Kreuzweg am Kolosseum 2000

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Der Kreuzweg am Kolosseum unter dem Vorsitz Johannes Pauls II., wurde am Karfreitag dem 21. April 2000 meditiert bzw. gebetet. Er wurde von Papst Johannes Paul II. selbst verfasst.

(Quelle: Auf der Vatikanseite; siehe auch: Johannes Paul II.: Den Spuren Christi folgend… Catholic Media, 32 Seiten)

Vorbereitung

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Der Heilige Vater:

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

"Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach" (Mt 16,24).

Es ist Karfreitag Abend. Seit zweitausend Jahren versammelt sich die Kirche an diesem Abend, um an das zu erinnern und es wieder lebendig werden zu lassen, was sich auf dem letzten Abschnitt des irdischen Lebensweges des Gottessohnes ereignet hat. Wie in jedem Jahr, so findet sich auch heute die Kirche von Rom beim Kolosseum ein, um den Weg Jesu nachzugehen, der "sein Kreuz trug und hinaus ging zur sogenannten Schädelhöhe, die auf hebräisch Golgota heißt" (Joh 19,17).

Wir haben uns hier in der Überzeugung eingefunden, daß die Via crucis, der Kreuzweg des Gottessohnes, nicht ein gewöhnlicher Gang zur Hinrichtungsstätte ist. Wir glauben, daß jeder Schritt, jede Geste und jedes Wort des Verurteilten und ebenso alles, was die an diesem Drama Beteiligten erlebt und getan haben, unablässig zu uns sprechen. Auch in seinem Leiden und Sterben enthüllt uns Christus die Wahrheit über Gott und den Menschen.

In diesem Jubiläumsjahr wollen wir uns ganz besonders tief in jenes Geschehen versenken und seinen Inhalt bedenken, damit es mit neuer Kraft zu unseren Herzen und Sinnen spreche und zur Gnadenquelle einer echten Anteilnahme werde.

Anteilnahme bedeutet einen Anteil haben. Was aber heißt: Anteil haben am Kreuz Christi? Es soll heißen, daß wir im Heiligen Geist die Liebe erfahren, die das Kreuz Christi in sich birgt. Es soll heißen, daß wir im Lichte dieser Liebe das eigene Kreuz erkennen. Es soll heißen, daß wir es auf unsere Schultern nehmen und stets aus der Kraft dieser Liebe weitergehen...

Durch das Leben gehen, indem wir den nachahmen, der "das Kreuz auf sich nahm, ohne auf die Schande zu achten, und sich zur Rechten von Gottes Thron setzte" (vgl. Hebr 12,2).

Lasset uns beten.

Herr Jesus Christus, erfülle unsere Herzen mit dem Licht deines Geistes, damit wir dir auf deinem letzten Weg folgen und so den Preis unserer Erlösung erfahren. Mache uns würdig, teilzuhaben an den Früchten, die dein Leiden, Sterben und deine Auferstehung hervorgebracht haben. Der du lebst und herrschest in alle Ewigkeit. Amen.

ERSTE STATION: Jesus wird zum Tod verurteilt

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Adoramus te, Christe, et benedicimus tibi.

Quia per sanctam crucem tuam redemisti mundum.

(Wir beten dich an, Herr Jesus Christus, und preisen dich. Denn durch dein heiliges Kreuz hast du die Welt erlöst.)

"Bist du der König der Juden?" (Joh 18,33).

"Mein Königtum ist nicht von dieser Welt. Wenn es von dieser Welt wäre, würden meine Leute kämpfen, damit ich den Juden nicht ausgeliefert würde. Aber mein Königtum ist nicht von hier" (Joh 18,36).

Pilatus setzte nach:

"Also bist du doch ein König?"

Jesus antwortete:

"Du sagst es, ich bin ein König. Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, daß ich für die Wahrheit Zeugnis ablege. Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört auf meine Stimme".

Pilatus entgegnete:

"Was ist Wahrheit?"

Damit hielt der römische Statthalter das Verhör für abgeschlossen. Er ging hinaus zu den Juden und sagte zu ihnen: "Ich finde keinen Grund, ihn zu verurteilen" (vgl. Joh 18, 3738).

Das Drama des Pilatus verbirgt sich in der Frage: Was ist Wahrheit?

Das war keine philosophische Frage nach dem Wesen der Wahrheit, sondern eine existentielle Frage, die sein persönliches Verhältnis zur Wahrheit betraf. Es war der Versuch, der Stimme des Gewissens zu entkommen, die ihn dazu aufforderte, die Wahrheit zu erkennen und ihr zu folgen. Der Mensch, der sich nicht von der Wahrheit leiten läßt, ist sogar bereit, einen Unschuldigen schuldig zu sprechen.

Die Ankläger ahnen diese Schwachheit des Pilatus und geben daher nicht nach. Entschieden fordern sie die Kreuzigung des Angeklagten. Die Halbheiten, auf die Pilatus zurückgreift, helfen ihm wenig. Die grausame Strafe der Geißelung, die er über den Angeklagten verhängt, reicht den Anklägern nicht. Als der Statthalter den gegeißelten Jesus mit der Dornenkrone auf dem Haupt der Menge vorführt, scheint er nach einem Wort zu suchen, das die Unnachgiebigkeit der Masse beugen sollte. Er zeigt auf Jesus und sagt: "Ecce homo! Seht, da ist der Mensch!". Doch als Antwort brüllt die Menge: "Ans Kreuz mit ihm, ans Kreuz mit ihm!" Da versucht Pilatus, sich herauszuwinden: "Nehmt ihr ihn und kreuzigt ihn! Denn ich finde keinen Grund, ihn zu verurteilen" (vgl. Joh 19,57).

Er ist immer mehr davon überzeugt, daß der Angeklagte unschuldig ist, bringt es aber nicht fertig, ihn freizusprechen. Die Ankläger greifen zum letzten Argument: "Wenn du ihn freiläßt, bist du kein Freund des Kaisers; jeder, der sich als König ausgibt, lehnt sich gegen den Kaiser auf" (Joh 19,12).

Das ist eine klare Drohung. Pilatus, der die Gefahr ahnt, gibt endgültig nach und fällt das Urteil. Allerdings nicht ohne die demonstrative Geste, sich die Hände zu waschen: "Ich bin unschuldig am Blut dieses Menschen. Das ist eure Sache!" (Mt 27,24).

So wurde Jesus zum Tod am Kreuz verurteilt: er, der Sohn des lebendigen Gottes und Erlöser der Welt.

Die Verneinung der Wahrheit hat im Laufe der Jahrhunderte Leid und Tod verursacht. Den Preis für die menschliche Heuchelei müssen Unschuldige zahlen. Mit Halbheiten ist es nicht getan. Sich darüber die Hände zu waschen, ist auch nicht genug. Die Verantwortung für das Blut des Gerechten bleibt. Darum betete Christus so inständig für seine Jünger aller Zeiten: Vater, "heilige sie in der Wahrheit; dein Wort ist Wahrheit" (Joh 17,17).

GEBET

Christus, du nimmst ein ungerechtes Urteil an. Gewähre uns und allen Menschen unserer Zeit die Gnade, der Wahrheit treu zu sein und nicht zuzulassen, daß auf uns und auf allen, die nach uns kommen, die Verantwortung für das Leiden der Unschuldigen laste. Dir, o Jesus, dem gerechten Richter, sei Lob und Ehre in Ewigkeit. Amen.

Alle:

Pater noster, qui es in cælis: sanctificetur nomen tuum; adveniat regnum tuum; fiat voluntas tua, sicut in cælo, et in terra. Panem nostrum cotidianum da nobis hodie; et dimitte nobis debita nostra, sicut et nos dimittimus debitoribus nostris; et ne nos inducas in tentationem; sed libera nos a malo.

Stabat Mater dolorosa, iuxta crucem lacrimosa, dum pendebat Filius.

ZWEITE STATION: Jesus nimmt das Kreuz auf seine Schultern

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Adoramus te, Christe, et benedicimus tibi.

Quia per sanctam crucem tuam redemisti mundum.

Das Kreuz. Werkzeug eines schmachvollen Todes.

Es war nicht gestattet, einen römischen Bürger zum Kreuzestod zu verurteilen: diese Hinrichtungsart galt als zu entwürdigend. Der Augenblick, in dem Jesus von Nazaret sich das Kreuz aufgeladen hat, um es hinauf nach Golgota zu tragen, bedeutete eine Wende in der Geschichte des Kreuzes.

Das Kreuz, Zeichen eines schmachvollen Todes, der den Angehörigen der untersten Klasse vorbehalten war, wird zu einem Schlüssel. Von nun an soll der Mensch mit Hilfe dieses Schlüssels das Tor aufschließen, das zum tiefsten Grund des Geheimnisses Gottes führt.

Durch Christus, der das Kreuz als Werkzeug seiner Entäußerung annimmt, sollen die Menschen wissen: Gott ist Liebe.

Es ist eine Liebe ohne Grenzen: Gott "hat die Welt so sehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat" (Joh 3,16).

Diese Wahrheit über Gott hat sich durch das Kreuz offenbart.

Konnte sie sich nicht auf andere Weise offenbaren?

Vielleicht. Dennoch hat Gott das Kreuz gewählt.

Der Vater hat für seinen Sohn das Kreuz gewählt.

Und der Sohn hat es auf seine Schultern geladen, es hinauf nach Golgota getragen und daran sein Leben aufgeopfert.

"Am Kreuz ist Leiden, am Kreuz ist Heil, am Kreuz, da wird als Lehre uns Liebe zuteil. Gott, wer dich einmal hat begriffen, ersehnt und sucht nichts andres mehr" (Polnisches Passionslied).

Das Kreuz ist Zeichen einer Liebe ohne Grenzen!

GEBET

Christus, du nimmst das Kreuz aus den Händen der Menschen, um es zum Zeichen der rettenden Liebe Gottes für den Menschen zu machen. Gewähre uns und allen Menschen unserer Zeit die Gnade des Glaubens an diese unendliche Liebe, damit wir das Zeichen des Kreuzes in das neue Jahrtausend hinübertragen und so glaubwürdige Zeugen der Erlösung sind. Dir, o Jesus, dem Priester und Opfer, sei Lob und Ehre in Ewigkeit. Amen.

Alle:

Pater noster, qui es in cælis: sanctificetur nomen tuum; adveniat regnum tuum; fiat voluntas tua, sicut in cælo, et in terra. Panem nostrum cotidianum da nobis hodie; et dimitte nobis debita nostra, sicut et nos dimittimus debitoribus nostris; et ne nos inducas in tentationem; sed libera nos a malo.

Cuius animam gementem, contristatam et dolentem pertransivit gladius.

DRITTE STATION: Jesus fällt zum ersten Mal unter dem Kreuz

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Adoramus te, Christe, et benedicimus tibi.

Quia per sanctam crucem tuam redemisti mundum.

"Gott legte auf ihn die Sünden von uns allen" (vgl. Jes 53,6).

"Wir hatten uns alle verirrt wie Schafe, jeder ging für sich seinen Weg. Doch der Herr lud auf ihn die Schuld von uns allen" (Jes 53,6).

Jesus fällt unter dem Kreuz. Das wird auf dem verhältnismäßig kurzen Weg der "Via dolorosa" dreimal geschehen. Er bricht vor Erschöpfung zusammen. Sein Leib ist blutüberströmt von der Geißelung, auf dem Haupt trägt er die Dornenkrone. Das alles läßt seine Kräfte schwinden.

So kommt er zu Fall, und das schwere Kreuz drückt ihn zu Boden.

Wir müssen auf die Worte des Propheten zurückkommen, der Jahrhunderte zuvor dieses Zusammenbrechen vorhersieht so, als betrachte er die Szene mit eigenen Augen: Vor dem Gottesknecht, der unter der Last des Kreuzes auf dem Boden liegt, weist er auf die wahre Ursache seines Zusammenbruches hin. Seht, "Gott hat auf ihn die Sünden von uns allen geladen".

Die Sünden haben den Verurteilten, der Gottes Sohn ist, zu Boden gedrückt. Sie waren ausschlaggebend für das Gewicht des Kreuzes, das er auf seinen Schultern trägt. Die Sünden waren die Ursache dafür, daß er zu Boden stürzte.

Christus steht mit Mühe wieder auf, um sich weiter auf den Weg zu machen. Die ihn eskortierenden Soldaten versuchen ihn mit Schreien und Schlägen anzutreiben. Kurz darauf setzt sich der Zug wieder in Bewegung.

Jesus fällt und steht wieder auf. Auf diese Weise wendet sich der Erlöser der Welt wortlos an alle, die zusammenbrechen. Er ermutigt sie, wieder aufzustehen.

"Er hat unsere Sünden mit seinem Leib auf das Holz des Kreuzes getragen, damit wir tot seien für die Sünden und für die Gerechtigkeit leben. Durch seine Wunden sind wir geheilt" (vgl. 1 Petr 2,24)

GEBET

Christus, du brichst unter der Last unserer Schuld zusammen und richtest dich um unserer Rechtfertigung willen wieder auf. Wir bitten dich, hilf uns und allen, die von der Sünde niedergedrückt werden, wieder aufzustehen und den Weg weiterzugehen. Schenke uns die Kraft des Geistes, damit wir mit dir das Kreuz unserer Schwachheit tragen können. Jesus, du bist von der Last unserer Schuld geschlagen. Dir sei Lob und Ehre in Ewigkeit. Amen.

Alle:

Pater noster, qui es in cælis: sanctificetur nomen tuum; adveniat regnum tuum; fiat voluntas tua, sicut in cælo, et in terra. Panem nostrum cotidianum da nobis hodie; et dimitte nobis debita nostra, sicut et nos dimittimus debitoribus nostris; et ne nos inducas in tentationem; sed libera nos a malo.

O quam tristis et afflicta fuit illa benedicta Mater Unigeniti!

VIERTE STATION: Jesus begegnet seiner Mutter

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Adoramus te, Christe, et benedicimus tibi.

Quia per sanctam crucem tuam redemisti mundum.

"Fürchte dich nicht, Maria; denn du hast bei Gott Gnade gefunden. Du wirst ein Kind empfangen, einen Sohn wirst du gebären; dem sollst du den Namen Jesus geben. Er wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden. Gott, der Herr, wird ihm den Thron seines Vaters David geben. Er wird über das Haus Jakob in Ewigkeit herrschen, und seine Herrschaft wird kein Ende haben" (Lk 1, 3033).

Maria erinnerte sich an diese Worte. Sie dachte im Innersten ihres Herzens oft an sie. Als sie auf dem Kreuzweg dem Sohn begegnete, kamen ihr vielleicht gerade diese Worte in den Sinn. Und das mit besonderer Eindringlichkeit.

"Er wird herrschen, und seine Herrschaft wird kein Ende haben", hatte der himmlische Bote gesagt. Während sie jetzt ihren Sohn, den Todeskandidaten, das Kreuz tragen sieht, an dem er sterben würde, könnte sie sich, menschlich gesprochen, fragen: Wie sollen jene Worte noch in Erfüllung gehen? Auf welche Weise wird er über das Haus Davids herrschen? Und wie kann es sein, daß seine Herrschaft kein Ende hat? Aus menschlicher Sicht sind diese Fragen verständlich.

Maria erinnert sich jedoch, daß sie damals bei der Verkündigung des Engels antwortete: "Ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast" (Lk 1,38).

Jetzt erkennt sie, daß dieses Wortes sich erfüllen sollte im Wort vom Kreuz. Als Mutter leidet Maria sehr.

Dennoch antwortet sie auch jetzt, wie sie damals auf die Verkündigung geantwortet hatte: "Mir geschehe, wie du es gesagt hast".

So umfängt sie auf mütterliche Weise das Kreuz zusammen mit dem verurteilten Gottessohn. Auf dem Kreuzweg offenbart sich Maria als Mutter des Welterlösers. "Ihr alle, die ihr des Weges zieht, schaut doch und seht, ob ein Schmerz ist wie mein Schmerz, den man mir angetan hat" (Klgl 1,12). Hier spricht die Schmerzensmutter, die Magd, die gehorsam ist bis zum bitteren Ende, die Mutter des Erlösers der Welt.

GEBET

Maria, du bist mit dem Sohn den Kreuzweg gegangen, dein mütterliches Herz von Schmerz zerrissen, doch stets eingedenk deines fiat (JaWortes) und in tiefem Vertrauen darauf, daß er, dem nichts unmöglich ist, seine Verheißungen erfüllen würde. Erwirke für uns und für die Menschen der künftigen Generationen die Gnade, sich der Liebe Gottes anheimzugeben. Gib, daß wir angesichts des Leidens, der Ablehnung und der Prüfung, auch wenn sie lange währt und bitter ist, niemals an seiner Liebe zweifeln. Jesus, deinem Sohn, sei Lob und Ehre in Ewigkeit. Amen.

Alle:

Pater noster, qui es in cælis: sanctificetur nomen tuum; adveniat regnum tuum; fiat voluntas tua, sicut in cælo, et in terra. Panem nostrum cotidianum da nobis hodie; et dimitte nobis debita nostra, sicut et nos dimittimus debitoribus nostris; et ne nos inducas in tentationem; sed libera nos a malo.

Quæ mœrebat et dolebat pia Mater, dum videbat Nati pœnas incliti.

FÜNFTE STATION: Simon von Zyrene trägt das Kreuz Jesu

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Adoramus te, Christe, et benedicimus tibi.

Quia per sanctam crucem tuam redemisti mundum.

"Einen Mann, der gerade vom Feld kam, Simon von Zyrene, den Vater des Alexander und des Rufus, zwangen sie, sein Kreuz zu tragen" (Mk 15,21).

Sie zwangen Simon (vgl. Mk 5,21). Die römischen Soldaten handelten so, weil sie fürchteten, der erschöpfte Verurteilte würde es nicht schaffen, das Kreuz bis nach Golgota zu tragen. Dann hätten sie das Todesurteil der Kreuzigung nicht an ihm vollstrecken können. Daher suchten sie einen Mann, der ihm helfen sollte, das Kreuz zu tragen.

Ihr Blick fiel auf Simon. Da brauchte es kein langes Überlegen: Sie zwangen Simon, sich jene Last aufzubürden. Man kann sich vorstellen, daß der Mann nicht wollte und sich wehrte. Mit einem Verurteilten zusammen das Kreuz zu tragen, konnte als Verletzung der Würde eines freien Menschen gedeutet werden.

Wenn auch widerstrebend, so nahm Simon doch das Kreuz, um Jesus zu helfen.

In einem Passionslied heißt es: "Unter der Last des Kreuzes nimmt Jesus den Mann aus Zyrene auf". Worte, die eine völlige Umkehr der Sichtweise ahnen lassen: Der verurteilte Gottessohn erscheint als einer, der gewissermaßen das Kreuz "zum Geschenk macht".

War es etwa nicht er, der gesagt hat: "Wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und mir nachfolgt, ist meiner nicht würdig" (Mt 10,38)?

Simon empfängt ein Geschenk.

Er ist dessen "würdig" geworden.

Was in den Augen der Menge seine Würde verletzen mochte, hat ihm dagegen im Ausblick auf die Erlösung eine neue Würde verliehen. Der Sohn Gottes hat ihn auf einzigartige Weise zum Teilhaber an seinem Heilswerk gemacht.

Ist sich Simon dessen bewußt?

Der Evangelist Markus bezeichnet Simon von Zyrene als "Vater des Alexander und des Rufus" (15,21). Wenn die Söhne des Simon von Zyrene in der christlichen Urgemeinde bekannt waren, kann man wohl annehmen, daß auch Simon selbst, als er das Kreuz trug, zum Glauben an Christus fand. Freiwillig ist er vom Zwang zur Verfügbarkeit gelangt, innerlich gleichsam eingeholt von den Worten: "Wer nicht sein Kreuz mit mir trägt, ist meiner nicht würdig".

Als er das Kreuz trug, wurde er in die Erkenntnis des Evangeliums vom Kreuz eingeführt.

Seither spricht dieses Evangelium zu so vielen, ja unzähligen "Zyrenern", die im Laufe der Geschichte gerufen waren, mit Jesus das Kreuz zu tragen.

GEBET

Christus, du hast dem Simon von Zyrene die Würde zuteil werden lassen, dein Kreuz zu tragen. Nimm unter seiner Last auch uns auf, nimm alle Menschen auf und schenke jedem die Gnade der Verfügbarkeit. Laß uns nicht den Blick von denen abwenden, die niedergedrückt werden vom Kreuz der Krankheit, der Einsamkeit, des Hungers und der Ungerechtigkeit. Laß uns einander die Lasten tragen und so zu Zeugen des Evangeliums vom Kreuz werden, Zeugen für dich, der du lebst und herrschest in Ewigkeit. Amen.

Alle:

Pater noster, qui es in cælis: sanctificetur nomen tuum; adveniat regnum tuum; fiat voluntas tua, sicut in cælo, et in terra. Panem nostrum cotidianum da nobis hodie; et dimitte nobis debita nostra, sicut et nos dimittimus debitoribus nostris; et ne nos inducas in tentationem; sed libera nos a malo.

Quis est homo qui non fleret, Matrem Christi si videret in tanto supplicio?

SECHSTE STATION: Veronika trocknet das Antlitz Jesu

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Adoramus te, Christe, et benedicimus tibi.

Quia per sanctam crucem tuam redemisti mundum.

Veronika erscheint in den Evangelien nicht. Ihr Name wird nicht erwähnt, obwohl die Namen verschiedener Frauen vorkommen, die Jesus begleiten.

Es kann also sein, daß der Name vielmehr Ausdruck dessen ist, was die Frau getan hat. Der Überlieferung nach bahnte sich auf der Straße nach Golgota tatsächlich eine Frau den Weg durch die Eskorte der Soldaten und trocknete den Schweiß und das Blut auf dem Antlitz des Herrn mit einem Tuch. Jenes Antlitz ist auf dem Tuch abgedruckt geblieben; ein getreues Abbild eine "wahre Ikone". Damit ließe sich der Name Veronika (vera icona) in Verbindung bringen.

Wenn das zutrifft, dann enthält dieser Name, der die von dieser Frau vollbrachte Handlung denkwürdig macht, zugleich die tiefste Wahrheit über sie.

Als Jesus einmal den Unmut der Anwesenden erregte, verteidigte er eine Sünderin, die wohlriechendes Öl auf seine Füße gegossen und sie mit ihrem Haar getrocknet hatte. Auf den Einwand, der dabei erhoben wurde, sagte er: "Warum laßt ihr die Frau nicht in Ruhe? Sie hat ein gutes Werk an mir getan [...]. Als sie das Öl über mich goß, hat sie meinen Leib für das Begräbnis gesalbt" (Mt 26, 10.12). Diese Worte könnte man auch auf Veronika anwenden.

So offenbart sich die tiefe Bedeutung des Geschehens.

Der Erlöser der Welt schenkt Veronika ein echtes Abbild seines Antlitzes.

Das Tuch, auf dem das Antlitz Christi abgebildet ist, wird zu einer Botschaft für uns. Sie könnte etwa lauten: "So verstärkt jede gute Tat, jede Handlung echter Nächstenliebe die Ähnlichkeit mit dem Erlöser der Welt".

Taten der Liebe vergehen nicht. Jede Geste der Güte, des Verständnisses und des Dienstes hinterläßt im Herzen des Menschen ein unauslöschliches Zeichen, das ihn dem ein wenig ähnlicher macht, der "sich entäußerte und wie ein Sklave wurde" (Phil 2,7).

So nimmt die Identität des Menschen, sein wahrer Name Gestalt an.

GEBET

Herr Jesus Christus, du hast das uneigennützige Zeichen der Liebe einer Frau angenommen. Gleichzeitig hast du es veranlaßt, daß die nachfolgenden Generationen ihrer mit dem Namen deines Abbildes gedenken. Gewähre, daß unsere und die Werke all derer, die nach uns kommen werden, uns dir ähnlich machen und der Welt das Spiegelbild deiner unendlichen Liebe hinterlassen. Dir, o Jesus, dem Abglanz der Herrlichkeit des Vaters, sei Lob und Ehre in Ewigkeit. Amen.

Alle:

Pater noster, qui es in cælis: sanctificetur nomen tuum; adveniat regnum tuum; fiat voluntas tua, sicut in cælo, et in terra. Panem nostrum cotidianum da nobis hodie; et dimitte nobis debita nostra, sicut et nos dimittimus debitoribus nostris; et ne nos inducas in tentationem; sed libera nos a malo.

Quis non posset contristari, piam Matrem contemplari, dolentem cum Filio?

SIEBTE STATION: Jesus fällt zum zweiten Mal unter dem Kreuz

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Adoramus te, Christe, et benedicimus tibi.

Quia per sanctam crucem tuam redemisti mundum.

"Ich aber bin ein Wurm und kein Mensch, der Leute Spott, vom Volk verachtet" (Ps 22,7). Diese Worte des Psalms kommen uns in den Sinn beim Anblick Jesu, der zum zweiten Mal unter dem Kreuz zusammenbricht.

Da liegt nun der Verurteilte im Staub am Boden. Niedergedrückt vom Gewicht seines Kreuzes. Die Kräfte verlassen ihn mehr und mehr. Trotzdem steht er mühsam wieder auf, um seinen Weg fortzusetzen.

Was will uns sündigen Menschen dieses zweite Zusammenbrechen sagen? Mehr noch als das erste Mal scheint es uns zu ermutigen, wieder aufzustehen, uns noch einmal auf unserem Kreuzweg aufzurichten.

Cyprian Norwid hat geschrieben: "Nicht hinter sich selbst (hergehen) mit dem Kreuz des Retters, sondern hinter dem Retter mit dem eigenen Kreuz". Es ist ein äußerst knappes Wort mit einer starken Aussage. Es erklärt, warum das Christentum die Religion des Kreuzes ist.

Es gibt uns zu verstehen, daß jeder Mensch hier auf Erden Christus begegnet, der das Kreuz trägt und darunter zusammenbricht.

Christus seinerseits begegnet auf dem Weg nach Golgota jedem Menschen; und selbst als er unter der Last des Kreuzes hinfällt, hört er nicht auf, die Frohe Botschaft zu verkünden.

Seit zweitausend Jahren spricht das Evangelium vom Kreuz zum Menschen. Seit zwei Jahrtausend begegnet Christus, der hingefallen ist und wieder aufstand, dem Menschen, der zu Fall kommt.

Im Laufe dieser zweitausend Jahre haben viele erfahren, daß das Hinfallen nicht das Ende des Weges bedeutet. Wenn sie dem Retter begegneten, hörten sie sein Versprechen: "Meine Gnade genügt dir; denn sie erweist ihre Kraft in der Schwachheit" (2 Kor 12,9).

Getröstet standen sie wieder auf und gaben an die Welt das Wort von der Hoffnung weiter, die vom Kreuz ausgeht. Nachdem wir die Schwelle des neuen Jahrtausends überschritten haben, gilt es heute, den Inhalt dieser Begegnung zu vertiefen.

Unsere Generation muß an die kommenden Jahrhunderte die Frohe Botschaft weitergeben, daß wir in Christus wieder aufstehen können.

GEBET

Herr Jesus Christus, du brichst unter der Sündenlast des Menschen zusammen und richtest dich wieder auf, um sie auf dich zu nehmen und zu tilgen. Gib uns schwachen Menschen die Kraft, das Kreuz des Alltags zu tragen und uns von unseren Zusammenbrüchen wieder aufzurichten, um an die kommenden Generationen das Evangelium von deiner heilbringenden Macht weiterzugeben. Dir, o Jesus, dem Halt in unserer Schwachheit, sei Lob und Ehre in Ewigkeit. Amen.

Alle:

Pater noster, qui es in cælis: sanctificetur nomen tuum; adveniat regnum tuum; fiat voluntas tua, sicut in cælo, et in terra. Panem nostrum cotidianum da nobis hodie; et dimitte nobis debita nostra, sicut et nos dimittimus debitoribus nostris; et ne nos inducas in tentationem; sed libera nos a malo.

Pro peccatis suæ gentis, vidit Iesum in tormentis, et flagellis subditum.

ACHTE STATION: Jesus ermahnt die Frauen von Jerusalem

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Adoramus te, Christe, et benedicimus tibi.

Quia per sanctam crucem tuam redemisti mundum.

"Ihr Frauen von Jerusalem, weint nicht über mich; weint über euch und eure Kinder! Denn es kommen Tage, da wird man sagen: Wohl den Frauen, die unfruchtbar sind, die nicht geboren und nicht gestillt haben. Dann wird man zu den Bergen sagen: Fallt auf uns!, und zu den Hügeln: Deckt uns zu! Denn wenn das mit dem grünen Holz geschieht, was wird dann erst mit dem dürren werden?" (Lk 23, 2831).

Das sind die Worte Jesu an die Frauen von Jerusalem, die weinend ihrem Mitleid mit dem Verurteilten Ausdruck gaben.

"Weint nicht über mich; weint über euch und eure Kinder". Der Sinn dieser Worte war damals sicher nur schwer zu verstehen. Sie enthielten eine Prophezeiung, die sich schon sehr bald erfüllen sollte. Kurz vorher hatte Jesus über Jerusalem geweint, als er das schreckliche Schicksal, das der Stadt widerfahren sollte, ankündigte.

Nun scheint er an jene Vorhersage anzuknüpfen: "Weint über eure Kinder...".

Weint, weil sie - ja ausgerechnet sie! - Zeugen und Beteiligte der Zerstörung Jerusalems sein werden. Jerusalem hat "die Zeit der Gnade nicht erkannt" (vgl. Lk 19,44).

Wenn wir Christus auf seinem Kreuzweg folgen und sich in unseren Herzen Mitleid wegen seines Leidens regt, dann dürfen wir jene Mahnung nicht vergessen.

"Wenn das mit dem grünen Holz geschieht, was wird dann erst mit dem dürren werden?" Für unsere Generation, die ein Jahrtausend hinter sich läßt, geht es darum, nicht so sehr über den gemarterten Christus zu weinen, als vielmehr zu erkennen: Jetzt ist die Zeit der Gnade. Die Morgenröte der Auferstehung zieht schon herauf.

"Jetzt ist sie da, die Zeit der Gnade; jetzt ist er da, der Tag der Rettung" (2 Kor 6,2).

An jeden von uns richtet der Herr die Worte aus der Offenbarung: "Ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wer meine Stimme hört und die Tür öffnet, bei dem werde ich eintreten, und wir werden Mahl halten, ich mit ihm und er mit mir. Wer siegt, der darf mit mir auf meinem Thron sitzen, so wie auch ich gesiegt habe und mich mit meinem Vater auf seinen Thron gesetzt habe" (Offb 3,2021).

GEBET

Christus, du bist in diese Welt gekommen, um bei allen einzukehren, die das Heil erwarten. Laß unsere Generation die Zeit der Gnade erkennen und teilhaben an den Früchten deiner Erlösung. Laß nicht zu, daß man über uns und über die Menschen des neuen Jahrhunderts weinen muß, weil wir die Hand des barmherzigen Vaters zurückgewiesen haben. Dir, o Jesus, der du aus der Jungfrau und Tochter Zions geboren bist, sei Lob und Ehre in Ewigkeit. Amen.

Alle:

Pater noster, qui es in cælis: sanctificetur nomen tuum; adveniat regnum tuum; fiat voluntas tua, sicut in cælo, et in terra. Panem nostrum cotidianum da nobis hodie; et dimitte nobis debita nostra, sicut et nos dimittimus debitoribus nostris; et ne nos inducas in tentationem; sed libera nos a malo.

Tui Nati vulnerati, tam dignati pro me pati pœnas mecum divide.

NEUNTE STATION: Jesus fällt zum dritten Mal unter dem Kreuz

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Adoramus te, Christe, et benedicimus tibi.

Quia per sanctam crucem tuam redemisti mundum.

Christus ist unter der Last des Kreuzes erneut zu Boden gestürzt. Neugierig beobachtet die Menge, ob er wohl noch die Kraft hat, noch einmal aufzustehen.

Der hl. Paulus schreibt: "Er war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, wie Gott zu sein, sondern entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich. Sein Leben war das eines Menschen; er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod am Kreuz" (Phil 2,68).

Wenn Jesus zum dritten Mal fällt, scheint genau das zum Ausdruck zu kommen: die Entäußerung, die kenosis des Gottessohnes, die Erniedrigung unter dem Kreuz.

Eben erst hatte Jesus zu den Jüngern gesagt, er sei nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen (vgl. Mt 20,28).

Als er sich im Abendmahlssaal niederbeugte und ihnen die Füße wusch, wollte er sie gleichsam an seine Erniedrigung gewöhnen.

Als er auf dem Kreuzweg zum dritten Mal hinfällt, ruft er uns noch mit lauter Stimme sein Geheimnis zu. Hören wir auf seine Stimme!

Dieser Verurteilte, der nun nahe der Hinrichtungsstätte unter der Last des Kreuzes am Boden liegt, sagt uns: "Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben" (Joh 14,6). "Wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis umhergehen, sondern wird das Licht des Lebens haben" (Joh 8,12).

Der Anblick eines Verurteilten, der erschöpft unter dem Kreuz zusammenbricht, soll uns nicht mit Entsetzen erfüllen. Diese äußere Anzeichen, daß der Tod naht, birgt in sich das Licht des Lebens.

GEBET

Herr Jesus Christus, durch deine Erniedrigung unter dem Kreuz hast du der Welt den Preis für ihre Erlösung offenbart. Schenke den Menschen des dritten Jahrtausends das Licht des Glaubens, damit sie in dir den leidenden Knecht Gottes und des Menschen erkennen und den Mut aufbringen, sich ebenso auf den Weg des Kreuzes und der Entäußerung zu begeben, um das Leben zu erlangen, das kein Ende hat. Dir, o Jesus, dem Halt unserer Schwachheit, sei Lob und Ehre in Ewigkeit. Amen.

Alle:

Pater noster, qui es in cælis: sanctificetur nomen tuum; adveniat regnum tuum; fiat voluntas tua, sicut in cælo, et in terra. Panem nostrum cotidianum da nobis hodie; et dimitte nobis debita nostra, sicut et nos dimittimus debitoribus nostris; et ne nos inducas in tentationem; sed libera nos a malo.

Eia, Mater, fons amoris, me sentire vim doloris fac, ut tecum lugeam.

ZEHNTE STATION: Jesus wird seiner Kleider beraubt und mit Essig und Galle getränkt

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Adoramus te, Christe, et benedicimus tibi.

Quia per sanctam crucem tuam redemisti mundum.

"Als er davon gekostet hatte, wollte er nicht trinken" (Mt 27,34). Er wollte keine Betäubungsmittel, die ihm während des Todeskampfes das Bewußtsein trüben sollten. Er wollte seinen Todeskampf am Kreuz bewußt durchstehen und so den Auftrag erfüllen, den er vom Vater erhalten hatte.

Das stand im Gegensatz zu den Methoden, die von den mit der Hinrichtung beauftragten Soldaten gewöhnlich angewandt wurden. Während sie den Verurteilten an das Kreuz nageln mußten, versuchten sie, sein Empfindungsvermögen und sein Bewußtsein zu betäuben. Im Falle Christi konnte das nicht aufgehen. Jesus weiß, daß sein Kreuzestod ein Sühneopfer sein soll. Deshalb will er bis zum Ende bei wachem Bewußtsein bleiben. Ohne Bewußtsein könnte er nicht in völliger Freiheit das volle Ausmaß des Leidens annehmen.

Er muß das Kreuz besteigen, um das Opfer des Neuen Bundes darzubringen.

Er ist Priester. Er muß durch sein eigenes Blut in die ewige Heimstatt eintreten, nachdem er die Erlösung der Welt bewirkt hat (vgl. Hebr 9,12).

Bewußtsein und Freiheit: das sind die unabdingbaren Attribute eines Handelns, das im vollen Sinn menschlich ist.

Die Welt kennt viele Mittel, um den Willen zu schwächen und das Bewußtsein einzuschränken. Das Bewußtsein und die Freiheit müssen gegen alle Formen der Gewalt verteidigt werden. Selbst das berechtigte Bemühen, den Schmerz zu lindern, muß immer in der Achtung vor der menschlichen Würde erfolgen.

Man muß das Opfer Christi in seiner ganzen Tiefe begreifen, es gilt, sich ihm anzuschließen, um nicht nachzugeben, um nicht zuzulassen, daß das Leben und der Tod ihren Wert verlieren.

GEBET

Herr Jesus Christus, du hast dich ganz hingegeben und den Kreuzestod um unserer Rettung willen angenommen. Laß uns und alle Menschen der Welt teilhaben an deinem Opfer am Kreuz, damit unser Leben und Handeln die Gestalt einer freien und bewußten Teilnahme an deinem Heilswerk annehmen. Dir, o Jesus, dem Priester und Opfer, sei Ehre und Lob in Ewigkeit. Amen.

Alle:

Pater noster, qui es in cælis: sanctificetur nomen tuum; adveniat regnum tuum; fiat voluntas tua, sicut in cælo, et in terra. Panem nostrum cotidianum da nobis hodie; et dimitte nobis debita nostra, sicut et nos dimittimus debitoribus nostris; et ne nos inducas in tentationem; sed libera nos a malo.

Fac ut ardeat cor meum in amando Christum Deum, ut sibi complaceam.

ELFTE STATION: Jesus wird ans Kreuz genagelt

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Adoramus te, Christe, et benedicimus tibi.

Quia per sanctam crucem tuam redemisti mundum.

"Sie durchbohren mir Hände und Füße. Man kann all meine Knochen zählen" (Ps 22, 1718). Die Worte des Propheten erfüllen sich.

Die Hinrichtung beginnt.

Die Schläge der Folterknechte drücken die Hände und Füße des Verurteilten gegen das Holz des Kreuzes. Brutal werden die Nägel in die Handwurzel hineingetrieben. Jene Nägel werden den Verurteilten unter den unsäglichen Qualen des Todeskampfes aufgehängt halten.

Christus leidet unsagbar an seinem Leib und an seiner Seele, die so feinfühlig ist.

Mit ihm zusammen werden zwei tatsächliche Verbrecher gekreuzigt, einer zu seiner Rechten und der andere zu seiner Linken. Damit erfüllt sich die Prophezeiung: "Er ließ sich unter die Verbrecher rechnen" (Jes 53,12).

Als die Folterknechte das Kreuz aufrichten, beginnt der Todeskampf, der drei Stunden dauern wird. Auch dieses Wort muß sich erfüllen: "Wenn ich über die Erde erhöht bin, werde ich alle zu mir ziehen" (Joh 12,32).

Was ist an diesem Verurteilten im Todeskampf am Kreuz "anziehend"? Das Bild eines solch harten Leidens erregt sicher Mitleid. Aber Mitleid reicht nicht aus, um uns dazu zu bringen, das eigene Leben an den zu binden, der am Kreuz hängt.

Wie ist es zu erklären, daß Generation für Generation dieser schreckliche Anblick unzählige Scharen von Menschen angezogen hat, die das Kreuz zum Merkmal ihres Glaubens gemacht haben? Männer und Frauen, die Jahrhunderte hindurch mit dem Blick auf dieses Zeichen gelebt und das Leben hingegeben haben?

Vom Kreuz herab zieht Christus sie mit der Macht der Liebe an, der göttlichen Liebe, die sich der völligen Selbsthingabe nicht entzogen hat; der unendlichen Liebe, die am Stamm des Kreuzes die Last des Leibes Christi über die Erde erhöht hat, um die Last der alten Schuld auszugleichen; der unbegrenzten Liebe, die jedes Fehlen von Liebe aufgefüllt hat und den Menschen aufs neue in den Armen des barmherzigen Vaters Zuflucht finden ließ.

Christus, du am Kreuz Erhöhter, ziehe auch uns, Männer und Frauen des neuen Jahrtausends, an dich! Im Schatten des Kreuzes "wandeln wir in der Liebe, weil auch Christus uns geliebt und sich für uns hingegeben hat als Gabe und als Opfer, das Gott gefällt" (vgl. Eph 5,2).

GEBET

Erhöhter Christus, gekreuzigte Liebe, erfülle unsere Herzen mit deiner Liebe, damit wir in deinem Kreuz das Zeichen unserer Erlösung erkennen und, angezogen von deinen Wunden, mit dir leben und sterben. Der du mit dem Vater und dem Heiligen Geist lebst und herrschest heute und in Ewigkeit. Amen.

Alle:

Pater noster, qui es in cælis: sanctificetur nomen tuum; adveniat regnum tuum; fiat voluntas tua, sicut in cælo, et in terra. Panem nostrum cotidianum da nobis hodie; et dimitte nobis debita nostra, sicut et nos dimittimus debitoribus nostris; et ne nos inducas in tentationem; sed libera nos a malo.

Sancta Mater, istud agas, Crucifixi fige plagas, cordi meo valide.

ZWÖFTE STATION: Jesus stirbt am Kreuz

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Adoramus te, Christe, et benedicimus tibi.

Quia per sanctam crucem tuam redemisti mundum.

"Vater , vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun" (Lk 23,34). Auf dem Höhepunkt seines Leidens vergißt Christus den Menschen nicht; er vergißt vor allem jene nicht, die Ursache seines Leidens sind. Er weiß, daß der Mensch mehr als alles andere Liebe braucht; daß er die Barmherzigkeit braucht, die sich in diesem Augenblick über die Welt ausbreitet.

"Amen, ich sage dir: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein" (Lk 23,43).

So antwortet Jesus auf die Bitte des Verbrechers, der zu seiner Rechten hängt: "Jesus, denk an mich, wenn du in dein Reich kommst" (Lk 23,42).

Die Verheißung eines neuen Lebens. Das ist die erste Frucht des Leidens und des bevorstehenden Todes Christi. Ein Wort der Hoffnung an den Menschen.

Zu Füßen des Kreuzes stand seine Mutter, und neben ihr der Jünger, Johannes der Evangelist. Jesus sagt: "Frau, siehe dein Sohn!", und zu dem Jünger: "Siehe, deine Mutter" (Joh 19,26f).

"Und von jener Stunde an nahm sie der Jünger zu sich" (Joh 19,27). Das ist sein Testament für die Personen, die seinem Herzen am nächsten stehen. Das Testament für die Kirche.

Der sterbende Jesus will, daß die mütterliche Liebe Marias alle umfange, für die er sein Leben hingibt. Es ist die ganze Menschheit.

Danach ruft Jesus: "Mich dürstet" (Joh 19,28). An diesem Wort läßt sich der schreckliche Durst erahnen, der seinen ganzen Leib ausbrennt.

Dieses Wort ist die einzige direkte Äußerung über sein physisches Leiden.

Dann fügt Jesus hinzu: "Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?" (Mt 27,46; vgl. Ps 22,2). Jesus betet mit Worten des Psalmes. Trotz seines Grundtons unterstreicht dieser Satz die tiefe Einheit Jesu mit dem Vater. In den letzten Augenblicken seines irdischen Lebens wendet sich Jesus an den Vater. Nun soll sich der Dialog nur zwischen dem sterbenden Sohn und dem Vater vollziehen, der sein Liebesopfer annimmt.

Als die neunte Stunde gekommen ist, ruft Jesus laut: "Es ist vollbracht!" (Joh 19,30). Das Erlösungswerk, es ist damit vollbracht.

Die Sendung, für die er auf die Erde gekommen ist, hat ihr Ziel erreicht.

Alles Weitere kommt dem Vater zu:

"Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist" (Lk 23.46).

Nach diesen Worten verschied er.

"Da riß der Vorhang im Tempel von oben bis unten entzwei" (Mt 27,51).

Das "Allerheiligste" im Tempel von Jerusalem wird in dem Augenblick geöffnet, in dem der Priester des Neuen und Ewigen Bundes dort eintritt.

GEBET

Herr Jesus Christus, du bist in der Stunde des Todeskampfes dem Schicksal des Menschen gegenüber nicht gleichgültig geblieben und hast zugleich mit deinem letzten Atemzug die Männer und Frauen aller Zeiten mit ihren Schwächen und Sünden liebevoll dem Erbarmen des Vaters anvertraut. Erfülle uns und die künftigen Generationen mit deinem Geist der Liebe, damit unsere Gleichgültigkeit nicht in uns die Früchte zunichte mache, die dein Tod hervorgebracht haben. Dir, gekreuzigter Herr Jesus Christus, Gottes Kraft und Weisheit, sei Ehre und Lob in Ewigkeit. Amen.

Alle:

Pater noster, qui es in cælis: sanctificetur nomen tuum; adveniat regnum tuum; fiat voluntas tua, sicut in cælo, et in terra. Panem nostrum cotidianum da nobis hodie; et dimitte nobis debita nostra, sicut et nos dimittimus debitoribus nostris; et ne nos inducas in tentationem; sed libera nos a malo.

Vidit suum dulcem Natum morientem desolatum dum emisit spiritum.

DREIZEHNTE STATION: Jesus wird vom Kreuz abgenommen und seiner Mutter übergeben

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Adoramus te, Christe, et benedicimus tibi.

Quia per sanctam crucem tuam redemisti mundum.

O quam tristis et afflicta Fuit illa benedicta Mater Unigeniti.

Sie haben den Leichnam des Sohnes in die Hände der Mutter zurückgelegt. Die Evangelien sprechen nicht darüber, was sie in jenem Augenblick empfunden hat.

Es ist, als wollten die Evangelisten den Schmerz der Mutter, ihre Gefühle und ihre Erinnerungen durch Schweigen respektieren. Oder als hielten sie sich für außerstande, diese Gefühle auszudrücken.

Allein die jahrhundertealte Verehrung vermochte das Bild der "Pietà" zu bewahren. So hat sich im Gedächtnis des christlichen Volkes der schmerzlichste Ausdruck für jenes unaussprechliche Liebesband eingeprägt, das im Herzen der Mutter am Tag der Verkündigung erblüht und in der Erwartung der Geburt des göttlichen Sohnes gereift war.

Offenbar geworden ist jene Liebe in der Grotte von Betlehem, auf die Probe gestellt wurde sie schon bei der Darstellung im Tempel; sie vertiefte sich angesichts der Ereignisse, die Maria in ihrem Herzen bewahrte und bedachte (vgl. Lk 2,51). Nun muß sich dieses innige Liebesband zu einer Verbundenheit wandeln, welche die Grenzen von Leben und Tod überwindet.

So wird es all die Jahrhunderte hindurch sein: die Menschen halten inne vor der Statue von Michelangelos Pietà; sie beugen das Knie vor dem Bild der Wohltätigen Muttergottes (Smetna Dobrodziejka) in der Franziskanerkirche in Krakau, vor der Mutter der Sieben Schmerzen, der Patronin der Slowakei, sie verehren die Addolorata, die Schmerzensmutter, in unzähligen Heiligtümern überall auf der Welt.

So lernen sie die anspruchsvolle Liebe kennen, die vor dem Leiden nicht flieht, sondern sich vertrauensvoll der Zärtlichkeit Gottes überläßt, für den nichts unmöglich ist (vgl. Lk 1, 37).

GEBET

Salve, Regina, Mater misericordiae; vita dulcedo et spes nostra, salve. Ad te clamamus... Illos tuos misericordes oculos ad nos converte et Iesum, benedictum fructum ventris tui, nobis post exilium ostende.

Erwirke für uns die Gnade des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe, damit auch wir, wie du, unter dem Kreuz treu zu bleiben vermögen bis zum letzten Atemzug. Deinem Sohn, unserem Herrn Jesus Christus, der unser Erlöser ist, sei mit dem Vater und dem Heiligen Geist Lob und Ehre in Ewigkeit. Amen.

Alle:

Pater noster, qui es in cælis: sanctificetur nomen tuum; adveniat regnum tuum; fiat voluntas tua, sicut in cælo, et in terra. Panem nostrum cotidianum da nobis hodie; et dimitte nobis debita nostra, sicut et nos dimittimus debitoribus nostris; et ne nos inducas in tentationem; sed libera nos a malo.

Fac me vere tecum flere, Crucifixo condolere, donec ego vixero.

VIERZEHNTE STATION: Der Leichnam Jesu wird ins Grab gelegt

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Adoramus te, Christe, et benedicimus tibi.

Quia per sanctam crucem tuam redemisti mundum.

"Gekreuzigt, gestorben und begraben...".

Der Leichnam Christi wurde in das Grab gelegt. Der Stein vor dem Grab bedeutet freilich nicht die endgültige Besiegelung seines Werkes.

Das letzte Wort gehört nicht der Lüge, dem Haß und der Unterdrückung.

Das letzte Wort wird die Liebe sprechen, die stärker ist als der Tod.

"Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht" (Joh 12,24).

Das Grab ist die letzte Station des Sterbens Christi im Verlauf seines gesamten Erdenlebens; das Zeichen seines höchsten Opfers für uns zu unserem Heil.

Schon bald soll dieses Grab zur ersten Verkündigung des Lobpreises für den Gottessohn in der Herrlichkeit des Vaters werden.

"Gekreuzigt, gestorben und begraben [...], am dritten Tage auferstanden von den Toten".

Mit der Grablegung des Leichnams Jesu zu Füßen des Hügels Golgota beginnt die Kirche die Wache des Karsamstags. Maria bewahrt das Leiden des Sohnes in ihrem Herzen und denkt darüber nach; die Frauen verabreden sich für den Morgen des nächsten Tages, um den Leichnam Christi mit wohlriechenden Ölen zu salben; die Jünger halten sich in der Verborgenheit des Abendmahlssaales auf, bis der Sabbat vergangen ist.

Diese Wache wird mit der Begegnung am Grab enden, am leeren Grab des Erlösers. Jetzt wird das Grab sprechen als stummer Zeuge der Auferstehung. Den weggewälzten Stein, die Leere im Inneren, die Leinenbinden am Boden, das wird Johannes sehen, als er mit Petrus zum Grab kommt: "Er sah und glaubte" (Joh 20,8).

Und mit ihm glaubte die Kirche, die von jenem Augenblick an nicht müde wird, der Welt diese grundlegende Wahrheit ihres Glaubens zu künden: "Christus ist von den Toten auferweckt worden als der Erste der Entschlafenen (1 Kor 15,20).

Das leere Grab ist Zeichen für den endgültigen Sieg der Wahrheit über die Lüge, des Guten über das Böse, der Barmherzigkeit über die Sünde, des Lebens über den Tod. Das leere Grab ist Zeichen der Hoffnung, die "nicht zugrunde gehen läßt" (Röm 5,5). "Unsere Hoffnung ist ganz auf Unvergänglichkeit gerichtet" (vgl. Weish 3,4).

GEBET

Herr Jesus Christus, du bist vom Vater kraft des Heiligen Geistes aus der Finsternis des Todes zum Licht eines neuen Lebens in Herrlichkeit geführt worden. Laß das Zeichen des leeren Grabes zu uns und zu den kommenden Generationen sprechen und zur Quelle lebendigen Glaubens, hochherziger Liebe und unerschütterlicher Hoffnung werden. Dir, o Jesus, verborgene und siegreiche Gegenwart in der Weltgeschichte, sei Lob und Ehre in Ewigkeit. Amen.

Alle:

Pater noster, qui es in cælis: sanctificetur nomen tuum; adveniat regnum tuum; fiat voluntas tua, sicut in cælo, et in terra. Panem nostrum cotidianum da nobis hodie; et dimitte nobis debita nostra, sicut et nos dimittimus debitoribus nostris; et ne nos inducas in tentationem; sed libera nos a malo.

Quando corpus morietur fac ut animæ donetur paradisi gloria. Amen.


Der Hl. Vater richtet sich an die Anwesenden.

Nach seiner Ansprache erteilt er den Apostolischen Segen:

V. Dominus vobiscum.

R. Et cum spiritu tuo.

V. Sit nomen Domini benedictum.

R. Ex hoc nunc et usque in sæculum.

V. Adiutorium nostrum in nomine Domini.

R. Qui fecit cælum et terram.

V. Benedicat vos omnipotens Deus, Pater, et Filius, et Spiritus Sanctus.

R. Amen.