschäftssachen nur mit Mühe erledigen kann. Weil ich aber weiß, dass die Kraft des Gehorsams auch unmöglich scheinende Dinge leicht zu machen pflegt, so wird mein Willensentschluss sehr gern zur Tat, obwohl er der Natur sehr schwerzufallen scheint. Der Herr hat mir eben noch nicht so viel Tugend verliehen, um ohne großes Widerstreben von seiten der Natur gegen die fortdauernde Krankheit und die vielen Beschäftigungen kämpfen zu können. Möge der Herr, der in seiner gnadenvollen Erbarmung schon andere, schwerere Dinge für mich vollbracht hat, und auf dessen Barmherzigkeit ich auch jetzt vertraue, das tun, was ich selbst nicht vermag!

2. Nach meinem Dafürhalten werden wohl meine Worte nicht viel anders lauten als bei anderen Anlässen, bei denen der Auftrag zum Schreiben an mich erging; vielmehr fürchte ich, es werde fast alles wieder dasselbe sein. Es geht mir hier geradeso wie gewissen Vögeln, die man sprechen lehrt und die immer dasselbe wiederholen, weil sie nicht mehr können, als man sie lehrte oder was sie gehört haben. Will der Herr, dass ich etwas Neues sage, so wird es Seine Majestät geben; wenn nicht, so wird er mir in Erinnerung bringen, was ich sonst schon gesagt habe; denn auch damit wäre ich zufrieden. Ich habe ein so schlechtes Gedächtnis, dass ich mich freuen würde, einiges von dem, was nach Aussage anderer gut geschrieben war, richtig wiederzugeben, wenn etwa das früher Geschriebene verlorengegangen wäre. Sollte mir aber der Herr auch dies nicht gewähren, so wird mir doch davon, dass ich mich im Gehorsam abmühe und mein Kopfleiden vermehre, ein Gewinn bleiben, wenn auch sonst niemand einen Nutzen von meiner Arbeit hat.

3. So beginne ich denn in meinem jetzigen Aufenthaltsorte, im Karmel zum heiligen Joseph in Toledo, den an mich ergangenen Auftrag zu vollführen. Es ist heute das Fest der Allerheiligsten Dreifaltigkeit des Jahres 1577. Ich unterwerfe mich in all meinen Darlegungen dem Urteil jener sehr gelehrten Männer, die mir diesen Auftrag gegeben haben. Sollte ich etwas sagen, was mit der Lehre der heiligen römischkatholischen Kirche nicht übereinstimmt, so geschieht es aus Unwissenheit und nicht aus Bosheit. Dies darf man gewiß glauben, sowie auch, dass ich überhaupt, Dank der Güte Gottes, dieser Kirche allezeit unterworfen war und noch bin und es auch fortan sein werde. Er sei gepriesen und verherrlicht in Ewigkeit! Amen.

4. Einer von denen, die mir diesen Auftrag zum Schreiben erteilten, sagte mir, dass die Nonnen unserer Lieben Frau vom Karmel das Bedürfnis hätten, über einige das Gebet betreffende Zweifel von jemand aufgeklärt zu werden. Nach seiner Ansicht würden Frauen die Redeweise von ihresgleichen besser verstehen, und in Anbetracht ihrer Liebe zu mir brächten ihnen meine Worte mehr Nutzen als die einer anderen Person. Deshalb sei er der Überzeugung, dass es für diese nicht ohne Belang sein werde, wenn es mir gelinge, ihnen etwas zu sagen. Ich werde darum in dieser Schrift nur zu ihnen reden, und dies um so mehr, als ich die Meinung, sie könnte auch noch anderen nützen, für Torheit gelte. Unser Herr wird mir eine große Gnade erweisen, wenn sich irgendeine von diesen Nonnen durch meine Worte angeregt fühlt, ihn ein wenig mehr zu loben. Seine Majestät weiß wohl, dass ich nichts anderes im Auge habe; selbstverständlich müssen die Nonnen einsehen, dass das Gute, das ich etwa vorbringen werde, nicht von mir stammt. Sie haben keinen Grund, anders zu denken, und sollten sie es dennoch, so hätten sie ebensowenig Verstand, als ich Fähigkeit besitze, über dergleichen Dinge zu schreiben, wenn nicht der Herr in seiner Barmherzigkeit mir diese Fähigkeit gibt.

Erste Wohnung

Erstes Hauptstück

Die Schönheit und Würde unserer Seelen. Ein Gleichnis zum besseren Verständnis. Die Heilige spricht von dem Gewinn aus diesem Verständnis und der Erkenntnis der Gnaden, die wir von Gott empfangen. Die Pforte zu dieser Burg ist das Gebet.

3. Als ich heute zu unserem Herrn flehte, er möchte für mich reden, weil ich nicht wußte, was ich sagen und wie ich das mir vom Gehorsam aufgetragene Werk beginnen sollte, bot sich mir, um gleich anfangs eine Grundlage zu haben, ein Gleichnis dar, das ich jetzt erwähnen will. Betrachten wir unsere Seele als eine Burg, die ganz aus einem Diamant oder sehr klarem Kristall hergestellt ist; dort gibt es viele Gemächer, gleichwie auch im Himmel viele Wohnungen sind. Ja, meine Schwestern, wenn wir es recht bedenken, so ist die Seele des Gerechten nichts anderes als ein Paradies, in dem der Herr, wie er selbst sagt, seine Lust hat. Wie meint ihr nun, muss die Wohnung beschaffen sein, in der ein so mächtiger, so weiser, so reiner und an allen Gütern so reicher König sich ergötzt? Ich finde nichts, womit ich die erhabene Schönheit und Fähigkeit einer Seele vergleichen könnte. Und wahrlich, so scharfsinnig auch unser Verstand sein mag, er wird es doch nicht dahin bringen, diese zu erfassen, sowie er auch nicht dazu gelangen kann, Gott zu begreifen, der selbst sagt, dass er uns erschaffen nach seinem Bilde und Gleichnis. Es wäre darum eine vergebliche Mühe, wollten wir die Schönheit dieser Burg ergründen, obwohl zwischen der Seele und Gott ein Unterschied ist wie zwischen einem Geschöpfe und dem Schöpfer, weil ja auch die Seele ein Geschöpf ist. Übrigens genügt der Ausspruch der göttlichen Majestät, dass die Seele nach Gottes Bild erschaffen ist, um daraus auf ihre große Würde und Schönheit schließen zu können.

2. Es ist aber nicht wenig zu bedauern und keine geringe Schande, wenn wir durch eigene Schuld uns selbst nicht kennen und nicht wissen, wer wir sind. Wäre es, meine Töchter, nicht eine große Unwissenheit, wenn jemand auf die Frage nicht zu antworten wüßte, wer sein Vater, wer seine Mutter, welches seine Heimat sei? Schon dies wäre ein Zeichen von großer Unvernunft, die sie aber noch unvergleichlich steigern würde, wenn wir uns nicht um die Erkenntnis unser selbst kümmerten, sondern uns nur mit unserem Leibe befassten; (ja, es wäre höchst unvernünftig), wenn wir nur so obenhin, vielleicht aus der Erfahrung oder durch den Glauben, wissen, dass wir eine Seele haben, selten aber an die Güter denken würden, die sie in sich schließen kann, und uns weder ihren hohen Wert noch auch den vergegenwärtigen, der sie bewohnt. Dies ist auch der Grund, warum man sich so wenig darum kümmert, ihre Schönheit mit aller Sorgfalt zu bewahren. Alle unsere Sorge ist nur auf die rohe Einfassung, auf die Ringmauern der Burg, d. i. auf unseren Leib, gerichtet.

3. Denken wir uns also, diese Burg habe, wie schon erwähnt, viele Wohnungen, die einen oben, die anderen unten, wieder andere an den Seiten; im Innersten der Burg aber, in der Mitte von all diesen Wohnungen, sei die vornehmste, in der zwischen Gott und der Seele sehr geheime Dinge vorgehen. Dieses Gleichnis müsst ihr im Gedächtnis bewahren! Vielleicht gefällt es dem Herrn, dass ich durch dasselbe in euch einigermaßen das Verständnis für die Gnaden, die Gott nach seinem Wohlgefallen den Seelen verleiht, sowie für deren Vielgestaltigkeit wecken kann, soweit ich dies als möglich erkenne; denn alle diese vielfachen Gnaden kann niemand, am allerwenigsten ein so armseliges Geschöpf wie ich, erkennen. Beschenkt euch dann der Herr mit solchen Gnaden, so wird es für euch ein großer Trost sein, zu wissen, dass dies möglich ist; gewährt er sie aber nicht, so wird das Wissen um diese Gnaden zum Anlass werden, seine große Güte zu preisen. Wie uns die Betrachtung der himmlischen Dinge und des Genusses der Seligen keinen Nachteil bringt, sondern vielmehr Freude in uns weckt und uns mit dem Bestreben beseelt, auch zu diesem Genusse zu gelangen, ebensowenig wird uns die Erkenntnis zum Nachteil sein, dass ein so großer Gott selbst in dieser Verbannung so übelriechenden Würmern sich mitteilt und sie mit einer so unendlichen Güte und unermeßlichen Barmherzigkeit liebt. Nach meiner Überzeugung fehlt es dem sehr an Demut und Nächstenliebe, dem die Erkenntnis der Möglichkeit schaden würde, dass Gott schon in dieser Verbannung eine so große Gnade verleiht. Wie wäre es sonst möglich, dass wir uns nicht freuten, wenn Gott einem unserer Brüder dergleichen Gnaden spendet, da ihn dies ja nicht hindert, sie auch uns zu verleihen? Wie wäre es möglich, dass wir uns nicht freuten, wenn die göttliche Majestät ihre Wunderwerke, an wem es auch immer sei, offenbart? Der Herr mag seine Gnaden zuweilen wohl nur zu dem Zwecke spenden, damit seine Werke offenbar werden. Darauf wies er selbst hin, als ihn die Apostel betreffs des Blindgebornen, dem er das Augenlicht gab, fragten, ob dieser wegen seiner Sünden oder wegen der Sünden seiner Eltern mit Blindheit gestraft worden sei. Und so geschieht es denn, dass der Herr manchen seine Gnaden nicht deshalb mitteilt, weil diese heiliger sind als andere, sondern damit seine Größe offenbar werde, wie wir dies am hl. Paulus und an Magdalena sehen, sowie auch, damit wir ihn preisen in seinen Geschöpfen.

4. Man könnte einwenden, solche Dinge schienen unmöglich, und es sei nicht gut, den Schwachen Ärgernis zu geben. Allein es ist weniger verloren, wenn diese nicht daran glauben, als wenn man den Fortschritt jener zu fördern unterlässt, denen Gott seine Gnaden erweist, die sich freuen und zu innigerer Liebe dessen ermuntert werden, der ihnen so große Erbarmungen erzeigt. Zudem weiß ich, dass ich zu solchen rede, bei denen keine Gefahr des Ärgernisses vorhanden ist; denn sie glauben und wissen, dass Gott noch viel größere Beweise seiner Liebe gibt. Übrigens weiß ich auch, dass einer, der dies nicht glaubt, davon auch nichts erfahren wird; denn der Herr liebt es gar sehr, dass man seinen Werken keine Grenzen setze. Möchte dies, meine Schwestern, bei jenen aus euch nie vorkommen, denen der Herr diesen außerordentlichen Weg versagt!

5. Wir wollen nun wieder zu unserer schönen und wonniglichen Burg zurückkehren und sehen, wie wir in sie eintreten können. Dies scheint zwar eine unsinnige Rede und dasselbe zu sein, wie wenn ich zu jemand sagen würde, er solle in ein Zimmer gehen, in dem er schon ist; denn wenn diese Burg unsere Seele ist, so folgt ja klar, dass wir nicht hineinzugehen brauchen, weil beides, die Burg und die Seele, dasselbe ist. Ihr müsst jedoch wissen, dass man in sehr verschiedener Weise an einem Orte sein kann. Viele Seelen halten sich nur innerhalb der Ringmauern der Burg auf, wo die Wachen stehen, und kümmern sich nicht, in die Burg selbst zu kommen; sie wissen auch nicht, was dieser kostbare Palast in sich birgt, wer darin wohnt, noch auch, welche Gemächer er hat. Ihr werdet schon vernommen haben, dass der Seele in einigen Büchern, die vom Gebete handeln, der Rat gegeben wird, in ihr Inneres einzukehren; das gleiche sage ich auch hier.

6. Ein sehr gelehrter Mann bemerkte unlängst mir gegenüber, dass die Seelen, die das Gebet nicht üben, einem vom Schlagfuß gelähmten oder gichtbrüchigen Körper gleichen, der zwar Füße und Hände hat, aber sich nicht bewegen kann. Und so ist es in der Tat. Es gibt Seelen, die so elend und gewohnheitsmäßig, so mit äußerlichen Dingen beschäftigt sind, dass es ihnen unmöglich scheint, in ihr Inneres einzukehren. Denn die Gewohnheit, immer mit den kriechenden und anderen Tieren, die sich um die Burg herum aufhalten, umzugehen, hat sie diesen fast gleich gemacht. Obwohl von so edler Natur und fähig, mit Gott selbst zu verkehren, bleiben sie doch in ihrem bedauerlichen Zustand. Wenn solche Seelen sich nicht bemühen, ihr Elend einzusehen und ihm abzuhelfen, werden sie, weil sie ihren Blick nicht auf sich selbst richten, zu Salzsäulen, ähnlich dem Weibe Lots, die sich umwandte und zurücksah.

7. Soviel ich verstehen kann, ist die Pforte, durch die man in diese Burg eingeht, das Gebet und die Betrachtung. Ich meine hier nicht bloß das innerliche Gebet, sondern auch das mündliche, das, um ein Gebet zu sein, ebenso wie jenes mit Aufmerksamkeit und Überlegung verrichtet werden muss. Denn ein Gebet, bei dem man nicht bedenkt, mit wem man redet, um was man bittet, wer der ist, der da bittet, und jener, den man bittet, nenne ich gar nicht Gebet, mag man dabei auch noch so eifrig seine Lippen bewegen. Und wäre es, wenn man auf das Gesagte nicht achtet, doch manchmal ein Gebet, so nur insofern, als man die Worte schon öfters im Munde geführt hat. Wenn aber jemand mit der Majestät Gottes wie mit seinem Sklaven zu reden gewohnt wäre, und, ohne zu bedenken, ob er etwa unrecht rede, nur sagte, was ihm in den Mund kommt oder was er durch öfteres hersagen auswendig weiß, so hielte ich dies nicht für Gebet. Gott verhüte, dass ein Christ also bete! Was euch betrifft, meine Schwestern, so hoffe ich, die göttliche Majestät werde nicht zulassen, dass so etwas vorkomme, weil ihr ohnehin gewohnt seid, euch mit innerlichen Dingen zu beschäftigen; denn dies ist ein sehr gutes Mittel zur Bewahrung vor solcher Unvernunft.

8. Von jenen lahmen Seelen aber wollen wir nicht weiter reden. Wenn der Herr nicht selbst kommt und sie wie den Kranken, der dreißig Jahre lang am Teiche lag, aufstehen heißt, so sind sie sehr unglücklich und in großer Gefahr. Ich will also von anderen Seelen reden, die endlich doch noch in die Burg eingehen. Diese haben, obgleich sie noch tief in der Welt stecken, doch wenigstens ein gutes Verlangen. Sie empfehlen sich dann und wann unserem Herrn und denken, wenn auch nicht lang, über sich selbst nach. Ein und das andere Mal im Monat beten sie mündlich, wenn auch mit tausend Gedanken an ihre Geschäfte, in die sie fast beständig vertieft sind, die sie so sehr fesseln, dass sie selbst die Notwendigkeit erkennen, sich davon loszumachen. Manchmal nehmen sie sich dies auch vor; denn wo ihr Schatz ist, da ist auch ihr Herz. Aber sie haben schon viel gewonnen, wenn sie sich selbst erkennen und einsehen, dass sie den rechten Weg nicht gehen, auf dem man zum Eingang in die Burg gelangt. Am Ende treten sie doch noch in die ersten Gemächer des Erdgeschosses ein; allein die Menge des Ungeziefers, das sie mit sich nehmen, lässt sie die Schönheit der Burg nicht sehen und gestattet ihnen keine Ruhe. Sind sie indessen nur eingetreten, so haben sie dadurch schon viel getan.

9. Es mag euch, meine Schwestern, scheinen, als treffe dies bei euch nicht zu, weil ihr, dank der Güte des Herrn, nicht zu solchen Seelen gehört. Aber ihr müsst Geduld haben, da ich euch anders nicht zu erklären wüßte, wie ich einige innere Zustände des Gebetes verstehe. Der Herr gebe, dass ich wenigstens auf diese Weise das Rechte treffe; denn was ich euch erklären möchte, ist sehr schwer zu verstehen, wenn man hierin keine Erfahrung besitzt! Habt ihr sie aber, so werdet ihr auch einsehen, dass ich nicht umhin kann, auch das zu berühren, vor dem uns der Herr in seiner Barmherzigkeit bewahren wolle.

Zweites Hauptstück

Häßlichkeit einer im Stande der Todsünde sich befindlichen Seele. Der Herr hat einer Person etwas davon geoffenbart. Einiges über die Selbsterkenntnis. Dieses Hauptstück ist wegen einiger darin berührter wichtiger Punkte besonders nützlich.

3. Ehe ich fortfahre, möchte ich euch darauf hinweisen, den traurigen Anblick zu betrachten, den diese so schöne und glänzende Burg, diese orientalische Perle gewährt, wenn die Seele in eine Todsünde fällt. Ist sie ja doch der Baum des Lebens, der inmitten der lebendigen Wasser des Lebens, d. i. in Gott, gepflanzt ist. Die Finsternis, die eine solche Seele befällt, ist noch weit dichter als alles, was dunkel, düster und schwarz ist. Verlanget, um dies einzusehen, nicht mehr zu wissen als das eine: Dieselbe Sonne, die der Seele zuvor einen solchen Glanz und solche Schönheit verlieh, ist, wenngleich noch im Mittelpunkte der Seele befindlich, doch nur so in ihr, als wäre sie nicht darin. Obwohl die Seele dieselbe Fähigkeit hat, die göttliche Majestät zu genießen, wie der Kristall, die Strahlen der Sonne aufzunehmen, so hat sie doch an der göttlichen Gnadensonne keinen Anteil. Nichts kommt ihr da zugute, weswegen alle guten Werte, die sie im Stande der Todsünde verrichtet, unfruchtbar sind für den Erwerb der Seligkeit. Da sie nicht aus dem Urquell, aus Gott, hervorgehen, der unsere Tugend zur Tugend gestaltet, sondern aus der Trennung von Gott, so können sie seinen Augen nicht gefallen. Geht ja doch auch die Absicht dessen, der eine Todsünde begeht, nicht dahin, Gott zu gefallen, sondern dem Teufel sich gefällig zu erzeigen. Wie dieser die Finsternis selbst ist, so ist jetzt auch die arme Seele eine gleiche Finsternis geworden.

2. Ich kenne eine Person, der unser Herr die Beschaffenheit einer Seele zeigen wollte, die sich im Stande der Todsünde befindet. Nach Aussage dieser Person könnte kein Mensch sündigen, wenn er dies erkennen würde, müsste er sich auch, um die Gelegenheit zur Sünde zu meiden, den größten erdenklichen Leiden aussetzen. Sie war darum von dem innigsten Verlangen beseelt, alle Menschen möchten dies erkennen. Und so möget denn auch ihr, meine Töchter, das gleiche Verlangen haben und Gott eifrig für jene bitten, die sich in diesem Zustand befinden und mit ihren Werken ganz in Finsternis gehüllt sind. Wie die Bächlein, die aus einer ganz klaren Quelle hervorfließen, alle rein sind und klar, so werden auch die Werke einer Seele, die im Stande der Gnade ist, angenehm in den Augen Gottes und der Menschen. Sie entspringen eben aus dieser Quelle des Lebens, an der die Seele gleich einem Baume gepflanzt ist. Von ihr hat dieser Baum seine Anmut und Fruchtbarkeit, weil das Wasser dieser Quelle ihn erhält und bewirkt, dass er nicht verdorrt, sondern gute Früchte bringt. Wenn aber die Seele sich aus eigener Schuld von dieser Quelle entfernt und an ein ganz schmutziges und übelriechendes Wasser sich verpflanzt, so wird ihr daraus auch nur Schmutz und Verderben zufließen.

3. Hier ist zu bemerken, dass die im Seelengrunde sich befindliche Lebensquelle und hellstrahlende Sonne ihren Glanz und ihre Schönheit nicht verlieren; sie bleiben im Innern, und nichts kann sie ihrer Schönheit berauben. Wenn aber über einen der Sonne ausgesetzten Kristall ein ganz schwarzes Tuch gebreitet wird, so ist es klar, dass die Sonne mit ihrem Lichtglanze auf den Kristall nicht wirken kann, obwohl er auf ihn fällt.

4. O ihr durch das Blut Christi erkauften Seelen, erkennt doch eueren Zustand und habt Erbarmen mit euch selbst! Wie ist es möglich, dass ihr bei dieser Erkenntnis euch nicht bemüht, das den Kristall verhüllende Pech hinwegzuschaffen? Bedenket doch, dass ihr euch nie mehr des Lichtes der göttlichen Gnadensonne erfreuen werdet, wenn euer Leben in diesem Zustande endet! O Jesus, was ist es doch um den Anblick einer Seele, die von diesem Lichte getrennt ist! In welch traurigem Zustand sind da die Gemächer der Burg! In welcher Verwirrung befinden sich ihre Inwohner, die Sinne! Mit welcher Blindheit sind die Seelenvermögen, diese Befehlshaber, Verwalter und Hofmeister der Burg geschlagen! Welch schlimmes Regiment führen sie! Und endlich, was für Früchte kann ein Baum hervorbringen, der auf einem solchen Grund, d. i. auf den Teufel gepflanzt ist?

5. Ich hörte einmal einen Geschäftsmann sagen, er wundere sich nicht so sehr über das, was ein Mensch im Stande der Todsünde tut, als vielmehr über das, was er nicht tut. Gott bewahre uns in seiner Barmherzigkeit vor einem so großen Übel, wie die Todsünde es ist; denn solange wir leben, gibt es für uns nichts, was (so sehr) den Namen eines Übels verdient, als dieses, weil es ewige Übel ohne Ende nach sich zieht. Dieses Übel, meine Töchter, ist es, vor dem wir uns fürchten und vor dem bewahrt zu bleiben wir Gott in unseren Gebeten bitten sollen; denn wenn er nicht die Stadt behütet, so ist all unsere Mühe vergebens, da wir die Armseligkeit selbst sind. Die obenerwähnte Person sagte auch, sie habe aus der ihr von Gott erwiesenen Gnade zwei Vorteile gewonnen. Der erste Vorteil für sie war eine überaus große Furcht vor jeder Beleidigung Gottes, weshalb sie angesichts der furchtbaren Nachteile, die daraus entstehen, immer zu ihm gefleht, er möge sie nicht fallen lassen. Der andere Vorteil war der, dass ihr jene Offenbarung zu einem Spiegel der Demut diente, worin sie erkannte, dass alles Gute, das wir tun, seinem Ursprung nach nicht von uns, sondern von jener Quelle kommt, an die der Baum unserer Seele gepflanzt ist, und von jener Sonne, die unseren Werken Wärme spendet. Dies, sagte sie, trat ihr so klar vor Augen, dass sie das Gute, das sie tue oder tun sehe, immer auf seinen Grund zurückleite, da sie erkenne, dass wir ohne die Hilfe Gottes nichts vermögen. Die Folge davon sei, dass sie sogleich Gott lobe und meistens gar nicht an sich selbst denke, wenn sie etwas Gutes getan.

6. Ziehen auch wir, meine Schwestern, diese zwei Vorteile aus dem Gesagten, so ist die Zeit, die wir, ich auf das Schreiben und ihr auf das Lesen, verwendet haben, gewiss nicht verloren. Die Gelehrten und Weisen verstehen freilich diese Wahrheiten sehr gut, aber unsere weibliche Ungeschicktheit bedarf einer solchen Art der Belehrung. Vielleicht will der Herr aus eben diesem Grunde, dass dergleichen bildliche Vergleiche uns zur Kenntnis gebracht werden. Möge Seine Majestät uns die Gnade verleihen, dass wir sie verstehen und Nutzen daraus ziehen!

7. Diese geistigen Dinge sind für das Verständnis so dunkel, dass einer, der so wenig weiß wie ich, viel Überflüssiges und auch Ungereimtes sagen muss, um etwas Passendes vorzubringen. Wer diese Schrift liest, muss Geduld haben wie ich, die ich schreibe, was ich selbst noch nicht weiß; denn wenn ich das Papier zur Hand nehme, bin ich manchmal in Wahrheit wie eine Törin, die nicht weiß, was sie schreiben und wie sie beginnen soll. Indessen sehe ich wohl ein, dass es für euch nützlich ist, wenn ich auch, so gut ich es vermag, einige Vorgänge des inneren Lebens erkläre. Denn wir hören immer davon reden, wie vorteilhaft die Übung des Gebetes sei, und unsere eigenen Satzungen schreiben uns so viele Gebetsstunden vor; aber man erklärt uns über das Gebet nicht mehr, als was wir selbst zu tun imstande sind, während uns über die übernatürlichen Dinge, die Gott in einer Seele wirkt, hier wenig gesagt wird. Gibt man uns nun darüber Aufschluss und führt man uns auf mannigfache Weise in deren Verständnis ein, so muss es uns ein besonderer Trost sein, dieses innere himmlische Kunstwerk zu betrachten, das von den Sterblichen so wenig gekannt ist, obwohl viele daran vorbeigehen. Der Herr hat mir zwar schon bei Abfassung meiner anderen Schriften einiges Verständnis davon verliehen; ich sehe aber ein, dass ich damals manches, besonders die schwierigsten Punkte, nicht so gut verstanden habe, wie seit dieser Zeit. Es ist nur zu bedauern, dass ich, um diese Dinge erklären zu können, vieles sagen muss, was euch ohnehin schon sehr bekannt ist; denn bei meiner Ungeschicklichkeit kann ich nicht anders.

8. Kehren wir nun wieder zu unserer Burg mit ihren vielen Wohnungen zurück. Ihr dürft euch diese Wohnungen nicht als aneinandergereiht vorstellen, sondern müsst euere Augen auf den Mittelpunkt, d. i. auf das Gemach oder den Palast, in dem der König wohnt, richten. Betrachtet als Bild dieses Palastes die schmackhafte, von vielen Schalen eingeschlossene Frucht der Zwergpalme! Diese Schalen muss man abtöten, um auf den eßbaren Kern zu kommen. Ebenso sind um dieses Gemach herum und über ihm viele andere Gemächer. Wenn wir nämlich von der Seele sprechen, müssen wir immer den Begriff Fülle, Weite und Größe damit verbinden; nichts davon ist übertrieben, weil die Seele viel mehr zu fassen imstande ist, als wir uns denken können. Allen Gemächern aber teilt die in diesem Palaste leuchtende Sonne sich mit.

9. Es ist von großer Wichtigkeit, dass man eine Seele, die wenig oder viel Zeit auf das Gebet verwendet, ja nie beenge und gleichsam in einen Winkel einzwänge. Man lasse sie vielmehr diese Wohnungen, oben und unten und an den Seiten, frei durchwandeln, da ihr Gott eine so hohe Würde verliehen hat. Man zwinge sie nicht, lange Zeit nur in einem Gemache zu bleiben, und wäre es auch das Gemach der Selbsterkenntnis. Diese Erkenntnis — man verstehe mich recht —ist jedoch auch für jene, die der Herr schon in sein eigenes Gemach hat eintreten lassen, sehr notwendig. Wie hoch sie auch stehen mögen, so kann doch nie etwas diese Selbsterkenntnis ersetzen, und sie selbst könnten nicht darauf verzichten, wenn sie auch wollten; denn die Demut ist der Biene gleich, die beständig im Bienenstock den Honig bereitet. Ohne diese Tugend geht alles verloren. Wir müssen jedoch bedenken, dass die Biene nicht unterlässt, auch auszufliegen, um den Blütensaft heimzubringen. Ebenso soll auch die Seele, das glaube sie mir, zuweilen von der Betrachtung ihrer selbst zur Betrachtung der Größe und Majestät Gottes sich erheben. Hier wird sie ihre Niedrigkeit besser erkennen als in sich selbst und auch freier werden von dem Ungeziefer, das mit ihr in die ersten Gemächer der Selbsterkenntnis eingekehrt ist. Ist es auch, wie gesagt, ein großer Erweis der Barmherzigkeit Gottes, wenn er uns anregt, in der Selbsterkenntnis uns zu üben, so gilt doch auch hier das Sprichwort: »zu wenig und zu viel verdirbt das Spiel.« Glaubt es mir, wir erwerben uns durch Gottes Kraft weit höhere Tugend, als wenn wir immer nur auf dem Boden unserer eigenen Armseligkeit betrachtend verweilen.

10. Ich weiß nicht, ob ich mich deutlich genug erklärt habe. Denn die Selbsterkenntnis ist so wichtig, dass ich nicht eine Nachlässigkeit bei deren Erwerb wünschte, selbst wenn ihr euch auch bis zum Himmel erhoben hättet; denn so lange wir auf Erden leben, ist uns nichts notwendiger als die Demut. Darum sage ich wiederholt: Es ist gut, ja sehr gut, dass man zuerst in jenes Gemach einzutreten sich bemüht, in dem man sich mit der Erkenntnis seiner selbst befasst, ehe man sich zu den anderen Gemächern zu erheben sucht; denn die Selbsterkenntnis ist der Weg dahin. Können wir auf dem ebenen und sicheren Wege gehen, warum sollten wir uns Flügel wünschen zum Fliegen, statt auf diesem Wege weiter voranzuschreiten? Indessen werden wir nach meiner Ansicht doch nie zur vollkommenen Selbsterkenntnis gelangen, wenn wir uns nicht auch befleißigen, Gott kennenzulernen; denn durch die Betrachtung seiner Größe werden wir unsere Armseligkeit, durch den ernsten Blick auf seine Reinheit unsere Befleckung erkennen; die Betrachtung seiner Demut aber wird uns zeigen, wie weit wir noch von dieser Tugend entfernt sind.

11. Daraus ergibt sich ein zweifacher Gewinn. Fürs erste erscheint offenbar das Weiße weit mehr in seiner Weiße neben dem Schwarzen, während im Gegenteil das Schwarze neben dem Weißen mehr in seiner Schwärze vor das Auge tritt. Fürs zweite wird unser Verstand und unser Wille mehr veredelt und fähiger zu allem Guten, wenn wir uns bestreben, uns selbst und zugleich Gott kennenzulernen. Treten wir aber niemals aus dem Schlamme unseres Elendes heraus, so bringt uns dies großen Nachteil. Ich habe oben von jenen, die im Stande der Todsünde leben, gesagt, wie schwarz und übelriechend die Wasser seien, aus denen sie ihre Nahrung schöpfen. Dies möchte ich als Gleichnis auch hier gebrauchen. Ich sage nicht, dass jene, die immer nur auf dem Boden der Betrachtung ihrer eigenen Armseligkeit stehenbleiben, in derselben Lage sind; davor bewahre uns Gott! Aber wenn sich solche Seelen gar nicht höher hinaufschwingen, so werden sie immer das aus diesem oben entspringende Wasser der Beängstigungen, des Kleinmutes und der Verzagtheit in sich aufnehmen. Tausend Gedanken werden sie da beunruhigen und verwirren, wie z. B.: Werden nicht andere ihre Augen auf mich richten? Wird mir der Wandel auf diesem Wege keinen Nachteil bringen? Darf ich es wagen, ein solches Werk zu unternehmen? Ist es nicht Hoffart, ist es recht, wenn ein so armseliges Geschöpf wie ich mit dem so erhabenen, innerlichen Gebet sich befasst? Wird man mich nicht für besser halten als andere, die diesen Weg nicht gehen? Übertreibungen sind auch auf dem Wege der Tugend zu vermeiden. Als eine so arme Sünderin werde ich, wenn ich falle, nur um so tiefer hinabzustürzen. Vielleicht werde ich auf diesem Wege nicht voranschreiten und so den Guten nur schaden. Eine Person wie ich bedarf keiner Besonderheiten usw.

12. Ach, meine Schwestern, welchen Schaden wird der Teufel diesen Seelen durch Einflüsterung solcher Gedanken schon zugefügt haben! Denn dies alles sowie der Umstand, dass solche Seelen immer nur bei der Betrachtung ihres eigenen Elendes stehenbleiben, scheint ihnen nur Demut zu sein; ich könnte noch vieles Derartige anführen. Auf solche Weise verkehrt der Teufel die Selbsterkenntnis zu ihrem Schaden, und wenn wir uns niemals über uns selbst erbeben, so wundere ich mich nicht, dass wir dies und noch mehr zu befürchten haben. Darum, meine Töchter, sage ich, dass wir unsere Augen auf Christus, unser höchstes Gut, und auf seine Heiligen richten müssen. Von ihnen werden wir die wahre Demut lernen; so wird, wie gesagt, unser Verstand veredelt, die Erkenntnis unseres eigenen Nichts aber wird uns nicht niederdrücken und verzagt machen. Ist die Selbsterkenntnis auch nur die erste Wohnung, so ist sie doch schon sehr reich und so kostbar, dass die Seele weiter voranschreiten wird, wenn sie sich des dort sich befindlichen Ungeziefers erwehrt. Aber die listigen Nachstellungen und Kunstgriffe des Teufels sind furchtbar; er will damit verhindern, dass die Seele zur Selbsterkenntnis gelange und sich auf den Wegen, die sie wandelt, zurechtfinde.

13. Über diese erste Wohnung könnte ich aus eigener Erfahrung sehr gute Aufschlüsse geben. Darum sage ich: man stelle sich nicht wenige, sondern unzählige Gemächer vor; denn auf die mannigfachste Weise treten die Seelen in sie ein. Sie alle haben eine gute Absicht; der Teufel aber hat immer Schlimmes vor. Darum mag er wohl in jedem dieser Gemächer viele Legionen von bösen Geistern zum Kampfe gegen diese Seelen aufbieten, um sie vom Fortschreiten in die anderen Gemächer abzuhalten; und da die Armen es nicht merken, täuscht er sie auf die mannigfachste Weise. Soviel vermag er nicht mehr über jene, die dem Gemache des Königs schon näher stehen. Hier aber, wo die Seelen noch verstrickt sind in die Welt, versenkt in deren Genüsse und eingenommen für deren Ehren und Ansprüche, sind die Vasallen der Seele, die ihr von Gott gegebenen Sinne und natürlichen Vermögen, noch nicht stark genug; darum werden solche Seelen leicht überwunden, obgleich sie das Verlangen haben, Gott nicht zu beteidigen, und gute Werke vollbringen. Die auf dieser Stufe sich befindlichen Seelen müssen möglichst oft zur göttlichen Majestät ihre Zuflucht nehmen, die gebenedeite Gottesmutter und die Heiligen Gottes zu Fürbittern wählen und sie anflehen, für sie zu streiten, weil die eigenen Dienstleute noch zu wenig Stärke haben, um sich zu verteidigen. Übrigens muss uns Gott auf jeder Stufe die Stärke zum Streite verleihen. Seine Majestät gewähre sie uns um ihrer Barmherzigkeit willen!

14. O wie armselig ist doch das Leben, in dem wir uns befinden! Meine Töchter, ich habe schon anderswo ausführlich von dem Nachteil gesprochen, den uns der Mangel an rechtem Verständnis der Selbsterkenntnis und Demut bringt; darum will ich hier nicht weiter davon reden, wenn auch dieses Verständnis das Notwendigste für uns ist. Der Herr gebe, dass ich wenigstens etwas zu euerem Nutzen gesagt habe!

15. Ihr müsst wissen, dass von dem Lichte, das aus dem Palaste des Königs kommt, fast noch nichts, in die erste Wohnung dringt. Sie ist zwar nicht ganz finster und schwarz, wie wenn die Seele sich in der Todsünde befindet; aber sie ist doch einigermaßen verdunkelt, so dass einer das Licht nicht sehen kann, der in ihr ist. Die Schuld liegt, ich weiß mich nicht besser verständlich zu machen, nicht an dem Gemache, sondern an dem vielen bösen Gezücht von Nattern, Vipern und anderen giftigen Tieren, die zugleich mit der Seele in das Gemach eingedrungen sind und sie das Licht nicht schauen lassen. Geradeso, wie wenn jemand in ein von der Sonne hell erleuchtetes Zimmer tritt, aber die Augen voll Staub hat, so dass er sie kaum öffnen kann. Die Wohnung ist zwar Licht, aber wer sich darin befindet, erfreut sich des Lichtes nicht, da die wilden und sonstigen Tiere ihn daran hindern; sie blenden seine Augen, so dass er außer ihnen nichts sehen kann. So muss es meiner Ansicht nach einer Seele ergehen, die zwar in keinem bösen Zustand sich befindet, aber doch, wie gesagt, in weltliche Dinge so verstrickt und von zeitlichen Gütern, Ehren und Beschäftigungen so eingenommen ist, dass diese er nicht gestatten, ihre eigene Schönheit zu schauen und zu genießen, wenn sie auch ernstlich wollte; allem Anschein nach kann sie sich so großer Hindernisse nicht entledigen. Und doch ist es, um in die zweite Wohnung eingehen zu können, durchaus notwendig, dass jede Seele, je nach ihrem Stande, darnach trachte, es der unnötigen Dinge und Geschäfte zu entschlagen. Daran ist so viel gelegen, dass ich es für unmöglich halte, in die Hauptwohnung zu gelangen, wenn damit nicht der Anfang gemacht wird; ja wenn jemand auch schon in die Burg eingetreten ist, so wird er doch nach meinem Dafürhalten in dem Gemach, in dem er sich eben befindet, nicht ohne große Gefahr sein. Denn unter so diesen giftigen Tieren kann er unmöglich durchkommen, ohne nicht hin und wieder angegriffen zu werden.

16. Wie traurig wäre es aber, meine Töchter, wenn jene durch eigene Schuld wieder in das Getümmel der ersten Wohnung zurückkehren würden, die wie wir, frei von solchen Hemmnissen, schon viel weiter vorgeschritten und in andere geheime Wohnungen der Burg eingedrungen sind! Ach, um unserer Sünden willen wird es viele geben, die sich wieder in ihr früheres Elend stürzen, nachdem sie Gott begnadigt hat! Hier, im Orden, sind wir bezüglich der äußeren Dinge frei von Gefahren; der Herr gebe nur, dass wir es auch bezüglich des Inneren seien und bleiben mögen! Hütet euch deshalb, meine Töchter, vor fremden Sorgen! Bedenket, dass nur in wenigen Wohnungen dieser Burg die bösen Geister auf den Kampf verzichten! In einigen sind zwar die Mieter, wie ich die Vermögen der Seele genannt zu haben glaube, stark zum Streite; allein es ist sehr notwendig, dass wir den Ränken des Teufels gegenüber beständig auf der Hut sind, damit er nicht in der Gestalt eines Engels des Lichtes uns täusche. Denn es gibt eine Menge Dinge, durch die er uns schaden kann; er schleicht sich allmählich ein, so dass wir den Schaden nicht eher bemerken, als er eingetreten ist.

17. Ich habe euch schon anderswo gesagt, dass der Teufel uns heimlich aufzureiben sucht, was man gleich anfangs beachten muss. Dies will ich euch durch einige Beispiele verständlich zu machen suchen. Er flößt einer Schwester einen mächtigen Drang zur Buße ein, so dass sie keine Ruhe zu finden meint, wenn sie sich nicht durch Bußwerke peinigt. Dieser Anfang ist gut; hat aber die Priorin die Erlaubnis zur Vornahme einer Bußübung verweigert und schenkt die Schwester den Einflüsterungen des bösen Feindes, in einer so guten Sache schon etwas sagen zu dürfen, dennoch Glauben und ergibt sie sich heimlich einem so strengen Leben, dass sie dadurch allmählich ihre Gesundheit zerstört und den Vorschriften der Regel nicht mehr genügen kann, so seht ihr schon, welchen Ausgang dieses Gute genommen hat. — Einer anderen flößt der böse Feind sehr großen Eifer zum Streben nach Vollkommenheit ein. Dieser Eifer ist etwas ganz Gutes, aber er kann die Schwester so weit führen, dass ihr jeder kleine Fehler, den sie an ihren Mitschwestern bemerkt, als ein großes Vergehen erscheint, dass sie auf solche Fehler sorgfältig ihr Augenmerk richtet, um sie der Priorin anzuzeigen. Dabei kann es zuweilen geschehen, dass sie in ihrem großen Eifer für die Ordensobservanz, ihre eigenen Fehler übersieht, während andere, die nicht wissen, von welcher Absicht ihr Inneres beseelt ist, ihre Sorge übel aufnehmen.

18. Was aber der böse Feind damit beabsichtigt, ist keineswegs von geringer Bedeutung; er arbeitet darauf hin, dass die gegenseitige Liebe unter den Schwestern erkalte, was ein großer Nachteil wäre. Laßt uns darum einsehen, meine Töchter, dass die wahre Vollkommenheit in der Liebe Gottes und des Nächsten besteht! Je vollkommener wir diese Gebote halten, desto größer wird unsere Vollkommenheit überhaupt sein. Unsere ganze Regel und alle unsere Satzungen sind nichts anderes als Mittel zur Beobachtung dieser Gebote. Vermeiden wir also allen unbescheidenen Eifer, der uns nur großen Schaden bringen kann; eine jede gebe auf sich selbst acht! Ich will nicht weiter davon sprechen, da ich schon anderswo ausführlich darüber gehandelt habe.

19. An der gegenseitigen Liebe ist soviel gelegen, dass ich wünschte, ihr möchtet sie nicht vergessen. Denn dadurch, dass wir unbedeutende Dinge an anderen beobachten, die manchmal kaum Unvollkommenheiten sind, sondern von uns vielleicht nur aus Unwissenheit übel aufgenommen werden, kann sowohl der eigene Seelenfrieden schwinden, als auch der Frieden anderer gestört werden. Sehet also, wie teuer eine solche Vollkommenheit zu stehen käme! Mit der gleichen Versuchung kann sich der böse Feind den Schwestern auch nahen bezüglich der Priorin; dann aber ist sie um so gefährlicher. Man muss darum wohl zu unterscheiden wissen. Denn wenn die Priorin Fehler gegen die Regel und die Satzungen begeht, darf man diese nicht immer gut auslegen; man muss sie vielmehr aufmerksam machen und dem höheren Obern Anzeige erstatten, wenn sie sich nicht bessert. Ebenso soll man sich auch den Schwestern gegenüber verhalten, wenn man an ihnen einen bedeutenden Fehler bemerkt. Würde man da aus Furcht, einer Versuchung nachzugeben, dergleichen Fehler mit Stillschweigen übergehen, so wäre diese Furcht selbst eine Versuchung. Um aber vom Teufel nicht betrogen zu werden, hüte man sich, mit anderen von solchen Fehlern zu sprechen; man teile sie, wie schon erwähnt, nur denen mit, die sie bessern können, sonst könnte sich die Gewohnheit der üblen Nachrede einschleichen, wodurch der böse Feind viel gewinnen würde. Gott sei Dank ist bei uns, die wir ein so beständiges Stillschweigen beobachten, eine solche Gefahr nicht vorhanden; allein es ist doch gut für uns, auch in dieser Beziehung auf der Hut zu sein.

Zweite Wohnung

Einziges Hauptstück

Wichtigkeit der Beharrlichkeit, um in die letzten Wohnungen einzugehen. Welch heftigen Kampf der Teufel erregt, und wieviel darauf ankommt, dass man, um den rechten Weg zu wandeln, nicht gleich anfangs irregehe. Ein durch die Erfahrung als sehr wirksam erprobtes Mittel.

3. Mir wollen nun von jenen Seelen sprechen, die in die zweite Wohnung eintreten, und sehen, womit sie sich in ihr beschäftigen. Ich möchte mich gerne kurz fassen, da ich schon anderwärts sehr ausführlich darüber gesprochen habe; es fehlt mir aber die Erinnerung an das, was ich dort gesagt habe, weshalb es wohl möglich sein wird, dass ich vieles davon wiederhole. Könnte ich es mit anderen Worten darstellen, als ehedem, so weiß ich wohl, dass ihr darüber nicht unwillig würdet, wie wir auch nicht müde werden, die vielen Bücher zu lesen, die diesen Gegenstand behandeln.

2. Es handelt sich hier um jene, die das innerliche Gebet schon zu üben begonnen haben und erkennen, wieviel für sie davon abhängt, nicht in der ersten Wohnung zu bleiben. Aber ihr Entschluss steht noch nicht so fest, dass sie nicht oftmals dahin zurückkehrten, weil sie die Gelegenheiten nicht meiden. Es ist dies sehr gefährlich und doch wieder eine große Gnade Gottes; sie fliehen wenigstens zeitweise die Schlangen und giftigen Tiere und kommen zur Einsicht, wie gut es ist, sie zu meiden. Solche Seelen haben in gewisser Hinsicht mehr zu leiden als jene, von denen schon die Rede war; sie sind aber auch weniger in Gefahr, weil sie die Gefahren schon zu kennen scheinen, und es ist große Hoffnung, dass sie weiter in das Innere der Burg eindringen werden. Ich sage, sie haben mehr zu leiden; denn jene ersteren sind den Stummen gleich, die zugleich taub sind und deshalb das Leid des Stummseins viel leichter ertragen, als sie es hinnehmen würden, wenn sie das Gehör besäßen. Trotzdem wünscht keiner, der stumm ist, des Gehöres zu entbehren; denn es ist doch immerhin ein großer Vorteil, zu verstehen, was man uns sagt. Diesen Vorteil aber genießen jene, von denen ich hier spreche. Sie hören den wiederholten Ruf des Herrn, den er an sie ergehen lässt; denn sie sind dem Gemache, in dem Seine Majestät wohnt, schon näher gekommen und haben an ihm einen guten Nachbar. Zwar hängen sie noch an ihren Unterhaltungen, Beschäftigungen, Freuden und den trügerischen Dingen dieser Welt; sie fallen in Sünden und stehen wieder auf, da es in der Nähe so gefährlicher, giftiger und unruhiger Tiere fast ein Wunder ist, nicht zu straucheln und zu fallen. Aber die Barmherzigkeit und Güte unseres Herrn ist so groß, und ihr Verlangen, ihn zu lieben und seine Gesellschaft zu suchen, so dringend, dass er nicht unterlässt, ihnen wiederholt zuzurufen, sie möchten doch in seine Nähe kommen. Seine Stimme ist so lieblich, dass die arme Seele vor Kummer vergehen möchte, weil sie ihr nicht Folge leistet. Sie hat also, wie ich sagte, mehr zu leiden, als wenn sie die Stimme des Herrn nicht hörte.

3. Ich sage nicht, dass jene Rufe und Einladungen jenen gleichen, von denen ich später noch sprechen werde. Es sind Worte frommer Menschen oder Predigten, die wir hören, gute Bücher, die wir lesen, Krankheiten, Leiden und viele andere Dinge, wodurch der Herr, wie ihr schon gehört habt, uns ruft. Auch das nenne ich Einladung Gottes, wenn uns der Herr zur Zeit des innerlichen Gebetes irgendeine Wahrheit lehrt; denn so armselig dieses Gebet auch sein mag, so wird es von Gott doch hoch angeschlagen. Achtet auch ihr, meine Schwestern, diese erste Gnade nicht gering; doch härmt euch nicht, wenn ihr dem Ruf des Herrn nicht sogleich entsprecht; denn Seine Majestät weiß viele Tage und Jahre zu warten, besonders wenn sie sieht, dass man Ausdauer und ernsten Willen hat. Diese Ausdauer ist hier sehr notwendig, da durch sie immer viel gewonnen wird. Aber der Kampf, den hier die bösen Geister auf tausenderlei Weise hervorrufen, ist schrecklich und für die Seele weit peinlicher, als in der vorigen Wohnung; denn dort war sie stumm und taub zugleich, wenigstens hörte sie nicht viel und leistete auch nur geringen Widerstand, wenn sie auch die Hoffnung auf den Sieg nicht ganz verlorengab. Hier jedoch ist ihr Verständnis schon lebendiger, und ihre Vermögen sind fähiger. Es fallen die Schläge und donnern die Geschütze in einer Weise, dass die Seele notwendig hören muss. Hier stellen ihr die bösen Geister die verführerischen Dinge der Welt vor Augen: ihre Freuden, die sie ihr oft als ewig dauernd vormalen; die Achtung, die sie in ihr genießt; die Freunde und Verwandten, die sie besitzt; ihre Gesundheit, die sie durch Bußübungen einbüßen könnte; denn nach diesen sehnt sich die Seele immer, wenn sie in diese Wohnung eintritt. Mit diesen und anderen tausend Arten von Hindernissen hat die Seele hier zu kämpfen.

4. O Jesus, welchen Sturm erregen doch hier die bösen Geister, und in welche Bedrängnisse gerät die arme Seele, die nicht weiß, ob sie vorwärts schreiten oder in das erste Gemach zurückkehren soll! Andererseits stellt ihr die Vernunft die Einflüsterungen der bösen Geister als Täuschung vor Augen und gibt ihr zu bedenken, dass alles andere nichts ist im Vergleiche mit dem, wonach sie strebt. Der Glaube belehrt sie über das eine Notwendige. Das Gedächtnis erinnert sie an die Vergänglichkeit alles Irdischen durch die Vergegenwärtigung des Todes jener, die, wie sie weiß, reich waren an irdischen Genüssen; es erinnert sie daran, dass sie manche plötzlich sterben sah, die schnell von allen vergessen wurden; dass einige von denen, die sie einst in großem Glücke gesehen, jetzt unter der Erde liegen und sie selbst schon öfters über das Grab jener hinweggeschritten, deren Leib jetzt eine Menge von Würmern zernagt. Dies und vieles andere stellt das Gedächtnis der Seele vor. Ihr Wille ist in Liebe dem zugetan, von dem sie schon unzählige Wohltaten und Beweise seiner Liebe empfangen hat, wofür sie ihm gerne etwas vergelten möchte. Insbesondere drängt sich der Seele der Gedanke auf, dass dieser wahre Liebhaber nie von ihr weiche, sondern allzeit bei ihr sei und ihr Leben und Sein verleihe. Schließlich belehrt auch noch der Verstand die Seele, dass sie keinen besseren Freund finden könne, wenn sie auch noch so viele Jahre lebe. Die ganze Welt sei voll von Falschheit, während jene Freuden, die ihr der Teufel vorspiegele, nur Leiden, Sorgen und Widersprüche in sich schließen würden. Er, der Verstand, versichert die Seele auch, dass sie außer dieser Burg weder Sicherheit noch Frieden finden werde, weswegen sie das Herumschweifen in fremden Häusern aufgeben möge; denn ihr eigenes besitze eine Fülle von Gütern, die sie genießen könne, wenn sie nur wolle. Nicht jeder habe gleich ihr in seinem Hause alles, wessen er bedarf; insbesondere fehle oft der so gute Gastherr, der sie zur Besitzerin aller Güter machen werde, wenn sie sich nicht selbst in das Verderben stürze und, dem verlorenen Sohne gleich, sich mit dem Futter der Schweine sättigen wolle.

5. Das sind Beweggründe, wodurch die Seele die bösen Geister überwinden kann. Aber, o mein Herr und Gott, die gewohnheitsmäßige Hingabe an die eitlen Dinge sowie die Wahrnehmung, dass die ganze Welt sich mit ihnen befasst, macht alle diese Anregungen wieder zunichte. Denn der Glaube ist so leblos, dass wir uns lieber nach den in die Augen springenden Dingen als nach seinen Wahrheiten richten, obwohl wir nur das tiefste Elend an jenen wahrnehmen, die diesen sichtbaren Dingen nachstreben. Dieses Elend verursachen jene schädlichen Gegenstände, mit denen wir uns beschäftigen. Wie durch den Biß einer Natter der ganze Leib vergiftet wird und anschwillt, so leiden wir auch hier Schaden, wenn wir uns nicht vor ihnen hüten. Offenbar sind da viele Heilkuren nötig, und Gott erweist uns große Gnade, wenn wir an diesem Übel nicht sterben. Die Seele duldet hier fürwahr große Bedrängnisse, besonders wenn der böse Feind an ihr gute Anlagen und Fertigkeiten zu großem Fortschritt gewahrt. Er bietet dann die ganze Hölle auf, um die Seele wieder zum Verlassen dieser Wohnung zu nötigen.

6. Hier, o Herr, ist deine Hilfe notwendig; denn ohne sie vermögen wir nichts. Lasse in deiner Barmherzigkeit eine solche Seele nicht so der Täuschung anheimfallen, dass sie wieder aufgibt, was sie begonnen! Gib ihr Licht, um einzusehen, dass von ihrem beharrlichen Fortschritt ihr ganzes Heil abhänge und sie sich von böser Gesellschaft trenne. Denn es ist ihr überaus nützlich, mit Menschen umzugehen, die nach dem gleichen Ziele streben, und sich nicht solchen anzuschließen, die in denselben Gemächern sich befinden, sondern auch anderen, die schon weiter in das Innere der Burg eingedrungen sind. Dies wird der Seele sehr zustatten kommen; ja, der Umgang mit solchen Seelen, die schon weiter vorangeschritten sind, kann ihr soviel nützen, dass diese sie in ihre eigenen Gemächer nach sich ziehen. Die Seele sei beständig auf der Hut, um sich nicht überwinden zu lassen; denn wenn der Teufel sieht, dass sie fest entschlossen ist, lieber Leben, Ruhe und alles, was er ihr bietet, zu verlieren, als in das erste Gemach zurückzukehren, wird er weit eher von ihr weichen. Sie sei männlich und wandle nicht wie jene, die, mit dem Leibe auf der Erde liegend, vom Wasser tranken, als sie — ich weiß nichtmehr, mit wem — zum Kampfe auszogen; sie sei vielmehr fest entschlossen, gegen alle Teufel zu kämpfen in der Überzeugung, dass es hiezu keine besseren Waffen gebe als die des Kreuzes.

7. Ich habe dies schon anderswo erwähnt, aber da es so wichtig ist, sage ich es hier abermals: Die Seele rechne nicht darauf, dass ihr bei dem Werke, das sie beginnt, Tröstungen zuteil werden; denn ein so großartiger und kostbarer Bau darf nicht auf einem so schwachen Fundamente ruhen. Fängt man an, auf Sand zu bauen, dann stürzt bald alles zusammen. Die Seele würde sich so immer unbehaglich fühlen und nie frei werden von Versuchungen; denn in diesen Wohnungen regnet es noch kein Manna wie in jenen, die weiter inwendig sind. Dort wird alles dem Wunsch und Empfinden der Seele entsprechen, weil sie nichts anderes mehr will, als was Gott will.

8. Wie sonderbar sind doch unsere Wünsche! Schämen wir uns nicht, nach Tröstungen zu verlangen und uns über Trockenheiten zu beklagen, nachdem wir noch mit tausend Schwierigkeiten und Unvollkommenheiten belastet und unsere Tugenden noch nicht einmal im Wachsen begriffen sind, sondern erst vor kurzem hervorzusprossen begonnen haben — und gebe Gott, es wäre auch so — ? Möge dies bei euch, meine Schwestern, niemals vorkommen! Umfasset vielmehr das Kreuz, das euer Bräutigam auf sich genommen, und erkennet, dass dies euere Aufgabe sein muss! Jene, die mehr leiden kann, dulde auch mehr um seinetwillen und ihr Lohn wird um so herrlicher sich gestalten. Alles übrige ist gleichsam eine Zugabe; verleiht sie euch der Herr, so sagt ihm innigen Dank dafür!

9. Euerer Ansicht nach wäret ihr zu äußeren Leiden gerne bereit, wenn euch Gott nur innere Tröstungen verleihen würde. Aber der Herr weiß besser als wir, was uns zuträglich ist. Es ist nicht notwendig, ihm zu raten, was er uns schenken soll, sonst könnte er mit Recht zu uns sagen, dass wir nicht wissen, um was wir bitten. Das ganze Streben derer, die dem (innerlichen) Gebete sich ergeben, muss den Entschluss wachrufen, zu arbeiten und mit bestmöglichem Eifer sich zu bemühen, ihren Willen dem Willen Gottes gleichförmig zu machen. Dies dürft ihr nie vergessen, weil so viel darangelegen ist. Seid versichert, dass hierin die ganze höhere Vollkommenheit besteht, die man sich auf dem Wege des geistlichen Lebens erwerben kann; ich werde später noch darauf zurückkommen. Je vollkommener jemand seinen Willen dem göttlichen gleichgestaltet, desto höhere Gaben wird er vom Herrn empfangen, desto weiter auf diesem Wege voranschreiten. Glaubet ja nicht, es handle sich da um andere Geheimnisse, um unbekannte und unbegreifliche Dinge; nein, unser ganzes Heil beruht auf dieser Gleichförmigkeit. Wenn wir aber schon gleich anfangs irre gehen und den Wunsch hegen, der Herr möge unseren Willen tun und uns jene Wege führen, die wir im Auge haben, welche Festigkeit kann dann das Gebäude haben? Bemühen wir uns, unser möglichstes zu tun, und hüten wir uns vor dem schändlichen Gewürm! Gott will oft, dass böse Gedanken und Trockenheiten uns peinigen und verfolgen, ohne dass wir uns davon befreien könnten; ja zuweilen lässt er auch zu, dass wir davon schädlich beeinflusst werden. Dadurch prüft er uns, um zu sehen, ob wir innige Reue über die Beleidigung Gottes empfinden, sowie auch, ob wir uns nachher um so ängstlicher davor zu hüten wissen.

10. Ihr sollt darum den Mut nicht sinken lassen, wenn ihr auch zuweilen in einen Fehler fallet, und auch nicht davon ablassen, weiter voranzuschreiten; denn Gott wird diesen Fall zum Guten lenken, wie der Theriakverkäufer zuerst selbst Gift trinkt, um zu erproben, ob sein Theriak kräftig sei. Würden wir unter Elend und den großen Schaden, der uns aus einem zerstreuten Leben erwächst, auch nur aus dem Kampfe erkennen, den wir um den Erwerb der inneren Sammlung zu bestehen haben, so wäre dies schon genug. Kann es etwas Ärgeres geben, als wenn wir uns in unserem eigenen Hause nicht zurechtfinden? Wie können wir aber in anderen Häusern Ruhe hoffen, wenn wir sie in den eigenen nicht zu finden vermögen? Selbst so nahe Verwandte und wahre Freunde, wie unsere Seelenkräfte, mit denen wir immer, auch wider unseren Willen, zusammenleben müssen, scheinen uns zu bekämpfen, gleichsam erbittert über jenen Widerstreit, den unsere bösen Gewohnheiten gegen sie geführt haben. Friede! Friede!

Meine Schwestern, dieses Wort hat der Herr so oft zu seinen Aposteln gesprochen, und zum Frieden hat er sie so oft ermahnt. Haben wir aber den Frieden nicht im eigenen Hause, und suchen wir ihn nicht da, so werden wir ihn, glaubt es mir, in fremden Häusern nicht finden. Möge man doch diesen Kampf einmal beendigen um des Blutes Willen, das Christus für uns vergossen! Diese Bitte stelle ich an jene, die mit der Einkehr in sich selbst noch nicht begonnen haben; die Anfänger aber bitte ich, sie möchten des Kampfes nicht überdrüssig werden und nicht wieder umkehren. Sie mögen bedenken, dass der Rückfall schlimmer ist als der erste Fall, da sie ja schon ihren Verlust sehen. Sie sollen nur auf die Barmherzigkeit Gottes, nicht aber auf sich selbst Vertrauen setzen; dann werden sie die Erfahrung machen, dass Seine Majestät sie von einer Wohnung in die andere führt und sie in das Land versetzt, wo die wilden Tiere sie nicht mehr berühren und belästigen können. Dort werden sie diese alle unterjochen und ihrer spotten; sie werden schon in diesem Leben all die erhofften Güter in noch weit höherem Maße genießen.

11. Wie schon anfangs bemerkt, habe ich anderswo von dem Verhalten gesprochen, das ihr bei den Unruhen und Verwirrungen zu beobachten habt, die der böse Feind in dieser Wohnung erregt; ich habe euch gesagt, nicht mit Gewaltanstrengung, sondern in ruhiger Weise euch der Sammlung zu befleißigen, damit diese um so anhaltender sei. Ich will deshalb nicht weiter davon reden und nur noch bemerken, dass es nach meiner Ansicht von großer Wichtigkeit ist, sich mit erfahrenen Personen zu beraten; denn sonst könntet ihr auch notwendige Beschäftigungen für sehr schädlich halten. Sollten wir indessen auch niemand finden der uns unterweist, so wird doch der Herr alles zu unserem Besten lenken, wenn wir nur nicht selbst unterlassen, uns immer wieder zu sammeln. Denn gegen den Rückschritt gibt es kein anderes Mittel, als immer wieder von neuem zu beginnen; sonst verliert die Seele täglich mehr und mehr, und Gott gebe, dass sie dies noch einsehe!

12. Es könnte nun einer Schwester der Gedanke kommen: Wenn ein Zurückschreiten so vom Übel ist, dann wäre es besser, gar nicht den Anfang zu wagen, sondern draußen außer der Burg zu bleiben. Ich habe es euch schon anfangs gesagt, und der Herr selbst sagt es, dass in der Gefahr umkommt, wer sie liebt; ferner habe ich darauf hingewiesen, dass die Türe zum Eingang in die Burg das Gebet ist. Es wäre also Torheit, wenn wir meinten, wir könnten in den Himmel eingehen, ohne in uns selbst einzukehren, um uns ohne unser eigenes Elend und unsere Verpflichtung gegen Gott zu betrachten und ihn oftmals um Barmherzigkeit anzurufen. Der Herr selbst sagt — ich weiß nicht, ob mit denselben Worten, aber ich glaube es — : »Niemand wird zu meinem Vater emporsteigen, außer durch mich.« Und: »Wer mich sieht, sieht meinen Vater.« Wenn wir aber nie auf ihn schauen, nie betrachten, was wir ihm schuldig sind und welch einen Tod er für uns gelitten, dann weiß ich nicht, wie wir ihn kennenlernen und in seinem Dienste wirken können. Denn was kann der Glaube ohne Werke, und was können die Werke für ein Verdienst haben, wenn wir sie nicht mit dem Werke der Verdienste Jesu Christi, unseres höchsten Gutes, vereinigen? Oder was kann uns zur Liebe dieses Herrn anregen? Möchte er uns doch erkennen lassen, wie teuer wir ihm zu stehen kommen! Möchten wir die Wahrheit einsehen, dass der Jünger nicht mehr ist als der Herr! Wir müssen darum auch Werke setzen, um seiner Herrlichkeit teilhaftig zu werden, und bitten, um nicht immer in der Versuchung zu bleiben.

Dritte Wohnung

Erstes Hauptstück

Solange wir in dieser Verbannung leben, können wir nur geringe Sicherheit haben, wenn wir auch in einem erhabenen Stande uns befinden. Es ist uns ein beständiger Wandel in der Furcht notwendig. Einige gute Ermahnungen.

3. Was sollen wir jenen, die durch die Barmherzigkeit Gottes die genannten Kämpfe siegreich bestanden haben und durch ihre Ausdauer in die dritte Wohnung eingegangen sind, anders zurufen als: »Glückselig der Mann, der den Herrn fürchtet?« Es war gewiss keine geringe Gnade von seiten der göttlichen Majestät, dass sie mich eben jetzt verstehen ließ, was dieser Vers in unserer Muttersprache bedeutet; denn hierin bin ich sonst ungeschickt. Wahrhaftig, wir nennen mit Recht einen solchen glücklich; wenn er nicht wieder umkehrt, ist er auf sicherem Wege zu seiner Seligkeit, soweit wir es zu erkennen vermögen. Daraus erseht ihr, meine Schwestern, wie viel an dem Siege in den vorhergehenden Kämpfen gelegen ist; ich halte für gewiss, dass es der Herr nie daran fehlen lassen wird, dem Sieger (in diesen Kämpfen) Sicherheit des Gewissens zu verleihen, was offenbar kein geringes Gut ist. Doch ich sprach nicht richtig, wenn ich sagte: »Sicherheit«; denn diese gibt es im gegenwärtigen Leben nicht. Deshalb müsst ihr, wenn ich von Sicherheit rede, immer die Bedingung damit verbinden: Wenn man vom begonnenen Weg nicht mehr ablässt.

2. Ach, wie elend und erbärmlich ist doch unser Leben hier auf Erden! Es geht uns immer wie Menschen, deren Feinde vor den Toren stehen; sie können weder beim Schlafen noch beim Essen ihre Waffen ablegen und müssen in der beständigen Furcht leben, die Feinde könnten an irgendeiner Seite in die Festung einbrechen. O mein Herr und mein höchstes Gut! Wie kann es denn dein Wille sein, dass wir ein so elendes Leben wünschen? Solange wir nicht die Hoffnung haben, unser Leben um deinetwillen zu verlieren oder es in aller Wahrheit in deinem Dienste zu verzehren, ja, solange wir hierin nicht deinen Willen erkennen, kann es auch unmöglich unser Wille und unsere Bitte sein, uns aus diesem Leben hinwegzunehmen. Hätten wir aber diese Hoffnung, und wäre es dein Wille, dann, o mein Gott, wollten wir, wie der heilige Thomas sagte, sterben mit dir, zumal das Leben ohne dich und in der beständigen Furcht, dich für immer verlieren zu können, ohnehin ein vielfaches Sterben ist. Darum, meine Töchter, sage ich, dass die Glückseligkeit, um die wir bitten müssen, die Sicherheit ist, in der wir jetzt schon mit den Seligen (des Himmels) leben können. Welche Freude kann denn bei solcher Furcht der noch haben, dessen einzige Freude es ist, Gott zu gefallen? Bedenket, dass selbst Heilige in schwere Sünde gefallen sind, die diese und noch weit größere Furcht gehabt haben als wir! Sie erhoben sich zwar wieder von ihrem Falle; wir aber sind nicht sicher, ob Gott auch uns seine Hand, ich meine seine besondere Gnadenhilfe, bieten werde, um wieder aufzustehen und Buße zu tun gleich ihnen.

3. Wahrhaftig, meine Töchter, während ich diese Worte niederschreibe, überwältigt mich so große Furcht, dass ich nicht weiß, wie ich sie schreiben soll. Ich begreife auch nicht, wie ich überhaupt noch leben kann, wenn ich — und dies geschieht sehr oft — dies alles bedenke. Bittet doch, meine Töchter, die göttliche Majestät, dass sie allezeit in mir lebe; denn wenn dies nicht wäre, welche Sicherheit könnte ich dann bei meinem so übel zugebrachten Leben haben? Macht euch aber über dieses Bekenntnis keinen Kummer; denn ich habe dies schon einige Male an euch bemerkt, wenn ich darüber gesprochen. Den Grund davon weiß ich wohl; ihr wünscht eben, ich möchte recht heilig gewesen sein, und ihr habt auch recht, und ich selbst wünschte es. Aber was soll ich jetzt tun, nachdem ich es einzig durch meine Schuld verscherzt habe? Gegen Gott kann ich mich nicht beklagen, dass er es an seiner Gnadenhilfe habe fehlen lassen; sie wäre hinreichend gewesen, euere Wünsche zu erfüllen. Ich kann dies nicht ohne Tränen sagen und muss mich tief beschämt darüber fühlen, dass ich jene belehre, die fähig wären, mich selbst zu unterweisen. Der Gehorsam hat mir fürwahr ein schweres Werk auferlegt! Der Herr gebe, dass es euch einigermaßen zum Nutzen sei, da es um seinetwillen geschieht! Bittet den Herrn, er möge mir verzeihen, weil ich so armselig und vermessen bin! Ich kann nun das einmal Geschehene nicht mehr ungeschehen machen, und so bleibt mir nichts anderes übrig, als zu dieser Majestät meine Zuflucht zu nehmen und auf die Verdienste Jesu Christi und seiner jungfräulichen Mutter zu vertrauen, deren Kleid ich trotz meiner Unwürdigkeit trage. Auch ihr traget dieses Kleid; lobpreiset Gott dafür! Denn ihr seid in Wahrheit Töchter dieser Herrin. Ihr müsst euch deshalb nicht schämen, dass ich so böse bin, da ihr eine so heilige Mutter habt. Folget ihr nach und erwäget, wie erhaben diese Herrin sein muss, welch ein Glück es ist, sie zur Beschützerin zu haben, da sogar meine Sünden und meine Armseligkeit es nicht vermochten, den Glanz ihres Ordens auch nur im geringsten zu verdunkeln!

4. Auf eines jedoch möchte ich euch aufmerksam machen: Ihr dürft euch deshalb nicht für sicher halten, weil der Orden so heilig ist und ihr eine so heilige Mutter habt; denn David war sehr heilig, und ihr wisst selbst, wie Salomon gewesen. Auch auf die Klausur und die Bußübungen, denen ihr euch unterzieht, dürft ihr euch nicht verlassen; weder dies noch euer beständiger Verkehr mit Gott und euer immerwährendes Gebet, noch euere Absonderung von der Welt und der Abscheu, den ihr vor irdischen Dingen zu haben glaubt, darf euch in Sicherheit wiegen; das alles ist zwar gut, aber es reicht, wie gesagt, nicht hin, um ohne Furcht leben zu können. Darum ruft euch oft den Vers ins Gedächtnis: Beatus vir, qui timet Dominum! »Glückselig der Mann, der den Herrn fürchtet!«

5. Ich weiß jetzt nicht mehr, was ich gesagt hatte, soweit bin ich vom Ziele abgekommen. Aber so ergeht es mir, wenn ich an mich selbst denke; da entschwindet mir aller Mut, etwas Gutes zu sagen. Darum will ich jetzt nicht weiter von mir sprechen. Um wieder auf das Begonnene zu kommen, so sage ich: Den Seelen, die in diese dritte Wohnung eingetreten sind, hat der Herr keine geringe, sondern eine sehr große Gnade erwiesen, um die ersten Schwierigkeiten zu überwinden. Solche Seelen gibt es nach meinem Dafürhalten, dank der Güte des Herrn, viele in der Welt. Sie haben das ernste Verlangen, die göttliche Majestät ja nie zu beleidigen, und hüten sich auch vor lässlichen Sünden; sie nehmen gerne Bußübungen vor, haben ihre bestimmten Stunden zur inneren Sammlung, wenden ihre Zeit gut an, üben sich in Werken der Nächstenliebe, sind sehr eingezogen in ihren Reden und in ihrer Kleidung und führen ein geordnetes Hauswesen, wenn ihnen ein solches anvertraut ist. Dies ist gewiss ein wünschenswerter Stand. Da scheint es nach meiner Ansicht kein Hindernis mehr zum weiteren Fortschreiten bis zum Eintritt in die innerste Wohnung zu geben, und der Herr wird ihnen diesen auch nicht versagen, wenn sie nur selbst dahin gelangen wollen; denn sie sind vortrefflich befähigt zum Empfange jeglicher Gnade.

6. O Jesus! Wer möchte nach einem so großen Gute kein Verlangen tragen, nachdem er das Beschwerliche schon verkostet hat? Gewiss eine jede von uns. Wir alle sagen, dass wir uns darnach sehnen; aber damit der Herr die Seele ganz in Besitz nehme, reicht dies bloße Sagen noch nicht hin. Erinnern wir uns des Jünglings im Evangelium, zu dem der Herr sprach, er müsse alles verlassen und ihm nachfolgen, wenn er vollkommen sein wolle. Diesen Jüngling habe ich immer vor Augen, seitdem ich diese Wohnung zu beschreiben begonnen; denn gerade so sind auch wir. Dies ist darum auch zumeist die Ursache jener Trockenheiten, die wir im Gebete erleiden, obwohl diese auch aus anderen Ursachen entstehen können. Ich spreche hier nicht von gewissen inneren Leiden, die manche fromme Seelen in unerträglicher Weise, ohne jegliche Schuld, treffen, aus denen sie nach dem Willen des Herrn großen Gewinn ziehen, sowie auch nicht von jenen Leiden, die von Melancholie oder anderen Krankheiten herrühren. Aber abgesehen von den verborgenen Gerichten Gottes, die wir in allen Dingen anbeten müssen, haben die erwähnten Trockenheiten meiner Ansicht nach meistens in den angeführten Vorgängen ihren Grund. Da solche Seelen sich soweit gefördert sehen, dass sie um alle Welt keine Todsünde, ja viele von ihnen auch keine freiwillige lässliche Sünde begehen möchten, da sie auch ihr Leben und ihr Vermögen gut anwenden, können sie es nicht mit Geduld ertragen, dass ihnen die Türe zum Eintritt in die Wohnung unseres Königs verschlossen ist, dessen Diener sie doch zu sein glauben und auch wirklich sind. Allein auch ein irdischer König hat viele Diener, aber nicht alle dürfen in sein Gemach eintreten. Gehet ein, meine Töchter, gehet ein in euer Inneres und verrichtet euere unbedeutenden Werke mit stets wachsender Liebe! Als Christinnen seid ihr schuldig, dies alles und noch viel mehr zu tun. Es sei euch genug, Dienerinnen Gottes zu sein. Verlanget nicht zu viel, sonst möchtet ihr alles verlieren. Betrachtet die Heiligen, die in das Gemach des Königs eingetreten sind, und ihr werdet den Unterschied finden, der zwischen ihnen und euch besteht. Begehret nicht, was ihr nicht verdient habt! Nachdem wir Gott beleidigt haben, soll uns in keiner Weise der Gedanke kommen, so etwas zu verdienen, wie eifrig wir ihm auch dienen mögen.

7. O Demut, o Demut! Ich weiß nicht, welche Versuchung ich in dieser Hinsicht habe; ich kann so schwer von der Ansicht abstehen, dass es ihnen ein Wenig an Demut fehlt, die sich wegen Trockenheiten beim Gebete so sehr beklagen. Ich nehme jedoch, wie gesagt, jene erwähnten großen inneren Leiden aus, die etwas ganz anderes sind, als bloßer Mangel an Andacht. Prüfen wir uns selbst, meine Schwestern, oder vielmehr lassen wir uns vom Herrn prüfen, der dies am besten kann, wenn wir es oft auch nicht erkennen wollen, und richten wir unseren Blick auf das, was jene Seelen für Gott tun, die ihr Inneres auf ihn gerichtet halten; wir werden da unschwer erkennen, dass wir keine Ursache haben, uns über die göttliche Majestät zu beklagen. Denn wenn wir dem Herrn den Rücken kehren und wie der Jüngling im Evangelium traurig davongehen, sobald er uns sagt, was wir zu tun haben, um vollkommen zu werden, was wollen wir dann noch vom Herrn verlangen, der uns nach dem Maße der ihm erwiesenen Liebe belohnt? Diese Liebe aber, meine Töchter, darf nicht von unserer Einbildung erdichtet sein, sie muss sich durch Werke bewähren. Ihr dürft jedoch nicht denken, der Herr bedürfe unserer Werke; was er aber von uns verlangt, ist die Entschlossenheit unseres Willens.

8. Wir, die wir das Ordenskleid tragen, sind vielleicht der Ansicht, als sei damit schon alles getan, dass wir es freiwillig angenommen und um Gottes willen alle Dinge der Welt und unseren Besitz verlassen haben; denn waren dies auch nur Fischernetze, wie sie der hl. Petrus verlassen, so glaubt doch der, der seinen ganzen Besitz hingibt, viel zu geben. Dies ist allerdings eine sehr gute Vorbereitung, wenn man dabei beharrlich ist und nicht wieder, auch nicht dem Verlangen nach, zu dem Ungeziefer der ersten Gemächer zurückkehrt. Wer in der Losschälung vor allem verharrt, wird ohne Zweifel das Ziel seines Strebens erreichen, vorausgesetzt, dass er sich, was wohl zu beachten ist, für einen unnützen Knecht hält, wie der hl. Paulus oder Christus sagt; er glaube nicht, unseren Herrn verpflichtet zu haben, ihm solche Gnaden zu erweisen; vielmehr sei er der Überzeugung, um so mehr schuldig zu sein, je mehr er empfangen habe. Was können wir doch tun für einen so freigebigen Gott, der für uns gestorben ist, der uns erschaffen hat und uns das Sein verleiht? Müssen wir uns nicht, ohne um neue Gnaden und Tröstungen zu bitten, für glücklich schätzen, wenn wir dem Herrn auch nur etwas von dem vergelten können, was wir ihm dafür schulden, dass er unser Diener geworden? Ich gebrauche dieses Wort zwar nur ungern, aber es ist richtig, da der Herr sein ganzes Leben lang nichts anderes getan, als uns gedient hat.

9. Beachtet, meine Töchter, mit Aufmerksamkeit einige Punkte, die ich, wenn auch nicht in geordneter Form, hier angedeutet habe, da ich sie nicht anders zu erklären wußte. Der Herr wird euch in deren Verständnis einführen, damit die Trockenheiten Demut in euch bewirken und nicht Unruhe, wie der Teufel es beabsichtigt. Glaubet mir: Wenn eine Seele wahrhaft demütig ist, so wird ihr Gott, sollte er ihr auch niemals Tröstungen verleihen, doch einen Frieden und eine Gleichförmigkeit mit seinem Willen schenken, in der sie viel zufriedener ist, als andere bei ihren Tröstungen. Wie ihr schon gelesen, verleiht die göttliche Majestät solche Tröstungen oft den schwächsten Seelen, wenn sie diese auch meines Erachtens mit der Stärke jener nicht Vertauschen möchten, die an Trockenheiten leiden; denn wir lieben immer die Freuden mehr als das Kreuz. Prüfe du uns, o Herr, der du weißt, wie wir in Wahrheit sind, damit wir uns selbst kennenlernen.

Zweites Hauptstück

Fortsetzung desselben Gegenstandes. Trockenheiten beim Gebet und Folgen, die nach dem Dafürhalten der Heiligen daraus entstehen können. Notwendigkeit der Selbstprüfung; Prüfungen, die der Herr an jenen vollzieht, die sich in dieser Wohnung befinden.

3. Ich habe einige, ja, wie ich sagen zu können glaube, viele Seelen gekannt, die zu diesem Stande gelangt sind und, soweit man es beurteilen konnte, sowohl innerlich als äußerlich ein rechtschaffenes Leben geführt hatten. Sie schienen schon die Herrschaft über die Welt errungen zu haben oder wenigstens über sie enttäuscht zu sein. Da prüfte sie aber die göttliche Majestät in nicht gar schweren Dingen, und sie gerieten in so große Unruhe und Beklemmung des Herzens, dass ich nicht wußte, was ich mir denken sollte, und sehr für sie fürchtete; solchen ist nicht zu raten und zu helfen. Da sie schon solange der Tugend ergeben sind, so meinen sie, selbst andere belehren zu können, und mehr als einen Grund zu haben, solche Dinge schmerzlich zu empfinden.

2. Ich habe noch kein anderes Mittel gefunden und finde auch keines, um solche Personen in ihrem Schmerze zu trösten, als ihnen großes Mitleid entgegenzubringen; dazu veranlasst mich der Anblick ihres so großen Elendes. Auch darf man ihrer Überzeugung nicht widersprechen; denn alle ihre Gedanken zielen darauf hin, dass sie nur um Gottes willen leiden. Dies ist bei Seelen, die schon soweit vorangeschritten sind, eine andere Täuschung, die sie an der Erkenntnis ihrer Unvollkommenheit hindert. Hätten sie nur das Gefühl, dass sie in solcher Weise geprüft werden, so wäre kein Grund vorhanden, sich darüber zu wundern, obwohl nach meinem Dafürhalten der Schmerz darüber bald vergehen sollte. Denn oft lässt Gott seine Auserwählten ihr Elend fühlen und entzieht ihnen auf kurze Zeit seinen Beistand; mehr aber bedarf es nicht, um uns sehr bald zur Erkenntnis unser selbst zu führen. Diese Art von Prüfungen erkennt man leicht; denn die also Geprüften sehen ihre Fehler klar ein. Zuweilen schmerzt sie die Wahrnehmung, dass ihnen in ihrem Ohnmachtsbewußtsein irdische Dinge, die nicht sonderlich schwer zu tragen wären, mehr zu Herzen gehen als die Gefühlseindrücke dieses Leibes. Solche Prüfungen halte ich für eine große Barmherzigkeit Gottes, die er der Seele erzeigt; ist ihr Verhalten dabei auch noch so fehlerhaft, so zieht sie daraus doch großen Gewinn für ihre Demut.

3. Anders verhält es sich bei jenen Personen, von denen ich zuvor sprach. Diese halten, wie gesagt, ihre ungeordnete Gemütsstimmung bei den Prüfungen, die Gott über sie verhängt, für heilig und gerecht, und wollen, dass auch andere diese ihre Überzeugung teilen. Ich will einige Beispiele anführen, damit wir uns kennenlernen und selber prüfen, ehe der Herr uns prüft; denn in diesem Falle wird es ein großer Vorteil für uns sein, wenn wir darauf vorbereitet sind und uns schon zuvor erkannt haben.

4. Denken wir uns einen Reichen, der weder Kinder noch sonst jemand hat, für die er seine Güter aufbewahren sollte. Dieser erleidet einen Vermögensverlust, aber nicht von der Art, dass ihm mit dem, was ihm noch bleibt, das Notwendige für sich oder für sein Haus mangeln könnte; ja, er hat sogar noch Überfluss. Wenn ihn nun ein solcher Verlust so sehr verwirrt und beunruhigt, als wenn er nicht einmal mehr ein Stück Brot zu essen hätte, wie soll dann unser Herr von ihm verlangen, dass er alles um seinetwillen verlasse? Er wird vielleicht sagen, sein Verlust schmerze ihn nur deshalb, weil er sein Vermögen für die Armen zusammenhalten wolle. Nach meinem Dafürhalten aber fordert Gott von mir mehr die Übereinstimmung mit den Anordnungen Seiner Majestät als Werke der Liebe, sowie auch die Bewahrung des Friedens meiner Seele, wenn ich mich auch der Übung dieser Werke hinzugeben bemühe. Handelt einer nicht so, weil ihn der Herr noch nicht soweit gefördert hat, so sei es; aber dann soll er wenigstens einsehen, dass ihm diese Geistesfreiheit noch fehlt. Dadurch wird er sich die Befähigung zum Empfang dieser Geistesfreiheit erwerben, weil er dann den Herrn darum bitten wird.

5. Ein anderer hat so viel, dass er davon leben kann, und noch darüber. Es bietet sich ihm Gelegenheit zur Vermehrung seines Vermögens dar. Empfängt er etwas ohne sein Zutun, so habe ich nichts dagegen einzuwenden, wenn er es annimmt. Bemüht er sich aber darum und trachtet er nach dessen Empfang, sich noch immer mehr zu erwerben, so denke er ja nicht, dass er in jene Wohnungen eingehen werde, die dem König näher sind, so gut auch die Absicht bei seinen Bestrebungen sein mag; denn ich nehme an, dass diese Absicht gut sei, da es sich, wie gesagt, um Personen handelt, die der Übung des Gebetes ergeben und tugendhaft sind.

6. So ist es auch, wenn solchen Personen eine Verachtung widerfährt oder ihre Ehre in etwa geschmälert wird. Zwar gewährt ihnen Gott oftmals die Gnade, dies alles mit Geduld zu ertragen; er beschützt die Tugend gern vor anderen, damit sie nicht durch jene in Missachtung komme, die als tugendhaft gelten. Vielleicht geschieht es auch deshalb, um diesen die Dienste zu belohnen, die sie ihm schon geleistet, da er als unser höchstes Gut überaus gütig ist; allein es bleibt ihnen eine solche Unruhe, dass sie sich nicht zu helfen wissen und sie nicht sobald loswerden können. Mein Gott! Sind denn dies nicht jene, die schon seit so langer Zeit betrachten, wie der Herr gelitten und wie heilsam das Leiden ist, ja, die sogar nach Leiden verlangen? Weit entfernt, sich selbst für unvollkommen zu erkennen, wünschen solche Personen auch noch, andere möchten ein ebenso geordnetes Leben führen wie sie, und Gott gebe, dass sie ihr Leiden nicht fremder Schuld, sich selbst aber ein Verdienst dafür zuschreiben!

7. Es könnte euch hier, meine Schwestern, der Gedanke kommen, als sei ich von meinem Gegenstand abgekommen und spreche ich nicht zu euch. Wir haben, sagt ihr Vielleicht, keine zeitlichen Güter, wollen sie nicht und tragen auch kein Verlangen darnach, und niemand fügt uns ein Unheil zu; deshalb sind die Beispiele für uns bedeutungslos. Allein sie finden doch ihre Anwendung auf vieles andere, was bei uns geschehen kann; es ist aber nicht ratsam und auch nicht notwendig, sie einzeln anzuführen. Aus diesen Beispielen könnt ihr abnehmen, ob ihr auch wirklich losgelöst seid von dem, was ihr verlassen habt; denn es gibt gewisse unbedeutende Dinge, die zwar von den angeführten verschieden sind, in denen ihr euch aber sehr wohl prüfen könnt, um zu erkennen, ob ihr die Herrschaft über euere Leidenschaften schon erworben habt. Glaubet mir, es kommt nicht darauf an, ob wir das Ordenskleid tragen oder nicht, sondern dass wir mit Eifer die Tugenden üben und unseren Willen in allem dem Willen Gottes unterwerfen. Wir sollen als Lebensregel befolgen, uns allzeit in das zu fügen, was immer die göttliche Majestät über unser Leben verhängen mag, und mit Verzicht auf unseren eigenen Willen die Erfüllung des göttlichen zu wünschen. Sind wir nun noch nicht so weit gelangt, so verdemütigen wir uns wenigstens! Die Demut ist die Salbe für unsere Wunden; wo sie in Wahrheit sich findet, da wird der göttliche Wundarzt schon kommen, uns zu heilen, wenn er auch etwas zögern sollte.

8. Die Bußwerke, zu denen sich die genannten Seelen verstehen, sind ebenso gemessen wie ihr Leben. An diesem hängen sie sehr, um unserem Herrn zu dienen, was gewiss nicht unrecht ist. Darum sind sie in ihren Bußübungen sehr maßvoll, damit sie ja nicht ihre Gesundheit gefährden. Da braucht man wohl nicht zu fürchten, dass sie sich zu Tode peinigen, weil sie so gut bei Vernunft sind. Ihre Liebe hat noch keinen so hohen Grad erreicht, dass sie ihnen den Vernunftgebrauch raubte. Ich wünschte aber, wir möchten uns der Vernunft dazu bedienen, dass wir uns mit dieser Art Gottesdienst nicht begnügen; denn wenn wir immer so langsam voranschreiten, werden wir nie zum Ende des Weges kommen. Wir dürfen Vielmehr noch von großem Glücke sprechen, wenn wir uns nicht verirren durch die Annahme, als würden wir immer vorwärtszuschreiten uns bemühen. Glaubt es mir, es ist dies auch wirklich ein beschwerlicher Weg. Was dünkt euch, meine Töchter? Wäre es gut, mit der Reise von einem Land in ein anderes ein ganzes Jahr lang bei Schneegestöber und Regengüssen, auf schlechten Wegen und in unbequemen Herbergen zuzubringen, wenn wir sie in acht Tagen zurücklegen könnten? Wäre es da nicht besser, die Reise auf einmal abzutun? Denn all das stellt sich hier ein und dazu auch noch Gefahren von seiten des Natterngezüchtes. O welch treffliche Kennzeichen könnte ich euch in dieser Beziehung angeben! Gott gebe, dass ich diese Reise schon vollendet habe! Denn oft will mir scheinen, als sei dies noch nicht der Fall.

9. Weil wir gar so bedächtig wandeln und uns vor allem fürchten, darum ist uns alles zum Anstoße. Wir wagen es deshalb nicht, vorwärtszuschreiten, gleich als ob andere den Weg für uns gehen und wir so in jene (weit innen gelegenen) Wohnungen gelangen könnten; das aber ist unmöglich. Darum lasst uns, meine Schwestern, um der Liebe unseres Herrn willen, mutig vorausschreiten! Überlassen wir unsere Vernunft und unsere Befürchtungen seinen Händen und vergessen wir unsere natürliche Schwäche, die uns viel zu schaffen machen kann! Mögen die Vorgesetzten die Sorge für unseren Leib auf sich nehmen; sie mögen sehen, wie sie fertig werden; wir aber wollen für nichts anderes sorgen, als der Anschauung des Herrn entgegenzueilen. Haben wir auch nur wenig oder gar keine Erleichterung, so könnte uns doch die Sorge für unsere Gesundheit betrügen, abgesehen davon, dass sie durch diese Sorge nicht besser wird. Ich weiß dies, und es ist mir auch bekannt, dass die Sorge für den Leib nicht die wichtigste ist, sondern zuletzt in Frage kommt, während das erwähnte Voranschreiten in großer Demut die Hauptsache bleibt. Habt ihr dies eingesehen, so werdet ihr auch begreifen, wenn ich euch weiterhin sage, dass bei denen, die nicht weiter voranschreiten, nach meiner Ansicht die Ursache davon in dem Mangel an Demut liegt. Wir sollen in dem Gedanken und Glauben leben, dass wir erst wenige Schritte getan haben, während wir von unseren Mitschwestern die Meinung hegen sollen, dass sie mit raschen Schritten voraneilen. Und nicht bloß der Wunsch, auch das Bestreben soll uns innewohnen, als die Verächtlichsten von allen angesehen und auch wirklich gehalten zu werden. Handeln wir so, dann wird unser Zustand in dieser dritten Wohnung ein ganz vortrefflicher sein; wenn nicht, dann werden wir unser ganzes Leben lang unter tausend Peinen und Armseligkeiten in ihr bleiben. Denn solange wir uns noch nicht selbst verlassen haben, ist unser Wandel mit viel Mühen und Beschwerden verbunden. Wir gehen schwer bedrängt durch die Last unseres Elendes einher, die jene schon abgeschüttelt haben, die zu den übrigen Gemächern emporsteigen.

10. Hier in den Gemächern dieser dritten Wohnung fehlt es den Seelen nicht an (geistigen) Tröstungen, womit der Herr sie belohnt, er der Gerechte und Barmherzige, der immer viel mehr gibt, als wir verdienen. Diese Tröstungen sind erhabener als alle Freuden, die wir uns in den Vergnügungen und Zerstreuungen dieses Lebens verschaffen könnten. Ich glaube jedoch nicht, dass der Herr diesen Seelen schon viele (geistige) Süßigkeiten mitteilt; es geschieht dies nur zuweilen, um sie einen Blick in die übrigen Wohnungen tun zu lassen und sie einzuladen, sich zum Eintritt in dieselben vorzubereiten.

11. Vielleicht scheinen euch (geistige) Tröstungen und (geistige) Süßigkeiten ein und dasselbe zu sein, so dass ihr die Frage erheben möchtet, warum ich hier verschiedene Namen gebrauche? Mir jedoch scheint zwischen beiden ein sehr großer Unterschied zu sein, obwohl ich mich auch täuschen kann. In der folgenden vierten Wohnung werde ich sagen, was ich davon verstehe; denn in dieser Wohnung muss ich ohnehin einige Erklärungen über die (geistigen) Süßigkeiten geben, die der Herr dort verleiht, und so ist es an jener Stelle passender. Wenn es auch keinen Nutzen zu bringen scheint, so kann es doch dazu dienen, dass ihr dem Besseren nachstrebt, wenn ihr über beides aufgeklärt seid. Denen, die Gott zum Genusse seiner Süßigkeiten führt, wird diese Erklärung zu großem Troste dienen, während jene beschämt werden, die (noch nicht soweit gelangt sind und doch) meinen, sie hätten schon alles erreicht. Sind diese demütig, so werden sie zum Dank gegen Gott angeregt werden; fehlt es ihnen aber an Demut, so wird Missmut sie beschleichen, jedoch ohne Grund; denn die Vollkommenheit, nach der auch der Lohn von Gott bemessen wird, besteht nicht im Genusse (geistiger) Süßigkeiten, sondern in größerer Liebe und im vollkommeneren Wirken nach den Normen der Gerechtigkeit und Wahrheit.

12. Es könnte euch nun der Gedanke kommen: Wenn dies wahr ist — und es ist wirklich so — , wozu dient es dann, von diesen inneren Gnaden zu reden und ihr Wesen zu erklären? Ich weiß es nicht; da müsst ihr jene fragen, die mir darüber zu schreiben befohlen haben. Ich habe nicht die Verpflichtung, und es wäre auch nicht recht, mich mit meinen Oberen in einen Wortwechsel einzulassen; ich habe nur zu gehorchen. Was ich euch aber in Wahrheit sagen kann, ist dies: Ich wußte von diesen Gnaden und Tröstungen, die der Herr den Seelen ob ihres treuen Dienstes gewährt, noch nichts; ich kannte sie weder aus Erfahrung, noch dachte ich im geringsten daran, sie je in meinem Leben kennenzulernen. Ich spreche mit vollem Rechte so, da ich froh gewesen wäre, hätte ich nur erkennen oder vermuten können, wie ich Gott in etwa gefallen möchte. Als ich aber in Büchern von diesen Gunstbezeigungen des Herrn las, gereichte mir dies zur höchsten Freude, und meine Seele fühlte sich angeregt zu innigem Danke gegen Gott. War nun dies bei meiner Seele, die doch so böse ist, der Fall, um wieviel mehr werden fromme und demütige Seelen den Herrn preisen? Wenn auch nur eine Seele ihn ein einziges Mal lobpreist, so ist es nach meinem Dafürhalten sehr gut, von diesen Freuden und Wonnen zu sprechen, deren wir aus eigener Schuld verlustig gehen. Dies gilt um so mehr, da diese Wonnen, wenn sie von Gott kommen, eine Liebe und Stärke verursachen, die den Wandel auf unserem Wege weniger mühsam gestalten und uns größeren Fortschritt in den Tugenden und guten Werken verschaffen. Denkt darum ja nicht, es liege wenig daran, wenn wir die Vorbereitung zum Empfang solcher Gnaden vernachlässigen. Sollte sie uns aber der Herr aus ihm allein bekannten Absichten ohne unser Verschulden nicht gewähren, so entspricht dies seiner Gerechtigkeit; Seine Majestät, deren Geheimnisse ganz verborgen sind, wird sie uns auf eine andere Weise ersetzen; wenigstens dürfen wir sicher sein, dass uns alles zum Besten gereicht.

13. Den Seelen, die der Herr in seiner Güte zu diesem Stande geführt, hat Seine Majestät, wie schon erwähnt, große Barmherzigkeit erwiesen; sie sind schon ganz nahe daran, zu den höheren Wohnungen der Burg emporzusteigen. Nach meiner Ansicht nun gereicht ihnen das ernstliche Bemühen, einen bereitwilligen Gehorsam zu üben, zu großem Nutzen. Sind sie auch nicht Ordensleute, so hat es doch für sie eine große Bedeutung, sich nach dem Beispiele vieler einen geistlichen Führer zu wählen, um in keinem Stücke ihrem eigenen Willen zu folgen; denn durch die Befolgung des eigenen Willens, kommen wir gewöhnlich zu Schaden. Sie dürfen jedoch, wie man zu sagen pflegt, keinen Führer nach ihrer Verfassung suchen, der in allem ebenso bedächtig wandelt wie sie; sie müssen sich vielmehr um einen bewerben, der die Täuschungen der Welt gut kennt; denn der Umgang mit einem Manne, der mit der Welt vertraut ist, fördert ungemein in der Selbsterkenntnis. Zudem werden wir zur Vollbringung mancher Dinge, die wir für unmöglich halten, sehr ermuntert, wenn wir sehen, dass sie anderen möglich sind und diese sie mit Leichtigkeit üben. Beim Anblick ihres Fluges werden wir auch selbst zu fliegen wagen, gleichwie die jungen Vöglein, die das Fliegen lernen, allmählich die Alten nachahmen, wenn sie auch nicht gleich zu so hohem Fluge sich emporschwingen können wie diese. Die Befolgung dieses Rates bringt also großen Nutzen, wie ich es selbst auch aus Erfahrung weiß.

14. Gut werden solche Seelen auch tun, wenn sie sich bei ihrer Entschlossenheit, den Herrn nicht zu beleidigen, keiner Gelegenheit dazu aussetzen. Da sie sich noch in der Nähe der ersten Wohnungen befinden, so könnten sie leicht wieder dahin zurückkehren. Ihre innere Stärke ruht noch aus keiner so festen Grundlage wie die Kraft jener, die erprobt sind im Leiden und die Stürme der Welt kennen. Diese wissen auch, wie wenig Ursache man hat, letztere zu fürchten und nach den Freuden dieser Welt Verlangen zu tragen. Es wäre immerhin möglich, dass sie durch eine schwere Verfolgung zum Weichen gebracht würden; denn der böse Feind versteht es gar wohl, zu unserem Schaden solche anzuzetteln. Während wir, von gutem Eifer getrieben, fremde Sünden abstellen wollten, könnten wir vielleicht dem nicht widerstehen, was uns dabei begegnen würde.

15. Richten wir den Blick auf unsere eigenen Fehler und nicht auf die Fehler anderer! Es kommt nicht selten vor, dass Personen, die ein so geordnetes Leben führen, sich an allem stoßen, während wir vielleicht im allgemeinen von denen noch lernen könnten, an denen wir uns stoßen. Sind wir ihnen auch in Hinsicht auf äußeren Anstand und äußere Umgangsformen überlegen, so ist dies, wenn auch an sich gut, doch nicht das Wichtigste. Wir dürfen auch nicht sofort verlangen, dass alle unseren Weg gehen, sowie auch nicht den Versuch machen, andere über das geistliche Leben zu belehren, in dem wir vielleicht selbst keine Erfahrung besitzen. Denn durch dieses von Gott angeregte Verlangen nach Förderung der Seelen könnten wir, meine Schwestern, viele Fehler begehen. Darum ist es besser, sich an die Weisungen der Regel zu halten, die da befiehlt, allzeit uns zu bemühen, in der Stille und in der Hoffnung zu leben, der Herr werde Sorge tragen für seine Seelen. Unterlassen wir nur nicht, ihn für sie zu bitten, dann werden wir mit seiner Gnade großen Nutzen schaffen. Er sei gepriesen in Ewigkeit!

Vierte Wohnung

Erstes Hauptstück

Unterschied zwischen (geistigen) Tröstungen und zärtlicher Rührung und (geistigen) Süßigkeiten beim Gebete. Freude der Heiligen über das Verständnis des Unterschiedes zwischen dem (sinnlichen) Denkvermögen und dem Verstande; die Kenntnis dieses Unterschiedes wird besonders jenen Seelen von Nutzen sein, die im Gebete viel zerstreut sind.

3. Da ich jetzt die vierte Wohnung zu besprechen beginne, so muss ich mich, wie schon vorher, dem Heiligen Geiste empfehlen und ihn anflehen, von hier an selbst durch mich zu reden, damit ihr meinen Worten über die noch übrigen Wohnungen mit Verständnis folgen könne. Denn hier beginnen die Gebetsgnaden schon übernatürlich zu sein, weswegen es sehr schwierig ist, sie zu erklären, wenn nicht Seine Majestät ins Mittel tritt wie damals vor ungefähr vierzehn Jahren, als ich eine andere Schrift verfasste, in der ich gleichfalls meine Erklärungen über diese Vorgänge gab, soweit ich es verstand. Zwar glaube ich, von den Gnaden, die der Herr einigen Seelen erweist, mehr Verständnis zu haben wie damals; allein es ist doch ein Unterschied zwischen dem bloßen Verstehen dieser Gnaden und ihrer Worterklärung. Daher möge die göttliche Majestät selbst die nötigen Unterweisungen darüber geben, wenn anders irgendein Nutzen dadurch erzielt wird; wenn nicht, so möge sie es unterlassen!

2. Die Wohnung, von der ich nun reden will, ist ungemein schön, da sie den Gemächern des Königs schon näher liegt; es gibt da so erhabene Dinge zu schauen und zu verstehen, dass der Verstand nicht fähig ist, sie auch nur in etwa mit Worten klar auszudrücken. Sie werden daher auch noch für jene dunkel bleiben, die noch nichts davon erfahren haben. Wer indessen in diesen Dingen Erfahrung besitzt, wird sie leicht verstehen, besonders wenn seine Erfahrung reich ist.

3. Es mag vielleicht den Anschein erwecken, man müsse, um in diese Wohnung zu gelangen, zuvor lange Zeit in der vorhergehenden zugebracht haben. Der gewöhnlichen Ordnung nach muss man freilich schon in der Wohnung gewesen sein, von der zuletzt die Rede war; allein dies ist, wie ihr schon oft vernommen haben werdet, keine ausnahmslose Regel. Der Herr teilt eben seine Gnaden aus, wann er will, wie er will und wem er will, ohne dadurch irgend jemanden Unrecht zu tun; sie sind sein Eigentum, über das er frei verfügen kann.

4. In diese Wohnung drängen sich die giftigen Tiere selten ein; dringen sie aber ein, so schaden sie nicht, vielmehr bringen sie sogar Gewinn. Ja, ich halte es für weit besser, wenn sie eindringen und auf dieser Stufe des Gebetes zum Kampfe reizen; denn wenn die Seele nicht versucht würde, könnte der böse Feind die Süßigkeiten, die Gott ihr verleiht, dazu benützen, sie zu täuschen und ihr einen weit größeren Schaden zuzufügen, als wenn sie unter Versuchungen leben würde; sie könnte auch nicht so viel gewinnen, da sie der böse Feind wenigstens in einem dauernden Vertieftsein erhalten und ihr so jede Gelegenheit rauben könnte, Verdienste zu erwerben. Ein solches Vertieftsein halte ich, wenn es in einem fortdauert, nicht für sicher; denn es scheint mir unmöglich, dass der Geist des Herrn hier in dieser Verbannung beständig (auf diese Weise) in uns wirke.

5. Ich will nun meinem Versprechen gemäß über den Unterschied reden, der zwischen den (geistigen) Tröstungen und den (geistigen) Süßigkeiten im Gebete besteht. Man kann meines Erachtens (geistige) Tröstungen jene wonnigen Gefühle nennen, die uns durch unsere Betrachtung und unsere Bitten zum Herrn zuteil werden. Diese Gefühle haben ihren Ursprung in unserer Natur, wenn auch Gott dazu mithilft; dies ist überhaupt von allem zu verstehen, was ich sagen werde, da wir ohne ihn nichts vermögen. Sie sind die Frucht des guten Werkes selbst, das wir verrichten, und es scheint, als ob wir sie durch eigenes Bemühen gewonnen hätten. Mit Recht werden wir darum zur Freude gestimmt, wenn wir solche Werke vollzogen haben. Betrachten wir aber die Sache genau, so werden wir finden, dass wir dieselbe Freude bei vielen Vorfällen, die uns auf Erden begegnen, empfinden, so z. B., wenn wir unverhofft ein großes Vermögen gewinnen; wenn wir unerwartet jemand sehen, dem wir in Liebe zugetan sind; wenn wir ein wichtiges Geschäft oder ein großes Werk glücklich vollbracht haben, so dass jedermann es rühmt; oder auch, wenn wir einen bereits für tot gesagten Gatten, Bruder, Sohn lebend des Weges kommen sehen. Ich habe Leute vor großer Freude Tränen vergießen sehen, und mir selbst ist dies manchmal widerfahren.

6. Wie nun dies natürliche Freuden sind, so scheinen mir auch die (geistigen) Tröstungen, die durch göttliche Dinge in uns verursacht werden, natürlich zu sein, nur mit dem Unterschiede, dass letztere edler sind; jedoch sind jene auch nicht böse. Es haben also die (geistigen) Tröstungen in unserer Natur ihren Ursprung und enden in Gott; die (geistigen) Süßigkeiten dagegen kommen von Gott, werden jedoch auch von unserer Natur empfunden, die darin ebensosehr, ja noch mehr als in den genannten Tröstungen, ihre Wonne findet. O Jesus, wie sehr wünschte ich zur Erklärung dieser Dinge die rechten Worte zu finden! Wenn ich auch hier den Unterschied ganz deutlich zu erkennen glaube, so reicht doch diese Erkenntnis nicht hin, mich verständlich zu machen. Möge darum der Herr selbst diesen Unterschied erklären!

7. Ich erinnere mich hier jener Verses, den wir in der Prim am Schlusse des letzten Psalmes beten; er endigt mit den Worten: »Cum dilatasti cor meum« (Wenn du mein Herz weit gemacht hast!). Wer das eine und das andere schon oft erfahren hat, dem genügen diese Worte, um den Unterschied zwischen beiden zu erkennen; wer aber hierin noch keine Erfahrung besitzt, für den ist mehr notwendig. Die genannten Tröstungen erweitern das Herz nicht, sie scheinen es meistens etwas zu beengen, auch bei aller Freude, die man ob des Bewußtseins empfindet, für Gott zu handeln. Manchmal sind sie von Tränen der Trauer begleitet, dir dem Anscheine nach die natürliche Leidenschaft einigermaßen in Fluss bringt. Ich weiß nur wenig von diesen Leidenschaften der Seele, sonst würde ich dies sowie das, was von der Sinnlichkeit und unserer Natur herrührt, vielleicht besser verstehen; aber so bin ich zu ungeschickt, um mich meiner Erfahrung gemäß verständlich machen zu können. Fürwahr, um Einsicht und Wissenschaft ist es in allem etwas Großes.

8. Was ich aus eigener Erfahrung von solchen Tröstungen und Genüssen in der Betrachtung weiß, ist folgendes: Begann ich über das Leiden Christi zu weinen, so konnte ich nicht eher davon ablassen, als bis mich der Kopf recht schmerzte; ebenso war es auch, wenn ich über meine Sünden weinte. Dadurch hat mir der Herr eine große Gnade erwiesen; ich will aber hier nicht untersuchen, ob diese Tröstungen oder die geistigen Süßigkeiten besser seien, ich möchte nur den Unterschied zwischen beiden ausdrücken können. Zu den Tränen und frommen Regungen, die durch die eben genannten Seelenvorgänge manchmal hervorgerufen werden, trägt die Natur oder Stimmung bei, in der wir uns eben befinden. Dennoch aber haben sie ihr Ziel zuletzt in Gott und sind deshalb recht hoch zu schätzen; nur muss die Demut sie begleiten, um einzusehen, dass wir deshalb nicht besser sind. Denn wir können nicht wissen, ob sie immer Wirkungen der Liebe sind, und wenn auch, so sind sie doch stets ein Geschenk von Gott. Meistens empfinden solch andächtige Rührungen jene Seelen, die in der vorhergehenden Wohnung sich befinden; denn diese sind fast beständig mit dem Verstande tätig und mit Nachdenken und Betrachten beschäftigt. Sie wandeln auf gutem Wege, da ihnen noch nicht mehr gegeben ist; sie werden jedoch gut daran tun, wenn sie eine Weile auch fromme Anmutungen des Lobpreises Gottes, der Freude über seine Güte und sein Wesen sowie des Verlangens nach seiner Ehre und Verherrlichung erwecken. Solche Anmutungen entzünden gar sehr den Willen, weshalb sie solche Seelen so oft als möglich erwecken sollen. Wenn sie der Herr dazu anregt, so sollen sie dieselben nicht unterlassen, um ihre gewöhnliche Betrachtung zu beenden.

9. Darüber habe ich schon an anderer Stelle ausführlich gesprochen, weshalb ich hier nicht weiter nicht davon reden will. Nur das eine möchte ich noch erwähnen: Um auf diesem Wege weit voranzuschreiten und zu den ersehnten Wohnungen zu gelangen, hängt es nicht davon ab, dass wir viel denken, sondern viel lieben; darum sollt ihr das tun, was euch mehr zur Liebe anregt. Vielleicht wissen wir nicht, was Lieben ist, und ich würde mich auch nicht sonderlich darüber wundern. Die Liebe besteht nämlich nicht in wonnigen Gefühlen der Andacht, sondern in dem festen Entschlusse, in allen Stücken Gott gefallen zu wollen; ferner dass wir uns nach Möglichkeit vor jeder Beleidigung Gottes hüten und ihn um stete Vermehrung der Verherrlichung seines Sohnes sowie um immer größere Ausbreitung der katholischen Kirche bitten. Dies sind die Zeichen der Liebe. Glaubet ja nicht, der Fortschritt auf dem Wege des Gebetes hänge davon ab, dass man dabei an gar nichts anderes denkt, und haltet nicht alles schon für verloren, wenn ihr auch nun ein wenig zerstreut werdet.

10. Mir selbst begegnete es zuweilen, dass ich durch den Lärm, den das (sinnliche) Denkvermögen in mir erregte, viel zu leiden hatte; es mag erst vier Jahre her sein, seit ich durch Erfahrung erkannt habe, dass dieses Vermögen oder, damit ihr mich besser versteht, die Einbildungskraft nicht der Verstand ist. Ich fragte auch einen Gelehrten darüber, und dieser sagte mir dasselbe, was kein geringer Trost für mich war. Denn da der Verstand eine Kraft der Seele ist, so konnte ich dessen Unbeholfenheit manchmal schwer ertragen, während das (sinnliche) Denkvermögen gewöhnlich so schnellen Fluges dahineilt, dass Gott allein es innehalten kann, wenn er uns in einer Weise an sich fesselt, dass wir einigermaßen von diesem Leibe gelöst zu sein scheinen. Einerseits sah ich nach meinem Dafürhalten die Kräfte der Seele mit Gott beschäftigt und in ihm gesammelt, andererseits aber schweifte das (sinnliche) Denkvermögen so unruhig umher, dass ich mir einen solchen Zustand nicht zu erklären vermochte.

11. O Herr, rechne uns doch die vielen Leiden, die wir auf diesem Wege aus Mangel an Verständnis erdulden müssen, zum Verdienste an! Aber das Übel liegt darin, dass wir es nicht für notwendig halten, mehr zu verstehen, als an Gott denken zu können; deshalb wissen wir jene nicht zu fragen, die uns belehren könnten, und sehen auch nicht ein, um was wir sie fragen sollten. Und so erdulden wir denn schreckliche Leiden, weil wir uns selbst nicht verstehen; deshalb sehen wir das, was nicht böse, sondern gut ist, für einen großen Fehler an. Daraus entsteht die Betrübnis so vieler Seelen, die ein Gebetsleben führen; daher kommen auch die Klagen über innere Leiden, wenigstens bei einem großen Teile derer, denen es an Wissen gebricht; daher der Trübsinn, die Zerstörung der Gesundheit, ja wohl auch das gänzliche Aufgeben des Gebetes. Solche Seelen bedenken nicht, dass es in uns eine innere Welt gibt. Wie wir die Bewegung des Sternenhimmels nicht hindern können, dass er schnellstens dahineilt, ebensowenig vermögen wir auch die Regungen unseres (sinnlichen) Denkvermögens zu hemmen. Wir begehen mithin den Fehler, dass wir uns fälschlich glauben machen, die Seelenkräfte und dieses Vermögen seien ein und dasselbe; wir halten uns für verloren und die Zeit für übel angewendet, die wir Gott widmen. Und doch in vielleicht die Seele mit Gott in den ihm sehr nahe gelegenen Wohnungen ganz vereint, während das (sinnliche) Denkvermögen draußen vor der Burg unter tausend wilden und giftigen Tieren umherirrt und ihr so Anlass zum Leiden und Verdienste gibt. Darum dürfen wir uns nicht verwirren und vom Gebete abbringen lassen; denn dies beabsichtigt der Teufel. Aus diesem Mangel an Selbsterkenntnis entspringen größtenteils die Unruhen und Leiden, die wir erdulden.

12. Während ich dies schreibe, denke ich über das mächtige Sausen in meinem Kopfe nach, von dem ich anfangs gesprochen. Dieses Sausen machte es mir beinahe unmöglich, dem mir erteilten Befehle, zu schreiben, nachzukommen. Es ist gerade wie das Rauschen vieler großer Wasserfälle und andererseits wie das Gezwitscher vieler kleiner Vögel. Es geht dies nicht in den Ohren, sondern im oberen Teile des Kopfes vor sich, wo der höhere Teil der Seele seinen Sitz haben soll. Ich habe lange darüber nachgedacht, weil es mir schien, die heftige Geisteserhebung richte sich mit Schnelligkeit nach oben. Gott gebe, dass ich mich bei Besprechung der folgenden Wohnungen daran erinnere, um den Grund davon anzugeben, da hier nicht der Ort dazu ist! Es ist leicht möglich, dass der Herr mir deshalb dieses Kopfleiden zugeschickt hat, damit ich dies um so besser verstehe; denn all der verwirrende Lärm in meinem Kopfe hindert mich nicht im Gebete sowie auch nicht im Schreiben, vielmehr befindet sich die Seele vollständig in ihrer Ruhe, in ihrer Liebe, in ihrem Verlangen und in ihrer klaren Erkenntnis.

13. Wenn nun der höhere Teil der Seele im oberen Teil des Kopfes seinen Sitz hat, wie kommt es dann, dass sie von einem solchen Geräusch nicht gestört wird? Das weiß ich nicht; aber das weiß ich, dass es sich wirklich so verhält, wie ich sage. Ich empfinde zwar Schmerzen, wenn ich nicht im Gebete der Verzückung bin — solange diese währt, fühlt man kein Unwohlsein —; aber es wäre sehr übel getan, wenn ich wegen eines solchen Hindernisses alles aufgeben wollte. Und so wäre es auch nicht gut, wenn wir uns durch die zerstreuenden Gedanken beim Gebete verwirren ließen oder sie beachten würden. Erregt sie der Teufel, so wird er von uns weichen, wenn er (sieht, dass er dadurch seine Absicht nicht erreicht); kommen sie aber, was wirklich der Fall ist, von dem Elende her, das uns neben vielen anderen Armseligkeiten von der Sünde Adams geblieben ist, so lasst sie uns um der Liebe Gottes willen mit Geduld ertragen! Sind wir doch auch, ohne es ändern zu können, den Bedürfnissen des Essens und Schlafens unterworfen, was keine geringe Plage ist.

14. Erkennen wir darum unser Elend, und verlangen wir nach jenem Orte, wo uns niemand mehr verächtlich machen wird! An diese Worte, die meines Wissens die Braut im Hohenliede spricht, erinnere ich mich zuweilen; ich finde auch im ganzen Leben nichts, worauf diese Worte passender angewendet werden könnten; denn keine Geringschätzung und kein Leid dieses Lebens scheint mir diesen inneren Kämpfen gleichzukommen. Jede Unruhe und jeder Kampf ist erträglich, wenn wir Frieden da finden, wo mir leben; aber es kann überaus schmerzlich und fast unerträglich werden, das Hindernis in uns selbst zu finden, sobald wir von den tausend Mühseligkeiten dieser Welt auszuruhen wünschen und der Herr selbst uns Ruhe schenken will. Darum führe uns, o Herr, dahin, wo uns diese Armseligkeiten nicht mehr verächtlich machen; denn manchmal hat es den Anschein, als trieben sie nur Spott mit der Seele.

15. Schon in diesem Leben befreit der Herr die Seele von diesem Elend, wenn sie einmal in die letzte Wohnung gelangt ist; so Gott will, werde ich darüber noch sprechen. Auch werden nicht alle von diesem Elend so sehr heimgesucht und gepeinigt, wie ich es viele Jahre lang erdulden musste; denn ich war so böse, dass ich gleichsam an mir selbst Rache nehmen zu wollen schien. Weil dies aber für mich sehr peinlich gewesen ist, so fürchte ich, es könnte euch vielleicht ähnlich ergehen; darum spreche ich bei jeder Gelegenheit darüber. Ich möchte euch, wenn es mir einmal gelingen sollte, begreiflich machen, dass dies unvermeidlich ist; deswegen sollt ihr euch auch nicht beunruhigen und betrüben. Lassen wir die Mühle klappern und mahlen wir unser Mehl, indem wir nicht ablassen, mit dem Verstand und dem Willen tätig zu sein!

16. Dieses Geheimnis wird je nach den Gesundheits und Witterungsverhältnissen bald mehr, bald weniger von uns empfunden. Die arme Seele dulde es! Tragen wir auch nicht die Schuld daran, so müssen wir doch billigerweise wegen anderer Verkehrtheiten, die wir an uns haben, Geduld üben. Es genügt uns wegen unseres geringen Verständnisses nicht, dass wir uns über diesen Gegenstand durch Lesen unterrichten oder dass man uns den Rat gibt, die zerstreuenden Gedanken beim Gebete zu verachten; ich halte deshalb die Zeit nicht für verloren, die ich auf die nähere Erklärung dieses Gegenstandes verwendet habe, um euch in dieser Hinsicht zu trösten. Doch auch dies nützt wenig, solange der Herr nicht selbst Licht sendet. Aber dennoch ist es notwendig und dem Willen der göttlichen Majestät entsprechend, dass wir Mittel anwenden, durch die wir uns verstehen lernen, um nicht die Schuld von dem, was von der schwachen Einbildungskraft, von der Natur und vom bösen Feind herrührt, der Seele zuzuschreiben.

Zweites Hauptstück

Fortsetzung. Erklärung der (geistigen) Süßigkeiten durch ein Gleichnis. Wie man in deren Besitz gelangen kann, ohne sie zu suchen.

3. O mein Gott, auf was habe ich mich eingelassen! Ich hatte ganz vergessen, was ich zuvor besprochen; denn die Geschäfte und mein Gesundheitszustand nötigen mich oft, von der Arbeit abzulassen, wenn ich am besten bei der Sache bin. Da ich ein schlechtes Gedächtnis habe und das Geschriebene nicht nachlesen kann, so werde ich wohl alles ohne Ordnung vorbringen; doch ich drücke es wenigstens so aus, wie ich es empfinde. Ich glaube von den (geistigen) Tröstungen gesprochen zu haben, die sich manchmal mit unseren Leidenschaften verbinden. Bei diesen Tröstungen ist die Erregung zuweilen so groß, dass sie durch Schluchzen sich kundgibt; ja, ich habe sogar Personen sagen hören, dass sie dabei an Brustbeklemmung leiden und sich unwillkürlich äußere Erregungen einstellen, dass ihnen das Blut gewaltsam aus der Nase getrieben wird und noch andere peinliche Vorgänge sich abspielen. Davon weiß ich nun freilich nichts zu sagen, da ich hierin keine Erfahrung besitze; allein es muss dies doch für die Seele tröstlich sein, da, wie gesagt, alles auf das Verlangen hinzielt, Gott zu gefallen und Seine Majestät zu genießen.

2. Von ganz anderer Art als diese Tröstungen ist das, was ich hier Süßigkeiten in Gott nenne und anderwärts Gebet der Ruhe genannt habe. Ihr, die ihr durch die Erbarmung des Herrn beides schon erfahren habt, werdet den Unterschied einsehen. Um nun diesen Unterschied klarer zu erkennen, wollen wir uns zwei Brunnen mit zwei Behältern vorstellen, die mit Wasser angefüllt werden. Bei meinem geringen Wissen und schwachen Verstande finde ich nämlich nichts Geeigneteres als das Wasser, um gewisse Gegenstände des geistlichen Lebens zu erklären. Auch habe ich eine so große Vorliebe für dieses Element, dass ich es immer mit mehr Aufmerksamkeit betrachtet habe als andere Dinge, wenn auch in allem, was ein so großer und weiser Gott schuf, ohne Zweifel viele Geheimnisse verborgen sind, aus denen wir Nutzen ziehen können; so handeln jene, die dafür Verständnis haben. Übrigens glaube ich, dass in jedem, auch noch so kleinen Geschöpfe Gottes, und sei es auch nur eine Ameise, mehr verborgen liegt, als man davon versteht.

3. Diese zwei Wasserbehälter füllen sich nun auf verschiedene Weise. In den einen fließt das Wasser von weiter her durch viele Röhren und durch künstliche Leitung; der andere aber steht dort, wo das Wasser entspringt, und füllt sich ohne jedes Geräusch. Ist nun die Quelle, von der wir reden, sehr reichhaltig, so fließt, wenn der Behälter voll ist, von da ein großer Bach ab; es bedarf keiner künstlichen Leitung, und der Behälter wird auch nicht leer, vielmehr strömt das Wasser ohne Unterlass daraus hervor. Diesen durch Röhren hergeleitete Wasser ist meiner Ansicht nach ein Bild der schon besprochenen Tröstungen, die in der Betrachtung gewonnen werden; denn wir erwerben sie uns durch Nachdenken, wobei wir uns des Geschaffenen bedienen und den Verstand ermüden. Sie werden also durch unsere eigenen Anstrengungen verursacht, weshalb sie, wie schon erwähnt, geräuschvoll der Seele zuströmen, wenn sie so davon ergriffen werden soll, dass es ihr Nutzen bringt.

4. Der andere Behälter nimmt das Wasser unmittelbar von der Quelle, von Gott selbst auf. Wenn es darum Seiner Majestät gefällt, der Seele eine übernatürliche Gunstbezeigung zuteil werden zu lassen, so vollzieht sich dies höchst friedvoll, ruhig und beseligend, ganz in unserem Innern selbst, ich weiß nicht, wo und wie. Diese Freude und Wonne wird nicht, wie die irdischen, gleich anfangs im Herzen empfunden, erst später füllt dieses Wasser alles an und ergießt sich durch alle Wohnungen und Kräfte der Seele, bis es sich auch über den Leib ausbreitet. Deshalb sagte ich, die geistigen Wonnegenüsse beginnen in Gott und endigen in uns, so dass in Wahrheit der ganze äußere Mensch sie empfindet; jene, die hierin Erfahrung haben, werden dies wissen.

5. Während ich dieses schrieb, dachte ich an die Worte des angeführten Verses: dilatasti cor meum, du hast mir das Herz weit gemacht. Es scheint mir jedoch, dass die erwähnten Süßigkeiten ihren Ursprung nicht im Herzen, sondern in einer noch mehr inneren Stätte, gleichsam in einer verborgenen Tiefe haben. Ich meine, es müsse dies der Seelengrund sein, wie ich es nachher erkannt habe und noch sagen werde. Führwahr, ich sehe in uns Geheimnisse verborgen, die mich oft in Erstaunen setzen; und wie viele wird es noch geben, die ich nicht weiß! O mein Herr und mein Gott, wie groß sind deine Wunder! Wir sind hinieden wie einfältige arme Hirten, und doch meinen wir etwas von dir zu verstehen. Wahrhaftig, es muss soviel sein wie nichts, da in uns selbst große Geheimnisse sind, die wir nicht verstehen! Ich sage, »so viel wie nichts«, im Vergleiche mit dem dir innewohnenden, unerschöpflichen Reichtum; damit will ich aber nicht sagen, dass nicht auch deine Herrlichkeiten überaus groß seien, auch wenn wir nur deine Werke betrachten, aus denen sie hervorleuchten.

6. Um nun wieder auf den angeführten Vers zurückzukommen, der mir meines Erachtens zur Erklärung dienen kann, so scheint es sich mit jener Erweiterung der Seele folgendermaßen zu verhalten. Kaum ist jenes himmlische Wasser aus der genannten Quelle in der Tiefe unserer Seele hervorgebrochen, so erweitert und erfüllt es unser ganzes Innere und verschafft der Seele unaussprechliche Güter, so dass diese selbst nicht begreifen kann, was ihr da gegeben wird. Sie spürt, so wollen wir sagen, einen gewissen Wohlgeruch, als wäre in jener inneren Tiefe ein Feuerbecken, auf das man wohlriechendes Kräuterwerk gestreut. Zwar ist weder das Feuer noch die Stätte sichtbar, wo es brennt; aber die Wärme und der liebliche Geruch durchdringen die ganze Seele, und oft nimmt, wie schon erwähnt, auch der Leib daran teil. Ihr müsst mich jedoch recht verstehen; man empfindet keine Wärme und nimmt auch keinen Wohlgeruch wahr, sondern es ist etwas viel Feineres als diese sinnenfälligen Dinge, deren ich mich nur bediene, um mich euch verständlich zu machen. Jene, die noch nichts davon erfahren haben, sollen wissen, dass es in Wahrheit so ist; die Seele erkennt es, und zwar noch deutlicher, als ich es hier erklärt habe. Auch ist dies nicht etwas, was man sich einbilden könnte; denn durch alle möglichen Anstrengungen könnten wir so etwas nicht in uns hervorrufen. Eben daraus ersieht man, dass diese Münze nicht aus unserem Metalle, sondern aus dem reinsten Gold der göttlichen Weisheit geprägt ist. In diesem Zustande sind meines Erachtens die Seelenkräfte noch nicht mit Gott vereinigt, sondern nur vertieft (in ihn) und voll Erstaunen über das, was sie gewahren.

7. Es kann nun sein, dass ich dem in etwa widerspreche, was ich anderwärts über diese inneren Vorgänge gesagt habe. Darüber soll man sich nicht wundern; denn seitdem ich über diesen Gegenstand geschrieben, sind fast fünfzehn Jahre verflossen, und innerhalb dieser Zeit hat mir der Herr vielleicht mehr Klarheit in diesen Dingen verliehen. Indessen kann ich auch jetzt noch ebenso wie damals in allem irren; lügen kann ich nicht, da ich durch die Barmherzigkeit Gottes lieber tausendmal sterben würde; ich spreche in allein so, wie ich es verstehe.

8. Der Wille muss hier wohl, wie mir scheint, einigermaßen mit dem Willen Gottes vereinigt sein. Aus den Wirkungen aber und aus den Werken, die aus diesem Gebet der Ruhe folgen, erkennt man dessen Echtheit; einen besseren Probierstein als diesen gibt es nicht. Unser Herr erweist einer Seele, der er diese Gebetsweise verleiht, eine sehr große Gnade, wenn sie diese auch erkennt; und eine ebenso große Gnade ist es, wenn sie nicht wieder zurückschreitet. Ihr wünscht nur, meine Töchter, dieser Gebetsgnade gewürdigt zu werden, und ihr habt recht; denn die Gnaden, die hier der Herr der Seele erweist, und die Liebe, mit der er sie näher an sich zieht, sind, wie gesagt, so erhaben, dass die Seele sie nie völlig erfasst. Gewiss ist es wünschenswert zu wissen, wie wir eine so große Gnade erlangen können. Ich will euch daher sagen, was ich in dieser Hinsicht erkannt habe.

9. Sehen wir ab von den Fällen, in denen der Herr diese Gnade nur darum erweist, weil er will; denn da der Grund hievon Seiner Majestät allein bekannt ist, so haben wir dawider weiter kein Wort zu verlieren. Im übrigen bemerke ich folgendes: Haben wir gehandelt wie jene, die sich in der vorhergehenden Wohnung befinden, dann nur Demut, Demut! Durch sie lässt sich der Herr in allem überwinden, was wir von ihm verlangen. Um auf den Besitz dieser Tugend schließen zu können, wird in erster Linie erfordert, dass euch nicht in den Sinn komme, ihr hättet diese Gnaden und geistigen Süßigkeiten vom Herrn verdient, oder ihr konntet sie je in euerem Leben verdienen. Da werdet ihr mir aber entgegnen: Auf welche Weise kann man denn in den Besitz dieser Gnaden kommen, wenn man sich nicht darum bemüht? Ich antworte darauf: Es gibt kein besseres Mittel als das von mir bezeichnete, d. h. man bemüht sich nicht darum, und zwar aus folgenden Gründen: 1. Das Allernotwendigste ist uneigennützige Liebe Gottes. 2. Es verrät immer etwas Mangel an Demut, zu glauben, wir könnten durch unsere armseligen Dienstleistungen etwas so Großes uns erwerben. 3. Die wahre Vorbereitung hiezu ist das Verlangen nach Leiden und der Nachfolge des Herrn, nicht aber das Verlangen nach geistigen Süßigkeiten, da wir ihn ja doch beleidigt haben. 4. Die göttliche Majestät, die uns auf die Beobachtung ihrer Gebote hin die ewige Glorie versprochen, hat sich nicht verpflichtet, uns dergleichen Süßigkeiten zu verleihen, ohne die wir doch auch selig werden können. Der Herr weiß auch besser als wir, was uns nützlich ist und wer ihn wahrhaft liebt. Dies ist gewiss, ich weiß es und kenne Personen, die auf dem Wege der Liebe wandeln, wie es sich gebührt, nur ihrem gekreuzigten Christus dienend, die weder Süßigkeiten von ihm erbitten noch sie auch wünschen, die ihn vielmehr bitten, ihnen solche Gunstbezeigungen in diesem Leben nicht zu geben. Dies ist Wahrheit. 5. Es wäre ein vergebliches Bemühen (nach diesen Gnaden zu streben). Denn weil man dieses Wasser nicht durch Röhren herleiten kann, wie das vorige, so nützt uns all unser Bemühen wenig, wenn die Quelle es nicht von selbst geben will. Ich will damit sagen: Wir mögen noch so viel betrachten, uns noch so sehr anstrengen und noch so viele Tränen vergießen, es strömt uns dieses Wasser dadurch doch nicht zu, es wird nur dem zuteil, dem es Gott geben will, und er gibt es oft gerade dann, wenn die Seele am wenigsten daran denkt.

10. Wir gehören ihm an, meine Schwestern, er tue mit uns, was ihm beliebt, und leite uns nach seinem Wohlgefallen! Ich glaube aber wohl, dass Gott uns diese Gnade und viele andere, um die wir nicht einmal zu bitten wissen, nicht vorenthalten wird, wenn wir uns in Wahrheit demütigen und von allem losschälen. Ich sage: »In Wahrheit«; denn es darf dies nicht bloß in unseren Gedanken geschehen, die uns oftmals täuschen, nein, wir müssen wirklich von allem losgeschält sein. Der Herr sei gelobt und gepriesen in Ewigkeit! Amen.

Drittes Hauptstück

Das Gebet der Sammlung, das der Herr meistens vor dem bisher besprochenen zu verleihen pflegt. Wirkungen dieses Gebetes sowie des vorhergehenden, bei dem die vor Herrn verliehenen geistigen Süßigkeiten besprochen werden.

3. Die Wirkungen des bisher besprochenen Gebetes sind zahlreich. Ich werde einige davon angeben; vorher aber will ich von einem anderen Gebete reden, das diesem fast immer vorausgeht; jedoch werde ich mich kurz fassen, da ich schon an anderen Orten davon gesprochen habe. Es ist dies eine Sammlung, die mir auch schon übernatürlich so sein scheint; denn sie tritt ein, auch ohne dass man dunkle Orte aufsuchen oder die Augen schließen oder sonst sich äußerlich darum bemühen muss, obwohl sich dabei die Augen von selbst schließen, und der Seele die Einsamkeit erwünscht ist. Hier wird, wie es scheint, ohne Kunstfleiß das Gebäude für das zuvor besprochene Gebet aufgeführt; denn die Sinne und die äußeren Dinge scheinen mehr und mehr ihr Recht zu verlieren, weil die Seele ihr verlorenes Recht mehr und mehr wieder gewinnt.

2. Man sagt, die Seele gehe in sich selbst ein oder erhebe sich über sich selbst. In dieser Ausdrucksweise werde ich euch jedoch nichts erklären können; dazu bin ich zu unwissend. Ich glaube aber, dass ihr die Art meiner Erklärung verstehen werdet, wenn sie nicht etwa mir allein dienlich ist. Um daher beim Gleichnis zu bleiben, das ich zur Erklärung dieser Dinge gewählt, müssen wir uns vorstellen, die Sinne und Kräfte der Seele, die schon erwähnten Bewohner dieser Burg, seien daraus entwichen und zu einem fremden, dem Wohl der Burg feindlichen Volk übergegangen. Es vergehen Tage und Jahre; endlich setzen sie ihr Verderben ein und nähern sich wieder der Burg, ohne jedoch in der Lage zu sein, in deren Inneres zurückzukehren. Sind sie auch keine Verräter mehr und schweifen sie nur noch um die Burg herum, so ist doch diese Gewohnheit des Herumschweifens schwer zu überwinden. Wenn nun der große König, der in der Burg seine Wohnung hat, ihren guten Willen sieht, so will er sie in seinem großen Erbarmen wieder an sich ziehen und lässt sie, gleich einem guten Hirten, seine Stimme durch ein so sanftes Pfeifen hören, dass sie selbst es kaum wahrnehmen; diese Stimme mahnt sie, nicht mehr in dieser Irre zu bleiben, sondern in ihre Wohnung zurückzukehren. Dieses Pfeifen des Hirten hat eine solche Kraft, dass sie die äußeren Dinge, in die sie sich verirrt harten, verlassen und sich in die Burg begeben.

3. Ich meine, dies nie so gut erklärt zu haben wie jetzt. Wenn Gott einer Seele diese Gnade gewährt, so ist er ihr in ganz besonderer Weise behilflich, ihn in ihrem eigenen Innern zu suchen. Dort findet sie ihn weit besser und mit mehr Nutzen als in den Geschöpfen außer sich. Auch der hl. Augustin bekennt, er habe Gott in seinem Innern gefunden, nachdem er ihn an vielen Orten gesucht. Denkt aber ja nicht, diese Sammlung werde durch den Verstand erworben, der sich bemüht, in seinem Inneren sich Gott als gegenwärtig zu denken, oder durch die Einbildungskraft, die ihn in uns selbst sich vorzustellen sucht. Dies ist zwar gut und eine vorzügliche Betrachtungsweise; sie gründet sich auf die Wahrheit, dass Gott in uns selbst gegenwärtig ist; aber es ist nicht die Sammlung, die ich hier im Auge habe, da sich jene — natürlich, wie alles Gute, nur mit der Hilfe Gottes — jeder erwerben kann. Was ich hier meine, vollzieht sich in ganz anderer Weise; manchmal finden sich die Sinne und Kräfte der Seele, noch ehe man an Gott zu denken beginnt, schon in der Burg, so dass man nicht weiß, wie sie hineingekommen sind, oder wie sie das Pfeifen ihres Hirten vernommen haben, da nichts davon in die Ohren gedrungen ist; man hört nichts davon, merkt aber deutlich ein sanftes Zurückweichen in das Innere. Jene, die mit dieser Gebetsweise begnadigt sind, erfahren es. Besser weiß ich mich darüber nicht zu erklären.

4. Wie ich gelesen zu haben meine, vollzieht sich hier dasselbe, wie beim Igel oder bei der Schildkröte, wenn sie sich in sich zurückziehen. Wer dies geschrieben hat, muss es wohl verstanden haben; doch passt dieses Gleichnis nicht recht. Jene Tiere ziehen sich nämlich ein, wann es ihnen beliebt; hier aber sieht es nicht in unserem Belieben; es geschieht vielmehr dann, wenn Gott uns diese Gnade erweisen will. Nach meinem Dafürhalten begnadigt Seine Majestät damit nur jene, die sich schon der weltlichen Dinge entschlagen haben; bei denen aber, deren Stand eine solche Losschälung nicht zulässt, muss dies dem Verlangen nach geschehen, soweit ich es verstehe; denn solche Seelen beruft Gott in besonderer Weise, den inneren Dingen ihre Aufmerksamkeit zuzuwenden. Und so glaube ich auch, dass der Herr jenen, die er zu Höherem zu berufen beginnt, nicht diese Gnade allein geben werde, wenn anders sie Seiner Majestät freie Hand lassen wollen.

5. Wer darum diese Gnade in sich wahrnimmt, der lobpreise den Herrn in besonderer Weise; denn es ist ganz billig, dass er Kenntnis davon bekommt. Durch seine Dankbarkeit für diese Gnaden wird er sich noch größerer würdig machen. Um die Stimme Gottes hören zu können, wird in einigen Büchern der Rat gegeben, sich dadurch vorzubereiten, dass man mit dem Verstande nicht nachzusinnen sucht, sondern nur aufmerksam darauf achtet, was der Herr in der Seele wirkt. Wenn aber Seine Majestät uns noch nicht an sich zu fesseln begonnen hat, so kann ich nicht begreifen, wie man seinen Gedanken in einer Weise Einhalt gebieten kann, dass uns aus einem solchen Bemühen nicht mehr Schaden als Nutzen erwächst. Wenn auch unter den Geistesmännern schon viel über diesen Punkt gesprochen wurde, so muss ich doch in meiner geringen Demut bekennen, dass sie mir bis jetzt noch keinen Grund vorgebracht haben, der mich bestimmen könnte, ihrer Ansicht beizupflichten. Einer von ihnen wies mich auf ein gewisses Buch des heiligen Bruders Petrus de Alcántara hin, den ich so nenne, weil er nach meiner Ansicht wirklich ein Heiliger ist; ihm würde ich auch beistimmen, weil ich weiß, dass er Verständnis in diesen Dingen besitzt. Als wir aber in dem Buche nachlasen, fand sich, dass der heilige Mann dasselbe sagt, was auch ich sage. Wenn auch seine Worte nicht die gleichen sind, so ist doch daraus ersichtlich, dass er nur dann das Nachdenken mit dem Verstande einzustellen anrät, wenn die Liebe bereits entflammt ist. Es kann sein, dass ich mich in meiner Ansicht irre, allein ich stütze mich auf folgende Gründe:

6. Erstens tut bei diesem Werke des Geistes am meisten, wer am wenigsten zu tun meint und tun will. Wir haben hier nichts anderes zu tun, als gleich Armen und Notleidenden, die vor einem großen und reichen Herrscher stehen, die göttliche Majestät zu bitten und mit niedergeschlagenen Augen in Demut auf Erhörung zu warten. Erst dann, wenn wir durch geheime Wege Gottes zu vernehmen glauben, er erhöre uns, ist es gut, zu schweigen; denn jetzt hat er uns erlaubt, in seiner Gegenwart zu verbleiben, und da mag es nicht unrecht sein, die Tätigkeit des Verstandes einzustellten, wenn es uns möglich ist. Solange wir aber nicht merken, dass dieser König uns erhöre oder auch nur ansehe, sollten wir nicht wie Toren uns verhalten; denn sehr töricht wäre das Bemühen der Seele, das schlussfolgernde Denken einzustellen, da sie dadurch viel trockener und die Einbildungskraft durch die Gewaltanstrengung, an nichts zu denken, vielleicht auch unruhiger würde. Der Herr will vielmehr, dass wir ihn bitten und uns mit der Betrachtung seiner Gegenwart beschäftigen; er weiß eben, was uns zuträglich ist. Ich meinerseits kann mich in Dingen, in denen Seine Majestät den menschlichen Anstrengungen eine Grenze gesetzt zu haben scheint und die sie sich selbst vorbehalten hat, zu solchen Anstrengungen nicht entschließen. Es gibt viele andere Dinge, wie Bußübungen, gute Werke und Gebete, die der Heer uns überlassen hat; in diesen vermögen wir mit seiner Hilfe, soweit nämlich unsere Armseligkeit reicht, etwas zu tun.

7. Zweitens vollziehen sich jene Wirkungen ganz sanft und ruhig, so dass eine peinliche Anstrengung eher schaden als nützen würde. Peinlich nenne ich hier jede Gewalt, die wir uns antun wollten, wie z. B. das Einhalten des Atems. Die Seele überlasse sich darum möglichst unbekümmert um ihren eigenen Vorteil und mit innigster Ergebung in den Willen Gottes seinen Händen, mag er mit ihr tun, was ihm gefällt. Drittens regt diese Sorge, an nichts zu denken, das Denkvermögen vielleicht so sehr an, dass man sich erst recht viele Gedanken macht. Viertens entspricht es am meisten der Art und dem Wesen unserer Einstellung zu Gott, wenn wir an seine Ehre und Verherrlichung denken und uns selbst, unseren Vorteil, unseren Trost und unser Vergnügen vergessen. Wie kann aber einer sich selbst vergessen, des so sorgfältig auf sich selbst achtet, dass er sich nicht zu bewegen wagt, ja nicht einmal seinem Verstand und den frommen Regungen seines Herzens gestattet, tätig zu sein, um sich zu erfreuen an der Herrlichkeit Gottes und Verlangen zu tragen nach immer größerer Verherrlichung der göttlichen Majestät? Will der Herr, dass der Verstand seine Tätigkeit einstelle, so beschäftigt er ihn auf eine andere Weise. Er begnadigt ihn alsdann mit einer Erleuchtung, die unser ganzes natürliches Erkennen so weit übertrifft, dass er von Staunen hingerissen und ohne zu wissen wie, viel besser unterrichtet wird als durch alle unsere Anstrengungen, die nur dazu beitragen, ihn mehr zu verwirren. Da also Gott uns die Seelenkräfte gegeben hat, damit wir sie in Tätigkeit setzen, und jede Bemühung ihren Lohn hat, so dürfen wir sie nicht in einen Zauberkreis bannen; wir müssen sie vielmehr ihres Amtes walten lassen, bis Gott sie zu einem höheren erhebt.

8. Soweit ich es verstehe, kann eine Seele, die der Herr in diese Wohnung versetzen wollte, nichts Besseres tun, als was ich gesagt habe; sie soll ohne jede Gewalt und ohne innere Erregung das schlussfolgernde Nachdenken einstellen, nicht aber den Verstand oder das Denkvermögen aufzuheben suchen. Es gereicht ihr vielmehr zu großem Nutzen, sich zu erinnern, dass sie vor Gott stehe, und zu bedenken, wer dieser Gott ist. Würde sie sich in das, was sie in sich empfindet, versenken, so mag sie es zulassen; sie soll aber nicht dessen Wesen zu begreifen suchen; denn das ist (nicht dem Verstande, sondern) dem Willen gegeben. Die Seele lasse ihm also den Genuss, ohne etwas anderes zu tun, als ihm einige Worte der Liebe beizubringen; denn wenn wir uns auch in diesem Zustande nicht bemühen, das Denken einzustellen, so sind wir doch oft ohne Gedanken, allerdings immer nur für kurze Zeit.

9. Die Ursache davon liegt, wie ich schon an einer anderen Stelle gesagt habe, in jener Quelle, aus der das Wasser ohne Röhrenleitung fließt. Ich spreche jetzt wieder von jener Art des Gebetes, auf die ich schon zu Beginn dieser Wohnung hingewiesen habe. Da enthält sich der Verstand des schlussfolgernden Denkens, oder er wird vielmehr durch die Unmöglichkeit, das zu begreifen, was er gerne begreifen möchte, genötigt, von diesem Nachdenken abzulassen. Deshalb irrt er umher wie ein Narr, der keinen Gedanken festhält. Der Wille indessen ist so sehr in seinen Gott versenkt, dass ihn die Unruhe des Verstandes recht lästig wird; doch darum darf er sich nicht kümmern, weil er sonst viel von seinem Genusse verlieren würde. Er lasse vielmehr den Verstand gewähren, sich selbst aber übergebe er den Armen der Liebe, da die göttliche Majestät selbst ihn unterweisen wird, was er in diesem Zustande zu tun habe. Dies besteht jedoch fast alles nur darin, dass er sich eines so großen Glückes für unwürdig halte und sich in Danksagung ergieße. Anders ist es bei dem Gebete der Sammlung, das ich hier eingeschaltet habe und von dem ich eigentlich zuvor hätte sprechen sollen. Dieses Gebet steht auf einer weit niedrigeren Stufe als das Gebet der geistigen Süßigkeiten, die, wie ich sagte, von Gott kommen; es ist diese Gebetsweise nur der Beginn des Aufstieges zu einer höheren, und man darf dabei weder die Betrachtung noch die Tätigkeit des Verstandes aufgeben.

10. Um das Gebet der Sammlung zu besprechen, habe ich die Wirkungen oder Zeichen noch nicht angeführt, die an den Seelen bemerkbar sind, denen Gott das in dieser Wohnung zuerst besprochene Gebet verleiht. Diese sind folgende: Man gewahrt ganz deutlich eine Erweiterung oder ein Gehobensein in der Seele, wie wenn das aus einer Quelle strömende und keinen Abfluss findende Wasser die aus einem dehnbaren Stoffe gearbeitete Einfassung der Quelle in dem Grade ausdehnte, als die Wassermasse zunimmt. Gerade so scheint es bei diesem Gebete zu geschehen, bei dem Gott noch viele andere Wunderdinge durch die zubereitende Befähigung der Seele vollzieht, um dies alles in sich zu fassen. Diese Süßigkeit und innere Erweiterung gibt sich in dem kund, was sie in der Seele hinterlässt. Sie ist in ihren den Dienst Gottes betreffenden Angelegenheiten nicht mehr so gebunden wie ehedem und dient ihm mit weit größerer Freiheit. Sie ängstigt sich nicht mehr durch die Furcht vor der Hölle; denn obwohl ihre Furcht vor der Beleidigung Gottes zugenommen hat, so verliert sich hier doch die knechtische Furcht, und die Seele hat eine große Zuversicht, dass sie zum Genusse ihres Gottes gelangen werde. Sie fürchtet nicht wie früher, durch Bußübungen ihre Gesundheit zu verderben, und bei ihrer Überzeugung, in Gott alles zu vermögen, fühlt sie ein größeres Verlangen nach der Übung von Bußwerken als bisher. Auch schreckt sie nicht mehr zurück vor Leiden, da ihr Glaube jetzt lebendiger ist; sie erkennt, dass ihr Seine Majestät durch die Hinnahme ihrer Leiden um Gottes willen die Gnade erweist, sie geduldig ertragen zu können. Ja, manchmal sehnt sie sich sogar nach Leiden, weil sie jetzt ein großes Verlangen beseelt, für Gott etwas tu tun. Da sie die Größe der göttlichen Majestät immer mehr erkennt, kommt sie sich jetzt um so armseliger vor. Weil sie bereits die göttlichen Süßigkeiten gekostet hat, sieht sie ein, dass die Freuden der Welt nicht höher zu schätzen sind als Kehricht; sie macht sich allmählich davon los, da sie jetzt mehr Herrin über sich selbst ist. Kurz, die Seele hat nun in allen Tugenden zugenommen und wird sicher stets mehr an Wachstum gewinnen, wenn sie nicht wieder umkehrt und Gott untreu wird; denn dann würde sie alles verlieren, wie hoch sie auch emporgestiegen sein mag. So gewiss diese Wirkungen sind, so darf man doch nicht glauben, dass sie alle, mögen sie sich auch noch so sicher einstellen, jedesmal zutage treten, nachdem Gott der Seele auch nur das eine oder andere Mal die Gnade dieses Gebetes verliehen hat; die Seele muss vielmehr beharrlich sein und diese Gnade oft empfangen haben. Von dieser Beharrlichkeit hängt unser ganzes Heil ab.

11. Wer sich auf dieser Gebetsstufe befindet, den mache ich besonders auf eines aufmerksam: Er muss sich mit größter Sorgfalt vor den Gelegenheiten hüten, in denen er Gott beleidigen könnte; denn die Seele ist hier noch nicht den Kinderschuhen entwachsen, sondern erst einem Säuglinge gleich. Wenn dieser von der Mutterbrust fernleibt, was hat er anders zu erwarten als den Tod? Ich fürchte sehr, dass es denen, die Gott schon auf diese Weise begnadigt hat, ebenso ergehen werde, wenn sie die Übung des innerlichen Gebetes unterlassen, außer es geschieht nur im dringendsten Notfall und mit baldiger Wiederaufnahme dieser Übung; denn sonst schreitet man vom Schlimmen zum Schlimmeren. In dieser Hinsicht muss man in großer Furcht sein; ich weiß es und kenne mehrere Personen, an denen ich zu meinem größten Leid gesehen, was ich gesagt. Sie trennten sich von dem, der sich ihnen mit so großer Liebe zum Freunde geben und seine Freundschaft durch Taten beweisen wollte. Deshalb mahne ich mit allem Nachdruck, die Gelegenheiten zur Sünde zu meiden; denn der Teufel stellt einer einzigen dieser Seelen weit mehr nach als vielen anderen, denen der Herr solche Gnaden nicht verleiht. Der Grund davon ist der: Solche Seelen können ihm dadurch, dass sie auch andere nach sich ziehen, großen Schaden zufügen, und andererseits werden sie in der Kirche Gottes großen Nutzen stiften. Und bemerkte auch der böse Feind nur das eine, dass die göttliche Majestät diesen Seelen besondere Liebe entgegenbringt, so würde ihm das schon genügen, um sie mit aller Kraftanstrengung ins Verderben zu stürzen. Sie erleiden also sehr große Anfechtungen und geraten auch, wenn sie sich verirren, viel tiefer ins Verderben als andere. Ihr, meine Schwestern, seid von solchen Gefahren, soweit es sich beurteilen lässt, frei. Gott bewahre euch vor der Hoffart und eitler Ehrsucht! Wollte aber der Teufel diese Gnaden nachäffen, so werdet ihr es daraus erkennen, dass seine Täuschungen nicht die genannten Wirkungen, sondern ganz das Gegenteil davon hervorbringen werden.

12. Auf eine Gefahr jedoch möchte ich euch besonders aufmerksam machen, wenn ich auch schon an einer anderen Stelle davon gesprochen habe. Ich sah manche dem Gebete ergebene Personen in diese Gefahr geraten, besonders aus dem weiblichen Geschlechte, das ihr ja infolge seiner schwächlicheren Natur mehr ausgesetzt ist. Haben sich solche Personen durch viele Bußwerke, durch anhaltendes Gebet und Wachen aufgerieben und sind sie ohnehin von schwächlicher Natur, so werden sie durch den Empfang irgendeiner inneren Tröstung ganz entkräftet. Es kann nun geschehen, dass sie in einen gewissen Zustand versetzt werden, den man geistigen Schlaf nennt, der aber höher zu werten wäre als das hier besprochene Gebet. Da nun bei dem Genusse, den sie dabei innerlich empfinden, ihre äußeren Kräfte geschwächt werden und abnehmen, so meinen sie, beides entstamme derselben Ursache, und überlassen sich darum einer Art von Besinnungslosigkeit; und je mehr sie sich dieser hingeben, desto mehr nimmt sie zu, weil die Natur immer mehr geschwächt wird. Dies halten sie für Verzückung; ich aber nenne es Stumpfsinn, weil es nichts anderes ist als Zeitvergeudung und Zerstörung der Gesundheit.

13. Ich weiß, dass eine Person acht Stunden lang in einem solchen Zustande verblieb; sie hatte keine Empfindung und nahm auch nichts von göttlichen Dingen wahr. Auf den Rat einer anderen Person, die hierin Erfahrung hatte, gab sie sich nun mehr dem Schlafe hin, nahm reichlichere Nahrung zu sich und verminderte ihre Bußstrenge; so wurde sie von diesen Zuständen befreit. Vorher hatte sie sowohl ihren Beichtvater als auch andere getäuscht, wiewohl sie dies nicht absichtlich getan, da sie selbst in Täuschung befangen war; ich glaube wohl, dass der Teufel dabei mitwirkte, um daraus einigen Gewinn für sich zu erzielen; und er hatte in der Tat nicht wenig gewonnen. Kommen solche Zustände wirklich von Gott, so wird dadurch die Seele doch nicht besinnungslos, wenn auch eine innere und äußere Schwäche eintritt; vielmehr wird sie mächtig erhoben, da sie sich Gott so nahe sieht. Auch hält ein solcher Zustand nicht so lange an, er währt nur ganz kurze Zeit. Und sollte er sich auch wiederholen, so kommt es bei dieser Gebetsweise, vorausgesetzt, dass sie, wie gesagt, nicht bloße Schwäche ist, nie so weit, dass der Körper zusammenbricht oder ein äußerer Schmerz sich fühlbar macht. Man muss also wohl auf der Hut sein. Jene, die solche Vorgänge in sich wahrnehmen, müssen der Oberin davon Mitteilung machen und sich nach Kräften davon abwenden. Die Oberin aber gestatte nicht, dass sie so viele Stunden dem Gebete widmen; sie erlaube ihnen nur sehr wenige und sorge dafür, dass sie gehörig schlafen und essen, bis sie wieder in den Besitz ihrer natürlichen Kräfte gelangt sind, wenn diese durch solche Zustände geschwunden wären. Wäre aber eine von so schwächlicher Natur, dass alle diese Vorkehrungen nicht ausreichen würden, dann hat sie Gott, das möge man mir glauben, nur für das tätige Leben berufen; denn in den Klöstern bedarf man auch solcher Seelen. Man beschäftige sie mit Ämtern und sorge immer dafür, dass sie sich nicht viel der Einsamkeit hingebe, sonst könnte es geschehen, dass sie ihre Gesundheit ganz einbüßen würde. Es wird dies zwar eine große Abtötung für sie sein; aber hier will der Herr ihre Liebe zu ihm prüfen und sehen, wie sie seine Abwesenheit erträgt. Vielleicht gefällt es ihm, ihr nach einiger Zeit die verlorenen Kräfte wiederzugeben; wenn nicht, so wird sie von ihrem mündlichen Gebete und von ihrem Gehorsam Gewinn haben und ebensoviel, ja vielleicht noch mehr verdienen als durch die genannten Übungen.

14. Es könnte auch Personen geben, ja ich habe wirklich solche gekannt, deren Kopf und Einbildungskraft so schwach sind, dass sie alles, was sie denken, auch zu sehen meinen; dies ist etwas sehr Gefährliches. Ich werde jetzt nicht davon sprechen, vielleicht dann später, da ich mich ohnehin schon lange mit der Erklärung dieser Wohnung aufgehalten habe. Es geschah dies aber deshalb, weil nach meinem Dafürhalten gerade diese Wohnung es ist, in die mehr Seelen eingehen als in die noch übrigen. Auch hier ist mit dem Übernatürlichen noch das Natürliche vermengt, weshalb der Teufel mehr schaden kann als in den noch zu besprechenden Wohnungen, in denen er nicht mehr so große Gewalt besitzt. Der Herr sei in Ewigkeit gepriesen! Amen.

Fünfte Wohnung

Erstes Hauptstück

Die Heilige beginnt mit der Erklärung, wie sich die Seele im Gebete mit Gott vereinigt und wie man erkennen kann, ob hier eine Täuschung obwalte.

3. O meine Schwestern, wie werde ich euch den Reichtum, die Schätze und die Wonnen der fünften Wohnung schildern können! Nach meinem Dafürhalten wäre es besser, von den übrigen Wohnungen gar nichts zu sagen; denn was sie in sich schließen, kann weder mit Worten ausgedrückt noch mit dem Verstande erfasst werden. Auch kann man sich hier zur Erklärung keiner Gleichnisse bedienen, da irdische Dinge für diesen Zweck viel zu niedrig sind. Sende mir, o mein Herr, Licht vom Himmel, um diese deine Dienerinnen, von denen du einigen für gewöhnlich die Wonnen dieser Wohnung zu kosten gibst, hierüber in etwa aufklären zu können! Denn sie sollen durch den Teufel, der sich in einen Engel des Lichtes verwandelt, nicht betrogen werden. Geht ja doch all ihr Verlangen dahin, dir zu gefallen.

2. Ich sprach zwar nur von »einigen«; in der Tat aber gibt es unter diesen Dienerinnen Gottes nur sehr wenige, die in die Wohnung nicht eintreten, von der ich jetzt sprechen will. Bei den einen ist dies mehr, bei den anderen weniger vollkommen der Fall, und deshalb sage ich, dass die Mehrzahl von ihnen in diese Wohnung eintritt. Wohl glaube ich, dass einige hier zu besprechende Gnaden, die der Herr in dieser Wohnung spendet, nur wenigen zuteil werden; allein wenn sie auch nicht weiter als bis zur Pforte dieser Wohnung gelangen, so ist dies schon für sie eine große Erbarmung von seiten Gottes. Die Worte: »Viele sind berufen, aber nur wenige auserwählt«, finde ich auch hier angewendet. Wie alle, die wir das heilige Kleid des Ordens vom Berge Karmel tragen, sind zum Gebete und zur Beschauung berufen; dies war die anfängliche Lebensweise unseres Ordens. Wir stammen ja von jenen heiligen Vätern auf dem Berge Karmel ab, die in so großer Einsamkeit und mit so vollkommener Verachtung der Welt diesen Schatz, diese kostbare Perle gesucht haben, von der wir sprechen. Dennoch aber bereiten sich nur wenige aus uns dazu vor, dass der Herr ihnen diese Perle zeige. Unser Wandel ist zwar dem Äußeren nach gut, um das zu erreichen, was zur Vervollkommnung in der Tugend notwendig ist; um aber zu jener zu gelangen, ist viel, ja sehr viel erforderlich; wir dürfen da durchaus nicht nachlässig sein. Darum vorwärts, meine Schwestern! Da wir einigermaßen schon auf Erden den Himmel genießen können, so lasst uns den Herrn bitten, er wolle uns seine Gnade schenken, damit wir nicht durch eigene Schuld dieses Genusses verlustig gehen! Lasst uns ihn bitten, er möge uns den Weg zeigen und unserer Seele Kraft verleihen, um zu graben, bis wir auf diesen verborgenen Schatz gekommen sind, der in Wahrheit in uns selbst ist! Dies möchte ich euch verständlich machen, wenn mir der Herr die Gnade dazu gibt.

3. Ich sagte, wir sollen den Herrn bitten, dass er »Kraft verleihe unserer Seele«; denn ihr sollt wissen, dass der Mangel an körperlichen Kräften nichts zu bedeuten hat. Gott, unser Herr, mache keinem, dem er diese Kräfte verweigert, den Erwerb seiner Reichtümer unmöglich; er begnüge sich vielmehr mit dem, was ein jeder geben kann. Gepriesen sei ein so großer Gott! Wenn ihr, meine Töchter, das erreichen wollt, wovon wir hier sprechen, so beachtet wohl, dass Gott euch nicht gestattet, etwas, sei es nun wenig oder viel, zurückzubehalten. Er will alles für sich haben, und je nach euerer größeren oder geringeren Freigebigkeit werdet ihr auch größere oder geringere Gnaden von ihm empfangen. Um zu erkennen, ob unsere Gebetsweise die Stufe der Vereinigung erreicht hat oder nicht, gibt es keine bessere Probe (als diese vollkommene Entäußerung). Ihr dürft nicht denken, diese Gebetsweise gleiche einem Traumzustand wie die vorige. Ich sage »einem Traumzustand«; denn dort scheint die Seele im Schlummer sich zu befinden, so dass sie weder recht schläft noch auch sich wach fühlt. Hier, im Gebete der Vereinigung, ist die Seele ganz wach für Gott, für die Dinge dieser Welt aber und für sich selbst ganz empfindungslos; denn während der freilich nur kurzen Dauer der Vereinigung ist sie wie von Sinnen, so dass sie, wenn sie auch wollte, an nichts denken kann. Darum ist es auch nicht nötig, das Denken künstlich zu unterdrücken; hier liebt sie nur, weiß aber in diesem Zustande nicht einmal, wie sie liebt, noch was das ist, was sie liebt, und was sie möchte. Kurz, die Seele ist hier der Welt ganz abgestorben, um desto mehr in Gott zu leben. Ein süßer Tod, fürwahr! Ja, es ist ein Tod, weil ein Sichloslösen von aller Tätigkeit, die sie sonst vollziehen kann, solange sie im Leibe ist; aber es ist ein wonnevoller Tod, weil die Seele, obwohl in Wirklichkeit noch im Leibe, sich nur deshalb von ihm loszulösen scheint, um desto inniger mit Gott vereinigt zu sein, und zwar so, dass ich nicht einmal weiß, ob dem Leibe so viel Leben bleibt, dass er noch atme. Eben dachte ich darüber nach, und es schien mir, der Leib atme nicht; sollte er aber doch atmen, so merkt man wenigstens nichts davon. Der Verstand möchte sich mit voller Hingabe damit beschäftigen, etwas von den Empfindungen der Seele zu begreifen; da aber seine Kräfte dies nicht vermögen, ist er von Staunen so hingerissen, dass er weder Hand noch Fuß bewegt, wenn er sich nicht ganz verliert; wir sprechen ebenso von einem Menschen, der von einer so schweren Ohnmacht befallen ist, dass wir ihn für tot halten. O der Geheimnisse Gottes! Ich möchte keine Mühe scheuen, um sie euch verständlich zu machen, wenn ich etwas Richtiges sagen könnte. Und so will ich denn gerne tausend Ungereimtheiten vorbringen, um nur einmal etwas in entsprechender Weise zu sagen, damit wir den Herrn von ganzem Herzen preisen.

4. Ich habe gesagt, dieses Gebet der Vereinigung gleiche nicht einem Traumzustand. In der vorhergehenden Wohnung ist die Seele im Zweifel über das gewesen, was sie empfunden, bis sie einmal viel Erfahrung gewonnen hat; sie weiß nicht, ob es nur Einbildung war, ob sie geschlummert, ob es von Gott gekommen oder ob sich der Teufel in einen Engel des Lichts verwandelt hat. Sie schöpft also tausendfältigen Verdacht, und sie tut gut daran; denn wie schon erwähnt, kann uns dort zuweilen die Natur selbst betrügen. Auch gibt es dort, wenngleich jene giftigen Tiere nicht mehr so leicht Zutritt haben, doch immerhin kleine Eidechslein, die so geschmeidig sind, dass sie sich überall einschleichen können; richten diese auch keinen Schaden an, zumal wenn man sie, wie angeraten, nicht achtet, so sind sie doch oft lästig. Ich habe jene flüchtigen Gedanken im Auge, die von der Einbildungskraft und von den genannten anderen Ursachen herrühren. In diese fünfte Wohnung aber können sich auch diese kleinen Eidechslein, so geschmeidig sie auch sind, nicht mehr einschleichen; denn hier kann weder die Einbildungskraft, noch das Gedächtnis, noch der Verstand der Seele in ihrem Genusse hinderlich sein. Ja, ich würde es wagen, zu behaupten, dass selbst der Teufel sich nicht einzudrängen und zu schaden vermag, wenn das Gebet eine wahre Vereinigung der Seele mit Gott ist. Denn hier ist die göttliche Majestät mit dem Wesen der Seele so verbunden und vereinigt, dass jener sich ihr nicht zu nahen wagt, ja, er wird nicht einmal erkennen, was hier in geheimnisvoller Weise in der Seele vorgeht. Kennt er, wie man sagt, nicht einmal unsere Gedanken, so ist es klar, dass er noch weniger Kenntnis haben wird von einem Geheimnis, das Gott nicht einmal unserem eigenen Verstand anvertraut. O welch großes Glück ist es, in einem Zustand sich zu befinden, in dem der Verfluchte uns nicht mehr schadet! Daher bleibt der Seele ein so großer Gewinn, weil Gott in ihr wirkt, ohne von jemand, ja ohne von uns selbst gehindert zu werden. Was wird er nicht alles geben, da er so gerne gibt und auch alles geben kann, was er will?

5. Vielleicht habe ich euch durch die Worte: »wenn das Gebet eine wahre Vereinigung ist«, und den daraus zu ziehenden Schluss, dass es auch noch andere Arten von Vereinigung gibt, beunruhigt. Allerdings gibt es auch andere, und wie sehen diese aus? Auch der Teufel kann die Seelen zu eitlen Dingen entrücken, wenn sie diese leidenschaftlich lieben, jedoch nicht in der Weise wie Gott, und auch nicht mit dem Eindruck solcher Wonne und Beruhigung, solcher Beseligung und Befriedigung der Seele. Das, was Gott in der Seele wirkt, übersteigt alle Freuden und alle Ergötzungen sowie auch jede Beseligung dieser Erde. Ja, es ist gar nicht nötig, zu wissen, auf welche Ursache diese Freuden ins Verhältnis zu den irdischen zurückzuführen sind; schon in ihrer (inneren) Wahrnehmung liegt ein Unterschied, wie ich es selbst erfahren habe. Ich habe schon einmal auf diesen Unterschied hingewiesen; die einen Freuden berühren im gewissen Sinne nur die Oberfläche des Leibes, während die anderen bis in das Mark eindringen. Ich habe damit diesen Unterschied gut zum Ausdruck gebracht; besser wüßte ich ihn nicht zu bezeichnen.

6. Da dieser Unterschied groß ist, so dürfte das Gesagte für jene, die hierin Erfahrung haben, wohl genügen. Indessen scheint es mir, dass ich euch noch nicht vollkommen befriedigt habe; ihr werdet vielleicht denken, euch täuschen zu können, da diese inneren Vorgänge schwer zu prüfen sind. Ich will euch deshalb ein deutliches Kennzeichen angeben, bei dessen Vorhandensein ihr euch nicht täuschen und auch nicht zweifeln könnt, ob die Vereinigung göttlichen Ursprungs gewesen ist. Dieses Merkmal, an das mich Seine Majestät erst heute erinnert, scheint mir sicher zu sein. Ich sage, wie überhaupt bei schwierigen Dingen immer: »es scheint mir«, wenn ich sie auch zu verstehen und die Wahrheit zu reden glaube; denn wenn ich mich auch irren sollte, so bin ich doch vollkommen bereit, das für wahr zu halten, was Männer von großer Wissenschaft sagen werden. Sollten sie auch diese Gnaden an sich nicht erfahren haben, so wohnt doch großen Gelehrten etwas mir Unerklärliches inne. Gott hat sie als Leuchten seiner Kirche bestellt; und wenn es sich um die Erklärung einer Wahrheit handelt, so führt er sie in dieselbe ein, auf dass auch andere sie wahrnehmen. Und wenn solche Männer nicht ins Weltliche verstrickt, sondern Diener Gottes sind, so erregen seine Wundertaten bei ihnen nie Befremden; denn sie wissen gar wohl, dass er noch mehr und weit Größeres vermag. Ereignen sich Vorgänge, die nicht ganz geklärt sind, so werden sie andere geschrieben finden, aus denen sie die Zulässigkeit jener folgern können.

7. In dieser Beziehung habe ich eine sehr reiche Erfahrung. Ich habe sie auch bezüglich einiger furchtsamer Halbgelehrten, und diese Erfahrung ist mir sehr teuer zu stehen gekommen. Wenigstens halte ich dafür, dass einer die Türe zum Empfange dieser außerordentlichen Gnaden fest verschlossen hält, der nicht glaubt, dass Gott noch größere vollbringen kann, und nicht für wahr hält, dass er in seiner Güte seine Geschöpfe mit solchen Gunstbezeigungen begnadigt hat und auch jetzt noch begnadigt. Huldigt darum, meine Schwestern, niemals dieser Ansicht, sondern haltet für sicher, dass Gott dieses und noch mehr und Größeres vollbringen kann! Achtet auch nicht darauf, ob jene, denen Gott solche Gnaden spendet, gut oder böse sind; denn, wie schon erwähnt, weiß Seine Majestät, was sie tut, und es geziemt sich nicht, dass wir uns in ihr Wirken einmischen; wir sollen nur in Einfalt des Herzens Gott dienen und ihn für seine Werke und Wunder preisen.

8. Ich komme nun wieder auf das Kennzeichen zurück, das, wie ich bemerkte, ein wahres ist. Ihr wisst schon, dass die Seele, die Gott ganz zur Törin gemacht hat, um ihr die wahre Weisheit desto tiefer einzuprägen, während der Dauer dieses Zustandes weder sieht, noch hört, noch versteht. Dieser Zustand dauert jedoch nur kurze Zeit, und er kommt der Seele noch viel kürzer vor, als es wirklich sein mag. Aber Gott lässt sich im Innern der Seele in einer Weise nieder, dass sie, wenn sie wieder zu sich kommt, durchaus nicht zweifeln kann, sie sei in Gott und Gott in ihr gewesen. An dieser Wahrheit hält sie mit solcher Sicherheit fest, dass sie diese nie vergießt und nie daran zweifeln kann, auch wenn ihr Gott diese Gnade jahrelang nicht wieder erweist. Und dies geschieht, ganz abgesehen von den Wirkungen, die in der Seele zurückbleiben, was hier von besonderer Bedeutung ist; ich werde davon später noch sprechen.

9. Aber nun werdet ihr mir entgegnen: Wie hat denn die Seele wahrgenommen oder verstanden, dass sie in Gott und Gott in ihr war, wenn sie in diesem Zustand überhaupt weder sieht noch versteht? Ich antworte: Die Seele hat zwar diesen geheimnisvollen Vorgang nicht wahrgenommen, aber nachher hat sie dessen Wirklichkeit klar erkannt.

Sie nahm dieses Geheimnis nicht in einer (geistigen) Schauung wahr, aber es bleibt ihr davon eine Gewissheit, die Gott allein geben kann. Ich kenne eine Person, der es nicht zur Kenntnis gekommen war, dass Gott in allen Dingen sich befinde durch seine Gegenwart, Macht und Wesenheit; dieser Glaube wurde in ihr erst dadurch begründet, dass Gott ihr eine derartige Gnade erwies. Einer von den oben erwähnten Halbgelehrten, den sie fragte, auf welche Weise Gott in uns sei — er hatte davon ebensowenig Kenntnis wie sie selbst, ehe sie Gott damit vertraut machte —, sagte ihr zwar, Gott sei nicht anders in uns als durch seine Gnade; aber trotzdem hielt sie so fest an der Wahrheit, dass sie jenem nicht Glauben schenkte, sondern andere befragte, die ihr das Richtige sagten. Es war dies ein großer Trost für sie.

10. Ihr dürft euch aber keiner Täuschung hingeben und nicht meinen, diese Gewissheit beziehe sich auf etwas Körperliches, wie es der Fall ist bezüglich der unsichtbaren Gegenwart des Leibes unseres Herrn Jesus Christus im Allerheiligsten Sakramente; denn hier ist er nicht leiblich, sondern allein der Gottheit nach. Aber wie können wir eine solche Gewissheit über das haben, was wir nicht sehen? Das weiß ich nicht, das sind Gottes Werke; aber ich weiß, dass ich die Wahrheit sage. Wenn nun jemand diese Gewissheit nicht hat, so möchte ich nicht sagen, die ganze Seele sei mit Gott vereint gewesen, sondern nur irgendeine ihrer Fähigkeiten, oder sie sei mit einer anderen der vielen Arten von Gunstbezeigungen begnadigt worden, die Gott der Seele zu erweisen pflegt. Bei all diesen Vorgängen dürfen wir nicht nach Gründen forschen, um zu erfahren, wie jene sich vollziehen; denn unser Verstand ist nicht fähig, sie zu begreifen. Wozu wollten wir uns vergebens abmühen? Es genügt uns zu wissen, dass der, von dem diese Gunstbezeigungen ausgehen, allmächtig ist. So viel wir uns auch anstrengen mögen, wir sind doch in keiner Weise imstande, sie aus eigener Kraft zu erwerben; nur Gott kann sie geben. Darum wollen wir uns auch nicht bemühen, sie zu begreifen.

11. Durch die Bemerkung, dass wir uns nicht aus uns selbst in diesen Zustand versetzen können, drängen sich meinem Geiste die Worte auf, die, wie ihr schon gehört habt, die Braut im Hohenliede spricht: «Der König hat mich in seinen Weinkeller geführt«, oder, wie ich glaube, »gebracht.« Sie sagt nicht, dass sie von selbst hineingegangen sei. Desgleichen bemerkt sie, dass sie da und dort ihren Geliebten gesucht habe. Soweit ich es verstehe, ist dies der Weinteller, in den uns der Herr bringen will, wann und wie es ihm gefällt. Durch eigene Anstrengungen aber können wir in diesen Weinteller nicht eintreten; die göttliche Majestät muss uns hineinbringen und selbst eintreten in unseren Seelengrund. Und damit der Herr seine Wunder um so deutlicher zeige, will er nicht, dass wir uns dabei in anderer Weise beteiligen als mit unserem Willen, der sich ihm ganz hingegeben hat. Auch lässt er nicht zu, dass ihm die Pforte zu unseren Seelenvermögen und Sinnen, die alle im Schlafzustand sich befinden, geöffnet werde. Nein, er will bei verschlossenen Türen in den Seelengrund eintreten, wie er vor den Jüngern erschien, als er zu ihnen sprach: »Der Friede sei mit euch«, und wie er aus dem Grabe hervorging, ohne dass der Stein weggehoben wurde. Später, in der letzten Wohnung, werdet ihr sehen, dass der Herr die Seele in ihrem innersten Grund noch mehr kosten lassen will als hier.

12. O meine Töchter, wie viele Dinge werden wir schauen, wenn wir nur unsere eigene Niedrigkeit und Armseligkeit zu erkennen verlangen und einsehen, dass wir nicht würdig sind, Dienerinnen eines so großen Herrn zu sein, dessen Wunderwerke wir nicht zu begreifen imstande sind! Er sei in Ewigkeit gepriesen! Amen.

==== Zweites Hauptstück Fortsetzung. Erklärung des Gebetes der Vereinigung durch ein treffendes Gleichnis. Wirkungen dieses Gebetes in der Seele. Dieses Hauptstück ist sehr zu beachten.

3. Ihr werdet wohl der Meinung sein, es sei schon alles besprochen, was in dieser Wohnung zu schauen ist, und doch fehlt noch vieles; denn es gibt hier, wie ich schon erwähnt habe, ein Mehr und ein Weniger. Bezüglich der Vereinigung selbst glaube ich dem Gesagten nichts mehr hinzufügen zu können; aber wenn die Seele sich zur Aufnahme dieser Gnade Gottes bereit hält, dann ist noch vieles von dem zu erwähnen, was der Herrin ihr wirkt. Ich werde von einigen dieser Wirkungen sowie von der Veränderung der Seele sprechen; zum besseren Verständnis will ich mich eines Gleichnisses bedienen, das für diesen Zweck passend ist. Dieses Gleichnis soll uns zur Erkenntnis führen, dass wir bezüglich unserer inneren Verfassung vieles tun können, damit Seine Majestät uns diese Gnade erweist, wenn wir auch zu dem Werke, das der Herr in uns vollzieht, nichts beizutragen vermögen.

2. Ihr werdet schon von den Wundern des Herrn gehört haben, die sich bei Entstehung der Seide vollziehen. Es soll da aus einem Samenei von der Art eines kleinen Pfefferkörnleins zur Zeit, in der die Maulbeerbäume Blätter treiben, durch die Wärme ein lebendiges Räupchen entstehen. Ich habe dies nie gesehen, sondern nur gehört, weshalb es auch nicht meine Schuld ist, wenn ich etwas Unrichtiges sage. Solange dem Räupchen diese Nahrung noch fehlt, bleibt es ein lebloses Samenei; nun aber nährt es sich von den sprossenden Blättern des Maulbeerbaumes, bis es groß geworden. Man legt ihm dann Zweige hin, unter denen es mit seinem Mäulchen aus sich selber die Seide spinnt, aus der es eine ganz eng anliegende Hülle bildet, in die es sich einschließt. Es wird nun zu einer großen und häßlichen Raupe, die in der Hülle abstirbt und später als ein weißer gar lieblicher kleiner Schmetterling wieder aus ihr hervorkommt.

3. Wenn man dies nicht sähe, sondern nur als etwas vor Zeiten Geschehenes erzählen hörte, wer könnte es glauben? Wie könnten wir mit unserem Verstande daraufkommen, dass ein so vernunftloses Wesen wie eine Raupe oder eine Biene so emsig und geschickt zu unserem Nutzen arbeitet und das arme Räupchen sogar sein Leben dabei opfert? Wenn ich euch, meine Schwestern, auch nicht mehr sage, so reicht dies allein schon hin, darüber einmal eine Betrachtung anzustellen; denn darin könnt ihr die Wunder und die Weisheit unseres Gottes schauen. Was wäre es erst, wenn wir die Eigenschaften aller Dinge erkennen könnten? Gewiss ist es uns sehr nützlich, wenn wir uns mit der Betrachtung der Wunderwerke Gottes beschäftigen und freuen, Bräute eines so weisen und mächtigen Königs zu sein.

4. Aber kehren wir wieder zu unserem Gleichnisse zurück. Wie jener Same durch die natürliche Wärme Leben gewinnt, so auch die Seele, wenn sie, vom Heiligen Geiste erwärmt, die gewöhnliche, uns allen von Gott gewährte Gnadenhilfe zu benützen und die Mittel anzuwenden beginnt, die er in seiner Kirche hinterlassen hat. Diese Mittel, die einer in ihrer Sorglosigkeit und in ihren Sünden erstorbenen und von Gelegenheiten zur Sünde umgebenen Seele zu Gebote stehen, sind die öftere Beichte, die Lesung guter Bücher und das Anhören der Predigten. Vollzieht die Seele dies alles, dann wird sie zu leben beginnen und darin sowie auch in frommen Betrachtungen Nahrung finden, bis sie groß geworden ist. Letzteres allein ist hier für mich von Bedeutung, das andere ist belanglos.

5. Ist nun die aus dem Samen entstandene Raupe groß geworden — es ist dies von jenem Zustand zu verstehen, von dem ich anfangs gesprochen —, so beginnt sie, wie gesagt, die Seide zu spinnen und das Haus zu bauen, in dem sie sterben muss. Unter diesem Hause möchte ich hier Christus verstanden wissen. Ich glaube, irgendwo gelesen oder gehört zu haben, »unser Leben sei in Christus« oder, was dasselbe ist, »in Gott verborgen«, oder, »unser Leben sei Christus«; doch wie es auch immer sein mag, daran ist für mein Vorhaben wenig gelegen.

6. Sehet hier, meine Töchter, was wir mit der Hilfe Gottes tun können, damit Seine Majestät selbst unsere Wohnung werde, wie sie es im Gebete der Vereinigung wirklich ist; wir können selbst diese Wohnung bauen. Aus diesen meinen Worten scheint nun hervorzugehen, als könnten wie von Gott etwas nehmen oder ihm etwas übergeben; denn ich sage, er sei die Wohnung, und wir könnten sie erbauen, um uns darin einzuschließen. Doch so will ich dies nicht verstanden wissen. Wir können allerdings gar wohl diese Wohnung bauen, zwar nicht, insofern wir von Gott etwas nehmen, sondern indem wir gleich dieser Seidenraupe uns selbst etwas nehmen und hinzulegen. Aber kaum haben wir noch alles getan, was wir tun konnten, so wird Gott diese kleine Arbeit, die wie nichts erscheint, schon mit seiner Größe vereinigen und ihr einen so hohen Wert verleihen, dass Seine Majestät selbst dafür unser Lohn sein wird. Und wie er das meiste sich hat kosten lassen, so will er auch unsere geringen Mühen mit der Größe seiner Leiden vereinigen, so dass beide eins werden.

7. Wohlan denn, meine Töchter, gehen wir eilends ans Werk, diese Hülle zu weben, indem wir unserer Eigenliebe und unserem Eigenwillen entsagen, an nichts Irdisches uns zu hängen, den Bußübungen, dem Gebete, der Abtötung, dem Gehorsam uns hingeben und alle übrigen uns bekannten Tugenden üben! So werden wir arbeiten, wie wir es verstehen und gelehrt worden sind. Sterben, sterben muss diese kleine Raupe, und dies geschieht, wenn sie das Werk vollendet hat, wozu sie geschaffen wurde. Wir werden dann erfahren, wie wir Gott schauen und wie wir uns in seine Größe versenkt sehen, gleich der Seidenraupe, die in ihre Hülle eingeschlossen ist. Ich sagte, wir werden Gott schauen, das heißt in der Weise, wie er sich meinen Worten gemäß in dieser Art von Vereinigung zu erkennen gibt.

8. Betrachten wir aber jetzt, was aus dieser Raupe wird; denn darum dreht sich das ganze Gleichnis, das ich angeführt habe. Was wird also daraus? Wenn sie in ihrer Hülle vollständig erstorben ist, gestaltet sich daraus ein kleiner weißer Schmetterling. Ähnliches vollzieht sich auch an unserer Seele, wenn sie im Gebete der Vereinigung der Welt ganz abgestorben ist. O der Wunderwerke unseres Gottes! Wie herrlich geht die Seele aus diesem Gebete hervor, bei dem sie für kurze Zeit — nach meinem Dafürhalten währt dies nie eine halbe Stunde — in die Größe Gottes versenkt und so innig mit ihm verbanden war! Ich rede die Wahrheit, wenn ich sage, dass die Seele sich selber nicht mehr kennt. Bedenket nur den Unterschied zwischen einer häßlichen Raupe und einem weißen Schmetterling; ein solcher Unterschied ist auch hier wahrzunehmen. Die Seele weiß nicht, wie sie so ein beglückendes Gut verdienen konnte, d. h. wie ihr dies zuteil werden konnte; denn sie sieht wohl ein, dass sie es unverdient empfangen. Sie gewahrt in sich ein so mächtiges Verlangen, den Herrn zu preisen, dass sie dabei vergehen und tausendmal für ihn sterben möchte. In Verbindung damit beginnt sich in ihr ein unwiderstehliches Verlangen nach großen Leiden sowie nach Bußübungen und Einsamkeit zu regen. Dazu hegt sie den sehnlichsten Wunsch, dass alle Menschen Gott erkennen möchten; und sieht sie, dass er beleidigt wird, so empfindet sie darüber heftigen Schmerz. Von diesen Wirkungen wird in der folgenden Wohnung eigens noch ausführlicher die Rede sein, da sie dort noch viel mächtiger hervortreten als hier, wenn auch die Vorgänge in beiden Wohnungen fast dieselben sind; denn wenn die Seele, die Gott nach meinen obenerwähnten Worten bis hierher geführt hat, bestrebt ist, weiter voranzuschreiten, wird sie noch große Dinge schauen.

9. In seinem bisherigen Leben hat der kleine Schmetterling noch nie so große Ruhe und solch tiefen Frieden gefunden; dennoch aber ist er so unruhig, dass sein Anblick zum Lobe Gottes stimmt. Es ist, als ob er nicht wüßte, wo er sich niederlassen und ruhen sollte. Nach solchem Ruhegenuss widerstrebt ihm alles, was er auf Erden sieht, besonders wenn ihm Gott von diesem Wein oft zu kosten gibt, da er aus jedem neuen Genuss neuen Gewinn schöpft. Nun achtet er jene Werke für nichts, die er als Raupe naturgemäß vollzogen; sie bestanden darin, dass er allmählich seine Hülle spann. So sind ihm jetzt Flügel gewachsen; wie sollte er also, da er jetzt fliegen kann, sich damit begnügen, langsam voranzugehen? Alles, was die Seele für Gott tun kann, ist ihr im Verhältnis zu ihrem Verlangen zu gering. Was die Heiligen gelitten, kommt ihr nicht mehr so staunenswert vor, weil sie die Hilfe des Herrn aus Erfahrung kennt und weiß, dass Seine Majestät eine Seele so umgestaltet, dass sie selbst und ihre Gestalt eine ganz andere zu sein scheint. Die Schwäche, die sie früher bei Übung der Bußwerke zu fühlen glaubte, findet sie jetzt in Stärke verwandelt. Ihre Anhänglichkeit an Verwandte, Freunde und zeitliche Güter ist geschwunden; weder fromme Anmutungen, noch gute Vorsätze, noch das Verlangen, sich davon zu trennen, reichten ehedem hin. Ja, es schien ihr, als sehe sie sich nur um so mehr an diese Dinge gefesselt; jetzt aber fällt es ihr schwer, auch nur auf jene Rücksichten zu achten, über die sie sich nicht hinwegsetzen kann, ohne gegen Gottes Willen zu handeln. Alles Irdische ist ihr zum Überdruss, da sie ja aus Erfahrung weiß, dass ihr die Geschöpfe die wahre Ruhe nicht geben können.

10. Es scheinen vielleicht meine Worte zu weitläufig zu sein, aber ich konnte nicht viel mehr sagen. Hat Gott einer Seele die Gnade der Vereinigung verliehen, so wird sie einsehen, dass ich mich eher zu kurz fasse. Der kleine Schmetterling fühlt sich also fremd unter den Geschöpfen dieser Welt, weshalb man sich nicht wundern darf, dass er noch eine Stätte außer ihr sucht. Aber wohin soll das arme kleine Wesen sich begeben? Dahin zurücklehren, woher es gekommen, kann es nicht; denn dies stehe, wie gesagt, nicht in unserer Gewalt. Wir mögen tun, was wir wollen, es ist alles fruchtlos, bis es Gott gefällt, uns die Gnade der Vereinigung aufs neue zu verleihen. O mein Gott, welch neue Leiden beginnen nun für die Seele! Wer hätte gedacht, dass nach einer so hohen Begnadigung noch solche Erlebnisse folgen werden? Aber so ist es einmal; das Kreuz müssen wir tragen, solange wir leben, sei es auf diese oder auf eine andere Art. Wollte mir jemand einwenden, er lebe immer in Ruhe und Wonne, seitdem er diese Stufe erreicht, so müsste ich ihm antworten, er sei noch gar nicht dahin gelangt. Ist er schon in die vorhergehende Wohnung eingetreten, so mag er vielleicht eine geistige Süßigkeit gekostet haben, und zwar unter Mithilfe der natürlichen Schwäche oder auch des Teufels, der die Seele in Frieden versetzt, um sie dann in einen um so heftigeren Kampf zu verwickeln.

11. Ich will jedoch nicht sagen, dass jene, die zum Gebete der Vereinigung gelangt sind, keinen Frieden genießen. Sie genießen ihn wirklich, und zwar einen sehr tiefen Frieden; denn die Leiden, die hier die Seele erduldet, sind so edlen Ursprungs und haben einen solchen Wert, dass aus ihnen trotz ihrer Größe und Schwere der Friede und die Freude quillen. Gerade aus dem Überdruss, den die Seele an den Dingen der Welt empfindet, erwacht in ihr ein so peinliches Verlangen, aus ihr zu scheiden, dass nur der Gedanke, nach Gottes Willen in diesem Lande der Verbannung leben zu müssen, ihr einige Linderung verschafft; zu ihrer vollkommenen Beruhigung reicht jedoch dieser Gedanke noch nicht hin. Denn bei all dem Gewinn, den die Seele daraus gezogen hat, ist sie doch noch nicht so ganz dem Willen Gottes unterworfen; wir werden dies in der Folge an ihr wahrnehmen. Zwar macht sie sich diesem Willen gleichförmig, aber es geschieht dies nur mit großer Pein und unter vielen Tränen, da sie in Ermangelung einer höheren Gnade nicht anders kann; sie fühlt jedesmal, sooft sie im Gebete sich befindet, wenigstens einigermaßen diese Pein. Vielleicht fließt diese Pein auch aus dem tiefen Schmerze, den ihr die Wahrnehmung verursacht, dass in dieser Welt Gott beleidigt und so wenig geachtet wird und so viele Seelen, sowohl Häretiker als Mauren, verlorengehen. Am meisten aber schmerzt sie der Untergang jener Seelen, die dem Christentum angehören. Sie kennt zwar die Größe der göttlichen Barmherzigkeit, die es ihnen ermöglicht, sich zu bekehren und selig zu werden, wie böse auch ihr Leben gewesen sein mag; aber dennoch fürchtet sie, es möchten viele davon verdammt werden.

12. O der großen Wunder Gottes! Noch vor wenigen Jahren, ja vielleicht vor wenigen Tagen, dachte diese Seele nur an sich selbst. Wer hat sie doch jetzt in solch peinliche Sorgen versetzt? Wollten wir uns auch viele Jahre der Betrachtung hingeben, wir würden nie einen so tiefen Schmerz in uns empfinden, wie ihn die Seele jetzt fühlt. Aber, o mein Gott! Wenn ich doch viele Jahre und Tage hindurch zu betrachten mich bemühe, welch großes Übel es um die Beleidigung Gottes ist, und dabei bedenke, dass jene, die verdammt werden, seine Kinder und meine Brüder sind, wie gefahrvoll dieses Leben und welch ein Glück es ist, von diesem Elend befreit zu werden, sollte dann all das nicht wirksam genug sein, am eine solche Pein in uns hervorzurufen? Nein, meine Töchter, dies alles genügt nicht. Es ist dies keine gewöhnliche Pein, wie wir sie mit der Hilfe des Herrn allerdings durch solchen Eifer in der Betrachtung empfinden können; diese Pein dringt bis in das innerste Mark der Seele, so dass es scheint, sie werde gleichsam in Stücke gerissen und zermalmt, ohne dass sie etwas dazutut, ja zuweilen, ohne dass sie es auch nur will. Aber welche Bewandtnis hat es mit dieser Pein? Woher kommt sie? Ich will es euch sagen.

13. Habt ihr nicht gehört, wie Gott die Braut in den Weinkeller geführt und in ihr die Liebe geordnet hat? Ich habe das schon an einer anderen Stelle, wenn auch nicht bezüglich dieses Gegenstandes, gesagt. Nun denn, da seht ihr den Ursprung dieser Pein. Weil sich die Seele schon den Händen Gottes übergeben, hat die große, in ihr brennende Liebe sie so sehr eingenommen, dass sie nichts anderes mehr weiß und will, als dass er mit ihr nach seinem Wohlgefallen verfüge; denn nur einer Seele, die Gott schon ganz als sein Eigentum erkennt, will er meines Erachtens diese Gnade erweisen. Und so will er sie nicht anders aus dem Weinkeller hervorgehen lassen als bezeichnet mit seinem Siegel, das er ihr aufgedrückt hat, ohne dass sie wußte wie. Denn die Seele tut hier nicht mehr als das Wachs, dem jemand ein Siegel eindrückt. Das Wachs drückt sich nicht selbst ein Siegel ein, es hat nur Empfänglichkeit dafür, d. h. es ist weich. Und selbst zu dieser Zubereitung, ich meine zum Weichwerden, trägt es nichts bei; es lässt alles ruhig über sich ergehen. O der Güte Gottes! Alles muss auf deine Kosten gehen, o Herr! Du verlangst bloß unseren Willen, sowie dass das Wachs deinem Wirken kein Hindernis bereite.

14. Hier seht ihr also, meine Schwestern, was unser Gott in diesem Gebete der Vereinigung vollbringt, damit die Seele sich fortan als sein Eigentum erkenne; er gibt ihr von dem Seinigen, das ist, was sein Sohn während seines irdischen Lebens besaß. Eine größere Gnade als diese kann er uns nicht erweisen. Ich sagte, was sein Sohn während seines irdischen Lebens besaß; denn wer sollte wohl sehnlicher danach verlangt haben, dieses Leben zu verlassen, als der Gottessohn? Darum sprach auch Seine Majestät beim letzten Abendmahl: »Mit Sehnsucht habe ich verlangt.« Aber wie, o Herr, scheust du denn nicht den so harten und qualvollen Tod, der deiner harrt? Schreckst du vor ihm nicht zurück? Nein, sagst du; denn meine Liebe zu den Seelen und mein Verlangen nach ihrer Rettung ist größer als alle mir bevorstehenden Peinen, die für nichts zu achten sind im Vergleiche mit jenen entsetzlichen Leiden, die mir diese Liebe und dieses Verlangen verursachten und noch verursachen, seitdem ich in die Welt gekommen bin.

15. Oftmals, wenn ich dieses betrachte, erinnere ich mich der Pein, die eine gewisse mir bekannte Seele wegen der unserem Herrn von anderen zugefügten Beleidigungen schon erduldet hat und noch erduldet; sie ist so unerträglich, dass sie lieber tausendmal sterben möchte. Ich denke mir alsdann: Wenn schon eine Seele in ihrer Liebe, die im Vergleich mit der Liebe Christi eine ganz geringe, ja fast keine Liebe zu nennen ist, eine so unerträgliche Pein empfindet, was muss es erst um den Schmerz gewesen sein, den unser Herr Jesus Christus litt? Welch ein Leben der Schmerzen muss er geführt haben, er, dem alle Dinge gegenwärtig waren und all die großen Beleidigungen, die seinem Vater angetan wurden, beständig vor Augen standen? Ich halte unzweifelhaft dafür, dass diese Schmerzen weit größer gewesen sind als jene, die er bei seinem heiligsten Leiden erduldet hat; denn hier sah er bereits das Ende dieser Schmerzen. Dies und die Freude, die er empfand, uns durch seinen Tod zu erlösen und seinem Vater durch so große Leiden seine Liebe zu bezeigen, mag sie wohl gelindert haben. In ähnlicher Weise ergeht es ja auch jenen, die die Macht der Liebe zu großen Bußwerken antreibt; sie fühlen sie fast nicht, achten sie gering und hegen immer das Verlangen nach noch härteren Bußübungen. Was musste also unser Herr empfunden haben, als er eine so herrliche Gelegenheit sah, seinem himmlischen Vater gegenüber seinen vollkommenen Gehorsam und seine große Nächstenliebe an den Tag zu legen? O selige Wonne, zu leiden in Erfüllung des göttlichen Willens! Aber beständig so viele Beleidigungen ansehen zu müssen, die der göttlichen Majestät zugefügt werden, und unablässig zu sehen, wie viele Seelen der Hölle zugehen, dies halte ich für etwas überaus Hartes; meines Erachtens würde die Pein eines einzigen Tages hingereicht haben, Christus, dem Herrn, viele Leben, geschweige denn eines zu rauben, wenn er bloßer Mensch gewesen wäre.

Drittes Hauptstück

Fortsetzung desselben Gegenstandes. Eine andere Art der Vereinigung, zu der die Seele mit der Hilfe Gottes gelangen kann. Wieviel trägt dazu die Nächstenliebe bei? Dieses Hauptstück ist sehr nützlich.

3. Kehren wir wieder zu unserem Täubchen zurück, und betrachten wir einiges von dem, was Gott im Stande der Vereinigung gewährt. Es versteht sich von selbst, dass hier die Seele bemüht sein muss, im Dienste unseres Herrn und in der Selbsterkenntnis stetig voranzuschreiten. Würde sie weiter nichts tun, als nur die ihr verliehenen Gnaden annehmen, dabei aber, als wäre sie schon in Sicherheit, um ihr Leben unbekümmert sein und sich vom Wege zum Himmel, d. h. von der Haltung der Gebote, abwenden, so würde es ihr ergehen wie dem aus der Seidenraupe entstandenen Schmetterling; dieser gibt zwar den Samen von sich, aus dem andere Seidenraupen entstehen, er selbst aber stirbt für immer. Ich sage, dieser Schmetterling gibt den Samen für andere Seidenraupen von sich; denn ich bin der Ansicht, dass Gott der Seele eine so große Gnade nicht vergebens verleihen will, dass vielmehr diese Gnade seinem Willen gemäß wenigstens anderen zum Nutzen gereicht, wenn die Seele sie nicht für sich selbst verwendet. Solange eine solche Seele im Guten verharrt, wird sie immer durch ihr Verlangen nach dem Heile der Seelen und durch die obengenannten Tugenden anderen Seelen nützen. Sie wird ihnen von ihrer Glut Wärme mitteilen, und sollte diese Glut auch schon erloschen sein, so bleibt ihr doch noch das Verlangen, andere zu fördern; es ist ihre Freude, sie mit den Gnaden vertraut zu machen, die Gott denen verleiht, die ihn lieben und ihm dienen.

2. Ich habe eine Person gekannt, bei der zutraf, was ich soeben erwähnt habe. Obwohl selbst sehr böse, freute sie sich doch, wenn andere aus den Gnaden, die der Herr ihr verliehen hatte, Nutzen schöpften; denn dadurch, dass sie jene den Weg des Gebetes lehrte, den sie nicht kannten, wurde sie sehr gefördert. Später hat der Herr diese Person, die jedoch die von mir erwähnten Wirkungen noch nicht an sich erfahren hatte, wieder erleuchtet. Aber wie viele wird es geben, die der Herr zum Apostolate beruft und seines vertrauten Umganges würdigt, wie den Judas, die er zu Königen machen will, wie den Saul, die aber dann doch durch ihre Schuld verlorengehen? Daraus sollten wir, meine Schwestern, die Lehre ziehen: Die einzige Sicherheit, die wir haben können, um stets neue Verdienste zu gewinnen und nicht verlorenzugehen, besteht darin, dass wir den Gehorsam üben und nicht abweichen vom Gesetze Gottes. Dies sage ich jenen, denen Gott dergleichen außerordentliche Gnaden erweist, und auch allen anderen.

3. Obwohl ich nun so vieles über diese Wohnung gesprochen habe, scheint sie mir doch noch etwas dunkel zu bleiben. Es wird darum wegen des großen Gewinnes, den der Eintritt in diese Wohnung mit sich bringt, gut sein, jene, denen der Herr solch übernatürliche Gnaden verweigert, darauf hinzuweisen, dass ihnen deshalb die Hoffnung nicht benommen ist, auch dahin zu gelangen. Denn die wahre Vereinigung lässt sich mit der Hilfe des Herrn gar wohl von uns erringen, wenn wir ernstlich nach Vereinigung unseres Willens mit dem göttlichen streben, so dass wie nur den Willen Gottes im Auge haben.

4. O wie viele werden es sein, dir wir uns — ich glaube, dies schon erwähnt zu haben — sagen und auch meinen, sie wollten gar nichts anderes und würden für diese Wahrheit sterben! Ich sage euch aber und werde es noch oft wiederholen: Wäre dies wirklich der Fall, dann würdet ihr ja schon im Besitze dieser Gnade (der Vereinigung) sein. Es würde euch dann auch nicht mehr betrüben, wenn er euch jene wonnevolle Vereinigung nicht gewährt, von der bisher die Rede war; denn das Wertvollste an ihr ist, dass sie hervorgeht aus jener, von der ich jetzt spreche. Wir können nicht zu ihr gelangen, wenn nicht die Vereinigung, die in der völligen Hingabe unseres Willens in den göttlichen besteht, ganz sicher vorhanden ist. O wie wünschenswert ist diese Vereinigung! Glücklich die Seele, die damit begnadigt ist! Sie wird in diesem Leben die Ruhe genießen und im anderen; kein irdischer Zufall wird sie mehr betrüben, außer nur der Anblick der Gefahr, Gott zu verlieren, oder die Wahrnehmung, dass er von anderen beleidigt wird. Weder Krankheit, noch Armut, noch Todesfälle werden ihr Kummer bereiten, außer es handelt sich um den Tod einer Person, deren die Kirche Gottes bedarf; denn sie weiß gar wohl, dass der Herr besser versteht, was er tut, als sie, was sie verlangt.

5. In dieser Hinsicht müsst ihr jedoch beachten, dass es verschiedene peinliche Gefühle gibt. Wie es bei manchen freudigen Erregungen der Fall ist, werden auch hier einige plötzlich von der Natur hervorgerufen, andere von der Liebe, die uns zum Mitleid mit dem Nächsten anregt, wie wir es bei unserem Herrn bei der Auferweckung des Lazarus sehen. Solche Gefühle hindern die Vereinigung mit dem Willen Gottes nicht und verwirren auch die Seele nicht durch langandauernde ungestüme und unruhige Leidenschaft. Sie gehen bald wieder vorüber, da sie, wie ich auch von gewissen Tröstungen beim Gebet gesagt habe, nicht bis auf den Grund der Seele zu dringen, sondern nur deren Sinne und Vermögen zu berühren scheinen. Übrigens kommen sie nur in den bisher besprochenen Wohnungen vor, nicht aber in der letzten, von der ich noch reden werde. Es ist also, um zu dieser Art von Vereinigung zu gelangen, die Aufhebung der Seelenkräfte nicht notwendig; denn der Herr ist mächtig genug, um den Seelen nicht nur auf dem zuerst besprochenen kurzen Pfade, sondern auch auf verschiedenen Wegen die Reichtümer seiner Gnaden zukommen zu lassen und sie in diese Wohnungen zu führen.

6. Beachtet aber wohl, meine Töchter, dass die Seidenraupe sterben muss, und zwar mehr als dort auf ihre eigenen Kosten. Denn dort wird das Sterben durch das neue Leben, das die Seele gewonnen hat, sehr erleichtert; hier aber, wo sie noch ganz ihr altes Leben besitzt, mag sie selbst die Raupe ertöten. Dieses Ertöten, ich gestehe es, ist zwar viel mühevoller als jenes Sterben, aber es hat auch seinen besonderen Wert, uns es wird darum euer Lohn um so größer sein, wenn ihr siegreich den Kampf besteht. Und dieser Sieg ist möglich; daran ist nicht zu zweifeln, wenn anders die Vereinigung mit dem Willen Gottes in Wahrheit besteht. Diese Vereinigung ist es, die ich mir mein ganzes Leben lang gewünscht habe; diese ist es, um die ich den Herrn allzeit bitte. Sie ist die reinste und sicherste Vereinigung.

7. Aber leider, wie wenige aus uns werden sie erreichen! Man meint zwar damit schon alles getan zu haben, dass man in den Ordensstand getreten ist und sich hütet, den Herrn zu beleidigen; aber man irrt sich. Denn es bleiben noch gewisse Würmer übrig, die sich nicht eher bemerklich machen, als bis sie, wie jener Wurm den Efeu des Jonas, unsere Tugend angefressen haben, und zwar durch die Eigenliebe, durch eigene Hochschätzung, durch Richten über andere, wenn auch nur in geringen Dingen, durch Mangel an Liebe zum Nächsten, den wir nicht lieben wie uns selbst. Denn wenn wir uns auch in Erfüllung unserer Pflichten gleichsam noch so dahinschleppen, um nicht zu sündigen, so haben wir doch lange nicht erreicht, was notwendig ist, um mit dem Willen Gottes ganz vereinigt zu sein.

8. Was ist aber, meine Töchter, euerer Meinung nach wohl der Wille des Herrn? Wir sollen ganz vollkommen sein, um eins zu sein mit ihm und dem Vater, wie Seine Majestät für uns gefleht hat. Sehet da, wie viel uns noch mangelt, um zu dieser Vereinigung zu gelangen! Ich gestehe euch, dass ich dies nur mit großer Betrübnis schreibe, weil ich mich noch so weit von diesem Ziele entfernt sehe, und dies nur durch meine eigene Schuld. Um dieses Ziel zu erreichen, muss uns der Herr nicht mit außerordentlichen Wonnen begnadigen; es genügt, dass er uns seinen Sohn zum Wegweiser gegeben hat. Seid indessen nicht der Meinung, als fordere die Gleichförmigkeit mit dem Willen Gottes, dass wir beim Tode des Vaters oder eines Bruders diesen Verlust gar nicht empfinden, oder dass wir Krankheiten oder sonstige Leiden mit Freude ertragen. Dies ist zwar gut, aber manchmal geschieht es nur aus Weltklugheit, weil wir nämlich nicht anders können und aus der Not eine Tugend machen. Wie viele derartige Heimsuchungen, oder wenn auch nicht gerade solche, so doch andere, haben nicht auch die Weltweisen bei ihrer gründlichen Wissenschaft mit derselben Gesinnung ertragen? Hier verlangt der Herr nur zwei Stücke von uns: die Liebe zu Seiner Majestät und die Liebe zum Nächsten. Wir müssen uns also angelegen sein lassen, diese Liebe nach ihrer zweifachen Seite hin zu üben. Erfüllen wir hierin vollkommen unsere Pflicht, dann vollziehen wir den Willen Gottes und werden so eins mit ihm sein. Aber, wie gesagt, wie weit sind wir noch davon entfernt, dies zwei Stücke so zu beobachten, wie wir es einem so großen Gott gegenüber schuldig sind! Möge uns Seine Majestät die Gnade verleihen, dass wir würdig werden, zu diesem Stande zu gelangen! Denn in unserer Hand liegt es, wenn wir nur wollen.

9. Das sicherste Zeichen für die Beobachtung der genannten zwei Stücke ist meines Erachtens die treue hingebende Liebe zum Nächsten. Denn ob wir Gott lieben, können wir nicht wissen, obwohl wir aus gewissen Anzeichen auf das Vorhandensein dieser Liebe in uns schließen können; ob wir aber den Nächsten lieben, dies können wir wissen. Und seid überzeugt, je weiter ihr in der Liebe des Nächsten voranschreitet, um so mehr nimmt auch euere Liebe zu Gott zu. Denn der Herr liebt uns so sehr, dass er zur Belohnung unserer Liebe zum Nächsten der Liebe zu ihm auf tausendfache Weise Wachstum verleiht; daran kann ich nicht im Geringsten zweifeln.

10. Es ist darum von großer Wichtigkeit, dass wir sehr darauf achten, wie wir uns bezüglich der Nächstenliebe verhalten. Üben wir sie in vollkommener Weise, dann fehlt uns auch die Liebe Gottes nicht; denn bei der Verdorbenheit unserer Natur wurden wir meines Erachtens die Liebe zum Nächsten nie vollkommen ins Werk setzen, wenn sie nicht aus der Liebe zu Gott, als aus ihrer Wurzel, ihren Ursprung nähme. Da also an der Nächstenliebe so viel gelegen ist, so lasst uns Sorge tragen, auch auf geringfügige Dinge zu achten! Um gewisse große Werke aber, die uns beim Gebete in Fülle in den Sinn kommen und die wir zum Heile anderer, selbst einer einzigen Seele, zu vollbringen meinen, lasst uns unbekümmert sein; denn wenn solchen Gedanken nachher unsere Werke nicht entsprechen, so dürfen wir nicht annehmen, dass wir sie in die Tat umsetzen würden. Dasselbe sage ich auch bezüglich der Demut und aller übrigen Tugenden. Die Arglist des Teufels ist sehr groß, und um uns von dem Besitz einer Tugend zu überzeugen, die wir in Wirklichkeit doch nicht unser eigen nennen können, wird er tausend höllische Versuche machen. Dazu hat er wohl auch guten Grund; denn dadurch schadet er sehr viel. Solche eingebildete Tugenden sind, wie ihr Ursprung es nicht anders erwarten lässt, stets von eitler Ehrsucht begleitet, während die von Gott verliehenen Tugenden von dieser Eitelkeit und von Hoffart frei sind.

11. Ich muss zuweilen lachen, wenn ich Seelen sehe, denen beim Gebete der Gedanke kommt, um Gottes willen gerne der Gegenstand der Verachtung und öffentlichen Beschimpfung werden zu wollen, die aber, wenn es möglich wäre, selbst ihre kleinen Fehler vertuschen möchten, oder die, wenn ihnen Fehler vorgehalten werden, die sie nicht begangen haben, eine Gereiztheit an den Tag legen, von der uns Gott bewahre. Wer nicht einmal so viel ertragen kann, der hüte sich wohl, auf die vermeintlichen, für sich gefassten Entschlüsse einen Wert zu legen; denn in Wahrheit waren dies keine Entschlüsse des Willens, die von ganz anderen Wirkungen begleitet sind, sondern nur ein Erzeugnis der Einbildungskraft, deren sich der Teufel zu seinen Kunstgriffen und Täuschungen, besonders bei weiblichen und unwissenden Personen, bedient. Diese kann er in vielfacher Weise betrügen, weil sie zwischen den Seelenvermögen und der Einbildungskraft nicht zu unterscheiden wissen und tausend Dinge nicht verstehen, die in unserem Innern vorgehen. O meine Schwestern, wie klar zeigt es sich, wer unter euch den Nächsten wahrhaft liebt und wer diese Tugend noch nicht so vollkommen besitzt! Sähet ihr ein, wie wichtig diese Liebe für uns ist, so würdet ihr euch um nichts anderes mehr kümmern.

12. Sehe ich Seelen, die gar so gern einen Einblick in ihre Gebetsweise bekommen möchten und beim Gebete so in sich gekehrt sind, dass sie scheinbar weder sich zu rühren noch zu denken wagen, damit ihnen ja kein Brosamen der Andacht und Wonne verlorengehe, so erkenne ich daraus, wie wenig sie den Weg verstehen, auf dem man zur Vereinigung gelangt; sie sind der Meinung, am Genuss wonnevoller Andacht sei alles gelegen. O nein, meine Schwestern, nein, Werke will der Herr haben! Wenn du darum siehst, dass du einer Kranken irgendeine Linderung verschaffen kannst, so lass ohne Bedenken ab von deiner Andacht, um ihr diese Linderung zu bringen. Bezeige ihr dein Mitleid, nimm teil an ihren Schmerzen! Und selbst wenn du dir eine Speise, deren sie bedarf, versagen müsstest, so tue es, doch nicht so fast um ihretwillen, sondern aus dem Bewußtsein heraus, dass dein Herr es haben will. Dies ist wahre Vereinigung mit seinem Willen. Hörst du, dass anderen großes Lob erteilt wird, so soll dich das weit mehr freuen, als wenn man dich selbst lobte. Dies ist in Wahrheit etwas leichtes; denn wer Demut hat, dem wäre es eher peinlich, selbst gelobt zu werden. Obwohl es aber leicht ist, so üben wir doch keine geringe Tugend, wenn wir uns darüber freuen, dass die Tugenden unserer Mitschwestern bekannt werden. Dasselbe gilt auch, wenn wir bei der Wahrnehmung eines ihrer Fehler betrübt werden, gleich als hätten wir ihn selbst begangen, und ihn mit dem Mantel der Liebe zudecken.

13. Über die Nächstenliebe habe ich an anderen Orten viele Weisungen gegeben; denn nach meiner Auffassung wäre es, meine Schwestern, unser Verderben, wenn wie es daran fehlen ließen. Der Herr gebe, dass dies nie der Fall ist! Pflegt ihr die wahre Nächstenliebe, dann versichere ich euch, dass die göttliche Majestät euch sicher zur Vereinigung führen wird, von der hier die Rede war. Nehmt ihr aber in betreff dieser Tugend noch einen Mangel an euch wahr, dann seid ihr, glaubt es mir, noch nicht zu dieser Vereinigung gelangt. Ihr möget wohl aus dem Genuss einer wonnevollen Andacht sowie aus einer gewissen unvollkommenen Aufhebung der Seelenkräfte beim Gebet der Ruhe, die manchen Personen schon als vollkommen erreichtes Ziel erscheinen mag, darauf schließen, dass ihr euch schon zum Stande der Vereinigung erhoben habt (aber es ist nicht wahr). Bittet alsdann den Herrn, euch die Nächstenliebe in ihrer Vollkommenheit zu verleihen, im übrigen aber lasst ihn walten; denn Seine Majestät wird euch mehr geben, als ihr zu verlangen wisst, wenn ihr euch anstrengt und bemüht seid, zu tun, was in eueren Kräften steht. Tut euerem Willen Gewalt an, in allem dem Willen euerer Mitschwestern nachzugeben, auch wenn ihr etwas von euerem Rechte opferte müsstet. Vergesst eueren Vorteil ob des ihrigen, mag euere Natur sich noch so sehr dagegen sträuben; suchet, wo immer Gelegenheit sich dazu bietet, Bürden zu übernehmen, damit andere derselben enthoben werden! Denn glaubet ja nicht, diese Tugend üben zu können, ohne es euch etwas kosten zu lassen; ihr steht noch lange nicht vor einer vollendeten Tatsache. Sehet nur, was unsern Bräutigam seine Liebe zu uns gekostet hat, da er, um uns vom ewigen Tode zu erlösen, eines so qualvollen Todes, des Todes am Kreuze, gestorben ist!

Viertes Hauptstück

Weitere Erklärung des Gebetes der Vereinigung. Es ist viel daran gelegen, dass man auf diesem Wege behutsam wandle, weil der Teufel sich große Mühe gibt, uns davon abzubringen.

3. Ihr werdet, wie ich mir denke, zu wissen wünschen, was aus unserem Täubchen werde und wo es sich niederlasse; denn ihr habt gesehen, dass es weder in geistigen Erquickungen noch in irdischen Freuden ausruht, sondern den Flug weit höher nimmt. Aber ich kann eueren Wunsch nicht befriedigen, bis wir zur letzten Wohnung gelangen; alsdann gebe Gott, dass ich mich daran erinnere und Zeit finde, darüber zu schreiben. Seitdem ich diese Schrift begonnen, sind nun fast fünf Monate verflossen. Da ich wegen meines Kopfleidens das Geschriebene nicht wieder lesen kann, so wird wohl alles ohne Ordnung und manches vielleicht zweimal gesagt sein; allein ich rede zu meinen Schwestern, und so liegt wenig daran.

2. Desungeachtet will ich euch doch noch näher erklären, worin nach meinem Dafürhalten das Gebet der Vereinigung in dieser Wohnung besteht. Zu diesem Zwecke will ich mich eines Gleichnisses bedienen, da dies meiner Sinnesart am meisten entspricht. Später werden wir den kleinen Schmetterling noch näher betrachten, der nicht rastet, da er sich keine wahre Ruhe findet; aber trotzdem schafft er fortwährend Nutzen und tut für sich und andere Gutes.

3. Ihr werdet schon oft gehört haben, dass sich Gott mit den Seelen geistigerweise verlobt. Gepriesen sei seine Erbarmung, die sich so tief herablassen will! Der Vergleich ist zwar plump, aber ich finde keinen anderen als das Sakrament der Ehe, um das zu veranschaulichen, was ich euch erklären möchte. Freilich ist das, wovon wir sprechen, anderer Art; denn da kommt nie etwas vor, was nicht geistig ist. Das Körperliche steht da ganz ferne, und die geistigen Freuden, die hier der Herr gewährt, sind auf tausend Meilen von jenen Freuden verschieden, die irdisch Verlobte genießen mögen. Was hier vorgeht, ist alles gegenseitige Liebe, und deren Wirkungen sind so überaus rein, zart und lieblich, dass man es gar nicht aussprechen kann; der Herr aber lässt sie der Seele gar wohl kosten.

4. Meines Erachtens erreicht die (in dieser Wohnung sich vollziehende) Vereinigung noch nicht den Grad der geistigen Verlobung; es besteht vielmehr zwischen Gott und der Seele nur das Verhältnis wie hienieden zwischen zwei Personen, die sich erst gegenseitig verloben wollen. Diese sehen vorerst darauf, ob sie auch zueinander passen, ob sie Liebe zueinander haben, und besuchen sich gegenseitig, um einander noch besser kennenzulernen. So ähnlich ist es auch beim Gebete der Vereinigung, nur ist hier der Vertrag schon fertig. Die Seele ist schon fest davon überzeugt, wie vorteilhaft die eingehende Verbindung für sie ist; sie ist entschlossen, in allem den Willen ihres Bräutigams zu tun, und sucht ihm auf alle mögliche Weise zu gefallen. Aber auch die göttliche Majestät, der die Aufrichtigkeit ihrer Liebe vollkommen bekannt ist, findet ihr Wohlgefallen an der Seele. Darum will der Herr in seiner Barmherzigkeit, dass sie ihn noch mehr kennenlerne; er kommt mit ihr zusammen und vereinigt sie mit sich. Dies vollzieht sich zwar in ganz kurzer Zeit, aber dennoch können wir sagen, dass es so geschieht. Da findet kein weiteres Geben und Nehmen statt, die Seele sieht nur auf gewisse geheime Weise, wer dieser Bräutigam ist, mit dem sie sich verbinden soll. Mittels ihrer Sinne und Vermögen könnte sie auch in tausend Jahren das nicht erkennen, was sie hier in kürzester Zeit wahrnimmt. Weil aber dieser Bräutigam so erhaben ist, darum erhöht er durch diesen bloßen Anblick ihre Würde, um ihm, wie man sich ausdrückt, ihre Hand reichen zu können. Die Seele wird dadurch von solcher Liebe zu ihm entflammt, dass sie ihrerseits alles tut, was in ihren Kräften steht, um diese göttliche Verlobung ja nicht durch ihre Schuld zu verhindern. Wollte aber die Seele sorglos sein und ihre Liebe außer ihm etwas anderem zuwenden, so würde sie alles verlieren. Dies aber wäre für sie ein überaus großer Verlust, weil auch die Gnaden, die er ihr erweist, überaus groß und weit erhabener sind, als man sie beschreiben kann.

5. Darum bitte ich euch, ihr christlichen Seelen, die der Herr zu diesem Stande erhoben hat, um seiner Liebe willen, ja nicht sorglos zu sein und die Gelegenheiten zu meiden, bei denen ihr fallen könntet! Denn auch in diesem Stande ist die Seele noch nicht so stark, dass sie sich in solche Gelegenheiten wagen dürfte wie nach der Verlobung, die erst, wie ich noch sagen werde, in der folgenden Wohnung stattfindet. Der Herr hat die Seele für jetzt sozusagen nur seines Anblickes gewürdigt; der Teufel aber gibt sich große Mühe, sie anzufechten und ihre Verlobung zu hintertreiben. Später jedoch, wenn er die Seele dem Bräutigam schon ganz ergeben sieht, wird er nicht mehr so viel wagen; da fürchtet er sich, dass ein Angriff von seiner Seite ihm selbst nur großen Verlust, der Seele aber einen um so größeren Gewinn bringen würde.

6. Ich kann euch sagen, meine Töchter, dass ich Personen gekannt habe, die schon sehr hoch standen, ja bis zu dieser Stufe gelangt waren, die aber der Teufel durch seine große Arglist und Veschmitztheit wieder für sich zu gewinnen wußte. Um seinen Zweck zu erreichen, mag er wohl die ganze Hölle aufbieten; denn er gewinnt dadurch, wie schon erwähnt, nicht bloß eine Seele, sondern eine große Menge. Das weiß er aus Erfahrung. Betrachten wir die Menge der Seelen, die Gott mittels einer einzigen an sich zieht, so müssen wir ihn dafür aufs höchste lobpreisen. Wie viele Tausende haben nicht die heiligen Märtyrer bekehrt? Wie viele hat nicht eine einzige Jungfrau, z. B. die heilige Ursula, mit sich in den Himmel geführt? Wie viele wird der Teufel nicht durch den heiligen Dominikus, den heiligen Franziskus und andere Ordensstifter verloren haben? Und wie viele verliert er nicht zuletzt noch durch den Pater Ignatius, den Stifter der Gesellschaft Jesu? Ohne Zweifel haben diese alle, wie wir es auch lesen, ähnliche Gnaden von Gott empfangen; aber sie haben sich auch angestrengt, um die Gnade einer so göttlichen Verlobung nicht zu verscherzen. Meine Töchter, auch jetzt ist der Herr noch ebenso bereitwillig, uns zu begnadigen, wie damals. Ja, jetzt nötigt er sogar in gewissem Sinne noch mehr unseren guten Willen zur Annahme seiner Gnaden, weil es jetzt im Gegensatz zu ehedem so wenige gibt, die sich seine Ehre angelegen sein lassen. Ach, wir lieben uns selbst zu sehr und sind allzu klug, um ja nichts von unserem Rechte einzubüßen! Oh, in welch großer Täuschung leben wir! Der Herr sende uns Licht in seiner Erbarmung, damit wir nicht einer ähnlichen Finsternis verfallen!

7. Ihr könntet mich fragen oder Bedenken haben über zwei Punkte. Erstens: Wenn die Seele so, wie ich gesagt habe, dem Willen Gottes ergeben ist, wie kann sie dann noch betrogen werden, da sie ja in keiner Weise mehr ihren eigenen Willen in tun begehrt? Zweitens: Auf welchen Wegen soll wohl der böse Feind Eingang finden und euch in so große Gefahren stürzen können, dass euere Seele noch verlorengehen kann, während ihr doch fern von der Welt seid, euch so oft den Sakramenten naht und sozusagen in der Gesellschaft der Engel weilt? Denn durch die Güte des Herrn habt ihr alle kein anderes Verlangen, als ihm zu dienen und in allem wohlzugefallen. Bei jenen, die mitten in den Gelegenheiten der Welt sich befinden, wäre es freilich kein Wunder. Ich gestehe, dass ein solches Bedenken nicht grundlos ist; denn Gott hat uns durch all diese Gnaden große Barmherzigkeit erwiesen. Wenn ich aber bedenke, dass, wie schon erwähnt, auch Judas in der Gesellschaft der Apostel war, beständig mit Gott selbst Umgang hatte und seine Worte hörte, dann sehe ich ein, dass man bei all diesen Gnadengaben keine Sicherheit hat.

8. Bezüglich des ersten Punktes sage ist: Wäre die Seele allezeit dem Willen Gottes ergeben, so könnte sie offenbar nicht verlorengehen. Allein durch seine große Verschmitztheit sucht der Teufel die Seele unter dem Scheine des Guten in kleinen Dingen dem göttlichen Willen zu entfremden und zu anderen Dingen zu verleiten mit dem Hinweis, dass es sich hier nicht um Böses handle. So bewirkt er, dass allmählich ihr Verstand verdunkelt, ihr Wille lau wird und die Eigenliebe derart in ihr zunimmt, dass sie Stück für Stück vom Willen Gottes sich losmacht und ihrem eigenen Willen folgt.

9. Damit ist auch die Antwort auf den zweiten Punkt gegeben. Es gibt keine so enge Klausur, in die der Teufel nicht eindringen könnte, und keine so entlegene Wüste, in die er nicht käme. Ich will euch aber noch etwas anderes sagen. Der Herr lässt dies zu, um zu erproben, wie sich eine solche Seele verhält, die er als Leuchte für andere aufstellen will; denn es ist besser, sie sei gleich anfangs böse, wenn sie es sein will, als dass sie später vielen zum Schaden gereiche.

10. Das vorzüglichste Mittel, uns vor dem Falle zu bewahren, besteht darin, dass wir immer Gott im Gebete bitten, er wolle uns in seiner Hand halten. Bedenken wir auch stets, dass wir wirklich in den Abgrund stürzen, sobald er uns verlässt, und vertrauen wir nie auf uns selbst, weil dies nur Torheit wäre! Nebstdem finde ich in nichts eine größere Sicherheit für uns als in der ganz besonderen Sorgfalt betreffs unseres Tugendwandels, die uns Aufschluss gibt, ob wir voranschreiten oder in etwa zurückgehen. Besonders aber sollen wir auf unser Verhalten achten bezüglich der gegenseitigen Liebe, des Verlangens, geringgeschätzt zu werden, und der Dinge, die alltäglich vorkommen. Tun wir dieses, und bitten wir den Herrn um Erleuchtung, so werden wir unschwer unseren Gewinn oder Verlust erkennen.

Übrigens dürft ihr nicht glauben, Gott werde eine Seele, die er so hoch erhoben, so schnell aus seiner Hand lassen, dass nicht der Teufel große Mühe aufzuwenden hätte. Nein, Seiner Majestät geht der Verlust einer solchen Seele so zu Herzen, dass er sie zuvor durch tausend innerliche Einsprechungen in vielfacher Weise warnt, so dass der ihr drohende Schaden unmöglich verborgen bleiben kann.

11. Zum Schlusse sage ich noch, dass wir immer bemüht sein müssen, weiter voranzuschreiten. Wäre dies nicht der Fall, dann hätten wir sehr zu fürchten, da uns dann der Teufel ohne Zweifel in irgendeiner Weise zu überfallen suchte, abgesehen davon, dass das Stillestehen ein sehr schlimmes Zeichen wäre; denn auf einer so hohen Stufe ist die Liebe nie müßig, sie muss also immer mehr zunehmen. Eine Seele, die sich einmal beworben hat, eine Braut Gottes selbst zu werden, die schon mit Seiner Majestät in Verkehr getreten und zu dem besprochenen Stande gelangt ist, darf sich nicht mehr dem Schlafe hingeben. Damit ihr aber, meine Töchter, sehet, was Gott an den Seelen vollbringt, die er schon als Bräute besitzt, so wollen wir von der sechsten Wohnung zu reden beginnen. Hier werdet ihr euch aber überzeugen, wie geringfügig alles ist, was wir in seinem Dienste tun und leiden können, um uns für den Empfang so großer Gnaden fähig zu machen. Wenn mir dieses zu schreiben aufgetragen wurde, so hat es unser Herr vielleicht deshalb so gefügt, damit wir in Hinsicht auf den in Aussicht stehenden Lohn und auf seine grenzenlose Barmherzigkeit gegen uns armselige Erdenwürmer, denen er sich mitteilen und offenbaren will, unsere erbärmlichen Erdenfreuden vergessen und, die Augen auf seine unendliche Größe gerichtet und von seiner Liebe entflammt, ihm entgegeneilen.

12. Der Herr möge mir die Gnade verleihen, etwas von diesen so schwierigen Dingen erklären zu können; denn wenn Seine Majestät und der Heilige Geist nicht meine Feder führen, dann weiß ich nicht, ob mir dies möglich ist. Sollte es aber nicht zu eurem Nutzen gereichen, so bitte ich den Herrn, er wolle mich nichts finden lassen, was ich sagen könnte; denn Gott weiß es, dass ich, soweit ich mich selbst beurteilen kann, kein anderes Verlangen habe, als dass sein Name gepriesen werde, und wir uns Mühe geben möchten, einem Herrn zu dienen, der schon hienieden so reichlich vergilt. Daraus können wir einigermaßen auch auf den Lohn schließen, den er uns im Himmel geben wird; und diesen Lohn werden wir genießen ohne Unterbrechungen, ohne Leiden und Gefahren, denen wir auf dem stürmischen Meere dieses Erdenlebens ausgesetzt sind. (Ich sage: »ohne Gefahren;«) denn hätten wir nicht zu fürchten, ihn zu beleidigen und zu verlieren, so müsste es uns ein Vergnügen sein, selbst bis ans Ende der Welt zu leben, um für einen so großen Gott und Herrn und Bräutigam zu arbeiten und zu leiden. Möge es Seiner Majestät gefallen, und würdig zu machen, etwas in ihrem Dienste zu tun, ohne so viele Fehler zu begehen, wie es bei uns immer, auch bei unseren guten Werken, der Fall ist! Amen.

Sechste Wohnung

Erstes Hauptstück

Wenn der Herr der Seele erhabenere Gnaden zu gewähren beginnt, hat sie auch größere Leiden zu ertragen. Es werden einige dieser Leiden angeführt. Verhalten jener, die in diese Wohnung eingegangen sind. Dieses Hauptstück ist für Seelen, die von inneren Leiden heimgesucht werden, sehr trostreich.

3. Wir wollen nun mit der Hilfe des Heiligen Geistes von der sechsten Wohnung sprechen. Hier ist die Seele schon verwundet von der Liebe zum Bräutigam; sie ist bemüht, noch mehr als sonst die Einsamkeit aufzusuchen und alles, was immer sie daran stören könnte, aus dem Weg zu räumen, soweit dies ihrem Stande entspricht. Jener Anblick der göttlichen Majestät, von dem ich sprach, bleibt der Seele so tief eingeprägt, dass ihr ganzes Verlangen dahin zielt, dieses Glück aufs neue zu genießen. Ich habe schon bemerkt, dass man bei dieser Art des Gebetes nichts, auch nicht mittels der Einbildungskraft, in der Weise sieht, dass es ein Schauen zu nennen wäre; ich bediene mich des Wortes »Anblick« nur wegen des von mir angeführten Vergleiches.

2. Die Seele ist bereits entschlossen, keinen anderen Bräutigam zu nehmen; allein der Bräutigam achtet nicht auf ihr großes Verlangen, jetzt schon die Vermählung mit ihr zu feiern. Er will, dass sie noch inniger danach verlange und ihr dieses Gut, das alle Güter übersteigt, etwas koste. Und wenn auch alles, was die Seele leidet, im Vergleich mit einem so überaus großen Gewinn gering ist, so sage ich euch doch, meine Töchter, in aller Wahrheit, dass sie es nicht ertragen könnte, wenn sie nicht schon einen Beweis oder ein Zeichen davon besäße, dass ihr dieser Gewinn noch zuteil werden soll.

3. Mein Gott, welch eine Unsumme von Leiden, innerer und äußerer Art, muss doch die Seele auf sich nehmen, bis sie in die siebente Wohnung eingeht! Denke ich zuweilen darüber nach, so fürchte ich in Wahrheit, die Seele würde sich bei der menschlichen Schwäche, wäre ihr dies schon im voraus bekannt, nur sehr schwer dazu entschließen können, so große Leiden auf sich zu nehmen und zu ertragen trotz der in Aussicht stehenden herrlichen Güter. Ist die Seele einmal in die siebente Wohnung eingetreten, dann ist nicht mehr zu fürchten, dass sie nicht mit voller Bereitwilligkeit alles um Gottes willen auf sich nehme; und dies aus dem Grunde, weil sie fast beständig der göttlichen Majestät innigst nahe ist, die ihr die Kraft dazu verleiht. Ich halte es für gut, einige Leiden dieser (sechsten) Wohnung anzuführen, von denen ich gewiss weiß, dass sie hier sich einstellen. Vielleicht werden nicht alle Seelen auf diesem Wege geführt; aber ich zweifle doch sehr, ob jene, die zuweilen himmlische Dinge in solcher Fülle kosten wie hier, derart von allen Erdenleiden frei sein werden, dass sie diese nicht in der einen oder anderen Weise zu tragen hätten.

4. Wenn ich auch nicht im Sinne hatte, hierüber zu reden, so dachte ich doch, es werde mancher Seele, die sich von solchen Leiden bedrängt sieht, zu großem Troste gereichen, wenn sie weiß, was auch in anderen Seelen vorgeht, denen Gott solche Gnaden erweist; denn da scheint es in Wahrheit, als ob alles verloren wäre. Ich werde jedoch diese Leiden nicht in der Ordnung erwähnen, in der sie sich einstellen, sondern nur so, wie sie mir hier ins Gedächtnis fallen. Um also mit den geringsten zu beginnen, so erwähne ich ein gewisses Gerede unter den Personen, mit denen man umgeht, oder auch unter solchen, mit denen man nicht verkehrt. Man würde gar nicht meinen, dass letztere je in ihrem Leben an uns denken könnten. Da sagt man z. B.: Die Person will für heilig gelten; durch ihre Übertreibungen will sie die Welt täuschen und andere als schlecht hinstellen, die doch bessere Christen sind als sie, wenn sie auch solchen Äußerlichkeiten nicht ergeben sind. Und doch vollbringt eine solche Seele nichts anderes, als dass sie gewissenhaft die Pflichten ihres Standes erfüllt. Jene, die sie zu Freunden gehabt, trennen sich von ihr, und gerade sie sind es, die ihr die bittersten Bissen reichen und am meisten Leid verursachen. Diese Seele, sagen sie, geht zugrunde; sie ist arg getäuscht; solche Dinge sind vom Teufel, wie bei dieser und jener, die dadurch zugrunde gegangen; sie gibt Anlass, dass die Tugend in Misskredit kommt, und täuscht ihre Beichtväter. Ja, sie begeben sich selbst zu diesen und stellen ihnen das alles vor; sie führen auch Beispiele von anderen an, die auf solche Weise schon zugrunde gegangen sind. So gibt es Spottreden und Verleumdungen tausenderlei Art.

5. Ich kenne eine Person, die in ein solches Gerede kam, dass sie große Furcht hatte, es möchte kein Priester mehr ihre Beichte hören; da aber die Sache zu weit führen würde, so will ich mich nicht darauf einlassen. Das Schlimmste ist, dass solches Gerede nicht so bald ein Ende nimmt, sondern sich durch das ganze Leben hindurchzieht; denn da warnen die einen die anderen, sich vor dergleichen Personen in acht zu nehmen. Ihr werdet mir entgegnen, dass sich auch andere finden, die wieder Gutes von ihnen reden. O meine Töchter, wie wenige gibt es, die dieses Gute glauben, im Vergleich mit den vielen, die es verwerfen! Und diese beifälligen Bemerkungen sind für sie eine andere, noch größere Pein als jene üblen Reden. Denn die Seele erkennt klar, dass das Gute an ihr durchaus nicht von ihr selbst stammt, sondern von Gott ihr gegeben ist, da sie kurz zuvor sich noch so arm und in großen Sünden sah. Darum ist es eine unerträgliche Marter für sie, von anderen gelobt zu werden, wenigstens am Anfang; später achtet sie nicht mehr so sehr darauf, und zwar aus folgenden Gründen: Erstens gelangt sie durch die Erfahrung zur klaren Einsicht, dass die Menschen ebenso leicht gut reden, wie sie schlecht reden, weshalb sie das eine so wenig achtet wie das andere. Zweitens hat ihr der Herr schon mehr Licht gegeben, so dass sie das Gute nicht mehr als ihr Eigentum, sondern als ein Geschenk der göttlichen Majestät ansieht; darum vergißt sie ganz, selbst einen Anteil daran zu haben, sondern sieht es an sich, wie an einer anderen Person, und preist dafür Gott. Drittens: Bemerkt sie, dass andere Seelen beim Anblick der ihr von Gott erteilten Gnaden im Guten gefördert werden, so glaubt sie, Seine Majestät bediene sich der guten Meinung, die jene trotz ihres schlimmen Zustandes von ihr haben, als eines Mittels zu deren Nutzen. Viertens hat die Seele mehr die Ehre Gottes im Auge als die eigene. Deshalb wird sie nicht mehr wie am Anfang von der Furcht versucht, das ihr gespendete Lob möchte, wie sie es schon an anderen gesehen, zu ihrem Verderben gereichen; es bereitet ihr nun wenig Kummer, wenn sie sich geehrt sieht; wird dafür um ihretwillen Gott nur ein einziges Mal gepriesen, dann möge kommen, was da wolle.

6. Diese und andere Gründe mildern die große Pein, die der Seele das ihr von anderen gespendete Lob verursacht, obwohl sie fast immer etwas peinlich davon berührt wird, außer es bemerken dies andere nicht. Immerhin aber wird sie die Wahrnehmung, in der öffentlichen Meinung als fromm zu gelten, unvergleichlich mehr schmerzen als die üblen Reden, die über sie ausgestreut werden. Ist sie aber einmal so weit vorangeschritten, dass ihr Lobsprüche keinen sonderlichen Kummer mehr bereiten, so werden üble Reden sie noch viel weniger schmerzen; im Gegenteil, sie wird sich darüber freuen, wie über das Anhören einer sehr lieblichen Musik. Das ist volle Wahrheit; die üblen Nachreden stärken die Seele vielmehr, als dass sie durch sie entmutigt wird. Sie kennt ja schon aus Erfahrung den großen Gewinn, den sie daraus zieht. Sie ist auch nicht der Meinung, dass jene, die sie verfolgen, dadurch Gott beleidigen, sondern glaubt, Gott lasse dies zu ihrem Nutzen zu. Und weil sie diesen Nutzen klar vor Augen sieht, darum fasst sie zu ihren Verfolgern eine besondere, herzinnige Liebe und hält sie für bessere und nützlichere Freunde als jene, die Gutes von ihr reden.

7. Außerdem schickt der Herr gewöhnlich auch sehr schwere Krankheiten. Dies ist ein noch weit größeres Leid, besonders wenn mit den Krankheiten heftige Schmerzen verbunden sind; erreichen diese eine ganz außerordentliche Höhe, so halte ich sie unter den äußeren Leiden hier auf Erden für das größte. Denn solche Schmerzen greifen das Innere und Äußere des Menschen derart an, dass die Seele in ihrer Bedrängnis nicht mehr weiß, was sie mit sich anfangen soll. Viel lieber würde sie eines schnellen Martertodes sterben, welcher Art er auch immer sei, als diese Schmerzen ertragen. Indessen währen diese in ihrer äußersten Heftigkeit nicht gar lange, da Gott dem Menschen nicht mehr auflegt, als er ertragen kann, und Seine Majestät verleiht zuerst Geduld dazu. Aber andere große Schmerzen und Krankheiten verschiedener Art sind etwas Gewöhnliches. Ich kenne eine Person, die in Wahrheit sagen kann, dass sie von der Zeit an, da der Herr ihr die besprochene Gnade zu erweisen begann, auch nicht einen einzigen Tag — es sind jetzt vierzig Jahre — ohne körperliche Schmerzen und andere Leiden verlebte. Ich meine mit diesen Leiden nur den Mangel an Gesundheit, nicht aber sonstige große Leiden, die sie außerdem noch zu erdulden hatte. Freilich war sie auch sehr böse gewesen, und darum achtet sie ihre Leiden für gering im Vergleich mit der Hölle, die sie verdient hatte. Andere Seelen, die unsern Herrn nicht so sehr beleidigt haben, mag er einen anderen Weg führen; ich aber möchte mir keinen anderen wählen als den Weg des Leidens, um wenigstens unserem Herrn Jesus Christus nachzufolgen, wenn ich auch sonst keinen besonderen Gewinn hätte, der immer ein vielfacher ist. Indessen müssen uns doch alle diese Leiden gering erscheinen, wenn wir die inneren betrachten, von denen die Seele gequält wird. O könnte ich sie doch der Wirklichkeit nach zeichnen! Aber dies ist mir unmöglich.

8. Beginnen wir mit der Marter, die der Seele ein Beichtvater verursacht, der allzuviel Bedenken und dabei wenig Erfahrung hat. Ein solcher hält, wenn es sich um außerordentliche Dinge handelt, gar nichts für sicher; bei allem fürchtet und zweifelt er, besonders wenn er an den Seelen, denen solche Dinge begegnen, irgendeine Unvollkommenheit bemerkt. Er hält eben die Seelen, denen Gott so außerordentliche Gnaden mitteilt, für Engel, was doch unmöglich ist, so lange sie in diesem Leibe leben. Darum verdammt er gleich alles, als sei der Teufel oder die Melancholie Ursache davon. Diese findet sich freilich in der Welt so vielfach, und der Teufel richtet dadurch so großen Schaden an, dass ich mich gar nicht darüber wundere, wenn die Beichtväter fürchten und sehr vorsichtig sind; dazu haben sie nur allzu guten Grund. Allein die arme Seele, die ebenso furchtsam ist und zu ihrem Beichtvater als zu ihrem Richter kommt, wird durch dessen Verurteilung so verwirrt und leidet solche Qual, dass nur der ihr großes Leid verstehen kann, der es selbst empfunden hat. Solche Seelen glauben dann, besonders wenn sie zuvor böse gewesen, Gott lasse es ihrer Sünden wegen zu, dass sie (vom bösen Feinde) getäuscht werden; und dies bereitet ihnen weiterhin großes Leid. Zwar sind sie zur Zeit, da Gott ihnen irgendeine dieser Gnaden erweist, über deren Ursprung in Sicherheit und können gar nicht anders glauben, als dass sie vom Geiste Gottes herrühre. Da sie aber bald vorübergeht, das Andenken an ihre Sünden dagegen beständig bleibt und sie wieder Fehler an sich sehen, ohne die sie nie sein werden, so befällt sie die erwähnte Pein. Beruhigt sie dann der Beichtvater, so geben sie sich zufrieden, obwohl ihre Pein sich bald wieder einstellt. Vermehrt er aber ihre Furcht, dann ist das Leiden solcher Seelen fast unerträglich, besonders wenn auch noch gewisse Trockenheiten sie berühren. In dieser Lage scheint es ihnen, als hätten sie noch gar nie an Gott gedacht und als könnten sie nie seiner gedenken; und wenn sie von Gott sprechen hören, so haben sie den Eindruck, als ob der Schall der Worte von der Ferne zu ihnen dringe.

9. Doch das alles ist noch nichts im Vergleich mit der Qual, die solche Seelen auch noch empfinden bei der Befürchtung, sie wüßten sich den Beichtvätern nicht verständlich zu machen und täuschten sie. Sie denken zwar und sehen es ein, dass sie selbst die erste Regung einer Versuchung nicht verheimlichen möchten, aber es nützt alles nichts. Ihr Verstand ist so verdunkelt, dass er das Wahre nicht erkennen kann. Sie glauben nur ihrer Einbildungskraft, die in diesem Zustand die Herrschaft führt, und den törichten Einfällen, die ihnen der Teufel beibringen will. Ihm mag ja unser Herr die Erlaubnis geben, sie zu prüfen und sie sogar von dem Gedanken zu überzeugen, sie seien von Gott verworfen. Es stürmt eben hier so vieles auf sie ein, und sie geraten dadurch in eine so quälende und unerträgliche innere Bedrängnis, dass ich sie nur mit den Peinen der Verworfenen in der Hölle vergleichen kann. Wie es dort keinen Trost gibt, so auch hier nicht in diesem furchtbaren Sturm. Will die Seele Trost suchen beim Beichtvater, so scheinen alle Teufel sich mit ihm verbunden zu haben, um sie noch mehr zu quälen. Einst besprach sich ein Beichtvater mit einer Seele, die sich zuvor in eben diesem qualvollen Zustande befunden hatte. Es schien ihm dieser Zustand infolge der vielfachen Verwirrungen gefährlich zu sein, weshalb er der Seele befahl, ihn davon in Kenntnis zu setzen, wenn sie wieder in dieser Bedrängnis sich befände; allein es wurde mit ihr immer noch ärger, so dass der Beichtvater endlich das Unvermögen der Seele einsah. Wollte sie aber ein in der Muttersprache geschriebenes Buch zur Hand nehmen, so verstand sie, obwohl des Lesens kundig, so wenig davon, als wenn sie nicht einmal die Buchstaben gekannt hatte; ihr Verstand hatte die Fassungskraft verloren.

10. Kurz, es gibt in dieser Bedrängnis kein anderes Mittel als zu harren auf die Erbarmung des Herrn, der unerwartet mit einem einzigen Worte oder durch irgendeinen herbeigeführten Zufall alles so plötzlich verscheucht, als wäre in der Seele keine trübe Wolke gewesen; sie ist jetzt ganz von der Sonne durchleuchtet und findet um so größeren Trost. Wie ein Kämpfer der siegreich aus einer gefährlichen Schlacht hervorging, lobpreist die Seele unseren Herrn; denn er ist es, der den Sieg erfocht. Es ist ihr vollkommen klar, dass nicht sie selbst gekämpft, da alle Waffen, womit sie sich hätte verteidigen können, in den Händen ihres Gegners gewesen zu sein scheinen. So sieht sie denn deutlich ihre Armseligkeit ein und erkennt, wie wenig wir aus uns selbst vermögen, wenn der Herr uns seine Hand entzieht.

11. Um zu dieser Erkenntnis zu gelangen, bedarf die Seele meines Erachtens keiner Betrachtung mehr; denn nachdem sie sich gänzlich unfähig gesehen, hat sie aus der Erfahrung unsere Nichtigkeit und Armseligkeit kennengelernt. Obwohl sie im Stande der Gnade sein muss, da sie während dieses ganzen Sturmes Gott nicht beleidigt und um keinen Preis in der Welt ihn beleidigen würde, so ist doch die Gnade in ihr so verborgen, dass nach ihrem Ermessen auch nicht das kleinste Fünkchen der Liebe Gottes in ihr sich findet noch je sich gefunden hat. Denn all die vollbrachten guten Werke und alle vom Herrn empfangenen Gnaden kommen ihr wie ein Traum und als Täuschung vor, während die begangenen Sünden ihr als gewiss vor Augen schweben.

12. O Jesus, was ist es doch um den Anblick einer so verlassenen Seele, und wie wenig nützt ihr, wie gesagt, aller irdische Trost! Wenn ihr darum, meine Schwestern, je einmal in einem solchen Zustand euch befindet, so denket nicht, die Reichen oder die in Freiheit Lebenden würden sich da besser helfen können. Nein, gewiss nicht! Gleichwie den Verdammten in der Hölle der Genuss aller möglichen Freuden dieser Welt keine Linderung ihrer Qualen verschaffen könnte, ebenso nützen auch hier alle Dinge der Erde nichts; der Trost und die Hilfe müssen von oben kommen. Der große Gott will eben, dass wir unsere eigene Armseligkeit, ihn aber als unseren König erkennen. Diese Erkenntnis ist für die Seele auch in der Folge von großer Wichtigkeit.

13. Was soll aber die arme Seele tun, wenn diese Vorgänge in ihr so lange Zeit andauern? Betet sie mündlich, so gereicht es ihr so wenig zum Troste, als betete sie nicht, da ihr Inneres nicht davon berührt wird; ja sie versteht nicht einmal die Worte, die sie spricht. Zum innerlichen Gebete aber ist sie in dieser Zeit gar nicht fähig, da sie dabei ihre Kräfte nicht gebrauchen kann; die Einsamkeit würde ihr eher schaden als nützen, obwohl auch das wieder eine Qual für sie ist, wenn jemand ihr Gesellschaft leistet und sie anspricht. So ist denn die Seele, wie sehr sie auch dagegen kämpft, so verdrießlich und übel gelaunt, dass man es an ihrem Äußeren gar wohl bemerkt. Sie kann von ihrem Zustand nur sagen, dass er unaussprechlich sei; denn was sie leidet, sind geistige Bedrängnisse und Peinen, für die man keine Namen anzugeben weiß. Ich weiß kein Mittel, um von diesen Leiden loszukommen; aber um sie wenigstens erträglich zu machen, ist es am besten, sich den Werken der Liebe und anderen Beschäftigungen hinzugeben sowie das Vertrauen auf die Barmherzigkeit Gottes zu bewahren, der jene nie verlässt, die auf ihn hoffen. Er sei in Ewigkeit gepriesen! Amen.

14. Von anderen äußeren Leiden, die von den bösen Geistern verursacht werden, will ich aus diesem Grunde nicht sprechen, weil sie nicht so häufig vorkommen werden. Wie sehr sich auch die bösen Geister anstrengen mögen, sie können meines Erachtens doch nicht die Seelenkräfte derart unfähig machen und die Seele so verwirren, dass sie nicht noch Verständnis genug besitzt, um zu erkennen, dass sie keine größere Gewalt haben, als der Herr ihnen einräumt. Solange aber die Seele das noch vermag, haben alle Peinen von seiten der bösen Geister wenig zu bedeuten im Vergleich mit jenen, von denen vorher die Rede war.

15. Einige andere innere Peinen will ich in dieser Wohnung besprechen, wenn ich von den verschiedenen Gebetsarten und Gnadenerweisungen des Herrn reden werde. Von diesen sind einige noch schwerer zu ertragen als die oben erwähnten, wie man aus den Wirkungen entnehmen kann, die sie auch am Leibe hervorbringen; allein sie verdienen den Namen Leiden nicht, und es ist auch nicht richtig, sie so zu nennen. Sie sind vielmehr große Gnaden des Herrn, und die von ihnen ergriffene Seele erkennt sie auch als solche und sieht ein, dass sie ihr ganz unverdienterweise zukommen. Diese großen Peinen stellen sich ein, wenn die Seele daran ist, in die siebente Wohnung einzutreten. Ich werde jedoch nur von einigen reden; denn alle zu besprechen, wäre unmöglich. Ebensowenig lässt sich auch erklären, wie sie an sich sind, weil sie weit höheren Ursprungs sind als die oben besprochenen. Und wenn ich schon diese, die doch weit tiefer stehen, nicht besser erklären konnte, als es wirklich geschehen ist, so werde ich jene um so weniger verständlich machen können. Der Herr verleihe mir zu allem seine Gnade um der Verdienste seines Sohnes willen! Amen.

Zweites Hauptstück

Der Herr weckt auf mancherlei Weise die Seele, wobei sie, wie es scheint, keine Täuschung zu fürchten hat, obwohl diese Gunstbezeigungen sehr erhaben sind. Die der Seele hier erwiesenen Gnaden sind sehr groß.

3. Es scheint, wir haben das Täubchen weit zurückgelassen. Doch dem ist nicht so; denn gerade die genannten Leiden sind es, die es für einen höheren Flug befähigen. Beginnen wir aber nunmehr von dem Verhalten des Bräutigams der Seele gegenüber zu sprechen. Bevor er sich ihr ganz zu eigen geben will, erweckt er in ihr ein recht sehnsüchtiges Verlangen nach sich, und zwar auf so ausgesuchte Weise, dass die Seele es selbst nicht versteht. Darum kann ich diese auch meiner Ansicht nach anderen nicht verständlich machen, außer jenen, die diese Gnade aus eigener Erfahrung kennen. Es sind dies so feine und zarte Antriebe, vom Innersten der Seele ausgehend, dass ich keinen passenden Vergleich weiß.

2. Sie sind verschieden von allen Regungen, die in uns selbst sich auslösen und ebenso von den schon besprochenen geistigen Süßigkeiten. Oft, wenn die Seele ganz achtlos ist und gar nicht an Gott denkt, wird sie von Seiner Majestät wie von einem schnell vorüberziehenden Sternenlichtglanz oder wie durch einen plötzlichen Donner geweckt. Sie hört zwar keinen Schall, aber sie erkennt gar wohl, dass Gott sie gerufen, und zwar so deutlich, dass sie manchmal, besonders wenn ihr diese Gnade noch ungewohnt ist, erzittert und sogar klagt, obgleich sie nichts Schmerzliches empfindet. Sie fühlt sich auf das lieblichste verwundet, ohne jedoch zu wissen, wie und von wem sie diese Wunde empfangen; aber sie erkennt gut, dass diese Wunde etwas Kostbares ist, und möchte gar nie mehr davon geheilt werden. Sie beklagt sich bei ihrem Bräutigam mit Worten der Liebe, und zwar auch äußerlich, ohne anders zu können; denn obwohl sie ihn als gegenwärtig erkennt, will er sich doch nicht so offenbaren, dass sie seine Gegenwart kosten könnte. Dies ist ihr eine große, jedoch liebliche und süße Pein, der sie sich, wenn sie auch wollte, nicht entledigen könnte; übrigens wird sie dies auch nie wollen, weil sie eine größere Befriedigung dabei findet, als selbst beim wonnigen Entzücken, das ohne Pein ist.

3. Ich denke darüber nach, wie ich euch diese Wirkung der Liebe verständlich machen soll; allein trotz aller Mühe vermag ich es, nicht. Es scheint nämlich ein Widerspruch darin zu sein, dass der Geliebte der Seele seine Gegenwart einerseits klar zu erkennen gibt und andererseits dem Anscheine nach durch ein so gewisses Zeichen ruft, dass sie unmöglich zweifeln kann, und sie durch ein so durchdringendes Pfeifen aufmerksam macht, dass ihr ein Nichthören unmöglich ist. Denn wenn der Bräutigam, dessen Wohnung sich in der siebenten Wohnung befindet, nach Art der formlosen Sprache zur Seele redet, so scheint es, dass alle Bewohner der anderen Gemächer, die Sinne, die Einbildungskraft und die übrigen Kräfte sich nicht zu regen. O du mein allmächtiger Gott, wie groß sind deine Geheimnisse und wie verschieden die geistigen Dinge von allen Vorgängen, die man hinieden wahrnehmen oder begreifen kann! Denn selbst diese an sich noch geringfügige Gnade kann durch nichts erklärt werden, auch wenn man sie vergleicht mit anderen großen Gnaden, die du in der Seele wirkst. Diese Gnade bringt in der Seele eine solche Wirkung hervor, dass sie gleichsam vergeht vor Verlangen und doch nicht weiß, um was sie bitten soll, weil sie ganz klar erkennt, dass ihr Gott bei ihr ist.

4. Aber ihr werdet mich fragen: Wenn die Seele dies erkennt, wonach verlangt sie dann noch? Was bereitet ihr dann noch Pein? Welch größeres Gut begehrt sie noch? Darauf weiß ich keine Antwort. Ich kann nur sagen, dass diese Pein bis ins Innerste der Seele zu dringen scheint, und es kommt ihr vor, als ziehe jener, der sie verwundete, zugleich auch ihr Innerstes mit heraus, wenn er den Pfeil wieder zurückzieht. So groß ist die Liebespein, die sie empfindet.

5. Als ich eben darüber nachdachte, kam mir folgendes in den Sinn. Es mag vielleicht so sein, dass von dem Liebesfeuer des brennenden Herdes, der mein Gott ist, ein Fünklein in die Seele fällt, und sie derart entflammt, dass das in ihr brennende Feuer zwar ihr Gefühl berührt, aber doch nicht hinreicht, sie zu verzehren; infolge dieses Wonnegefühles empfindet darum die Seele diese Pein und bringt die Berührung dieses Feuers eine solche Wirkung hervor. Dies scheint mir noch der beste Vergleich zu sein, den ich hier gebrauchen kann. Dieser wonnevolle Schmerz, der aber eigentlich kein Schmerz ist, dauert jedoch nicht unausgesetzt fort; wenn er auch zuweilen länger anhält, geht er doch sonst schnell vorüber, je nachdem sich der Herr der Seele mitteilen will, da dies keine Sache ist, die durch menschliche Kraft hervorgebracht werden kann. Aber auch dann, wenn dieser Schmerz manchmal eine Zeitlang andauert, geschieht es nur mit Unterbrechung; bald verschwindet er, bald kehrt er wieder. Kurz, er hält nie beständig an, und deshalb wird die Seele auch nicht ganz davon verzehrt; denn sobald sie daran ist, in Brand zu geraten, erlischt das Fünklein wieder, und so bleibt denn in ihr das (immer wiederkehrende) Verlangen, den Liebesschmerz aufs neue zu empfinden, den jenes Fünklein verursachte.

6. Hier ist nicht zu befürchten, dass diese Vorgänge von der Natur, von der Melancholie oder von einer Täuschung des Teufels oder von der Einbildungskraft herrühren; denn dieser Antrieb vollzieht sich in einer Weise, dass man recht gut erkennen kann, er komme vom Herrn, dem Unwandelbaren. Auch sind die Wirkungen verschieden von den Wirkungen anderer Andachtsgefühle. Bei diesen kann das tiefe Versunkensein in die Wonne, die die Seele kostet, Zweifel in uns erregen; hier aber bleiben alle Sinne und Kräfte von jeder Entrückung frei. Sie heften staunend ihren Blick auf das Wesen dieses Vorganges, ohne jedoch irgendwie die Seele zu stören, und sie sind meines Erachtens unfähig, etwas zur Vermehrung oder Verminderung dieser wonnigen Pein beizutragen. Jene, denen unser Herr diese Gnade verleiht, werden das Gesagte verstehen, wenn sie es lesen. Sie mögen der göttlichen Majestät recht innig dafür danken, dass hier keine Täuschung zu befürchten ist, und alle Sorgfalt anwenden, für eine so große Gnade nicht undankbar zu sein. Deshalb sollen sie es sich recht angelegen sein lassen, aus allen Kräften dem Herrn zu dienen und in allen Stücken ihr Leben zu bessern. Dann werden sie erfahren, wohin sie in der Folge gelangen, und immer größere Gnaden empfangen. Gleichwohl kenne ich eine Person, die nach Empfang dieser Gnade mehrere Jahre in diesem Zustand gelebt hat. Sie war aber dadurch so vollkommen befriedigt, dass sie sich damit für sehr reichlich belohnt gehalten haben würde, wenn sie auch viele Jahre hindurch unter großen Leiden dem Herrn gedient hätte. Er sei in Ewigkeit gepriesen! Amen.

7. Es mag sich euch da vielleicht ein Bedenken und die Frage aufdrängen, wie denn hier mehr Sicherheit sei als anderwärts. Meines Erachtens aus folgenden Gründen. Erstens kann der Teufel gar nie eine solch süße Pein, wie die besprochene, in uns hervorbringen. Er kann zwar der Seele eine scheinbar geistige Süßigkeit und Wonne verleihen, aber er ist nicht imstande, ihr zugleich eine so große, mit Ruhe und Süßigkeit verbundene Pein zu verschaffen. Denn alle seine Macht erstreckt sich nur auf das Äußere; und wenn er Peinen verursacht, so sind sie meines Erachtens nie lieblich und mit Frieden geeint, sondern immer voll Unruhe und Unfrieden. Zweitens kommt diese wonnevolle innere Erregung von einer Region her, in der der Teufel keine Herrschaft üben kann. Drittens zieht die Seele aus dieser Pein große Vorteile, von denen unter anderen die gewöhnlichsten sind: der Entschluss, für Gott zu leiden, das Verlangen nach großen Trübsalen und ein viel entschiedenerer Wille, sich von den Freuden und Unterhaltungen der Welt zu trennen.

8. Ebenso zeigt es sich ganz klar, dass diese Pein keine bloße Einbildung sein kann; denn wie sehr man sich sonst auch Mühe geben wollte, man könnte doch nie so etwas in sich zuwege bringen. Auch ist diese Pein so offenkundig, dass man sich unmöglich täuschen kann, d. h. man kann sich nicht den Anschein geben, als habe man von diesen Antrieben ein Gefühl, wenn sie fehlen; man kann aber auch nicht an ihrer Wirklichkeit zweifeln, wenn man sie fühlt. Hätte also jemand einen Zweifel, ob er diese Pein empfunden oder nicht, so wäre dies ein Zeichen, dass es kein wahrer Antrieb gewesen; denn ist es wirklich ein Antrieb (Gottes), dann macht er sich der Seele ebenso fühlbar wie eine laute Stimme dem Ohre. Endlich ist es auch unmöglich, dass solche Antriebe von der Melancholie herrühren; denn diese wirkt mit ihren irrigen Vorstellungen nur auf die Einbildungskraft ein, während das hier Besprochene aus dem Innersten der Seele hervorgeht. Wohl kann ich mich möglicherweise irren; aber solange mir nicht von solchen, die hierin Verständnis haben, das Gegenteil bewiesen wird, werde ich immer bei meiner Ansicht bleiben. Ich weiß dies auch von einer Person, die sonst voll Furcht vor Täuschungen war, bezüglich dieses Gebetes aber nie eine solche fürchten konnte.

9. Der Herr pflegt noch auf eine andere Weise die Seele zu wecken. Unerwartet und ohne an etwas Innerliches zu denken, scheint die Seele zuweilen in wonnevoller Weise vor Liebe zu entbrennen, während sie nur mündlich betet. Sie glaubt da plötzlich einen so starken Wohlgeruch wahrzunehmen, dass alle Sinne davon eingenommen sind; ich will zwar nicht von einem wirklichen Wohlgeruch reden, aber ich bediene mich nur zur Erklärung dieses Vorganges eines Vergleiches. Durch diesen Wohlgeruch oder etwas Ähnliches will der Bräutigam der Seele nur seine Gegenwart zu erkennen geben. Die Seele aber wird mit einem wonnigen Verlangen nach seinem Genusse erfüllt und zu glühenden Anmutungen und erhabenen Lobpreisungen des Herrn gestimmt.

10. Die eben erwähnte Gnade hat denselben Ursprung wie die zuvor besprochene, ist aber von keiner Pein begleitet, und auch das Verlangen, Gott zu kosten, ist nicht peinlich. Am gewöhnlichsten fühlt die Seele diesen Antrieb in sich. Auch hier hat man meines Erachtens keine Täuschung zu befürchten, und zwar aus einigen schon angeführten Gründen. Die Seele, der diese Gnade zuteil wird, sorge nur, dass sie sich dankbar erzeige.

Drittes Hauptstück

Fortsetzung. Eine Art Ansprache, die Gott nach seinem Wohlgefallen an die Seele richtet. Belehrung, wie man sich diesen Ansprachen gegenüber zu verhalten hat. Man darf sich nicht von seinem eigenen Urteile leiten lassen. Einige Kennzeichen, aus denen zu ersehen ist, ob bei den Ansprachen eine Täuschung obwaltet oder nicht. Die Erwägung dieses Hauptstückes ist sehr nützlich.

3. Gott hat noch einen anderen Weg, die Seele zu wecken. Diese Art scheint zwar in gewisser Beziehung eine größere Gnade zu sein als die besprochene, aber sie könnte auch gefährlicher sein, weshalb ich bei ihr etwas länger verweilen werde. Ich meine hier gewisse Ansprachen an die Seele, die sich auf mannigfache Weise vollziehen. Es scheinen nämlich einige dieser Ansprachen von außen, einige ganz aus dem Innern der Seele und wieder andere aus deren oberen Teil zu kommen. Noch andere sind so äußerlich, dass man sie mit den Ohren hört; sie scheinen deutlich ausgesprochene Worte zu sein.

2. Hier können zuweilen, ja oft, Täuschungen vorkommen, besonders bei Personen von schwächer Einbildungskraft oder von melancholischer Gemütsart, wenn ihre Melancholie einen besonderen Grad von Stärke erreicht hat. Man darf darum meiner Ansicht nach bei Personen beider Arten nichts darauf geben, wenn sie etwas gesehen, gehört oder vernommen zu haben vorgeben; man sollte sie aber auch nicht dadurch in Unruhe bringen, dass man diese Vorgänge als Täuschungen des Teufels bezeichnet. Die Priorin oder der Beichtvater, denen sie dergleichen Dinge mitteilen, müssen sie als Kranke anhören und ihnen nur sagen, sie möchten darauf keinen Wert legen, da hierin nicht das Wesen des Dienstes Gottes besteht; der Teufel habe auf diese Weise schon Viele getäuscht, wenn dies auch bei ihnen nicht der Fall sei. So soll man mit solchen Personen reden, um ihnen nicht noch mehr Trübsal zu bereiten, als sie bei ihrem krankhaften Zustande ohnehin schon zu erdulden haben. Sagte man ihnen, ihre Seelenvorgänge seien nur eine Wirkung der Melancholie, so würde man sie nie dahin bringen, dies zu glauben; sie würden vielmehr darauf schwören, das, was sie sagen, gehört oder gesehen zu haben, weil es ihnen wirklich so vorkommt.

3. Das wirksamste Mittel wird sein, ihnen die Übung des innerlichen Gebetes zu verbieten und soviel als möglich dahin zu wirken, dass sie auf dergleichen Dinge nicht achten; denn sollte der böse Feind auch ihnen selbst nicht schaden, so pflegt er sich doch solcher Kranken zu bedienen, um andere zu schädigen. Übrigens sei man bei allen Kranken wie Gesunden in Furcht, bis man erkennt, von welchem Geiste diese Dinge kommen. Darum halte ich es immer für das beste, im Anfang nichts darauf zu geben; ist es der Geist Gottes, der sie hervorbringt, dann trägt ein solches Verhalten nur zur größeren Förderung der Seele bei, und die göttlichen Gnadenerweise nehmen zu, wenn sie der Prüfung unterworfen werden. Das ist gewiss; doch darf man die Seelen nicht viel quälen und beunruhigen; denn sie können wirklich nicht anders.

4. Um nun wieder auf die Ansprachen zurückzukommen, so können diese in all den bezeichneten Arten von Gott, vom bösen Feinde oder von der eigenen Einbildungskraft herrühren. Ich werde, wenn es mir gelingt, mit Hilfe des Herrn die Zeichen angeben, an denen man diesen Unterschied erkennen und sehen kann, wann die Ansprachen gefährlich sind; denn unter den Seelen, die das innerliche Gebet üben, gibt es viele, die Ansprachen vernehmen. Indessen möchte ich nicht, dass ihr, meine Schwestern, es für unrecht haltet, wenn ihr solchen Ansprachen keinen Glauben schenkt; ebensowenig ist es meiner Ansicht nach ein Unrecht, wenn ihr an ihnen festhaltet; denn daran ist wenig gelegen, wenn sie nur für euch selbst sind, sei es, euch zu trösten, oder sei es, euch vor einem Fehler zu warnen, mögen sie von wem immer kommen oder auch Täuschung der Einbildungskraft sein. Auf eines jedoch mache ich euch aufmerksam, dass ihr euch vernommener Ansprachen wegen, sollten sie auch von Gott sein, nicht für besser halten dürft. Auch zu den Pharisäern hat der Herr oft geredet, und der ganze Nutzen der Ansprachen liegt darin, dass man sich ihrer zu seinem eigenen Heile bedient. Auf Ansprachen aber, die nicht ganz mit der Heiligen Schrift übereinstimmen, dürft ihr keinen höheren Wert legen, als wenn ihr sie vom bösen Feinde vernommen hättet; und sollten solche Ansprachen auch nur von euerer kranken Einbildungskraft herrühren, so müsst ihr sie doch als eine Versuchung gegen den Glauben ansehen und ihnen immer widerstehen, damit sie ein Ende nehmen; und dies wird auch der Fall sein, da sie keine Kraft haben.

5. Es können also, wie gesagt, alle Ansprachen von Gott sein, mögen sie aus dem Innersten der Seele oder von deren oberen Teile oder auch von Außen kommen. Die sichersten Zeichen sind meines Erachtens folgende: Das erste und sicherste Zeichen ist die Macht und Herrschaft, die diese Ansprachen Gottes an sich tragen; denn da ist Sprechen und Wirken ein und dasselbe. Ich will mich deutlicher erklären. Eins Seele fühlt sich ganz von Trübsal und innerer Unruhe eingenommen, in jener Verfinsterung des Verstandes und Trockenheit des Geistes, wovon (in dieser Wohnung) die Rede war. Da vernimmt sie nur ein einziges Wort, wie z. B. »Betrübe dich nicht«, und sie ist beruhigt, von ihrer Trübsal befreit und voll des klaren Lichtes. Alle Pein ist nun vorüber, von der sie nach ihrer Meinung weder die ganze Welt noch alle Gelehrten miteinander trotz aller Beweise Und Bemühungen hätten befreien können. Oder die Seele ist betrübt und voll von Furcht, weil ihr Beichtvater oder andere den bösen Feind als den in ihr wirkenden Geist bezeichnet hatten. Da vernimmt sie nur das einzige Wort: »Ich bin es, fürchte dich nicht!«, und alle Furcht in ihr ist völlig verschwunden. Sie ist nun vollkommen getröstet und allem Anschein nach könnte niemand ihr einen anderen Glauben beibringen. Oder nehmen wir ein anderes Beispiel. Die Seele ist in sehr peinlicher Besorgnis wegen des Ausganges gewisser wichtiger Angelegenheiten. Da vernimmt sie eine Stimme, die ihr sagt, ruhig zu sein, es werde alles gut gehen, und siehe, sie fühlt sich ganz sicher und ohne alle Pein. Und so ist es in vielen anderen Fällen.

6. Das zweite Kennzeichen des göttlichen Ursprungs solcher Ansprachen ist eine in der Seele bleibende tiefe Ruhe; sie wird in eine andächtige und friedvolle Sammlung versetzt und zum Lobe Gottes angeregt. Man sagt zwar, der Herr spreche, wenigstens in dieser Wohnung, nicht selbst zu der Seele, sondern durch einen seiner Engel, die seine Diener sind; aber welche Kraft hat schon ein einziges dieser Worte! Was, o Herr, wirst du dann erst selbst in der Seele wirken, die in Liebe mit dir vereinigt ist, wie du mit ihr?

7. Das dritte Zeichen endlich, woran man die von Gott kommenden Ansprachen erkennt, besteht darin, dass sie sehr lange dauern und manchmal gar nicht mehr dem Gedächtnisse entschwinden. Dies ist nicht der Fall bei den Ansprachen, die wir hienieden vernehmen, d. h. die von den Menschen an uns gerichtet werden; diese bleiben dem Gedächtnis nicht so fest eingeprägt, wenn wir sie auch von den angesehensten und gelehrtesten Männern vernehmen. Auch schenken wir ihren Worten, wenn sie etwas Zukünftiges betreffen, nicht so vollen Glauben wie den Worten Gottes. Denn letztere gewähren uns die größte Gewissheit; und sollte auch zuweilen bei Dingen, die dem Anschein nach unmöglich sind, in der Seele ein Zweifel über die Erfüllung der ihr gegebenen Verheißung auftauchen und der Verstand etwas hin und her schwanken, so bleibt doch in ihr selbst eine solche Sicherheit, dass sie sich keinem Zweifel hingeben kann. Mag es ihr auch scheinen, als ob alles auf das Gegenteil von dem, was ihr gesagt wurde, ziele, und mögen auch Jahre verfließen, ohne dass es in Erfüllung geht; die Seele hält fest an dem Gedanken, dass Gott Mittel und Wege finden werde, von denen die Menschen keine Ahnung haben, und es am Ende doch noch geschehen müsse, wie es auch wirklich geschieht. Gleichwohl fehlt es ihr dabei, wie schon erwähnt, nicht an Leiden, wenn sie viele Schwierigkeiten und Hindernisse sieht, die sich der Erfüllung der ihr zuteil gewordenen Verheißung entgegenstellen. Wohl hegt sie zur Zeit, in der sie die göttliche Ansprache vernimmt, in keiner Weise einen Zweifel; sie würde ja für die Wahrheit, dass sie von Gott gekommen, sterben; allein sobald darüber längere Zeit verstrichen ist und die in ihr hervorgerufenen Wirkungen mit der Gewissheit über die ihr zuteil gewordene göttliche Mitteilung sich mehr und mehr verflüchtigt haben, stellen sich Zweifel bei ihr ein, ob nicht etwa der böse Feind oder ihre eigene Einbildungskraft sie getäuscht habe. Dergleichen Zweifel mag, wie schon erwähnt, wohl auch der böse Feind in der Seele erregen, um sie dadurch zu quälen und zu entmutigen. Denn was wird dieser nicht alles ins Werk setzen, besonders wenn es sich um das Zustandekommen einer sehr schwierigen Sache handelt, wodurch den Seelen viele Vorteile erwachsen, Gottes Ehre in hohem Maße gefördert und ihm ein großer Dienst erwiesen wird? Wenigstens wird er den Glauben der Seele zu schwächen suchen; denn es wäre ein großer Nachteil für sie, wenn sie an die Macht Gottes, Werke zu vollbringen, deren Möglichkeit der menschliche Verstand nicht einzusehen vermag, nicht glauben würde.

8. Aber trotz all dieser Anfechtungen bleibt doch immer ein lebendiger, ich weiß nicht woher stammender Funke zuversichtlicher Hoffnung in der Seele, dass diese Ansprachen noch in Erfüllung gehen werden. Und selbst wenn sie die Beichtväter, die die Seele in diese Ansprachen einweiht, als törichte Einfälle erklären, ja selbst wenn irgendwelche schlimme Ereignisse anzudeuten scheinen, als könnten die ihr gegebenen Verheißungen unmöglich ihre Erfüllung finden (bleibt doch diese Hoffnung in ihr bestehen). Und sollte auch jeder andere Hoffnungskern völlig erlöschen, so vermag sie doch, selbst wenn sie wollte, diesen Hoffnungsfunken nicht zu ersticken; er glimmt fort, bis endlich das Wort des Herrn, wie gesagt, in Erfüllung geht. Darüber ist dann die Seele so vergnügt, so freudevoll, dass sie ohne Unterlass die göttliche Majestät lobpreisen möchte, und dies weit mehr deshalb, weil sie die Erfüllung der Verheißung sieht, als wegen der Sache selbst, so viel ihr auch an dieser gelegen ist.

9. Ich weiß nicht, warum die Seele so sehr dafür eingenommen ist, dass die göttlichen Worte sich als wahr erweisen möchten; den ihretwegen würde sie meines Erachtens nicht so schmerzlich berührt, wenn man sie der Lüge beschuldigte, gleich als ob sie etwas anderes hätte sagen können als was sie vernommen. In dieser Hinsicht dachte eine gewisse Person unzählige Male an den Propheten Jonas, der fürchtete, Ninive werde nicht untergehen. Doch wie es auch immer sei, gewiss ist es billig, dass die Seele dem Geiste Gottes, der zu ihr gesprochen, dadurch ihre Treue beweist, dass sie den Wunsch in sich hegt, sein Wort möchte von anderen nicht als trügerisch gehalten werden; denn er ist ja die höchste Wahrheit. Wie aufrichtig und innig aber dieser Wunsch gewesen, so groß wird nun auch ihre Freude sein, wenn sie endlich das göttliche Wort trotz der entgegenstehenden größten Schwierigkeiten und unzähligen Hindernisse in Erfüllung gehen sieht. Und sollten sich für sie selbst große Leiden daraus erwachsen, so will sie diese viel lieber ertragen, als dass das nicht in Erfüllung gehe, was nach ihrer gewissen Überzeugung der Herr zu ihr gesprochen. Vielleicht haben nicht alle diese Schwachheit, wenn anders es eine Schwachheit ist; ich wenigstens kann es nicht als etwas Unrechtes verwerfen.

10. Entspringen diese Ansprachen der Einbildungskraft, dann findet sich keines der genannten Zeichen vor, weder die Gewissheit, noch der Friede, noch die innere Freude. Nur das eine kann vorkommen, wie ich es schon an einigen Personen des öfteren wahrgenommen: Wenn sie in das Gebet der Ruhe sehr vertieft oder vom geistigen Schlaf ganz eingenommen sind, so befinden sie sich in dieser großen Sammlung wegen schwacher Körperbeschaffenheit oder schwacher Einbildungskraft oder aus einem anderen, mir unbekannten Grund in Wahrheit derart außer sich, dass sie äußerlich nichts mehr wahrnehmen und alle Sinne so eingeschlummert sind wie bei einem schlafenden Menschen. Vielleicht ist es auch so, dass sie wirklich eingeschlafen sind. Da erscheint es ihnen wie im Traumzustand, als redete jemand zu ihnen oder als sähen sie etwas, und halten das für eine göttliche Ansprache; allein dies sind nur Wirkungen eines Traumes. Auch kann es vorkommen und kommt bisweilen wirklich vor, dass solche Seelen vom Herrn die Zusicherung der Gewährung ihrer Bitte zu vernehmen glauben, wenn sie ihn inbrünstig um etwas bitten. Wer aber göttliche Ansprachen schon oft vernommen hat, der kann meines Erachtens hierin von der Einbildungskraft nicht getäuscht werden.

11. Mehr hat man den Teufel zu fürchten. Sind indessen die angegebenen Zeichen vorhanden, so darf man gar wohl versichert sein, dass die vernommenen Ansprachen von Gott kommen. Enthalten nun diese Ansprachen einen wichtigen Auftrag, mag er nun eigene oder fremde Angelegenheiten betreffen, so soll man doch nichts unternehmen noch auch nur einen Plan dazu fassen, ohne zuvor den Rat eines gelehrten, klugen und dem Dienste Gottes ergebenen Beichtvaters eingeholt zu haben; und dies selbst dann, wenn man sich immer mehr davon überzeugt fühlt und es klar erscheint, dass Gott hier gesprochen habe. So will es Seine Majestät, und von der Anordnung des Herrn darf man nicht abgehen. Er selbst hat uns ja befohlen, den Beichtvater als seinen Stellvertreter anzusehen, weshalb wir auch nicht zweifeln können, dass dessen Aussprüche Gottes Wort sind. Diese Aussprüche tragen, wenn es sich um die Ausführung einer schwierigen Sache handelt, zu unserer Ermutigung bei. Unser Herr aber wird, wenn er will, den Beichtvater erleuchten und auch ihn davon überzeugen, dass die Worte, die wir vernommen von ihm gekommen; will er es nicht, nun, dann haben wir weiter keine Verpflichtung. Hierin anders handeln, als ich gesagt, und dem eigenen Gutdünken folgen, halte ich für eine sehr gefährliche Sache. Deshalb meine Schwestern, ermahne ich euch im Name unseres Herrn, euch nie so etwas in den Sinn kommen zu lassen.

12. Auch noch auf andere Art spricht der Herr zur Seele, und ich halte das ganz sicher als von Gott kommend, ich meine mittels einer Verstandesschauung. Es vollzieht sich dieser Vorgang ganz im Innersten der Seele; diese glaubt, die Ansprache mit ihren geistigen Ohren vom Herrn selbst so deutlich und doch so geheim zu vernehmen, dass schon die Art und Weise dieses Vernehmens und der Eindruck, den die Schauung auf sie macht, sie versichert und ihr die Gewissheit gibt, der böse Feind könne hier nicht beteiligt sein. Dies zu glauben, nötigen sie auch die großartigen Wirkungen, die diese Schauung in ihr zurücklässt; wenigstens ist sie versichert, dass sie nicht von der Einbildungskraft herrührt. Außerdem kann man diese Sicherheit immer aus folgenden Gründen haben, wenn man darauf achtet: Erstens muss sich die Ansprache durch eine ganz besondere Deutlichkeit auszeichnen, so dass die Seele es merken würde, wenn dem Vernommenen auch nur eine Silbe fehlte. Auch nimmt sie wahr, ob etwas in dieser oder jener Redeweise gesagt wäre, wenn auch der Sinn derselbe wäre. Dagegen werden die Ansprachen, die durch die Einbildungskraft vermittelt werden, nie so klar und deren Worte nicht so deutlich, sondern wie etwas halb Geträumtes erscheinen.

13. Zweitens vernimmt man den Inhalt der göttlichen Ansprachen oftmals, ohne daran gedacht zu haben, d. h. ganz unerwartet, zuweilen selbst dann, wenn man gerade in der Unterhaltung mit jemand begriffen ist. Zwar wird dadurch oft auch auf das geantwortet, was man eben flüchtig denkt oder zuvor gedacht hat; gar oft aber betreffen solche Ansprachen Dinge, an deren Existenz oder Wirklichkeit man gar nie gedacht hat. Solche Dinge konnte doch wohl die Einbildungskraft nicht erfunden haben, damit die Seele sich selbst durch Vorspiegelung einer Sache täusche, die sie noch gar nie verlangt oder gewollt oder auch nur gekannt hatte.

14. Drittens verhält es sich bei der Ansprache Gottes an die Seele ebenso, wie wenn jemand den Worten eines anderen nur zuhörte: kommt aber die Ansprache von der Einbildungskraft, dann ist es, als ob jemand das, was er von einem anderen gern hören möchte, allmählich selbst zusammensetzte.

15. Viertens sind die göttlichen Worte ganz verschieden von anderen Worten; ein einziges enthält viel mehr, als unser Verstand so schnell erfinden könnte.

16. Fünftens wird der Seele auf eine mir unerklärliche Weise zugleich in Verbindung mit dem, was ihr Gott durch Worte zu verstehen gibt, in wortloser Form noch viel mehr geoffenbart, als Worte besagen. Die letzte Art der Ansprachen ist sehr lieblich und stimmt die Seele zum Lobpreis unseres Herrn; ich werde mich darüber noch an anderer Stelle des weiteren verbreiten, da schon manche über sie sowie auch über den Unterschied der Ansprachen sehr in Zweifel gerieten. Ich weiß das besonders von einer Person, und so wird es auch noch andere geben, die sich hierin nicht zurechtfinden. Diese Person, die vom Herrn sehr oft auf die genannte Weise begnadigt wurde, hat eben wegen ihrer Zweifel ihr ganzes Augenmerk darauf gerichtet. Ihr hauptsächlichster Zweifel bezog sich anfangs darauf, ob sie nicht etwa von ihrer Einbildungskraft getäuscht sei; denn die Täuschungen des Teufels kann man leichter erkennen. Zwar sind seine Trugkünste so fein ausgedacht, dass er sogar einen Engel des Lichtes nachzuahmen weiß; allein dies wird meines Erachtens nur durch Worte geschehen, die er so klar ausspricht, dass man ebensowenig zweifeln kann, sie gehört zu haben, als wenn sie der Geist der Wahrheit gesprochen hätte. Die genannten Wirkungen wird er jedoch nicht hervorbringen, noch in die Seele jenes Licht und jenen Frieden gießen können, womit sie durch die göttlichen Ansprachen begnadigt wird. Er lässt nur Unruhe und Verwirrung zurück, doch kann er ihr nur wenig oder gar nicht schaden, wenn sie demütig ist und tut, was ich ihr gesagt habe. Sie soll sich in keiner Weise bestimmen lassen, eigenmächtig etwas von dem zu vollziehen, was die vernommenen Worte ihr nahegelegt.

17. Sind es aber Worte göttlicher Huld und Liebe, so achte die Seele mit Aufmerksamkeit darauf, ob sie sich deshalb nicht besser dünke; und fühlt sie sich um so mehr beschämt, je huldvoller die Ansprache gewesen, so halte ich dafür, dass sie nicht vom Geiste Gottes herrühre. Denn wenn Gott zur Seele spricht, dann schätzt sie sich ganz gewiss um so geringer, je größer die ihr verliehene Gnade ist. Es schwebt ihr dabei der Gedanke an ihre Sünden nur um so lebendiger vor Augen, und sie vergißt um so vollkommener ihre eigenen Verdienste; da ist ihr Wille und ihr Gedächtnis um so mehr damit beschäftigt, die Ehre Gottes zu fördern ohne an ihren eigenen Vorteil zu denken; da fürchtet sie um so mehr, es könnte ihr Wille in irgendeinem Stücke von der rechten Bahn abweichen. Sie hält es für ganz gewiss, dass sie niemals solche Gnaden, wohl aber die Hölle verdient habe. Wenn alle diese Gunstbezeigungen und Gnaden, die der Seele im Gebete zuteil werden, solche Wirkungen in ihr hervorbringen, dann ist kein Grund vorhanden, sich zu entsetzen; sie vertraue vielmehr auf die Barmherzigkeit des Herrn, der getreu ist und nicht zulassen wird, dass der Teufel sie täusche, obschon es immer gut ist, in Furcht zu wandeln.

18. Wer vom Herrn auf diesem Weg geführt wird, dem mag es vielleicht scheinen, als könnten solche Seelen die an sie ergangenen Ansprachen unbeachtet lassen, oder wenn sie sich innerlich vollziehen, sich derart zerstreuen, dass sie nichts davon vernehmen; würden sie da so handeln, so wären sie vor jeder Gefahr einer Täuschung sicher. Darauf antworte ich: Dies ist rein unmöglich. Ich rede jedoch nicht von jenen, die von ihrer Einbildungskraft getäuscht werden; denn diese können sich dadurch verwahren, dass sie nicht mehr so großes Verlangen nach dergleichen Dingen tragen und auf ihre Einfälle keinen Wert mehr legen wollen. Aber auf diese Ansprachen, um die es sich hier handelt, muss die Seele gehorchen. Denn da bringt der Geist, der spricht, selbst alle Gedanken zum Schweigen und nötigt die Seele, das anzuhören, was er zu ihr spricht. Ja, es will mir gewissermaßen scheinen, und ich halte dies auch für sicher, dass es nicht eher möglich wäre, einen sehr laut redenden Menschen, auch wenn man recht gut hört, nicht zu verstehen, weil man immerhin auf das, was er spricht, nicht achten und Gedanken und Verstand auf etwas anderes richten könnte. In unserem Falle aber ist dies unmöglich. Hier kann man die Ohren nicht verschließen, und es liegt durchaus nicht in der Macht der Seele, an etwas anderes zu denken, als was die zu ihr sprechende Stimme sagt; denn der Allmächtige, der, wie ich glaube, auf Josues Bitte die Sonne stillestehen lassen konnte, vermag auch den Vermögen der Seele und ihrem ganzen Innern Stille zu gebieten, so dass sie klar einsieht, ein anderer größerer Herr als sie herrsche in der Burg. Dieser Gedanke regt sie zu tiefer Andacht und Demut an. Es gibt also gar kein Mittel, um sich der Aufmerksamkeit auf das zu entziehen, was Gott zu uns spricht.

19. Möge die göttliche Majestät uns die Gnade verleihen, dass wir nur ihr zu gefallen uns bestreben und wir selbst vergessen, wie ich gesagt habe! Amen. Der Herr gebe auch, dass ich die beabsichtigten Punkte richtig dargelegt habe, damit sie jenen, die hierin Erfahrung besitzen, in etwa dienlich sind!

Viertes Hauptstück

Dieses Kapitel spricht davon, wie Gott die Seele im Gebete durch eine Verzückung (arrobamiento) oder Ekstase (éxtasi) oder Entrückung (rapto), was meines Erachtens ein und dasselbe ist, erhebt. Es ist ein großer Mut erforderlich, um so große Gnaden von Seiner Majestät in Empfang zu nehmen.

3. Welche Ruhe kann wohl der arme Schmetterling bei den genannten und noch anderen Leiden haben? Doch dies dient alles dazu, um in der Seele ein inniges Verlangen nach dem Genusse des Bräutigams zu wecken. Da Seine Majestät unsere Schwachheit kennt, so bedient sie sich dieser und noch vieler anderer Mittel, um die Seele zu bereiten, dass sie Mut fasse, sich mit einem so großen Herrn zu vereinigen und Ihn als ihren Bräutigam anzunehmen. Wenn ich hier von Mut rede: so wird euch dies töricht erscheinen, und ihr werdet darüber lachen; denn eine jede von euch wird der Ansicht sein, dass hier kein Mut vonnöten sei, und es könne keine Frau von noch so niedrigem Stande geben, die nicht den Mut hätte, sich mit dem Könige zu verloben. Ich bin derselben Meinung, wenn es sich um die Verlobung mit einem irdischen König handelt; um sich aber mit dem himmlischen König zu verloben, dazu, sage ich euch, gehört mehr Mut, als ihr euch denkt, da unsere Natur viel zu furchtsam und zu niedrig für so etwas Großes ist. Ja, ich halte für gewiss, dass es euch unmöglich wäre, wenn nicht Gott euch den Mut dazu verleihen würde, so klar ihr auch eueren eigenen Vorteil dabei erkennen würdet. Fehlt es euch aber an diesem Mut, dann werdet ihr sehen, was Seine Majestät tut, u diese Verlobung abzuschießen. Die muss nach meinem Dafürhalten dann geschehen, wenn der Herr der Seele Verzückungen verleiht, wodurch er ihre Sinnestätigkeit ausschaltet. Denn bliebe sie auf die Sinne angewiesen, und sähe sie sich dieser großen Majestät so nahe, so könnte sie vielleicht nicht am Leben bleiben. Ich meine wirkliche Verzückungen und nicht bloße Weiberohnmachten, wie sie bei uns vorkommen, und die wir gleich für Verzückungen oder Ekstasen halten. Denn es gibt, wie ich schon gesagt zu haben glaube, Personen von so schwacher Körperbeschaffenheit, dass sie schon durch ein bloßes Gebet der Ruhe dem Sterben nahe kommen.

2. Ich möchte hier von einigen Arten der Verzückung reden, auf die ich durch meinen Verkehr mit so vielen im geistlichen Leben erfahrenen Personen aufmerksam wurde; doch ich weiß nicht, ob mir das so gut wie in einem anderen von mir verfassten Buche gelingen werde. Es scheint mir nämlich nicht überflüssig zu sein, diese und andere dort schon erklärten Dinge hier wieder zu besprechen, wenn es auch, von sonstigen Gründen abgesehen, nur zu dem Zwecke geschieht, um hier die verschiedenen Wohnungen im Zusammenhange darzustellen.

3. Eine Art von Verzückung besteht darin, dass die Seele, und zwar auch dann, wenn sie nicht im Gebete sich befindet, von einem Worte Gottes, das sie vernimmt, oder an das sie sich erinnert, mächtig betroffen wird. Dabei scheint es ihr, als ob der Herr, gerührt von Mitleid über die Leiden, die er so lange Zeit durch ihr Verlangen nach ihm erdulden sah, in ihrem Inneren den schon besprochenen Funken auflodern ließe. Dadurch ganz verzehrt, geht sie gleich dem Vogel Phönix verjüngt aus der Glut hervor, und man kann billigerweise annehmen, dass ihr ihre Sünden vergeben sind, vorausgesetzt, dass ihr die nötige Vorbereitung nicht fehlte und sie die von der Kirche verordneten Mittel gebraucht hatte. Nachdem sie auf diese Weise rein geworden, vereinigt sie der Herr mit sich, und niemand außer ihnen beiden weiß davon; ja, die Seele selbst erkennt es nicht so klar, dass sie es nachher erklären könnte, obgleich sie nicht ohne innere Empfindung dabei ist. Diese Verzückung kommt eben nicht in der Weise zustande, wie wenn jemand in eine Ohnmacht oder in einen Paroxismus fällt, wobei er weder von dem etwas weiß, was in ihm, noch von dem, was außer ihm vorgeht.

4. Die Seele wird, soweit ich hierin Verständnis besitze, nie so sehr für die göttlichen Dinge empfänglich und erfreut sich nie eines solchen Lichtes und einer so tiefen Erkenntnis der göttlichen Majestät, wie es hier der Fall ist. Es könnte dies unmöglich scheinen, weil ja die Vermögen der Seele und auch die Sinne so aufgehoben sind, dass man sagen kann, sie seien tot. Wie lässt es sich also denken, dass die Seele dieses Geheimnis erkenne? Ich weiß es nicht; vielleicht weiß es überhaupt kein geschaffenes Wesen, sondern nur der Schöpfer. Dasselbe gilt auch von vielen anderen Geheimnissen, die in diesem Stande, d. h. in dieser und in der letzten Wohnung, vorkommen. Ich spreche hier von beiden Wohnungen, die sich gar wohl miteinander vereinigen ließen, da sich zwischen der einen und der anderen keine geschlossene Türe findet. Jedoch kommt in der letzten Wohnung so manches vor, was nur denen geoffenbart wird, die in sie eingehen; darum hielt ich es für gut, beide Wohnungen getrennt zu besprechen.

5. Will der Herr in dieser Verzückung der Seele einige Geheimnisse, z. B. gewisse Dinge offenbaren oder sie mit bildhaftem Schauen begnadigen, so kann sie diese Vorgänge nachher erzählen; sie bleiben ihrem Gedächtnisse so tief eingeprägt, dass sie gar nie mehr daraus entschwinden. Sind sie aber verstandesmäßige Schauungen, so kann sie sich über diese ebensowenig aussprechen (wie über jenes Geheimnis). Denn manche dieser Schauungen, die sich bei Verzückungen einstellen, müssen so erhaben sein, dass sie die auf Erden Lebenden nicht so erfassen dürfen, um sie anderen erzählen zu können. Von jenen verstandesmäßigen Schauungen jedoch, die der Seele zuteil werden, wenn ihr die Sinnestätigkeit nicht benommen ist, kann sie hinieden viele wieder erzählen.

6. Vielleicht wissen viele von euch nicht, was eine Schauung ist, zumal was Verstandesschauungen sind. Ich werde mich seinerzeit darüber aussprechen, da mir dies von Männern aufgetragen ist, die das Recht haben, mir zu befehlen; mag dies auch unpassend scheinen, so wird es doch vielleicht einigen Seelen Nutzen bringen. Aber so werdet ihr mir entgegnen: Wenn man nach dem Genusse so hoher Gnaden, wie sie hier der Herr der Seele erzeigt, sich nicht mehr so erinnern kann (dass man sie erzählen könnte), welchen Nutzen hat sie dann davon? O meine Töchter, dieser Nutzen ist so groß, dass man ihn nicht zu schildern vermag! Wenn man auch nichts von diesen Gnaden zu sagen weiß, so bleiben sie doch dem Innersten der Seele so tief eingeschrieben, dass man sie nie mehr vergißt. Aber wie kann man sich daran erinnern, wenn sie nicht bildhaft sind und die Vermögen der Seele sie nicht fassen? Dieses verstehe ich auch nicht; aber das weiß ich, dass gewisse Wahrheiten über die Größe Gottes sich einer solchen Seele sehr tief einprägen. Selbst wenn sie den Glauben noch nicht hätte, der ihr sagt, wer Gott ist und welche Verpflichtungen sie hat, ihn als Gott anzuerkennen, so würde sie von diesem Augenblicke an ihn als Gott anbeten wie Jakob, als er die Leiter geschaut. Ohne Zweifel hat er neben dieser Leiter noch andere Geheimnisse wahrgenommen, die er nicht auszusprechen wußte; denn aus dem Anblick der Leiter allein, an der die Engel auf und nieder stiegen, hätte er so große Geheimnisse nicht erkannt, wenn ihm nicht mehr inneres Licht zuteil geworden wäre.

7. Ich weiß nicht, ob es richtig ist, wie ich mich ausgedrückt; obwohl ich es gehört, weiß ich doch nicht, ob ich mich jetzt auch daran erinnere. So konnte auch Moses nicht alles wiedergeben, was er im Dornbusche geschaut, sondern nur, was Gott ihn sagen lassen wollte. Hätte der Herr seiner Seele nicht Geheimnisse geoffenbart, durch die er gewiss erkennen und glauben musste, Gott rede selbst mit ihm, würde er so viele und große Beschwerden nicht auf sich genommen haben. Gewiss aber hat er im Dornbusch so große Dinge geschaut, dass er sich dadurch ermutigt fühlte, das zu unternehmen, was er für das Volk Israel getan. Wir dürfen, meine Schwestern, bei den verborgenen Geheimnissen Gottes nicht nach Gründen fragen, um sie zu begreifen; denn wie wir glauben, dass er der Allmächtige ist, so müssen wir selbstverständlich auch glauben, dass ein Wurm von so beschränktem Vermögen, wie es uns eigen ist, seine großen Wunder nicht begreifen kann. Preisen wir ihn aus Herzensgrund dafür, dass er uns nach seinem Wohlgefallen doch einige davon erkennen lässt!

8. Ich wünschte sehr, ein Gleichnis zu finden, um damit das Gesagte wenigstens einigermaßen verständlich machen zu können, aber ich glaube, dass es hiefür kein passendes gibt. Nehmen wir indessen folgendes. Denkt euch, ihr kämet in den Palast eines Königs oder eines sehr vornehmen Herrn, und man führte euch da in jenes Zimmer, das, wie ich glaube, Camarin genannt wird. Dort nun wären die verschiedenartigsten Gläser, Tongefäße und eine Menge anderer Gegenstände in solcher Ordnung aufgestellt, dass ihr sie bei euerem Eintritte fast alle mit einem Blicke überschauen könnten. Man führte mich einmal im Palaste der Herzogin von Alba in ein solches Zimmer; ich musste damals auf meiner Durchreise nach dem Befehle meiner Oberen zwei Tage bleiben, weil die Herzogin sie dringend darum gebeten hatte. Ich staunte beim Eintritt und dachte mir, wozu doch eine solche Menge von Sachen nutzen möge. Da sah ich ein, dass der Anblick so vieler verschiedener Dinge zum Lobe des Herrn anregen könnte, und es freut mich, von diesem Anblick hier Gebrauch machen zu können. Obgleich ich nur kurze Zeit im Zimmer verweilte, so bot sich doch eine so große Menge von Gegenständen meinem Blicke dar, dass ich alles gleich wieder vergaß, und zwar derart, dass mir keines dieser Stücke mehr in der Erinnerung blieb, gerade so, als hätte ich sie gar nicht gesehen; ich könnte nicht einmal mehr sagen, von welcher Form sie gewesen, und nur im allgemeinen erinnere ich mich daran, sie gesehen zu haben. So nun ist es auch hier, wenn die Seele so ganz eins mit Gott geworden ist, versetzt in diese Wohnung des höchsten Himmels, die wir im Innern unserer Seele selbst haben müssen; denn weil Gott in der Seele wohnt, so muss er offenbar eine ihrer Wohnungen einnehmen. Bei einer solchen Verzückung lässt zwar der Herr, wie es scheint, die Seele nicht immerfort die Geheimnisse dieser Wohnung schauen, da sie so tief in den Genuss Gottes versenkt ist, dass ihr ein so großes Gut genügt; aber manchmal lässt er sie doch wieder von der Verzückung erwachen, damit sie schnell das schaue, was in dieser Wohnung sich befindet. So vermag sie, wieder zu sich gekommen, die wahrgenommene Herrlichkeit im Geiste sich vorzustellen, ohne jedoch etwas davon erzählen zu können. Aber sie kann vermöge ihrer natürlichen Kräfte nicht mehr schauen, als ihr Gott auf übernatürliche Weise zu schauen geben wollte.

9. Aber ich gebe da selbst nicht zu, dass die Seele in der Verzückung etwas wahrgenommen oder eine bildhafte Schauung gehabt habe? Keineswegs; dies will ich nicht gesagt haben; denn davon rede ich jetzt nicht, ich spreche nur von der verstandesmäßigen Schauung. Da ich keine wissenschaftliche Bildung besitze, so vermag ich mich eben bei meiner Unbeholfenheit in keiner Sache richtig auszudrücken; was aber bisher über diese Gebetsweise richtig gesagt ist, das habe ich nach meiner klaren Erkenntnis nicht aus mir selbst geschöpft. Wenn zuweilen eine Seele meint, von Gott mit Verzückungen begnadigt zu sein, aber nicht von diesen Geheimnissen erfahren hat, so halte ich dafür, dass es keine Verzückungen, sondern nur natürliche Ohnmachten gewesen sind. Denn bei Personen von so schwacher Körperbeschaffenheit, wie wir sie besitzen, kann es leicht vorkommen, dass bei einiger Anstrengung des Geistes die Natur unterliegt und die Seele in einer gewissen Betäubung bleibt, wie ich dies bei Erklärung des Gebetes der Ruhe gesagt zu haben glaube. Solche Zustände sind aber mit den Verzückungen gar nicht zu vergleichen. Seid überzeugt, bei der wahren Verzückung hebt Gott mit Gewalt die Seele ganz zu sich empor und zeigt ihr als seiner, ihm gehörigen Braut einen kleinen Teil des Reiches, das sie durch die Erhebung in den Brautstand gewonnen hat. So wenig auch das (was er ihr zeigt) sein mag, so ist doch alles viel, was dieser große Gott in sich begreift. Dabei duldet er kein Hindernis, weder von seiten der Vermögen, noch von seiten der Sinne, und darum gebietet er, dass schnell die Türen all dieser Wohnungen geschlossen werden; nur die des Gemaches, das er selbst bewohnt, bleibt offen, damit wir da eingehen können. Gepriesen sei eine so große Barmherzigkeit! Wahrhaftig, mit Recht werden jene verflucht werden, die sich diese nicht zunutze machen wollen und so diesen Herrn verlieren.

10. O meine Schwestern, alles war nichts, was wir verlassen haben, und alles ist nichts, so viel wir auch tun und tun könnten für einen Gott, der sich in solcher Weise einem Wurm mitteilen will. Wenn wir die Hoffnung haben, schon in diesem Leben ein solches Gut zu genießen, was tun wir denn? An was hängen wir noch unser Herz? Was vermag uns auch nur einen Augenblick davon abzuhalten, diesen Herrn zu suchen, wie ihn die Braut gesucht auf den Gassen und Straßen? O wie eitel ist alles auf der Welt, wenn es uns nicht zum Erwerb eines so großen Gutes verhilft und uns ihm nicht näher bringt! Und sollten auch die Freuden, die Reichtümer und die Genüsse der Welt, wie wir sie uns nur immer vorstellen können, ewig dauern, so ist dies alles doch nur ekelerregender Unrat im Vergleiche mit jenen Schätzen, die wir ohne Ende genießen werden. Ja, auch diese sind wie nichts im Vergleiche mit dem Besitze unseres Gottes selbst, des Herrn aller Schätze des Himmels und der Erde.

11. O der menschlichen Blindheit! Wann, ach wann wird dieser Erdenstaub von unseren Augen weggenommen werden? Bei uns Nonnen scheint er zwar nicht in dem Maße vorhanden zu sein, dass er uns gänzlich blendete; aber doch finde ich auch da so manche Stäubchen und Sandkörnlein, die imstande sind, uns großen Schaden zu verursachen, wenn wir sie anwachsen lassen. Wollen wir vielmehr, meine Schwestern, um der Liebe unseres Herrn willen diese Fehler uns dadurch zunutze machen, dass wir durch sie unser Elend kennenlernen und hellere Augen bekommen, wie der Kot dem Blinden, den unser Bräutigam geheilt, das Gesicht gegeben hat. So lasst uns denn beim Anblick so vieler uns anhaftenden Unvollkommenheiten diesen Bräutigam um so eifriger bitten, er möge aus unseren Armseligkeiten Gutes schaffen, damit wir Seiner Majestät in allem wohlgefallen.

12. Ich bin, ohne es bemerkt zu haben, weit abgekommen. Verzeiht mir, meine Schwestern, und glaubt es mir, dass ich bei diesen großen Erweisen göttlicher Liebe, ich will sagen, bei deren Besprechung es sehr beklagen muss, wenn ich sehe, wie viel wir durch unsere Schuld verlieren. Zwar sind dies Gnaden, die der Herr erweist, wem er will; allein wenn wir ihn liebten, wie er uns liebt, so würde er uns alles geben. Es ist ja sein einziges Verlangen, jemanden zu haben, dem er sie verleihen kann; denn dadurch vermindern sich seine Reichtümer durchaus nicht.

13. Um nun wieder auf das zu kommen, so befielt also der Bräutigam, dass die Türen der Wohnungen sowie der Burg und deren Einfriedung geschlossen werden. Wenn der Herr die Seele zur Verzückung erheben will, wird Ihr der Atem derart entzogen, dass sie durchaus nicht mehr sprechen kann. Die übrigen Sinne bleiben manchmal noch kurze Zeit frei, manchmal aber werden sie plötzlich alle miteinander entrückt. Es erkalten die Hände und der ganze Leib, so dass es den Anschein hat, die Seele sei entwichen; manchmal merkt man es nicht einmal, ob der Leib noch atme. Dieser Zustand dauert in einem fort nur eine kurze Zeit. Sobald diese gewaltige Entrückung etwas nachlässt, scheint der Körper wieder einiges Leben zu gewinnen und atmet wieder auf, um aufs neue zu sterben und der Seele ein neues Aufleben zu verschaffen; so währt denn bei all dem diese so große Ekstase nie lange.

14. Indessen kommt es doch vor, dass nach dieser Entrückung der Wille noch versenkt bleibt und der Verstand so verloren ist, dass er scheinbar nur auf das achten kann, was den Willen zur Liebe anzuregen vermag; denn davon ist er jetzt ganz eingenommen, während er sich den Geschöpfen gegenüber wie schlafend verhält und kein Verlangen hat, sich irgendwie damit zu beschäftigen. Dies dauert einen Tag oder auch mehrere Tage so fort.

15. Wie beschämt ist aber die Seele, wenn sie wieder ganz zu sich gekommen, und welch inniges Verlangen beseelt sie, sich dem Dienste Gottes hinzugeben, mag er sich ihrer nun in dieser oder jener Weise bedienen! Ja, wenn schon die früher erklärten Gebetsarten solche Wirkungen hervorbringen, wie groß wird erst die Wirkung dieser so großen Gnade sein? Die Seele möchte tausend Leben haben, um sie alle Gott weihen zu können; sie wünscht, es möchten alle Dinge dieser Welt lauter Zungen sein, um ihn in ihrem Namen zu loben. Übergroß ist ihr Verlangen nach Bußübungen, und keine Abtötung ist ihr zu schwer; denn bei der Macht ihrer Liebe empfindet sie alles, was sie hierin vollbringt, nur in geringerem Maße. Sie erkennt klar, dass die Märtyrer in ihren Qualen nicht viel gelitten, da letztere mit dieser Hilfe unseres Herrn leicht zu ertragen sind. Und so beklagen sich denn solche Seelen bei Seiner Majestät, wenn sich ihnen keine Gelegenheit zum Leiden darbietet.

16. Erweist ihnen Gott die Gnade der Verzückung im geheimen, so schätzen sie dies für ein großes Glück; geschieht es aber vor anderen Personen, dann fühlen sie sich sehr betroffen und beschämt. Sie werden bei der Besorgnis und Pein über den Gedanken, was etwa die Zeugen ihrer Verzückung urteilen mögen, im Genusse, der nachher noch fortdauert, einigermaßen gestört. Denn solche Seelen kennen die Bosheit der Welt und wissen, dass man vielleicht eine so große Gnade nicht für das hält, was sie ist, sondern daraus vielleicht Anlass zu freventlichen Urteilen nimmt, anstatt den Herrn dafür zu lobpreisen. In gewisser Beziehung scheint mir diese Beschämung und Pein ein Mangel an Demut zu sein, wenn auch die Seele daran nichts ändern kann. Denn wenn sie das Verlangen hat, verachtet zu werden, was kümmert sie sich dann um Tadel? Darum hat auch eine gewisse Person, die in dieser Betrübnis war, von unserem Herrn die Worte vernommen: »Betrübe dich nicht! Entweder werden jene mich lobpreisen oder übel wider dich reden; in beiden Fällen hast du Gewinn davon.« Später erfuhr ich, dass diese Person durch die angeführten Worte sehr ermutigt und getröstet wurde. Ich erwähne sie deshalb, damit sie auch in dieselbe Wirkung hervorbringen, wenn euch das gleiche Leid widerfährt. Der Herr will dem Anscheine nach alle zur Erkenntnis der Wahrheit führen, dass eine solche Seele ihm angehört und niemand sie antasten darf. An ihrem Leibe, an ihrer Ehre, an ihrer Habe mag dies wohl geschehen, weil dabei die Ehre der göttlichen Majestät gefördert wird; an der Seele aber darf dies nicht geschehen. Denn wenn sie sich nicht selbst durch ganz schuldbaren Frevel von ihrem Bräutigam trennt, so wird er sie gegen die ganze Welt und gegen die gesamte Höllenmacht beschützen.

17. Ich weiß nun nicht, ob ich jetzt die Verzückung einigermaßen verständlich dargestellt habe; denn es ist, wie schon erwähnt, unmöglich, sie in ganz klare Begriffe zu fassen. Ich erachte es nicht als schädlich, davon zu reden; denn es ist wichtig zu wissen, was wahre Verzückungen sind, um sie von Scheinverzückungen unterscheiden zu können, deren Wirkungen ganz anderer Art sind. Ich sage »Scheinverzückungen«, nicht geheuchelte Verzückungen, da jene, denen sie zuteil werden, andere nicht täuschen wollen, sondern selbst getäuscht sind. Da hier die Zeichen und Wirkungen den wahren Verzückungen, die eine große Gnade sind, nicht entsprechen, so kommen auch diese selbst in den Verdacht der Unechtheit, so dass man mit Grund auch jenen nicht mehr glaubt, die der Herr damit begnadigt. Er sei gelobt und gepriesen in Ewigkeit. Amen, Amen.

Fünftes Hauptstück

Fortsetzung desselben Gegenstandes. Die Heilige erklärt, wie Gott die Seele durch den Geistesflug in anderer Weise erhebt, als wie sie es bisher geschildert hat. Gründe, warum hier Mut notwendig ist. Sie gibt einige erhabene Erklärungen über die Gnade, die der Herr der Seele erweist. Die Lesung dieses Hauptstückes ist sehr nützlich.

3. Eine andere Art der Verzückung nenne ich Geistesflug. Sie ist ihrem Wesen nach mit den vorigen zwar eins, aber in ihrem Innern wird sie in einer von dieser ganz verschiedenen Weise empfunden. Zuweilen geschieht es, dass man urplötzlich eine rasche Regung der Seele wahrnimmt und der Geist mit einer solchen Schnelligkeit hingerissen zu werden scheint, dass man, besonders am Anfang, von großer Furcht befallen wird. Darum habe ich euch gesagt, dass jene, denen unser Herr solche Gnaden erweist, eines großen Mutes bedürfen; und ich füge noch hinzu, dass ihnen auch ein großer Glaube, inniges Vertrauen und eine entschiedene Hingabe an den Willen Gottes nötig ist, damit er mit der Seele tun kann, was ihm beliebt. Oder meint ihr, es sei ein geringer Schrecken, wenn man ganz bei Sinnen ist und wahrnimmt, wie die Seele — und nach dem, was wir von einigen lesen — mit ihr auch der Leib entrückt wird, ohne zu wissen, wie, von wem und wohin? Denn im ersten Augenblick dieser plötzlichen Erhebung ist man noch nicht so gewiss, ob sie von Gott ist.

2. Aber gibt es denn hier kein Mittel, um widerstehen zu können? In keiner Weise; im Gegenteil wird es, wie ich von einer gewissen Person weiß, durch Widerstand nur ärger. Es scheint, Gott wolle hier der Seele zu erkennen geben, dass sie fortan keine Macht mehr über sich habe, nachdem sie sich so oft und ernstlich seinen Händen übergeben und mit ganzem Willen sich ihm vollkommen zum Opfer gebracht hat; sie wird, wenn sie sich zu widersetzen versucht, nur in merklich gewaltsamer Erhebung entrückt. Darum hat sich auch jene Person vorgenommen, nicht mehr zu widerstehen, sondern sich den Händen dessen zu überlassen, der so mächtig ist. Sie wollte in dieser Beziehung dem Strohhalm gleichen, den der Bernstein an sich zieht, wie ihr vielleicht schon gelesen habt; denn sie sah ein, dass es hier des beste sei, aus der Not eine Tugend zu machen. Und weil ich eben den Strohhalm erwähnte, so versichere ich euch: Mit derselben Leichtigkeit, mit der ein großer, starker Mann einen Strohhalm aufhebt, entrückt dieser große und mächtige Riese den Geist.

3. In der vierten Wohnung, wenn ich nicht irre — denn gewiss weiß ich es nicht mehr —, sprach ich von einem Wasserbehälter, der ganz sanft und sachte, ich will sagen, ohne irgendeine Bewegung, sich anfüllt. Hier aber scheint es nicht anders, als ob der große Gott, der die Wasserquellen in seiner Hand hat und das Meer seine Grenzen nicht überschreiten lässt, die Quellen, von denen dem Behälter das Wasser zukommt, losströmen ließe, so dass mit großer Gewalt eine mächtige Welle sich erhebt, die das Schifflein unserer Seele in die Höhe treibt. Und wie ein Schiff von den daherbrausenden Wogen mit Gewalt fortgetrieben wird und weder vom Steuermann noch von allen, die es regieren, da festgehalten werden kann, wo sie wollen, ebensowenig und noch weniger vermag auch das Innere der Seele sich da festzuhalten, wo diese gerne wollte; sie kann auch nicht verhindern, dass ihre Sinne und Vermögen etwas anderes tun, als was ihnen befohlen ist. Auf äußeren Widerstand aber kommt es hier ohnehin gar nicht an.

4. Wahrhaftig, meine Schwestern, während ich dies schreibe, werde ich schon durch den bloßen Gedanken, wie sich hier die gewaltige Macht des großen Königs und Gebieters offenbart, von Schrecken erfasst; wie wird es erst denen ergehen, die diese Macht wirklich an sich erfahren? Ich bin der Meinung, dass selbst jene, die ganz in die Welt versunken sind, es nicht mehr wagen würden, die göttliche Majestät zu beleidigen, wenn sie sich ihnen so wie diesen Seelen offenbarte; dies würde, wenn nicht die Liebe, so doch die Furcht in ihnen bewirken. Welch große Verpflichtung, alle ihre Kräfte aufzubieten, um diesen Herrn nicht zu erzürnen, werden also jene haben, die durch diesen Vorgang darauf aufmerksam gemacht wurden, dass er sie einen so erhabenen Weg führt! Ich bitte euch, meine Schwestern, um Gottes willen: Wenn Seine Majestät euch diese oder ähnliche Gnaden verleihen sollte, so erweist euch doch ja nicht nachlässig, sie zu vergelten, und begnügt euch nicht schon mit deren Empfang! Bedenket, dass viel zahlen muss, wer viel schuldig ist!

5. Freilich ist auch hier großer Mut nötig, um den Anblick dieser Schuld ertragen zu können; denn ihre Größe drückt die Seele gar sehr danieder, und wenn ihr unser Herr diesen Mut nicht verleihen würde, müsste sie immer in großer Betrübnis leben. Sie sieht nämlich auf der einen Seite, wie viel der Herr an ihr tut; auf der anderen Seite aber nimmt sie wahr, wie wenig sie ihm dient im Vergleich mit dem, was sie ihm schuldet, und wie auch das Wenige, das sie tut, voll von Fehlern, Gebrechen und Schwachheiten ist. Um daher nicht immer an die Unvollkommenheit der guten Werke, die sie vollbringt, denken zu müssen, hält sie es für das Beste, sich der Erinnerung daran zu entschlagen, um ihre Sünden vor Augen zu behalten und sich der Barmherzigkeit Gottes zu überlassen. Diese Barmherzigkeit und Güte Gottes, die er immer den Sündern erwiesen, ruft sie an, dass sie ersetze, was ihr selbst zur Bezahlung ihrer Schuld fehlt.

6. Vielleicht wird der Herr einer solchen Seele die Antwort geben, die er einst einer gewissen Person gab, als sie ganz betrübt vor einem Kruzifix stand und erwog, wie sie noch nie etwas ihr eigen nennen konnte, das sie Gott geben oder um seinetwillen verlassen könnte. Um sie zu trösten, sprach der Gekreuzigte zu ihr: Ich schenke dir all die Schmerzen und Qualen, die ich in meinem Leben erduldet; du sollst sie als dein Eigentum annehmen und meinem Vater aufopfern. Dadurch fühlte sich diese Person, wie ich von ihr vernommen, so bereichert und getröstet, dass sie es gar nicht mehr vergessen kann; jedesmal wenn sie sich in diesem Elende sieht, schöpft sie aus der Erinnerung an diese Worte Mut und Trost. Ich wüßte noch vieles dieser Art zu erzählen, weil ich mit so vielen heiligen, dem Gebete ergebenen Personen verkehrt habe; allein damit ihr nicht etwa meint, als spreche ich von mir selbst, unterlasse ich es. Was ich aber hier angeführt, scheint mit von großem Nutzen zu sein; denn daraus könnt ihr ersehen, wie sehr es Unserem Herrn gefällt, wenn wir uns selbst erkennen und uns befleißen, immer wieder unsere Armut und unser Elend ins Auge zu fassen und zu bedenken, dass wir nichts besitzen, was wir nicht empfangen haben. Es ist also, meine Schwestern, hiezu Mut erforderlich sowie auch zu vielem anderen, was einer Seele begegnet, die der Herr bereits zu dieser Stufe erhoben hat. Nach meinem Dafürhalten ist zu letzterem noch mehr Mut notwendig als zu irgend etwas anderem, wenn es nicht an Demut fehlt, die der Herr in seiner Güte verleihen möge.

7. Kehren wir nun zu der so plötzlich eintretenden Geistesentrückung zurück. Sie vollzieht sich in einer Weise, dass es wahrhaft den Anschein hat, der Geist scheide vom Leibe; und doch ist es andererseits gewiss, dass die Person nicht tot ist. Sie kann indessen, wenigstens für einige Augenblicke, selbst nicht sagen, ob die Seele im Leibe ist oder außer dem Leibe. Ist sie aber wieder zu sich gekommen, so meint sie, in einem ganz anderen Lande gewesen zu sein als da, wo wir leben. Das Licht, das sich ihr dort zeigte, ist von dem irdischen so verschieden, dass sie sich davon, wie von anderen Dingen, die sie geschaut, unmöglich eine Vorstellung machen könnte, wenn sie auch ihr ganzes Leben lang sich abmühen würde. Auch wird ihr bei dieser Entrückung in einem Augenblick vieles auf einmal gelehrt, von dem sie, selbst wenn sie viele Jahre lang mit ihrem Verstande und mit ihrer Einbildungskraft sich mühen wollte, auch nicht den tausendsten Teil zu erdenken vermöchte. Dies ist keine Verstandesschauung, sondern eine bildhafte, die vor die Augen der Seele tritt, und zwar weit klarer, als wir hienieden etwas mit den Augen des Leibes sehen. Dabei wird sie über manches ohne Worte unterrichtet. Sie sieht z. B. irgendeinen Heiligen und erkennt ihn gerade so, als wenn sie oft und viel mit ihm verkehrt hätte.

8. Zuweilen werden einer solchen Person zugleich mit den Dingen, die sie mit den Augen der Seele wahrnimmt, durch eine Verstandesschauung noch andere Dinge gezeigt, insbesondere eine Schar von Engeln mit ihrem Herrn. Ohne dass sie etwas mit den Augen des Leibes oder der Seele sieht, erkennt sie dies und viele andere unbeschreibliche Dinge auf wunderbare Weise, die ich nicht zu erklären vermag. Wer dies schon erfahren und mehr Geschick dazu hat als ich, könnte sich vielleicht darüber aussprechen, aber für mich scheint es sehr schwer zu sein. Ob die Seele während dieser Vorgänge im Leibe oder außer ihm ist, kann ich nicht sagen; wenigstens möchte ich nicht schwören, dass die Seele im Leibe, noch auch, dass der Leib ohne die Seele sei.

9. Ich habe mir schon oft gedacht, ob hier nicht dieselbe Erscheinung zutage tritt, wie bei der Sonne und ihren Strahlen. Wenn auch die Sonne immer am Himmel steht, so haben doch ihre Strahlen eine solche Kraft, dass sie mit Schnelligkeit zur Erde sich niedersenken. In ähnlicher Weise könnte es auch hier geschehen; während die Seele, die mit ihrem Geiste wie die Sonne mit ihren Strahlen eins ist, in ihrem Wohnsitz bleibt, erhebt sie sich durch die Kraft der Wärme, die ihr von der wahren Sonne der Gerechtigkeit zuströmt, wenigstens bezüglich eines gewissen höheren Teiles über sich selbst. Doch ich weiß nicht, ob es wirklich so ist, wie ich sage; aber das eine ist wahr: Ebenso schnell, wie die Kugel beim Abfeuern der Büchse enteilt, erhebt sich im Innern der Seele etwas zum Fluge — ich kann es nicht anders nennen —, der zwar geräuschlos vor sich geht, aber doch eine deutlich fühlbare Bewegung hervorruft, so dass es durchaus keine bloße Einbildung sein kann. Während die Seele nach allem, was ich zu beurteilen vermag, ganz außer sich selbst ist, treten große und erhabene Geheimnisse vor ihr Geistesauge. Und ist sie wieder zu sich selbst zurückgekehrt, so sieht sie sich mit einem außerordentlichem Gewinne bereichert und achtet nun im Vergleich mit dem, was sie geschaut, alle irdischen Dinge nicht höher als Gassenkot. Sie lebt fortan ein sehr peinliches Leben auf Erden und findet unter allem, was sie zuvor hochschätzte, nichts mehr, worauf sie Wert legen könnte. Wie die vom Volke Israel in das Land der Verheißung gesandten Kundschafter Zeichen von dessen Fruchtbarkeit mit sich trugen, so scheint auch hier der Herr der Seele etwas von dem Lande, in das sie reisen soll, gezeigt zu haben, damit sie die Leiden dieses so mühevollen Weges um so leichter ertrage in dem Bewußtsein, dass ihre Wanderung der ewigen Ruhe zugeht. Ihr könntet meinen, etwas so schnell Vorübergehendes brächte nur geringen Nutzen; aber ich sage euch: Die Wirkungen, die diese Gnade in der Seele zurücklässt, sind so groß, dass nur der ihren hohen Wert zu schätzen weiß, der sie selbst erfahren hat.

10. Daraus kann man auch klar ersehen, dass so etwas nicht vom bösen Feinde kommt. Von seiten der Einbildungskraft ist hier ohnehin keine Täuschung möglich; aber auch der Teufel könnte in keiner Weise solche wirkungsvolle Dinge in der Seele hervorrufen, die eine so tiefe, friedvolle Ruhe und eine solche Förderung in ihr zurückließen. In dreifacher Weise wird hier die Seele in hohem Maße gefördert: Erstens durch die Erkenntnis der Größe Gottes; denn je mehr wir davon zu schauen bekommen, desto besser lernen wir sie kennen. Zweitens durch Selbsterkenntnis und Demut bei dem Gedanken, wie ein im Vergleich mit dem Schöpfer so großer Herrlichkeiten ganz elendes Wesen es gewagt habe, ihn zu beleidigen, und es ferner noch wage, zu ihm das Auge zu erheben. Drittens durch Geringschätzung aller Dinge dieser Erde, insofern sie nicht zum Dienste eines so großen Gottes verwendet werden können.

11. Dies sind die Kleinodien, die der Bräutigam seiner Braut zu verleihen beginnt. Sie sind so kostbar, dass es gewiss darauf achthaben wird, um sie nicht zu verlieren; denn die genannten Schauungen bleiben dem Gedächtnis so tief eingeprägt, dass sie die Seele meines Erachtens nie wieder vergessen kann, bis sie damit in alle Ewigkeit begnadigt wird. Würde sie diese Kleinodien aber verlieren, so wäre es der größte Schaden für sie. Doch der Bräutigam, der sie ihr schenkt, ist mächtig genug, ihr auch die Gnade zu verleihen, sie bewahren zu können.

12. Ich komme nun wieder auf den Mut zurück, der zum Empfang der besprochenen Gnaden notwendig ist. Glaubt ihr wohl, es handle sich hier um etwas Geringfügiges? Es ist in der Tat so, als trenne sich die Seele vom Leibe bei der Wahrnehmung des Versagens der Sinnestätigkeit, ohne dass sie weiß, warum dies geschieht. Doch der Herr, der alles übrige gibt, muss ihr auch diesen Mut verleihen. Ihr werdet da sagen, dass der Seele die ausgestandene Furcht gut belohnt werde; dasselbe sage auch ich. In Ewigkeit sei gepriesen, der so Großes geben kann! Seine Majestät verleihe uns die Gnade, dass wir würdig seien, ihr zu dienen! Amen.

Sechstes Hauptstück

Eine Wirkung des im vorigen Hauptstück besprochenen Gebetes, aus der man erkennen wird, dass es Wahrheit und keine Täuschung ist. Die Heilige spricht von einer anderen Gnade, die der Herr der Seele erweist, um sie zu seinem Lobe anzuregen.

3. Durch diese so großen Gnaden wird die Seele mit einem so heftigen Verlangen nach dem Vollgenuss des Spenders dieser Gnaden erfüllt, dass sie fortan in großer, aber wonnevoller Pein dahinlebt. Sie wünscht sehnlichst zu sterben und bittet Gott unter Tränen, die hier etwas ganz Gewöhnliches sind, er wolle sie aus dieser Verbannung hinwegnehmen. Alles, was sie hienieden erblickt, flößt ihr Ekel ein. Dagegen gewährt ihr die Einsamkeit großen Trost; aber nur zu bald stellt sich die Pein wieder ein, ohne die sie einmal nicht sein kann? Kurz, der kleine Schmetterling kann nie zu dauernder Ruhe gelangen, vielmehr wird die von der Liebe so tief berührte Seele bei jedem Anlass, der das Feuer in ihr noch mehr zur Entzündung bringt, zum Fluge getrieben. Und so wiederholen sich denn in dieser Wohnung die Verzückungen sehr häufig, ohne dass es ein Mittel gäbe, ihnen zu widerstehen, selbst wenn sie vor anderen geschehen. Dabei stellen sich auch bald Verfolgungen ein, so dass die Seele, wenn auch wider ihren Willen, doch nicht frei von Furcht sein kann; denn viele, namentlich die Beichtväter, bringen sie in Unruhe.

2. Einerseits scheint die Seele in ihrem Innern wohl im Besitze einer großen Sicherheit zu sein, besonders wenn sie mit Gott allein ist; andererseits aber ist sie doch sehr betrübt, weil sie fürchtet, vom Teufel getäuscht zu werden, der sie Vielleicht zur Beleidigung dessen verleiten wolle, den sie so innig liebt. Die bösen Reden, die über sie ergehen, bereiten ihr wenig Leid, wenn nicht der Beichtvater selbst sie bedrängt, gleich als ob sie diesen Gnaden widerstehen könnte. In dieser Lage weiß sie dann nichts anderes zu tun, als alle Menschen um ihr Gebet zu bitten und selbst die göttliche Majestät anzuflehen, sie möge sie doch einen anderen Weg führen; denn man veranlasst sie dazu mit dem Bemerken, dass der Weg, den sie wandle, sehr gefährlich sei. Dennoch sieht sie sich auf diesem Wege so sehr gefördert, dass sie nach allem, was sie sieht, hört und weiß, nicht anders urteilen kann, als sei dies der Weg der Gebote Gottes, der zum Himmel führt. Deshalb kann sie sich auch mit dem Wunsche, Gott möge sie einen anderen Weg führen, nicht abfinden, selbst wenn sie wollte, sondern nur seinen Händen sich überlassen. Aber gerade diese Unmöglichkeit, sich einen anderen Weg zu wünschen, peinigt sie beim Gedanken, sie widerspreche dem Willen des Beichtvaters; denn im Gehorsam und in der Vermeidung jeder Beleidigung unseres Herrn erkennt sie das einzige Mittel zur Bewahrung vor Täuschung. Und so würde sie denn auch keine freiwillige lässliche Sünde begehen; nach ihrer Überzeugung würde sie sich eher in Stücke zerhauen lassen. Sieht sie aber, wie sie noch so viele unfreiwillige Fehler begeht, so schmerzte sie dies sehr.

3. Gott verleiht solchen Seelen ein sehr heftiges Verlangen, ihm in keinem Stücke, so gering es auch sei, zu missfallen, ja selbst, wenn es möglich wäre, nicht einmal eine Unvollkommenheit zu begehen. Hätten sie auch keine andere Ursache, so möchten sie schon um dieser willen die Menschen fliehen und jene sehr beneiden, die in der Einsamkeit leben oder gelebt haben. Andererseits jedoch wäre es ihr Wunsch, sich mitten in die Welt zu begeben, um in etwa dazu beitragen zu können, dass eine Seele Gott mehr preise. Gehören diese Seelen dem weiblichen Geschlechte an, so schmerzt es sie, dass sie durch ihre natürlichen Verhältnisse daran gehindert sind; sie beneiden jene sehr, denen es freisteht, mit lauter Stimme auszurufen und zu verkünden, wer dieser große Gott der Heerscharen ist.

4. Ach, armer, kleiner Schmetterling, mit wie vielen Ketten bist du gefesselt, die dich nicht fliegen lassen, wie du es wünschest! O mein Gott, habe doch Erbarmen mit dieser Seele und gestatte, dass sie wenigstens in etwa ihr Verlangen nach deiner Ehre und Verherrlichung verwirklichen kann! Gedenke nicht ihrer geringen Verdienste und ihres niedrigen Geschlechtes! Du, o Herr, bist ja der Allmächtige, vor dem das große Meer und der große Jordan zurückweichen, um die Kinder Israels durchziehen zu lassen. Schone dieser Seele nicht; denn mit Hilfe deiner Macht kann sie durch viele Trübsale hindurchgehen. Sie ist bereit dazu und trägt Verlangen danach, sie auf sich zu nehmen. Strecke, o Herr, deinen mächtigen Arm aus und lasse nicht zu, dass sie ihr Leben mit so unbedeutenden Dingen verbringe! Offenbare deine Großmacht an diesem weiblichen und niedrigen Gefäße, auf dass die Welt erkenne, dass es aus sich selbst nichts vermag und die Menschen dich preisen! Denn das ist das Verlangen deiner Magd, dass durch ihr Bemühen nur eine einzige Seele mehr dich preise. Kostete es sie auch, was es wolle, so würde sie deshalb vor nichts zurückschrecken; hätte sie auch tausend Leben, sie würde sie opfern, obwohl sie in aller Wahrheit erkennt, dass sie es nicht verdient, um deinetwillen auch nur eine geringe Trübsal, geschweige denn den Tod zu leiden.

5. Ich weiß nicht, meine Schwestern, wozu und warum ich dies gesagt habe; denn ich habe mich selbst nicht verstanden. Wisset aber, dass dies die Wirkungen sind, die ohne allen Zweifel von diesen Entrückungen oder Ekstasen in der Seele bleiben; denn es sind nicht vorübergehende, sondern fortwährend andauernde Regungen, und wo immer eine Gelegenheit sich bietet, ihnen zu entsprechen, da zeigt es sich, dass sie keine Einbildungen sind. Aber warum nenne ich sie »fortwährend andauernde« Regungen, da doch die Seele zuweilen bei dem Kleinlichsten so verzagt und furchtsam ist, dass es ihr unmöglich scheint, zu etwas Mut zu fassen? Nach meiner Auffassung überlässt sie da der Herr ihrer natürlichen Schwäche, und zwar zu ihrem eigenen Besten; dadurch sieht sie ein, dass es ihr von der göttlichen Majestät verliehen wurde, wenn sie je zu etwas Mut gehabt. Dies tritt ihr mit einer Klarheit vor Augen, die sie ganz vernichtet und ihr die Erbarmung und Großmacht Gottes, die er an einem so niedrigen Geschöpfe geoffenbart hat, um so deutlicher zu erkennen gibt. Ihre gewöhnliche Stimmung ist jedoch so, wie oben dargelegt wurde.

6. Bezüglich jenes großen Verlangens, unseren Herrn zu schauen (das ich gleich anfangs erwähnte), müsst ihr, meine Schwestern, besonders eines beachten. Dieses Verlangen wird manchmal so quälend, dass ihr es nicht unterstützen dürft, sondern, wo möglich, euch davon abwenden müsst. Ich sage, »wenn es euch möglich ist«, denn bei jenem Verlangen, von dem ich später noch sprechen werde, ist dies, wie ihr sehen werdet, auf keine Weise möglich. Bei diesem ersteren aber kann es bisweilen geschehen, da die Vernunft ihrer noch mächtig genug ist, um sich in den Willen Gottes zu ergeben und zu sprechen, was der heilige Martin gesprochen hat. Man könnte auch den Betrachtungsstoff ändern, wenn dieses Verlangen recht quälend ist. Denn da es meines Erachtens nur bei Seelen zutage tritt, die schon weit vorangeschritten sind, so könnte etwa der Teufel in uns die Meinung erwecken, wir gehörten auch zu diesen vollkommenen Seelen. Immer aber ist es gut, in Furcht zu wandeln. Ich bin jedoch der Ansicht, dass der böse Feind die Ruhe und den Frieden, die diese Pein in die Seele gießt, nicht geben kann; er könnte (höchstens) bei diesem Verlangen die Leidenschaft erregen, wie wir sie empfinden, wenn wir wegen irdischer Dinge betrübt sind. Wer jedoch beides noch nicht erfahren hat, wird eine solche Täuschung des bösen Feindes nicht erkennen; er wird die durch ihn verursachte Pein, in der Meinung, sie sei etwas Großes, nach Möglichkeit noch steigern und dadurch seiner Gesundheit schaden, da diese Pein beständig andauert oder wenigstens die meiste Zeit empfunden wird.

7. Auch das müsst ihr beachten, dass eine schwächliche Natur gleichfalls Ursache solcher Peinen zu sein pflegt, besonders bei weichherzigen Personen, die wegen jeder Kleinigkeit weinen. Solchen Personen wird der Teufel tausendmal glauben machen, sie weinten aus Liebe zu Gott, wenn es auch nicht so ist. Es kann sogar vorkommen, dass sie eine Zeitlang dem großen Andrang der Tränen nicht widerstehen können, wenn sie nur ein Wörtchen von Gott hören oder erwägen; denn es hat sich ihres Herzens eine Stimmung bemächtigt, die sie mehr zum Weinen drängt als die Liebe, die sie zu Gott tragen. Ja, es scheint, sie könnten sich gar nicht satt weinen. Und da sie schon gehört haben, dass es um die Tränen etwas Gutes sei, so halten sie sich auch nicht zurück; sie möchten nichts als weinen, und fördern noch, soviel sie können, die Tränen. Die Absicht des Teufels aber geht dahin, sie zu schwächen, so dass sie in der Folge weder dem Gebete obliegen noch ihre Regel halten können.

8. Es scheint mir nun, als hörte ich euch sagen, was ihr denn tun solltet, da ich in allem Gefahr erblicke und selbst in einer so guten Sache, wie es die Tränen sind, Täuschung für möglich halte; ich selbst sei hier die Getäuschte. Allerdings kann ich mich irren; doch ihr dürft es mir glauben, ich würde dies nicht sagen, wenn ich mich nicht von der Möglichkeit einer solchen Täuschung an einigen Personen überzeugt hätte. Ich rede da nicht von mir selbst; denn ich bin gar nicht weichherzig, sondern habe im Gegenteil ein so hartes Herz, dass ich bisweilen darüber betrübt bin. Mag aber das Herz auch noch so hart sein, es träufelt doch gleich einem Destillierkolben, wenn das Feuer der Liebe groß ist, das im Innern brennt. Und kommen die Tränen von daher, so werdet ihr wohl merken, dass sie euch mehr stärken und beruhigen als aufregen, sowie auch, dass sie selten schaden. Übrigens hat eine Täuschung in dieser Beziehung doch noch das Gute, dass sie nur dem Körper, nicht aber der Seele schadet, vorausgesetzt, dass sie demütig ist; denn fehlte es ihr an Demut, dann wäre mit Grund auch für sie Schaden zu fürchten.

9. Wir dürfen nicht denken, mit vielem Weinen sei schon alles geschehen, wenn wir nicht Hand anlegen, viel zu wirken und die Tugenden zu üben; denn dies ist es, woran uns vor allem gelegen sein muss. Da mögen dann die Tränen kommen, wenn Gott sie uns gibt, ohne dass wir selbst uns anstrengen, sie hervorzulocken. Solche Tränen werden das trockene Erdreich unserer Seele befeuchten und viel dazu beitragen, dass es Frucht bringe, und dies um so mehr, je weniger wir uns um sie kümmern; denn dann sind sie Wasser, das vom Himmel fällt. Mühen wir uns aber ab im Nachgraben, um Wasser zu gewinnen, so ist das auf solche Weise gewonnene Wasser mit jenem anderen nicht zu vergleichen; und oft werden wir graben und uns abmühen und nicht einmal Pfützenwasser, geschweige denn Quellwasser finden. Darum, meine Schwestern, halte ich es für das beste, uns in die Gegenwart Gottes zu versetzen und seine Barmherzigkeit und Größe wie auch unsere eigene Niedrigkeit zu betrachten. Er gebe uns dann, was ihm beliebt, Wasser oder Trockenheit; denn er weiß besser als wir, was uns nützt. Auf diese Weise werden wir ruhig bleiben, und der Teufel wird weniger Gelegenheit haben, uns mit Blendwerken zu täuschen.

10. Nebst den übrigen Gnaden, die die Seele peinlich und wonnevoll zugleich berühren, verleiht ihr der Herr zuweilen auch einen gewissen inneren Jubel und ein so seltsames Gebet, dass sie gar nicht verstehen kann, was es ist. Ich erwähne dies, damit ihr wisset, dass so etwas vorkommt, und den Herrn recht sehr dafür preiset, wenn er euch damit begnadigt. Nach meinem Dafürhalten ist dies eine innige Vereinigung der Seelenvermögen mit Gott, nur dass ihnen der Herr, wie auch den Sinnen, Freiheit lässt, diese Freude zu genießen, ohne dass sie jedoch begreifen können, was sie genießen und wie sie es genießen. Das wird euch wie Kauderwelsch vorkommen, und doch ist es nicht anders. Diese Freude ist so überschwenglich groß, dass die Seele sie nicht für sich allein genießen, sondern sie allen verkünden möchte, damit alle ihr behilflich sind, unsern Herrn zu lobpreisen; denn dahin zielt all ihr Streben. Welch festliche Freudenkundgebungen würde sie veranstalten, wenn es ihr möglich wäre, damit alle Welt davon Kenntnis nähme! Es ist ihr, als habe sie sich selbst wieder gefunden und als wollte sie wie der Vater des verlorenen Sohnes, große Freudenfeste feiern und alle Menschen dazu einladen; sie sieht sich eben in einem Zustande, in dem sie, wenigstens für den Augenblick, nicht zweifeln kann, dass sie in Sicherheit ist. Und wahrlich, dazu hat sie meines Erachtens wohl guten Grund. Denn eine so große, vom Seelengrunde hervorgehende und von so tiefem Frieden getragene innere Freude kann unmöglich vom bösen Feinde kommen; die Seele findet ja nur darin ihr Genügen, alle Menschen zum Lobpreise Gottes aufzufordern. Bei einem so großen Antriebe der Freude ist es für die Seele schwer und keine geringe Pein, zu schweigen und das, was sie empfindet, zu verbergen.

11. Eine solche Freude mag wohl der hl. Franziskus empfunden haben, als er einst laut jubelnd über die Fluren ging und zu den ihm begegnenden Räubern sagte, er sei der Herold des großen Königs. Desgleichen andere Heilige, die in Einöden sich begaben, um, wie der hl. Franziskus, das Lob ihres Gottes zu verkünden. Ich habe selbst einen Heiligen gekannt — nach seinem Leben zu urteilen, muss ich ihn für einen solchen halten —, Pater Petrus de Alcántara ist sein Name, der das gleiche tat. Das Volk, das ihn zuweilen hörte, hielt ihn zwar für einen Toren, aber eine glückselige Torheit, meine Schwestern. Möchte sie nur Gott uns allen schenken! Welch große Gnade hat euch der Herr erwiesen, dass er euch an einen Ort geführt, wo man euch in dieser Torheit eher noch unterstützen würde, als dass man übel von euch redete, wie ihr es in der Welt zu gewärtigen hättet! Ich sehe voraus, dass Gott euch diese Torheit verliehe und ihr sie an den Tag legen würdet. In der Welt ist eben die Verkündigung des Lobes Gottes so wenig gebräuchlich, dass man sich nicht wundern könnte, wenn man deshalb verächtlich von euch spräche.

12. O unselige Zeiten, o elendes Leben, in dem wir jetzt leben! Selig jene, denen das gute Los zugefallen ist, fern von dieser Welt leben zu können! Manchmal bereitet es mir ein besonderes Vergnügen, wenn ich mit meinen Schwestern beisammen bin und sehe, wie sie innerlich voll so großer Freude sind und wetteifernd unseren Herrn dafür loben, dass sie sich im Kloster befinden; man merkt es bei ihnen ganz deutlich, dass ihre Lobpreisungen aus innerstem Herzensgrunde kommen. Ich wünsche, meine Schwestern, ihr möchtet dies recht oft tun; wenn eine den Herrn zu lobpreisen beginnt, so regt sie auch andere dazu an. Womit könnt ihr im (trautem) Zusammensein euere Zungen besser beschäftigen als mit dem Lobe Gottes, da wir so viele Ursache haben, ihn zu lobpreisen?

13. Möge uns Gott diese Art des Gebetes recht oft verleihen, die so sicher und so gewinnreich ist! Wir selbst können sie nicht erwerben; denn sie ist etwas ganz Übernatürliches. Sie währt manchmal einen Tag lang, und da ist der Seele zumut wie einem Menschen, der viel getrunken hat, aber doch nicht so viel, dass er von Sinnen wäre, oder wie einem Melancholischen, der zwar den Verstand nicht ganz verloren hat, aber doch von einem festgefassten Gedanken nicht lassen will, den ihm auch niemand ausreden kann. Es sind dies freilich sehr rohe Vergleiche zur Erklärung einer so kostbaren Sache, aber mein Verstand findet keine anderen. Diese Freude ruft in der Tat in der Seele ein solches Vergessen ihrer selbst und aller Dinge hervor, dass sie auf nichts merkt und von nichts zu reden weiß als von der ihr innewohnenden Freude, vom Lobe Gottes. Unterstützen wir alle, meine Töchter, eine solche Seele! Warum wollten wir weiser sein als sie? Was könnte uns größeres Vergnügen bereiten, als Gott zu preisen? Ja, mögen uns alle Geschöpfe helfen, Gott zu loben und zu preisen in alle Ewigkeit! Amen! Amen! Amen!

Siebentes Hauptstück

Die Heilige spricht davon, welch große Reue die Seelen über ihre Sünden empfinden, denen Gott die besprochenen Gnaden verleiht. Jene irren sehr, die das Andenken an die Menschheit unseres Herrn und Heilandes Jesu Christi, an sein heiligstes Leben und Leiden sowie an seine glorwürdige Mutter und an seine Heiligen außer acht lassen, mögen sie auch im geistlichen Leben noch so weit vorangeschritten sein. Die Lesung dieses Hauptstückes ist von großem Nutzen.

3. Jene von euch, meine Schwestern, die die besprochenen erhabenen Gnaden noch nicht zu kosten bekommen haben, werden vielleicht der Ansicht sein, als wären die Seelen, denen der Herr sich in so besonderer Weise mitteilt, des Genusses Gottes für immer so sicher, dass sie nichts mehr zu fürchten und ihre Sünden nicht mehr zu beweinen hätten. Dies wäre aber ein großer Irrtum, und wer solche Gnaden in Wahrheit schon gekostet hat, wird dies verstehen. Denn der Schmerz über unsere Sünden nimmt nach dem Maße der Gnaden zu, die wir vom Herrn empfangen; und nach meinem Dafürhalten findet er kein Ende, bis wir einmal dort sind, wo es keine Pein mehr geben kann.

2. Allerdings ist dieser Schmerz zuzeiten quälender als sonst und wird auch in anderer Weise empfunden, da die Seele nicht an die durch ihre Sünden verdiente Strafe, sondern an den großen Undank denkt, den sie gegen den begangen, dem sie so viel schuldet und der in so hohem Maße unseres Dienstes würdig ist; denn aus der Größe der Gnaden, die Gott ihr mitteilt, erkennt sie weit mehr seine eigene Größe. Sie wundert sich deshalb darüber, wie sie so vermessen sein konnte, einen so großen Gott zu beleidigen; sie beweint ihre geringe Ehrfurcht gegen ihn und kann nicht genug ihre große Torheit beklagen, wenn sie bedenkt, wie sie um so niedriger Dinge willen eine so große Majestät verlassen hat. Diese Torheit bleibt mehr in ihrer Erinnerung haften als die empfangenen Gnaden. Sind diese auch so erhaben, wie sie hier beschrieben wurden und noch beschrieben werden, so kommt es der Seele doch so vor, als ob sie von einem gewaltigen Strome gebracht und von diesem alsbald auch wieder mit fortgerissen würden. Ihre Sünden dagegen erscheinen ihr wie eine stehende Pfütze, da sie zu ihrem großen Schmerze immer neu in der Erinnerung aufleben.

3. Ich kenne eine Person, die neben dem Verlangen zu sterben, um Gott zu schauen, auch deshalb nach dem Tode sich sehnte, um nicht beständig von der Erinnerung an ihren Undank gegen den gequält zu werden, dem sie immer so vieles zu verdanken hatte und so vieles schuldig war. Sie war darum der Meinung, keines Menschen Sünden könnten den ihrigen gleichen, ja dass es keinen Menschen gäbe, den Gott mit so großer Langmut ertragen und dem er so viele Gnaden erwiesen hätte. Vor der Hölle haben solche Seelen keine Furcht, wohl aber werden sie von der Furcht, Gott zu verlieren, manchmal, jedoch selten, sehr gequält. Sie fürchten nur das eine, Gott möchte seine Hand von ihnen zurückziehen, so dass sie ihn beleidigen und wieder in den elenden Zustand geraten würden, in dem sie sich vor Zeiten befanden. Um ihre (dereinstige) Pein oder Glorie sind sie aber unbekümmert, und wenn sie nicht lange im Fegfeuer zu bleiben verlangen, so nur deshalb, weil sie dort fern von Gott sein müssten, nicht wegen der zu erleidenden Peinen.

4. Ich hielte es nicht für sicher, wenn eine Seele, sei sie auch von Gott noch so hoch begnadigt, den elenden Zustand vergessen würde, in dem sie sich einmal befand. Dagegen ist ihr die Erinnerung daran, wenn auch peinlich, doch in vieler Hinsicht nützlich. Vielleicht kommt dies nur mir so vor, weil ich so böse war; dies wird auch der Grund sein, warum mir meine Sünden beständig vor Augen schweben. Jene, die fromm gelebt, werden diese Pein nicht empfinden, wiewohl es, solange wir in diesem sterblichen Leibe leben, immer Armseligkeiten gibt. In dieser Pein findet die Seele auch keine Linderung beim Gedanken, unser Herr habe ihre Sünden schon verziehen und vergessen; vielmehr empfindet sie dieselbe nur um so schmerzlicher, wenn sie an die so große Güte Gottes und an die empfangenen Gnaden denkt, während sie dafür die Hölle verdient hätte. Meines Erachtens muss dieser Gedanke für den hl. Petrus und die hl. Magdalena eine große Qual gewesen sein; da beide eine so feurige Liebe im Herzen trugen, mit so vielen Gnaden überhäuft waren und die Größe und Majestät Gottes so gut kanntest, wird ihnen das Andenken an ihre Sünden schwer genug gefallen sein und das innigste Reuegefühl in ihnen erweckt haben.

5. Vielleicht lebt ihr auch im Glauben, dass eine Seele, die sich des Genusses so hoher Gnaden erfreut, nicht mehr die Geheimnisse der heiligsten Menschheit unseres Herrn betrachten werde, da sie nun ganz in Liebe aufgehe. Es ist dies etwas, worüber ich schon anderswo ausführlich geschrieben habe. Man hat mir zwar widersprochen und gesagt, ich verstehe diese Sache nicht; es gebe verschiedene Wege, auf denen unser Herr die Seelen führe. Habe man die ersten Anfänge bereits hinter sich, so sei es besser, über die körperlichen Dinge hinwegzugehen und sich nur mit der Betrachtung der Gottheit zu befassen; allein man wird mich nie dahin bringen, zu behaupten, dieser Weg sei gut. Es ist möglich, dass ich mich irre und wir alle das gleiche sagen. Indessen habe ich doch erkannt, dass mich der Teufel in diesem Stücke hat täuschen wollen, und so bin ich durch die Erfahrung klug geworden. Darum will ich, obgleich ich schon öfter über diesen Punkt gesprochen, doch hier noch einmal davon zu euch reden, damit ihr hierin ja recht vorsichtig seiet. Sollte euch aber jemand das Gegenteil sagen, so schenkt ihm — ich wage es, euch kühn dazu aufzufordern — keinen Glauben. Ich will mir Mühe geben, mich hier deutlicher auszusprechen als anderwärts! Denn wenn ein Gewisser, der nach seiner Bemerkung über diesen Punkt so geschrieben hat, sich ausführlicher erklärt haben würde, hätte er vielleicht das Rechte gesagt; aber so —etwas nur im allgemeinen sagen, kann uns sehr schädlich sein, da wir so wenig verstehen.

6. Es mag auch Seelen geben, die nach ihrer Meinung unmöglich an das Leiden Christi denken können; sie werden infolgedessen sich noch weniger in Gedanken mit der seligsten Jungfrau oder mit dem Leben der Heiligen beschäftigen können, während doch diese Gedanken so förderlich und so ermutigend für uns sind. An was aber solche Seelen dann noch denken, wenn sie sich von allem Körperlichen abwenden, begreife ich nicht; denn immer von Liebe entflammt sein, ist den Engeln eigen, die reine Geister sind, nicht aber uns, die wir noch im sterblichen Leibe leben. Uns tut es not, an jene zu denken, mit denen uns zu beschäftigen und denen uns beizugesellen, die in demselben sterblichen Leibe so große Taten für Gott vollbracht haben. Um wieviel nachteiliger aber wäre es für uns, wollten wir uns von dem Andenken an die heiligste Menschheit unseres Herrn Jesu Christi, der wir unsere ganze Rettung und all unser Heil verdanken, mit Absicht abwenden! Ich kann auch nicht glauben, dass jene Seelen dies tun, sondern dass sie nur sich selbst nicht verstehen. Auf solche Weise aber schaden sie sich selbst und anderen. Wenigstens versichere ich sie, dass sie so in die beiden letzten Wohnungen nicht eingehen werden; denn weil sie den Führer, den guten Jesus, verlieren, werden sie den Weg dahin nicht finden; und es wird schwer für sie sein, in den anderen Wohnungen sicher bleiben zu können. Sagt ja der Herr selbst, er sei der Weg, er sei das Licht; niemand könne zum Vater kommen, außer durch ihn; und: »Wer mich sieht, der sieht auch den Vater.« Man wird vielleicht sagen, diese Worte hätten einen anderen Sinn; aber ich kenne keinen anderen als den ihnen hier beigelegten, den meine Seele immer als wahr erkannte, und bei dessen Befolgung es mir sehr gut ging.

7. Schon viele Seelen haben sich mit mir über diesen Punkt besprochen; sie möchten, wenn sie unser Herr zur vollkommenen Beschauung erhoben, fortwährend in diesem Zustande bleiben. Allein dies kann nicht sein. Indessen bringt doch diese Gnade die bleibende Wirkung in ihnen hervor, dass sie nicht mehr so wie früher über die Geheimnisse des Lebens und Leidens Christi nachdenken können. Was die Ursache davon ist, weiß ich nicht; aber es ist etwas ganz Gewöhnliches, dass der Verstand jetzt zum Betrachten weniger fähig ist. Ich glaube, dass dies daher kommt, dass bei der Betrachtung alles darauf zielt, Gott zu suchen; deshalb will sich die Seele, nachdem sie einmal Gott gefunden und ihn nur mit Hilfe des Willens aufs neue zu suchen gewohnt ist, durch die Tätigkeit des Verstandes nicht mehr ermüden. Auch scheint mir der Wille, diese edle Kraft, die schon entzündet ist, auf die andere Kraft verzichten zu wollen, wenn sie könnte; und sie hat nicht unrecht. Aber es wird dies, besonders so lange die Seele noch nicht zu diesen letzten Wohnungen gelangt ist, nicht möglich und Zeitverlust sein, weil der Wille zu seiner Entflammung noch gar oft der Beihilfe des Verstandes bedarf.

8. Beachtet, meine Schwestern, diesen Punkt! Denn er ist von Wichtigkeit, und deshalb will ich mich näher darüber aussprechen. Die Seele hat das Verlangen, sich ganz der Liebe hinzugeben, und möchte auf gar nichts anderes mehr achten; allein sie wird, wenn sie sich wollte, dies nicht vermögen. Ist auch der Wille nicht erstorben, so ist doch das Feuer, das ihn gewöhnlich entzündet, am Erlöschen und muss wieder angefacht werden, damit es aufs neue Wärme von sich ausströme. Wäre es da wohl gut, wenn die Seele in dieser Dürre verharrte und gleich unserem Vater Elias Feuer vom Himmel erwartete, damit es das Opfer ihrer selbst, das sie Gott darbringen will, verzehre? Wahrlich, nein; denn man darf nicht Wunder erwarten. Der Herr wird sie, wie ich schon gesagt und noch sagen werde, zum Frommen der Seele wirken, wenn es ihm gefällt; allein nach dem Willen Seiner Majestät sollen wir uns für so böse halten, dass wir ein Wunder von seiner Seite nicht verdienen, und in allem die Mittel anwenden, die uns zu Gebote stehen. Dies ist meines Erachtens notwendig, bis wir sterben, mögen wir auch eine noch so hohe Gebetsstufe erreicht haben.

9. Zwar haben jene, die der Herr schon in die siebente Wohnung eingeführt, nur sehr selten oder fast nie mehr nötig, sich mit dem Verstande zu betätigen; ich werde den Grund dafür noch angeben, wenn ich es nicht vergesse. Aber dort wandeln die Seelen beständig mit Christus, unserem Herrn, auf eine wunderbare Weise, in der er, der Gottmensch, immer ihr Begleiter ist. Wenn also das besagte Feuer im Willen nicht brennt und wir die Gegenwart Gottes nicht fühlen, so müssen wir sie nach dem Willen Seiner Majestät suchen, wie die Braut im Hohenliede es getan, und mit dem heiligen Augustin, der dies — ich glaube in seinen Betrachtungen oder in seinen Bekenntnissen — von sich selbst sagt, die Geschöpfe fragen, wer sie erschaffen hat. Aber wir sollen nicht als Toren die Zeit vergeuden in Erwartung dessen, was uns einmal gegeben wurde; denn am Anfang kann es geschehen, dass ein Jahr oder auch viele Jahre vergehen, bis uns der Herr diese Gnade wieder verleiht. Den Grund davon, der Seiner Majestät bekannt ist, sollen wir nicht zu wissen begehren, zumal es uns doch nichts nützen würde. Es sei uns genug, den Weg zu kennen, den wir wandeln müssen, um Gott zu gefallen, nämlich den Weg seiner Gebote und Räte. Auf diesem Wege lasst uns unermüdlich wandeln und dabei eifrig des Lebens und des Todes unseres Herrn sowie der großen Schuld, die wir ihm gegenüber haben, eingedenk sein! Das übrige mag kommen, wenn Seine Majestät es uns geben will.

10. Doch entgegnet man mir, dass man sich bei diesen Gegenständen nicht aufhalten könne, und in gewissem Sinne hat man dem Gesagten zufolge vielleicht auch recht. Ihr wisst schon, dass es etwas anderes ist, mit dem Verstande nachzusinnen, und etwas anderes, dem Verstande durch das Gedächtnis eine Wahrheit einfach vorzustellen. Ihr erwidert mir vielleicht, dass ihr mich nicht versteht, und es kann wirklich auch sein, dass ich mich selbst nicht verständlich genug darüber aussprechen kann; indessen will ich es doch tun, so gut ich es vermag. Betrachten nenne ich ein längeres Nachsinnen des Verstandes, das sich in folgender Weise vollzieht: Wir beginnen z. B. über die Gnade nachzudenken, die uns Gott dadurch erwiesen, dass er uns seinen einzigen Sohn geschenkt hat. Dabei bleiben wir aber nicht stehen, sondern durchgehen die Geheimnisse seines ganzen glorreichen Lebens. Oder wir beginnen mit seinem Gebete im Garten, und der Verstand verfolgt dann die Leiden des Herrn weiter bis zur Kreuzigung. Oder wir nehmen von diesem Leiden eines heraus, z. B. die Gefangennahme, den Verrat des Judas, die Flucht der Apostel usw., und erwägen da einzeln alles, was sich uns zum Betrachten bietet und das Herz rühren kann. Dies ist ein wundersames und sehr verdienstliches Gebet.

11. Dieses Gebet meine ich, wenn ich sage, dass jene Seelen, die Gott schon zu übernatürlichen Dingen und zur vollkommenen Beschauung erhoben hat, recht haben mögen (mit ihrer Behauptung, es nicht üben zu können). Ich kann nur so viel sagen, dass solche Seelen zu dieser Art des Gebetes meistens nicht fähig sind. Sagen sie aber, sie könnten sich mit diesen Geheimnissen gar nicht beschäftigen und sie nicht oft sich vergegenwärtigen, insbesondere, wenn die katholische Kirche sie feiert, so werden sie nicht recht haben. Denn unmöglich kann die Seele die Erinnerung an so kostbare, von Gott empfangene Beweise seiner Liebe verlieren, da sie lebendige Funken sind, die ihre Liebe zu unserem Herrn noch mehr entzünden; nur versteht die Seele sich selbst nicht, da sie diese Geheimnisse auf eine vollkommenere Weise erkennt. Der Verstand stellt sich nämlich diese Geheimnisse so lebendig vor, und sie prägen sich dem Gedächtnisse so tief ein, dass die Seele den Herrn, z. B. wie er im Garten niedergeworfen ist auf sein Angesicht und blutigen Schweiß vergießt, nur ansehen darf, um sich nicht bloß eine Stunde, sondern mehrere Tage lang mit diesem Geheimnisse zu beschäftigen. Mit einem einfachen Blicke schaut sie da, wer dieser Herr ist, und wie undankbar wir gegen ihn für eine so große Pein gewesen sind; sofort tritt auch der Wille hinzu und verlangt, wenn auch nicht mit fühlbarer Andacht, dem Herrn für eine so große Gnade in etwa zu dienen und wenigstens etwas für den zu leiden, der so viel für uns gelitten hat. So und auf ähnliche Weise beschäftigt der Wille das Gedächtnis und auch den Verstand.

12. Ich glaube im eben Gesagten den Grund zu sehen, weswegen die Seele über das Leiden des Herrn nicht mehr nachdenken kann; es scheint ihr, als vermöge sie nicht einmal mehr daran zu denken. Aber wenn sie sich wirklich von dieser Meinung einnehmen lässt, dann ist es gut, dass sie sich aufraffe und sich (mit dem Gedanken an die Menschheit des Herrn) befasse; denn ich weiß, dass selbst die erhabenste Gebetsweise dadurch nicht behindert wird. Ich halte es nicht für gut, wenn sich die Seele nicht häufig damit beschäftigt. Will dann der Herr sie aus dieser gewöhnlichen Gebetsweise zu sich emporheben, wohlan, dann sei es; denn dann wird er sie, auch wenn sie nicht will, von der gewohnten Übung abstehen lassen. Ein solches Verhalten ist nach meiner Ansicht der Seele kein Hindernis, sondern im Gegenteil zu allem Guten sehr förderlich. Ein Hindernis wäre für sie nur das, dass sie sich, wie oben erwähnt, mit schlussfolgerndem Nachsinnen des Verstandes sehr anstrengen würde. Doch dazu wird eine Seele, die schon eine höhere Stufe des Gebetes erreicht hat, ohnehin nicht fähig sein; immerhin aber wäre es möglich, da der Herr die Seelen auf verschiedenen Wegen führt. Ich sage darum: Man möge jene nicht verurteilen, die mit dem Verstande nicht mehr nachsinnen können, sie aber auch nicht für unfähig halten, sich dem Genusse so großer Güter hinzugeben, wie sie in den Geheimnissen (der Menschheit) Jesu Christi, unseres höchsten Gutes, verborgen sind. Kein Mensch, mag er auch im geistlichen Leben noch so erfahren sein, wird mich überzeugen, dass ein Weg gut sei, auf dem man nicht oft diese Geheimnisse erwägt.

13. Manche Seelen, die noch nicht zu den höheren Stufen des übernatürlichen Gebetes gelangt sind, sondern erst die Tröstungen und Süßigkeiten zu kosten beginnen, sind der Ansicht, durch beständige Hingabe an diese Genüsse etwas Großes zu erleben. Solche Seelen mögen mir glauben und sich, wie ich schon an einer anderen Stelle erwähnt habe, nicht allzusehr diesen Genüssen überlassen. Das Leben ist so lang und so reich an Leiden, dass wir auf Christus, unser Vorbild, schauen und die Gesinnung betrachten müssen, mit der er seine Leiden ertragen hat, damit auch wir die unsrigen in christlicher Vollkommenheit hinnehmen; dazu soll uns auch das Beispiel seiner Apostel und Heiligen dienen. Die Gesellschaft des guten Jesus und seiner heiligsten Mutter ist uns so überaus nutzbringend, dass wir uns nie davon trennen sollten. Auch gereicht es dem Herrn zu großem Wohlgefallen, wenn wir mit seinen Schmerzen Mitleid haben, mag es dabei auch zuweilen geschehen, dass wir unsere eigene Freude und Wonne zum Opfer bringen müssen. Überdies, meine Töchter, werden uns die Wonnegenüsse im Gebete nicht so gewöhnlich zuteil, dass für andere Übungen keine Zeit mehr bliebe. Wollte mir aber eine entgegnen, diese Wonnegenüsse würden bei ihr beständig andauern, so dass sie sich mit der Betrachtung der Menschheit Jesu Christi gar nicht beschäftigen könne, so hielte ich das für etwas Verdächtiges; auch ihr sollt es so ansehen, wenn euch je so etwas begegnen sollte. Sucht alsdann von dieser Täuschung frei zu werden und alle euere Kräfte anzuwenden, um euch aus einer solchen Sinnesbetäubung zu erheben. Habt ihr damit keinen Erfolg, so meldet es der Priorin, damit sie euch ein Amt übertrage, das euere Sorge so in Anspruch nimmt, dass ihr von einem Zustande befreit werdet, der bei längerer Dauer wenigstens für den Verstand und den Kopf sehr gefährlich wäre.

14. Ich glaube nun zur Genüge erklärt zu haben, dass keiner sich vor bildhaften, körperlichen Vorstellungen scheuen dürfe in der Meinung, es könnte selbst das Bild der allerheiligsten Menschheit ihm nachteilig sein. Jene, die dies behaupten, fühlen führen die Worte des Herrn an seine Jünger an: »Es ist gut für euch, dass ich hingehe«, "ich kann es aber nicht ertragen, dass man diese Worte so auslegt. Zu seiner heiligsten Mutter hat der Herr diese Worte, wahrlich nicht gesprochen. Denn sie stand fest im Glauben und wußte, dass er Gott und Mensch zugleich ist; und obwohl sie mit größerer Liebe an ihm hing als die Jünger, so war doch diese ihre Liebe so vollkommen, dass seine Gegenwart ihr nur förderlich war. Die Apostel dagegen mögen damals noch nicht so im Glauben befestigt gewesen sein, wie sie es später geworden und wie wir es billigerweise jetzt sein sollen. Ich versichere euch, meine Töchter, dass ich den Weg, auf dem man fern von dem Andenken an die heiligste Menschheit unseres Erlösers wandelt, für gefährlich halte. Auf diesem Wege könnte es der Teufel wohl auch dahin bringen, dass wir selbst die Andacht zum Allerheiligsten Sakramente aus dem Auge verlieren würden.

15. Mich führte der Irrtum, in dem ich mich meines Erachtens einst befand, freilich nicht so weit; ich dachte nur nicht mehr so gern an unseren Herrn Jesus Christus und überließ mich dafür jenem besinnungsraubenden Versunkensein, das immer auf geistigen Genuss wartete. Ich erkannte aber klar, dass es nicht gut mit mir stand; denn da ich nicht immer in diesen Genuss vertieft sein konnte, schweiften meine Gedanken hin und her, und meine Seele kam mir vor wie ein umherflatternder Vogel, der keinen Ruhepunkt findet; ich verlor da viele Zeit, schritt in den Tugenden nicht voran und kam auch im Gebete nicht vorwärts. Die Ursache davon erkannte ich nicht und würde sie meines Erachtens auch nicht erkannt haben, hätte mich nicht ein Diener Gottes, mit dem ich mich über mein Gebet besprach, darüber aufgeklärt; denn ich war der Meinung, recht gut zu handeln. Daraufhin sah ich klar ein, in welch großem Irrtume ich mich befunden, und noch jetzt kann ich es nicht genug bedauern, dass es je eine Zeit gegeben, in der ich nicht erkannte, dass man auf solche Weise nur viel verlieren, aber nichts gewinnen kann. Doch wenn auch etwas dabei zu gewinnen wäre, so möchte ich mir doch kein Gut erwerben, das mir nicht durch den zuteil werde, durch den uns alle Güter zugekommen sind. Amen.

Achtes Hauptstück

Die Heilige spricht davon, wie sich Gott der Seele durch Verstandesschauungen mitteilt, und gibt dazu einige Belehrungen. Wirkungen einer solchen Schauung, wenn sie echt ist. Empfehlung, diese Gnade geheim zu halten.

3. Damit ihr euch, meine Schwestern, von der Wahrheit meiner Worte noch mehr überzeuget und auch sehet, dass die Seele um so mehr vom guten Jesus begleitet ist, je weiter sie voranschreitet, wird es nützlich sein zu zeigen, wie wir seinem Willen entsprechend nur in seiner Gesellschaft wandeln müssen. Die Seele erkennt seine Anwesenheit deutlich aus der Art seiner Mitteilungen und Liebesbezeigungen, nämlich durch Erscheinungen und Schauungen. Diese sind so wunderbar, dass ihr euch leicht darüber entsetzen könntet, falls der Herr euch eine dieser Gnaden erweisen sollte und ihr noch nichts davon gehört hättet. Ich will darum, wenn anders Seine Majestät mir dazu behilflich ist, in Kürze davon sprechen. Erweist euch aber der Herr eine solche Gnade nicht, so soll deren Kenntnis dazu dienen, ihn von ganzem Herzen zu lobpreisen, dass er, als ein Herr von so großer Majestät und Macht, sich in so herablassender Weise einem Geschöpfe mitteilen will.

2. Während die Seele an den Empfang einer solchen Gnade gar nicht denkt und nicht einmal den Gedanken hegt, sie zu verdienen, kommt es vor, dass sie neben sich Jesus Christus, unseren Herrn, gewahrt, obschon sie ihn weder mit den Augen des Leibes noch mit den Augen der Seele sieht. Man nennt dies, ich weiß nicht warum, eine Verstandesschauung. Ich kenne eine Person, der Gott außer anderen Gnaden, von denen ich noch sprechen werde, auch die erwähnte verliehen hat. Anfangs war sie darüber sehr bekümmert; denn da sie nichts sah, konnte sie die Schauung gar nicht erklären. Sie erkannte Jesus Christus, unsern Herrn, der sich ihr in dieser Weise zeigte, so gewiss, dass sie daran, ich will sagen, an der Wirklichkeit dieser Schauung, gar nicht zweifeln konnte. Da sie aber von Verstandesschauungen nie etwas gehört hatte und an deren Wirklichkeit nicht dachte, so war sie in bangem Zweifel darüber, ob diese Schauung von Gott sei oder nicht, obgleich deren großartige Wirkungen sie erkennen ließen, dass sie von Gott komme. Das aber erkannte sie ganz klar, dass dieser Herr es ist, der in der früher genannten Weise zu ihr spricht; denn obgleich sie die Worte verstand, wußte sie nie, wer zu ihr redete, bis er ihr die Gnade dieser Schauung erwies. Sie war jedoch bezüglich dieser Schauung in Furcht, weil sie nicht so schnell vorübergeht, wie die bildhaften, sondern mehrere Tage lang und zuweilen über ein Jahr andauert.

3. Voll Kummer begab sie sich darum, wie ich weiß, zu ihrem Beichtvater. Dieser fragte sie, wie sie denn wisse, dass unser Herr es sei, da sie doch nichts sehe. Sie sollte ihm sagen, was er für ein Antlitz habe. Darauf antwortete sie, das wisse sie nicht; sie sehe kein Antlitz und könne überhaupt nicht mehr angeben, als was sie gesagt habe. Sie wußte nur das eine, dass sie die Gegenwart dessen wahrnahm, der zu ihr sprach, und dass dies keine Einbildung war. Man flößte ihr zwar große Angst ein, aber oftmals konnte sie an der Wahrheit dieser Schauung gar nicht zweifeln, insbesondere wenn der Herr zu ihr sprach: »Habe keine Furcht, ich bin es.« Diese Worte hatten eine solche Kraft, dass sie dann unmöglich mehr zweifeln konnte. Auch fühlte sie sich sehr gestärkt und erfreut durch eine so gute Gesellschaft, da sie deren großen Nutzen klar erkannte. Denn diese gute Gesellschaft veranlasste sie, häufig an Gott zu denken und sich sorgfältig vor allem zu hüten, was ihn beleidigen konnte; es schien ihr, als blicke er beständig auf sie. Sooft sie beim Gebete oder auch bei anderer Tätigkeit mit ihm reden wollte, schien er ihr so nahe zu sein, dass er sie unbedingt hören musste; seine Worte jedoch hörte sie nicht, wenn sie wollte, sondern unerwartet, wenn es ihr notwendig war. Sie gewahrte ihn zu ihrer rechten Seite, aber nicht in der Weise, wie wir jemand, der neben uns steht, mit unseren Sinnen wahrnehmen können; denn die Wahrnehmungsweise ist hier ganz anders und viel zarter, so dass sie wohl niemand zu erklären vermag. Dennoch ist diese Wahrnehmung ebenso gewiss, ja noch gewisser, als jede sinnliche Wahrnehmung; kann man sich bei letzterer noch täuschen, so ist dies hier unmöglich, da die Wahrnehmung begleitet ist von großen Vorteilen und inneren Wirkungen, die nicht eintreten könnten, wenn Melancholie dabei im Spiele wäre. Auch der Teufel könnte die Seele nicht so im Guten fördern; in diesem Falle würde ihr jener tiefe Friede, jenes beständige Verlangen, Gott zu gefallen, und jene gründliche Verachtung alles dessen fehlen, was nicht zu ihm führt. Später erkannte jene Person klar, dass sie nicht vom Teufel betrogen sei, da der Herr sich ihr immer deutlicher zu erkennen gab.

4. Bei all dem war sie jedoch meines Wissens zu Zeiten in großer Furcht und mitunter auch in größter Beschämung, weil sie nicht wußte, wofür ihr eine so große Begnadigung zuteil wurde. Sie und ich waren so ganz überzeugt, dass nichts in ihrer Seele vorging, worüber ich in Unkenntnis geblieben wäre. Ich kann darum ein sicheres Zeugnis von ihr ablegen, und ihr dürft mir glauben, dass alles wahr ist, was ich hier sage. Diese vom Herrn der Seele verliehene Gnade wirkt die tiefste Beschämung und Demut in ihr. Wäre sie vom Teufel betrogen, so fände das Gegenteil davon statt. Sie erkennt auch deutlich, dass solche Gefühle ihr nur von Gott verliehen werden; denn durch eigenes Bemühen konnte sie diese selbst nicht wecken. Darum kann sie auch in keiner Weise glauben, sie seien von ihr, sondern betrachtet sie als ein Geschenk Gottes. Obwohl meines Erachtens einige der früher besprochenen Gnaden kostbarer sind als die eben erwähnte, so doch die Seele dadurch eine besondere Erkenntnis Gottes; es erwächst ihr aus einer so beständigen Gesellschaft (mit Jesus) die Liebe zu Seiner Majestät und ein noch glühenderes Verlangen als das früher erwähnte, sich ganz ihrem Dienste zu weihen. Endlich bewahrt sie eine große Reinheit des Gewissens, da die Gegenwart dessen, der neben ihr ist, sie auf alles aufmerksam macht. Wir wissen zwar, dass Gott auch sonst bei all unserem Tun gegenwärtig ist; aber unsere natürliche Schwäche ist so groß, dass wir das Andenken daran (gar oft) außer acht lassen. Eine solche Nachlässigkeit ist hier nicht möglich, da der Herr, der der Seele zur Seite steht, sie daran erinnert. Zu all dem kommt noch, dass die bisher besprochenen Gnaden sehr gewöhnlich werden; die Seele bleibt eben fast in beständiger Übung der Liebe mit dem vereint, den sie neben sich sieht oder vielmehr wahrnimmt.

5. Kurz, aus dem Gewinne der Seele ist ersichtlich, dass die ihr hier erwiesene Gnade überaus groß und sehr hoch zu schätzen ist. Darum dankt sie auch dem Herrn für diese Gnade, die sie so wenig verdienen konnte, die sie aber auch nicht für alle Schätze und Freuden der Erde vertauschen möchte. Entzieht sie ihr aber der Herr wieder, so empfindet sie so recht ihre große Vereinsamung, und keine Anstrengung würde ihr etwas nützen, die ihr so kostbare Gesellschaft wieder zu finden; denn diese Gnade, die der Herr verleiht, wann er will, kann durch kein menschliches Bemühen erworben werden.

6. Manchmal ist es irgendein Heiliger, den die Seele in der genannten Weise wahrnimmt, und auch diese Schauung bringt ihr großen Gewinn. Da werdet ihr mich aber fragen: Wenn man hier nichts sieht, wie kann man dann erkennen, ob Christus oder seine glorreiche Mutter oder ein Heiliger an der Seite steht? Darauf antworte ich: Die Seele vermag dies nicht zu sagen und versteht es selbst nicht, wie sie es erkennt; sie kann nur sagen, dass sie es mit der größten Gewissheit weiß. Ist es der Herr und spricht er dabei, so scheint er leichter erkannt werden zu können als ein Heiliger, der nicht spricht und den der Herr der Seele hier als Begleiter und Beschützer beizugesellen scheint; das Erkennen eines solchen ist noch wunderbarer. So gibt es noch andere geistige Dinge, die man nicht aussprechen kann; man ersieht aber daraus, wie tief unsere Natur sieht und wie unfähig sie ist, die großen Gnadenwunder zu verstehen, da sie nicht einmal diese Dinge zu begreifen vermag. Wem Gott die Gnade solcher Schauungen erweist, der bewundere und lobpreise Seine Majestät und entrichte ihr besonderen Dank! Denn da diese Gnade nicht allen zuteil wird, muss die Seele sie um so höher schätzen und sich befleißigen, Gott um so mehr zu dienen, da er ihr in so mannigfacher Weise dazu verhilft. Diese Gnade bringt es auch mit sich, dass die Seele sich auch nicht für besser hält als andere, vielmehr scheint es ihr, als diene sie Gott unter allen Menschen auf Erden am wenigsten; denn nach ihrer Meinung ist niemand so sehr zum Dienste Seiner Majestät verpflichtet wie sie, und jeder Fehler, den sie begeht, durchbohrt ihr das Herz, und dies mit allem Rechte.

7. Die besprochenen, im Seelenleben sich kundgebenden Wirkungen kann jede von euch, die der Herr diesen Weg führt, an sich wahrnehmen und daraus erkennen, dass weder eine Täuschung (des bösen Feindes) noch auch eine bloße Einbildung vorliegt. Denn wäre der Teufel hier im Spiele, so hielte ich, wie gesagt, eine so lang andauernde (Schauung), die in der Seele so bedeutenden Nutzen schafft und einen so tiefen inneren Frieden in ihr hervorbringt, für unmöglich. Das ist nicht die gewöhnliche Wirkungsweise des Teufels, und er könnte, wenn er auch wollte, durch seine Bosheit nicht so Erhabenes zustande bringen; denn durch sein Wirken würde die Seele alsbald von den Regungen eigener Hochschätzung und des Eigendünkels, besser zu sein als andere, eingenommen werden. Ferner würde der Arge, wenn er die Seele so beständig an Gott geheftet und in ihren Gedanken mit ihm beschäftigt sähe, in solche Wut geraten, dass er, sollte er auch einen Versuch der Täuschung wagen, doch nicht oft wiederkehren würde. Endlich ist Gott so getreu, dass er dem Teufel nicht so große Gewalt über eine Seele einräumen wird, die nichts anderes sucht, als Seiner Majestät zu gefallen und für deren Ehre und Verherrlichung ihr Leben einzusetzen; der Herr wird vielmehr dafür sorgen, dass eine solche Seele bald von ihrer Täuschung geheilt wird.

8. Meine feste Überzeugung ist es und wird es bleiben: Gott wird es der Seele, die in der hier besprochenen Weise den Wirkungen dieser göttlichen Gnaden gemäß wandelt, zum Nutzen gereichen lassen, wenn er zuweilen gestattet, dass der Teufel sich an sie heranwagt und dann mit Beschämung abziehen muss. Erschrecket darum nicht, meine Töchter, wenn der Herr eine den besprochenen Weg führt! Übrigens ist es immer gut, dass ihr in Furcht und mit um so größerer Vorsicht wandelt. Und nicht etwa, weil ihr so hoch begnadigt seid, auf euch selbst vertraut, um unbesorgter leben zu können. Denn wenn ihr die genannten Wirkungen nicht in euch wahrnähmet, so wäre dies ein Zeichen, dass die Erlebnisse (in euerer Seele) nicht von Gott kommen.

9. Ratsam ist es, dass ihr euch gleich anfangs unter dem Siegel des Beichtgeheimnisses mit einem sehr gelehrten Manne besprechet; denn die Gelehrten sind es, die uns Licht bringen müssen. Oder beratet euch mit einem Manne, der im geistlichen Leben wohl erfahren ist; und könnt ihr keinen solchen finden, so ist ein gründlicher Gelehrter jedem anderen vorzuziehen. Könnt ihr beide haben, so besprecht euch mit beiden. Sagt man euch, euere Angelegenheit sei nur Einbildung, so beunruhigt euch deshalb nicht; denn eine bloße Einbildung kann euerer Seele weder viel schaden noch viel nützen. Empfehlt euch in diesem Falle der göttlichen Majestät mit der Bitte, sie möge nicht zulassen, dass ihr getäuscht werdet. Würde man euch aber sagen, ihr wäret vom bösen Feinde betrogen, dann wäre es schon ein größeres Leid. Indessen wird ein gründlicher Gelehrter beim Vorhandensein der besprochenen Wirkungen so etwas nicht sagen; und würde er es auch tun, so bin ich überzeugt, dass der Herr selbst, der bei euch ist, euch trösten, Sicherheit verleihen und jenen noch erleuchten wird, damit er auch euch zum Lichte führe.

10. Teilt ihr euch einem Manne mit, der zwar dem Gebete ergeben, aber vom Herrn noch nicht auf diesem Wege geführt worden ist, dann wird er sich gleich einsetzen und die Sache verdammen. Darum rate ich euch zu einem gründlichen Gelehrten, und zwar, wenn ihr ihn finden könnt, zu einem solchen euere Zuflucht zu nehmen, der zugleich in geistlichen Dingen erfahren ist. Dazu gebe die Priorin die Erlaubnis. Denn wenn auch eine Seele in Anbetracht ihres tugendhaften Lebens sicher wandelt, so ist die Priorin doch verpflichtet, eine solche Besprechung zu gestatten, damit sie beide sicher sein können. Mit den Aussprüchen solcher Männer soll man sich aber beruhigen und sich weiter nicht mehr besprechen. Ich sage dies deshalb, weil manchmal der böse Feind, ohne dass ein Grund zur Furcht gegeben wäre, der Seele eine übermäßige Beängstigung einflößt, so dass sie sich gedrängt fühlt, sich auch noch anderen mitzuteilen. Dies wird besonders dann der Fall sein, wenn der Beichtvater wenig Erfahrung besitzt und die Seele sein furchtsames Wesen wahrnimmt, oder wenn er selbst ihr den Rat gibt, sich auch mit anderen zu besprechen. Die Folge davon ist, dass das, was billigerweise ganz geheim bleiben sollte, bekannt und die Seele verfolgt und gequält wird; denn während ihrer Meinung nach alles vom Schleier des Geheimnisses umgeben ist, findet sie, dass es stadtbekannt geworden, und daraus entspringen dann viele Leiden für sie; diese könnten nach unseren jetzigen Zeitverhältnissen auch über den ganzen Orden hereinbrechen. Darum ist große Vorsicht nötig, und diese empfehle ich besonders den Priorinnen gar sehr.

11. Diese sollten auch eine Schwester, an der sie solche Gnaden wahrnehmen, deshalb nicht für besser halten als die anderen. Der Herr führt jede so, wie er es für sie als notwendig erachtet. Dergleichen Gnaden fördern zwar die Seele sehr im Dienste Gottes, wenn sie einen guten Gebrauch davon macht; aber zuweilen führt Gott auch die schwächsten Seelen diesen Weg, so dass also zur Beurteilung der größeren oder geringeren Vollkommenheit einer Seele nicht diese Gnaden, sondern die an ihr zutage tretenden Tugenden der rechte Maßstab sind. Jene, die unserem Herrn mehr im Geiste der Abtötung, Demut und Gewissensreinheit dient als die übrigen, ist unter ihnen die heiligste. Übrigens kann man hierüber nur mit wenig Gewissheit urteilen; wir werden dies erst dann mit völliger Gewissheit erkennen, wenn der wahrhafte Richter einem jeden geben wird, was er verdient. Dort werden wir staunen, wenn wir sehen, wie verschieden sein Urteil von dem ist, was wir hier erkennen können. Er sei gepriesen in Ewigkeit! Amen.

Neuntes Hauptstück

Die Heilige erklärt, wie der Herr sich der Seele mittels bildhafter Schauungen mitteilt. Ernstliche Warnung vor dem Verlangen, auf diesem Wege zu wandeln. Gründe für diese Warnung· Die Lesung dieses Hauptstückes ist sehr nützlich.

3. Wir kommen zur Besprechung der bildhaften Schauungen. Mit diesen kann der Teufel, wie man sagt, leichter sein Spiel treiben als mit den besprochenen, und es mag auch so sein. Gehen sie aber von unserem Herrn aus, so scheinen sie mir in gewisser Beziehung nützlicher zu sein, da sie unserer Natur mehr entsprechen; ausgenommen sind jene Schauungen, die der Herr in der letzten Wohnung zu kosten gibt; denn diesen kommen keine anderen gleich.

2. Sehen wir vorerst darauf, wie der Herr in der im vorigen Hauptstücke besprochenen Weise gegenwärtig ist. Es scheint uns da, als hätten wir in einem goldenen Kästchen einen kostbaren Edelstein von sehr hohem Werte und von wunderbarer Kraft. Wir wissen ganz gewiss, dass der Edelstein sich darin befindet, den wir zwar noch nie gesehen haben, dessen Kraft uns aber unaufhörlich zugute kommt, wenn wir ihn bei uns tragen. Obgleich wir ihn noch nie gesehen, schätzen wir ihn doch sehr hoch, weil uns aus Erfahrung bekannt ist, dass er uns schon von gewissen Krankheiten befreit hat, gegen die er eine Heilkraft besitzt. Allein wir getrauen uns nicht, ihn anzusehen, noch auch das Kästchen zu öffnen, in dem er sich befindet. Wir könnten es aber auch nicht öffnen, da die Art des Aufschließens nur dem Eigentümer des Edelsteines bekannt ist. Er hat ihn uns zwar geliehen, damit wir ihn zu unserem Nutzen gebrauchen; aber den Schlüssel zu dem Kästchen hat er sich vorbehalten, um es je nach seinem Wohlgefallen als Eigentümer zu öffnen und uns den Edelstein zu zeigen, oder es wieder zu verschließen, wenn er ihn unseren Blicken entziehen will.

3. Nehmen wir nun an, er wolle bisweilen das Kästchen für einen Augenblick öffnen, und zwar dem zuliebe, dem er den Edelstein geliehen. Sicher wird dieser, wenn er fernerhin an den wunderbaren Glanz dieses Edelsteines sich erinnert, eine viel größere Freude daran finden; es wird die Erinnerung daran seinem Gedächtnisse weit tiefer eingeprägt bleiben. Dasselbe geschieht bei den Schauungen, von denen jetzt die Rede sein soll. Wenn unser Herr die Seele reichlicher begnadigen und mehr erfreuen will, dann zeigt er ihr in einer ihm beliebigen Weise in klaren Umrissen seine heiligste Menschheit entweder so, wie er auf Erden wandelte, oder wie er nach seiner Auferstehung erschien. Wenn auch eine solche Schauung so schnell vorübergeht, dass man sie dem Leuchten eines Blitzes vergleichen könnte, bleibt doch dieses glorreichste Bild der Einbildungskraft aufs tiefste eingeprägt; es kann meiner Ansicht nach unmöglich daraus verwischt werden, bis die Seele es dort schaut, wo sie sich seines Anblickes ohne Ende erfreuen wird.

4. Wenn ich jedoch hier von einem Bilde spreche, so darf man das nicht so verstehen, als sei es ein gemaltes; nein, es ist nach dem Dafürhalten dessen, der es schaut, ein wahrhaft lebendiges Bild, das bisweilen zur Seele spricht und ihr auch wohl große Geheimnisse offenbart. Auch sollt ihr wissen, dass man dieses Bild, obwohl es der Seele eine Zeitlang vorschwebt, ebensowenig unverweilten Blickes anschauen kann, als man in die Sonne zu schauen vermag; deshalb ist der Anblick dieses Bildes immer ein sehr schnell vorübergehender. Doch der Glanz dieser Schauung bereitet den inneren Augen keinen Schmerz wie der Glanz der Sonne den äußeren. Man schaut nämlich hier alles nur mit den inneren Augen. Wie es ist, wenn der Herr mit den äußeren Augen geschaut wird, weiß ich nicht zu sagen; denn die Person, von der ich, wie schon erwähnt, so im besonderen zu reden imstande bin, war mit solchen Schauungen noch nicht begnadigt worden, und man kann auch keinen sicheren Aufschluss darüber geben, wovon man keine Erfahrung hat. Der Glanz des genannten Bildes ist wie ein eingegossenes Licht und wie der Glanz der Sonne, wenn diese von einem ganz seinen Diamantenflor überzogen wäre, den Fall angenommen, dass man einen Diamanten in solcher Weise bearbeiten könnte. Die Gewandung des sich offenbarenden Herrn scheint wie von niederländischer Leinwand zu sein. Verleiht Gott einer Seele die Gnade dieser Schauung, so wird sie fast jedesmal danach verzückt, weil ihre Schwachheit einen so erschreckenden Anblick nicht ertragen kann.

5. Ich nenne diesen Anblick »erschreckend«; wohl übertrifft er durch seine Schönheit und Ergötzlichkeit jede Vorstellung, selbst wenn wir tausend Jahre lebten und mit unserem Vorstellungsvermögen tätig wären — diese Schauung übersteigt eben alle Fähigkeiten unseres Verstandes und unserer Einbildungskraft — , aber der Herr erscheint hier doch in einer solchen Majestät, dass ihr Anblick der Seele großen Schrecken einflößt. Wahrlich, da ist es nicht nötig, zu fragen, wie die Seele, ohne dass es ihr gesagt wird, den Herrn erkennen kann; denn er gibt sich ihr deutlich als den Herrn des Himmels und der Erde zu erkennen. Dies ist bei den irdischen Königen nicht der Fall; diese würden für sich wenig beachtet, wenn sie nicht mit ihrem Gefolge erschienen oder wenn man auf ihre Persönlichkeit nicht aufmerksam machte.

6. O Herr, wie sehr verkennen wir dich als Christen! Wie wird es uns an jenem Tage ergehen, an dem du kommen wirst, um uns zu richten! Schon jetzt, da du mit solcher Freundschaft deiner Braut dich nahest, ist ihr dein Anblick so erschreckend. O meine Töchter, wie wird es erst sein, wenn er mit seiner strengen Richterstimme sprechen wird: »Weichet von mir, ihr Verfluchten!«

7. Bewahret doch wenigstens von dem, was ich über diese der Seele zuteil gewordene Gnade Gottes gesagt habe, dieses eine beständig im Gedächtnis; denn es wird uns keinen geringen Nutzen bringen. Auch der hl. Hieronymus, dieser große Heilige, hat es niemals aus seiner Erinnerung schwinden lassen. So werden wir bei der Strengheit unseres Ordens alle Leiden nicht hoch anschlagen; denn wie lang sie auch dauern mögen, so ist es doch nur ein Augenblick im Vergleiche mit jener Ewigkeit. Ich sage euch in Wahrheit: So böse ich auch bin, ich habe doch nie die Qualen der Hölle gefürchtet, wenn ich der Pein gedachte, die einstens die Verdammten beim Anblick der erzürnten, sonst so schönen, holdseligen und gnädigen Augen des Herrn werden ausstehen müssen; im Vergleich mit dieser Pein scheinen mir jene Qualen nichts zu sein. Ich glaube, einen solchen Anblick würde mein Herz nicht ertragen können. So kam es mir mein ganzes Leben lang vor. Wie furchtbar muss der Gedanke dann erst für jene Person sein, der der Herr, wie schon erwähnt, in einer so erschreckenden Majestät hat erscheinen wollen, wenn schon diese Schauung einen solchen Eindruck auf sie machte, dass sie vor Entsetzen außer sich geriet! Dies mag wohl die Ursache der Verzückungen sein, durch die der Herr ihrer Schwachheit zu Hilfe kommt, damit sie bei dieser erhabenen Mitteilung Gottes mit seiner Größe sich einigen könne. Könnte die Seele den Herrn längere Zeit ansehen, so hielte ich es für keine Schauung, sondern nur für eine recht lebendige Betrachtung, bei der sich die Einbildungskraft irgendein Bild unseres Herrn selbst gestaltet. Ein solches Bild wird alsdann im Vergleich mit jenem anderen immer wie tot erscheinen.

8. Es gibt Personen von so schwacher Einbildungskraft oder von so lebhaftem Geiste, oder was immer es sein mag, die sich in eine Vorstellung so vertiefen, dass sie alles, was sie sich denken, deutlich zu sehen meinen. Ich weiß dies nicht bloß von drei oder vier Personen, sondern von vielen, die sich mit mir darüber besprochen haben, und kann es also als wahr bezeugen. Hätten solche Personen je einmal eine Schauung erlebt, so würden sie die Täuschung so bestimmt erkennen, dass ihnen auch nicht der mindeste Zweifel bliebe; denn sie selbst sind es ja, die das mit ihrer Einbildungskraft zusammenfügen, was sie zu schauen glauben. Solche eingebildete Schauungen lassen gar keine Wirkungen in der Seele zurück; sie gewinnt weit weniger an innerer Wärme als durch den Anblick irgendeines andächtigen Gemäldes und vergißt sie viel eher als einen Traum. Daraus ist klar ersichtlich, dass nichts davon zu halten ist.

9. Ganz anders verhält es sich bei den Schauungen, von denen ich spreche. Diese stellen sich der Seele ganz unerwartet und, ohne dass sie daran gedacht hätte, schnell und auf einmal dar, indem sie alle ihre Vermögen und Sinne in große Furcht und Verwirrung setzen, um sie alsbald in einen seligen Frieden zu betten. Wie damals jenes Unwetter und jener Sturm sich erhob, als der hl. Paulus zu Boden gestürzt wurde, so geschieht es auch hier in der inneren Welt. Es erhebt sich da ein mächtiger Antrieb; aber augenblicklich ist, wie gesagt, alles wieder ruhig, und die Seele ist über die erhabensten Wahrheiten so gründlich unterrichtet, dass sie keines andern Lehrmeisters mehr bedarf; denn die wahre Weisheit selbst hat sie von der Schwerfälligkeit des Geistes ohne irgendein Bemühen ihrerseits befreit. Auch besitzt die Seele nach einem so erhabenen Gnadenerweis für einige Zeit eine solche Gewissheit über dessen göttliche Herkunft, dass man sie in keiner Weise in Furcht versetzen könnte, sie möchte getäuscht sein, so sehr man sie auch vom Gegenteile überzeugen möchte. Erst später, wenn der Beichtvater ihr Furcht einflößt, lässt Gott es zu, dass sie wankt und meint, um ihrer Sünden willen könnte dies doch möglich sein. Dennoch glaubt sie es nicht; es ist ihr vielmehr, wie ich schon bei anderen Vorgängen gesagt habe, so zumute wie bei Versuchungen gegen den Glauben. Obwohl der Teufel durch solche Versuchungen die Seele beunruhigen kann, so bleibt sie doch im Glauben fest; ebenso auch hier. Je heftiger der böse Feind sie anfällt, desto mehr wird sie davon überzeugt, dass dieser Arge nicht so viel Gutes in ihr wirken könnte, als sie in sich vorfindet; denn ein so große Macht auf ihr Inneres steht ihm nicht zu Gebote. Er vermag ihr zwar ein Bild vorzuzaubern, aber nicht mit der Wahrheit, mit der Majestät und den Wirkungen einer echten Schauung.

10. Die Beichtväter handeln indessen ganz recht, wenn sie fürchten; denn sie können den Hergang dieser Schauungen nicht wahrnehmen, und vielleicht wissen sich auch jene, die Gott damit begnadigt, vor ihnen nicht auszusprechen. Darum müssen jene mit Vorsicht zu Werke gehen, die Zeit der Frucht dieser Erscheinungen abwarten und insbesondere darauf achten, ob die Seele dadurch mehr und mehr in der Demut wachse und an Tugendstärke zunehme. Ist der Teufel im Spiele, dann wird er sich bald verraten und auf tausend Lügen ertappt werden. Besitzt der Beichtvater Erfahrung durch selbsterlebte Schauungen, so ist keine lange Zeit erforderlich, um sich zurechtzufinden; ja schon aus der Mitteilung der Seele wird er unschwer urteilen können, ob ihre Schauung von Gott oder von der Einbildungskraft oder vom bösen Feinde stamme, besonders wenn ihm Gott die Gabe der Unterscheidung der Geister verliehen hat. Sollte er aber auch keine Erfahrung haben, so wird er doch gar wohl das Richtige finden, wenn er im Besitze jener Gabe und gelehrt ist.

11. Sehr notwendig ist es, meine Schwestern, dass ihr euch mit aller Aufrichtigkeit und Wahrheit dem Beichtvater anvertraut. Ich spreche da nicht vom Bekenntnis der Sünden; denn es ist klar, dass dies aufrichtig und wahr sein soll; ich rede vielmehr von der Rechenschaft über euer Gebetsleben. Würdet ihr in dieser Hinsicht nicht aufrichtig und wahr mit dem Beichtvater umgehen, so könnte ich euch nicht versichern, dass ihr auf gutem Wege wandelt, noch auch, dass Gott es ist, der euch unterweist. Denn Gott liebt es gar sehr, dass wir mit seinem Stellvertreter mit derselben Wahrheit und Offenheit umgehen wie mit ihm selbst, und zwar mit dem Wunsche, er möchte alle unsere Gedanken, selbst die geringsten, und um so mehr auch alle unsere Werke kennen. Verhaltet ihr euch so, dann dürft ihr euch nicht beunruhigen und ängstigen. Denn wären eure Schauungen auch nicht von Gott, so würden sie euch doch nicht schaden, vorausgesetzt, dass ihr demütig seid und ein reines Gewissen bewahrt. Die göttliche Majestät wird alsdann aus dem Bösen Gutes zu schaffen wissen, und ihr werdet auf eben dem Wege, auf dem euch der Teufel verderben wollte, nur um so mehr gewinnen. Denn dann werdet ihr euch in der Meinung, Gott erweise euch so große Gnaden, bemühen, ihm desto mehr zu gefallen, und das Andenken an die Gestalt des Herrn wir euch fortwährend beschäftigen. Daher sagte auch ein großer Gelehrter, dass der Teufel ein vortrefflicher Maler sei; es wäre ihm gar nicht unangenehm, wenn er ihm ein recht getreues Bild unseres Herrn vorführen würde; dies diente ihm nur zur Belebung der Andacht und zur Bekämpfung des Teufels mit dessen eigenen Bosheiten. Denn sollte ein Maler auch noch so gottlos sein, so wäre dies doch nach seiner Meinung kein Grund, einem von ihm gemalten Bilde unsere Verehrung zu versagen, wenn es jenen darstellt, in dem unser ganzes Heil beruht.

12. Diesem Gelehrten missfiel auch gar sehr der Rat einiger Männer, eine solche Erscheinung zu verspotten. Zur Begründung dieses Missfallens wies er auf die Ehrfurcht hin, die wir dem Bilde unseres Königs überall entgegenbringen müssten, wo immer wir es erblickten. Und wahrlich, ich sehe ein, dass dieser Gelehrte recht hat. Schon in der Welt würde einer es übel aufnehmen, wenn er in Erfahrung brächte, dass jemand, dem er wohlgeneigt sei, seinem Bilde eine solche Schmach zufügen würde, um wie viel mehr Ursache aber haben wir, einem Kruzifixe oder einem anderen Bilde unseres Herrn und höchsten Gebieters stets Ehrfurcht zu erzeigen, wo immer wir es erblicken! Obwohl ich schon an anderer Stelle darüber geschrieben habe, so sprach ich auch gerne hier davon, weil ich eine Person kenne, der man befahl, zu diesem Mittel zu greifen, die aber deshalb sehr betrübt war. Ich weiß nicht, wer so etwas erfunden hat. Wenn der Beichtvater einer Seele, die nichts anderes als gehorchen kann, einen solchen Rat gibt, so dient dies nur dazu, sie zu martern; denn sie meint, verlorenzugehen, wenn sie sich nicht danach richtet. Mein Rat ist daher dieser: Wenn man euch so etwas anrät, so bringt mit Demut den angegebenen Grund dagegen vor und handelt nicht nach diesem Rate! Ich habe mit jenem Gelehrten über diese Sache gesprochen, und die guten Gründe, die er anführte, haben mich außerordentlich befriedigt.

13. Die Seele zieht aus dieser Begnadigung des Herrn einen großen Gewinn, wenn sie ihn in der genannten Weise schauen darf. Sooft sie fernerhin an ihn oder an sein Leben oder Leiden denkt, gewährt ihr die Erinnerung an sein überaus sanftes und schönes Antlitz den süßesten Trost; auch im gewöhnlichen Leben bereitet es uns innigere Freude, jemanden, der uns viel Gutes erweist, von Angesicht gesehen zu haben, als wenn er uns unbekannt geblieben wäre. Ich versichere euch, dass eine so angenehme Erinnerung sehr trostreich und förderlich ist. Viele andere Vorteile, die die genannte Gnade mit sich bringt, übergehe ich; denn da ich von den Wirkungen dieser Gnaden ohnehin schon so viel gesagt habe und noch sagen werde, will ich mich hier nicht weiter damit befassen und euch auch nicht ermüden. Nur eines möchte ich euch noch dringend ans Herz legen: Wenn ihr wisset oder höret, dass Gott einige Seelen mit diesen Gnaden beschenkt, so bittet ja nie darum noch heget den Wunsch, er möchte euch denselben Weg führen. Denn wenn auch nach eurer Auffassung dieser Weg euch sehr zuträglich wäre und er an sich auch hochzuschätzen und beachtenswert ist, so geziemt sich doch dieses Bitten und Wünschen aus folgenden Gründen nicht:

14. Erstens verrät es Mangel an Demut, zu verlangen, dass uns etwas gegeben werde, was wir nicht verdient haben; darum besitzt nach meinem Dafürhalten jene Seele nur wenig Demut, die nach solchen Gnaden Verlangen trägt. Wie ein armer Bauer in keiner Weise König zu werden wünscht, da ihm dies bei seinem niedrigen Stande unmöglich scheint, ebenso ist auch der Demütige weit entfernt, dergleichen Gnaden zu begehren. Ich glaube auch, dass diese niemals einer Seele gegeben werden, die danach sich sehnt; denn bevor ihr der Herr solch erhabene Gnaden mitteilt, verleiht er ihr vor allem eine gründliche Erkenntnis ihrer selbst. Wie kann aber eine Seele mit solchen Ideen in Wahrheit erkennen, dass Gott ihr schon dadurch eine sehr große Gnade erweist, dass er sie bisher von der Hölle verschont hat? — Zweitens wird die Seele, die solche Wünsche hegt, ganz gewiss der Täuschung verfallen, oder sie ist wenigstens in großer Gefahr, getäuscht zu werden; denn der Teufel braucht nur eine kleine Tür offen zu sehen, um uns tausend Blendwerke vor Augen zu stellen. — Drittens führt ein solches Verlangen wenn es recht heftig ist, zur Einbildung, das wirklich zu sehen oder zu hören, wonach man verlangt, ebenso wie sich uns im Träume das im Bilde zeigt, womit wir uns am Tage mit unserem Verlangen und unseren Gedanken viel beschäftigt haben. — Viertens wäre es eine große Vermessenheit, wenn ich mir selber einen Weg wählen wollte, da ich nicht weiß, welcher für mich der geeignetste ist. Ich muss es dem Herrn, der mich kennt, überlassen, dass er mich jenen Weg führe, den er als den besten für mich hält, damit ich so in allem seinen Willen vollziehe.— Fünftens dürft ihr nicht denken, dass die Leiden jener, denen der Herr diese Gnaden verleiht, gering seien. Nein, es sind dies die größten und verschiedenartigsten. Wißt ihr aber, ob ihr diese ertragen könnt? — Sechstens könnte es geschehen, dass ihr durch das Schaden leidet, wodurch ihr zu gewinnen meint, wie es dem Saul durch widerfuhr, dass er König wurde.

15. Außer diesen Gründen könnten noch andere angeführt werden, aber glaubt es mir, meine Schwestern, das Sicherste ist, nichts anderes zu wollen, als was Gott will, der uns besser kennt und mehr liebt als wir uns selbst. Übergeben wir uns also seinen Händen, damit sein Wille an uns geschehe! Wenn wir immer entschieden bei dieser Hingabe verharren, werden wir nie irren können. Beachtet auch, dass man trotz des Empfanges vieler solcher Gnaden doch keine größere Glorie verdient; man ist deshalb nur um so mehr verpflichtet, Gott zu dienen weil man mehr empfängt. Um größere Verdienste zu erwerben, lässt es uns der Himmel nie an Gelegenheit fehlen; denn dies liegt in unserer Hand. Daher gibt es viele heilige Seelen, die um den Empfang solcher Gnaden nie etwas wußten, während andere trotz dieser Begnadigung doch nicht heilig sind. Endlich dürft ihr auch nicht meinen, dass solche Gnaden beständig andauern; vielmehr folgen schon auf deren einmaligen Empfang viele Leiden. Darum denkt auch die Seele gar nicht daran, sie möchten ihr weiterhin zuteil werden, sondern ist nur darum bestrebt, dem Herrn dafür zu dienen.

16. Es ist wahr, dass diese Gnaden außerordentlich förderlich sein müssen um zu hoher Vollkommenheit in den Tugenden zu gelangen. Ein weit größeres Verdienst wird aber jene Seele haben, die sich diese durch eigenes Verdienst erwirbt. Ich kenne eine Person, ja sogar zwei — eine davon war ein Mann — , die der Herr auf diese Weise begnadigt hat. Sie hatten ein so inniges Verlangen, der göttlichen Majestät auf eigene Kosten zu dienen, das heißt ohne Rücksicht auf diese erhabenen Wonnegenüsse, und so große Sehnsucht nach Leiden, dass sie sich bei unserem Herrn über diese wonnevolle Begnadigung beklagten; hätten sie diese abweisen können, so würden sie es getan haben. Ich meine hier jene Genüsse, die der Herr in der Beschauung verleiht, nicht die Schauungen, von denen hier die Rede war; denn jene Personen sahen den hohen Wert und Nutzen dieser letztgenannten Gunstbezeigungen wohl ein.

17. Allerdings ist ein solches Verlangen nach meinem Dafürhalten auch etwas Übernatürliches und nur Seelen eigen, die ganz von Liebe entflammt sind und dem Herrn zeigen möchten, dass sie ihm nicht des Lohnes wegen dienen. Deshalb denken sie auch, wie schon erwähnt, nie daran, dass sie sich um irgendeines Verdienstes wegen die ewige Glorie erringen werden, um so zu größerem Eifer im Dienste Gottes angespornt zu werden, nein, sie haben nur das eine im Auge, der Liebe genügen zu können, die naturgemäß ohne Unterlass in tausendfacher Weise tätig sein will. Wäre es ihnen möglich, so würden sie auf Mittel sinnen, um sich im Feuer dieser Liebe zu verzehren; ja, wenn es zur größeren Ehre Gottes notwendig wäre, für immer vernichtet zu werden, so würden sie sich von Herzen gern dazu bereit erklären. Er, der sich herablässt, so elenden Geschöpfen sich mitzuteilen und ihnen seine Größe zu offenbaren, sei in Ewigkeit gepriesen! Amen.

Zehntes Hauptstück

Andere Gnaden, die Gott der Seele erweist. Ihre Verschiedenheit von den bereits besprochenen. Ihr großer Nutzen.

3. Der Herr teilt sich der Seele durch die genannten Erscheinungen auf mannigfache Weise mit. Zuweilen tritt er vor sie hin, wenn sie in Betrübnis sich befindet; dann wieder, wenn ihr ein großes Leid bevorsteht, und manchmal auch, wenn die göttliche Majestät sich an ihr erfreuen und ihr Freude bereiten will. Es ist jedoch nicht notwendig, auf dergleichen Einzelheiten näher einzugehen; auch liegt dies nicht in meiner Absicht, sondern ich möchte euch nur die verschiedenen Arten von Schauungen, soweit ich sie selbst verstehe, erklären, damit ihr, meine Schwestern, ihr Wesen und ihre Wirkungen erkennen möget. Diese Kenntnis wird euch dazu dienen, nicht jede Einbildung sogleich für eine Schauung zu halten, aber auch nicht unruhig und betrübt zu werden, wenn euch eine solche zuteil wird, da ihr dann von ihrer Möglichkeit unterrichtet seid. Der Teufel erzielt nämlich dadurch großen Gewinn und ist außerordentlich erfreut, wenn er sieht, dass eine Seele unruhig und betrübt ist; denn er weiß, dass sie dadurch gehemmt wird, sich ganz der Liebe und dem Lobe Gottes hinzugeben. Die göttliche Majestät teilt sich aber der Seele auch noch auf andere Arten mit, die weit erhabener, aber weniger gefährlich sind als die besprochenen, da sie meiner Ansicht nach der Teufel nicht nachäffen kann. Man kann von diesen, da sie ganz geheimnisvoll vor sich gehen, schwerer sprechen als von den bildhaften Schauungen, die leichter erklärt werden können.

2. Zuweilen gefällt es dem Herrn, die Seele, während sie im Gebete und ganz bei Sinnen ist, plötzlich in eine Verzückung zu versetzen, in der er ihr große Geheimnisse enthüllt, die sie in Gott selbst zu sehen scheint. Dies ist keine Schauung der allerheiligsten Menschheit, wenn ich sage, die Seele »sehe«, so sieht sie doch nichts, da dieses Schauen kein bildhaftes, sondern eine reine Verstandesschauung ist. Hier wird der Seele enthüllt, wie in Gott alle Dinge geschaut werden und wie er sie alle in sich begreift. Dieses Schauen ist von großem Nutzen; wenn es auch in einem Augenblicke vorüber ist, so bleibt es doch der Seele sehr tief eingeprägt und bewirkt in ihr die tiefste Selbstbeschämung. Man erkennt da weit klarer die Bosheit der Beleidigung Gottes und man sieht, wie wir in ihm selbst, in seinem Wesen stehend, so große Übeltaten begehen. Ich will versuchen, euch durch ein Gleichnis diese Wahrheit verständlich zu machen. Wenn sie auch gewiss ist und wir sie so oft vernehmen, so beherzigen wir sie doch entweder nicht oder wir wollen sie nicht verstehen; sonst könnten wir nach meinem Dafürhalten unmöglich so vermessen sein.

3. Denken wir uns Gott als eine Wohnung oder als einen sehr großen prachtvollen Palast, der die ganze Welt in sich fasst. Könnte wohl der Sünder, um die Werke seiner Bosheit zu verüben, aus diesem Palaste hinausgehen? Nein, gewiss nicht; sondern im Innern des Palastes, der Gott selbst ist, werden alle Greueltaten, Schändlichkeiten und Bosheiten vollbracht, die wir Sünder begehen. O furchtbare Wahrheit, die wohl verdient, dass wir sie ernst erwägen! Dies wird für uns, die wir so wenig wissen, von großem Nutzen sein; denn wir fassen diese Wahrheit noch nicht so recht, sonst würde es unmöglich sein, dass wir uns in eine so törichte Vermessenheit einließen. Betrachten wir hier auch, meine Schwestern, die große Erbarmung und Geduld Gottes, der uns nicht im Augenblicke der Sünde sogleich vernichtet! Danken wir ihm innigst dafür und schämen wir uns, empfindlich zu sein, wenn etwas wider uns getan oder geredet wird! Es wäre ja doch die größte Verkehrtheit der Welt, zu sehen, wie Gott, unser Schöpfer, in sich selbst so große Übeltaten von seinen Geschöpfen erträgt, und empfindlich zu sein, wenn irgendeinmal in unserer Abwesenheit ein Wort gegen uns, vielleicht gar nicht in böser Absicht, geredet wird.

4. O der menschlichen Armseligkeit! Wann, meine Töchter, werden wir einmal diesen großen Gott in etwa nachahmen? Achten wir doch nicht auf die uns zugefügten Unbilden, da es ja doch nichts bedeutet, sie zu ertragen. Lasst uns vielmehr mit Freuden alles dulden und jene lieben, die uns beleidigen! Denn auch der große Gott hat noch nicht aufgehört, uns zu lieben, obwohl wir ihn so vielfach beleidigt haben; ganz billig fordert er von uns, dass wir allen verzeihen, so groß auch die uns zugefügten Beleidigungen sein mögen. Obwohl diese Schauung schnell vorübergeht, so kann ich euch, meine Schwestern, doch versichern, dass dadurch unser Herr der Seele eine große Gnade erweist, wenn sie durch recht häufige Erinnerung daran voranschreiten will.

5. Eine andere, ebenso schnell vorübergehende und nicht zu erklärende Gnade erweist Gott der Seele dadurch, dass er ihr in sich selbst eine Wahrheit zeigt. Vergleicht man mit dieser Wahrheit alles Wahre, das sich in den Geschöpfen findet, so ist es Finsternis. Durch diese Wahrheit gibt ihr Gott klar zu erkennen, dass er allein die Wahrheit ist, die nicht lügen kann. In dieser Verfassung versteht die Seele die Worte Davids in einem seiner Psalmen: »Alle Menschen sind trügerisch«, so gut wie sonst nie, so oft sie auch hören mag, dass Gott (allein) die unfehlbare Wahrheit ist. Beim Schreiben dieser Worte gedenke ich des großen Inhalts der Frage, die Pilatus an unsern Herrn in seinen Leidensstunden stellte: »Was ist Wahrheit?« sowie des geringen Verständnisses, das wir hinieden von dieser höchsten Wahrheit haben.

6. Ich möchte mich gern darüber näher aussprechen, kann es aber nicht in Worte fassen. Lasst uns, meine Schwestern, daraus erkennen, wie nützlich es ist, unserem Gott und Bräutigam uns in etwa gleichförmig zu machen, wenn wir uns nach Kräften befleißen, immer in der Wahrheit zu wandeln! Ich meine damit nicht bloß, dass wir nie eine Lüge sagen sollten; denn hierin nehme ich, Gott sei Dank, in diesen Klöstern eine so große Sorgfalt wahr, dass keine um einer Sache willen eine Unwahrheit reden würde. Nein, wir sollen auch sonst nach bestem Vermögen vor Gott und den Menschen in der Wahrheit wandeln, besonders dadurch, dass wir nicht für besser gehalten werden wollen, als wir sind, und bei unseren Werken Gott zueignen, was sein, und uns, was unser ist; überhaupt sollen wir in allem die Wahrheit zu erkennen suchen. So werden wir die Welt verachten, in der alles Lüge und Falschheit und darum nicht von Dauer ist.

7. Ich dachte einmal über den Grund nach, warum unser Herr ein so großer Liebhaber der Demut ist. Da kam mir, wie ich glaube, plötzlich und wie von selbst der Gedanke: Gott ist die höchste Wahrheit, und die Demut ist ein Wandeln in der Wahrheit. Denn es ist ganz gewiss wahr, dass wir von uns selbst nichts Gutes, sondern nur Armseligkeit und das Nichtssein haben. Wer dies nicht erkennt, der wandelt in der Lüge; je mehr wir aber dies erkennen, um so mehr entsprechen wir der höchsten Wahrheit, weil wir dann in der Wahrheit wandeln. Gott verleihe uns, meine Schwestern, dass wir nie von dieser Selbsterkenntnis abweichen! Amen.

8. Solche Gnaden erweist unser Herr einer Seele, die als seine wahre Braut schon entschlossen ist, in allem seinen Willen zu vollbringen. Er will ihr dadurch einigermaßen zeigen, worin sie ihn erfüllen soll, und ihr in etwa seine Herrlichkeiten offenbaren. Noch andere dergleichen Gnaden zu besprechen, ist nicht notwendig; diese zwei aber habe ich deshalb besprochen, weil sie mir von besonderem Nutzen zu sein scheinen. Bei solchen Schauungen hat man keinen Grund zur Furcht vor Täuschung, man preise nur den Herrn, der sie verleiht; denn hier ist meines Erachtens sowohl der Teufel als auch die Einbildungskraft so ziemlich machtlos, und so bleibt denn auch die Seele in großer Befriedigung.

Elftes Hauptstück

Die Heilige spricht von einem so mächtigen und ungestümen Verlangen der Seele nach dem Genusse Gottes, dass dadurch das Leben in Gefahr kommt.

3. Denkt nicht, meine Schwestern, dass ich das Täubchen oder den Schmetterling vergessen habe. Aber werden wohl alle diese Gnaden, die der göttliche Bräutigam der Seele erweist, genügen, um ihn zufriedenzustellen, damit er da ruhe, wo er sterben soll? Wahrlich, nein; vielmehr geht es ihm viel schlimmer. Wenn auch der Seele schon seit vielen Jahren diese Gnaden zuteil werden, so seufzt sie doch noch immer und ergeht sich in Klagen; denn mit dem Erweis jeder neuen Gnade nimmt auch ihr Schmerz zu. Der Grund davon ist der: Mit der immer mehr zunehmenden Erkenntnis der Herrlichkeiten ihres Gottes, von dessen Genuss sie sich noch so fern und getrennt sieht, wird ihr Verlangen nach ihm immer heftiger; auch ihre Liebe wächst in dem Grade, als ihr dieser große Gott und Herr zu erkennen gibt, wie sehr er geliebt zu werden verdient. So erreicht denn die Heftigkeit dieses Verlangens während dieser Jahre einen solchen Grad, dass die Seele jene schmerzliche Pein empfindet, von der in diesem Hauptstücke die Rede sein soll. Wenn ich hier von »Jahren« spreche, so habe ich nur das im Auge, was sich mit der schon erwähnten Person zugetragen hat. Im übrigen weiß ich gar wohl, dass Gott sich keine Zeit bestimmen lässt und er eine Seele auch in einem Augenblicke auf eine so erhabene Stufe erheben kann, wie ich sie jetzt besprechen will. Seine Majestät ist ja allmächtig, um alles zu vollbringen, was sie will; sie wünscht sehnlichst, recht vieles für uns zu tun.

2. Auch die bisher besprochenen Sehnsuchtsergüsse, Tränen, Seufzer und heftigen Antriebe sind allem Anscheine nach Wirkungen unserer Liebe und von einer großen Pein begleitet. Aber dies ist nur einem rauchenden Feuer gleich, das zwar Schmerz verursacht, jedoch immer noch zu ertragen ist, ja wie nichts zu sein scheint im Vergleich mit der Liebespein und dem Liebesfeuer, wovon ich noch sprechen will. Oft, wenn die Seele so in sich selbst entzündet ist, fühlt sie bei einem ganz flüchtigen Gedanken an das Säumen des Todes oder beim Anhören eines Wortes, das sie daran erinnert, von anderswoher kommend einen Stich oder so etwas wie einen durchdringenden Pfeil, ohne dass sie wüßte, woher oder wie er kommt. Ich sage nicht, dass es in Wirklichkeit ein Pfeil ist; mag es aber was immer sein, man sieht klar, dass es nicht von unserer Natur kommen kann. Ebensowenig ist es ein eigentlicher Stich, wiewohl ich es so nenne; aber es verwundet scharf, jedoch nach meinem Dafürhalten nicht da, wo man sonst die Schmerzen fühlt, sondern im tiefsten und innersten Seelengrunde, wo dieser schnell vorübergehende Blitzstrahl alles zu Asche verbrennt, was er Irdisches an unserer Natur vorfindet. Solange der Zustand, in den hier die Seele versetzt wird, andauert, ist es unmöglich, sich an etwas zu erinnern, was ihr eigenes Wesen betrifft; denn in einem Augenblicke werden ihre Vermögen derart gebunden, dass sie keine Freiheit zu irgend etwas mehr haben, außer nur zu dem, was den Schmerz der Seele vermehrt.

3. Ich möchte nicht den Anschein erwecken, als übertriebe ich; denn ich sehe wahrhaftig, dass ich noch zu wenig sage. Dieser Zustand kann unmöglich genügend geschildert werden. Es ist eine Verzückung, die, wie gesagt, die Sinne und Vermögen zu allem untauglich macht, was nicht dazu dient, deren Pein zu fühlen; der Verstand bleibt dabei ganz wach, um zu erkennen, wie gerecht die Seele ihr Fernsein von Gott empfindet. Dazu kommt noch, dass Gott selbst mithilft, indem er der Seele gerade in dieser Zeit eine so lebendige Erkenntnis seines Wesens verleiht, dass ihre Qual einen Grad erreicht, in dem sie laut aufschreien muss. Sie kann hier nicht anders, obwohl sie sonst große Schmerzen mit Geduld zu ertragen gewohnt ist; denn diese Pein empfindet sie nicht am Leibe, sondern, wie gesagt, in ihrem Innersten. Daraus entnahm jene Person, um wieviel heftiger die Schmerzen der Seele sind, als die des Leibes. Zugleich erkannte sie, dass die Peinen der Seelen im Fegfeuer von eben dieser Art seien; denn die Befreiung vom Leibe ist für sie kein Hindernis, weit größere Schmerzen zu leiden als alle jene, die hienieden noch im Leibe leben.

4. Ich selbst sah eine Person in diesem Zustande und glaubte wahrhaftig, es gehe mit ihr zu Ende. Und in der Tat, würde hier der Tod eintreten, so wäre es nicht sehr zu verwundern, da wirklich das Leben in große Gefahr kommt. Obwohl dieser Zustand nicht lange dauert, so wird doch der Körper ganz verrenkt, und der Puls schlägt während dieser Zeit so schwach, als wenn die Seele schon in Gott eingehen wollte, was durchaus nicht zuviel gesagt ist. Die natürliche Wärme des Leibes nimmt ab, während die Seele von jener anderen Glut ganz verzehrt wird. Es fehlt nur ein klein wenig, und ihr Verlangen nach dem Genusse Gottes wäre erfüllt. Dabei empfindet sie jedoch am Leibe gar keinen Schmerz, obwohl er, wie gesagt, so verrenkt wird, dass er nachher drei bis vier Tage lang große Schmerzen empfindet und nicht einmal zum Schreiben Kraft besitzt. Meines Erachtens bleibt er auch fernerhin schwächer, als er vorher gewesen. Diese Unempfindlichkeit mag in der Größe des inneren Schmerzes der Seele ihren Grund haben, die die äußeren Schmerzen des Körpers gar nicht achtet. Wie ich selbst schon erfahren habe, empfinden wir auch sonst, wenn wir an irgendeinem Teile des Leibes einen recht heftigen Schmerz spüren, die anderen Schmerzen wenig, so viele ihrer auch sein mögen. Im hier besprochenen Zustande aber fühlt der Leib gar keinen Schmerz; ja ich glaube, er würde es nicht einmal empfinden, wenn er auch in Stücke gerissen würde.

5. Ihr werdet nun sagen, dieses heftige Verlangen sei eine Unvollkommenheit; denn warum gestaltet sich die Seele dem Willen Gottes nicht gleichförmig, nachdem sie sich ihm doch schon ganz hingegeben hat? Bis jetzt konnte sie es tun, und in solcher Gleichförmigkeit lebte sie auch; jetzt aber, da die Vernunft nicht mehr die Herrschaft über sie hat und sie nur an das zu denken vermag, was Grund ihrer Pein ist, kann sie es nicht. Wie sollte sie noch zu leben wünschen, da sie ferne ist von ihrem höchsten Gute? Sie fühlt eine ungewöhnliche Vereinsamung; denn alle Geschöpfe der Erde und, wie ich glaube, auch die Himmelsbewohner, könnten sie durch ihre Gesellschaft nicht trösten; dies vermöchte nur der, den sie liebt, alles andere ist ihr zur Qual. Es ist ihr wie einem Menschen, der in der Luft hängt und weder auf der Erde Fuß fassen noch zum Himmel sich erheben kann. Sie wird verzehrt von brennendem Durste nach dem Besitze Gottes und kann doch nicht zum Wasser gelangen. Dieser Durst ist unerträglich und hat schon jenen Grad erreicht, auf dem er durch kein Wasser mehr gelöscht werden könnte. Sie will aber auch nicht, dass er gelöscht werde, außer mit jenem Wasser, wovon unser Herr zur Samariterin gesprochen, das ihr aber nicht gegeben wird.

6. O mein Gott und Herr, wie bedrängst du deine Liebhaber! Aber dies alles ist nur gering im Vergleiche mit dem, was du ihnen nachher verleihst. Gewiss, wenn mit Recht das viel kostet, was viel wert ist, so gilt dies um so mehr, wenn es sich, wie hier, um die Reinigung einer Seele handelt, damit sie in die siebente Wohnung eingehe, wie auch jene, die in den Himmel eingehen, zuvor durch das Feuer gereinigt werden. Im Vergleich mit einer solchen Gnade ist dieses Leiden noch etwas so Geringes wie ein Wassertropfen im Verhältnis zum Meere. Ich glaube zwar, dass es auf Erden kein größeres Leiden geben kann; denn obwohl die erwähnte Person schon viele andere Leiden, körperliche und geistige, erduldet hatte, schienen sie ihr doch im Vergleiche mit dieser Qual und Pein wie nichts zu sein. Dennoch aber erkennt die Seele, wie kostbar diese Pein ist, sowie auch, dass sie durch nichts von ihr verdient werden könnte; und wenn ihr auch diese Erkenntnis nicht die mindeste Erleichterung dieser Pein verschafft, so leidet sie dabei doch von Herzen gern und würde sie ihr ganzes Leben lang auf sich nehmen, wenn es Gottes Wille wäre. Dies würde nicht nur ein einmaliges, sondern in Wahrheit ein immerwährendes Sterben sein.

7. Betrachten wir da, meine Schwestern, die Verdammten in der Hölle, die nicht in dieser Gleichförmigkeit mit dem Willen Gottes stehen, die auch nicht die Freude und Wonne kosten, die Gott der von ihm begnadigten Seele schenkt. Diese verdammten Seelen ziehen auch aus dem, was sie leiden, keinen Gewinn, sondern müssen bezüglich ihrer zufälligen Peinen nur um so mehr leiden. Wenn Seelenleiden überhaupt tiefgehender als Körperleiden, und die Peinen der Verdammten ohne Vergleich schrecklicher sind als die Pein, von der wir hier gesprochen haben, was müssen dann jene Unglücklichen empfinden beim Bewußtsein, dass ihre Peinen ewig dauern? Muß uns bei dieser Betrachtung nicht alles, was wir in einem so kurzen Leben tun und leiden können, für nichts erscheinen, um uns vor so erschrecklichen und ewigen Qualen zu bewahren? Ich versichere euch, dass man unmöglich begreifen kann, wie schmerzhaft das Leiden der Seele und wie verschieden es von den Leiden des Leibes ist, wenn man es nicht schon empfunden hat; ja, der Herr selbst will uns einen Begriff davon geben, damit wir um so mehr einsehen, wieviel wir ihm dafür schuldig sind, dass er uns in einen Stand geführt, in dem wir die Hoffnung haben, er werde uns in seiner Barmherzigkeit unsere Sünden verzeihen und vor den ewigen Peinen bewahren.

8. Kehren wir wieder zu dem zurück, wovon wir zuvor gesprochen. Wir verließen die Seele in der beschriebenen großen Pein. Diese Pein währt in ihrer größten Schärfe nicht lange, höchstens, wie ich glaube, drei bis vier Stunden. Würde sie lange andauern, so könnte sie die natürliche Schwäche ohne ein Wunder unmöglich ertragen. Einmal befiel die schon erwähnte Person diese Pein nicht länger als eine Viertelstunde, und doch blieb sie davon ganz ermattet; ich muss dazu allerdings bemerken, dass damals der Antrieb so heftig war, dass sie den Gebrauch der Sinne gänzlich verlor. Dies widerfuhr ihr am letzten Osterfeiertage. Nachdem sie dieses ganze Fest in solcher Trockenheit zugebracht, dass sie das Festgeheimnis fast gar nicht beachtete, wurde sie während der Erholungsstunde beim Anhören eines einzigen Wortes, dass das Leben so lange kein Ende nehme, in Ekstase versetzt. An die Möglichkeit, zu widerstehen, ist hier gar nicht zu denken; wollte man es aber dennoch versuchen, so wäre dies gerade so, als wenn einer mitten im Feuer stehend bewirken wollte, dass die Flamme keine Hitze zum Brennen besäße. Auch kann man den Schmerz nicht vollständig verbergen; obgleich die Umstehenden das innere Leiden der Seele nicht zu sehen vermögen, gewahren sie doch die große Gefahr, in der man sich befindet; sie können jedoch nicht mehr helfen als bloße Schatten, und so kommen der Seele auch alle Dinge der Erde vor.

9. Damit ihr aber wisst, dass sich auch hier unsere natürliche Schwachheit einmischen kann, so sage ich euch, wenn ihr je einmal in einen solchen Zustand versetzt werdet, folgendes: Wenn die Seele, wie wir gesehen, vor Verlangen, zu sterben, dahinschwindet und eine so große Pein erleidet, dass sie meint, sie müsse aus dem Leibe scheiden, so begegnet es ihr zuweilen, dass sie wirklich in Furcht gerät und den Wunsch nach Verminderung dieser Pein hegt, damit sie nicht vollends sterbe. Man sieht indessen klar, dass diese Furcht nur von der Schwachheit der Natur herrührt, da anderseits das Verlangen der Seele doch nicht abnimmt. Es ist auch nicht möglich, dass diese Pein durch irgendein Mittel behoben werde, bis der Herr selbst die Seele davon befreit. Dies vollzieht sich fast immer durch eine tiefe Verzückung, womit der wahre Tröster sie stärkt und tröstet, damit sie fortan noch so lange zu leben verlange, als es sein Wille ist.

10. Dieser Zustand ist zwar eine Qual, aber er lässt auch in der Seele die vortrefflichsten Wirkungen zurück. Alle Furcht vor Leiden, die ihr noch widerfahren könnten, ist vorüber; denn alle diese Leiden scheinen ihr im Vergleiche mit einer so qualvollen Pein, die sie hier empfand, wie nichts zu sein. Ja, sie ist nunmehr so gefördert, dass sie auch diese Pein gerne noch oft tragen würde. Aber sie vermag in dieser Hinsicht gar nichts und könnte es auf keine Weise bewirken, dass dieser Zustand wiederkehre, bis der Herr es will, sowie es ihr auch nicht möglich ist, ihm zu widerstehen oder sich davon zu befreien, wenn er eintritt. Ihre Verachtung der Welt ist fortan weit entschiedener als zuvor; sie hat erfahren, dass nichts in der Welt ihre Qual erleichtern konnte; sie ist weit losgeschälter von den Geschöpfen, da sie nun weiß, dass der Schöpfer allein es ist, der sie trösten und sättigen kann. Endlich fürchtet sie noch mehr als vorher die Beleidigung Gottes, und ihre Sorgfalt, sie zu meiden, hat sich um vieles erhöht; denn sie weiß nun, dass Gott sie ebenso zu peinigen als zu trösten vermag.

11. Auf diesem Wege des geistlichen Lebens sind es meines Erachtens zwei Dinge, die das Leben des Leibes in Gefahr bringen. Das eine ist die hier besprochene Pein, die wirklich keine geringe Gefahr mit sich bringt. Das andere ist ein Übermaß von Freude und Wonne, das die Seele in Wahrheit zu erdrücken scheint, so dass sie beinahe aus dem Leibe scheiden müsste; und dies wäre in der Tat kein geringes Glück für sie. Daraus könnt ihr sehen, meine Schwestern, dass ich recht hatte, wenn ich sagte, es sei Mut notwendig, (um auf diesem Wege zu wandeln). Ja, der Herr könnte euch, wenn ihr um dergleichen Gnaden bitten würdet, fragen, wie er einst die Söhne des Zebedäus fragte: »Könnt ihr auch den Kelch trinken?« Ich glaube, wir alle würden mit Ja antworten und ganz mit Recht; denn der Herr verleiht Kraft denen, deren Bedürfnis er kennt. Er nimmt sich auch solcher Seelen in allem an und verteidigt sie gegen Verfolgungen und üble Reden, wie er einst Magdalena verteidigte, wenn auch nicht, wie diese, mit Worten, so doch durch Taten. Und schließlich, schließlich lohnt er ihnen, ehe sie noch sterben, alles auf einmal, wie ihr dies jetzt noch sehen werdet. Er sei gepriesen in Ewigkeit, und alle Geschöpfe sollen ihn loben! Amen.

Siebente Wohnung

Erstes Hauptstück

Große Gnaden, die Gott jenen Seelen erweist, die schon in die siebente Wohnung eingegangen sind. Unterschied, der nach der Ansicht der Heiligen der Seele und dem Geiste besteht, obwohl beide eines sind. Dieses Hauptstück enthält beachtenswerte Punkte.

3. Es wird euch, meine Schwestern, vielleicht scheinen, als sei jetzt der Weg des geistlichen Lebens schon so ausführlich besprochen, dass weiter nichts mehr zu sagen übrigbleibt. Dies zu glauben, wäre aber sehr töricht. Wie die Größe Gottes, so haben auch seine Werke kein Ende. Wer wird alle seine Erbarmungen und alle seine Wunderwerke auszählen können? Das ist unmöglich; darum sollt ihr euch nicht wundern über das, was bisher gesagt wurde und noch gesagt werden wird, da all das nur ein Pünktlein ist von dem, was man von Gott sagen kann. Der Herr hat uns dadurch große Barmherzigkeit erwiesen, dass er diese Gnaden einer Person zuteil werden ließ, durch die wir zu deren Kenntnis gelangen können. Je mehr wir erkennen, auf wie vielen Wegen er sich seinen Geschöpfen mitteilt, um so mehr sollen wir seine Größe preisen und uns bemühen, die Seele nicht gering zu achten, an der er ein so großes Wohlgefallen findet. Jede von uns hat ja eine Seele; allein, da wir sie nicht so hoch zu schätzen wissen, wie es eine nach dem Bilde Gottes geschaffene Kreatur verdient, darum erkennen wir auch nicht die großen Geheimnisse, die in ihr verborgen liegen. Möge es der göttlichen Majestät gefallen, meine Feder zu führen, und mich die vielen geheimnisvollen Vorgänge in etwa erkennen zu lassen, die euch nahegebracht werden sollen und die Gott denen offenbart, die er in diese Wohnung einführt. Ich habe ihn recht angelegentlich darum gebeten; denn er weiß es, dass meine Absicht nur darauf zielt, seine Erbarmungen kundzumachen, damit sein Name mehr gepriesen und verherrlicht werde.

2. Ich hoffe, der Herr werde mir diese Gnade erweisen, zwar nicht um meinetwillen, sondern euretwegen, meine Schwestern, damit ihr die Wichtigkeit einsehet, euerem Bräutigam kein Hindernis in den Weg zu legen, um die mystische Vermählung mit eueren Seelen feiern zu können; denn diese schließt, wie ihr sehen werdet, so viele Güter in sich. O großer Gott, ich meine zu zittern bei dem Gedanken, dass ich, ein so elendes Geschöpf, etwas besprechen soll, dessen Verständnis mir Unwürdigen nicht zusteht. In Wahrheit befand ich mich in großer Verlegenheit. Ich überlegte, ob es nicht besser wäre, diese Wohnung mit wenigen Worten abzutun, weil es mir schien, es möchten sonst andere auf den Gedanken kommen, ich kennte sie aus Erfahrung; denn dies kam mir außerordentlich beschämend und als etwas Schreckliches vor, da ich weiß, wie ich bin. Indessen will ich doch über dieses Bedenken, das ich für eine Versuchung und Schwachheit halte, hinweggehen, solltet ihr auch noch so viele Urteile über mich fällen. Wenn nur Gott ein wenig mehr erkannt und gepriesen wird, mag dann die ganze Welt über mich lärmen; es soll mir dies ganz gleichgültig sein, ums so mehr, als ich vielleicht schon gestorben bin, wenn man dies zu lesen bekommt. Gepriesen sei der, der lebt und leben wird in Ewigkeit! Amen.

3. Wenn unser Herr in seinem Mitleid über das, was die schon geistigerweise zur Braut erhobene Seele durch ihre Sehnsucht nach ihm bisher gelitten hat und noch leidet, sich ihrer erbarmen will, so führt er sie, bevor die mystische Vermählung vollzogen wird, in seine eigene, das ist in diese siebente Wohnung ein; denn, wie er im Himmel eine Wohnung hat, so muss wohl auch in der Seele eine Stätte oder, sagen wir, ein anderer Himmel sein, wo er allein wohnt. Es ist, meine Schwestern, von großer Wichtigkeit für uns, dass wir die Seele nicht für irgendeine dunkle Sache halten; denn da sie unsichtbar ist, könnte man für gewöhnlich meinen, es gäbe außer dem Lichte, das wir sehen, kein anderes, inneres Licht, oder es herrsche in unserer Seele eine gewisse Finsternis. Das gebe ich bei einer Seele zu, die nicht im Stande der Gnade ist. In einer solchen Seele ist es freilich finster, zwar nicht in der Weise, dass die Sonne der Gerechtigkeit nicht mehr in ihr wäre — diese ist immer in ihr und gibt ihr das Sein —, sondern weil sie nicht fähig ist, das Licht dieser Sonne aufzunehmen, wie ich schon in der ersten Wohnung gesagt zu haben glaube. Es wurde nämlich einer Person geoffenbart, dass solche unglückliche Seelen gleichsam wie in einem finsteren Kerker gefangenliegen, gefesselt an Händen und Füßen, blind und stumm, so dass sie nichts Verdienstliches vollbringen können. Mit solchen Seelen müssen wir billigerweise Mitleid haben; zugleich sollen wir aber auch bedenken, dass es eine Zeit gegeben, in der auch wir so gewesen sind, und der Herr auch ihnen seine Barmherzigkeit erzeigen kann.

4. Flehen wir daher, meine Schwestern, mit besonderem Eifer zum Herrn, dass er ihnen diese Gnade erweise, und seien wir hierin ja nicht lässig; denn die Fürbitte für jene, die im Stande der Todsünde leben, ist das vortrefflichste Almosen. Wenn wir einen Christen sehen würden, dessen Hände mit einer starken Kette auf dem Rücken festgebunden sind und der an einem Pfahl angebunden ist und langsam an Hunger stirbt, nicht etwa, weil Lebensmittel fehlen, denn neben ihm liegen die ausgesuchtesten Speisen, sondern weil er nicht zufassen und die Speisen nicht zum Munde führen kann, und der noch dazu großen Widerwillen fühlt und wohl einsieht, dass er sterben werde, aber nicht eines gewöhnlichen, sondern eines fortdauernden Todes, wäre es da nicht eine große Grausamkeit, ihn zu sehen und ihm keine Speisen zuzuführen? Und was bedeutete es erst, wenn man ihm infolge euerer Fürbitte die Ketten abnehmen würde! Doch ein weit größeres Almosen wäre es, (wenn ihr einer durch die Todsünde gefesselten Seele beistehen würdet). Das begreift ihr doch.

O ich bitte euch um der Liebe Gottes willen, in eueren Gebeten allzeit jener Seelen zu gedenken, die sich im Stande der Todsünde befinden!

5. Von solchen Seelen will ich jedoch hier nicht reden, sondern nur von jenen, die für ihre Sünden Buße getan haben und nun durch die Barmherzigkeit Gottes im Stande der Gnade sind. Wir dürfen unsere Seele nicht wie ein in einen Winkel oder engen Raum eingeschlossenes Ding betrachten, sondern wie eine innere Welt, die so viele und so stattliche Wohnungen in sich begreift, wie ihr bisher gesehen habt; und mit vollem Rechte ist es so, weil im Inneren der Seele eine Wohnung für Gott selbst ist. Wenn nun der Herr einer Seele die erwähnte Gnade der mystischen Vermählung erweisen will, so führt er sie zuvor in seine Wohnung ein; jedoch vollzieht sich dieser Vorgang nach seinem Willen in anderer Weise wie bei den besprochenen Schauungen. Wohl glaube ich, dass Seine Majestät auch dort und im Gebete der (einfachen) Vereinigung die Seele mit sich vereint, obgleich sie dem Anscheine nach hier in dieser Wohnung von Gott nicht so fast zum Eintritt in den Seelengrund als vielmehr in ihren oberen Teil berufen wird. Es ist jedoch nur wenig daran gelegen; denn ob es auf die eine oder auf die andere Weise geschieht, so ist es in jedem Fall doch wahr, dass der Herr die Seele mit sich vereinigt. Er macht sie aber — bei der Bekehrung des heiligen Paulus geschah dasselbe — blind und stumm und unfähig, zu erkennen, wie und von welcher Art die ihr zuteil gewordene Gnade ist. Denn die große Wonne, die die Seele dort empfindet, verursacht das Schauen der Gottesnähe; hat aber Seine Majestät sie mit sich vereinigt, so erkennt sie nichts mehr, weil alsdann alle ihre Vermögen sich verloren haben.

6. Anders verhält es sich hier. Da will unser guter Gott der Seele die Schuppen von den Augen wegnehmen, damit sie in bisher ungewohnter Weise Einblick in die ihr erwiesene Gnade und Verständnis für sie bekommt. Während er sie durch eine Verstandesschauung in diese Wohnung einführt, treten vor sie ganz wahrheitsgetreu die drei Personen der Allerheiligsten Dreifaltigkeit in einer Liebesentflammung, die sich zuerst wie eine Wolke von überaus großer Klarheit im Verein mit diesen drei verschiedenen Personen auf ihren Geist niederlässt. Durch eine ihr zuteil gewordene wunderbare Erkenntnis sieht die Seele alsdann mit großer Gewissheit, wie alle drei Personen nur eine Wesenheit, eine Macht, ein Wissen und ein Gott sind. Sie sieht dies in einer Weise, dass man sagen kann, sie erkenne das, was wir sonst durch den Glauben festhalten, durch Schauen, obwohl sie weder mit den Augen des Leibes noch auch, da die Schauung keine bildhafte ist, mit den Augen der Seele etwas sieht. Alle drei Personen teilen sich ihr hier mit, sprechen zu ihr und erschließen ihr das Verständnis jener Worte des Evangeliums, die der Herr gesprochen: Er und der Vater und der Heilige Geist werden kommen und Wohnung nehmen in der Seele, die ihn liebt und seine Gebote hält.

7. Großer Gott, welch ein Unterschied ist zwischen dem Hören und dem einfachen Glauben dieser Worte und dem genannten Verstehen ihrer Wahrheit! Die Person, von der ich hier immer spreche, staunt täglich mehr, da nach ihrer Meinung diese göttlichen Personen gar nie von ihrer Seite wichen. Ganz in ihrem Innern gewahrt sie wie in einem tiefen Abgrund, den sie, weil ohne wissenschaftliche Bildung, nicht erklären kann, diese göttliche Gesellschaft.

8. Vielleicht seid ihr der Ansicht, die Seele werde dementsprechend nicht bei sich selbst, sondern so vertieft sein, dass sie auf nichts anderes mehr achten kann. Aber dies ist keineswegs der Fall. Sie achtet weit mehr als vorher auf alles, was den Dienst Gottes betrifft; und nur wenn sie frei von Geschäften ist, weilt sie in dieser angenehmen Gesellschaft. Und lässt es die Seele Gott gegenüber an nichts fehlen, dann wird er ihr nach meinem Dafürhalten stets seine Gegenwart in so offenkundiger Weise zu erkennen geben. Sie selbst hat große Zuversicht, Gott werde sie nach dem Empfang dieser Gnade nicht in der Weise verlassen, dass sie diese wieder Verliere; und so kann man auch annehmen. Gleichwohl wacht sie fortan mit größerer Sorgfalt als je darüber, ihrem Gott ja durch nichts zu missfallen.

9. Doch ihr dürft das Gesagte nicht so verstehen, als ob die Seele beständig in dieser Gegenwart weile, so dass letztere sich ihr immer so vollkommen, will sagen: so klar, zeigt wie das erstemal oder wie zu anderen Zeiten, wenn der Herr ihr diese Gnade aufs neue erweisen will. Denn wäre dies der Fall, so wäre es freilich unmöglich, auf etwas anderes zu achten, ja auch nur, unter den Menschen zu leben. Immer aber, sooft die Seele darauf merkt, findet sie sich in dieser Gesellschaft, wenn sie diese auch nicht in so klarem Lichte schaut. Es ist da gerade so — so wollen wir sagen —, wie wenn jemand mit anderen in einem ganz hellen Zimmer sich befände, dessen Fenster plötzlich geschlossen werden, so dass das Zimmer finster bleibt. Obwohl dann kein Licht mehr da ist und er jene, die sich bei ihm im Zimmer befinden, so lange nicht mehr sehen kann, bis wieder Licht einfällt, würde er doch beständig wissen, dass sie gegenwärtig sind. Aber da kann man fragen, ob die Seele die Fenster öffnen könne, so oft sie will, um die Gesellschaft wieder zu sehen. Keineswegs; dies steht nicht in ihrer Macht, sondern es hängt vom Willen unseres Herrn ab, wann die Fenster des Verstandes geöffnet werden sollen. Inzwischen erzeigt er der Seele schon große Barmherzigkeit dadurch, dass er nie von ihr weicht und sie seine Gegenwart mit so klarer Gewissheit erkennen lassen will.

10. Die göttliche Majestät will hier, wie es scheint, die Seele durch diese wunderbare Gesellschaft auf größere Dinge vorbereiten; denn es ist klar, dass sie ihr dadurch sehr behilflich ist, um in allem auf dem Wege der Vollkommenheit voranzuschreiten, und um die Furcht abzulegen, die sie, wie schon erwähnt, bezüglich der übrigen ihr vom Herrn erwiesenen Gnaden zuweilen befiel. Dies war auch bei der erwähnten Person der Fall. Sie fand sich in jeder Hinsicht gefördert und war der Meinung, als entferne sich das Wesen ihrer Seele auch bei noch so großen Leiden und noch so vielen Geschäften gar nie von jenem Gemache, so dass nach ihrer Annahme ihre Seele gewissermaßen geteilt zu sein schien. Darum beklagte sie sich auch manchmal, wenn sie bald nach dem Empfange dieser Gnade von großen Leiden heimgesucht wurde, über ihre Seele, wie Martha sich über Maria beklagte; sie hielt ihr vor, dass sie sich immer nach ihrem Belieben dem Genusse seliger Ruhe ergebe, ihr selbst aber so viele Mühseligkeiten und Geschäfte überlasse, dass sie an diesem Genusse keinen Anteil haben könne.

11. Dies wird euch, meine Töchter, zwar ungereimt vorkommen, aber es ist wirklich so. Selbstverständlich ist die Seele ein in sich geschlossenes Ganzes; aber das Gesagte ist doch keine Einbildung, da es in diesem Zustand als etwas ganz Gewöhnliches erscheint. Es treten meinen Worten entsprechend innere Verhältnisse zutage in einer Weise, dass man mit Gewissheit erkennt, es bestehe gewissermaßen ein ganz offenbarer Unterschied zwischen der Seele und dem Geiste, obgleich im übrigen beide ein und dasselbe sind. Man erkennt da zuweilen eine so feine Teilung, dass die Teile verschieden voneinander zu wirken scheinen, je nach der Wonne, die der Herr ihnen mitteilen will. Auch scheint mir, dass die Seele etwas von ihren Vermögen Verschiedenes ist, und dass diese mit jener nicht ein und dasselbe sind? Es gibt in unserem Inneren so Viele und so feine Unterschiede, dass es Vermessenheit wäre, wenn ich es wagen wollte, eine Erklärung darüber zu versuchen. Dort, im anderen Leben, werden wir es verstehen, wenn uns der Herr in seiner Barmherzigkeit die Gnade erweist, uns dahin zu führen, wo wir diese Geheimnisse erkennen werden.

Zweites Hauptstück

Fortsetzung. Unterschied zwischen geistiger Vereinigung und mystischer Vermählung. Erklärung dieses Unterschiedes durch passende Gleichnisse.

3. Wir wollen nun zur Erklärung der mystischen und göttlichen Vermählung übergehen. Es ist dies eine Gnade, die, solange wir hienieden leben, wohl nie zur gänzlichen Vollendung gelangen wird, weil es immer noch möglich ist, dass wir uns von Gott trennen und so dieses großen Gutes verlustig gehen. Erweist Gott der Seele zum ersten Male diese Gnade, so offenbart ihr Seine Majestät in einer bildhaften Schauung seine heiligste Menschheit, damit sie es klar erkenne und nicht in Unwissenheit über den Empfang eines so himmlischen Geschenkes bleibe. Anderen Personen offenbart sich der Herr vielleicht in einer anderen Gestalt; jener, von der wir reden, erschien er nach der hl. Kommunion in einer glänzenden Gestalt von ausgezeichneter Schönheit und großer Majestät, wie er nach seiner Auferstehung war. Er sprach zu ihr, es sei nun Zeit, dass sie sich seiner Angelegenheiten als der ihrigen annehme er dagegen werde für die ihrigen Sorge tragen. Er sprach auch noch andere Worte, die jedoch besser empfunden als wiedergegeben werden.

2. Es könnte den Anschein haben, als wäre dies für jene Person nichts Neues gewesen, da sich ihr der Herr schon öfter in derselben Weise geoffenbart hatte. Allein dieses Mal war die Erscheinung von er früheren so verschieden, dass die Seele darüber erschrak und ganz verwirrt wurde; denn erstens vollzog sich diese Schauung in gewaltsamer Weise, zweitens erschreckten sie die Worte des Herrn, und dann hatte sie im Inneren der Seele, wo sich diese Erscheinung zeigte, außer der ebenerwähnten noch keine andere geschaut. Ihr müsst nämlich wissen, dass alle früher besprochenen Schauungen von denen in dieser Wohnung ganz verschieden sind und dass auch zwischen der geistigen Verlobung und der mystischen Vermählung ein ebenso großer Unterschied ist, wie zwischen zwei Verlobten und zwei Verehlichten, die sich nicht mehr voneinander trennen können.

3. Ich habe schon gesagt, dass es sich bei Erwähnung dieser Gleichnisse — (ich habe sie nur deshalb gewählt, weil ich keine passenderen zu finden wußte) — so wenig um den Leib handelt, als wenn die Seele nicht in ihm und der Geist allein wäre. Dies gilt noch weit mehr von der mystischen Vermählung; denn diese geheimnisvolle Vereinigung geht im innersten Seelengrunde vor sich, an dem Orte, wo Gott selber wohnen muss. Meines Erachtens hat er auch keine Türe nötig, um da einzugehen. Ich sage, er habe keine Türe nötig; denn bei allem bisher Besprochenen scheint er sich der Sinne und Vermögen zu bedienen, und auch die erwähnte Erscheinung der Menschheit des Herrn muss sich wohl in dieser Weise zugetragen haben. Was aber durch die Vereinigung durch die mystische Ehe vor sich geht, ist ganz anderer Art. Hier zeigt sich der Herr im Seelengrunde nicht in einer bildhaften, sondern in einer Verstandesschauung, die noch zarter ist als die früher besprochenen, sowie er auch, ohne durch die Türe einzugehen, den Aposteln erschienen ist, als er zu ihnen sprach: »Der Friede sei mit euch!«

4. Was Gott hier der Seele in einem Augenblick mitteilt, ist ein so großes Geheimnis, eine so hohe Gnade und erfüllt sie mit so außerordentlicher Wonne, dass ich es mit nichts anderem vergleichen kann als mit der himmlischen Glorie, die der Herr ihr für jenen Augenblick offenbaren will, und zwar aus eine so erhabene Weise, wie es bei keiner anderen Schauung oder geistigen Süßigkeit geschieht. Man kann darüber nicht mehr sagen, als dass nun die Seele oder vielmehr der Geist der Seele, soweit man es erkennen kann, eins mit Gott geworden ist; er, selbst ein Geist, wollte seine Liebe zu uns dadurch bekunden, dass er einigen Personen offenbarte, wie weit dieselbe gehe, damit wir die Größe seiner Erbarmung preisen. Denn er hat sich in einer Weise mit dem Geschöpfe verbinden wollen, dass er sich nicht mehr von ihm trennen will, sowie auch die Verehlichten untrennbar miteinander verbunden sind.

5. Die geistige Verlobung ist hiervon verschieden; denn da gibt es oft noch eine Trennung. Dasselbe ist auch bei der einfachen Vereinigung der Fall. Wenn auch Vereinigung die Zusammenfügung zweier Dinge ist, so können diese doch wieder getrennt werden, so dass jedes für sich allein bestehen bleibt. So sehen wir denn auch, dass diese Gnade des Herrn schnell vorübergeht und die Seele wieder ohne diese göttliche Gesellschaft ist, ich meine, insoferne sie diese nicht mehr wahrnimmt. Bei jener Gnade des Herrn, von der in dieser Wohnung die Rede ist, ist dies nicht der Fall; da bleibt die Seele in jenem innersten Grunde immer bei ihrem Gott. Wir wollen sagen, die Vereinigung gleicht einer so innigen Zusammenfügung zweier Wachskerzen, dass das Licht von beiden nur ein Licht bildet, oder sie ist jener Verbindung des Wachses, des Dochtes und des Lichtes zu einem Ganzen ähnlich. Die beiden Kerzen können ganz leicht wieder voneinander getrennt werden, so dass man wieder zwei Kerzen hat, und auch den Docht kann man vom Wachse ablösen. Bei der mystischen Vermählung aber ist es, wie wenn Wasser vom Himmel in einen Fluss oder in einen Brunnen fällt, wo die beiden Wasser so eins werden, dass sie nicht mehr voneinander geschieden werden können; oder wie wenn ein kleines Bächlein sich ins Meer ergießt, wobei eine Ausscheidung seines Wassers nicht mehr möglich ist. Oder es ist, wie wenn in ein Zimmer durch zwei Fenster ein helles Licht hineinfällt; obgleich beim Hineinfallen geschieden, wird es im Zimmer doch zu einem Lichte.

6. Diese erhabene Vermählung, die die Vereinigung der göttlichen Majestät mit der Seele voraussetzt, ist es vielleicht, auf die der heilige Paulus anspielt mit den Worten: »Wer Gott sich nähert und sich mit ihm verbindet, wird ein Geist mit ihm.« Und von sich spricht er: »Christus ist für mich das Leben, und das Sterben ist mir Gewinn.« So kann auch die Seele, wie mir scheint, hier sprechen; denn hier stirbt der kleine Schmetterling, von dem wir gesprochen, da sein Leben nunmehr Christus ist.

7. Dies zeigt sich noch genauer in den Wirkungen dieser Gnade. Man merkt da durch ein gewisses geheimes Anhauchen deutlich, dass Gott es ist, der unserer Seele das Leben gibt; dieses Anhauchen ist sehr oft so lebendig und wird so mächtig empfunden, dass gar kein Zweifel darüber bestehen kann. Die Seele kann sich zwar darüber nicht aussprechen, aber manchmal empfindet sie den Eindruck dieser Anhauchung so stark, dass ihr gewisse zärtliche Worte entlockt werden, die sie allem Anscheine nach nicht zurückzuhalten vermag, wie z. B. »O Leben meines Lebens!« »O Nahrung, die du mich erhältst!« und andere Worte dieser Art. Denn von jenen göttlichen Brüsten, an denen Gott die Seele beständig zu nähren scheint, kommen Strahlen von Milch hervor, die alle Bewohner der Burg stärken. Der Herr will, wie es scheint, diese etwas von dem reichlichen Mahle der Seele genießen lassen; er will aus jenem gewaltigen Strome, in den dieses kleine Bächlein gemündet, hin und wieder eine Welle hervorbrechen lassen, um jene zu ernähren und zu erhalten, die diesen beiden Vermählten in leiblicher Beziehung dienen sollen. Unmöglich könnte sich jemand, der, plötzlich und ohne daran zu denken, ins Wasser geworfen würde, der Empfindung erwehren, dass er von dessen Wellen erfasst werde; ebenso, ja mit noch größerer Gewissheit, fühlt die Seele die genannten Wirkungen. Denn wie keine Wasserwelle uns erfassen kann, außer sie hat, wie gesagt, einen Ursprung, so ist auch hier deutlich wahrzunehmen, dass in ihrem Innern einer ist, der diese Pfeile entsendet und Leben spendet diesem Leben, dass eine Sonne vorhanden ist, von der ein helles Licht ausströmt, das sich aus dem Innern der Seele auf deren Vermögen ergießt. Die Seele weicht, wie gesagt, nicht von diesem innersten Grund und verliert nicht ihren Frieden; denn der, der den Frieden den versammelten Aposteln gegeben, kann auch ihr ihn geben.

8. Es ist mir der Gedanke gekommen, dieser Gruß des Herrn müsse viel mehr in sich begriffen haben, als sein Wortlaut besagte; dasselbe scheint mir auch von den Worten zu gelten, die unser Herr zur ruhmwürdigen Magdalena sprach: »Gehe hin in Frieden!« Da die Worte des Herrn Taten sind, wie bei uns die Werke, so werden sie ohne Zweifel in den schon bereiteten Seelen so kräftig gewirkt haben, dass sie alles Leibliche von ihnen ausschieden und ihnen nur noch den reinen Geist beließen, damit sie sich in dieser himmlischen Verbindung mit dem unerschaffenen Geiste vereinigen konnten. Denn der Herr erfüllt uns ganz gewiss mit sich selbst, sobald wir uns alles Erschaffenen entledigen und aus Liebe zu Gott uns davon losreißen. So betete denn auch einmal Jesus Christus, unser Herr, für seine Apostel — ich weiß nicht, wo es steht — , dass sie eins seien mit dem Vater und mit ihm, wie Jesus Christus, unser Herr, im Vater und der Vater in ihm ist. Ich weiß nicht, ob es eine größere Liebe geben kann als diese. Und davon ist niemand von uns allen ausgeschlossen; denn so sprach die göttliche Majestät: »Nicht für sie allein bitte ich, sondern auch für alle jene, die an mich glauben werden«, und: »Ich bin in ihnen.«

9. O Gott, wie wahr sind diese Worte und wie vollkommen versteht sie die Seele, die sie im Gebete der mystischen Vermählung an sich erfüllt sieht! Wie gut würden auch wir alle sie verstehen, wenn wir es nicht durch eigene Schuld verhinderten! Denn die Worte Jesu Christi, unseres Königs und Herrn, können nicht trügen. Da wir es aber unterlassen, uns zu bereiten und uns von allem loszumachen, was jenem Lichte den Eintritt versperren kann, darum sehen wir uns auch nicht in dem Spiegel, den wir betrachten und dem unser Urbild eingegraben ist.

10. Kehren wir nun wieder zu dem zurück, wovon wir gesprochen. Wenn der Herr die Seele in diese seine Wohnung, in den Seelengrund selbst, eingeführt hat, befindet sie sich in dieser Wohnung des Herrn wie im höchsten Himmel, von dem man sagt, dass er unbeweglich sei, während die anderen Himmelskörper sich bewegen. Es scheinen alsdann die Antriebe, die sie zuvor in den Vermögen und in der Einbildungskraft empfand, derart aufzuhören, dass sie ihr nicht mehr schaden oder ihren Frieden rauben können.

11. Es könnte den Anschein haben, als wollte ich damit sagen, die Seele, die dieses Gnadenerweises Gottes teilhaftig werde, sei ihres Heiles gewiss und könne fortan nicht mehr fallen. Aber so sage ich nicht; und so oft ich von einem Zustande rede, in dem die Seele in Sicherheit zu sein scheint, ist dies immer nur bedingungsweise zu verstehen, d. h. nur solange, als der Herr sie an seiner Hand hält und sie ihn nicht beleidigt. Wenigstens weiß ich gewiss, dass die erwähnte Seele, trotz dieser jahrelang andauernden Verfassung sich nicht für gesichert hält; sie wandelt vielmehr in viel größerer Furcht als ehedem und hütet sich vor jeder, auch geringen Beleidigung Gottes. Dabei trägt sie ein so großes Verlangen, ihm zu dienen, wovon später noch die Rede sein wird; fast immer ist sie betrübt und beschämt darüber, dass sie sehen muss, wie wenig sie bei ihrer großen Verbindlichkeit dem Herrn gegenüber in seinem Dienste leisten kann. Dies ist für sie kein geringes Kreuz, ja eine sehr harte Buße; denn die Übung der Buße ist dieser Seele die größte Wonne, und je schwerer die Buße, desto lieber ist es ihr. Aber eine wahre Buße ist es für sie, wenn Gott ihr die Gesundheit und die Kräfte nimmt, Bußwerke zu verrichten. Habe ich auch anderwärts von dieser großen Betrübnis der Seele gesprochen, so ist die in dieser Wohnung noch weit tiefgehender. Dies alles muss wohl von der Wurzel kommen, der sie eingepfropft ist. Ja, da ist es wie mit einem Baume, der neben einen Wasserbach gepflanzt und deshalb auch um so frischer und fruchtbarer ist. Was Wunder also, wenn die Seele von solchen Sehnsuchtsgefühlen erfasst wird, da ihr wahrer Geist mit dem himmlischen Wasser, von dem wir gesprochen, eins geworden ist?

12. Um jedoch auf das vorher Erwähnte zurückzukommen, so darf man dies nicht so auffassen, als wären die Vermögen, die Sinne und die Leidenschaften unaufhörlich in diesem Frieden. Die Seele selbst genießt ihn (in ihrem innersten Grunde) beständig; aber in jenen anderen Wohnungen fehlt es zu Zeiten nicht an Kampf, an Mühseligkeiten und Leiden, wenn sie auch nicht von der Art sind, dass sie der Seele den Frieden raubten. Dies ist der gewöhnliche Zustand. Dieser Seelengrund aber oder dieser Geist ist sehr schwer zu erklären und auch sehr schwer für den Glauben; ich denke mir dabei, meine Schwestern, ihr möchtet versucht werden, meine Worte nicht zu glauben, da ich mich darüber nicht klar auszusprechen vermag. Denn wenn ich sage, die Seele empfinde Mühseligkeiten und Leiden und sie sei zugleich im Frieden, so ist dies in der Tat schwer zu begreifen. Ich will euch darum ein Gleichnis angeben oder auch zwei; Gott gebe, dass ich dadurch den Sachverhalt wenigstens in etwa erkläre! Sollte dies aber auch nicht der Fall sein, so weiß ich doch, dass meine Worte Wahrheit sind.

13. Betrachtet den König in seinem Palaste. Obwohl es in seinem Reiche allenthalben Kriege und mannigfaltige Drangsale gibt, so vermag ihn doch nichts von all dem aus seiner Wohnstätte zu vertreiben. Dasselbe ist auch hier im innersten Grunde der Seele der Fall. Wenn auch in den übrigen Wohnungen vielfache Ruhestörungen zutage treten, giftige Tiere sich einschleichen und lauter Lärm vernommen wird, so dringt doch nichts in jenen Grund, was die Seele daraus vertreiben könnte. Was sie hört, ist ihr zwar etwas peinlich, doch nicht so, dass es ihre Ruhe stören und ihr den Frieden rauben könnte; denn die Leidenschaften sind schon überwunden, so dass sie sich fürchten, in jenes innerste Gemach einzudringen, weil sie sonst noch mehr unterjocht werden würden. — Es kann uns der ganze Leib wehe tun; ist aber der Kopf gesund, so befällt ihn kein Schmerz, wie sehr auch der übrige Körper leiden mag. Ich muss freilich lachen über diese Vergleiche, die mich selbst nicht befriedigen; aber ich weiß keine anderen. Übrigens möget ihr denken, was ihr wollt, so bleibt doch wahr, was ich gesagt habe.

Drittes Hauptstück

Großartige Wirkungen des besprochenen Gebetes. Diese müssen mit Aufmerksamkeit betrachtet werden; denn der Unterschied dieser Wirkungen von jenen der vorhergehenden Gebetsstufen ist wundervoll.

3. So ist denn der kleine Schmetterling bereits gestorben voll der innigsten Freude darüber, dass er endlich eine Ruhestätte gefunden und Christus in ihm lebt. Sehen wir nun, welch ein Leben er führt und wie verschieden es von jenem ist, das er zuvor gelebt; aus den Wirkungen werden wir die Wahrheit dessen erkennen, was wir gesagt haben. Soweit ich es verstehen kann, sind die Wirkungen folgende:

2. Die erste Wirkung ist ein solches Selbstvergessen der Seele, dass, wie schon erwähnt, ihr Sein ein Ende genommen zu haben scheint; denn sie ist so völlig verändert, dass sie sich selbst nicht mehr kennt. Sie denkt nicht daran, dass es für sie noch einen Himmel oder ein Leben oder eine Ehre gebe; ihr ganzes Streben geht jetzt vielmehr dahin, die Ehre Gottes zu fördern. Die von ihr vernommenen Worte, sie möge seine Angelegenheiten als die ihrigen betrachten, während er die ihrigen als die seinigen ansehen werde, scheinen nun an ihr in Erfüllung gegangen zu sein. Und so lebt sie denn unbekümmert um alles, was geschehen kann, und in einem ganz einzigartigen Sichselbstvergessen, so dass es, wie schon erwähnt, den Anschein hat, sie sei gar nicht mehr und wolle in keiner Weise etwas sein, außer sie sieht, dass sie zur Ehre und Verherrlichung Gottes etwas beitragen kann; denn dafür würde sie herzlich gern ihr Leben hingeben.

3. Ihr dürft jedoch, meine Töchter, nicht denken, die Seele entledige sich nun der Sorge für Nahrung und Schlaf, obwohl ihr dies keine geringe Qual ist, oder sie vernachlässige irgendwie die Pflichten ihres Standes. Es ist hier nur von inneren Dingen die Rede; was die äußere Tätigkeit betrifft, so gereicht ihr die Wahrnehmung, dass ihre Kräfte gar nichts mehr vermögen, vielmehr zur Qual. Von dem aber, was sie noch zu tun vermag und was nach ihrer Auffassung zum Dienste des Herrn gereicht, würde sie um nichts in der Welt etwas unterlassen.

4. Die zweite Wirkung ist ein großes Verlangen nach Leiden; doch dieses Verlangen beunruhigt jene Seelen nicht in der Weise, wie es sonst der Fall war. Denn sie ersehnen in allem so sehr die Erfüllung des Willens Gottes, dass sie mit allem einverstanden sind, was immer Seine Majestät tut. Will er, dass sie leiden, wohlan, so sei es; will er dies nicht, so grämen sie sich deshalb nicht zu Tode, wie ehedem.

5. Werden sie verfolgt, so empfinden sie eine große innere Freude und einen weit tieferen Frieden als in den zuvor besprochenen Wohnungen. Sie hegen keine Feindschaft gegen jene, die ihnen Böses tun oder zu tun wünschen; im Gegenteil, sie fassen eine ganz besondere Liebe zu ihnen, so dass sie mit ihren Beschwernissen inniges Mitleid fühlen und jedes ihrer Leiden auf sich nehmen würden, um sie davon zu befreien. Von Herzen gern empfehlen sie jene Gott; ja sie würden mit Freuden auf die ihnen von Seiner Majestät verliehenen Gnaden verzichten, wenn sie ihren Verfolgern zuteil würden, damit diese unseren Herrn nicht mehr beleidigen. Was mich aber besonders in Staunen setzt, ist folgendes:

6. Ihr habt schon gesehen, welche Leiden und Trübsale diese Seelen in ihrem Verlangen nach dem Tode auf sich genommen haben, um zum Genusse des Herrn zu gelangen. Jetzt aber hat ihr Verlangen, ihm zu dienen und zu seinem Lobpreis und wenn möglich zur Förderung irgendeiner Seele beizutragen, sehr zugenommen. Anstatt zu sterben, wünschen sie recht lange unter den größten Leiden zu leben, damit, wenn es möglich wäre, der Herr auch nur ein klein wenig durch sie gepriesen werde. Ja, wüßten sie gewiss, dass sie nach ihrem Hinscheiden sogleich zum Genusse Gottes gelangen würden, so achteten sie nicht darauf; und denken sie an die Glorie, deren sich die Heiligen erfreuen, so verlangen sie in keiner Weise, jetzt schon daran teilzunehmen. Ihre Seligkeit ist es, wenn möglich dem Gekreuzigten in etwa behilflich sein zu können, besonders wenn sie sehen, wie sehr er beleidigt wird und wie wenige sich, von allem losgeschält, die Förderung seiner Ehre ernstlich angelegen sein lassen.

7. Freilich vergessen solche Seelen zuweilen das, was ich eben erwähnte, und es regt sich in ihnen wieder ein zärtliches Verlangen nach dem Genusse Gottes und nach dem Verlassen dieses Landes der Verbannung, besonders wenn sie sehen, wie wenig sie im Dienste Gottes leisten. Aber bald kehren sie wieder in sich selbst zurück und schauen auf den, den sie dauernd bei sich haben. Damit geben sie sich zufrieden und bringen der göttlichen Majestät das Verlangen zu leben als das kostbarste Opfer dar, das sie ihr zu bringen imstande sind? Vor dem Tode aber fürchten sie sich so wenig, dass er ihnen vielmehr als eine süße Verzückung erscheint. Er, der ihnen zuvor jenes äußerst qualvolle Verlangen (nach seiner Anschauung) verliehen, gibt ihnen jetzt das Verlangen zu leben ein. Er sei gelobt und gepriesen in Ewigkeit!

8. Diese Seelen haben auch kein Verlangen nach geistigen Wonnen und Süßigkeiten, da sie den Herrn selbst in sich besitzen, und Seine Majestät ist es, die jetzt in ihnen lebt. War doch das eigene Leben des Herrn hienieden offenbar nichts anderes als ein beständiges Martyrium, und so gestaltet er auch ihr Leben dem seinigen gleichförmig, wenigstens dem Verlangen nach; im übrigen leitet er sie als schwache Menschen, wenn er ihnen auch gern von seiner Stärke mitteilt, sobald er es für sie als notwendig erachtet. Sie leben in einer großen Losschälung von allem Erschaffenen und wünschen immer allein zu sein oder zum Nutzen einer Seele sich zu betätigen. Sie haben weder Trockenheiten des Geistes noch innere Leiden; und während sie mit ihren Gedanken bei unserem Herrn weilen, tragen sie eine so zärtliche Liebe zu ihm, dass sie ihn ohne Unterlass lobpreisen möchten. Werden sie aber hierin schläfrig, so weckt sie der Herr selbst in der genannten Weise wieder auf; daraus ist ganz deutlich zu erkennen, dass diese Anregung — ich finde keinen anderen Ausdruck — vom Inneren der Seele ausgeht, wie ich dies auch bei den heftigen Antrieben hervorhob. Diese Anregung vollzieht sich mit großer Lieblichkeit, aber sie ist weder auf das eigene Denken noch auf das Gedächtnis zurückzuführen; man kann auch nicht annehmen, dass zu diesem Vorgang die Seele ihrerseits etwas beigetragen hat. Die Person, die ich hier wieder im Auge habe, hat dies mit Aufmerksamkeit beobachtet, da es ihr oft, ja gewöhnlich begegnet. Denn wie das Feuer, so sehr man es auch anfachen mag, nicht nach abwärts lodert, sondern seine Flamme nach oben entsendet, ebenso erkennt man auch hier, dass die innere Anregung vom Seelengrunde ausgeht und die Vermögen der Seele erweckt.

9. Fürwahr, wenn es auf diesem Wege des Gebetes keinen anderen Gewinn gäbe, als dass wir hier die ganz besondere Sorgfalt Gottes kennenlernten, mit der er sich uns mitteilen und uns gleichsam bitten will bei ihm zu verweilen — denn nichts anderes scheint es zu sein —, so glaube ich, wir wären reichlich entschädigt für alle auf uns genommenen Leiden, um diese so lieblichen und tiefgehenden Berührungen seiner Liebe zu genießen. Ihr werdet dies, meine Schwestern, schon erfahren haben; denn ich meine, der Herr offenbare diese Sorgfalt schon, wenn man zum Gebete der Vereinigung gelangt ist, vorausgesetzt, dass wir nicht nachlässig sind in der Beobachtung seiner Gebote. Wenn also solche Anregungen auch bei euch sich einstellen, so erinnert euch, dass sie von dieser inneren Wohnung, von unserem Seelengrund, vom Wohnsitze Gottes selbst, ausgehen. Lobpeiset ihn dafür sehr; denn diese Gnade kommt gewiss von ihm! Sie ist eine Botschaft, die er an euch ergehen lässt, oder wie ein Brieflein, das mit solcher Liebe und auf eine Weise geschrieben ist, dass nach seinem Willen ihr allein es lesen und das verstehen sollet, um was er euch darin bittet. Unterlasset ja nicht, Seiner Majestät zu antworten, wenn ihr auch äußerlich beschäftigt oder in der Unterredung mit anderen begriffen seid; denn oft wird es sich ereignen, dass euch unser Herr diese geheimnisvolle Gnade erweisen will, wo ihr nicht einsam für euch selbst seid. Da ihr nur innerlich zu antworten braucht, so ist es sehr leicht. Ihr dürft nur tun, was ich sage, einen Akt der Liebe erwecken oder mit dem heiligen Paulus sprechen: »Herr, was willst du von mir?« Er selbst wird euch dann auf mannigfache Weise lehren, wodurch ihr ihm gefallen könnt; es ist dies eine gelegene Zeit, weil er uns da zu hören scheint. Fast immer wird diese so zarte Berührung die Seele bereiten, um das Gesagte mit entschlossenem Willen tun zu können.

10. Diese Wohnung unterscheidet sich von den anderen dadurch, dass in ihr, wie gesagt, fast nie Geistesdürre oder Beunruhigungen auftreten, wie es in allen übrigen Wohnungen zu Zeiten der Fall ist; die Seele lebt also hier in einer fast beständigen Ruhe. Sie hat auch keine Furcht, der böse Feind könnte etwa diese erhabene Gnade nachäffen; sie befindet sich in dauernder Gewissheit, dass sie von Gott kommt. Denn hier haben, wie gesagt, weder die Sinne noch die Vermögen etwas zu tun, da der Herr die Seele neben sich selbst setzt und sich ihr offenbart. In diesen Bereich wagt meines Erachtens der böse Feind nicht einzudringen, und die göttliche Majestät gestattet ihm keinen Zutritt. Alle Gnaden, die der Seele hier zuteil werden, empfängt sie, wie gesagt, ohne jegliche Mitwirkung von ihrer Seite; nur die vollkommene Hingabe an Gott vollzog sich durch eigene Mitwirkung.

11. Alles, was der Herr zur Förderung und Belehrung der Seele hier tut, vollzieht sich mit einer solchen Ruhe und so geräuschlos, dass es an den Bau des salomonischen Tempels erinnert, wo kein Lärm zu hören war. So ist es auch in diesem Tempel Gottes, in dieser Wohnung des Herrn; hier ergötzen sich Gott und die Seele allein in tiefster Stille. Da bedarf es keiner Tätigkeit, keines Suchens des Verstandes; denn der Herr, der ihn erschaffen, will ihn hier in Ruhe setzen, und nur durch eine kleine Ritze darf er sehen, was da vorgeht. Denn wird auch dieses Schauen zuweilen unterbrochen und dem Verstande untersagt, so geschieht es immer nur auf sehr kurze Zeit, da sich nach meinem Dafürhalten die Vermögen hier nicht verlieren; sie sind auch nicht wirksam, sondern nur wie von Staunen ergriffen.

12. Es wundert mich wirklich, dass alle Verzückungen ein Ende nehmen, wenn die Seele zu dieser Stufe gelangt ist (dieses Aufhören der Verzückungen ist nur von dem Sichverlieren der Sinne zu verstehen). Kommen sie zuweilen auch noch vor, so sind es doch nicht jene Entrückungen und Geistesflüge (wovon früher die Rede war). Diese finden hier nur sehr selten und fast nie mehr öffentlich statt, wie es ehedem ganz gewöhnlich der Fall war. Auch machen selbst große Anregungen zur Andacht keine solchen Eindrücke mehr auf die Seele wie sonst, wenn sie z. B. ein andächtiges Bild sah oder auch nur den Anfang einer Predigt oder eines frommen Gesanges hörte. Dies alles reichte früher hin, den kleinen Schmetterling aufzuscheuchen und zum Fluge zu nötigen, als er noch so von Sehnsucht glühte. Jetzt aber ist es anders geworden; entweder hat die Seele ihre Ruhe gefunden oder sie hat in dieser Wohnung schon so vieles gesehen, dass sie über nichts mehr staunt, oder sie fühlt sich infolge des Genusses einer so kostbaren Gesellschaft nicht mehr so einsam, oder es liegt eine andere Ursache zugrunde, die ich, meine Schwestern, nicht kenne. Sobald nämlich der Herr die Seele in diese Wohnung versetzt und ihr zu zeigen beginnt, was sie da schauen darf, verliert sie diese große Schwäche, die ihr sehr peinlich war und sie nie verließ. Vielleicht kommt dies daher, dass der Herr sie nunmehr gekräftigt, erweitert und (zur Aufnahme) so großer Gnaden fähig gemacht hat; oder es kann auch sein, dass er das, was er an solchen Seelen im geheimen getan, aus gewissen, Seiner Majestät allein bekannten Gründen öffentlich kundgeben wollte; denn die Urteile des Herrn sind weit erhaben über alles, was wir uns hienieden denken können.

13. Diese sowie auch alle übrigen bei den verschiedenen Gebetsstufen angegebenen guten Wirkungen verleiht Gott der Seele, wenn er sie mittels jenes Kusses, den die Braut (des Hohenliedes) von ihm begehrte, an sich zieht; denn hier wird, so viel ich davon verstehe, diese ihre Bitte gewährt. Hier wird dem verwundeten Hirsche Wasser gereicht im Überfluss; hier ergötzt er sich im Gezelte Gottes. Hier findet die Taube, von Noe ausgesandt, um zu erfahren, ob die Flut sich gelegt, den Ölzweig als Zeichen, dass sie inmitten der Gewässer und Stürme dieser Welt festes Land gefunden.

14. O Jesus, wüßte ich doch die vielen Stellen, die in der Schrift zur Erklärung dieses Friedens der Seele sich finden müssen! Mein Gott, du weißt es, wie viel für uns an diesem Frieden gelegen ist; bewirke doch, dass die Christen ihn suchen, und verleihe in deiner Barmherzigkeit, dass ihn jene, denen du ihn verliehen, nicht wieder verlieren; denn sie müssen immer in Furcht leben, bis du ihnen den wahren Frieden gibst und sie dahin führst, wo er kein Ende mehr haben wird. Ich nenne diesen ewigen Frieden den »wahren« Frieden, nicht als ob jener für die Zeit verliehene nicht auch ein wahrer Friede wäre, sondern weil hier immer der frühere Kampf sich wiederholen könnte, wenn wir uns von Gott trennen würden.

15. Ach, was müssen doch jene Seelen empfinden bei dem Gedanken, dass sie eines so großen Gutes wieder verlustig gehen könnten? Dieser Gedanke treibt sie an, mit um so größerer Sorgfalt zu wandeln und sich zu bemühen, aus ihrer Schwachheit Stärke zu gewinnen, damit sie ja aus eigener Schuld keine Gelegenheit versäumen, sich Gott wohlgefälliger zu machen. Je mehr sie von der göttlichen Majestät mit Gnaden überhäuft werden, desto ängstlicher und furchtsamer sind sie im Hinblick auf sich selbst. Da sie in diesen Offenbarungen der Größe Gottes ihre eigenen Armseligkeiten um so gründlicher erkannt haben und ihnen ihre Sünden nun weit schwerer erscheinen, so wagen sie, gleich dem Zöllner, oft nicht einmal die Augen zu erheben. Manchmal regt sich in ihnen das Verlangen, ihr Leben möchte ein Ende nehmen, um in Sicherheit zu sein; aber bald bestimmt sie wieder ihre Liebe zum Herrn zu dem Wunsche, zu leben, um, wie gesagt, ihm zu dienen, indem sie alles, was sie selbst betrifft, der Barmherzigkeit Gottes überlassen. Zuweilen bewirken die vielen empfangenen Gnaden, dass sie sich um so mehr vernichten, aus Furcht, es könnte ihnen ergehen wie einem Schiffe, das übermäßig beladen ist und deshalb in den Grund sinkt.

16. Ich versichere euch, meine Schwestern, dass es diesen Seelen nie an Kreuz fehlt, nur werden sie nicht der Ruhe und des Friedens beraubt; es geht vielmehr wie eine Welle oder wie ein leichtes Unwetter schnell vorüber, und es tritt wieder Meeresstille ein; denn die Gegenwart des Herrn, deren sie sich erfreuen, lassen sie wieder bald alles vergessen. Er sei in Ewigkeit gelobt und gepriesen von allen seinen Geschöpfen! Amen.

Viertes Hauptstück

Schluss. Es wird erklärt, was unser Herr bei Mitteilung so großer Gnaden zu beabsichtigen scheint und wie Martha und Maria vereint bleiben müssen. Die Lesung dieses Hauptstückes ist sehr nützlich.

3. Ihr dürft nicht glauben, meine Schwestern, dass die hier beschriebenen Wirkungen immer in einem fort andauern; deshalb sagte ich auch, wenn ich daran dachte, dass dies der gewöhnliche Zustand dieser Seelen sei. Zu Zeiten belässt sie unser Herr wieder in ihrem natürlichen Wesen, und dann scheint all das giftige Ungeziefer des Vorhofes und der Wohnungen der Burg sich zusammenzurotten, um sich an ihnen zu rächen für die Zeit, in der es ihnen nicht beikommen konnte.

2. Dies dauert zwar nur kurze Zeit, höchstens einen Tag oder ein wenig darüber; aber gerade in dieser großen Verwirrung, die gewöhnlich von irgendeinem äußeren (Anlasse) herrührt, zeigt sich der Gewinn, den die Seele aus ihrer guten Gesellschaft zieht. Der Herr verleiht ihr eine solche Festigkeit, dass sie in keiner Weise von seinem Dienste und von ihren guten Entschlüssen abweicht, sondern nur um so fester darin bekräftigt zu werden scheint; ja sie wird auch nicht einmal durch die geringste erste Regung in dieser Entschlossenheit wankend gemacht. Solche Beunruhigungen kommen, wie ich sagte, nur selten vor; die Absicht unseres Herrn aber ist alsdann, es möchte die Seele nicht ihr eigenes Wesen vergessen, damit sie einerseits immer in der Demut beharre und anderseits um so deutlicher erkenne, was sie ihm schulde und wie groß die ihr erwiesene Gnade sei, für die sie ihn lobpreisen möge.

3. Ebensowenig dürft ihr denken, diese Seelen würden sich infolge ihres großen Verlangens und ihres festen Entschlusses, um nichts in der Welt auch nur eine Unvollkommenheit zu begehen, nicht vieler Unvollkommenheiten und sogar Sünden schuldig machen. Gewiss geschehen diese nicht mit Bedacht, da ihnen der Herr in dieser Beziehung eine ganz besondere Gnadenhilfe verleihen muss. Auch rede ich hier nur von den lässlichen Sünden; denn von Todsünden, die sie als solche erkennen, sind sie frei. Sicher sind sie jedoch nicht, ob sie nicht etwa doch, ohne es zu wissen, solche auf sich haben; und es muss dies für sie keine geringe Pein sein. Schmerzlich wird es sie auch berühren, zu sehen, wie viele Seelen verlorengehen; wenn sie auch einigermaßen große Zuversicht haben, dass sie nicht zu diesen gehören, so können sie doch, wie gesagt, nicht ohne Furcht sein, wenn sie an jene denken, die nach der Erzählung der Heiligen Schrift vom Herrn (besonders) begnadigt gewesen zu sein scheinen (aber dennoch gefallen sind), wie Salomon, dem die göttliche Majestät so huldvoll sich erwiesen hatte. Darum soll gerade jene, die unter euch vollste Sicherheit in sich gewahrt, auch am meisten fürchten; denn »selig der Mann, der den Herrn fürchtet«, spricht David? Die göttliche Majestät wolle uns allzeit beschirmen! Darin, dass wir den Herrn um die Gnade bitten, ihn nicht zu beleidigen, liegt die größte Sicherheit, die wir haben können. Er sei gepriesen in Ewigkeit! Amen.

4. Es wird gut sein, meine Schwestern, dass ich euch sage, zu welchem Zwecke der Herr so große Gnaden in dieser Welt spendet. Habt ihr dies, wenn ihr darauf geachtet, auch schon aus deren Wirkungen abnehmen können, so will ich es euch hier doch noch einmal sagen, damit ja keine denke, es geschehe dies nur zur Ergötzung der Seelen. Dies wäre ein großer Irrtum; Seine Majestät kann uns keine größere Gnade erweisen, als dass sie uns mit einem Leben beschenkt, das dem Leben seines so geliebten Sohnes gleichförmig ist. Darum halte ich für gewiss, dass diese Gnaden — ich habe das schon des öfteren erwähnt — zur Stärkung unserer Schwachheit dienen, damit wir dem Herrn durch Hinnahme vieler Leiden nachfolgen.

5. Wir wissen ja, wie gerade jene, die Christus, unserem Herrn, am nächsten standen, immer auch die größten Leiden zu erdulden hatten. Betrachten wir nur die Leiden seiner glorreichen Mutter und der glorwürdigen Apostel! Wie hätte wohl der heilige Paulus so außerordentliche Leiden auf sich nehmen können? An ihm können wir sehen, welche Wirkungen die wahre Beschauung und die echten Schauungen hervorbringen, die von unserem Herrn ausgehen und nicht bloße Erzeugnisse unserer Einbildungskraft oder Täuschungen des bösen Feindes sind. Hat er sich etwa, um die Wonnen dieser Gnaden zu genießen, in die Verborgenheit zurückgezogen und auf nichts anderes mehr geachtet? Ihr wisst schon, dass er, soweit wir es an ihm wahrnehmen können, keinen Tag Ruhe hatte; auch zur Nachtzeit wird ihm die Ruhe gefehlt haben, weil er sich da seinen Lebensunterhalt erwerben musste. Sehr gefällt mir auch, was vom heiligen Petrus erzählt wird. Als er aus dem Kerker entfloh, erschien ihm unser Herr und sagte zu ihm, er gehe jetzt nach Rom, um wiederum gekreuzigt zu werden. Nie beten wir das Offizium des Festes, das auf diese Erzählung Bezug nimmt, ohne dass ich einen besonderen Trost daraus schöpfe. Welchen Eindruck hat wohl diese Gnade des Herrn auf den heiligen Petrus gemacht, und was hat er getan? Augenblicklich kehrte er zurück, um zu sterben; und der Herr hat ihm keine geringe Barmherzigkeit erwiesen, dass er alsbald jemanden traf, der ihn dem Tode überlieferte.

6. O meine Schwestern, wie sehr wird die Seele, die sich der Herr zu seinem besonderen Wohnsitz erwählt, ihre eigene Ruhe vergessen; wie gering wird sie die Ehren achten und wie entschieden das Verlangen, etwas zu gelten, zurückweisen! Denn ist sie, wie billig, mit Gott beschäftigt, so wird sie nur wenig an sich selbst denken; all ihr Sinnen geht vielmehr dahin, wie sie ihm mehr gefallen, worin und wodurch sie ihre Liebe zu ihm an den Tag legen könne. Dahin, meine Töchter, zielt das innerliche Gebet, und dazu führt auch die mystische Vermählung, dass aus ihr unaufhörlich Werke, (vollkommene) Werke hervorgehen.

7. Ich habe euch schon gesagt, dass solche Werke zugleich das Kennzeichen des göttlichen Ursprunges dieser Gnade sind. Denn es nützt mir wenig, wenn ich in der Einsamkeit tief gesammelt bin, hier Tugendakte vor dem Herrn erwecke und mir vornehme und verspreche, Wunderdinge in seinem Dienste zu vollbringen, nachher aber bei gegebener Gelegenheit von allem das Gegenteil vollbringe. Doch ich sagte unrichtig: »Es nützt mir wenig;« denn jede Zeit, die wir im Verkehr mit Gott zubringen, ist sehr nützlich angewendet; und jene Entschlüsse, die wir nachher aus Schwachheit nicht ins Werk setzen, werden wir doch auch manchmal mit der Hilfe des Herrn zur Ausführung bringen, und vielleicht selbst dann, wenn wir uns dagegen sträuben, wie dies nicht selten vorkommt. Sieht nämlich der Herr, wie feige eine solche Seele ist, dann schickt er ihr wohl gegen ihren Willen ein sehr schweres Leid, aus dem er sie jedoch mit großem Gewinn wieder befreit. Dadurch belehrt, verliert dann die Seele mehr ihre Furcht, so dass sie sich dem Herrn mit größerer Entschiedenheit zum Opfer bringt. Ich wollte also sagen, der Nutzen sei gering im Vergleiche mit jenem größeren, den es bringt, wenn mit den innerlichen Anmutungen und den Worten auch die Werke übereinstimmen. Jene aber, die dies nicht auf einmal zustande bringen kann, vollbringe es allmählich und lerne ihren Willen brechen, wenn anders sie aus dem Gebete Nutzen schöpfen will; denn innerhalb dieser Winkel wird es euch nicht an vielen Gelegenheiten dazu fehlen.

8. Beachtet, dass daran weit mehr gelegen ist, als ich euch sagen kann. Erhebet eure Augen zu dem Gekreuzigten, und alles wird euch leicht werden. Wenn Seine Majestät ihre Liebe zu uns durch so erstaunliche Werke und Qualen kundgegeben hat, wie wollt ihr den Herrn nur mit Worten zufriedenstellen? Wißt ihr, was es heißt, in Wahrheit ein geistliches Leben führen? Nichts anderes, als sich zu Sklaven Gottes machen, die er, bezeichnet mit seinem Malzeichen, mit dem Kreuze, als Sklaven der ganzen Welt, wie sich selbst, verkaufen kann, nachdem sie ihm schon ihre Freiheit hingegeben; denn dadurch tut er uns kein Unrecht an, sondern erweist uns eine nicht geringe Gnade. Wer sich dazu nicht verschließt, glaube ja nicht, dass er weit voranschreiten werde; denn das ganze Gebäude des geistlichen Lebens beruht, wie ich schon gesagt habe, auf dem Fundamente der Demut. Ist dieses Fundament nicht ganz verlässig, so wird der Herr dieses Gebäude nie sehr hoch erheben wollen, und zwar schon zu unserem eigenen Nutzen, damit es nämlich nicht einstürze. Um also, meine Schwestern, einen guten Grund zu legen, befleiße sich eine jede aus euch, die Geringste von allen und die Sklavin aller zu sein, immer darauf bedacht, wie oder wodurch sie den anderen zu Gefallen sein und dienen könne. Denn was ihr in dieser Beziehung tut, das tut ihr mehr für euch selbst als für die anderen; da legt ihr nämlich so feste Grundsteine, dass euch die Burg nicht einstürzen wird.

9. Ich sage darum noch einmal: Damit das Gebäude des geistlichen Lebens dauerhaft sei, ist es nicht hinreichend, den Grund dazu bloß mit mündlichem Gebete und mit der Beschauung zu legen; denn wenn ihr nicht bemüht seid, Tugenden zu erwerben und zu üben, werdet ihr immer Zwerginnen bleiben. Und Gott gebe, dass es bloß ein Nichtwachsen sei; denn ihr wisst schon, dass Nichtzunehmen gleich Abnehmen ist, da meines Erachtens die Liebe unmöglich sich damit begnügen kann, immer auf derselben Stufe zu bleiben.

10. Ihr werdet Vielleicht denken, ich rede hier nur vom Beginne des geistlichen Lebens; später könne man sich schon Ruhe gönnen. Ich habe euch aber schon gesagt, dass die Ruhe, die jene in dieser Wohnung genannten Seelen innerlich genießen, dazu dient, damit sie im Äußeren um so weniger Ruhe haben und verlangen. Oder wozu, meint ihr, sind jene besprochenen göttlichen Einsprechungen oder, besser gesagt, sehnsuchtsvollen Erhebungen der Seele und jene Versicherungen, die vom innersten Seelengrunde aus den Bewohnern des oberen Teiles der Burg und der anderen Gemächer ergehen? Etwa dazu, dass diese sich schlafen legen sollen? Nein, nein und abermals nein! Vielmehr kündigt ihnen die Seele von dort aus den Kampf an, damit die Vermögen, die Sinne und der ganze Leib nicht müßig seien, und zwar einen heftigeren Kampf als jenen, den die Seele noch im Verein mit ihnen kämpfte; denn damals erkannte sie noch nicht den großen Nutzen der Leiden, die vielleicht das Mittel waren, durch das Gott sie in diese Wohnung führte. Zudem verleiht ihr die Gesellschaft, in der sie jetzt lebt, weit größere Kräfte, als sie je gehabt. Denn wenn wir, wie David sagt, mit den Heiligen heilig sein werden, so wird ohne Zweifel die Seele, die durch eine so erhabene Einigung des Geistes mit dem Geiste (des Herrn) eins geworden ist mit dem — Starken, auch Stärke gewinnen müssen, wie wir es an den Heiligen sehen, die so stark zum Leiden und zum Sterben waren. Es ist darum ganz gewiss, dass die Stärke, die hier die Seele gewinnt, auch allen Bewohnern der Burg sich mitteilt; ja selbst der Leib nimmt daran teil, so dass er oftmals empfindungslos zu sein scheint; denn was die Seele durch das Trinken vom Weine dieses Weinkellers, in den sie der Bräutigam geführt und aus dem er sie nicht entlässt, an Kraft gewonnen hat, ergießt sich über den schwachen Leib, wie die vom Magen aufgenommene Speise dem Haupte und dem ganzen Menschen Kraft verleiht. Es ist also der Seele (die der Herr zu einem so erhabenen Stande geführt) ein sehr hartes Los beschieden, solange sie hienieden lebt; denn wie viel sie auch leistet, so ist doch ihre innere Kraft noch weit größer; und da ihr alles wie nichts erscheint, so führt sie gegen sich selbst einen heftigeren Kampf als zuvor. Daher müssen wohl jene großen Bußübungen rühren, die wir bei vielen Heiligen, besonders an der ruhmwürdigen Magdalena, anstaunen die vorher ein so weichliches Leben geführt; daher kam jenes heiße Verlangen unseres Vaters Elias nach der Ehre Gottes; daher auch jener Eifer des heiligen Dominikus und des heiligen Franziskus, Seelen zu gewinnen, damit von diesen der Herr gepriesen werde. Seid versichert, die Heiligen mussten dadurch nicht wenig ertragen, dass sie sich selbst vergaßen.

11. Ich wünsche, meine Schwestern, dass wir uns bemühen, uns selbst zu vergessen, nicht aber dass wir nach geistigen Wonnen verlangen und aus diesem Grunde uns dem Gebete ergeben; nein, wer wollen uns dabei Kräfte zum Dienste Gottes sammeln. Nicht auf einem noch unbetretenen Pfade sollen wir zu wandeln wünschen, da wir uns dort am ehesten verirren würden. Das aber wäre wohl ein neuer Weg wenn wir diese Gnaden Gottes auf einem anderen Wege zu erlangen wähnten, als auf jenem, den der Herr selbst und seine Heiligen gewandelt sind. Möge uns dies ja nicht in den Sinn kommen! Glaubt mir: Martha und Maria müssen beisammen sein, um den Herrn zu beherbergen und immer bei sich zu behalten, wenn man ihn nicht schlecht bewirten und nicht ungespeist lassen will. Was hatte ihm Maria, die zu seinen Füßen saß, wohl zu essen geben können, wenn ihre Schwester ihr nicht geholfen hätte? Seine Speise aber ist es, dass wir auf alle mögliche Weise Seelen gewinnen, damit sie gerettet werden und ihn immerdar lobpreisen.

12. Ihr werdet mir da zweierlei einwenden. Erstens, dass der Herr sagt, Maria habe den besten Teil erwählt. Darauf antworte ich: Maria hatte damals das Amt der Martha schon erfüllt und dem Herrn dadurch gedient, dass sie ihm die Füße wusch und diese mit ihren Haupthaaren abtrocknete. Und meint ihr nicht, es sei für eine so vornehme Person wie sie eine geringe Abtötung gewesen, durch die Straßen zu eilen, vielleicht ganz allein, da die Glut ihrer Liebe sie nicht darauf achten ließ, dann einzutreten in ein Haus, in dem sie noch nie gewesen, und hier die Schmähreden des Pharisäers und viele andere Beschämungen zu ertragen? Welches Aufsehen wird die Umwandlung eines solchen Weibes in der Stadt gemacht haben, und zwar, wie wir wissen, unter so bösen Menschen, denen es schon genügte, sie als Freundin des von ihnen so sehr gehaßten Herrn zu sehen, um ihr die vorher gepflogene Lebensführung zum Vorwurf zu machen? Und jetzt — so wird man gesprochen haben — will sie als Heilige erscheinen? Es ist klar, dass sie sofort allen Putz abgelegt und jeder Eitelkeit entsagt hat; und wenn heutzutage Personen, die nicht so berühmt sind, schon ins Gerede kommen, welcher Lärm wird damals entstanden sein? Ich versichere euch, meine Schwestern, jener beste Teil hat ihr Leiden und Abtötung genug gekostet. Schon das allein, sehen zu müssen, wie ihr göttlicher Meister gehaßt wurde, war ihr ein unerträglicher Schmerz; und dann erst die vielen Leiden, die sie später erduldete beim Tode des Herrn! Ich halte dafür, dass sie den Martertod aus dem Grunde nicht auf sich nehmen musste, weil sie ihn schon beim Anblicke des Todes ihres Herrn erlitten. Dazu kommt noch, dass sie ihre ganze Lebenszeit sich fern von ihm sehen musste, was eine furchtbare Marter für sie gewesen sein wird. Man sieht also, dass sie nicht immer zu den Füßen des Herrn gesessen.

13. Zweitens werdet ihr entgegnen, es sei euch keine Möglichkeit und keine Gelegenheit gegeben, Seelen für Gott zu gewinnen; ihr würdet es mit Freuden tun, aber ihr hättet weder zu lehren noch zu predigen, wie die Apostel getan, und wüßtet darum nicht, wie ihr es konntet. Auf diese Einwendungen habe ich schon öfter in meinen Schriften und vielleicht auch in dieser »Seelenburg« geantwortet. Aber solche Gedanken könnten auch, wie ich glaube, bei dem Verlangen in euch rege werden, das der Herr euch verleiht; und darum will ich nicht unterlassen, auch hier davon zu reden.

14. Ich habe euch schon anderswo gesagt, der böse Feind flöße uns manchmal ein Verlangen nach großen Dingen ein, damit wir nicht in dem uns Möglichen unserem Herrn zu dienen uns bemühen, sondern uns zufrieden geben mit dem Verlangen nach dem Unmöglichen. Abgesehen von dem Gebete, durch das ihr schon vielen Nutzen schaffen könnt, sollt ihr nicht gleich der ganzen Welt zu Hilfe eilen wollen, sondern zunächst denen zu nützen suchen, mit denen ihr zusammenlebt; dies wird ein um so größeres Liebeswerk sein, als ihr gegen diese mehr verpflichtet seid wie gegen andere. Meint ihr wohl, es sei ein geringer Gewinn, wenn ihr so demütig und abgetötet, so dienstfertig und liebevoll gegen alle seid und so vollkommen die übrigen Tugenden übt, dass alle zu dem gleichen Streben ermuntert und von dem in euch brennenden Feuer der Liebe Gottes entzündet werden? Dies wäre ein sehr großer Gewinn und ein dem Herrn sehr wohlgefälliger Dienst. Wenn ihr so ins Werk setzet, was ihr vermöget, wird Seine Majestät daraus ersehen, dass ihr wo möglich noch viel mehr tun würdet; ihr werdet darum auch vom Herrn denselben Lohn erhalten, wie wenn ihr ihm viele Seelen gewonnen hättet.

15. Ihr sagt vielleicht, das heiße nicht Seelen bekehren; denn euere Mitschwestern seien ohnehin alle fromm. Was geht das euch an? Je tugendhafter sie sein werden, desto wohlgefälliger werden dem Herrn ihre Lobpreisungen sein, und desto mehr wird ihr Gebet dem Nächsten nützen.

16. Endlich, meine Schwestern, noch ein Wort zum Schlusse. Bauen wir ja nicht Türme ohne Fundament; denn der Herr sieht nicht so fast auf die Größe der Werke als auf die Liebe, mit der sie vollbracht werden. Tun wir, was wir können, so wird Seine Majestät uns helfen, dass wir täglich mehr zu tun vermögen. Ermüden wir nicht allsogleich; bringen wir vielmehr in der kurzen Zeit unserer Lebensdauer, die vielleicht noch kürzer ist, als wir denken, innerlich und äußerlich dem Herrn das Opfer dar, das wir zu bringen imstande sind. Seine Majestät wird es vereinigen mit dem Opfer, das sie für uns am Kreuze dem Vater dargebracht hat, damit es jenen Wert erhalte, den unser Wille verdient hat, wenn auch unsere Werke gering sind.

17. Möge es, meine Schwestern und Töchter, der göttlichen Majestät gefallen, dass wir uns alle dort sehen, wo wir den Herrn in Ewigkeit lobpreisen werden! Mir aber verleihe Gott die Gnade, wenigstens etwas von dem zu tun, was ich euch gelehrt habe, durch die Verdienste seines Sohnes, der lebt und regiert in Ewigkeit! Amen. Ich versichere euch, dass mir diese Belehrungen zu großer Beschämung gereichen; darum bitte ich euch um desselben Herrn willen, in eueren Gebeten dieser Armen und Elenden nicht zu vergessen!

JHS

3. Obgleich ich diese Schrift, wie ich anfangs sagte, mit Widerstreben begann, macht sie mir doch, nachdem ich sie jetzt vollendet, große Freude; ich halte die Mühe, die sie mich gekostet, für gut angewendet, wenn sie auch, ich gestehe es, nur sehr gering war. Denke ich, meine Schwestern, an euere strenge Klausur, an euere kurze Unterhaltungszeit und an die beschränkten Räumlichkeiten in einigen eurer Klöster, so meine ich, es sei ein Trost für euch, in dieser inneren Burg euch zu erfreuen, da ihr zu jeder Stunde ohne Erlaubnis der Oberen in sie eintreten und euch darin ergehen könnt.

2. Freilich könnt ihr nicht aus eigenen Kräften, so groß diese euch auch scheinen mögen, in alle Wohnungen eintreten, sondern der Herr der Burg selbst muss euch einführen. Darum ermahne ich euch, nicht gewaltsam vordringen zu wollen, wenn ihr irgendeinen Widerstand findet; denn dadurch würdet ihr den Herrn der Burg so beleidigen, dass er euch nie in diese Wohnungen eintreten ließe. Er liebt gar sehr die Demut. Haltet euch nicht für würdig, auch nur in die dritte Wohnung einzugehen, so werdet Ihr ihn um so eher geneigt machen, euch in die fünfte Wohnung aufzunehmen; in dieser könnt ihr, wenn ihr oft in sie einzugehen sucht, ihm so dienen, dass er euch sogar noch in seine eigene Wohnung einführt. Und seid ihr einmal in diese eingetreten, so gehet nicht mehr heraus, außer ihr werdet von der Priorin gerufen; denn dieser große Herr will, dass ihr deren Stimme ebenso höret wie die seinige. Müßt ihr aber nach ihrem Willen auch viele Zeit außer dieser Wohnung sein, so wird euch doch der Herr immer die Türe offenhalten, um wieder eintreten zu können. Seid ihr einmal an die Genüsse dieser Burg gewöhnt, dann werdet ihr in allen Dingen, wie beschwerlich sie auch sein mögen, Ruhe finden in der Hoffnung, wieder dahin zurückzukehren, und diese Hoffnung wird euch niemand rauben können.

3. Obgleich nur von sieben Wohnungen die Rede war, so enthält doch eine jede von ihnen unten und oben und an den Seiten viele andere mit schönen Gärten, Springbrunnen, verschlungenen Gängen und anderen Dingen, die so ergötzlich sind, dass ihr aufgehen möchtet im Lobpreis des großen Gottes, der diese Burg nach seinem Bilde und Gleichnisse geschaffen hat. Findet ihr nun in der Arbeit dieser Darstellung etwas Gutes, so glaubet sicher, dass die göttliche Majestät es gesprochen, um euch Freude zu machen; was ihr aber als nicht recht getroffen findet, das stammt von mir.

4. Bei meinem großen Verlangen, euch einigermaßen im Dienste meines Gottes und Herrn behilflich zu sein, bitte ich euch, jedesmal, sooft ihr in diesem Buche leset, ihn in meinem Namen von Herzen lobpreisen zu wollen! Bittet ihn um Ausbreitung seiner Kirche, um Erleuchtung der Lutheraner und für mich um Verzeihung meiner Sünden und um Befreiung aus dem Fegfeuer! Dort werde ich vielleicht durch Gottes Barmherzigkeit sein, wenn ihr dieses Buch zu lesen bekommt, vorausgesetzt, dass es nach Einsichtnahme der Gelehrten als geeignet zur Lesung befunden wird. Kommt etwas Irriges darin vor, so ist dies darauf zurückzuführen, dass ich es nicht besser verstehe. In allem unterwerfe ich mich dem Urteil der heiligen, römischkatholischen Kirche; in dieser Unterwerfung lebe ich; und in ihr leben und sterben zu wollen, erkläre und gelobe ich. Gott, unser Herr, sei gelobt und gepriesen in Ewigkeit! Amen. Amen.

5. Vollendet wurde diese Schrift im St.JosephsKloster zu Ávila im Jahre 1577, am Vorabend des Festes des heiligen Andreas, zur Ehre Gottes, der da lebt und regiert in Ewigkeit! Amen.

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