Gemeinschaftsmesse

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Als Gemeinschaftsmesse, auch „Chormesse“<ref>Philipp Harnoncourt: Art. Gemeinschaftsmesse in: Lexikon für Theologie und Kirche, 3. Aufl., Bd. 4; Adam Gottron: Singende Gemeinde. Briefe zur kirchenmusikalischen Praxis. Matthias-Grünewald-Verlag, Mainz 1935, S. 32.</ref>, bezeichnete man eine Gottesdienstform in der deutschsprachigen römisch-katholischen Liturgie, in welcher die tätige Teilnahme (Participatio actuosa) der ganzen Gottesdienstgemeinde bei der Heiligen Messe stärker betont wurde als es bis dahin üblich war. Wichtiges Instrument war die Verwendung der Volkssprache für gemeindliche Elemente der Messfeier zusätzlich und parallel zum Latein der priesterlichen Liturgie.

Entstehung und Bedeutung

Die Gemeinschaftsmesse war eines der Hauptanliegen der Liturgischen Bewegung in den 1920er- und 1930er-Jahren. Sie geht zurück auf Anregungen Romano Guardinis und der Benediktiner der Abtei Maria Laach unter Abt Ildefons Herwegen. In der Krypta von Maria Laach wurde 1913 erstmals die Heilige Messe als missa dialogata in dieser Form gefeiert. Der Klosterneuburger Augustiner-Chorherr Pius Parsch feierte ab 1922 sogenannte „Gemeinschaftsmessen“ in der Kirche St. Gertrud (Klosterneuburg), bei denen Teile der Messe vom Volk in deutscher Sprache gesungen wurden. Erste pfarrliche Gemeinschaftsmessen gab es ab 1928 in der Kölner Pfarrgemeinde St. Aposteln.<ref>Theodor Schnitzler: Art. Gemeinschaftsmesse. In: Lexikon der Pastoraltheologie. Herder-Verlag, Freiburg-Basel-Wien 1972, ISBN 3-451-16517-1 (Handbuch der Pastoraltheologie Bd. V), S. 169.</ref> Die kirchlichen Jugendverbände, besonders Quickborn, Bund Neudeutschland (ND) und Katholischer Jungmännerverband (KJMV), griffen diese Praxis auf und multiplizierten sie. Eine wichtige Funktion hatten dabei Laien-Messbücher wie der „Schott“ („Volks-Schott“) und das 1927 erstmals erschienene „Volksmessbuch“ von Urbanus Bomm<ref>P. Dr. Urbanus Bomm O.S.B.: Lateinisch-Deutsches Volksmeßbuch - das vollständige römische Messbuch für alle Tage des Jahres, mit Erklärungen und einem Choralanhang. Verlagsanstalt Benziger & Co AG., Einsiedeln/Köln 1948.</ref> sowie das 1928 von Ludwig Wolker erstmals herausgegebene Heft Kirchengebet für den Gemeinschaftsgottesdienst, das in kurzer Zeit eine weite Verbreitung über den Bereich der Jugendarbeit hinaus erfuhr.

Auch wenn die Gemeinschaftsmesse in einigen Diözesen verboten wurde, wurde sie ab 1933 eine zunehmend verbreitete Praxis.<ref>Theodor Schnitzler: Art. Gemeinschaftsmesse. In: Lexikon der Pastoraltheologie. Herder-Verlag, Freiburg-Basel-Wien 1972, ISBN 3-451-16517-1 (Handbuch der Pastoraltheologie Bd. V), S. 169.</ref> Die Bischöflichen Richtlinien zur katholischen Seelsorge von 1936 erklärten, die Gemeinschaftsmesse sei „für den Gottesdienst der Jugend kirchenamtlich geboten“.<ref>zitiert bei: Philipp Harnoncourt: Gesamtkirchliche und teilkirchliche Liturgie. Studien zum liturgischen Heiligenkalender und zum Gesang im Gottesdienst unter besonderer Berücksichtigung des deutschen Sprachgebiets. Herder Verlag, Freiburg-Basel-Wien 1974, ISBN 3-451-16742-5, S. 359.</ref> Am 24. Dezember 1943 beschied der Heilige Stuhl eine Eingabe von Adolf Kardinal Betram positiv, in der dieser für die verschiedenen Formen der Gemeinschaftsmesse in Deutschland die päpstliche Duldung beantragt hatte („benignissime toleretur“).<ref>Philipp Harnoncourt: Gesamtkirchliche und teilkirchliche Liturgie. Studien zum liturgischen Heiligenkalender und zum Gesang im Gottesdienst unter besonderer Berücksichtigung des deutschen Sprachgebiets. Herder Verlag, Freiburg-Basel-Wien 1974, ISBN 3-451-16742-5, S. 360f.</ref>

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Gemeinschaftsmesse gängige Praxis in vielen katholischen Kirchen im deutschen Sprachraum. Das Zweite Vatikanische Konzil griff diese Entwicklung in seiner Konstitution Sacrosanctum Concilium vom 4. Dezember 1963 auf, und die nachfolgende Liturgiereform von 1969 machte diese Gottesdienstformen - neben Pontifikalamt und Konventsmesse - als Gemeindemesse (Missa cum populo) zur geltenden und häufigsten Form der Messfeier in der ganzen Katholischen Kirche.

Die Messe nach dem „Tridentinischen Ritus“

Die vorgeschriebene Form war bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil die ab etwa 1965 so genannte „Tridentinische Messe“, im Kern nach dem Messbuch von 1570. Der Opfercharakter stand deutlich im Mittelpunkt. Für den "gültigen" Vollzug der Messe war wichtig, dass der Priester alle vorgeschriebenen Gebets- und Lesungstexte lateinisch vollständig rezitierte oder sang. Er "las" die Messe leise (Missa lecta „Lesemesse“). Wenn er die Akklamationen (z. B. Dominus vobiscum) sprach, antworteten nur die Ministranten (z. B. Et cum spiritu tuo). Die Gläubigen schwiegen in der "stillen Messe" (Missa secreta) oder beteten leise oder auch gemeinsam den Rosenkranz oder eine "Messandacht", die meditativ-assoziativ das Geschehen am Altar begleitete. Bei der „Singmesse“ wurden gemeinsam Lieder gesungen, in denen textlich die Zeit im Kirchenjahr und die Thematik des Messopfers anklang (etwa die verbreitete Deutsche Messe von Franz Schubert).<ref>Vgl. Thomas Labonté: Die Sammlung "Kirchenlied" (1938). Entstehung, Korpusanalyse, Rezeption. Francke Verlag, Tübingen 2008, ISBN 978-3-7720-8251-1, S. 6f.</ref> In der Missa cantata („gesungene Messe“, häufig auch „Hochamt“ genannt) sang der Priester die Akklamationen lateinisch im Wechsel mit einer Choralschola oder dem Chor oder auch der Gemeinde, an die Stelle der Gebete und Lieder der Gemeinde konnten auch Chorstücke treten. Während der Einsetzungsworte (der „Wandlung“) und der Elevation der eucharistischen Gaben von Brot und Wein, angekündigt durch ein Schellenzeichen, herrschte Stille.

Formen der Gemeinschaftsmesse

Die Gemeinschaftsmesse hatte die liturgischen Vorschriften für den gültigen Vollzug der Heiligen Messe - in der Regel die Missa lecta - zu wahren. Gleichzeitig wurde der Wunsch nach einer aktiven Teilhabe der Gottesdienstgemeinde an der Messe im „Geist der Liturgie“ (nach einer bekannten, 1918 erschienenen Schrift von Romano Guardini) verwirklicht. Ziel war „das Ideal der einheitlichen Gemeinde des Wortes und Mahles Christi“ und „die Gläubigen durch engen Anschluß an die Texte des Priesters näher auch an seine Feier heranzuführen und ... in den unmittelbaren Bezug einer einheitlichen Handlung zu bringen“.<ref>Ludwig A. Winterswyl und Felix Messerschmid: Die Gemeindegesänge der heiligen Messe. Werkbund-Verlag, Würzburg 1940, S. 2.</ref>

Grundform

Bei der Gemeinschaftsmesse wurden die Messtexte, die der Priester am Altar weiterhin leise lateinisch rezitierte, auf deutsch vorgetragen oder gesprochen. Dafür wurden verschiedene liturgische „Rollen“ akzentuiert:

  • Der Lektor las die Epistel und das Evangelium, nachdem der Priester die einleitende Akklamation dazu gesprochen hatte. Der Priester sprach Epistel und Evangelium gleichzeitig leise lateinisch.
  • Der Vorbeter fungierte als „Stimmführer“ der Gemeinde und stimmte die gemeinsam gesprochenen Texte (Gloria, Credo, Sanctus, Vaterunser, Agnus Dei) an, bei anderen Teilen der heiligen Messe war er gewissermaßen „Dolmetscher des Priesters“ und sprach die Orationen und die Präfation parallel zum leisen Beten des Priesters laut auf deutsch.
  • Die Schola konnte die Propriumstexte sprechen oder singen, wenn an der Stelle kein Gemeindelied gesungen wurde.

Im unmittelbaren Wechselbezug mit dem Priester sprach die ganze Gemeinde meist das Kyrie auf griechisch und die Akklamationen auf lateinisch.<ref>Prälat Ludwig Wolker: Kirchengebet für den Gemeindegesang. Christophorus-Verlag, Freiburg im Breisgau, Berlin und Düsseldorf 1949, S. 1ff.</ref>

Betsingmesse

In der Betsingmesse wurden Gemeindelieder gesungen, doch folgte sie der Struktur und den Texten der heiligen Messe stärker als die geläufige „Singmesse“. Zunächst wurden Teile des Propriums in der Form deutscher Lieder gesungen, und zwar zum Einzug und während der Priester das Stufengebet sprach, bei der Opferbereitung, während der Kommunionausteilung und zum Schluss. Die Texte des Ordinariums wurden wie in der Grundform im Wechsel zwischen Vorbeter und Gemeinde gesprochen. Auch für das Ordinarium wurden zunehmend deutsche Gesangsformen entwickelt<ref>Ludwig A. Winterswyl und Felix Messerschmid legten 1940 zwei „Gemeindesingmessen“ vor (Ludwig A. Winterswyl und Felix Messerschmid: Die Gemeindegesänge der heiligen Messe. Werkbund-Verlag, Würzburg 1940).</ref> oder Lieder bestimmt. Gleichzeitig wurden alle Texte jedoch nach wie vor auf Latein vom Priester gesprochen. Die Doppelgleisigkeit von priesterlichem und gemeindlichem Handeln wurde noch nicht überwunden.<ref> Hans Bernhard Meyer: Eucharistie. Geschichte, Theologie, Pastoral Regensburg: Pustet 1989 (Der Gottesdienst der Kirche, Band 4), S. 283</ref>

Missa recitata

Eine Sonderform war die Missa recitata („Rezitierte Messe“), bei der alle Ordinariumstexte und das Pater noster mit dem Priester auf griechisch bzw. lateinisch gesprochen wurden. Diese Form erforderte eine geschulte Gemeinschaft und wurde etwa bei Messfeiern von Jugendverbänden wie Quickborn und Bund Neudeutschland praktiziert, deren Mitgliederschaft sich aus Gymnasiasten rekrutierte.<ref>Prälat Ludwig Wolker: Kirchengebet für den Gemeindegesang. Christophorus-Verlag, Freiburg im Breisgau, Berlin und Düsseldorf 1949, S. 5.</ref> Ähnlich wurden im Volkschoralamt, der Messfeier mit Gregorianischem Choral, Ordinarium, Pater noster und Akklamationen von allen gesungen, das Proprium von der Choralschola.

Deutscher Einheitstext

Die deutsche Textgrundlage für die gemeinsam zu sprechenden Teile der Heiligen Messe war der 1928 erarbeitete Deutsche Einheitstext, der in der Ausgabe von 1930 des von Ludwig Wolker herausgegeben Gebetbuchs Kirchengebet erstmals veröffentlicht wurde und bis Mai 1971 der gültige deutsche Einheitstext für den Ordo Missae und den Kanon der deutschen Messe blieb, bis er zugunsten von ökumenisch angeglichenen Texten teilweise verändert wurde.<ref>Adam Gottron: Singende Gemeinde. Briefe zur kirchenmusikalischen Praxis. Matthias-Grünewald-Verlag, Mainz 1935, S. 32; Philipp Harnoncourt: Gesamtkirchliche und teilkirchliche Liturgie. Studien zum liturgischen Heiligenkalender und zum Gesang im Gottesdienst unter besonderer Berücksichtigung des deutschen Sprachgebiets. Herder Verlag, Freiburg-Basel-Wien 1974, ISBN 3-451-16742-5, S. 392.</ref>

Kritik

Der Liturgiewissenschaftler Klaus Gamber sieht die Gemeindemesse auch kritisch. Er schreibt, die Messe sei "jedoch in erster Linie nicht ein Dialog zwischen Priester und Gemeinde, sondern die Feier des Opfers der Kirche." Die Gemeinschaftsmesse habe "die eigentlich kultischen Elemente, die zu einer Opferfeier gehören, verkümmern lassen, vor allem die Feierlichkeit und die künstlerische Pracht, mit der man von der Frühzeit an die heilige Handlung umgeben hat. Es gab nun keine Höhepunkte mehr: vom Stufengebet bis zum Schlusssegen war alles nivelliert. So blieb von der Messe gleichsam nur mehr der Grundriss übrig."<ref>Klaus Gamber: Probleme der Liturgiereform: in: Hans Pfeil (Hrsg.): Unwandelbares im Wandel der Zeit, 19 Abhandlungen gegen die Verunsicherung im Glauben Paul Pattloch Verlag Aschaffenburg , Band I: 1976, Zelebration nach Osten oder »versus populum«? - S. 310 (440 Seiten; ISBN 3-557-91109-8).</ref>

Literatur

Anmerkungen

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