Konzerte in Kirchen (1987)

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Rundschreiben
Konzerte in Kirchen

Kongregation für den Gottesdienst
im Pontifikat von Papst
Johannes Paul II.
an die Vorsitzenden der Bischofskonferenzen
5. November 1987

(Quelle: DBK: Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 81; auch in: DAS 1987, S. 2120-2126).
Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


I. Musik in Kirchen außerhalb von Liturgiefeiern

1. Interesse für die Musik ist eine charakteristische Ausdrucksform unserer zeitgenössischen Kultur. Dadurch, daß die klassischen Musikwerke mit Hilfe von Radio, Fernsehen, Schallplatten, Kassetten usw. leicht auch zu Hause angehört werden können, hat die Beliebtheit von Konzertaufführungen noch zugenommen. Das ist ein positives Zeichen: tragen doch Musik und Gesang viel zu geistiger Erhebung bei.

Die wachsende Zahl von Konzertaufführungen hat in letzter Zeit in einigen Ländern zur Folge gehabt, daß häufig auch Kirchen zur Aufführung benutzt wurden. Die dafür angegebenen Gründe sind verschiedener Art. Zunächst die Notwendigkeit von geeigneten Räumen, die nicht leicht zu finden sind; akustische Gründe, weil hierin die Kirchen im allgemeinen den Anforderungen entsprechen; ästhetische Gründe, aus dem Wunsch, dem Konzert einen schönen Rahmen zu geben: Gründe der Angemessenheit, um vielen Kompositionen ihre ursprüngliche Heimat wiederzugeben: auch rein praktische Gründe, vor allem für Orgelkonzerte: denn in fast jeder Kirche befindet sich eine Orgel.

2. Gleichzeitig mit dieser kulturellen Entwicklung hat sich eine neue Situation in der Kirche ergeben. Die „scholae cantorum“ oder Kirchenchöre haben nicht mehr viel Gelegenheit, ihr herkömmliches Repertoire vielstimmiger Kirchenmusik innerhalb der Feier der Liturgie darzubieten.Aus diesem Grunde hat man begonnen, diese geistliche Musik in der Kirche in Form eines Konzertes aufzuführen. Dasselbe geschah mit dem gregorianischen Choral, der in die Konzertprogramme in und außerhalb der Kirche Eingang fand. Eine weitere wichtige Tatsache stellt die Initiative der „geistlichen Konzerte“ dar: Sie heißen so, weil die dort aufgeführte Musik „religiöse Musik“ genannt werden kann, weil ihr Thema ein religiöses ist oder weil ihre Texte und ihr Inhalt religiös sind. In manchen Fällen können solche geistlichen Konzerte auch Lesungen, Gebete und Momente der Stille einschließen. So gestaltete Konzerte können daher zu „kirchenmusikalischen Andachten“ werden.

3. Daß die Konzerte zunehmend in Kirchen aufgeführt werden, stellt Pfarrern und Kirchenrektoren einige Fragen, die einer Antwort bedürfen. Während eine generelle Öffnung der Gotteshäuser für Konzerte aller Art Reaktionen und Tadel von seiten vieler Gläubigen hervorruft, kann auch eine unterschiedslose Verweigerung von den Konzertveranstaltern, Musikern und Sängern mißverstanden oder mit Unmut aufgenommen werden. Es ist vor allem wichtig, auf die eigentliche Bedeutung und den Zweck der Kirchen hinzuweisen. Deshalb hält es die Kongregation für den Gottesdienst für angemessen, den Bischofskonferenzen und den nationalen Kommissionen für Liturgie und Kirchenmusik im Rahmen ihrer Kompetenz einige Punkte zur Überlegung und Interpretation der kirchenrechtlichen Normen vorzulegen, die den Gebrauch verschiedener Arten von Musik in den Kirchen betreffen: Musik oder Gesang für die Liturgie, religiös inspirierte Musik, nicht religiöse Musik.

4. In dieser Lage müssen vor allem die bereits veröffentlichten Dokumente neu gelesen werden, besonders die Konstitution über die heilige Liturgie Sacrosanctum Concilium die Instruktion Musicam Sacram vom 5. März 1967 und die Instruktion Liturgicae Instaurationes vom 5. September1970. Ferner sind die Canones 1210, 1213 und 1222 des Codex des kanonischen Rechtes (CIC) zu beachten. Im vorliegenden Schreiben geht es in erster Linie um Musikaufführungen außerhalb der liturgischen Feiern. Die Kongregation für den Gottesdienst möchte auf diese Weise den einzelnen Bischöfen helfen, gute pastorale Entscheidungen unter Berücksichtigung der jeweiligen sozio-kulturellen Verhältnisse zu treffen.

II. Punkte zur Überlegung

Wesen und Zweck der Kirchen

5. Nach der vom Rituale für Kirchen- und Altarweihe bezeugten Tradition sind die Kirchen zuallererst der Ort, an denen sich das Volk Gottes versammelt. „Dieses heilige Volk ist die Kirche. Der dreieinige Gott ist der Ursprung ihrer Einheit. Sie ist der aus lebendigen Steinen erbaute Tempel, in dem der Vater im Geist und in der Wahrheit angebetet wird. Mit Recht wird daher seit alters auch jener Bau ‚Kirche’ genannt, in dem sich die christliche Gemeinde versammelt, um das Wort Gottes zu hören, gemeinsam zu beten, die Sakramente zu empfangen und die Eucharistie zu feiern“ („Die Feier der Kirchweihe und Altarweihe“, II. Kap., Nr. 1) und diese als fortdauerndes Sakrament anzubeten. Die Kirchen dürfen deshalb nicht einfach als „öffentliche“ Räume angesehen werden, die für Versammlungen jeder Art zur Verfügung stehen. Sie sind vielmehr heilige Orte, die aufgrund ihrer Weihe oder Segnung auf Dauer für den Gottesdienst „ausgesondert“ sind. Als sichtbare Gebäude sind die Kirchen Zeichen für die auf Erden pilgernde Kirche; sie sind Bilder, die das himmlische Jerusalem ankündigen, und Stätten, an denen schon hier auf Erden das Geheimnis der Gemeinschaft zwischen Gott und den Menschen Wirklichkeit wird. Ob in der Stadt oder auf dem Land, die Kirche bleibt immer das Haus Gottes, das Zeichen seiner Wohnung unter den Menschen. Als solche bleibt sie heiliger Ort, auch wenn in ihr kein Gottesdienst gehalten wird.

In einer von Hektik und Lärm geplagten Gesellschaft sind die Kirchen vor allem in den großen Städten auch geeignete Orte dafür, daß die Menschen in Stille oder Gebet den Frieden des Geistes oder das Licht des Glaubens finden. Dies wird nur dann möglich sein, wenn die Kirchen das bleiben, was sie sind. Wenn sie zu anderen, ihnen fremden Zwecken verwendet werden, dann sind sie in der Gefahr, nicht mehr ein Zeichen für die Gegenwart Gottes unter den Menschen zu sein; damit wären sie weniger fähig, ihren Beitrag zur Entfaltung des Glaubenslebens zu leisten, und das Volk Gottes würde in seiner Ehrfurchtshaltung Schaden leiden. So mahnt das Wort des Herrn: „Mein Haus soll ein Haus des Gebetes sein!“ (Lk 19,46).

Bedeutung der Kirchenmusik

6. Die Kirchenmusik (musica sacra), sei sie vokal oder instrumental, verdient besondere positive Hervorhebung. Wir verstehen darunter „jene für den Gottesdienst geschaffene Musik, der Heiligkeit und Güte der Formen eigen ist“ (MS, n. 4a). Die Kirche betrachtet sie als „einen Reichtum von unschätzbarem Wert, ausgezeichnet unter allen übrigen künstlerischen Ausdrucksformen“; sie erkennt ihr eine „dienende Aufgabe im Gottesdienst“ zu (vgl. SC, n. 112); sie empfiehlt, daß „der Schatz der Kirchenmusik mit größter Sorge bewahrt und gepflegt werde“ (vgl. SC, n. 114). Wenn die Kirchenmusik innerhalb eines Gottesdienstes aufgeführt wird, soll sie sich an dessen Eigenart anpassen. Dies verpflichtet nicht selten dazu, den Gebrauch von Werken einzuschränken, die aus einer Zeit stammen, in der die tätige Teilnahme der Gläubigen an der Liturgie noch nicht als eine Quelle wahrhaft christlichen Geistes (vgl. SC, n. 14; Pius X., Tra le sollecitudini) angesehen wurde. Dieser Wandel bei der Aufführung der Musikstücke ist ähnlich dem, der für andere Schöpfungen der Kunst im Bereich der Liturgiefeier vorgenommen wurde: so wurden die Altarräume mit Priestersitz, Ambo und Altar „versus populum“ neugestaltet. Das bedeutete nicht Verachtung der Vergangenheit, sondern geschah um eines wichtigeren Zieles willen: der tätigen Teilnahme der Versammlung. Wenn damit nun manche Musikwerke in der liturgischen Feier nur beschränkt Verwendung finden, so können sie doch außerhalb des Gottesdienstes in kirchenmusikalischen Konzerten als ganzes dargeboten werden. Die Orgel

7. Die Verwendung der Orgel allein beschränkt sich heute in der Liturgie auf wenige Gelegenheiten. Früher ersetzte die Orgel die aktive Beteiligung der Gläubigen und brachte diese manchmal in die Rolle des „stummen und untätigen Zuschauers“ der Feier (vgl. Pius XI., Divini Cultus, n. 9). Die Orgel kann den Gesang der Gemeinde und auch der Schola begleiten und unterstützen. Doch soll der Klang der Orgel nicht die Gebete und Gesänge des Priesters und auch nicht die vom Lektor oder Diakon vorgetragenen Lesungen überdecken.

Das Schweigen der Orgel soll entsprechend der Überlieferung in den Bußzeiten (Fastenzeit und Karwoche), im Advent und bei der Totenliturgie beibehalten werden. Lediglich das Begleiten der Gesänge ist dann erlaubt. Zur Vorbereitung auf die Gottesdienste und zu deren Abschluß ist auch längeres Orgelspiel angebracht. Es ist sehr wichtig, daß in allen Kirchen, vor allem aber in den bedeutenderen, ausgebildete Musiker und Musikinstrumente von Qualität zur Verfügung stehen. Besondere Sorge gelte den historischen Orgeln, die wegen ihrer Eigenschaften wertvoll bleiben.

III. Praktische Bestimmungen

8. Die Ordnung, die die Benutzung der Kirchen regeln soll, stützt sich auf Can. 1210 des Codex luris Canonici. Er lautet: „An einem heiligen Ort darf nur das zugelassen werden, was der Ausübung oder Förderung von Gottesdienst, Frömmigkeit und Gottesverehrung dient, und ist das verboten, was mit der Heiligkeit des Ortes unvereinbar ist. Der Ordinarius kann aber im Einzelfall einen anderen, der Heiligkeit des Ortes jedoch nicht entgegenstehenden Gebrauch gestatten.“

Der Grundsatz, daß der Benutzungszweck nicht der Heiligkeit des Ortes entgegengesetzt sein darf, bestimmt das Kriterium, nach dem Kirchen für Konzerte mit kirchenmusikalischen und religiösen Darbietungen offenstehen sollen, während sie für jede Art anderer Musik verschlossen bleiben müssen. So ist z.B. die allerschönste symphonische Musik nicht von sich aus religiös. Es muß vielmehr aus der ursprünglichen Bestimmung und dem Inhalt der Musikstücke und Gesänge klar hervorgehen, daß sie so bezeichnet werden können. Es ist nicht legitim, in einer Kirche Musik aufzuführen, die nicht religiös inspiriert ist, sondern komponiert wurde, um in bestimmten profanen Zusammenhängen aufgeführt zu werden, mag es sich dabei um klassische oder zeitgenössische, um gehobene oder volkstümliche Musik handeln. Es würde nämlich so keine Rücksicht genommen auf den sakralen Charakter der Kirche noch auf das Musikstück selbst, das in einer ihm nicht entsprechenden Umgebung aufgeführt würde. Der kirchlichen Autorität obliegt es, ihre Vollmachten an den heiligen Orten frei auszuüben (vgl. Can. 1213) und folglich auch die Benutzung der Kirchen unter Wahrung ihres sakralen Charakters zu regeln.

9. Kirchenmusik, die für die Liturgie komponiert wurde, aber aus den erwähnten Gründen nicht mehr beim Gottesdienst verwendet werden kann, und religiöse Musik überhaupt, die sich an Texten der heiligen Schrift und der Liturgie inspiriert oder auf Gott, die Jungfrau Maria, die Heiligen und die Kirche verweist, können ihren Platz in der Kirche haben, jedoch außerhalb der liturgischen Feiern. Der Klang der Orgel sowie andere gesangliche und instrumentale Darbietungen können der Frömmigkeit oder Religion dienen und sie fördern. Solche Aufführungen außerhalb des Gottesdienstes sind besonders geeignet:

a) um auf die wichtigen liturgischen Feste einzustimmen oder ihnen auch außerhalb des Gottesdienstes größere Festlichkeit zu verleihen;

b) um den besonderen Charakter der verschiedenen liturgischen Zeiten zu unterstreichen;

c) um in den Kirchen eine Atmosphäre der Schönheit und Besinnung zu schaffen, die auch bei den der Kirche Fernstehenden die Hinneigung zu geistlichen Dingen fördert;

d) um eine Umgebung zu schaffen, die die Verkündigung des Wortes Gottes und seine Aufnahme erleichtert, z.B. um eine fortlaufende Evangelienlesung zu begleiten;

e) um die großen Schätze der Kirchenmusik, die nicht verlorengehen dürfen, am Leben zu erhalten: liturgische Kompositionen und Gesänge, die heute nicht mehr leicht und als ganze in der Liturgie Eingang finden können, wie auch geistliche Musik, wie Oratorien und Kantaten, die auch weiterhin geistliche Bereicherung vermitteln;

f) um den Kirchenbesuchern und Touristen zu helfen, den sakralen Charakter der Kirche besser zu verstehen: z.B. durch Orgelkonzerte, die zu bestimmten Zeiten gegeben werden.

10. Wenn jedoch Konzertveranstalter den Wunsch äußern, ein Konzert in einer Kirche aufzuführen, kommt es dem Ortsbischof zu, „per modum actus“ die Genehmigung zu erteilen oder sie zu verweigern. Die Erlaubnis gilt nur für einen bestimmten Termin. Daher ist eine kumulative Genehmigung, etwa für die Dauer eines Festivals oder eine Reihe von Konzerten, ausgeschlossen. Hält es der Ordinarius für nötig, so kann er unter den vom Kirchenrecht in Can. 1222 § 2 vorgesehenen Bedingungen eine Kirche, die nicht mehr zum Gottesdienst verwendet wird, für die Aufführung sakraler oder religiöser Musik bestimmen und dort auch die Aufführung profaner Musik gestatten, vorausgesetzt, daß sie mit der Heiligkeit des Ortes in Einklang steht. Bei dieser pastoralen Aufgabe soll dem Ordinarius die Diözesankommission für Liturgie und Kirchenmusik beratend zur Seite stehen.

Zum Schutz des sakralen Charakters der Kirche achte man bei der Genehmigung von Konzerten auf folgende Bedingungen, die der Ortsordinarius näher bestimmen kann:

a) Die Veranstalter müssen den Antrag auf Benutzung einer Kirche rechtzeitig in schriftlicher Form beim Ortsordinarius einreichen. Datum, Zeit und Programm mit Werken und Namen der Urheber sind anzugeben.

b) Nachdem die zuständigen Pfarrer oder Kirchenrektoren vom Ordinarius die Genehmigung erhalten haben, können sie den Chören und Orchestern, die die oben genannten Bedingungen erfüllen, die Benutzung gestatten.

c) Der Eintritt in die Kirche muß frei und unentgeltlich sein.

d) Die Ausführenden und Zuhörer sollen in Kleidung und Betragen auf den sakralen Charakter des Gotteshauses Rücksicht nehmen.

e) Musiker und Sänger sollen möglichst nicht im Altarraum Platz nehmen. Ehrfurcht gegenüber Altar, Ambo und Priestersitz muß gewahrt werden.

f) Das Allerheiligste soll nach Möglichkeit in einer Seitenkapelle oder an einem anderen sicheren und geziemenden Platz aufbewahrt werden (vgl. Can. 938 § 4 CIC).

g) Dem Konzert kann eine Einführung vorausgehen; diese und andere während des Konzertes eventuell gegebene erklärende Worte sollen sich nicht nur auf künstlerische und geschichtliche Daten beschränken, sondern die Zuhörer auch zu besserem Verständnis und innerer Teilnahme führen.

h) Der Veranstalter des Konzerts soll schriftlich die Haftpflicht, die Deckung der Unkosten, das Aufräumen des Gebäudes und das Aufkommen für eventuelle Schäden zusichern.

11. Die vorausgehenden praktischen Bestimmungen möchten den Bischöfen und Kirchenrektoren bei ihrem pastoralen Bemühen helfen, stets den besonderen Charakter der für Gottesdienst, Gebet und Stille bestimmten Kirchen zu wahren. Diese Anordnungen dürfen deshalb nicht als mangelndes Interesse für die Kunst der Musik aufgefaßt werden. Der Schatz kirchenmusikalischer Schöpfungen bleibt ein beredtes Zeugnis dafür, wie sehr der christliche Glaube die Kultur des Menschen fördern kann. Dadurch, daß der sakralen und religiösen Musik der ihr gebührende Rang zuerkannt wird, sollen sich die christlichen Musiker und verdienten Mitglieder der „scholae cantorum“ oder Kirchenchöre ermutigt fühlen, ihre Tradition weiter zu pflegen und sie im Dienst des Glaubens lebendig zu erhalten, entsprechend der Aufforderung des Zweiten Vatikanischen Konzils in seiner Botschaft an die Künstler: „Weigert euch nicht, euer Talent in den Dienst der göttlichen Wahrheit zu stellen! Die Welt, in der wir leben, braucht das Schöne, um nicht der Verzweiflung anheimzufallen. Die Schönheit wie auch die Wahrheit senken ins Herz der Menschen die Freude. Und dies verdanken sie euren Händen“ (vgl. Vaticanum II, Botschaft an die Künstler, 8. Dezember 1965).

Rom, den 5. November 1987

Paul Augustin Card. Mayer
Präfekt
Virgilio Noé,
Titularerzbischof von Voncaria,

Sekretär