Catechismus Romanus IV. Teil: Vom Gebet und vom Vaterunser

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Catechismus Romanus
IV. Teil: Vom Gebet und vom Vater unser

(Quelle: Das Religionsbuch der Kirche, Catechismus Romanus gemäß Beschluß des Konzils von Trient für die Seelsorger herausgegeben auf Geheiß des Papstes Pius V.. In deutscher Übersetzung herausgegeben von Dr. Michael Gatterer SJ, zweites Buch – IV Bändchen, übersetzt von Engelbert Maass S.J., Felizian Rauch Verlag Innsbruck-Leipzig 1940 (3. Auflage); Imprimatur Nr. 2417. Apostolische Administratur Innsbruck, 9. Juni 1939 Carl Lampert Provikar.; Als Vorlage zur Übersetzung diente die bei Tauchnitz, Leipzig erschienene Ausgabe des Catechismus Romanus, die genau den Text des in Rom erstmals gedruckten Originals wiedergibt. Die Gliederung in Teile und Kapitel ist ursprünglich und offiziell. Die fetten Nummern geben die Nummerierung wieder, die Andreas Fabricius, Professor der Philosophie in Löwen († 1581) erstmals einführte; sie sind nicht in allen Ausgaben gleich. Die in eckigen Klammern stehenden Zusätze sind von Dr. Michael Gatterer (außer wenn sie innerhalb gewöhnlicher Klammer stehen). Die Anmerkungen wurden bei der Digitalisierung im Text in Klammer, die Stellen der Heiligen Schrift nach den Abkürzungen der Einheitsübersetzung [Anhang] wiedergegeben); siehe: Catechismus Romanus III. Teil: Von den Geboten.

Vom Gebet

1 Unter den Amtspflichten des Seelsorgers ist kaum eine für das Wohl des gläubigen Volkes so dringend, wie die Unterweisung über das Gebetsleben des Christen. Denn Wesen und Wirksamkeit des Gebetes wird vielen unbekannt bleiben, wenn der Eifer des Hirten nicht ständig und gewissenhaft für Belehrung sorgt. Eine der wichtigsten Sorgen des Pfarrers muss daher sein, die andächtigen Zuhörer gut zu belehren, um was und wie man zu Gott beten soll.

Alle Vorzüge des für uns ganz notwendigen Gebetes enthält aber jene erhabene Formel, die wir der Güte Christi des Herrn verdanken: Er hat sie den Aposteln und durch sie und ihre Nachfolger allen Christgläubigen kundgetan. Ihr Wortlaut und Inhalt muss daher unserm Gedächtnis und Herzen so vertraut sein, dass sie uns immer zur Hand sind.

Um nun dem Seelsorger für den Gebetsunterricht der Gläubigen eine zuverlässige Anleitung zu geben, wird hier das Wichtigste vorgelegt, gesammelt aus den bewährtesten Schriften über diesen Gegenstand. Falls mehr erwünscht wäre, kann der Seelsorger aus jenen Quellen selber schöpfen.

Erstes Kapitel: Notwendigkeit des Gebetes

2 Vor allem muss das Volk über die Notwendigkeit des Gebetes belehrt werden. Das Gebet ist uns nämlich keineswegs als bloßer Rat nahegelegt, sondern als strenge Pflicht vorgeschrieben.

Das lehren klar die Worte Christi, des Herrn: »Man muss beständig beten« (Lk 18, 1). Auch die Kirche betont dieselbe Notwendigkeit in den bekannten Einleitungsworten zum Pater noster: »Durch heilsame Vorschriften gemahnt und durch göttliche Unterweisung angeleitet, wagen wir zu sprechen.« Eben wegen dieser Notwendigkeit des Gebetes für die Christen hat der Sohn Gottes den Jüngern auf ihre ausdrückliche Bitte: »Herr, lehre uns beten« (Lk 11, 1) die rechte Weise zu beten vorgelegt (Lk 11,2 ff), und damit uns zugleich die sichere Hoffnung gegeben, das Erbetene auch zu erlangen, ja, Er selbst ist uns Vorbild geworden, da Er das Gebet nicht nur eifrig übte, sondern sogar ganze Nächte darin verharrte. Ebenso sind später die Apostel nicht müde geworden, den zum Christentum Bekehrten immer die Gebetspflicht ans Herz zu legen. So ermahnt der hl. Petrus und der hl. Johannes die Gläubigen hierüber mit eindringlichen Worten (Z. B. 1 Petr 3, 7; 4, 7; 1 Joh 3, 22; 5, 14. 16). Ebenso erinnert der Völkerapostel im Hinblick auf die Bedeutung des Gebetes an vielen Stellen seiner Briefe die Christen an dessen Heilsnotwendigkeit (Z. B. Kol 4, 2; Röm 15, 30; Eph 6, 18; Phili 4, 6; 1 Tim 2, 1. 8; 5, 5).

3 Übrigens zwingen uns die vielen seelischen und körperlichen Bedürfnisse und Nöte geradezu, die Zuflucht zum Gebet zu nehmen als zum besten Dolmetsch unserer Hilflosigkeit und zum wirksamsten Vermittler dessen, was wir brauchen. Da nämlich Gott niemand etwas schuldig ist, bleibt uns nichts anderes übrig, als von Ihm durch Bitten zu erflehen, was wir brauchen. Darum hat Er uns das Gebet gegeben als das notwendige Mittel zur Erreichung unserer Wünsche. »Denn es steht geschrieben,« sagt der hl. Hieronymus, »jedem, der bittet, wird gegeben werden. Wenn dir also nicht gegeben wird, so wohl deshalb, weil du nicht bittest. Bittet also und ihr werdet empfangen« (Zum 7. Kap. d. Evang. nach Mt). 4 Wenigstens von manchen Dingen ist es ganz sicher, dass man sie nur durch das Gebet erhält. So kommt die wirksame Kraft, böse Geister zu vertreiben, vorzüglich dem Gebet zu, und eine Art von Teufeln kann anders gar nicht ausgetrieben werden, als durch Fasten und Beten (Mt 17, 21).

Darum berauben sich jene vieler und großer Gnaden, die sich nicht an treue und eifrige Übung des Gebetes gewöhnen. Es ist nämlich nicht nur gutes, sondern auch anhaltendes Gebet nötig, um zu erlangen, was man begehrt.

Zweites Kapitel: Nutzen des Gebetes

1 Die Gebetspflicht wird überaus süß durch den großen Nutzen und die reichen Früchte des Gebetes. Deren führt die Hl. Schrift eine Menge an, so dass der Seelsorger seine Gläubigen darüber, wie es eben nottut, gut belehren kann. Wir greifen aus der Fülle nur einige heraus, die uns besonders zeitgemäß dünken.

Die erste Frucht besteht in der Ehre, die wir Gott durch das Gebet erweisen. Ist das Gebet doch eine Übung der Gottesverehrung, die in der Hl. Schrift mit dem Weihrauch verglichen wird: »Wie Weihrauchduft steigt mein Gebet zu dir empor«, sagt der Prophet (Ps 140, 2). Durch das Gebet anerkennen und bekennen wir nämlich, dass wir Gott ganz unterworfen sind; dass Er der Urheber alles Guten ist; dass wir auf Ihn allein unsre Hoffnung stellen müssen, da Er der einzige Hort unsrer Sicherheit und unsres Heiles, unsre alleinige Zuflucht ist. An diese erste Gebetsfrucht gemahnen uns unter andern die Worte: »Ruf zu mir am Tage der Not und retten will ich dich; du aber wirst mich preisen« (Ps 49, 15).

2 Mit der ersten verbindet sich eine zweite gar reiche und süße Frucht: die Erhörung unsrer Bitten durch Gott. Ist ja nach einem Ausspruch des hl. Augustin das Gebet ein Himmelschlüssel. »Das Gebet«, so sagt er, »steigt empor und Gottes Erbarmen neigt sich herab; mag die Erde noch so tief und der Himmel hoch sein, Gott hört doch des Menschen Stimme, wenn nur sein Herz rein ist« (Predigt 116 de tempo). Wahrlich, die Kraft und Wirkung des Gebetes ist so groß, dass wir dadurch die Fülle himmlischer Gaben erhalten: den Heiligen Geist, den wir uns zum Führer und Helfer von Gott erflehen können; Bewahrung und Reinheit des Glaubens; Abwendung der Strafen; Schutz Gottes in Versuchungen, und Sieg über den Teufel. Und schließlich ist im Gebet ein Übermass ganz besonderer Freude verborgen, weshalb der Herr spricht: »Bittet, so werdet ihr empfangen und eure Freude wird vollkommen sein« (Joh 16, 24).

3 Ein Zweifel darüber, ob der gütige Gott das rechte Gebet wohl erhört, ist vollständig ausgeschlossen. Das beweisen viele Zeugnisse der Heiligen Schrift. Da sie allen zugänglich sind, führen wir nur beispielsweise folgende Stellen aus Isaias an: »Dann wirst du rufen und der Herr wird erhören; du wirst schreien und er wird sagen: Ich bin schon da« (Jes 58, 9). Und die andere: »Es wird geschehen: noch bevor sie rufen, werde ich erwidern, und während sie noch reden, sie schon erhören« (Jes 65, 24). Beispiele von solchen anzuführen, die bei Gott Erhörung gefunden haben, unterlassen wir; es sind ihrer fast unzählige und sie sind wohl bekannt.

4 Nicht selten jedoch geschieht es, dass wir von Gott nicht erhalten, worum wir bitten. Das ist wahr. Aber gerade dann hat Gott am meisten unsern Nutzen im Auge. Denn entweder gibt Er uns größere und reichere Gaben, oder das, um was wir bitten, ist uns nicht nötig und nicht nützlich; ja vielleicht wäre seine Gewährung ganz überflüssig und sogar schädlich. Nach einem Wort des hl. Augustin »verweigert Gott manches aus Huld, was er aus Zorn gewährt« (Predigt 58 de verb. Domini). - Mitunter beten wir auch so gedankenlos und nachlässig, dass wir nicht einmal selbst darauf achten, was wir sagen. Nun ist aber das Gebet eine Erhebung des Geistes zu Gott. Wie können wir also, wenn wir unsern Geist, der doch auf Gott gerichtet sein sollte, beim Beten frei umherschweifen lassen und dabei ohne Eifer und ohne alle Ehrfurcht und Liebe die Gebetsworte leichtfertig hersagen, wie können wir Christen den leeren Schall eines solchen Geredes Gebet nennen? Kein Wunder, wenn dann Gott unsern Wünschen nicht willfährt, da wir durch unsere Nachlässigkeit und Unachtsamkeit beim Gebete beinahe beweisen, dass wir unsere Bitten selber nicht ernst nehmen; oder Dinge begehren, die uns schaden würden.

5 Denen aber, die mit Aufmerksamkeit und Andacht beten, wird viel mehr gegeben, als sie von Gott verlangen. Das wird vom Apostel im Brief an die Christen von Ephesus bezeugt (Eph 3, 20) und durch das bekannte Gleichnis vom verlornen Sohn klar gemacht. Dieser würde es schon als einen sehr großen Erfolg seiner Bitte angesehen haben, wenn ihn der Vater auch nur als Taglöhner aufgenommen hätte. Ja Gott überhäuft uns geradezu mit Gnaden und spendet seine Gaben reichlich und schnell, nicht erst, wenn wir Ihn ausdrücklich darum bitten, sondern schon, wenn wir die rechte Gesinnung im Herzen tragen. Das will die Hl. Schrift mit dem bekannten Worte sagen: »Der Armen Sehnen erhört der Herr« (Ps 9, 38). Schon dem innersten stillen Wunsch der Dürftigen kommt Gott entgegen, ohne auf dessen Äußerung zu warten.

6 Dazu kommt als dritte Frucht des Gebetes die Übung und Mehrung der Tugenden, vor allem des Glaubens [der Glaube wird nämlich durch jedes Gebet betätigt]; denn ohne Gottesglauben kann man unmöglich recht beten. »Wie sollen sie den anrufen, heißt es, an den sie nicht glauben« (Röm 10, 14)? Der Glaube der Christen wird ferner durch das Gebet größer und fester und zwar um so mehr, je eifriger sie beten.

Besonders der Glaube an die liebevolle Vorsehung Gottes. Gottes Vaterliebe verlangt nämlich nachdrücklich, dass wir in jedem Anliegen zu Ihm gehen und alles von Ihm erbitten. 7 Er könnte uns zwar alles im Überfluss schenken auch ohne Bitte ja ohne jeden Gedanken unserseits, wie Er den vernunftlosen Tieren alles zum Leben Notwendige gibt. Aber als allgütiger Vater will Er von seinen Kindern gebeten sein. Er will, dass wir Ihn täglich ernstlich bitten und dadurch immer vertrauensvoller beten lernen. Er will durch fortwährende Erhörung unsrer Bitten seine Güte gegen uns von Tag zu Tag beweisen und offenbar werden lassen.

8 Auch die Liebe zu Gott wird vermehrt. Denn wenn wir Ihn ausdrücklich anerkennen als den Urheber jegliches Guten und all unsres Glückes, müssen wir Ihn doch mit immer größerer Liebe umfangen. Und wie Liebende durch gegenseitige Aussprache und Beisammensein noch mehr in Liebe entbrennen, so werden auch gottliebende Menschen, je häufiger sie sich im Gebet an seine Güte wenden und so gleichsam Zwiesprache mit Ihm halten, jedes Mal mit größerer Freude erfüllt und zu noch innigerer Liebe und Hingabe angetrieben.

9 Diese fortwährende Übung des Gebetes verlangt Gott noch aus einem andern Grund: Wir sollen nämlich dadurch zu inbrünstigem Gebetseifer gelangen und durch diesen anhaltenden Eifer so voranschreiten, dass wir solcher Gnadengeschenke würdig werden, die zu empfangen unser tugendarmer und engherziger Geist vorher nicht einmal fähig gewesen wäre.

Ferner will Gott, dass wir uns der Tatsache klar bewusst werden und bleiben, wie wir ohne den Beistand der Gnade des Himmels durch unser Bemühen nichts zustande bringen; und dass wir deshalb aus ganzer Seele dem Gebete obliegen.

Im Gebet haben wir auch die stärkste Waffe gegen die grimmigen Feinde unsrer Natur, wie der hl. Hilarius sagt: »Gegen die Kriegsmacht des Teufels müssen wir unter dem Klang des Gebetes zu Felde ziehen« (Zum Psalm 69).

10 Eine vierte vorzügliche Frucht des Gebetes ist diese: Obwohl wir infolge unsrer angebornen Schwäche zum Bösen geneigt und voll schmählicher Wünsche sind, verwehrt uns Gott doch nicht, dass wir Ihn durch das Gebet in unsern Sinn (Geist und Herz) aufnehmen. Wenn wir dann so zu Ihm beten und seiner Gnaden würdig zu werden uns bemühen, erhalten wir den ernsten Willen nach voller Reinheit, Tilgung aller unsrer Sünden und ein makelloses Herz.

11 Endlich fünftens widersteht das Gebet nach einem Ausspruch des hl. Hieronymus (Zu Jer 7, 16) dem Zorn Gottes. Daher sprach Gott zu Moses: »Lass mich« (Ex 32, 10)!, als Er das Judenvolk strafen wollte, Moses aber durch sein Gebet Ihn hinderte. Denn nichts vermag den erzürnten Gott mehr zu besänftigen, ja Ihn auch dann noch zurückzuhalten und seine Zornesglut zu beschwichtigen, wenn Er schon zum Schlag ausholt gegen die Frevler - als das Gebet frommer Menschen.

Drittes Kapitel: Arten und Stufen des Gebetes

1 Nach der Notwendigkeit und dem Nutzen des Gebetes sollen die Gläubigen auch seine verschiedenen Arten kennen lernen. Das ist nach dem Zeugnis des Apostels notwendig zur vollkommenen Erfüllung der Gebetspflicht. Wo er nämlich im (1.) Brief an Timotheus zu frommen und andächtigem Beten auffordert, da zählt er sorgfältig die verschiedenen Arten des Gebetes auf: »Vor allen Dingen dringe ich darauf,« sagt er, »dass man Gebete, Bitten, Fürbitten und Danksagungen verrichte für alle Menschen« (Tim 2, 1). Der Unterschied zwischen diesen Arten ist freilich ein etwas feiner. Wenn der Seelsorger aber der Ansicht ist, eine Aufklärung darüber werde für seine Zuhörer von Nutzen sein; so mag er unter andern Autoren die hl. Hilarius und Augustinus zu Rate ziehen (Ep in Ps 59 ad vers. Dirigatur oratio; Ep. 59 ad Paul. in sol. quaest. 5).

2 Indes zwei Hauptarten des Gebetes dürfen durchaus nicht übergangen werden: das Bittgebet und das Dankgebet. Auf diese lassen sich alle übrigen zurückführen. Denn wenn wir in tiefer Ehrfurcht vor Gott hintreten, tun wir es entweder um von Ihm etwas zu erbitten, oder um Ihm für die Wohltaten zu danken, mit denen seine göttliche Güte uns unablässig überhäuft. Diese beiden Gebetsarten hat Gott selbst als die notwendigsten bezeichnet, wenn Er durch den Mund Davids spricht: »Rufe zu mir am Tage der Not, und retten will ich dich; du aber sollst mich preisen« (Ps 49, 15). - Und wahrlich, wie notwendig es ist, dass wir uns (durch das Bittgebet) an die göttliche Güte und Freigebigkeit wenden, wer sähe das nicht, wenn er das Elend und die furchtbare Not der Menschheit betrachtet? 3 Wie geneigt sich aber Gottes Liebe dem Menschengeschlecht erweist, und wie Er seine Güte über uns förmlich ausschüttet, wissen alle, die sehen und verstehen wollen. Denn wohin wir blicken und wohin wir unsere Gedanken lenken, allüberall leuchtet uns der wunderbare Glanz der göttlichen Milde und Güte entgegen. Was besitzen die Menschen, das nicht von Gottes Freigebigkeit herrührt? Wenn aber alles Gabe und Geschenk seiner Güte ist, wie sollten wir nicht alle nach Kräften dem allgütigen Gott Lob, Preis und innigen Dank darbringen?

Beide Pflichten jedoch, nämlich Gott zu bitten und Ihm zu danken, haben viele Stufen, deren eine höher und vollkommener ist als die andere. Damit nun die Gläubigen nicht bloß beten, sondern möglichst gut die doppelte Gebetspflicht erfüllen, muss ihnen der Seelsorger die höchste und beste Weise zu beten vorlegen und sie eindringlich dazu aufmuntern.

4 Welches ist aber die beste Weise oder die höchste Stufe des Gebetes? Doch wohl die, deren sich gottliebende und heilige Menschen bedienen. Diese steigen, gestützt auf den festen Boden des wahren Glaubens, gleichsam auf den Stufen heiliger Gesinnung und eifrigen Bittens empor zur klaren Glaubenserkenntnis (Beschauung) der unendlichen Macht, der unermesslichen Güte und Weisheit Gottes. Dadurch gelangen sie dann zur sicheren Hoffnung, alles zu erlangen, was sie sich erbitten, sowohl für das gegenwärtige Leben, als besonders die Fülle der unbegreiflichen Güter, die Gott denen verheißen hat, die seine göttliche Hilfe mit kindlich frommen Herzen anflehen. Von diesen zwei Fittichen [Glaube und Hoffnung] gleichsam in den Himmel emporgehoben, gelangt ihre Seele voll liebenden Eifers zu Gott und erweist Ihm zuerst alle Ehre durch jubelnden Dank dafür, dass Er sie mit so großen Wohltaten begnadet hat; dann aber trägt sie Ihm mit der beispielosen Liebe und Ehrfurcht des einzigen Kindes gegen den liebevollsten Vater ohne Zagen all ihre Anliegen vor.

Für diese Gebetsweise verwendet die Hl. Schrift das Wort »ausschütten«. »Ich schütte aus vor ihm mein Flehgebet« sagt der Prophet, »und tu ihm meine Trübsal kund« (Ps 141, 3). Mit diesem Ausdruck will sie sagen, der Beter verschweigt und verbirgt nichts, sondern gießt alles aus in das Herz des liebevollsten Vater-Gottes, zu dem er sich voll Vertrauen geflüchtet. Und dazu ermahnt unsre vom Himmel stammende Glaubenslehre mit den Worten: »Gießt aus das Herz vor ihm« (Ps 61, 9) und »wirf deine Sorgen auf den Herrn« (Ps 54,23). Diese Gebetsstufe deutet der hl. Augustin an, wenn er in seinem Enchiridion (Handbuch) sagt: »Was der Glaube vorstellt, darum bittet die Hoffnung und Liebe« (Enchirid. c. 2).

5 Auf einer tieferen Gebetsstufe stehen: jene mit Todsünden Belasteten, die durch den so genannten toten Glauben ernstlich sich aufrichten und zu Gott emporsteigen wollen, aber infolge ihrer erstorbenen Kraft und großen Glaubensschwäche sich kaum von der Erde zu erheben vermögen. Jedoch im Bewusstsein ihrer Schuld und von Gewissensbissen gepeinigt, flehen sie voll Demut und Zerknirschung wie aus weiter Ferne zu Gott um Verzeihung ihrer Sünden und um Frieden. Ihr Gebet dringt zu Gott und wird erhört. ja der barmherzige Gott ladet sie sogar huldvoll ein: »Kommet her zu mir«, sagt Er, »ihr alle, dIe ihr elend und beladen seid, und ich werde euch erquicken« (Mt 11, 28). Zu diesen Sündern gehörte jener Zöllner, der nicht wagte, seine Augen zum Himmel zu erheben, jedoch nach der Versicherung des Herrn gerechtfertigt aus dem Tempel ging, ganz anders als der Pharisäer (Lk 18, 14).

6 Auf einer andern Gebetsstufe stehen die vom Glauben noch nicht Erleuchteten (die Ungläubigen), deren Vernunftlichtlein Gott in seiner Güte erhellt, so dass sie von lebhaftem Verlangen und heftiger Begierde nach der Wahrheit erfasst werden. Solche bitten dann mit der größten Inbrunst um Erkenntnis derselben. Und wenn sie in dieser Gesinnung verharren, wird Gottes Güte ihr Gebet nicht zurückweisen. Wir sehen das bestätigt durch das Beispiel des Hauptmanns Cornelius (Apg 10). Denn niemand, der ernstlich bittet, findet die Pforten der göttlichen Barmherzigkeit verschlossen.

7 Auf der untersten Stufe stehen jene, die ihre Schandtaten und Laster nicht nur nicht bereuen, sondern Sünden auf Sünden häufen und sich doch nicht schämen, Gott immer wieder um Verzeihung zu bitten, trotzdem sie in ihren Sünden verharren wollen. Solche dürften nicht einmal bei Menschen wagen, um Vergebung zu bitten. Ihr Gebet wird von Gott auch nicht erhört. Denn so steht von Antiochus geschrieben: »Es betete dieser Verruchte zum Herrn, von dem er doch keine Verzeihung erlangen sollte« (2 Makk 9, 13). Solche Unglückliche müssen daher dringend ermahnt werden, dass sie den Willen zu sündigen aufgeben und sich ernstlich und aufrichtig zu Gott bekehren.

[Fortsetzung folgt]