Salvete, fratres in Christo dilectissimi

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Ansprache
Sálvete, fratres in Christo dilectissimi

von Papst
Paul VI.
bei der Eröffnung der zweiten Sitzung des Zweiten Vatikanischen Konzils
29. September 1963

(Offizieller lateinischer Text: AAS 55 [1963] 841-859)

(Quelle: Paul Vi., Der beste Weg die Welt zu bekehren, ist sie zu lieben, Martin Verlag Walter Berger Buxheim / Allgäu o. J., 61 Seiten)
Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


Gruß Euch, geliebteste Brüder in Christo,

die Wir aus allen Teilen der Welt gerufen haben, von überall dort, wohin die heilige Katholische Kirche ihre hierarchische Ordnung ausgedehnt hat. Gruß Euch, die Ihr Unserer Einladung folgend herbeigeeilt seid, um zusammen mit Uns die zweite Sitzungsperiode des Zweiten Ökumenischen Konzils abzuhalten, die Wir heute, unter Obhut des heiligen Erzengels Michael, des himmlischen Schutzherrn des Gottesvolkes mit Freuden eröffnen.

Einleitend

Ja, dieser feierlichen Versammlung, die von Ost und West, von Süd und Nord zusammengekommen ist, gebührt wahrhaft der prophetische Name "Kirche", d. h. Gemeinschaft, Berufung. Ja, hier verwirklicht sich wahrhaft auf neue Weise das Wort, das Uns jetzt in den Sinn kommt: "Über die ganze Erde drang ihr Ruf, ihre Botschaft bis ans Ende der Erde! (vgl. Röm. 10, 18; Ps. 18,5). Ja, wirklich, ein Geheimnis der Einheit liegt strahlend über einem anderen Geheimnis: dem der Katholizität, und dieses Schauspiel der Universalität weist zurück auf den apostolischen Ursprung, hier in voller Treue dargestellt und gefeiert, weist hin auf die Bestimmung unserer vielgeliebten Kirche Gottes, Heiligung zu bewirken. Hell leuchten die ihr eigentümlichen Kennzeichen auf, es erstrahlt das Antlitz der Braut Christi, unsere Seelen werden berauscht von einer unverkennbaren und doch geheimnisvollen Erfahrung, von jener, die uns innewerden lässt, dass wir mystischer Leib Christi sind, und die uns die unvergleichliche und der Welt noch unbekannte Freude verkosten lässt, "wie schön es ist, wenn Brüder in Eintracht beisammen wohnen" (Ps. 132, 1). Nicht unbegründet ist es, von diesem ersten Augenblick. an unsere Aufmerksamkeit auf diese menschliche und göttliche Erscheinung hinzulenken, die wir hier vollziehen und darstellen: Hier sind wir wiederum wie in einem neuen Abendmahlsaale. Er ist eng geworden, nicht zwar in seinen äußeren Ausmaßen, sondern angesichts der Fülle derer, die hier zusammen sind. Sicher ist vom Himmel her bei uns Christi jungfräuliche Mutter. Hier scharen sich um den Nachfolger des Petrus - der Zeit und dem Verdienste nach zwar der letzte, in Autorität und Sendung aber dem ersten Apostel völlig gleich - die Apostel, die ihr seid, meine Brüder, die ihr auf das Apostelkolleg zurückgeht und dessen wahre Fortsetzung seid. Hier sind wir zusammen betend und zusammen vereint im gleichen Glauben und in der gleichen Liebe. Hier wird uns zuteil werden die nicht versagende Gnadengabe des gegenwärtigen, belebenden, belehrenden und stärkenden Heiligen Geistes. Hier werden alle Sprachen nur eine Stimme sein, und nur eine Stimme wird die Botschaft an den gesamten Erdkreis sein. Hierher kommt mit sicherem Schritt, nach einem Wege von beinahe zwanzig Jahrhunderten, die pilgernde Kirche. Hier erquickt sich in ihrer Gesamtheit die apostolische, über die Welt hin verstreute Schar an der Quelle, die jeden Durst stillt - und die immer neuen Durst weckt - und von hier aus nimmt sie vertrauensvoll ihren Weg in Welt und Zelt wieder auf, dem Ziel entgegen, das über Erde und über Weltzeit hinaus liegt.

Seid gegrüßt, Brüder! So empfängt Euch der Geringste unter Euch, der Diener der Diener Gottes, auch wenn er beladen ist mit der höchsten, dem Petrus von Christi dem Herrn übergegebenen Schlüsselgewalt, so dankt er Euch für das Zeichen des Gehorsams und des Vertrauens, das Eure Anwesenheit ihm entgegenbringt, so zeigt er Euch durch die Tat, dass er mit Euch beten, mit Euch sprechen, mit Euch beraten, mit Euch handeln will. Ja, der Herr ist Uns Zeuge, wenn Wir, und zwar von diesem Beginn der zweiten Sitzungsperiode der großen Kirchenversammlung an, Euch sagen, dass in Unserem Geiste keinerlei Absicht zu menschlichem Herrschen besteht, keinerlei Sucht nach ausschließlicher Macht, sondern nur Wunsch und Wille, den göttlichen Auftrag auszuüben, der Uns unter Euro und aus Euch, Brüder, zum obersten Hirten macht und der von Euro das verlangt, was seine Freude und seine Krone darstellt, die "Gemeinschaft der Heiligen", Eure Treue, Eure Gefolgschaft, Eure Mitarbeit. Dafür bietet er Euch das, was ihn zu geben besonders froh macht, seine Verehrung, seine Hochschätzung, sein Vertrauen, seine Liebe.

Wegweisung fürs Pontifikat

Es war Unsere Absicht, wie es eine geheiligte Gewohnheit Uns vorschreibt, Euch allen Unsere erste Enzyklika zu senden; aber warum, so sagten Wir Uns, einem Schriftstück, das anvertrauen, was Wir bei einer sehr glücklichen und einzigartigen Gelegenheit - eben bei diesem ökumenischen Konzil - mündlich zum Ausdruck. bringen können? Gewiss können Wir jetzt nicht mündlich alles das sagen, was Wir im Herzen tragen und was schriftlich leichter auszusprechen ist. Doch dieses Mal möge die jetzige Ansprache gleichsam als Vorspiel nicht nur für dieses Konzil, sondern ebenso für Unser Pontifikat gelten, das lebendige Wort möge die Enzyklika ersetzen, die Wir, so Gott will, nach Ablauf dieser arbeitsreichen Tage dann an Euch zu richten hoffen.

So stellen Wir Uns Euch vor, die Wir Euch soeben begrüßt haben. Wir sind in der Tat neu im päpstlichen Amt, das Wir ausüben, ja. Wir möchten sagen, beginnen. Ihr wisst ja, dass das heilige Kardinalskollegium, das Wir hier nochmals mit dem Ausdruck Unserer herzlichen Verehrung bedenken wollen, nicht auf Unsere Unzulänglichkeiten blickend, am verflossenen 21. Juni, dem Tage, der durch ein glückliches Zusammentreffen in diesem Jahre der Feier des Heiligsten Herzens Jesu geweiht war, Uns auf den Bischofssitz von Rom und damit zum höchsten Pontifikat in der Gesamtkirche hat erwählen wollen.

Wir können nicht an dieses Ereignis denken, ohne Uns Unseres Vorgängers seligen und unsterblichen Andenkens zu erinnern, des von Uns so geliebten Johannes XXIII.. Sein Name ruft in Uns und sicher in Euch allen, die das Glück hatten, ihn zu sehen, hier genau an dieser selben Stelle, seine liebenswürdige, geheiligte Gestalt wach, als er am 11. Oktober des vergangenen Jahres die erste Sitzungsperiode dieses Zweiten Vatikanischen Ökumenischen Konzils eröffnete und jene Rede hielt, die der Kirche und der Welt als eine prophetische Stimme für unser Jahrhundert erschien, und die noch in unserem Gedächtnis und unserem Gewissen widerhallt, um für das Konzil den Weg vorzuzeichnen und unsere Seelen von jedem Zweifel, jeder Müdigkeit zu befreien, die auf dem begonnenen, nicht leichten Weg über uns hätten kommen können. Ja, lieber und verehrter Papst Johannes, Dir sei Dank und Lob, dass Du durch göttliche Eingebung, wie anzunehmen ist, dieses Konzil gewollt und einberufen hast, um der Kirche neue Wege zu erschließen und auf der Erde neue Wellen verborgener und ganz frischer Wasser der Lehre und der Gnade Christi des Herrn aufsprudeln zu lassen. Du, ganz allein und von keinem irdischen Anreiz, von keinem besonderen zwingenden Umstand bewogen, aber gleichsam die himmlischen Pläne erratend und durch und durch die dunklen und quälenden Bedürfnisse der modernen Zeit erfassend, hast den abgerissenen Faden des Ersten Vatikanischen Konzils aufgenommen. So hast Du aus eigenem Antrieb das Misstrauen zerstreut, das daraus zu Unrecht von einigen abgeleitet wurde, als ob nunmehr die höchsten Gewalten, die als von Christus dem römischen Oberhirten übertragen anerkannt werden, genügen würden, um die Kirche ohne Hilfe der ökumenischen Konzilien zu leiten. Du hast die Brüder, die Nachfolger der Apostel gerufen, nicht nur, um das unterbrochene Studium und die in der Schwebe gelassene Gesetzgebung fortzuführen, sondern auch, um sich mit dem Papst vereint zu fühlen in einem einheitlichen Leibe und um von ihm gestärkt und geleitet zu werden, "damit das heilige Gut der christlichen Lehre auf wirksamere Weise beschützt und vorgetragen werde" (AAS 1962, S. 790). Aber indem Du so das oberste Ziel des Konzils angabst, hast Du ihm dazu einen anderen, noch dringenderen und jetzt noch heilsameren Zweck., nämlich den pastoralen, hinzugefügt, indem Du sagtest: "Und Unser Werk hat nicht als Hauptziel dies, dass über einige wichtige Kapitel der kirchlichen Lehre verhandelt werde, sondern vielmehr, dass sie auf solche Weise durchforscht und ausgelegt werde, wie es unsere Zeit erfordert" (ebd. 791 bis 792). Du hast im Bewusstsein des kirchlichen Lehramtes wieder die Überzeugung lebendig gemacht, dass die christliche Lehre nicht nur eine Wahrheit sein soll, die den durch den Glauben erleuchteten Verstand anregt, sondern Leben und Tat zeugendes Wort, und dass die Autorität der Kirche sich nicht darauf beschränken darf, die gegen den Glauben verstoßenden Irrtümer zu verurteilen, sondern dass sie sich darauf erstrecken muss, die positiven und lebenswichtigen Lehren zu verkünden, an denen der Glaube fruchtbar ist. Nicht nur theoretisch und nur negativ soll das Amt des kirchlichen Lehramtes in diesem Konzil immer mehr die lebenspendende Kraft der Botschaft Christi offenbaren, der gesagt hat: "Die Worte, die ich zu Euch gesprochen habe, sind Geist und Leben" (Joh. 6, 63).

Darum werden von uns die Richtlinien nicht vergessen werden, die Du, erster Vater dieses Konzils, weise vorgezeichnet hast und die hier wiederholt seien: " ... es ist nicht Unsere Aufgabe, diesen kostbaren Schatz - nämlich der katholischen Lehre - nur zu behüten, als ob uns nur die Vergangenheit beschäftigte, wir wollen uns vielmehr eifrig und ohne Furcht auf die von Unserer Zeit geforderte Arbeit verlegen und so den Weg fortsetzen, den die Kirche seit bald zwanzig Jahrhunderten zurückgelegt hat". Daher: " ... sind jene Gesichtspunkte für die Darlegung der Sache hervorzuheben, die mehr dem Lehramt entsprechen, dessen Eigenart vor allem pastoral ist (AAS 1962, 791'-792).

Christus unser Weg und Führer

Es wird auch nicht von Uns übersehen werden die wichtige Frage der Wiedervereinigung in eine Hürde all derer, die an Christus glauben und Glieder seiner Kirche zu sein verlangen, auf die Du, Johannes, hingewiesen hast als auf das allen offenstehende Haus des Vaters. So möge der Ablauf dieser Sitzungsperiode des von Dir geförderten und eröffneten Konzils sich in treuer Folgerichtigkeit auf den von Dir vorgezeichneten Pfaden vollziehen und mit Gottes Hilfe zu den von Dir so glühend ersehnten und erhofften Zielen gelangen.

Wir nehmen also, Brüder, den Weg wieder auf. Dieser naheliegende Vorsatz ruft in Unserem Geiste einen anderen Gedanken wach, und dieser Gedanke ist so grundlegend und lichtvoll, dass wir ihn dieser Versammlung vorzulegen verpflichtet sind, auch wenn sie schon ganz davon durchdrungen und davon erhellt ist.

Was ist, Brüder, der Ausgangspunkt Unseres Weges? Welche Richtung muss er einschlagen, wenn wir nicht so sehr die soeben erwähnten praktischen Gesichtspunkte, sondern vielmehr die göttlichen Richtlinien im Auge behalten, denen er folgen muss? Und welches Ziel wird sich der Plan unseres Weges stecken, der Plan, der gewiss auf der Ebene der irdischen Geschichte, in der Zeit und nach der Art unseres gegenwärtigen Lebens aufzuzeichnen ist, der sich aber ausrichten muss nach dem endgültigen und höchsten Ziele, das, wie wir wissen - am Ende Unserer Pilgerschaft nicht verfehlt werden darf?

Auf diese drei ganz einfachen und grundlegenden Fragen gibt es bekanntlich nur eine Antwort, die Wir hier, gleich in dieser Stunde, Uns selbst geben und der Uns umgebenden Welt verkünden müssen! Christus! Christus Unser Ausgangspunkt, Christus Unser Weg und Führer, Christus Unsere Hoffnung und Unser Endziel.

Möchte doch dieses Konzil seine volle Aufmerksamkeit lenken auf diese vielfältige und doch einzige, feststehende und zugleich antreibende, geheimnisvolle und sehr klare, zwingende und beglückende Beziehung zwischen Uns und Jesus, dem Hochgebenedeiten, zwischen dieser heiligen und lebendigen Kirche, die wir sind, und Christus, von dem wir kommen, für den wir leben und zu dem wir gehen! Über dieser Versammlung soll kein Licht aufleuchten, das nicht Christus ist, das Licht der Welt, keine Wahrheit soll unseren Geist beschäftigen, außer den Worten des Herrn, Unseres einzigen Meisters, kein anderes Bestreben soll Uns leiten außer dem Verlangen, ihm unbedingt treu zu sein, keine andere Zuversicht soll Uns aufrechterhalten außer jener, die durch sein Wort Unsere trostlose Schwachheit stark macht: "Siehe ich bin bei Euch alle Tage bis zur Vollendung der Weltzeit" (Mt 28, 20).

Möchten wir doch in dieser Stunde fähig sein, zu Unserem Herrn Jesus Christus eine Stimme zu erheben, die seiner würdig ist! Mit den Worten der Liturgie wollen Wir sagen: "Dich, Christus, kennen wir allein, aus einem Herzen rein und schlicht bittet Dich Unser Klagegesang: Blick auf Unser Sinnen" (Hymnus zu den Laudes am Mittwoch). Bei diesem Ausruf scheint es Uns, dass er selbst sich Unserem entrückten und betroffenen Blick zeige in der Majestät, die dem Pantokrator Eurer Basiliken, Brüder der orientalischen Kirchen und ebenso auch der westlichen eigen ist: Wir sehen Uns dargestellt in dem ganz demütigen Anbeter, Unserem Vorgänger Honorius III., der in dem glänzenden Mosaik in der Apsis der Basilika Sankt Paul vor den Mauern dargestellt ist, wie er, klein und gleichsam zunichte geworden am Boden liegend, den Fuß des übergroßen Christus küsst, der in der Haltung eines königlichen Meisters die in der Basilika selbst versammelte Gemeinde, nämlich die Kirche, beherrscht und segnet. Die Szene, so scheint Uns, wiederholt sich hier, aber nicht mehr in einem gemalten Bilde, sondern in einer geschichtlichen und menschlichen Wirklichkeit, die in Christus die Quelle der erlösten Menschheit, seiner Kirche, anerkennt und in der Kirche gleichsam die ebenso irdische wie geheimnisvolle Ausströmung und Fortführung, so dass sich vor Unserem Geiste die apokalyptische Schau des heiligen Johannes zu entwerfen scheint: "Dann zeigte er mir den Strom mit dem Wasser des Lebens, der glitzerte wie Kristall, hervorquellend vom Throne Gottes und des Lammes" (Offb 22,1).

Navh Unserer Meinung ist es angebracht, dass dieses Konzil von jener Vision ausgehe, besser gesagt, von jener mystischen Feier, die bekennt, dass er Unser Herr Jesus Christus, das menschgewordene Wort ist, der Sohn Gottes und der Menschensohn, der Erlöser der Welt, das heißt, die Hoffnung der Menschheit und ihr einziger höchster Meister. Er, der Wirt, er, das Brot des Lebens, er, Unser Hohepriester und Unser Opfer, er, der einzige Mittler zwischen Gott und den Menschen, er, der Retter der Welt, er der kommende König der Ewigkeit: und von der Feier, die erklärt, dass wir seine Berufenen sind, seine Schüler, seine Apostel, seine Zeugen, seine Diener, seine Vertreter und mit allen anderen Gläubigen seine lebendigen Glieder, zusammengefügt in jenen unermeßlichen, einzigen mystischen Leib, den er sich vermittels des Glaubens und der Sakramente in der Folge der menschlichen Generationen bildet, seine Kirche nämlich, die geistig und sichtbar, brüderlich und hierarchisch, heute zeitlich und morgen ewig ist.

Wenn Wir, Ehrwürdige Brüder, diese erhabene Auffassung vor Unserem Geiste gegenwärtig halten: dass Christus Unser Stifter ist, Unser unsichtbares, aber wirkliches Haupt, und dass Wir alles von ihm empfangen, so dass Wir mit ihm jenen "ganzen Christus" bilden, von dem der heilige Augustinus spricht und die Theologie der Kirche ganz durchdrungen ist, dann können Wir besser die Hauptziele des Konzils verstehen, die Wir der Kürze und des besseren Verständnisses halber in vier Punkten angeben: das Verständnis, oder wenn man lieber sagen will, das Selbstverständnis der Kirche, ihre Reform, der Wiederzusammenschluss aller Christen in der Einheit, das Gespräch der Kirche mit der heutigen Welt.

Zweifellos ist es Wunsch, Bedürfnis und Pflicht der Kirche, endlich eine tiefer durchdachte Begriffsbestimmung ihrer selbst zu geben. Wir alle erinnern Uns an die staunenswerten Bilder, unter denen Uns die Heilige Schrift an die Natur der Kirche vorstellt, die von Mal zu Mal genannt wird das von Christus errichtete Gebäude, das Haus Gottes, der Tempel und das Zelt Gottes, sein Volk, seine Herde, sein Weinberg, sein Feld, seine Stadt, die Säule der Wahrheit und endlich die Braut Christi, sein mystischer Leib. Gerade der Reichtum dieser lichtvollen Bilder hat die Betrachtung der Kirche dazu geführt, sich selbst als eine geschichtliche, sichtbare und hierarchisch geordnete, aber geheimnisvoll beseelte Gesellschaft anzuerkennen. Das berühmte Rundschreiben von Papst Pius XII. "Mystici corporis" hat schon zum Teil auf das Verlangen geantwortet, das die Kirche hatte, endlich sich selbst in einer vollständigen Lehre zum Ausdruck zu bringen und hat aber zum Teil auch den Wunsch gesteigert, sich selbst eine erschöpfende Definition zu geben. Das Erste Vatikanische Ökumenische Konzil hatte schon den Entwurf gemacht, und viele äußere Ursachen trugen dazu bei, ihn dem religiösen Studium innerhalb und außerhalb der Katholischen Kirche anzubieten: so zum Beispiel der gesteigerte soziale Charakter der weltlichen Zivilisation, die Entwicklung der wechselseitigen Beziehungen unter den Menschen, das Bedürfnis, die verschiedenen christlichen Bekenntnisse nach dem wahren und eindeutigen Maßstab zu beurteilen, der uns in der göttlichen Offenbarung gegeben ist, usw.

Es ist nicht zu verwundern, wenn nach zwanzig Jahrhunderten des Christentums und großer geschichtlicher und geographischer Entfaltung der Katholischen Kirche sowie der religiösen Bekenntnisse, die sich auf den Namen Christi berufen und sich mit dem Namen von Kirchen schmücken, wenn, sagen wir, der wahre, tiefe und vollständige Begriff der Kirche, wie Christus sie gründete und die Apostel sie aufzubauen begannen, noch genauer herausgearbeitet werden muss. Ein Geheimnis ist die Kirche, nämlich eine von göttlicher Gegenwart durchtränkte Wirklichkeit und deshalb immer fähig neuer und tieferer Erforschung. Dem Fortschritt unterworfen ist der menschliche Gedanke, der von einer erfahrungsmäßig erfassten Wahrheit zu einer wissenschaftlichen, mehr rationalen Erkenntnis kommt und der von einer sicheren Wahrheit eine andere logisch ableitet und der vor einer vielschichtigen und bleibenden Wirklichkeit verweilt, um bald diese, bald jene Seite zu betrachten und so seiner Tätigkeit eine Entwicklung zu geben, welche die Geschichte vermerkt. Uns scheint, dass die Stunde gekommen ist, in der die Wahrheit über die Kirche Christi erforscht, geordnet und ausgedrückt werden muss, nicht vielleicht mit jenen feierlichen Äußerungen, die dogmatische Definitionen heißen, sondern mit jenen Erklärungen, die der Kirche selbst mit dem ordentlichen, aber mehr ausdrücklichen und autoritativen Lehramt sagen, was sie von sich selbst denkt. Es ist das Bewusstsein der Kirche, das sich klärt in der treuesten Gefolgschaft gegenüber den Worten und dem Gedanken Christi, in der ehrfürchtigen Erinnerung an die autoritative Lehre der kirchlichen Überlieferung und in der Gelehrigkeit gegenüber der inneren Erleuchtung des Heiligen Geistes, der gerade heute von der Kirche zu verlangen scheint, dass sie alles tue, um als die, die sie ist, wahrhaft anerkannt zu werden.

Licht für die lehrende Kirche

Wir glauben, dass dieses Ökumenische Konzil dazu da ist, in der lehrenden Kirche das Licht zu entsenden, das heißt die Lehre von ihrem eigenen Sein, wie wenn die Braut Christi in ihm sich wiederspiegelte und in ihm mit der lebendigsten Liebe die eigene Gestalt entdecken wollte, jene Schönheit, die er in ihr widergestrahlt haben möchte. Zu diesem Zweck werden also das Hauptthema dieser Sitzungsperiode des gegenwärtigen Konzils die eigenen Angelegenheiten der Kirche selbst und die Erforschung ihres innersten Wesens sein, um, soweit es menschlicher Sprache möglich ist, davon eine Wesensbestimmung zu geben, die uns besser unterrichtet über die wirkliche und grundlegende Verfasstheit der Kirche und Uns daraus ihre vielfältige und heilswirkende Sendung zeigt. Die theologische Lehre hat von daher großartige Entwicklungsmöglichkeiten, die auch von seiten der getrennten Brüder aufmerksam Beachtung verdienen und die, wie Wir heiß ersehnen, ihnen einen immer leichteren Weg zu einer Zustimmung zur Einigung anbieten.

Unter den verschiedenen Problemen, die diese Besinnung, zu der das Konzil sich anschickt, anbietet, wird das erste da sein, welches Euch alle, ehrwürdige Brüder, betrifft als Bischöfe der Kirche Gottes. Wir zögern nicht, Euch zu sagen, dass Wir mit lebhafter Aufmerksamkeit und aufrichtigem Vertrauen auf diese nächste Erörterung schauen, da sie unter Wahrung der dogmatischen Erklärungen des Ersten Vatikanischen Ökumenischen Konzils über das römische Bischofsamt, nun die Lehre über den Episkopat, seine Funktionen und seine Beziehungen zu Petrus vertiefen muss und sicherlich auch Uns selbst die lehrmäßigen und praktischen Kriterien geben wird, damit Unser apostolisches Amt, obwohl von Christus mit der Fülle und dem Vollmaß der Gewalt, die ihr kennt, beschenkt, besseren Beistand und Bestärkung habe, in näher zu bestimmender Weise, durch eine tatkräftige und verantwortliche Mitarbeit Unserer geliebten und verehrten Brüder im Bischofsamt.

Dieser lehrhaften Klärung muss dann die andere folgen bezüglich der verschiedenen Zusammensetzung des sichtbaren und mystischen Leibes, der die Kirche ist, die in der Welt streitende und pilgernde, d. h. die Priester, die Ordensleute, die Gläubigen umfassende, wie auch die von Uns getrennten Brüder, die ja auch zur vollkommenen Teilnahme an ihr berufen sind.

Niemand wird der Bedeutung dieser lehrhaften Aufgabe des Konzils entgehen, woraus die Kirche erhellendes, erhebendes, heiligendes Bewusstsein ihrer selbst schöpfen kann. Gebe Gott, dass unsere Hoffnungen erfüllt werden.

Diese Hoffnungen richten sich auch auf ein anderes Hauptziel dieses Konzils, das der Erinnerung der heiligen Kirche, wie man wohl sagt.

Nach Unserem Urteil müsste auch dieses Ziel hergeleitet werden von unserem Wissen um die Beziehung, welche Christus mit seiner Kirche verbindet. Wir sagten, dass Wir wollten, dass die Kirche sich in ihm wie in einem Spiegel schaue: Wenn nun irgendein Schatten, irgendein Mangel aus dieser Gegenüberstellung auf dem Antlitz der Kirche, auf ihrem hochzeitlichen Gewand erschiene, was müsste sie aus innerem Antrieb mutig machen? Es ist klar: sich erneuern, sich bessern, sich anstrengen, um wieder in diese Gleichförmigkeit mit ihrem göttlichen Vorbild zu kommen, wie es ihrer Grundverpflichtung entspricht. Erinnern Wir Uns der Worte des Herrn, in seinem hohepriesterlichen Gebet unmittelbar vor dem bevorstehenden Leiden: "Ich heilige mich selbst, damit auch sie in Wahrheit geheiligt seien" (Joh 11, 19). Das Zweite Vatikanische Ökumenische Konzil muss sich Unserer Ansicht nach in diese wesentliche von Christus gewollte Ordnung stellen. Nur nach diesem Werk der inneren Heiligung kann die Kirche ihr Gesicht der ganzen Welt zeigen und sprechen: "Wer mich sieht, sieht Christus, wie auch Christus von sich gesagt hatte: Wer mich sieht, sieht den Vater" (Joh 14,9).

In dieser Sicht will das Konzil ein frühlingshaftes Wiederaufleben ungeheurer geistiger und moralischer Energien sein, die gleichsam im Schoß der Kirche verborgen sind; es offenbart sich als ein entschlossener Vorsatz zu einer Verjüngung, sei es ihrer inneren Kräfte, sei es der Normen, welche ihre rechtlichen Strukturen und rituellen Formen regeln. D. h.: Das Konzil strebt danach, der Kirche diese Anmut der Vollkommenheit und Heiligkeit zu geben oder zu mehren, welche ihr allein die Nachfolge Christi und die mystische Vereinigung mit ihm, im Heiligen Geiste, verleihen können.

Ja, das Konzil strebt nach einer Wiedererneuerung. Geben wir acht: Es ist nicht so, dass wir mit solcher Rede und solchem Wunsch anerkennten, dass die katholische Kirche von heute einer wesenhaften Untreue gegenüber dem Gedanken ihres göttlichen Gründers angeklagt werden könnte, vielmehr erfüllt sie die vertiefte Entdeckung ihrer wesenhaften Treue mit Dankbarkeit und Demut, und gibt ihr den Mut ein, jene Unvollkommenheiten zu verbessern, die der menschlichen Schwäche eigen sind. Die Reform, welche das Konzil im Sinne hat, ist also nicht eine Umwälzung des gegenwärtigen Lebens der Kirche, oder gar ein Bruch mit ihrer Überlieferung, in dem, was sie an Wesentlichem und Verehrungswürdigem hat, sondern vielmehr eine Huldigung vor dieser Tradition, in dem Akt selbst, der sie von aller hinfälligen und fehlerhaften Äußerung befreien möchte, um sie echt und fruchtbar zu machen.

Hat Christus nicht zu den Jüngern gesagt: "Ich bin der wahre Weinstock., und mein Vater ist der Winzer. Jeden Rebzweig an mir, der keine Frucht bringt, wird er wegnehmen, und jeden, der Frucht bringt, wird er reinigen, damit er mehr Frucht trage" (Joh 15, 1-2).

Dieser evangelische Hinweis genügt, um uns die vornehmsten Kapitel dieser Vervollkommnung abzuzeichnen, nach der die Kirche strebt: sie betrifft ihre innere und äußere Vitalität. Dem lebendigen Christus entspreche eine lebendige Kirche! Wenn der Glaube und die Liebe die Prinzipien ihres Lebens sind, so ist es klar, dass nichts versäumt werden darf, um dem Glauben freudige Sicherheit und neue Nahrung zu geben und um die Eingliederung und die christliche Erziehung auf dieses unerläßliche Ziel hin wirksam zu machen: ein noch eifrigeres Studium und eine noch hingebendere Verehrung des Wortes Gottes werden sicherlich die Grundlage dieser ersten Reform sein. Und die Erziehung zur Liebe wird darnach den Ehrenplatz haben: wir müssen die Kirche der Liebe erstreben, wenn wir wollen, dass sie imstande sei, sich und die Welt um sie herum tief zu erneuern: Eine unendliche Aufgabe! Auch weil, wie bekannt, die Liebe der Königin und die Wurzel der anderen christlichen Tugenden ist: der Demut, der Armut, der Frömmigkeit, des Opfergeistes, des Mutes zur Wahrheit und der Liebe zur Gerechtigkeit, und jeder anderen Antriebskraft des neuen Menschen.

Die anderen Christen

Das Programm des Konzils weitet sich hier auf unermessliche Gebiete aus: eines von diesen, besonders bevorzugt und reich an Liebe, ist die heilige Liturgie, der die erste Sitzung lange Diskussionen gewidmet hat und für die, so hoffen Wir, die zweite einen glücklichen Abschluss bereit hält. Andere Gebiete werden sicherlich dieselbe hingebende Aufmerksamkeit der Konzilsväter finden, wenn Wir auch fürchten, dass die Kürze der Uns zur Verfügung stehenden Zeit Uns nicht erlauben wird, sie alle Gebührenderweise zu erforschen, und dass sie Uns deshalb Arbeit für eine kommende Sitzung geben werden!

Und es gibt einen dritten Zweck, der dieses Konzil angeht und in einem gewissen Sinne dessen geistiges Drama darstellt; er ist Uns ebenfalls von Papst Johannes XXIII. vorgegeben und betrifft "die anderen Christen", diejenigen, die zwar an Christus glauben, aber die Wir leider noch nicht als mit Uns in der vollkommenen Einheit Christi verbunden zählen dürfen, die nur die Katholische Kirche ihnen bieten kann, während sie ihnen an sich Kraft der Taufe zukommen würde und von ihnen Einschlußweise schon begehrt wird, denn die neueren und gerade jetzt in voller Entwicklung befindlichen Bewegungen im Schoße der von Uns getrennten christlichen Gemeinschaften beweisen offensichtlich zweierlei: dass die Kirche Christi nur eine einzige sein darf, und dass diese geheimnisvolle und sichtbare Einheit nur erreicht werden kann in der Gleichheit des Glaubens, in der Teilnahme an den gleichen Sakramenten und in der organischen Harmonie einer einzigen kirchlichen Leitung, auch wenn dies geschehen kann mit Berücksichtigung einer reichen Mannigfaltigkeit sprachlicher Äußerungen, ritueller Formen, geschichtlicher Überlieferungen, örtlicher Vorrechte, geistiger Strömungen, rechtmäßiger Einrichtungen und bevorzugter Betätigungen.

Welches ist die Haltung des Konzils gegenüber diesen ungezählten Scharen von getrennten Brüdern und diesem möglichen Pluralismus in den Ausformungen der Einheit? Es ist klar. Die Einberufung dieses Konzils ist auch unter diesem Gesichtspunkt bezeichnend. Es strebt eine Ökurnenizität an, die total und universal sein möchte. Wenigstens im Wunsche, wenigstens im Anruf, wenigstens in der Vorbereitung. Heute eine Hoffnung, damit sie morgen Wirklichkeit sei. Das heißt: während dieses Konzil jene die Herde Christi bildenden und ihr mit gutem und vollem Rechte angehörenden Schafe ruft und zählt und in die Hürde einschließt, öffnet es die Türen, erhebt es seine Stimme und erwartet es besorgt die vielen Schafe Christi, die bislang sich noch nicht in der einzigen Hürde befinden. Es ist also ein Konzil der Einladung, der Erwartung, der Zuversicht im Blick auf eine mehr umfassende und mehr brüderliche Anteilnahme an seiner authentischen Ökumenizität.

Hier wendet sich Unsere Ansprache mit Ehrfurcht an die Vertreter der von der Katholischen Kirche getrennten christlichen Bekenntnisse, die jedoch von ihr eingeladen wurden, in der Eigenschaft als Beobachter dieser feierlichen Versammlung beizuwohnen.

Wir grüßen Sie von Herzen.

Wir danken Ihnen für diese Ihre Anwesenheit.

Durch Ihre Vermittlung senden Wir Unsere Botschaft der Väterlichkeit und Brüderlichkeit an die ehrwürdigen christlichen Gemeinschaften, die Sie hier vertreten.

Unsere Stimme zittert, Unser Herz pocht, denn Ihre heutige Nähe ist für Uns ebenso unaussprechlicher Trost und froheste Hoffnung, wie Ihre weiterdauernde Trennung Uns zutiefst schmerzt.

Falls irgendeine Schuld Uns für diese Trennung zuzuschreiben wäre, so bitten Wir demütig Gott um Verzeihung und bitten gleichfalls die Brüder um Vergebung, falls sie sich von Uns verletzt fühlen sollten; und was Uns angeht, sind Wir bereit, die Beleidigungen zu verzeihen, die die Katholische Kirche getroffen haben, und den Schmerz zu vergessen, der ihr in der langen Folge der Auseinandersetzungen und Trennungen zugefügt worden ist.

Der himmlische Vater möge diese Unsere Erklärung annehmen und Uns alle zu einem wahrhaft brüderlichen Frieden zurückführen.

Wir wissen, dass noch schwere und verwickelte sachliche Fragen zu studieren, zu behandeln und zu lösen sind. Wir würden wünschen, dass das sofort geschehe, um der Liebe Christi willen, die "Uns drängt", aber Wir sind überzeugt, dass derartige Probleme viele Voraussetzungen fordern, um geebnet und gelöst zu werden. Voraussetzungen, die heute noch nicht gegeben sind. Wir haben keine Furcht davor, die gesegnete Stunde der vollkommenen Versöhnung geduldig abzuwarten.

Damit die anwesenden Beobachter für ihre christlichen Gemeinschaften, Berichterstatter seien und damit Unsere Stimme auch zu den anderen, von Uns getrennten christlidlen Gemeinschaften gelange, die Unserer Einladung zur Teilnahme an diesem Konzil, wenn auch ohne irgendeine gegenseitige Verpflichtung, nicht angenommen haben, wollen Wir ihnen indessen einige Kriterien bestätigen, von denen Unsere Haltung bezüglich der Wiederherstellung der kirchlichen Einheit mit den getrennten Brüdern bestimmt wird. Wir nehmen an, dass sie diese Kriterien schon kennen, es kann aber nützlich sein, sie hier vorzubringen.

Brücke zur gegenwärtigen Welt

Unsere Sprache will ihnen gegenüber friedfertig und unbedingt aufrichtig und loyal sein. Sie verbirgt weder Fallen noch zeitliche Interessen. Wir schulden Unserem Glauben, von dessen Göttlichkeit Wir überzeugt sind, die aufrichtigste und festeste Zustimmung, aber Wir sind überzeugt, dass er kein Hindernis darstellt für das ersehnte Glück verheißende Einvernehmen mit den getrennten Brüdern, gerade weil er Wahrheit des Herrn ist, und deshalb Prinzip der Einheit und nicht der Unterscheidung oder der Trennung. Jedenfalls wollen Wir aus Unserem Glauben keinen Anlaß zur Polemik ihnen gegenüber machen.

An zweiter Stelle schauen Wir mit Ehrfurcht auf das ursprüngliche und gemeinsame religiöse Erbe, das bei den getrennten Brüdern bewahrt und zum Teil auch gut entfaltet wurde. Mit Wohlgefallen sehen Wir das Bemühen derjenigen, die ehrlich die Schätze der Wahrheit und echten geistlichen Lebens im Besitz derselben getrennten Brüder herauszustellen und zu Ehren zu bringen suchen mit dem Ziele, Unsere Beziehungen zu ihnen zu verbessern. Wir wollen hoffen, dass auch sie mit gleichem Verlangen Unsere Lehre und deren logische Ableitung aus dem Gut der göttlichen Offenbarung besser studieren wie auch Unsere Geschichte und Unser religiöses Leben besser kennenlernen wollen.

Schließlich wollen Wir dazu sagen, dass Wir im Bewusstsein der übergroßen, gegenwärtig der ersehnten Vereinigung entgegenstehenden Schwierigkeiten demütig Unser Vertrauen auf Gott setzen. Wir werden fortfahren zu beten. Wir werden danach trachten, Unser Bemühen um ein echtes christliches Leben und um brüderliche Liebe besser zu bezeugen. Und wenn die geschichtliche Wirklichkeit Unsere Hoffnung zu enttäuschen trachten wollte, dann werden Wir Uns der ermutigenden Worte Christi erinnern: "Was bei den Menschen unmöglich ist, das ist möglich bei Gott" (Lk 18,27).

Schließlich und endlich wird das Konzil eine Brücke zur gegenwärtigen Welt zu schlagen suchen! Es ist ein seltsames Phänomen: indem sie ihre Lebenskraft des Geistes des Herrn aufzufrischen sucht, hebt sich die Kirche wohl ab und löst sie sich los von der weltlichen Gesellschaft, in die sie eingetaucht ist, zugleich aber wird sie fähig, belebender Sauerteig und Heilswerkzeug für die gleiche Welt zu sein, sie entdeckt und stärkt ihre missionarische Berufung, die sozusagen ihre wesentliche Bestimmung ist, die Menschheit, in welchen Verhältnissen sie sich auch befindet, zum Gegenstand ihrer begeisterten Sendung zur Verkündigung des Evangeliums zu machen.

Ihr selbst, ehrwürdige Brüder, habt dieses Wunder erfahren. Tatsächlich habt ihr beim Beginn der Arbeiten der ersten Sitzung und gleichsam entflammt von der Eröffnungsrede Papst Johannes XXIII. unverzüglich den Wunsch verspürt, sozusagen die Tore dieser Versammlung aufzumachen und der Welt von den offenen Toren aus sofort eine Botschaft des Grußes, der Brüderlichkeit und der Hoffnung hinauszurufen. Eine einzigartige, aber wunderbare Geste! Man würde sagen, das prophetische Charisma der heiligen Kirche ist sofort hervorgebrochen, und wie am Pfingsttage Petrus den Antrieb gespürt hat, sofort seine Stimme zu erheben und zum Volke zu sprechen, so habt ihr sofort gewollt, nicht Eure Angelegenheiten zu behandeln, sondern die der WeIt, das Gespräch nicht etwa unter Euch, sondern mit der Welt zu eröffnen.

Das bedeutet, ehrwürdige Brüder, dass dieses Konzil von der Liebe geprägt ist, von einer sehr weiten und sehr drängenden Liebe, von einer Liebe, die eher an die anderen als an sich denkt, von der universalen Liebe Christi!

Diese Liebe hält Uns aufrecht, denn wenn Wir unseren Blick auf das Bild des heutigen menschlichen Lebens richten, müssten wir eher erschrecken als gestärkt werden, eher von Schmerz erfüllt sein als von Freude, eher auf Verteidigung und Verurteilung bedacht sein, als auf Vertrauen und Freundschaft.

Wir müssen Realisten sein und dürfen nicht die Schläge verheimlichen, die von nicht wenigen Gegenden her auch diese allgemeine Versammlung treffen. Können wir blind sein und nicht die vielen leeren Plätze in dieser Versammlung bemerken ? Wo sind unsere Brüder aus den Nationen, in denen die Kirche bekämpft wird, und in welcher Lage befindet sich die Religion in solchen Ländern? Bei solcher Orientierung wird Unser Geist schwer, soweit Wir etwas wissen, und noch schwerer, soweit Wir nichts erfahren können, sei es bezüglich der Heiligen Hierarchie, der Ordensmänner und -frauen, und so vieler unserer Söhne, die Furcht, Quälungen, Enteignungen und Unterdrückungen wegen ihrer Treue zu Christus und der Kirche ausgesetzt sind. Welche Traurigkeit dieser Leiden wegen, welch ein Schmerz zu sehen, dass in gewissen Ländern die religiöse Freiheit, wie andere grundlegende Rechte des Menschen unterdrückt sind durch Prinzipien und Methoden politischer, rassischer oder antireligiöser Intoleranz! Das Herz tut weh bei der Beobachtung, dass in der Welt noch so viele Ungerechtigkeiten herrschen gegenüber dem ehrlichen und freien Bekennen des eigenen religiösen Glaubens. Aber unser Klagen will sich nicht so sehr in bitteren Worten bekunden, als vielmehr in einer offenen und menschlichen Ermahnung an alle dafür Verantwortlichen, edelmütig ihre ungerechtfertigte Feindschaft gegen die katholische Religion abzulegen, deren Anhänger nicht als Feinde oder als unzuverlässige Bürger anzusehen sind, sondern vielmehr als ehrenhafte und arbeitsame Mitglieder der bürgerlichen Gemeinschaft, der sie angehören. Ferner senden Wir den Katholiken, die wegen ihres Glaubens leiden, auch bei dieser Gelegenheit Unseren herzlichen Gruß und erflehen für sie den besonderen göttlichen Beistand.

Unsere Betrübnis ist hier noch nicht zu Ende.

Der Blick auf die Welt erfüllt uns mit unermeßlicher Traurigkeit wegen so vieler anderer Übel: Der Atheismus überflutet einen Teil der Menschheit und zieht die Erschütterung der geistigen, sittlichen und gesellschaftlichen Ordnung nach sich, deren wahre Kenntnis die Welt verliert. Während das Licht der Wissenschaft über die Dinge zunimmt, breitet sich das Dunkel über die Gotteserkenntnis und folglich über die wahre Kenntnis des Menschen aus. Wunderbar vervollkommnet zwar der Fortschritt die Instrumente jeglicher Art, über die der Mensch verfügt. Sein Herz aber gleitet ab in Leere, Traurigkeit und Verzweiflung.

Wir hätten hundert Dinge über diese schwierigen und aus soviel Gründen traurigen Verhältnisse des modernen Menschen zu sagen, aber nicht jetzt. Jetzt, sagten Wir, ist Unser Herz und das der im Konzil versammelten Kirche voll der Liebe. Wir blicken auf unsere Zeit und ihre verschiedenen und gegensätzlichen Äußerungen mit unermesslicher Sympathie und mit grenzenlosem Verlangen, den heutigen Menschen die Botschaft der Freundschaft, des Heils und der Hoffnung anzubieten, die Christus in die Welt gebracht hat. Denn "Gott hat seinen Sohn nicht dazu in die Welt gesandt, dass er die Welt richte, sondern damit die Welt durch ihn gerettet werde" (Joh 3, 17). Die Welt soll wissen: Die Kirche schaut auf sie mit tiefem Verständnis, mit aufrichtiger Bewunderung und mit dem ehrlichen Vorsatz, sie nicht zu erobern, sondern ihr zu dienen, nicht um sie zu verachten, sondern um sie aufzuwerten; nicht um sie zu verurteilen, sondern um sie zu stärken und zu retten.

Auf einige Personengruppen schaut die Kirche vom weltoffenen Fenster des Konzils mit besonderer Anteilnahme: Sie schaut auf die Armen, die Bedürftigen, die Betrübten, die Hungernden, die Leidenden, die Eingekerkerten, die Heiligen. Sie schaut auf die gesamte Menschheit, die leidet und weint: Sie ist ihr Anheimgegeben kraft und rechtens des Evangeliums, und allen, die zu ihr gehören, möchte sie wiederholen: Kommet alle zu mir (Mt 11,28).

Sie blickt auf die Menschen der Kultur, auf die Studenten, die Wissenschaftler, die Künstler, und auch für diese hat die Kirche tiefste Hochachtung und größtes Verlangen, ihre Erfahrungen anzunehmen, ihr Denken zu ermutigen, ihre Freiheit zu schützen, die Weite ihres gequälten Geistes freudig hineinzuführen in die lichtvollen Bereiche des göttlichen Wortes und der Gnade.

Sie blickt auf die Arbeiter, auf die Würde ihrer Person und ihrer Mühen, auf die Rechtmäßigkeit ihrer Hoffnungen, auf das Bedürfnis nach sozialem Aufstieg und innerer Erhebung, das sie noch so sehr bedrängt, auf den Auftrag, der ihnen zuerkannt werden kann, wenn er gut und christlich ist, eine neue Welt von freien Menschen und Brüdern zu schaffen. Die Kirche, Mutter und Lehrerin, ist ihnen nahe!

Sie blickt auf die Führer der Völker und statt der ernsten und mahnenden Worte, die die Kirche oft an sie richten muss, sagt sie heute ein Wort der Ermutigung und des Vertrauens: Mut, ihr Lenker der Nationen, ihr könnt heute Euren Völkern viele Lebensgüter geben: Brot, Unterricht, Arbeit, Ordnung, die Würde freier und einträchtiger Bürger, aber nur dann, wenn Ihr wahrhaft anerkennt, was der Mensch ist; nur die christliche Weisheit kann es Euch mit voller Klarheit sagen: Wenn Ihr in Gerechtigkeit und Liebe zusammenarbeitet, könnt ihr den Frieden begründen, - dieses hohe, heiß ersehnte Gut, das von der Kirche so sehr verteidigt und gefördert wird - und aus der Menschheit eine einzige Stadt machen. Gott sei mit Euch!

Blick auf die neuen Völker

Und dann blickt die Katholische Kirche noch weiter, über die Grenzen des christlichen Horizontes hinaus: Wie könnte sie ihrer Liebe Grenzen setzen, wenn sie sich die Liebe des Vatergottes zu eigen machen muss, der seine Gnaden auf alle herabfließen lässt (vgl. Mt 5, 48), und der die Welt so sehr geliebt hat, dass er seinen eingeborenen Sohn für sie dahingab (vgl. Joh 3, 16)? Sie blickt also über den eigenen Bereich hinaus. Sie sieht jene anderen Religionen, die den Sinn für Gott und den Begriff Gottes bewahren, des Einen, des Schöpfers, des Vorstehenden, des Höchsten und alles Übersteigenden, die durch Akte aufrichtiger Frömmigkeit Gott verehren und auf solchem Glauben und Tun die Prinzipien des sittlichen und sozialen Lebens gründen. Die Katholische Kirche entdeckt zweifellos und mit Schmerz Lücken, Ungenügen und Irrtümer in so vielen eben genannten religiösen Ausdrucksformen; aber sie muss auch ihnen ihre Aufmerksamkeit zuwenden, um sie daran zu erinnern, dass die katholische Religion alles Wahre, Gute und Menschliche in ihnen gebührend schätzt, und dass sie zur Wahrung des Sinnes für Religion und der Gottesverehrung in der modernen Gesellschaft - Pflicht und Bedürfnis jeder wahren Kultur - in erster Linie die kräftigste Verteidigerin der Rechte Gottes über die Menschheit ist.

Und das Auge der Kirche geht weiter auf andere unendliche menschliche Bereiche: Auf die neuen Generationen der Jugend, die sich erheben im Verlangen nach Leben und Selbstbehauptung, auf die neuen Völker, die dabei sind, sich Selbstbewusstsein, Unabhängigkeit und zivile Ordnung zu erwerben, und auf die zahllosen menschlichen Wesen, die sich allein und Unangesprochen fühlen im Wirbel einer Gesellschaft; und an alle, alle sendet sie ihren Ruf des Grußes und der Hoffnung, allen wünscht und bietet sie das Licht der Wahrheit, des Lebens und des Heils an, weil Gott "will, dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen" (Tim. 2, 4).

Ehrwürdige Brüder!

Unsere Sendung als Diener des Heils ist groß und schwer. Um sie besser zu erfüllen sind wir jetzt in dieser feierlichen Versammlung vereinigt. Die tiefe und brüderliche Gemeinschaft unserer Seelen sei uns Führer und Kraft. Die Gemeinschaft mit der himmlischen Kirche bringe uns Gnade: So mögen uns die Heiligen unserer Diözesen und unserer religiösen Familien beistehen, die Engel und die Heiligen alle und besonders die Heiligen Petrus und Paulus, der heilige Johannes der Täufer und besonders der heilige Josef, der zum Schutzpatron dieses Konzils erklärt wurde. Mütterlich und mächtig sei der Beistand der heiligsten Jungfrau Maria, die wir von Herzen anrufen, Christus habe den Vorsitz, und alles sei zur Ehre Gottes, der Allerheiligsten Dreifaltigkeit, deren Segen Wir Euch allen nicht zögern zu erteilen im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.