Catechismus Romanus I. Teil: Vom Glaubensbekenntnis

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Catechismus Romanus
I. Teil: Vom Glaubensbekenntnis

(Quelle: Das Religionsbuch der Kirche, Katechismus gemäß Beschluß des Konzils von Trient für die Seelsorger herausgegeben auf Geheiß des Papstes Pius V.. In deutscher Übersetzung herausgegeben von Dr. Michael Gatterer SJ, erstes Buch – I Bändchen, übersetzt von Anton Koch S.J., Verlag Felizian Rauch Innsbruck-Leipzig 1940, S. 34-202 (3. Auflage); Imprimatur Nr. 286. Apostolische Administratur Innsbruck, 5. Februar 1940 Dr. Carl Lampert, Prov.; Als Vorlage zur Übersetzung diente die bei Tauchnitz, Leipzig erschienene Ausgabe des Catechismus Romanus, die genau den Text des in Rom erstmals gedruckten Originals wiedergibt. Die Gliederung in Teile und Kapitel ist ursprünglich und offiziell. Die fetten Nummern geben die Nummerierung wieder, die Andreas Fabricius, Professor der Philosophie in Löwen († 1581) erstmals einführte; sie sind nicht in allen Ausgaben gleich. Die in eckigen Klammern stehenden Zusätze sind von Dr. Michael Gatterer (außer wenn sie inerhalb gewöhnlicher Klammer stehen). Die Anmerkungen wurden bei der Digitalisierung im Text in Klammer, die Stellen der Heiligen Schrift nach den Abkürzungen der Einheitsübersetzung [Anhang] wiedergegeben)

Erstes Kapitel:
Vom Glauben und Glaubensbekenntnis

1 Der Ausdruck »Glaube« hat in der HI. Schrift mehrere Bedeutungen. Hier sprechen wir von jenem Glauben, kraft dessen wir alles fest für wahr halten, was von Gott geoffenbart ist.

Dass der Glaube in diesem Sinn notwendig ist, um zum Heil zu gelangen, daran kann mit Grund niemand zweifeln; es steht ja ausdrücklich geschrieben: »Ohne Glauben ist es unmöglich Gott zu gefallen« (Hebr 11,6). Der Grund ist der: das Ziel, das dem Menschen als seine Seligkeit gestellt ist, ist zu hoch, als dass es der menschlichen Geisteskraft einsichtig werden könnte. Somit musste der Mensch die Erkenntnis dieses Ziels von Gott empfangen. Diese Erkenntnis nun ist eben der Glaube, dessen Tugendkraft bewirkt, dass wir als richtig fest halten, was die Autorität unsrer heiligen Mutter, der Kirche, als von Gott geoffenbart erklärt. Ein Zweifel an dem, was Gott geoffenbart hat, ist bei Gläubigen ausgeschlossen. Denn Gott ist die Wahrheit selbst. Daraus ersehen wir auch den großen Unterschied zwischen dem Glauben, den wir Gott leisten, und jenem Glauben, den wir menschlichen Geschichtschreibern schenken.

Der Glaube hat einen weiten Umfang und viele Abstufungen an Größe und Wert, wie es in der Hl. Schrift z. B. heißt: »Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt« (Mt 14,28); ein andermal: »Groß ist dein Glaube« (Mt 15,28); und dann wieder: »Vermehre uns den Glauben« (Lk 17,5); ebenso: »Der Glaube ohne Werke ist tot« (Jak 2m20) und »der Glaube ist durch die Liebe wirksam« (Gal 5,6). Trotzdem ist es nur Eine Tugend, und es lassen sich die verschiedenen Abstufungen des Glaubens unter der gleichen Begriffsbestimmung zusammenfassen. Wie fruchtbar aber der Glaube ist und welchreichen Nutzen wir von ihm haben, das wird bei der Erklärung der Glaubensartikel näher ausgeführt werden.

2 Das erste also, was jeder Christ festhalten muss, sind jene Wahrheiten, die unsre Führer und Lehrer im Glauben, die Apostel, unter dem Beistand des Hl. Geistes in den zwölf Glaubensartikeln niedergelegt haben. Denn als sie vom Herrn den Auftrag erhalten hatten, als Boten an seiner Statt in alle Welt zu ziehen und allen Geschöpfen die Frohbotschaft zu verkünden, da beschlossen sie, für den christlichen Glauben eine bestimmte Formel zusammenzustellen. Es sollte nämlich in aller Denken und Sprechen Übereinstimmung und keinerlei Spaltung unter denen herrschen, die sie zur Einheit des Glaubens beriefen; alle sollten vielmehr »vollkommen eines Geistes und eines Sinnes sein« (1 Kor 1,10).

3 Dieses Apostolische Bekenntnis christlichen Glaubens und christlicher Hoffnung erhielt den Namen Symbol [»Zusammentat« oder auch »Erkennungszeichen«], entweder weil es aus verschiedenen Sätzen besteht, die die einzelnen Apostel dazu beigesteuert haben (Hier ist offenbar an die Legende gedacht, nach der jeder Apostel je einen der zwölf Glaubensartikel verfasst haben soll. Ambros. explic. symb) oder weil man es wie ein Erkennungszeichen gebrauchte, an dem man Abtrünnige, Eindringlinge und falsche Brüder, die das Evangelium zu fälschen suchten, von den wahren Anhängern Christi leicht zu unterscheiden vermochte.

4 In der christlichen Religion wird den Gläubigen vieles vorgelegt, was sie im einzelnen oder doch im ganzen fest und sicher glauben müssen. Das erste und Notwendigste aber, was jeder glauben muss, ist das, was uns gewissermaßen als Grundlage und Inbegriff der Wahrheit Gott selbst gelehrt hat über die Einheit des göttlichen Wesens und die Verschiedenheit der drei Personen, sowie über das Wirken, das den drei Personen in besonderer Weise zugeschrieben wird.

Dieses Grundgeheimnis nun - so lehre der Seelsorger - wird im Apostolischen Glaubensbekenntnis in kurzer Zusammenfassung vorgelegt. Denn dieses zerfällt in drei Hauptteile, wie schon die christliche Vorzeit beobachtet hat, wo man sich mit dem Inhalt des Glaubensbekenntnisses liebevoll und eingehend beschäftigte. Im ersten Teil wird die erste Person in Gott und das wunderbare Schöpfungswerk beschrieben; im zweiten Teil die zweite Person und das Geheimnis der Erlösung; im dritten Teil endlich wird die dritte Person, Urheber und Quell unsrer Heiligkeit, in verschiedenen sehr gut gewählten Sätzen dargestellt.

Diese Sätze des Glaubensbekenntnisses nennen wir nach einem von unsern Vätern häufig gebrauchten Vergleich »Artikel« [Glieder, vgl. Satzglied]. Wie man nämlich die Einzelteile des Körpers nach [Artikeln oder] Gliedern unterscheidet, so können wir auch in diesem unserm Glaubensbekenntnis jeden Einzelsatz, der uns zu glauben vorgelegt wird, ganz entsprechend als [Glied des Ganzen, d. i. als] Artikel bezeichnen.

Zweites Kapitel: Erster Glaubensartikel
»Ich glaube an Gott, den allmächtigen Vater, Schöpfer Himmels und der Erde«

1 Der Sinn dieser Worte ist: mit voller Überzeugung glaube ich und ohne alles Schwanken bekenne ich den Glauben an Gott Vater, die erste Person der hl. Dreieinigkeit, der in seiner Allmacht Himmel und Erde und alles, was darin ist, aus Nichts erschaffen hat und der die Schöpfung erhält und regiert. Und ich glaube an Ihn nicht nur im Herzen, bekenne Ihn nicht nur mit dem Mund - ich strebe auch aus aller Kraft und in kindlicher Hingabe zu Ihm als dem höchsten, vollkommensten Gut.

So etwa lässt sich in Kürze der Inhalt des ersten Glaubensartikels zusammenfassen. Doch birgt hier beinahe ein jedes Wort erhabene Geheimnisse, und darum muss der Seelsorger den Satz nun Wort für Wort eingehend durcharbeiten und dem gläubigen Volk, soweit es dem Herrn gefällt, erklären, damit es seine glorreiche Majestät in tiefer Ehrfurcht betrachten lerne(Ex 20, 18 f).


»Ich glaube« 

2 Das Wort »Glauben« hat hier nicht die Bedeutung von »meinen, wähnen, vermuten«; es bezeichnet vielmehr, wie die Hl. Schrift lehrt, die vollständig sichere Zustimmung, womit der Verstand die Offenbarungen Gottes fest und beharrlich als wahr umfasst. Nur der glaubt eigentlich, um es noch deutlicher zu sagen, der etwas ohne jeden Zweifel als sichere Überzeugung annimmt.

Es darf aber niemand meinen, die durch den Glauben erworbene Kenntnis biete weniger Gewissheit, weil man die Dinge nicht verstehen kann, die die Religion uns zu glauben vorlegt. Gewiss, das übernatürliche Licht, in dem wir diese Wahrheiten erkennen, gestattet uns keinen vollkommenen Einblick in die innern Gründe der Dinge; trotzdem schließt es aber jeden Zweifel an deren Tatsächlichkeit aus. »Denn Gott, der da sprach: ,Aus Finsternis soll Licht aufleuchten', er ist es, der in unsern Herzen aufgeleuchtet ist« (2 Kor 4, 6), so dass uns das Evangelium nicht verhüllt bleibt wie jenen, die verloren gehen.

3 Daraus ergibt sich aber auch die Folgerung, dass der mit dieser Glaubenserkenntnis Begnadete sich mit vorwitzigen Untersuchungen einfach nicht abgibt. Denn indem Gott uns zu glauben befahl, hat Er damit nicht den Auftrag gegeben, seine göttlichen Gedanken und Ratschlüsse zu untersuchen und deren innere Gründe zu erforschen, sondern Er hat uns nur das unwandelbare Fürwahrhalten zur Pflicht gemacht, das die Wirkung hat, dass der Geist in der Erkenntnis der ewigen Wahrheit seine Ruhe findet. Und mit Recht. Denn wenn der Apostel sagt: »Gott ist wahrhaftig, jeder Mensch aber ist ein Lügner« (Röm 3, 4), und wenn es schon eine ungebührliche Herausforderung bedeutet, einem ernsten, weisen Mann den Glauben zu versagen, falls er etwas versichert, und noch weiter in ihn zu dringen, er solle sein Wort durch Gründe oder Zeugen erhärten - ist es da nicht der höchste Grad von Verwegenheit, ja Torheit, wenn einer, der Gottes Offenbarungen hört, noch nach Gründen für die himmlische Heilslehre verlangt? Wir haben uns also an den Glauben zu halten, nicht nur unter Ausschluss jedes Zweifels, sondern auch unter Ausschluss aller Sucht nach Beweisen.

4 Der Pfarrer lehre aber weiterhin auch das: Wer da spricht »Ich glaube«, der erklärt damit nicht nur seine innere Zustimmung (worin der innere Glaubensakt besteht), er muss, was er drinnen im Herzen trägt, auch durch das offene Bekenntnis seines Glaubens nach außen zeigen und frisch und freudig öffentlich im Leben kundgeben. Der Christ sollte jene Gesinnung in sich tragen, die den Propheten mit solcher Zuversicht sprechen ließ: »Ich glaubte, darum redete ich« (Ps 115, 10). Er sollte es den Aposteln nachtun, die zu den Führern des jüdischen Volkes sprachen: »Wir können unmöglich von dem schweigen, was wir gesehen und gehört haben« (Apg 4, 20). Er sollte sich an dem herrlichen Wort des Apostels Paulus begeistern: »Ich schäme mich des Evangeliums nicht. Denn es ist Gottes Kraft zur Rettung für jeden, der glaubt« (Röm 1, 61). Oder an dem andern Wort, das die Berechtigung unsrer Forderung am besten bestätigt: »Mit dem Herzen glaubt man, um gerechtfertigt zu werden, mit dem Munde bekennt man, um zum Heil zu gelangen« (Röm 10, 10).


»An Gott« 

5 Die Worte »an Gott« zeigen uns den einzigartigen Vorrang christlicher Weisheit und damit zugleich das andere: welch großen Dank wir Gottes Güte schulden, da Er uns die Gnade gab, mittels des Glaubens sofort zur Erkenntnis des höchsten und für uns bedeutungsvollsten Wesens emporzusteigen. 6 Das ist ja gerade der große Unterschied zwischen der Weisheit des Christen und der Weltweisheit: diese kann unter Führung des Lichtes der Vernunft nur Schritt für Schritt vorandringen und kommt aus der Erkenntnis der Werke [Gottes] und der sichtbaren Dinge kaum nach langem Bemühen soweit, dass sie »das Unsichtbare an Gott schaut« (Röm 1, 20), dass sie aller Dinge erste Ursache, den Schöpfer erkennt und erfasst. Ganz anders der Glaube. Er schärft die geistige Sehkraft des Menschen in solchem Grad, dass der Blick mühelos bis in den Himmel vordringt; dass er, von übernatürlichem Licht erfüllt, zunächst den ewigen Quell des Lichtes selbst und dann von Ihm aus alle Dinge unter Ihm betrachtet; so dass wir, wie der Apostelfürst sagt (1 Petr 2, 9), »unsrer Berufung aus der Finsternis in sein wunderbares Licht« mit unbeschreiblicher Wonne innewerden, und »im Glauben unaussprechliche Freude genießen« (1 Petr 1, 8). Es ist also ganz in der Ordnung, wenn der Christ zuerst seinen Glauben an Gott bekennt.

Gottes Erhabenheit nun ist nach Jeremias' Wort (Jer 32, 13) »unbegreiflich«. »Er wohnt in unzugänglichem Licht«, wie der Apostel sagt (1 Tim 6, 16), »kein Mensch hat ihn gesehen und keiner kann ihn sehen«. Gott selbst hat ja zu Moses das Wort gesprochen: »Kein Mensch erblickt mich und bleibt dabei am Leben« (Ex 33; 20). Denn wenn unser Geist zu Gott selbst, dem höchsten aller Wesen vordringen sollte, so müsste er sich von aller sinnlichen Erkenntnis freimachen, was wir aber hienieden natürlicherweise nicht vermögen. Nun hat sich aber Gott trotzdem »nicht unbezeugt gelassen. Denn er ist es, der die Wohltaten spendet: der vom Himmel her Regen und fruchtbare Zeiten sendet, der Nahrung gibt und die Herzen mit Fröhlichkeit erfüllt« (Apg 14, 16) - Solche Überlegungen veranlassten die alten Weltweisen, jede Gottes unwürdige Vorstellung abzuweisen und alles Körperhafte, sinnlich Greifbare, Unvollkommene vom Gottesbegriff auszuschließen. Ihm schrieben sie Macht über alle Dinge und die Fülle des Guten zu, so zwar, dass von Ihm, wie aus dem ewigen, unerschöpflichen Quell der Vollkommenheit und Güte, sämtlichen Geschöpfen alle Vollkommenheit und Güte zuströme. Ihn nannten sie den Weisen, den Urheber und Freund der Wahrheit, den Gerechten, unendlich Wohltätigen, und bezeichneten Ihn mit ähnlichen Ausdrücken höchster, allseitiger Vollkommenheit. Seine Kraft war nach ihrer Anschauung ohne Maß und Grenze, sie erfüllte jeden Ort und erstreckte sich über das ganze All.

Doch all das steht noch weit schöner und großartiger auf den Blättern der HI. Schrift. Nur einige Stellen mögen dies dartun: »Gott ist Geist« (Joh 4, 24), »Seid vollkommen, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist!« (Mt 5, 48). »Alles liegt bloß und offen vor seinen Augen« (Hebr 4, 13). »O Tiefe des Reichtums der Weisheit und der Erkenntnis Gottes !« (Röm 11, 33). »Gott ist wahrhaftig« (Röm 3, 4). »Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben« (Joh 14, 6). »Deine Rechte ist voll der Gerechtigkeit« (Ps 47, 11). »Du öffnest deine Hand, erfüllst mit Segen alles, was da lebt« (Ps 144, 16). »Wo soll ich mich verbergen vor deinem Geist? Wohin nur fliehen vor deinem Angesicht? Stiege ich zum Himmel empor, so bist du da; stieg' ich zur Hölle hinab, du bist da. Nähme ich der Morgenröte Schwingen und ließe ich mich nieder am fernsten Meeresgestade, so würde deine Hand auch dort mich führen und deine Rechte mich erfassen« (Ps 138, 7 f). »,Erfülle ich nicht Himmel und Erde', spricht der Herr« ? (Jer 23, 24).

Sind auch die Erkenntnisse, die die Weltweisen von der Schöpfung ausgehend in Übereinstimmung mit der Lehre der HI. Schrift über das Wesen Gottes gewonnen haben, groß und erhaben, so sehen wir doch auch hier, wie notwendig die Offenbarung ist, wenn wir nämlich folgendes beachten: erstens, dass der Glaube, wie gesagt, auch dem einfachen Menschen ohne höhere Bildung sofort klar vermittelt, was solch große Gelehrte erst nach langem Studium erkannt haben; dass außerdem die aus dem Glauben geschöpfte Erkenntnis weit sicherer und irrtumsfreier ist, als das Erfassen dieser Dinge auf, Grund rein wissenschaftlicher Erwägungen; vor allem aber, dass jene besondere Gotteserkenntnis, zu der nicht der für alle gangbare Weg der Naturbetrachtung, sondern das Licht des Glaubens den Christen führt, weit vorzüglicher ist. Man denke nur einmal an den Inhalt der einzelnen Glaubensartikel: Sie geben uns Kunde von der Einheit des Wesens Gottes, von der Dreiheit der Personen, und von des Menschen letztem Ziel, das Gott selbst ist. Von Ihm haben wir den Besitz der himmlischen, ewigen Seligkeit zu erwarten, nach dem Wort des hl. Paulus, dass Gott »denen, die ihn suchen, ein Vergelter sein wird« (Hebr 11, 6). Die Größe dieses Lohnes und die Unmöglichkeit für den Menschen, sich diesen auch nur schwach vorzustellen, hat lange vor Paulus (1 Kor 2, 4) der Prophet Isaias schon ausgesprochen (Is 64, 4), wenn er sagt: »Von Ewigkeit her hat es niemand gehört, kein Ohr hat es vernommen, kein Auge es gesehen, außer dir o Gott, was du denen bereitet hast, die auf dich hoffen«.

7 Aus den bisherigen Ausführungen ergibt sich auch die Wahrheit, dass es nur Einen Gott gibt, nicht mehrere Götter. Denn: wir schreiben Gott die allerhöchste Güte und Vollkommenheit zu. Das höchste und vollkommenste Sein aber kann sich unmöglich in mehreren finden, [weil dann dem einen fehlte, was die andern haben.] Würde nun einem auch nur etwas von dieser höchsten Vollkommenheit fehlen, so wäre er eben damit schon nicht mehr schlechthin vollkommen, es käme ihm somit auch das Wesen Gottes nicht zu.

Diese Einheit Gottes beweisen eine ganze Reihe von Schrifstellen. So steht geschrieben: »Höre, Israel: der Herr, unser Gott, ist Ein Gott !« (Deut 6, 4). Und Gott selbst befahl: »Du sollst keine andern Götter neben mir haben !« (Ex 20, 4). Durch den Propheten lässt Er dann wiederholt die Mahnung ergehen: »Ich bin der erste und der letzte, und außer mir ist kein Gott« (Jes 44, 6). Und der Apostel bezeugt es vor aller Welt: »Ein Herr, Ein Glaube, Eine Taufe« (Eph 4, 5).

8 Wenn die Hl. Schrift Propheten und Richter zuweilen »Götter« nennt, so tut sie das nicht im Sinn der Heiden, die ebenso unverständig wie frevelhaft eine Großzahl von Göttern ausdachten; sie will vielmehr durch diese Redensart nur die außerordentliche Gewalt oder Amtsbefugnis bezeichnen, die ihnen durch Gottes Gnade verliehen war.

Dass Gott nach Natur, Substanz und Wesen Einer ist, wie es im Symbol des Konzils von Nizäa ausdrücklich festgelegt wurde, das hält der gläubige Christ fest und bekennt es. Aber er erhebt sich auf eine noch höhere Stufe und glaubt an Einen Gott in der Weise, dass er diese Einheit in der Dreifaltigkeit anbetet und die Dreifaltigkeit in der Einheit. Von diesem Geheimnis soll nun die Rede sein. Denn es folgt im Glaubensartikel das Wort


»Vater«

9 Die Bezeichnung Vater wird Gott in mehrfacher Rücksicht beigelegt. Deshalb muss zunächst der eigentliche Sinn, den das Wort an dieser Stelle hat, erklärt werden.

Sogar in der Finsternis des Heidentums ohne das Licht des Glaubens haben einige schon Gott als das von Ewigkeit her in sich bestehende Wesen erkannt, von dem alles seinen Ursprung hat, dessen Vorsehung alles leitet und in Ordnung und Bestand erhält. Wie man nun den, der die Familie begründet und durch seine Vernunft und Autorität leitet, Vater nennt, so wollten sie in Anlehnung an die menschlichen Verhältnisse auch Gott, den sie als Werkmeister und Lenker aller Dinge anerkannten, Vater genannt wissen. Auch die Hl. Schrift braucht den Ausdruck in diesem Sinn, wenn sie von Gott spricht und Ihm die Schöpfung des Alls sowie Allmacht und wunderbare Vorsehung zuschreiben will. Wir lesen da: »Ist nicht er dein Vater, der dich erworben, der dich gebildet und erschaffen?«(Deut 32, 6) Und anderswo: »Ist nicht Einer unser aller Vater? Hat nicht Ein Gott uns erschaffen ?«(Mal 2, 10).

Viel häufiger aber noch und in einem ganz besondern Sinn wird Gott - vor allem im Neuen Testament - der Vater der Christen genannt, die da »nicht empfangen haben den Geist der Knechtschaft in Furcht, sondern den Geist der Kindschaft Gottes, in dem sie rufen: Abba, Vater!« (Röm 8. 15). Das ist ja »die Liebe, die uns der Vater erwiesen hat, dass wir Kinder Gottes heißen und sind« (1 Jo 3. 1). »Wenn aber Kinder, dann auch Erben, Erben Gottes und Miterben Christi« (Röm 8, 17), der da ist »der Erstgeborne unter vielen Brüdern« (Röm 8, 29), »der sich nicht schämt, uns Brüder zu nennen« (Hebr 2, 11). Ob wir also auf den allgemeinen Grund der Schöpfung und Vorsehung oder auf den besondern der übernatürlichen Annahme an Kindes Statt sehen - auf jeden Fall bekennt der Christ mit Recht den Glauben an Gott als Vater.

10 Doch muss der Geist, - so lehre der Seelsorger - beim Klang des Wortes »Vater« über die bisher erklärten Begriffe noch höher aufsteigen in die Welt der Geheimnisse. Was in jenem »unnahbaren Licht, in dem Gott wohnt« (1 Tim 6, 16), tief verborgen liegt, was menschliche Geisteskraft nicht zu ersinnen, ja nicht einmal zu ahnen vermochte, das erschließt uns erstmals die Offenbarung in dem Wort »Vater«. Dieses Wort weist darauf hin, dass wir in der Einen göttlichen Wesenheit nicht nur Eine Person, sondern verschiedene Personen zu glauben haben. Und zwar sind drei Personen in der Einen göttlichen Wesenheit: der Vater, der von niemand gezeugt ist; der Sohn, der vor aller Zeit vom Vater gezeugt ist; der Hl. Geist, der ebenfalls von Ewigkeit aus dem Vater und dem Sohn hervorgeht. Der Vater nun ist in der Einen göttlichen Wesenheit die erste Person, Er ist »mit seinem eingebornen Sohn und dem Hl. Geist Ein Gott und Ein Herr, nicht in der Einzigkeit Einer Person, sondern in der Dreifaltigkeit Einer Natur«(Präfation v. d. hl. Dreifaltigkeit).

In diesen drei Personen eine Verschiedenheit im Sinn einer Ungleichheit auch nur zu denken, ist unstatthaft; sie sind demnach als einzig durch ihre persönlichen Eigentümlichkeiten unterschieden aufzufassen: Der Vater ist ungezeugt: der Sohn ist vom Vater gezeugt; der Hl. Geist geht aus dem Vater und dem Sohn hervor. So bekennen wir denn von allen drei Personen ein und dieselbe Substanz und Wesenheit in dem Sinn, dass wir »im Bekenntnis der wahren und ewigen Gottheit in den Personen die Besonderheit und im Wesen die Einheit und in der Majestät (In der Präfation heißt es majestate; im Religionsbuch aus Versehen Trinitate) die Gleichheit« (Ebda) in heiliger Ehrfurcht glauben und verehren. Wenn wir sagen, die Person des Vaters ist die erste, so ist das nicht so zu verstehen, als dächten wir in der Dreieinigkeit an ein Früher oder Später, Größer oder Kleiner. Fern sei es, so etwas auch nur zu denken; die christliche Religion behauptet ja von allen drei Personen die gleiche Ewigkeit, die gleiche Gottesherrlichkeit. Wir bekennen vielmehr den Vater deshalb wahrhaft und ohne Zweifel als die erste Person, weil Er Urgrund ohne andern Grund ist. Und wie die erste Person durch ihre Vaterschaft verschieden ist, so kommt Ihr auch allein insbesondere die ewige Zeugung des Sohnes zu. Dass Sie nämlich immerdar Gott und zugleich Vater war, wird durch die Verbindung des Wortes »Vater« mit dem Worte »Gott« im Glaubensbekenntnis angedeutet.

Nun sind auf keinem Gebiet die Gefahren verhängnisvoller Irrtümer so groß, wie in der Erkenntnis und Erklärung dieses höchsten und schwierigsten aller Geheimnisse. Darum sage der Pfarrer, dass hier die Fachausdrücke für dieses Geheimnis, »Wesen« und »Person«, genau beizubehalten sind. Die Gläubigen sollen nämlich festhalten, dass die Einheit im Wesen, die Verschiedenheit aber in den Personen besteht. In feinere Fragen lasse man sich nicht ein, eingedenk des Schriftwortes : »Wer die Majestät ergründen will, wird von der Herrlichkeit erdrückt« (Spr 25, 27). Es muss uns die volle Glaubensgewissheit genug sein, dass Gott es uns so gesagt; und seinem Offenbarungswort die Zustimmung verweigern, wäre ebenso töricht wie unheilvoll. Er spricht aber: »Lehret alle Völker und taufet sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des Hl. Geistes« (Mt 28, 19). Und an anderer Stelle heißt es (1 Joh 5, 7 im sog. Comma Johanneum): »Drei sind, die Zeugnis geben im Himmel, der Vater, das Wort und der Hl. Geist, und diese drei sind Eins.« 

Wer durch Gottes Gnade dieses Geheimnis glaubt, der bete und flehe eifrig zu Gott und dem Vater, der alles aus Nichts erschuf und alles mit Milde lenkt (Weish 8, 1), der uns »die Macht gab, Kinder Gottes zu werden«, der dem Menschengeist das Mysterium der Dreifaltigkeit geoffenbart - er bete also ohne Unterlass, dass er, dereinst »in die ewigen Wohnungen aufgenommen« (Lk 16, 9), als würdig erfunden werde zu sehen: wie unendlich groß die Fruchtbarkeit Gottes des Vaters ist, dass Er durch das Schauen und Erkennen seines eigenen Wesens den Ihm wesensgleichen Sohn erzeugt; wie beider vollkommen gleicher Liebesodem, nämlich der Hl. Geist, der aus dem Vater und dem Sohn hervorgeht, den Erzeuger und den Gezeugten mit ewigem, unauflöslichem Bande umschlingt; und wie auf diese Weise das Wesen der göttlichen Dreifaltigkeit Eines ist und doch alle drei Personen vollkommen voneinander verschieden sind.


»den Allmächtigen« 

11 Die Hl. Schrift gebraucht viele Ausdrücke zur Bezeichnung der göttlichen Allgewalt und unendlichen Majestät, um uns die hohe Ehrfurcht und volle Hingabe zu lehren, die wir dem allerheiligsten Gott schulden. Besonders aber und am häufigsten wird Ihm die Allmacht zugeschrieben. Gott spricht von sich selbst: »Ich bin der Herr, der Allmächtige« (Gen 17, 1). Und Jakob betete für seine Söhne, als er sie zu Josef sandte: »Mein Gott, der Allmächtige, mache ihn euch geneigt« (Ebd 43, 14). In der Geheimen Offenbarung (Offb 1, 8) steht das Wort: »Gott der Herr, der da ist, der war und der kommen wird, der Allmächtige«. Und an anderer Stelle (Ebd 16, 14) spricht der Apostel vom »großen Tag des allmächtigen Gottes«. Nicht selten wird die Allmacht Gottes mit andern Worten umschrieben. Hierher gehören die Stellen: »Bei Gott ist kein Ding unmöglich«(Lk 1, 37). »Ist die Hand des Herrn etwa kraftlos«? (Num 11,23). »Dir steht, wenn du nur willst, das Können zu Gebote« (Weish 12, 18), u. a. m. Alle diese Wendungen haben den gleichen Sinn, der sich offenbar in dem einen Wort zusammenfassen lässt »der Allmächtige«.

Wir verstehn darunter, dass es nichts gibt und nichts sich erdenken und ersinnen lässt, was Gott nicht bewirken könnte. In seiner Macht steht es, alles in das Nichts zurücksinken und wiederum eine ganze Reihe von Welten mit einem Mal aus dem Nichts erstehen zu lassen. Und doch fällt das, so groß es ist, noch irgend wie in den Bereich dessen, was wir selbst ausdenken können; es stehen aber noch viele gewaltigere Dinge in seiner Macht, Dinge, von denen der menschliche Geist nicht einmal eine Ahnung hat.

12 Wenn Gott auch alles vermag, so kann Er deswegen doch nicht etwa lügen oder betrügen oder betrogen werden; Er kann nicht sündigen, nicht aufhören zu sein oder etwas nicht wissen. Denn all das kommt nur einem Wesen zu, das in seinem Tun unvollkommen ist; Gott, dessen Wirken stets das vollkommenste ist, kann all das deshalb nicht, weil ein solches »Können« Schwäche ist, und nichts zu tun hat mit jener höchsten, unbegrenzten Macht über alle Dinge, wie sie Gott besitzt. Wenn wir also an Gottes Allmacht glauben, so halten wir zugleich alles weit von Ihm fern, was sich mit seiner Wesensvollkommenheit nicht vereint und verträgt.

13 Der Seelsorger mache darauf aufwerksam, wie wohlbegründet es ist, dass mit Übergehung anderer Eigenschaften Gottes nur diese Eine im Glaubensbekenntnis genannt wird. Denn wenn wir Gott als allmächtig anerkennen, müssen wir notwendig auch bekennen, dass Er um alle Dinge weiß und dass alles seiner Macht und Oberhoheit unterworfen ist. Wenn wir nicht daran zweifeln, dass Er alles vermag, so sind uns ganz folgerichtig auch diese weiteren Eigenschaften klar; denn hätte Er diese nicht ebenfalls, so könnten wir es gar nicht verstehen, wie Er allmächtig sein sollte.

Weiterhin: Nichts vermag unserm Glauben und unsrer Hoffnung solchen Rückhalt zu geben, als die feste Überzeugung, dass Gott alles vermag. Was nur immer in der Folge uns zu glauben vorgelegt wird, so groß, so wunderbar, so alle Ordnungen und Maße der Natur überragend es auch sein mag - die menschliche Vernunft wird ohne Schwierigkeit und ohne Schwanken ihre Zustimmung geben, wenn sie einmal die Lehre von Gottes Allmacht voll verstanden hat. Mehr noch. Sie wird um so williger glauben, je erhabener die Wahrheiten sind, die Gottes Mund offenbart. Und was die Hoffnung betrifft, lässt sich der Christ niemals entmutigen durch die Größe des Gutes, das er ersehnt; er reckt sich auf und erstarkt vielmehr im steten Gedanken, dass es ja nichts gibt, was Gottes Allmacht nicht wirken könnte. Mit diesem gläubigen Vertrauen müssen wir uns vor allem bewaffnen, wenn die Aufgabe an uns herantritt, zum Wohl des Nächsten eine Großtat zu vollbringen oder wenn wir von Gott etwas erflehen wollen. Das erste hat der Herr selbst gelehrt, als Er den Aposteln Kleingläubigkeit vorwarf: »Wenn ihr nur Glauben habt so groß wie ein Senfkorn, so könnt ihr zu diesem Berg sagen: Rücke von da nach dort, und er wird hinrücken. Nichts wird euch unmöglich sein« (Mt 17, 20). Vom zweiten aber schreibt der hl. Jakobus: »Man muss mit Glauben bitten, ohne zu zweifeln. Denn wer zweifelt, gleicht einer Meereswoge, die vom Wind getrieben und umher geworfen wird. Ein solcher Mensch bilde sich nicht ein, etwas vom Herrn zu empfangen« (Jak 1, 6 f).

Der Glaube an Gottes Allmacht hat für uns noch manch andern Nutzen. Vor allem lehrt er uns allseitige Bescheidenheit und Demut nach dem Worte des Apostelfürsten: »Beugt euch unter die mächtige Hand Gottes« (1 Petr 5, 6). Er mahnt uns auch, dort nicht zu fürchten, wo kein Grund zur Furcht ist; sondern Gott allein zu fürchten, in dessen Gewalt wir selbst und all das Unsre steht. Hat doch der Erlöser das Wort gesprochen: »Ich will euch zeigen, wen ihr fürchten sollt: fürchtet den, der über den Tod hinaus auch noch in die Hölle stürzen kann« (Lk 12,5) Dieser Glaube hilft uns auch zur Erkenntnis und zum Preis der unermesslichen Wohltaten Gottes gegen uns. Wer sich an Gottes Allmacht erinnert, der kann nicht so undankbar sein, dass er nicht immer wieder ausriefe: »Großes hat an mir getan, der da mächtig ist« (Lk 1,49).

14 Wenn wir aber in diesem Glaubensartikel den Vater allmächtig nennen, so soll deshalb niemand wähnen, weil Ihm diese Eigenschaft beigelegt wird, sei sie nicht auch dem Sohne und dem Hl. Geist eigen. Wie wir den Vater Gott, den Sohn Gott und den Hl. Geist Gott nennen, und doch nicht drei Götter, sondern nur Einen Gott anerkennen, so nennen wir den Vater, den Sohn und den Hl. Geist allmächtig und bekennen damit doch nicht drei Allmächtige, sondern nur Einen Allmächtigen (Vgl das Symb. Athanasianum). Allerdings nennen wir den Vater allmächtig aus einem besonderen Grund, weil Er nämlich der Urquell aller Dinge ist. So legen wir auch dem Sohn, der das ewige Wort des Vaters ist, die Weisheit bei, und dem Hl. Geist, der beider Liebe ist, die Güte, wiewohl nach katholischer Glaubensregel diese und ähnliche Bezeichnungen von allen drei Personen gemeinsam ausgesagt werden.


»Schöpfer Himmels und der Erde« 

15 Wie notwendig die vorhergehende Belehrung der Christen über die Allmacht Gottes war, zeigt sich aus dem, was jetzt über die Erschaffung aller Dinge darzulegen ist. Das Wunder, das in einem solch gewaltigen Werk liegt, findet leichter Glauben, wenn keine Zweifelsmöglichkeit an der unermesslichen Macht des Schöpfers im Herzen mehr Platz hat. Gott hat die Welt nämlich nicht aus einem bereits vorhandenen Stoff aufgebaut, Er hat sie aus dem Nichts geschaffen.

Und zwar nicht unter dem Druck einer fremden Macht oder in blinder Notwendigkeit, sondern in voller Unabhängigkeit und Freiheit. Der einzige Grund, der Ihn zur Schöpfungstat bewog, war: den Wesen, die Er schaffen wollte, von seiner eigenen Güte [Vollkommenheit] mitzuteilen. Gottes Wesen, an sich schon im Besitz aller Seligkeit, mangelt nichts, wie David es in dem Wort ausspricht: »Ich sprach zum Herrn: mein Gott bist du, denn meiner Güter bedarfst du nicht« (Ps 15, 1 nach der Vulgata). Und wie Er alles, was Er wollte, rein aus Güte schuf, so folgte Er bei der Schöpfung auch nicht einem Vorbild, das etwa außer Ihm gewesen wäre; vielmehr sah Er, der erhabenste Werkmeister, der aller Dinge Urbild in seinem göttlichen Erkenntnisakt trägt, den ganzen Schöpfungsplan in sich selbst, und dieses innere Bild führte Er aus. So schuf Er mit seiner unendlichen Weisheit und unbegrenzten Kraft im Anbeginn die ganze Welt. »Er sprach - da wurde sie; er rief - da war sie geschaffen !« (Ps 148, 5).

16 Unter dem Ausdruck Himmel und Erde ist alles zu verstehen, was Himmel und Erde umfasst. Außer dem Himmel, den der Prophet »das Werk seiner Hände« (Ps 8, 4) nannte, schuf Er die leuchtende Sonne, den Mond und die anderen herrlichen Sterne. Und auf dass sie »zu Zeichen seien und zu Zeiten und zu Tagen und zu Jahren« (Gen 1, 14), ordnete Er die Himmelsbahnen zu solch sicherem festem Lauf, dass man nirgends größere Beweglichkeit sehen kann als bei der Gestirne ununterbrochenem Umlauf und doch zugleich nirgends größere Zuverlässigkeit als in diesen ihren Bewegungen.

17 Außerdem hat Gott die Geisterwelt aus Nichts erschaffen, unzählbare Engel, auf dass sie Ihm dienen und an seinem Throne stehen. Ihnen allen hat Er auch die herrliche Gabe seiner wunderbaren Gnade und Macht verliehen. Denn wenn es in der Hl. Schrift heißt, der Teufel habe in der Wahrheit nicht bestanden (Joh 8, 44), so war er und die andern abtrünnigen Engel offenbar im Anfang ihres Daseins im Stand der Gnade. S. Augustin schreibt darüber (S. Aug. Gottesstaat 12, 9): »Er schuf die Engel begabt mit gutem Willen, das heißt mit keuscher Liebe, in der sie ihm anhangen. Er schuf ihre Natur und schenkte ihnen zugleich die Gnade. Daher glauben wir, dass die hl. Engel nie ohne guten Willen, d. h. ohne Gottesliebe, gewesen sind«. Ihr Wissen geht aus dem Wort der Hl. Schrift hervor: »Mein Herr und König, du bist weise wie ein Engel Gottes, dass du alles auf Erden erkennst« (2 Kön 14, 20). Die Macht endlich schreibt David ihnen zu mit den Worten: »Gewaltig an Kraft vollzieht ihr seinen Willen«(Ps 102, 20). Deshalb werden sie auch in der Hl. Schrift nicht selten Kräfte und Heerscharen des Herrn genannt.

Allein, obwohl solche Himmelsgaben sie alle auszeichneten, fiel ein großer Teil der Engel von Gott, ihrem Vater und Schöpfer ab. Sie wurden dafür von ihrem erhabenen Thron gestürzt und in die tiefste Finsternis des unterirdischen Kerkers eingeschlossen, wo sie durch ewige Strafe für ihren Stolz büßen. Von ihnen schreibt der Apostelfürst: »Gott hat die sündigen Engel nicht geschont, sondern sie mit Ketten der Hölle gefesselt in die finsteren Abgründe hinabgestürzt und der Pein übergeben, um sie zum Gericht aufzubewahren« (2 Petr 2, 4).

18 Auch die Erde hat Gott durch sein Wort »fest gegründet« und ihr ihre Stellung im Weltall angewiesen. Er ließ »die Berge sich heben und die Täler sich senken, am Ort, den er für sie bestimmt« (Ps 103, 5. 8). Und damit die Wassermassen die Erde nicht überfluteten, »setzte er ihnen die Grenzen, die sie nicht überschreiten; nicht werden sie je die Erde bedecken« (Ps 103, 9). Dann hat Er die Erde mit dem Schmuck der Bäume und all der Pracht von Grün und Blumen bekleidet, und hat sie weiterhin, wie vorher schon das Wasser und die Luft, mit unzähligen Tieren aller Art erfüllt.

19 Zuletzt bildete Gott den Menschen seinem Leibe nach aus dem Lehm der Erde, und zwar so, dass er, nicht kraft seiner Natur, sondern aus besonderer Gunst Gottes, unsterblich und leidensunfähig war. Die Seele aber schuf Er nach seinem Bild und Gleichnis und stattete sie mit freiem Willen aus. Außerdem ordnete Er im Menschen alle Regungen der Seele und alle Begierden in der Art, dass diese stets dem Gebot der Vernunft gehorchten. Endlich gab Er ihm noch das wunderbare Gnadengeschenk der ursprünglichen Heiligkeit und setzte ihn als Herrscher über alle Lebewesen. All das kann der Seelsorger unschwer zur Unterweisung der Gläubigen dem hl. Geschichtsbuch der Genesis entnehmen.

20 Das also hat man unter der »Schöpfung aller Dinge«, unter den Worten »Himmel und Erde« zu verstehen. Der Prophet fasst es kurz zusammen in den Worten: »Dein sind die Himmel und dein ist die Erde; den Erdkreis und was ihr erfüllt, hast du gegründet« (Ps 88, 12). Noch kürzer haben das die Väter des Konzils von Nizäa bezeichnet indem sie im Glaubensbekenntnis dem Wort »Schöpfer« noch die beiden Ausdrücke hinzufügten »der sichtbaren und der unsichtbarer Dinge«. Denn alles, was die Welt umfasst und was wir als von Gott geschaffen bekennen, fällt entweder in die Sinne und wird »sichtbar« genannt, oder es kann nur geistig durch den Verstand von uns erfasst werden und wird dann als »unsichtbar« bezeichnet.

21 Doch dürfen wir nicht in der Weise all Gott als Schöpfer glauben, als hätten die erschaffenen Dinge nach Vollendung des Schöpfungswerkes nun ohne Gottes Allmacht weiter bestehen können. Denn weil alles durch des Schöpfers Allmacht, Weisheit und Güte ins Dasein gerufen wurde, so würde alles sofort wieder ins Nichts zurücksinken, wenn nicht Gottes Vorsehung beständig mit den geschaffenen Dingen wäre und die gleiche Kraft, die sie uranfänglich schuf, sie dauernd im Dasein erhielte. Die HI. Schrift erklärt das mit den Worten: »Wie könnte etwas bestehen ohne deinen Willen, oder wie könnte etwas, was du nicht gerufen, erhalten bleiben ?« (Weish 11, 26)

22 Gott erhält also und regiert durch seine Vorsehung alles, was da ist. Aber noch mehr. Was sich bewegt, was in Tätigkeit ist, dem gibt Er durch innerliche Kraft den Antrieb zu Bewegung und Tätigkeit, so zwar, dass Er, ohne die Wirksamkeit der geschaffenen Ursachen zu hindern, ihnen doch zuvorkommt. Denn seine ganz verborgene Macht erstreckt sich auf alles Einzelne und reicht nach dem Wort der Schrift »von einem Ende zum andern mit Macht und ordnet alles mit Milde« (Weish 8, 1). Darum spricht auch der Apostel, wo er vor den Athenern von dem Gott predigte, den sie verehrten ohne ihn zu kennen: »Er ist nicht fern von jedem aus uns; denn in ihm leben wir und bewegen wir uns und sind wir« (Apg 17, 27 f).

23 Das mag zur Erklärung des ersten Glaubensartikels genügen. Doch sei noch darauf aufmerksam gemacht, dass das Schöpfungswerk allen Personen der heiligen ungeteilten Drei eini g kei t gem ei ns amist. Hier bekennen wir nach der Lehre der Apostel den Vater als Schöpfer Himmels und der Erde. In der HJ. Schrift lesen wir aber auch vom Sohne: »Alles ist durch ihn geworden« (Joh 1,3); und vom Hl. Geist: »Der Geist des Herrn schwebte über den Wassern« (Gen 1, 2); und an anderer Stelle: »Durch das Wort des Herrn sind festgefügt die Himmel und durch den Hauch seines Mundes all ihre Kraft« (Ps 32, 6).

Drittes Kapitel: Zweiter Glaubensartikel
«Und an Jesus Christus seinen eingebornen Sohn unsern Herrn« 

1 Wunderbar und überreich sind die Früchte, die uns Menschen aus dem Glauben an diesen Artikel und aus dessen Bekenntnis zuteil geworden sind. Darauf weist schon das Wort des hl. Johannes hin: »Wer bekennt, dass Jesus der Sohn Gottes ist, in dem bleibt Gott und der bleibt in Gott« (1 Joh 4, 15). Das beweist weiterhin die Seligpreisung, die dem Apostelfürst von Christus dem Herrn zuteil wurde: »Selig bist du, Simon, Sohn des Jonas! Denn nicht Fleisch und Blut haben dir das geoffenbart, sondern mein Vater, der im Himmel ist«(Mt 16. 17). Es ist eben dieser Glaube und dieses Bekenntnis das felsenfeste Fundament unsres Heils und unsrer Erlösung.

2 Am besten lässt sich die erhabene Bedeutung dieser Heilswahrheit verstehen aus dem Zusammenbruch jenes glückseligen Urzustandes, in den Gott die ersten Menschen versetzt hatte. Und darum gebe sich der Seelsorger alle Mühe, die Gläubigen diesen Grund des Elends und der Plagen erkennen zu lassen, an denen wir alle zu tragen haben.

Da nämlich Adam Gott den Gehorsam aufkündigte und das Verbot übertrat: » Von allen Bäumen des Gartens darfst du essen, aber vom Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen sollst du nicht essen. An dem Tag, an dem du davon issest, musst du des Todes sterben« (Gen 2, 16. 17) da stürzte er sich damit zugleich in jenes unsagbar große Unglück: er verlor die Heiligkeit und Gerechtigkeit, in der er erschaffen war, und musste all die andern Strafen auf sich nehmen, wie sie das hl. Konzil von Trient des näheren ausführt (Conc. Trid. V de pecc. orig.). Doch blieb die Sünde und deren Strafe nicht bei Adam allein stehen -- so fahre der Seelsorger fort - sie ging vielmehr, und zwar mit Recht, von Adam wie aus ihrem Samen und ihrer Ursache auf alle Nachkommen über.

3 So war denn unser Geschlecht jählings aus seiner erhabenen Höhe herabgestürzt. Wieder erhoben und in den frühem Zustand zurückversetzt werden konnte es aber nicht durch Menschen- und nicht durch Engelskraft - es blieb nur Ein Rettungsmittel aus dem Zusammenbruch und all seinen üblen Folgen: dass der Sohn Gottes nach Annahme unsres schwachen Fleisches mit seiner unendlichen Macht die unendliche Last der Sünden hinweg nahm und uns wieder mit Gott versöhnte in seinem Blut.

4 Dieser Glaube an die Erlösung durch Jesus und sein Bekenntnis ist für den Menschen notwendig zur Erlangung des Heils und war es zu jeder Zeit. Darum hat Gott auch von Anbeginn darauf hingewiesen. Schon bei jenem Strafurteil über das Menschengeschlecht, das der Sünde auf dem Fuß folgte, wurde der Hoffnungsstern der Erlösung von ferne gezeigt, dort nämlich, wo Gott dem Teufel die empfindliche Niederlage vorausverkündete, die ihn durch die Erlösung der Menschheit treffen sollte: »Ich will Feindschaft setzen zwischen dir und der Frau, zwischen deinen Nachkommen und ihren Nachkommen. Sie wird dir den Kopf zertreten und du wirst ihrer Ferse nachstellen« (Gen 3, 15).

Dieselbe Verheißung hat Gott in der Folge oft bestätigt, und seinen Heilsplan vor allem solchen Menschen deutlicher geoffenbart, denen Er sich besonders gewogen zeigen wollte. Einer aus diesen war der Patriarch Abraham. Gott hat ihm mehrmals Andeutungen über dieses Geheimnis gemacht. Vor allem klar ließ Er es ihn aber damals erkennen, als Abraham in Gehorsam gegen Gottes Gebot seinen einzigen Sohn Isaak opfern wollte. Da sprach Er zu ihm: »Weil du das getan und deines einzigen Sohnes nicht geschont hast, will ich dich segnen und deine Nachkommen zahlreich machen wie die Sterne des Himmels und wie den Sand am Meeresufer. Dein Stamm soll besitzen die Pforten deiner Feinde und in deinem Samen sollen gesegnet werden alle Völker der Erde, weil du meiner Stimme gehorcht hast« (Gen 22, 16. 17). Aus diesen Worten ließ sich unschwer erkennen, dass von Abraham jener abstammen werde, der allen die Befreiung aus der furchtbaren Gewaltherrschaft Satans und das Heil bringen werde. Der Verheißene musste aber auch Sohn Gottes sein, wiewohl dem Fleische nach aus dem Samen Abrahams geboren. - Nicht lange darnach hat der Herr, um das Andenken an diese Verheißung lebendig zu erhalten, einen gleichen Bund mit Abrahams Enkel Jakob geschlossen. Als dieser nach dem Bericht der Hl. Schrift im Traum eine Leiter, deren Spitze bis zum Himmel reichte, auf der Erde stehen und Engel Gottes auf ihr auf- und niedersteigen sah, da hörte er den Herrn vom obern Ende der Leiter zu ihm sprechen: »Ich bin der Herr, der Gott deines Vaters Abraham und der Gott Isaaks.

Das Land, auf dem du schläfst, will ich dir und deinem Stamme geben und deine Nachkommenschaft soll zahlreich werden wie der Staub der Erde. Du wirst dich ausbreiten nach Ost und West und Nord und Süd und gesegnet sollen werden in dir und deinem Nachkommen alle Völker der Erde« (Gen 28, 12 f). - Auch später hörte Gott nicht auf, das Andenken an diese seine Verheißung aufzufrischen und unter den Abkömmlingen Abrahams und weit darüber hinaus in vielen andern die Erwartung des Erlösers rege zu halten. Nach der Gründung des jüdischen Staates und der Stiftung der israelitischen Religion wurde diese Erwartung Allgemeingut des Volkes. Denn Dinge ohne Sprache wurden zu Vorbildern und Menschen erhoben ihre Stimme um vorauszukünden, welche und welch große Güter dieser unser Heiland und Erlöser Jesus Christus bringen werde. Die Propheten, den Geist von Himmelslicht erfüllt, sprachen vor allem Volk und weissagten des Gottessohnes Geburt, weissagten die Wunderwerke, die Er nach seiner Menschwerdung wirken werde, seine Lehre, seine Charakterzüge, sein Leben, seinen Tod, seine Auferstehung und die übrigen Geheimnisse - und all das in einer Weise, als ob sie selbst Augenzeugen von alle dem gewesen wären. Nimmt man nämlich das zeitliche Auseinander von Vergangenheit und Zukunft weg, so möchte man kaum einen Unterschied wahrnehmen zwischen den Weissagungen der Propheten und der Predigt der Apostel, zwischen dem Glauben der Patriarchen und unserm Glauben.

Doch nun zur Behandlung der einzelnen Teile dieses Artikels.


»Jesus« 

5 Jesus ist der eigentliche Name des Gottmenschen. Er bedeutet soviel wie »Erlöser«. Nicht aus Zufall oder menschlicher Willkür wurde Ihm dieser Name gegeben, es geschah dies vielmehr nach Gottes Ratschluss und Befehl. Der Engel hat es so seiner Mutter Maria angekündigt: »Siehe, du wirst empfangen und einen Sohn gebären; dem sollst du den Namen Jesus geben« (Lk 1, 31). Und dann gab der Engel Josef, dem Bräutigam der Jungfrau, den Auftrag, dem Kind diesen Namen zu geben, und fügte überdies den Grund dafür bei: »Josef, Sohn Davids, trage kein Bedenken, Maria als deine Gemahlin heimzuführen! Denn was in ihr erzeugt worden ist, stammt vom Hl. Geist. Sie wird einen Sohn gebären, dem sollst du den Namen Jesus geben. Denn er wird sein Volk von dessen Sünden erlösen« (Mt 1, 20. 21).

6 Viele Personen in der Hl. Schrift tragen den Namen Jesus. Der Sohn Naves hieß so (Sir 46, 1), der Nachfolger Moses', der das von Moses aus Ägypten befreite Volk ins Land der Verheißung führte, was jenem versagt geblieben war. Denselben Namen trug Josedech, der Sohn des Hohenpriesters (Sir 49, 14). Aber mit wie viel mehr Berechtigung muss dieser Name nicht unserm Erlöser zukommen! Ihm, der nicht ein einzelnes Volk, sondern alle Menschen aller Zeiten nicht bloß aus Hungersnot oder aus dem Druck ägyptischer oder babylonischer Knechtschaft, sondern aus der Finsternis des Todes und den furchtbar harten Banden der Sünde und des Teufels zu Licht, Freiheit und Glück geführt hat. Ihm, der ihnen Anrecht und Erbanspruch aufs Himmelreich erworben und sie Gott dem Vater wieder versöhnt hat.

So sehen wir in jenen alttestamentlichen Gestalten Christus den Herrn vorgebildet, durch den die Menschheit mit all den genannten Wohltaten überreich beschenkt wurde.

Alle andern Namen, die außerdem noch nach den Weissagungen durch göttlichen Ratschluss dem Gottessohn zukommen sollten, gehen letzten Endes auf diesen einen Namen Jesus zurück; denn während sie das Heil, das Er uns geben sollte, unter irgend einer Teilrücksicht andeuten, umfasst dieser Name den ganzen Inhalt und die ganze Tragweite der Erlösung der gesamten Menschheit.


»Christus« 

7 Dem Namen Jesus ist der Name Christus beigefügt. Die Bedeutung dieses Wortes ist »der, Gesalbte«. Es ist ein Ehren- und Amtsname, und zwar nicht nur für Ein Amt, sondern für mehrere zugleich. Denn die Väter der Vorzeit, bezeichneten mit dem Namen »Christus« Priester und Könige, deren Salbung Gott mit Rücksicht auf ihr hohes Amt angeordnet hatte. Des Priesters Beruf ist es ja, das Volk in immerwährendem Gebet Gott zu befehlen, Gott Opfer darzubringen, Fürbitte fürs Volk einzulegen. Den Königen aber ist die Regierung der Völker anvertraut, ihre Aufgabe vor allem ist es, Hoheit und Ansehen der Gesetze aufrecht zu erhalten, das Leben der Guten zu schützen und den Übergriffen der Bösen zu wehren. So sind denn beide Ämter ein Abbild der Gotteshoheit hier auf Erden, und aus diesem Grund wurden die zur Übernahme des Königs- oder Priesteramtes Ausersehenen gesalbt. Die Propheten zu salben war gleichfalls altes Herkommen, da sie als Dolmetscher und Boten des ewigen Gottes uns des Himmels Geheimnisse enthüllten und durch Predigt wie durch Weissagungen über die Zukunft zur Lebensbesserung aufriefen.

Unser Heiland Jesus Christus nun übernahm bei seinem Eintritt in die Welt Stellung und Amt aller drei: des Propheten, des Hohenpriesters und des Königs. Aus diesem Grund erhielt Er den Namen "Christus« und wurde zur Ausübung dieser drei Aufgaben gesalbt. Nicht durch die Hand eines Sterblichen, sondern durch die Kraft des himmlischen Vaters; nicht mit irdischer Salbung, sondern mit geistlichem Salböl, da die Gnadenfülle des Hl. Geistes und all dessen Gaben sich in seine allerheiligste Seele ergossen in einem Maß, wie es kein anderes Geschöpf je zu fassen vermocht hätte. Sehr schön hat das der Prophet angedeutet, wenn er den Erlöser selbst mit den Worten anredet: »Du liebst das Recht und hassest den Frevel. Darum salbte dich der Herr, dein Gott, mit Freudenöl vor deinen Genossen« (Ps 44, 8). Ähnlich, aber noch klarer, spricht Isaias den Gedanken aus: »Der Geist des Herrn ist über mir; denn der Herr hat mich gesalbt. Den Sanftmütigen zu predigen hat er mich gesandt« (Jes 61, 1).

So war denn Jesus Christus der höchste Prophet und Lehrer, der uns den Willen Gottes wies und dessen Lehre aller Welt die Kunde vom Vater im Himmel brachte. Der Name Prophet kommt Ihm in um so höherem, vorzüglicherem Sinn zu, weil alle, die der Bezeichnung »Prophet« gewürdigt wurden, nur seine Schüler sind und vor allem zu dem Zweck gesandt wurden, um jenen Einen Propheten voraus zu künden, der da zur Rettung aller kommen sollte.

Christus war zugleich Hoherpriester, freilich nicht nach der Ordnung, nach der im Alten Bund die Priester aus Levis Stamm hervorgingen, sondern nach jener, von der der Prophet David sang: »Du bist Priester ewiglich nach Ordnung des Melchisedech« (Ps 109, 4). Der hl. Paulus hat in seinem Brief an die Hebräer dieses Thema weiter ausgeführt (Herb 5, 6).

Aber wir anerkennen Christus auch als König, nicht nur in seiner Gottheit, sondern auch soweit Er Mensch und Teilhaber unsrer Natur ist. Von Ihm hat der Engel gesagt: «Er wird herrschen im Hause Jakob in Ewigkeit und seines Reiches wird kein Ende sein« (Lk 1, 32. 33) Dieses Reich Christi ist geistiger Natur und von ewiger Dauer. Auf Erden beginnt es und im Himmel wird es vollendet. In der Tat erfüllt auch Christus mit wunderbar fürsorglichem Weitblick gegen seine Kirche die Aufgaben eines Königs: Er regiert sie; Er schützt sie vor Feindes Angriff und Hinterlist; Er gibt ihr Gesetze; Er spendet Heiligkeit und Gerechtigkeit und gibt darüber hinaus Fähigkeit und Kraft zu beharren. Wohl wohnen innerhalb der Grenzen dieses Reiches Gute und Böse, ja von Rechts wegen gehören alle Menschen zu diesem Reich; aber die unendliche Güte, das ganze Wohlwollen unsres Königs erfahren doch vor allem jene, die seinen Geboten getreu ein reines, sündenfreies Leben führen. - Doch erhielt Christus dieses Reich nicht durch Erbrecht oder sonst auf Grund eines menschlichen Rechtes, obwohl Er seinen Stammbaum auf hochberühmte Könige zurückführen konnte. König war Er, weil Gott Ihm als Menschen an Gewalt, an Machtfülle und Würde verlieh, was nur immer eine Menschennatur zu fassen vermag. Ihm übergab Er die Herrschaft über die ganze Welt und Ihm wird dereinst alles in der Tat, wie es schon jetzt angebahnt ist, restlos und vollkommen unterworfen werden am Tag des Gerichts.


»Seinen eingebornen Sohn« 

8 Mit diesen Worten wird dem Christen ein noch höheres Geheimnis über Jesus zu gläubiger Betrachtung vorgestellt: die Tatsache nämlich, dass Er der Sohn Gottes und wahrer Gott ist wie der Vater, der Ihn von Ewigkeit her zeugt. Außerdem bekennen wir Ihn damit als die zweite Person der göttlichen Dreieinigkeit, als vollkommen gleich den beiden anderen göttlichen Personen. Es darf ja nichts in den drei Personen ungleich oder unähnlich sein oder auch nur gedacht werden, da wir in Ihnen nur Ein Wesen, Einen Willen und Eine Macht anerkennen. Das geht aus vielen Aussprüchen der Hl. Schrift hervor. Besonders klar zeigt es das Wort des hl. Johannes: » Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und Gott war das Wort« (Joh 1, 1).

Doch wenn wir hören, Jesus ist der Sohn Gottes, so darf man seine Zeugung nicht in irdisch-menschlicher Weise auffassen. Wir können jene Zeugung, durch die der Vater von Ewigkeit her den Sohn hervorbringt, mit dem Verstand überhaupt nicht durchschauen und vollkommen erfassen. Dafür müssen wir dieses Geheimnis fest und standhaft glauben, müssen es mit tiefster Andacht verehren und, von Staunen über dieses Geheimnis gleichsam hingerissen, mit dem Propheten sprechen: » Wer wird seine Zeugung erklären?« (Jes 53, 8)

Das also müssen wir glauben, dass der Sohn Eines Wesens, Einer Macht und Weisheit mit dem Vater ist, so, wie wir es im Nizänischen Glaubensbekenntnis ausführlicher bekennen mit den Worten: »Und an Jesus Christus, seinen eingebornen Sohn, aus dem Vater geboren vor aller Zeit. Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott. Gezeugt, nicht geschaffen, Eines Wesens mit dem Vater, durch den alles geschaffen ist.« 

Von all den Vergleichen, die sich zur Erklärung der Art und Weise dieser ewigen Zeugung vorbringen lassen, kommt wohl jener der Sache am nächsten, der aus dem Denken unsrer Seele genommen ist. Der hl. Johannes hat aus diesem Grund den Sohn Gottes »das Wort« genannt. Wie unser Geist, indem er sich selbst in gewissem Grad erkennt, ein Bild seiner selbst hervorbringt, das die Theologen als» Wort« bezeichnet haben, so bringt Gott (wenn und soweit Menschliches mit Göttlichem verglichen werden kann), indem Er sich selbst erkennt, das Ewige Wort hervor.

Freilich, besser ist es zu betrachten, was der Glaube lehrt, und mit aufrichtigem Herzen Jesus Christus als wahren Gott und wahren Menschen gläubig zu bekennen: als Gott aus dem Vater gezeugt vor aller Zeit, als Mensch geboren in der Zeit aus Maria, der jungfräulichen Mutter.

9 Wiewohl wir demnach für Ihn einen doppelten Ursprung anerkennen, so halten wir doch daran fest, dass nur Ein Sohn ist. Eine nämlich ist die Person, der die göttliche wie die menschliche Natur zukommt.

10 Im Hinblick auf seine göttliche Zeugung hat Christus keine Brüder oder Miterben, da Er des Vaters einziger Sohn ist, wir Menschen aber nur das Gebilde und Werk seiner Hände. In Rücksicht aber auf seine menschliche Geburt nennt Er viele nicht nur dem Namen nach Brüder, Er betrachtet sie auch wirklich als seine Brüder, auf dass sie zugleich mit Ihm die väterliche Erbschaft in der Glorie erlangen. Es sind das jene, die Christus den Herrn durch den Glauben aufgenommen haben und den Glauben, den sie durch ihren Namen [»Christen«] bekennen, auch im Werk durch Taten der Liebe ausüben. Daher wird Er vom Apostel »der Erstgeborne unter vielen Brüdern« (Röm 8, 29) genannt.


»Unsern Herrn« 

11 Vieles ist, was in der Hl. Schrift von unserm Heiland ausgesagt wird. Davon kommt Ihm einiges offenbar als Gott, anderes als Mensch zu. Denn von den zwei verschiedenen Naturen hat Er auch deren verschiedene Eigenschaften empfangen. So sagen wir ganz richtig: Christus ist allmächtig, ewig, unermesslich, da Er dies von der göttlichen Natur hat. Und wiederum sagen wir von Ihm: Er hat gelitten, Er ist gestorben, ist auferstanden, was zweifellos nur seiner menschlichen Natur zukommt.

Doch ist außerdem manches andere, was beiden Naturen zukommt, wie eben hier der Name »unser Herr«. Wenn sich also dieser Name auf beide Naturen bezieht, dann muss Christus mit Recht in vollkommenster Weise unser Herr genannt werden. - Wie Er nämlich ewiger Gott ist wie der Vater, so ist Er auch in gleicher Weise aller Dinge Herr wie der Vater; und wie Er und der Vater nicht zweierlei Götter sind, sondern vollkommen der gleiche Gott, so sind auch Er und der Vater nicht zwei verschiedene Herren.

Aber auch als Mensch wird Er mit Recht unser Herr genannt, und zwar aus mehreren Gründen. Zunächst: Weil Er unser Erlöser ist und uns von den Sünden befreit hat, darum hat Er auch mit Recht die Befugnis empfangen, in Wahrheit unser Herr zu sein und zu heißen. So lehrt der Apostel: »Er hat sich selbst erniedrigt und ward gehorsam bis zum Tod, ja bis zum Tod am Kreuze. Darum hat Gott ihn auch erhöht und ihm einen Namen gegeben, der ist über alle Namen, auf dass im Namen Jesu sich beuge jedes Knie im Himmel, auf Erden und unter der Erde, und jede Zunge bekenne, dass Jesus Christus der Herr ist in der Herrlichkeit Gottes des Vaters« (Phil 2, 8 f). Und Er selbst sprach von sich nach der Auferstehung: »Mir ist alle Gewalt gegeben im Himmel und auf Erden« (Mt 28, 18). - Er wird auch deshalb Herr genannt, weil in Ihm meiner Person zwei Naturen, die göttliche und die menschliche, vereint sind. Durch diese wunderbare Vereinigung hätte Er, auch wenn Er nicht für uns gestorben wäre, verdient, als Herr über die ganze Schöpfung gesetzt zu werden, vor allem aber über die Christen, die Ihm gehorchen und von Herzen mit allem Eifer dienen.

12 Der Pfarrer fordere demnach die Gläubigen auf, zu bedenken, wie entsprechend es ist, dass vor allen andern Menschen wir, die wir von Ihm den Namen erhielten und Christen heißen, wir, die wir die Größe seiner Wohltaten gegen uns gar nicht übersehen können, zumal da wir all das durch seine Gnade im Glaubenslicht erkennen, - wie entsprechend es also ist, dass wir uns selbst unserm Herrn und Erlöser nicht anders denn als Leibeigene für immer schenken und weihen. Als wir die Taufe empfingen, haben wir denn auch diesen EntschIuss vor den Toren der Kirche kundgegeben. Wir haben erklärt, dem Satan und der Welt widersagen und uns ganz Jesus Christus hingeben zu wollen. Wenn wir uns also in solch heiligem, feierlichem Bekenntnis unserm Herrn geweiht haben, um in die christliche Streiterschar Aufnahme zu finden: welche Strafe würden wir da nicht verdienen, wenn wir nach unserm Eintritt in die Kirche, nach der Erkenntnis des Willens und der Gesetze Gottes, nach dem Empfang der sakramentalen Gnaden, nun den Geboten und Gesetzen der Welt und des Teufels gemäß lebten, gerade als ob wir uns bei der Taufe der Welt und dem Teufel und nicht Christus, unserm Herrn und Heiland verschrieben hätten. Ja wessen Herz sollte nicht vollends in Liebe erglühen gegenüber solcher Güte und herzlichen Liebe eines so erhabenen Herrn zu uns: der uns, die Er durch sein Blut erkauft und daher als Hörige in seiner Macht und Gewalt hat, dennoch mit solcher Liebe umfängt, dass Er uns nicht Knechte nennt, sondern Freunde, Brüder ! Das ist wahrhaftig der gerechteste und wohl auch der allerstärkste Grund, weshalb wir Ihn immerdar als unsern Herrn anerkennen, verehren und Ihm dienen müssen.

Viertes Kapitel: Dritter Glaubensartikel
»Der empfangen ist vom Hl. Geist, geboren aus Maria der Jungfrau« 

1 Unendlich groß und einzig in seiner Art ist das Gnadengeschenk, das Gott dem Menschengeschlecht durch die Befreiung aus der furchtbar harten Tyrannei des Teufels erwies; das können die Christen aus all dem erkennen, was im vorhergehenden Glaubensartikel auseinandergesetzt wurde. Vergegenwärtigen wir uns aber auch noch die ganze Art und Weise, in der Gott diese Befreiungstat durchführen wollte, dann zeigt sich noch klarer, dass Gottes Güte und Wohlwollen gegen uns in der Tat über alles Maß herrlich und erhaben ist. Die Größe dieses vornehmsten Geheimnisses der Erlösung, das uns die Hl. Schrift oft zur Betrachtung vor Augen hält, suche daher der Seelsorger in der Erklärung dieses und der folgenden Artikel aufzuweisen.

Der Sinn des dritten Glaubensartikels - so lehre er - ist der: Wir glauben und bekennen, dass derselbe Jesus Christus, der unser alleiniger Herr und der Sohn Gottes ist, als Er zu unserm Heil im Schoß der Jungfrau Fleisch annahm, nicht durch Mannessamen wie die andern Menschen, sondern über alle Ordnung der Natur durch die Kraft des Hl. Geistes empfangen wurde, so zwar, dass dieselbe Person Gott blieb, was sie von Ewigkeit war, und Mensch wurde, was sie vorher nicht war.

Dass man die Worte des Glaubensartikels tatsächlich so verstehen muss, ergibt sich klar aus dem Bekenntnis des hl. Konzils von Konstantinopel. Dort heißt es nämlich: »Der wegen uns Menschen und wegen unsres Heiles vom Himmel herabgestiegen ist. Und Fleisch angenommen hat durch den Hl. Geist aus Maria, der Jungfrau, und Mensch geworden ist.« - Das gleiche hat der hl. Evangelist Johannes (Joh 1, 1. 14) ausgesprochen, er, der die Kenntnis dieses erhabensten Geheimnisses aus dem Herzen unsres Herrn und Heilands selbst geschöpft hat. Denn nachdem er die Natur des Göttlichen Wortes folgendermaßen erklärt hat: »Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und Gott war das Wort,« sagt er am Schluss: »Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt.« 

2 Das Wort, das eine Person der Gottheit ist, hat also die menschliche Natur in der Weise angenommen, dass ein und dieselbe Person Träger der göttlichen und der menschlichen Natur ist. So kam es, dass bei dieser wunderbaren Vereinigung die Tätigkeiten und Eigenschaften beider Naturen erhalten blieben, und dass nach dem Wort des hl. Papstes Leo des Großen »weder die Herrlichkeit der höhern die niedere Natur vernichtete, noch die Annahme der niedern der höhern Natur Eintrag tat« (Serm. 21, 2).


»Empfangen vom Hl. Geist« 

3 Im einzelnen mache der Seelsorger zunächst aufmerksam: wenn wir auch sagen, der Sohn ist empfangen durch die Kraft des Hl. Geistes, so hat doch diese Person der göttlichen Dreifaltigkeit das Geheimnis der Menschwerdung nicht allein gewirkt. Gewiss, der Sohn allein hat die menschliche Natur angenommen, aber es haben alle drei Personen der Allerheiligsten Dreifaltigkeit, der Vater, der Sohn und der Hl. Geist bei der Ausführung dieses Geheimnisses gemeinsam gewirkt.

Es ist überhaupt als eine christliche Glaubensnorm festzuhalten: Alles was Gott nach außen in den geschaffenen Dingen wirkt, das ist allen drei Personen gemeinsam; keine wirkt mehr als die andere, keine wirkt ohne die andere. Nur das innere Hervorgehen der einen Person aus der anderen kann nicht allen drei gemeinsam sein. Denn der Sohn wird nur vom Vater gezeugt und der Hl. Geist geht aus dem Vater und dem Sohn hervor. Alles aber, was von Ihnen nach außen geschieht, wirken ohne Unterschied alle drei Personen. Und zu dieser Art von Tätigkeiten gehört die Menschwerdung des Gottessohnes.

Trotzdem teilt die Hl. Schrift auch von dem allen drei Personen Gemeinsamen in der Regel manches der einen und manches einer andern zu, so z. B. die Oberhoheit über die gesamte Schöpfung dem Vater, die Weisheit dem Sohn, und dem Hl. Geist die Liebe. Und weil nun das Geheimnis der Menschwerdung Gottes die ganz einzigartige, unermessliche Güte Gottes gegen uns offenbart, wird dieses Werk in besonderer Weise dem Hl. Geist zugeschrieben.

4 Es ist dieses Geheimnis die Wirkung teils übernatürlicher Vorgänge, teils natürlicher Kräfte. Wenn uns der Glaube sagt, dass der Leib Christi aus dem allerreinsten Geblüt der jungfräulichen! Mutter gebildet wurde, so sehen wir darin nur einen natürlich-menschlichen Vorgang, da der menschliche Leib nach allgemeinem Naturgesetz aus dem Geblüt der Mutter gebildet wird. Was aber Naturordnung wie menschliche Fassungskraft übersteigt, ist die Tatsache, dass im gleichen Augenblick, wo die seligste Jungfrau mit den Worten »Siehe, ich bin die Magd des Herrn, mir geschehe nach deinem Worte« (Lk 1, 38) ihre Zustimmung zu der Botschaft des Engels gab, der allerheiligste Leib Christi gebildet und die Seele im Besitz des Gebrauchs der Vernunft mit dem Leibe verbunden wurde, - dass also im gleichen Augenblick der unendlich vollkommene Gott auch vollkommener Mensch wurde. Dass dies ungewöhnlich und ein erhabenes Werk des Hl. Geistes war, daran lässt sich nicht zweifeln (Der lateinische Text fügt noch die Worte hinzu: »Denn nach dem gewöhnlichen Lauf der Natur kann kein Körper vor einer bestimmten Zeit durch die menschliche Seele belebt werden.« Dies beruht auf der alten Anschauung, dass die geistige Seele den Leib erst 40 (bzw. 80) Tage nach der Empfängnis belebe).

Dazu die weitere wunderbare Tatsache: in demselben Augenblick, wo die Seele sich mit dem Leib verband, einte sich auch die Gottheit mit Leib und Seele. Sobald also der Leib gebildet und beseelt war, verband sich die Gottheit mit Leib und Seele. So ward denn im sei ben Augenblick der wahre Gott auch wahrer Mensch, und die heiligste Jungfrau wird mit Recht im eigentlichsten Sinn Mutter des Gottmenschen genannt, weil sie im gleichen Augenblick Gott und Mensch empfing. Das wurde ihr auch vom Engel angedeutet mit den Worten: »Siehe, du wirst im Schoße empfangen und einen Sohn gebären und seinen Namen wirst du Jesus nennen. Dieser wird groß sein und Sohn des Allerhöchsten genannt werden« (Lk 1,31). Das gleiche sprach Elisabeth aus, als sie vom Hl. Geist erfüllt die Empfängnis des Sohnes Gottes erkannt hatte: »Woher kommt mir dies, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt?« (Lk 1, 43) So wurde zur Tatsache, was Isaias (Jes 7, 14) vorausverkündet hatte: »Siehe, die Jungfrau wird empfangen und einen Sohn gebären.« 

Doch wie der Leib Christi, wie bereits gesagt, ohne alles Zutun des Mannes aus dem reinsten Blut der unversehrten Jungfrau, allein durch die Kraft des Hl. Geistes gebildet wurde, so erhielt auch seine Seele im ersten Augenblick der Empfängnis die reichste Fülle des Hl. Geistes und ein Übermaß von Gnadengaben aller Art. Denn Ihm gab Gott nicht wie anderen heiligen und begnadeten Menschen, den Geist »nach Maß«, wie der hl. Johannes sagt (Joh 3, 34); in seine Seele goss Er alle Gnade so überreich, dass »wir von seiner Fülle alle empfangen haben« (Joh 1, 16)

5 Obwohl also Christus jenen Geist besaß, durch den Gott die Gerechtfertigten an Kindes Statt annimmt, so darf man Ihn doch nicht [angenommen oder] Adoptivsohn Gottes nennen. Denn Er ist Gottes Sohn von Natur und darum kann bei Ihm an die Gnade oder auch nur an den Namen der Adoption nicht im entferntesten gedacht werden.

6 Damit aus dieser Erklärung des wunderbaren Geheimnisses der Empfängnis heilsame Frucht reichlich auf die Gläubigen überströme, müssen sie sich vor allem folgende Punkte wiederholt ins Gedächtnis rufen und öfter von Herzen erwägen: Es ist Gott, der menschliches Fleisch annimmt; und Er wurde Mensch auf eine Weise, die wir nicht ausdenken, geschweige denn mit Worten ausdrücken können; endlich, Er wollte Mensch werden, auf dass wir Menschen zu Kindern Gottes wieder geboren würden. Indem sie diese Wahrheiten aufmerksam betrachten, sollen sie alle Geheimnisse, die dieser Glaubensartikel enthält, mit demütigem und gläubigem Herzen annehmen und anbeten, sie aber nicht neugierig durchforschen und ergründen wollen; denn das ist fast immer mit Gefahren verbunden.


»Geboren aus Maria der Jungfrau« 

7 Der Seelsorger erkläre sorgfältig auch den zweiten Teil dieses Artikels, der von den Christen den Glauben verlangt, dass der Herr Jesus nicht nur durch die Kraft des Hl. Geistes empfangen, sondern auch aus Maria der Jungfrau geboren und zur Welt gebracht wurde. Mit welch inniger Herzensfreude diese Glaubenswahrheit erwogen werden soll, drückt das Wort des Engels aus, der der Welt als erster die selige Botschaft brachte: »Siehe, ich verkünde euch eine große Freude, die allem Volk zuteil wird«; und dann das Lied, das die Engelscharen sangen: »Ehre sei Gott in der Höhe und Friede den Menschen auf Erden, die eines guten Willens sind« (Lk 2, 10. 14). Jetzt begann die großartige Verheißung Gottes an Abraham sich zu erfüllen: in seinem Nachkommen sollten alle Völker gesegnet werden (Gen 22, 18). Maria nämlich, die wir als wahre Gottesmutter preisen und verehren, weil sie die erhabene Person gebar, die Gott und Mensch zugleich war - Maria führte ihre Abkunft auf David und damit auf Abraham zurück.

8 Wie aber schon die Empfängnis Christi alle Ordnung der Natur einfachhin übersteigt, so ist auch in der Geburt alles göttlich, was wir auch betrachten mögen.

Zudem - und das gehört zum Wunderbarsten, was sich sagen oder auch nur denken lässt - Er wird von der Mutter geboren, ohne die Jungfrauschaft der Mutter auch nur im geringsten zu verletzen. Wie Er später aus dem verschlossenen und versiegelten Grab hervorging und »bei verschlossenen Türen zu den Jüngern kam« (Joh 20, 19), oder - um bei Dingen zu bleiben, die wir tagtäglich sich ereignen sehen, - wie die Sonnenstrahlen die feste Glasmasse durchdringen ohne sie zu brechen oder irgendwie zu beschädigen: so und erhabener noch ging Jesus Christus aus dem Schoß der Mutter ohne jede Versehrung der mütterlichen Jungfräulichkeit hervor; wir feiern und preisen ja diese ihre unversehrte, immerwährende Jungfrauschaft mit den berechtigsten Lobgesängen. Bewirkt wurde dieses Wunder durch die Kraft des Hl. Geistes, der bei der Empfängnis und Geburt des Sohnes gnadenvoll mit der Mutter war, so zwar, dass Er ihr Fruchtbarkeit schenkte und dabei doch die immerwährende Jungfräulichkeit bewahrte.

9 Der Apostel nennt Christus Jesus zuweilen »den zweiten Adam« und vergleicht Ihn mit dem ersten Adam. Denn wie im ersten alle Menschen sterben, so werden im zweiten alle wieder zum Leben erweckt (1 Kor 15, 22); und wie Adam für das Menschengeschlecht Stammvater der Natur nach war, so ist Christus Urheber der Gnade und Glorie. In ähnlicher Weise können wir auch die Jungfrau-Mutter mit Eva vergleichen, so dass der ersten Eva Maria als zweite Eva gegenübersteht, wie Christus als zweiter Adam dem ersten Adam. Eva hat Fluch und Tod über das Menschengeschlecht gebracht, weil sie der Schlange Glauben schenkte. Maria hingegen schenkte dem Engel Glauben, und da geschah es durch Gottes Huld, dass Segen und Leben über die Menschheit kam. Eva haben wir es zu verdanken, dass wir als Kinder des Zornes geboren werden. Von Maria haben wir Jesus Christus empfangen, durch den wir zu Kindern der Gnade wieder geboren werden. Zu Eva ward das Wort gesprochen: »In Schmerzen sollst du Kinder gebären« (Gen 3, 16). Maria blieb von diesem Gesetz befreit, sie hat in unversehrter jungfräulicher Reinheit und ohne alle Wehen Jesus, den Sohn Gottes, zur Welt geboren.

10 Da also der Geheimnisse dieser staunenswerten Empfängnis und Geburt so viele und so große sind, so entsprach es ganz der göttlichen Vorsehung, dass sie durch zahlreiche Vorbilder und Weissagungen angekündet wurden. Hierauf bezieht sich nach den hl. Lehrern vieles, was wir an verschiedenen Stellen der Hl. Schrift lesen. Vor allem jene Pforte des Heiligtums, die Ezechiel geschlossen sah (Ez 44, 2). Dann das Gesicht Daniels von dem »Stein, der sich vom Berge losriss ohne menschliches Zutun, und zu einem großen Berge ward und die ganze Erde erfüllte« (Dan 2, 34). Ferner der Stab Aarons, der »allein unter den Stäben der Fürsten Israels grünte« (Num 17, 8), und der Dornbusch, den Moses brennen sah und der doch nicht verzehrt wurde (Ex 3, 2).

Die Geschichte der Geburt Christi hat der hl. Evangelist ausführlich beschrieben. Deshalb braucht hier nicht weiter davon gesprochen werden, da es der Seelsorger selber leicht nachlesen kann. 11 Er muss sich aber Mühe geben, dass diese Geheimnisse, die »zu unserer Unterweisung aufgezeichnet sind« (Röm 15, 4), tief in Herz und Sinn der Gläubigen haften bleiben. Zunächst einmal, damit sie durch die Beherzigung einer so großen Wohltat zur Dankbarkeit gegen Gott, ihren Urheber, angeregt werden. Dann auch, damit sie sich dieses herrliche, ganz einzigartige Beispiel von Demut zur Nachahmung vor Augen halten. Wahrlich, was könnte für uns nützlicher, was noch geeigneter sein, unsern Stolz und unsre Überhebung niederzuzwingen, als wenn wir immer wieder bedenken, wie Gott sich soweit herablässt, dass Er uns Menschen Anteil gibt an seiner Herrlichkeit und darum unsre Schwächen und unser Elend auf sich nimmt; wie Gott Mensch wird und wie die höchste, unendliche Majestät sich dem Menschen dienstbar macht, Sie, auf deren Wink wie die Schrift sagt, »die Himmel erzittern und beben« (Job 26, 11); wie endlich derjenige auf Erden geboren wird, den im Himmel die Engel anbeten. Wenn Gott all das unsertwegen tut, was sollten dann nicht wir zu seinem Dienste tun? Wie sollten wir nicht alle Werke der Demut mit willigem, freudigem Herzen lieben, umfassen und in die Tat umsetzen!

Möchten die Gläubigen doch erkennen, welch heilsame Predigt uns Christus in seiner Geburt hält, noch bevor Er ein Wort zu reden beginnt. Er kommt zur Welt in Armut. Er kommt zur Welt wie ein Fremdling in einer Herberge. Er kommt zur Welt in einer armseligen Krippe. Er kommt zur Welt mitten im Winter. Schreibt doch der hl. Lukas (Lk 2, 6. 7): »Während sie dort waren, kam für sie die Zeit, da sie gebären sollte. Und sie gebar ihren erstgebornen Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe; denn in der Herberge war für sie kein Platz.« Konnte der Evangelist wohl all die Majestät und Herrlichkeit des Himmels und der Erde in schlichtere Worte hüllen? Er schreibt ja nicht: es war in der Herberge kein Platz, sondern es war für Ihn kein Platz, für Ihn, der da sagt: »Mein ist der Erdkreis und was ihn erfüllt« (Ps 49, 12). Die gleiche Wahrheit fasst ein anderer Evangelist in die Worte: »Er kam in sein Eigentum und die Seinigen nahmen ihn nicht auf« (Joh 1, 11).

Wenn die Gläubigen sich das vergegenwärtigen, sollen sie weiter erwägen, dass Gott unsres Fleisches Niedrigkeit und Schwäche zudem Zweck auf sich nehmen wollte, um unser menschliches Geschlecht zur höchsten Ehrenstufe zu erheben. Denn nichts beweist mehr die hohe Würde und erhabene Stellung, die dem Menschen durch Gottes Güte zuteil ward, als dass es einen Menschen gibt, der zugleich wahrhaft und vollkommen Gott ist. Wir dürfen uns darum in Wahrheit rühmen, dass der Sohn Gottes »unser Bein und unser Fleisch« (Gen 29, 14) ist, ein Vorzug, der selbst den seligen Geistern versagt bleibt; denn der Apostel sagt: »Nicht die lNatur der] Engel nahm er an« (Hebr 2, 16).

Außerdem müssen wir uns vor Einem hüten, damit es nicht zu unserm eigenen Schaden doch geschehe: dass nämlich Jesus jetzt, wo Er nicht mehr im Fleisch geboren wird, keinen Platz in unsern Herzen finde, um dort im Geist geboren zu werden, wie einst in der Herberge zu Bethlehem kein Platz war, wo Er geboren werden konnte. Das ist es ja, wonach Er in seiner großen Sorge für unser Heil sehnlichst verlangt. Wie Er nämlich selbst durch die Kraft des Hl. Geistes in übernatürlicher Weise Mensch geworden und zur Welt gekommen ist, und wie Er selbst heilig, ja die Heiligkeit selber ist, so müssen auch wir »nicht aus dem Geblüt, nicht aus dem Begehren des Fleisches, sondern aus Gott« (Joh 1, 13) geboren werden, und dann als »neue Schöpfung« »in neuem Geiste wandeln« (Röm 6, 4; Gal 6, 15) und jene Heiligkeit und Lauterkeit des Herzens bewahren, die der herrlichste Schmuck der durch Gottes Geist Wiedergeborenen ist. So wiederholt sich in uns geistiger Weise die Empfängnis und Geburt des Gottessohnes, an die wir fest glauben; und wenn wir dieses [geistliche Werden] im Glauben erleben, dann erst beten wir »Gottes geheimnisvoll verborgene Weisheit« (1 Kor 2, 7) das Geheimnis der Menschwerdung] mit staunender Bewunderung an.

Fünftes Kapitel: Vierter Glaubensartikel
»Gelitten unter Pontius Pilatus, gekreuzigt, gestorben und begraben« 

1 Wie notwendig die Kenntnis dieses Artikels ist und wie sehr der Seelsorger darauf hinarbeiten muss, dass die Christen recht oft an das Leiden Christi denken, das zeigt das Wort des Apostels: er habe »kein anderes Wissen als das von Jesus Christus und zwar dem Gekreuzigten« (Kor 2, 2). Daher gilt es, alle Sorgfalt und Mühe aufzubieten, diese Glaubenswahrheit so lichtvoll wie möglich darzustellen, damit die Christen durch das Andenken an diesen unschätzbaren Liebeserweis zur vollen Empfänglichkeit für Gottes Liebe und Güte gegen uns gelangen.

Im ersten Teil des Artikels - vom zweiten wird später die Rede sein - wird uns die Glaubenswahrheit vorgelegt, dass Christus der Herr gekreuzigt wurde und zwar zu der Zeit, da Pontius Pilatus im Namen des Kaisers Tiberius die Provinz Judäa verwaltete. Denn damals war es, dass Christus gefangen genommen, verspottet, mit Unbill und Marter aller Art überhäuft und endlich am Kreuz erhöht wurde.


»Gelitten« 

2 Dabei ist jeder Zweifel ausgeschlossen, dass etwa die Seele Christi nach ihrem niedern Teil von diesen Schmerzen unberührt geblieben wäre. Denn Christus hat die menschliche Natur wirklich und wahrhaft angenommen und hat demgemäß auch seelisch den tiefsten Schmerz gefühlt. Daher sein Wort: »Meine Seele ist betrübt bis zum Tode« (Mt 26, 38). Gewiss war die göttliche Person mit der menschlichen Natur vereint. Aber deswegen hat der Herr die Bitterkeit des Leidens doch um nichts weniger gefühlt, als wenn diese Verbindung nicht bestanden hätte. Denn es blieben in der einen Person Jesu Christi die Eigenschaften beider Naturen, der göttlichen und der menschlichen, voll erhalten. Was also leidensfähig und sterblich war, das blieb leidensfähig und sterblich. Und wiederum: was leidensunfähig und unsterblich war - und das gilt von der göttlichen Natur - das behielt diese Eigenschaften ebenfalls bei.


»Unter Pontius Pilatus« 

3 Dass so genau angegeben ist, Jesus Christus habe gelitten zur Zeit, da Pontius Pilatus Land- I pfleger von Judäa war, das ist - so lehre der Seelsorger- deswegen geschehen, weil die sichere Kenntnis dieser einschneidenden, hochwichtigen Tatsache für alle leichter zu erreichen war, wenn der Zeitpunkt des Ereignisses näher bezeichnet wurde, wie dies nach Ausweis der Hl. Schrift auch der Apostel Paulus tat (1 Tim 6, 13). Dann auch, weil dadurch erklärt wird, wie die Vorhersage des Erlösers in Erfüllung gegangen ist: »Sie werden ihn den Heiden zur Verspottung, Geißelung und Kreuzigung ausliefern« (Mt 20, 19).


»Gekreuzigt« 

4 Dass aber Christus gerade am Kreuzesholz den Tod erlitt, ist ebenfalls auf einen Ratschluss Gottes zurückzuführen, gemäß den Worten der Kirche: »Von wo der Tod gekommen, von da sollte auch das Leben erstehen« (Röm. Messbuch, Praefation vom hl. Kreuz). Die Schlange, die am Holz die Stammeltern überwunden hatte, ward von Christus überwunden am Holz des Kreuzes. Es ließen sich noch mehr Gründe anführen, und die Kirchenväter haben sie eingehend dargestellt, wie angemessen es war, dass unser Erlöser gerade den Kreuzestod auf sich nahm. Doch ist es fürs Leben der Christen genug, wenn sie gläubig festhalten, - und dazu mahne sie der Seelsorger -- dass unser Erlöser diese Todesart deswegen gewählt hat, weil sie die für die Erlösung der Menschheit geeignetste war; zugleich war es die denkbar schmachvollste und entehrendste. Denn die Kreuzesstrafe galt nicht nur bei den Heiden als größter Schimpf und Inbegriff von Schmach und Schande, auch im Gesetz Mosis heißt es: » Verflucht sei der Mensch, der am Kreuze hängt!« (Dtn 21, 23)

5 Der Seelsorger unterlasse nicht, die Leidensgeschichte, die von den Evangelisten so sorgfältig aufgezeichnet ist, den Gläubigen öfter vorzutragen, damit sie gut Bescheid wissen, wenigstens in den Hauptpunkten dieses Geheimnisses, die für die Sicherung unseres Glaubens notwendig erscheinen. Auf diesem Artikel ruht ja des Christen Religion und Glaube wie auf seinem Fundament; ist dieses gelegt, dann steht der übrige Bau wohlgefügt. Denn wenn etwas dem Menschengeist und -herzen Schwierigkeiten macht - das Geheimnis des Kreuzes ist sicher das schwierigste von allem. Wir wollen es eben kaum begreifen, dass unser Heil vom Kreuze kommen soll und von einem, der für uns ans Kreuz geschlagen wurde. Aber gerade darin können wir, wie der Apostel sagt, die unendlich weise Vorsehung Gottes bewundern. Denn »da die Welt mit ihrer Weisheit Gott in seiner göttlichen Weisheit nicht erkannte, gefiel es Gott, durch die Torheit der Predigt [vom Kreuze] die zu retten, die da glauben wollen« (1 Kor 1, 21. 18). Kein Wunder daher, dass die Propheten vor der Ankunft Christi und die Apostel nach Christi Tod und Auferstehung sich so viele Mühe gaben, um die Menschen zu überzeugen, dass der Gekreuzigte der Erlöser der Welt ist, und um sie zu gehorsamen Untertanen des Gekreuzigten zu machen.

Gerade weil dem menschlichen Verständnis nichts so fern liegt als das Geheimnis des Kreuzes, hat Gott gleich nach dem Sündenfall immer wieder durch Vorbilder und durch die Weissagungen der Propheten auf diese Todesart seines Sohnes hingewiesen. Um nur einige der Vorbilder zu nennen: zunächst Abel, der von seinem Bruder aus Neid erschlagen wurde; dann Isaaks Opfer; weiter das Lamm, das die Juden beim Auszug aus Ägypten schlachteten; endlich die eherne Schlange, die Moses in der Wüste aufgerichtet hat (Gen 4, 8; 22, 6 ff; Ex 12, 1ff; Num 21, 9.). All das wies auf das Leiden und den Tod Christi des Herrn hin. Wie groß aber die Zahl der Propheten ist, die darüber geweissagt haben, ist zu bekannt, als dass es hier weiter dargelegt werden müsste. Vor allem - um von David nicht zu sprechen, der die Hauptgeheimnisse des Erlösungswerkes alle in den Psalmen zusammen gefasst hat - sind die Weissagungen Isaias' so klar und bestimmt, dass man mit Recht sagen kann, Isaias habe eigentlich mehr wie von einer bereits vollzogenen Tatsache berichtet, als von der Zukunft geweissagt.


»Gestorben« 

6 In diesen Worten - so lege der Seelsorger dar - ist der Glaubenssatz enthalten, dass Jesus Christus nach seiner Kreuzigung wirklich gestorben ist und begraben wurde. Diese Tatsache wird nicht ohne Grund so ausdrücklich zu glauben vorgelegt. Es hat nämlich schon solche gegeben, die den Tod Christi am Kreuz in Abrede stellten. Diesem Irrtum haben die Apostel mit Grund die genannte Glaubenslehre entgegengesetzt. Ein Zweifel an deren Wahrheit ist ausgeschlossen. Denn alle Evangelisten berichten übereinstimmend, dass Jesus den Geist aufgab.

Christus war wahrhaft und vollkommen Mensch, somit konnte Er auch wahrhaft sterben. Es stirbt aber der Mensch, wenn sich die Seele vom Leibe trennt. Wenn wir also sagen, dass Jesus gestorben ist, so wollen wir damit sagen, dass seine Seele sich vom Leib getrennt hat. Wir sagen aber damit nicht, dass etwa die Gottheit sich vom Leib getrennt habe. Im Gegenteil - wir glauben fest und bekennen, dass nach der Trennung der Seele vom Leib die Gottheit ebenso mit dem Leichnam im Grab wie mit der Seele in der Vorhölle stets vereint blieb.

Sterben aber sollte der Sohn Gottes, um »durch seinen Tod dem Gewalthaber über den Tod, dem Teufel, die Macht zu nehmen, und jene zu erlösen, die durch ihr ganzes Leben im Bann der Todesfurcht standen« (Hebr 2, 14. 15).

7 Eines war bei Christus dem Herrn ganz einzigartig: Er starb genau dann, wann Er selbst zu sterben beschlossen hatte, und erlitt den Tod freiwillig, ohne Zwang durch eine äußere Macht.

Und nicht nur die Todesart wählte Er sich selbst, sondern auch den Ort und die Zeit, wo und wann Er sterben wollte. So hatte schon Isaias vorausgesagt: »Er ward geopfert, weil er selbst es wollte« (Jes 53, 7). Und der Herr hatte es vor seinem Leiden ausgesprochen: »Ich gebe mein Leben hin, um es wieder zu gewinnen. Niemand entreißt es mir, ich gebe es freiwillig hin. Ich habe die Macht, es hinzugeben und die Macht, es wieder an mich zu nehmen« (Joh 10, 17. 18). Betreffs der Zeit und des Ortes hatte Er gegenüber den Nachstellungen des Herodes das Wort gesprochen: »Sagt diesem Fuchs: Siehe, ich treibe böse Geister aus und vollbringe Heilungen heute und morgen, und am dritten Tag gelange ich zur Vollendung. Jedoch heute, morgen und den nächsten Tag muss ich wandern; denn es geht nicht an, dass ein Prophet außerhalb Jerusalems umkomme« (Lk 13, 32. 33). Christus tat also keinen Schritt gegen seinen Willen oder im Zwang, sondern Er bot sich selbst freiwillig an. Offen ging Er seinen Feinden entgegen und sprach: »Ich bin es !« (Joh 18, 5). Freiwillig trug Er all die Martern, mit denen sie Ihn in ungerechter und grausamer Weise peinigten.

Gerade dieser Umstand muss uns ja ganz besonders zu Herzen gehen, so oft wir all seine Leiden und Schmerzen betrachten. Denn wenn jemand unsertwegen auch alle Schmerzen litte - hat er sie nicht freiwillig auf sich genommen, sondern musste er sich eben darein schicken, so schlagen wir seine Liebestat nicht so hoch an. Wenn aber einer mit Freuden einzig für uns in den sichern Tod geht, dem er sich hätte entziehen können, so ist das in Wahrheit ein solch großer Liebesbeweis, dass auch das dankbarste Herz unfähig ist, sich dafür durch die Tat oder auch nur durch die Gesinnung genügend erkenntlich zu zeigen. Daraus sehen wir so recht die unendliche, unvergleichliche Liebe Christi gegen uns und das erhabene, unermessliche Verdienst, das Er sich um uns erworben hat.


»Begraben« 

8 Der beigefügte Teil des Artikels über das Begräbnis Christi bietet nach dem, was von seinem Tod gesagt wurde, unserm Glauben keine weitere Schwierigkeit. Denn wenn wir glauben, dass Christus gestorben ist, so wird uns auch die Überzeugung nicht schwer fallen, dass Er begraben worden ist. Der Grund, warum dies beigefügt wird, ist einmal, dass wir um so weniger an seinem Tode zweifeln können. Es ist ja das sicherste Zeichen dafür, dass jemand gestorben ist, wenn man nachweist, dass sein Leichnam bestattet wurde. Dann aber soll auch das Wunder seiner Auferstehung aus dieser Tatsache neues Licht empfangen.

Wir glauben aber nicht nur, dass Christi Leib bestattet wurde, sondern es wird mit diesen Worten vor allem die Glaubenswahrheit ausgesprochen, dass Gott begraben worden ist. Wir sagen ja auch entsprechend der katholischen Glaubensregel ganz richtig: Gott ist gestorben, Gott wurde aus der Jungfrau geboren. Denn die Gottheit trennte sich niemals vom Leibe, der im Grab beigesetzt wurde, und somit bekennen wir mit Recht: Gott ist begraben worden.

9 Was die Art und den Ort der Bestattung betrifft, sollen dem Seelsorger die Angaben genügen, die die hl. Evangelisten machen. Vor allem sind zwei Tatsachen zu beachten: einmal, dass Christi Leichnam im Grab vollkommen unverwest blieb, eine Tatsache, die schon der Prophet vorhergesagt mit den Worten: »Du wirst deinen Heiligen nicht schauen lassen die Verwesung«(Ps 15, 10). Das andere ist - was für den ganzen Glaubensartikel gilt, für das Leiden und Sterben ebenso wie für das Begräbnis - nämlich, dass all das Jesus Christus nur als Mensch zukommt, nicht aber als Gott. Denn leiden und sterben kann nur die menschliche Natur. Gleichwohl legen wir all das auch Gott bei. Denn da Christi Person zugleich vollkommen Gott und vollkommen Mensch ist, lässt sich all dies offenbar mit Recht von ihr aussagen.

*

10 Nun entfalte der Seelsorger eingehend jene Wahrheiten, die es den Gläubigen möglich machen, die unendliche Wohltat des Leidenstodes Christi, wenn auch nicht auszuschöpfen, so doch bewundernd zu betrachten. Zuerst erwäge man, wer es ist, der all dies leidet. Menschenwort ist unfähig, seine Größe auszudrücken und Menschenverstand kann sie unmöglich erfassen. Der hl. Johannes nennt Ihn »das Wort, das beim Vater war« (Joh 1, 1). Der Apostel zeichnet Ihn in erhabenen Zügen als »jenen, den Gott zu des Weltalls Erben eingesetzt, durch den er auch die Welten schuf; der da ist der Abglanz seiner Herrlichkeit, das Abbild seines Wesens; der das All trägt durch sein gewaltiges Wort«. Dieser also »brachte Erlösung von den Sünden und sitzt zur Rechten der Majestät im Himmel« (Hebr 1, 2. 3). Um alles mit einem Wort zu sagen: es leidet der Gottmensch Jesus Christus; es leidet der Schöpfer für seine Geschöpfe; es leidet der Herr für die Knechte; es leidet der, durch den Engel und Menschen, Himmel und Erde geworden sind; jener, »in dem, durch den, aus dem alles ist« (Röm 11, 6). Kein Wunder, dass der ganze Weltenbau erschüttert ward, als die Qual so vieler Marterleiden den Herrn durchschauerte. Die Hl. Schrift berichtet: »Die Erde bebte, die Felsen zersprangen, und Finsternis brach herein über das ganze Land, weil die Sonne sich verfinsterte« (Mt 27, 51; Lk 23, 44. 45). Wenn sogar die unbelebte, fühllose Natur über das Leiden ihres Schöpfers trauerte, mit welch heißen Zähren müssen dann nicht die Christen als die »lebendigen Steine dieses Baues« (1 Ptr 2, 5), ihrem Schmerz Ausdruck geben!

11 Weiterhin sollen die Gründe für das Leiden des Sohnes Gottes auseinandergesetzt werden, damit so die Größe und Macht der Liebe Gottes gegen uns noch klarer zutage tritt. Forscht man also zunächst nach dem Hauptgrund, so wird man die Sünde finden, die Erbsünde von den Stammeltern her, und dann die Sünden und Laster alle, alle nur je die Menschen von Anbeginn bis auf den heutigen Tag begangen haben und von heute bis zur Vollendung der Zeiten begehen werden. Das war ja die Absicht des Gottessohnes, unsres Heilands, bei seinem Leiden und Sterben: die Sünden aller Zeiten auf sich zu nehmen und zu tilgen und dem Vater für sie überreiche Genugtuung zu leisten. Die erhabene Größe dieses Sühneleidens wird noch gesteigert dadurch, dass Christus nicht nur für die Sünder gelitten hat, sondern dass eben diese Sünder all seiner Leiden Urheber und Werkzeuge waren. Daran erinnert uns der Apostel, wenn er an die Hebräer schreibt: »Betrachtet ihn, der von den Sündern solchen Widerspruch gegen sich erduldete! Dann werdet ihr nicht ermatten und nicht den Mut sinken lassen« (Hebr 12, 3). Diese Schuld trifft vorzüglich jene, die wiederholt in die Sünde zurückfallen. Denn da unsre Sünden Christus den Herrn in den Kreuzestod trieben, so kreuzigen tatsächlich jene, die sich in Sünden und Lastern wälzen, soweit es auf sie ankommt, den Sohn Gottes aufs neue und treiben ihren Spott mit Ihm (Hebr. 6, 6). Ein Verbrechen, das bei uns noch schwerer erscheinen mag, als es von Seiten der Juden war. Denn diese würden, wie derselbe Apostel sagt, »den Herrn der Glorie niemals gekreuzigt haben, wenn sie ihn erkannt hätten« (1 Kor 2, 8). Wir aber behaupten Ihn zu kennen und dennoch legen wir gleichsam Hand an Ihn, indem wir Ihn durch die Tat verleugnen.

12 Indes hat nach den Worten der Hl. Schrift J auch der Vater Christus den Herrn, und dieser sich selbst dahingegeben. Bei Isaias spricht Gott: »Wegen der V erbrechen des Volkes schlug ich ihn.« (Jes 53, 8) Und kurz zuvor sagt der Prophet, da er den Herrn im Geist voll Striemen und Wunden sieht: »Wir gingen alle in die Irre wie Schafe, jeder bog auf seine Wege ab. Und der Herr legte unser aller Sünde auf ihn« (Jes 53, 6). Vom Sohn selber aber heißt es: »Wenn er sein Leben für die Sünde hingegeben, wird er ewige Nachkommenschaft schauen« (ebd 10). Nachdrücklicher noch hat der Apostel diese Wahrheit ausgesprochen, allerdings zu einem andern Zweck, nämlich um zu zeigen, wie viel wir uns von der unermesslichen Güte und Barmherzigkeit Gottes erhoffen dürfen: »Er hat«, so sagt Paulus, »seines eigenen Sohnes nicht geschont, sondern ihn für uns alle dahingegeben - wie sollte er uns nicht mit ihm alles schenken ?« (Röm 8, 32)

13 Drittens lehre der Seelsorger, wie unsäglich bitter das Leiden Christi war. Wir brauchen uns ja eigentlich nur vor Augen zu halten, dass der Schweiß des Herrn »wie Blutstropfen ward, die auf die Erde rannen« (Lk 22, 44), als Er sich die Marter und Pein nur vergegenwärtigte, die Er bald darauf erleiden sollte. Schon daraus lässt sich leicht ermessen, dass eine Steigerung dieses Leidens nicht möglich war. Denn wenn schon der bloße Gedanke an die bevorstehenden Leiden so bitter war, wie dies der Blutschweiß offenbart, wie furchtbar muss da nicht das Leiden selbst gewesen sein!

Aber auch abgesehen davon ist es sicher, dass Christus der Herr die schmerzlichsten Leiden an Seele und Leib erlitten hat. Zunächst am Leib. Da war keine Stelle an seinem Körper, wo Er nicht die furchtbarsten Qualen fühlte: seine Füße und Hände waren mit Nägeln ans Kreuz geheftet; sein Haupt von Dornen zerstochen und vom Rohr zerschlagen: sein Antlitz schmählich bespien und mit Fäusten geschlagen; sein ganzer Körper mit Geißelhieben bedeckt. Weiter: Menschen jedes Standes und Ranges »taten sich zusammen gegen den Herrn und gegen seinen Christus« (Ps 2, 2). Heiden und Juden waren seines Leidens Anstifter, Urheber und Vollstrecker. Judas hat Ihn verraten, Petrus verleugnet, alle Ihn verlassen. Und am Kreuz selbst, was soll man mehr beklagen - die Bitterkeit oder die Schmach oder beides zugleich? Es gab ja tatsächlich keine schimpflichere, keine schmerzlichere Todesart als die Kreuzigung. Keine schimpflichere, denn nur die größten Bösewichte und Verbrecher pflegte man damit zu bestrafen. Keine schmerzlichere, denn der lange Todeskampf steigerte fortwährend die Wucht der furchtbaren Pein und Qual. Noch vermehrt wurde die Größe der Leiden durch die besondere Beschaffenheit des Leibes Jesu Christi. Durch die Kraft des Hl. Geistes gebildet war er viel vollkommener und zarter, als andrer Menschen Leib dies sein kann. Er hatte deshalb auch ein viel feineres Empfinden für Schmerz und litt viel tiefer unter an den Martern.

Die innern Seelenleiden vollends waren bei an deI Christus ohne Zweifel unaussprechlich groß. Andere Heilige, die Marter und Tod erlitten, erfreuten sich himmlischen Seelentrostes, den Gott ihnen schenkte, damit sie in seiner Kraft ihre großen Martern mit Gleichmut tragen konnten; ja die meisten fühlten inmitten der Qualen eine herzinnige Freude. So sagt z. B. der Apostel: »Ich freue mich der Leiden, die ich für euch erdulde. Ich leiste so für den Leib Christi, die Kirche, an meinem Fleisch, was noch aussteht an den Leiden Christi« (Klo 1, 24). Und an andrer Stelle: »Ich bin voll des Trostes, bin übervoll von Freude bei all unsrer Bedrängnis« (2 Kor 7, 4). Christus der Herr aber mischte den unendlich bittern Leidenskelch, den Er trank, mit keinem Tröpflein Süßigkeit. Er ließ die menschliche Natur, die Er angenommen hatte, alle Qualen fühlen geradeso, als wenn Er nur Mensch und nicht auch Gott gewesen wäre.

14 Endlich soll der Seelsorger auch die Früchte 4. Früchte und Güter, die uns durch das Leiden des Herrn geworden sind, eingehend erklären. Erstens wirkte das Leiden des Herrn die Befreiung von der Sünde. Denn der hl. Johannes sagt: »Er hat uns geliebt und uns von unsern Sünden gewaschen in seinem Blut«(Offb 1, 5). Und der Apostel spricht: »Er hat euch das Leben geschenkt, hat euch alle Missetaten vergeben, hat den wider uns lautenden Schuldschein, der mit seinen Bestimmungen uns entgegenstand, ausgelöscht und vernichtet, indem er ihn ans Kreuz heftete« (Kol 2, 13) - Zweitens hat Er uns der Gewaltherrschaft Satans entrissen.

Denn der Herr selbst sagt: »Jetzt ergeht das Gericht über diese Welt, jetzt wird der Fürst dieser Welt hinausgeworfen. Ich aber will alles an mich ziehen, wenn ich von der Erde erhöht bin« (Joh 12, 31) - Drittens hat Er die für unsre Sünden geschuldete Strafe abgebüßt. - Viertens hat Er uns, weil es das angenehmste und wohlgefälligste Opfer war, das Gott dargebracht werden konnte, mit dem Vater wieder ausgesöhnt und Ihn huldvoll und gnädig gegen uns gestimmt. - Endlich hat Er, weil Er die Sünde tilgte, auch das Himmelstor wieder geöffnet, das durch die Erbsünde verschlossen war. Das deutet der Apostel an mit den Worten: »Wir haben kraft des Blutes Jesu die zuversichtliche Hoffnung auf den Eintritt in das Allerheiligste« (Herb 10, 19). Schon im Alten Bund gab es ein Vorbild für dieses Geheimnis. Es wurde nämlich manchen Juden nicht gestattet, vor dem Tod des Hohenpriesters ins Heimatland zurückzukehren (Lev 35, 25; Jos 20, 6); damit wurden sie zum Vorbild, dass niemand, er mochte noch so gerecht und fromm gelebt haben, ins himmlische Vaterland eingehen konnte, bevor der ewige Hohepriester Jesus Christus den Tod erlitten hatte. Kaum war dieser eingetreten, da öffneten sich sofort die Tore des Himmels für alle, die durch die heiligen Geheimnisse entsühnt, durch Glaube, Hoffnung und Liebe des Leidens Christi teilhaftig werden.

15 Die Gründe, warum aus dem Leiden des Herrn all diese großen, übernatürlichen Wohltaten uns erwuchsen, sind folgende: Erstens war sein Leiden die vollständige und in jeder Hinsicht vollkommene Genugtuung, die Jesus Christus in einzigartiger Weise Gott Vater für unsre Sünden geleistet hat. Ja der Preis, den Er für uns bezahlte, war unsrer Schuld nicht nur gleich, er ging sogar noch weit darüber hinaus. - Dann war sein Leiden ein Gott unendlich wohlgefälliges Opfer. Der Sohn selbst brachte es Ihm ja am Altar des Kreuzes dar und so musste es des Vaters Zorn und Ungnade vollkommen versöhnen. Das meint der Apostel, wenn er spricht: »Christus hat uns geliebt und sich um unsertwillen als Opfergabe hingegeben - ein köstlicher Opferduft für Gott« (Eph 5, 2). - Endlich ist sein Leiden unser Lösegeld. Davon sagt der Apostelfürst: »Ihr wisst ja, dass ihr nicht mit vergänglichen Werten, mit Gold und Silber von eurem verkehrten, von den Vätern überkommenen Wandel losgekauft seid, sondern durch das kostbare Blut Jesu Christi, des Lammes ohne Fehl und Makel« (1 Ptr 1, 18). Und der Apostel spricht: »Christus hat uns vom Fluch des Gesetzes losgekauft, indem er unsertwegen zum Fluch ward« (Gal 3, 13).

Noch eines ist uns außer all den genannten unermesslichen Gnaden geworden, und das gehört vielleicht zum Größten: wir haben in diesem Leiden allein das leuchtendste Beispiel für jegliche Tugend: Geduld, Demut, beispiellose Liebe, Sanftmut, Gehorsam, höchste Standhaftigkeit nicht nur im Erdulden der Schmerzen um der Gerechtigkeit willen, sondern auch im Erleiden des Todes - all das zeigt das Leiden Christi in einer Vollendung, dass wir wahrhaft sagen können: die Weisungen, die unser Erlöser uns während der ganzen Zeit seiner Lehrtätigkeit in Worten gab, hat Er alle während des einen Leidenstages durch sein Verhalten zur Tat gemacht.

Soviel in Kürze über das heilbringende Leiden und Sterben Christi unsers Herrn. Möchten doch diese Geheimnisse lebendig in unsrer Seele stehen, möchten wir doch lernen, vereint mit dem Herrn zu leiden, zu sterben und ins Grab zu gehen, damit wir nach Tilgung alles Sündenschmutzes mit Ihm zu einem neuen Leben erstehen und dereinst durch seine Gnade und Barmherzigkeit würdig erfunden werden der Teilnahme am Himmelreich seiner Glorie!

Sechstes Kapitel: Fünfter Glaubensartikel
»Abgestiegen zur Hölle, am dritten Tage wieder auferstanden von den Toten« 

1 So wichtig es ist, die Herrlichkeit des Grabes unsres Herrn Jesus Christus zu kennen, von der im vorhergehenden Glaubensartikel die Rede war - wichtiger noch ist es für das gläubige Volk, von den glänzenden Siegen zu vernehmen, die der Herr durch die Überwindung des Teufels und die Befreiung der Gefangenen aus der Vorhölle errungen hat. Davon soll nun die Rede sein und zugleich damit von der Auferstehung des Herrn. Könnte man die letztere auch eigens für sich behandeln, so glauben wir sie doch nach dem Beispiel der heiligen Väter mit dem Abstieg Christi zur Vorhölle verbinden zu sollen.


»Abgestiegen zur Hölle« 

Im ersten Teil des Artikels wird uns also die Glaubenswahrheit vorgelegt, dass die Seele Christi nach seinem Tod in die Vorhölle hin abstieg und solang dort weilte als sein Leib im Grabe lag. Wir bekennen aber mit diesen Worten zugleich auch dieses: ein und dieselbe Person Christi war um diese Zeit in der Vorhölle und ruhte zugleich im Grabe. Diese Behauptung darf niemand wundernehmen; denn wie schon mehrmals gesagt wurde, war Christi Seele zwar vom Leib geschieden, aber die Gottheit trennte sich niemals weder von der Seele noch vom Leib.

2 Das Wort» Hölle« bedeutet an dieser Stelle nicht soviel wie »Grab«, wie dies einige ebenso vermessen wie unsachgemäß behauptet haben. Wir hörten ja schon im vorhergehenden Artikel, dass Christus der Herr begraben wurde. Und es ist doch kein Grund ersichtlich, warum die hl. Apostel im Glaubensbekenntnis dasselbe noch Mal mit andern und zwar unverständlicheren Worten sagen sollten.

Der Ausdruck »Hölle« bezeichnet vielmehr jenen verborgenen Aufenthaltsort für die Seelen, die nicht in den Besitz der himmlischen Seligkeit gelangt sind. In diesem Sinn gebraucht die HI. Schrift das Wort an mehr als einer Stelle. Beim Apostel lesen wir: »Im Namen Jesu soll sich jedes Knie beugen im Himmel, auf Erden und in der Hölle« (Unterwelt; Phil 2, 10) und in der Apostelgeschichte spricht der hI. Petrus das Wort, Christus der Herr sei auferweckt worden, befreit von den Wehen der Hölle (Unterwelt; Apg 1,21 nach der Vulgata).

3 Der Aufenthaltsort für all diese Seelen ist aber nicht der gleiche. Zunächst gibt es jenes furchtbare, dunkle Verließ, wo die Seelen der Verdammten zugleich mit den unreinen Geistern in ewigem unauslöschlichem Feuer gepeinigt werden; und dieser Ort, der mitunter Gehenna oder Abgrund genannt wird, heißt im eigentlichen Sinn die Hölle. - Außerdem gibt es das Feuer im Reinigungort. Dieses, eine bestimmte Zeitlang verhängt, reinigt durch seine Qual die Seelen der Gottesfürchtigen, damit sich ihnen der Zugang ins ewige Heimatland eröffne, in das nichts Unreines eingehen kann. Eine Wahrheit, die nach den Erklärungen der hI. Konzilien in der HI. Schrift wie der apostolischen Überlieferung fest verankert ist und die der Seelsorger um so eingehender und öfter behandeln soll, da Zeiten über uns gekommen sind, in denen die Menschen die gesunde Lehre nicht mehr ertragen. - Die dritte Art von Aufenthaltsort endlich ist jener, wo die Seelen der Heiligen vor der Ankunft Christi des Herrn Aufnahme fanden, und wo sie ohne jedes eigentliche Schmerzgefühl in der seligen Hoffnung auf ihre Erlösung weilten. Dieser Ort der Ruhe hieß Abrahams Schoß. Die Seelen dieser Gerechten nun, die da den Heiland erwarteten, hat Christus der Herr bei seinem Abstieg in die Hölle befreit.

4 Es wäre falsch zu glauben, Christus sei in der Weise abgestiegen zur Hölle, dass nur seine Macht und Kraft, nicht aber auch seine Seele dorthin gelangte. Es ist unbedingt als Glaubenswahrheit festzuhalten, dass seine Seele tatsächlich und in persönlicher Gegenwart zur Unterwelt hinabstieg; dafür spricht das sichere Zeugnis Davids: »Du lässest meine Seele nicht in der Unterwelt« (Ps 15, 16).

5 Durch diesen Abstieg zur Unterwelt hat Christus seiner Allgewalt nichts vergeben, und ebenso wenig erhielt dadurch der Glanz seiner Heiligkeit irgend einen Makel. Im Gegenteil, wenn wir die Gründe vergleichen, warum Christus an diesen Ort kam und warum die Übrigen dahin kamen, so werden wir ganz klar sehen, dass sich gerade durch seinen Abstieg zur Hölle alles bewahrheitet, was von seiner Heiligkeit gesagt wurde, und dass Er wahrhaft der Sohn Gottes ist, wie Er dies vorher durch Wunder ohne Zahl erwiesen hatte.

Die übrigen alle stiegen als Gefangene in die Vorhölle hinab; Christus dagegen, auch »unter den Toten frei« (Ps 87, 5) und Sieger, steigt hinab, um die bösen Geister niederzustrecken, die jene Gerechten wegen der Erbschuld in Kerker und Banden hielten. - Weiterhin: die andern alle, die hinabstiegen, erlitten entweder die bitterste Pein zur Strafe, oder fanden doch, auch wenn sie keine andern Schmerzen hatten, ihr Leiden darin, dass sie auf die Anschauung Gottes noch verzichten mussten und ihre Hoffnung auf die beseligende Glorie, die sie ersehnten, noch nicht erfüllt war. Christus der Herr aber stieg hinab, nicht um zu leiden, sondern um jene heiligen und gerechten Menschen aus ihrer beschwerlichen Haft zu befreien und ihnen die Frucht seines Leidens zuzuwenden. Sein Abstieg zur Vorhölle bedeutet also keinerlei Schmälerung seiner erhabenen Würde und Macht.

6 Nun lehre man, weshalb Christus der Herr zur Vorhölle hinabstieg. Er wollte den Teufeln ihre Beute entreißen, die hl. Altväter wie die übrigen Gerechten aus ihrer Haft befreien und sie mit sich in den Himmel führen. Das hat Er denn auch in wunderbarer, höchst glorreicher Weise getan. Denn sein Anblick gab den Gefangenen sofort das allerhellste Licht und erfüllte sie mit unermesslicher Freude. Überdies schenkte Er ihnen die heißersehnte Seligkeit, die in der Anschauung Gottes besteht. Da ging das Wort in Erfüllung, das der Herr dem Schächer gegeben hatte: »Heute noch wirst du mit mir im Paradiese sein« (Lk 23, 43). Schon der Prophet Oseas (Hos 13, 14) hatte lange vorher diese Befreiungstat vorausverkündigt, wenn er sagt: »O Tod, ich will dein Tod sein! Dein Biss will ich sein, o Hölle!« Auch der Prophet Zacharias (Zach 9, 11) hat dies vorhergesagt mit den Worten: »Auch wirst du im Blute deines Bundes deine Gefangenen entlassen aus der wasserlosen Grube.« Und der Apostel endlich drückt das gleiche mit den Worten aus: »Er hat die Mächte und die Gewalten entwaffnet und offen an den Pranger gestellt, indem er über sie triumphierte« (Kol 2, 15).

Wir müssen, um die Bedeutung dieses Geheimnisses besser zu verstehen, uns immer wieder dies vor Augen halten: alle Gerechten, nicht nur jene, die nach der Ankunft des Herrn zur Welt kamen, sondern auch jene, die Ihm seit Adam vorausgegangen waren oder bis zum Ende der Welt leben werden, erlangen das Heil nur kraft des Leidens Christi. Deshalb waren die Tore des Himmels vor Christi Tod und Auferstehung für alle ohne Ausnahme verschlossen. Die Seelen der Gerechten aber wurden entweder in Abrahams Schoß getragen oder sie wurden im F egfeuer geläutert, was auch jetzt das Los derer ist, die noch etwas abzubüßen oder zu begleichen haben.

Ein weiterer Grund, weshalb Christus der Herr zur Vorhölle hinabstieg, ist der: Er wollte, wie im Himmel und auf Erden, so auch dort unten seine Allgewalt zeigen, und es sollte sich wirklich »in seinem Namen jedes Knie beugen im Himmel, auf Erden und in der Unterwelt« (Phil 2, 10).

Wer möchte hier nicht die unendliche Güte Gottes gegen das Menschengeschlecht voll Staunen bewundern, da Er nicht nur den bittersten Tod für uns erleiden, sondern auch in die Tiefen der Erde eindringen wollte, um die Ihm so teuren Seelen zu befreien und in die Seligkeit einzuführen?


»Auferstanden von den Toten« 

7 Es folgt nun der zweite Teil des Artikels. - Welche Mühe sich der Seelsorger zu dessen Erklärung geben muss, zeigen die Worte des Apostels: "Sei eingedenk, dass der Herr Jesus Christus von den Toten auferstanden ist!» (2 Tim 2, 8). Was der Apostel von Timotheus will, das gilt ohne Zweifel auch allen andern Seelsorgern.

Der Sinn und Gehalt aber dieses Absatzes ist dieser: nachdem Christus der Herr am Freitag um die neunte Stunde am Kreuz seinen Geist aufgegeben hatte und von den Jüngern, die mit Erlaubnis des Landpflegers Pilatus den Leichnam des Herrn vom Kreuz abnahmen und in das neue Grab eines nahen Gartens legten, am Abend desselben Tages zur Erde bestattet worden war vereinte sich am dritten Tag nach dem Tode, einem Sonntag, des Morgens in aller Frühe seine Seele wiederum mit dem Leib, und so kehrte Er, der drei Tage lang tot gewesen war, zum Leben zurück, das Er sterbend verlassen hatte, und erstand.

8 Das Wort Auferstehung ist nicht nur so zu verstehen, dass Christus von den Toten auferweckt wurde - das wurden auch viele andere. Vielmehr ist Er aus eigener Macht, aus eigener Kraft auferstanden, und das ist Ihm allein eigen und ganz einzigartig. Denn es ist gegen die Natur und noch niemand sonst gegeben worden, sich selbst aus eigener Kraft vom Tod ins Leben zurückzurufen. Das ist das alleinige Vorrecht der Allmacht Gottes, wie wir aus dem Wort des Apostels sehen: »Zwar ward er in Schwachheit gekreuzigt, aber er lebt aus Gottes Kraft« (2 Kor 13, 4). Diese Gotteskraft trennte sich ja niemals weder vom Leib Christi im Grab noch von seiner Seele, als sie zur Vorhölle hinabstieg; darum lebte die Gottesmacht einerseits im Körper, sodass dieser wieder mit der Seele sich vereinigen, und anderseits in der Seele, sodass. diese wieder zum Leib zurückkehren konnte. So war es Ihm möglich aus eigener Kraft zum Leben zurückzukehren und von den Toten zu erstehen.

Das hatte aber schon David, von Gottes Geist erfüllt, vorausgesagt mit den Worten: »Errettet hat ihn seine Rechte und sein heiliger Arm« (Ps 97, 2). Und der Herr selbst hatte es durch das Zeugnis aus seinem Gottesmund bestätigt: »Ich gebe mein Leben hin, um es wieder zu gewinnen. Ich habe die Macht, es hinzugeben und habedie Macht, es wieder zu nehmen« (Joh 10, 17. 18). Auch dies andere Wort hatte Er zu den Juden gesprochen, um die Wahrheit seiner Lehre zu erhärten: »Reißt diesen Tempel ein, und in drei Tagen will ich ihn wieder aufbauen« (Joh 2, 19). Die Juden verstanden dies zwar von jenem Tempel, der so prachtvoll aus Steinen erbaut war, Er aber sprach das Wort, wie die HI. Schrift an der gleichen Stelle erklärt, von dem Tempel seines Leibes. - Wir lesen zwar manchmal in der HI. Schrift (Apg 2, 24; 3, 15; Röm 8, 11), Christus der Herr sei vom Vater zum Leben erweckt worden. Das bezieht sich aber auf Ihn nach seiner menschlichen Natur, gleichwie jene andern Stellen, wo es heißt, Er sei aus eigener Kraft auferstanden, sich auf seine göttliche Natur beziehen.

9 Auch dies ist ein Vorrecht Christi, dass Er als erster von allen Menschen der Gottesgabe der Auferstehung teilhaftig wurde. In der Hl. Schrift wird Er nämlich »der Erstgeborne aus dem Totenreich« (Kol 1, 18), der »Erstgeborne unter den Toten« (Offb 1, 5) genannt. Und der Apostel sagt: »Christus ist als Erstling der Entschlafenen von den Toten auferstanden. Durch einen Menschen ist der Tod gekommen, durch einen Menschen kommt die Auferstehung der Toten. Wie in Adam alle sterben, so werden in Christus alle das Leben erhalten. Ein jeder, wenn die Reihe an ihm ist: Christus als Erstling, so dann jene, die Christus angehören« (1 Kor 15, 20-23).

Diese Worte sind von der vollkommenen Auferstehung zu verstehen, von jener Auferstehung nämlich, durch die wir nach dem Aufhören alles und jedes Todeszwangs zum Leben der Unsterblichkeit erweckt werden. Und hier nimmt Christus der Herr den ersten Platz ein. Meint man aber jene Auferstehung, d. h. jene Rückkehr zum Leben, die verknüpft ist mit der Notwendigkeit noch einmal zu sterben, so ist allerdings schon vor Christus mancher von den Toten auferweckt worden, jedoch unter der Bedingung, ein zweites Mal sterben zu müssen. Christus der Herr aber erstand nach seinem entscheidenden Sieg über den Tod in der Weise, dass Er überhaupt nicht mehr sterben kann. Das spricht ganz klar die Schriftstelle aus: »Christus stirbt nach seiner Auferstehung von den Toten nie mehr wieder, der Tod hat keine Macht mehr über ihn« (Röm 6, 9).


»Am dritten Tage« 

10 Weil im Glaubensartikel noch die weiteren Worte stehen »am dritten Tag«, darum mache der Seelsorger die Gläubigen auf den Sinn dieser Worte aufmerksam, damit sie nicht etwa meinen, der Herr sei drei volle Tage im Grab gewesen. Er war einen vollen natürlichen Tag, außerdem einen Teil vom vorhergehenden und einen Teil vom folgenden Tag im Grab, und somit kann man in aller Wahrheit sagen, Er lag drei Tage im Grab und Er erstand am dritten Tag von den Toten. Um nämlich seine Gottheit zu zeigen, verschob Er seine Auferstehung absichtlich nicht bis zum Ende der Welt. Damit wir aber hinwiederum auch glauben, dass Er wahrhaft Mensch und wahrhaft gestorben ist, erstand Er nicht sofort vom Tod, sondern kehrte erst am dritten Tag zum Leben zurück. Dieser Zeitraum konnte genügend erscheinen, um die Tatsächlichkeit des Todes zu erweisen.

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11 Die Väter des ersten Konzils von Konstantinopel setzten hier noch bei »nach den Worten der Schrift«. Diesen Ausdruck, apostolischen Ursprungs, fügten sie ins Glaubensbekenntnis ein, weil der Apostel die grundlegende Notwendigkeit des Auferstehungsgeheimnisses ausdrücklich lehrt: »Ist Christus nicht auferstanden, so ist unsre Predigt nichtig und ist euer Glaube nichtig.« Und weiter: »Ist Christus nicht auferstanden, so ist euer Glaube nichtig; denn dann seid ihr noch in euren Sünden« (1 Kor 15, 14. 17). Darum schreibt der hl. Augustinus, staunend über den Glaubensinhalt dieses Artikels: »Das ist nichts Großes, zu glauben, dass Christus gestorben ist. Das glauben auch die Heiden und Juden und die Sünder; das glauben alle, dass Er gestorben ist. Der Glaube der Christen ist die Auferstehung Christi. Das halten wir für etwas Großes, dass wir an seine Auferstehung glauben« (in Ps 120, 4).

Darum hat auch der Herr sehr oft von seiner Auferstehung gesprochen und fast nie mit den Jüngern über sein Leiden geredet, ohne auch die Auferstehung zu erwähnen. So sagte Er: »Der Menschensohn wird den Heiden ausgeliefert. verspottet, misshandelt und angespien werden. Man wird ihn geißeln und töten.« Dann aber schloss Er mit den Worten: »Aber am dritten Tage wird er auferstehen« (Lk 18, 32. 33). Und als die Juden an Ihn das Ansinnen stellten, Er solle seine Lehre durch ein Wunderzeichen bestätigen, gab Er zur Antwort: »Kein anderes Zeichen wird diesem Geschlecht gegeben werden als das Zeichen des Propheten Jonas. Wie Jonas drei Tage und drei Nächte im Bauch des Seeungeheuers war, so wird,« versicherte Er, »der Menschensohn drei Tage und drei Nächte im Schoß der Erde sein« (Mt 12, 39 f).

Doch um die Bedeutung und den Sinn dieses Artikels noch besser zu erfassen, müssen wir drei Punkte genauer untersuchen: die Gründe, weshalb Christus auferstehen musste, sowie den Zweck der Auferstehung; und endlich die VorteiIe, die sich daraus für uns ergaben.

12 Zunächst also von den Gründen der Auferstehung. Christus musste von den Toten auferstehen zum Beweis für die Gerechtigkeit Gottes. Es war ja höchst angemessen, dass Gott jenen erhöhte, der aus Gehorsam gegen Ihn sich so tief erniedrigt und alle Schmach sich hatte antun lassen. Diesen Grund führt der Apostel an, wenn er an die Philipper (Phil 2, 8. 9) schreibt: »Er hat sich selbst erniedrigt und ward gehorsam bis zum Tod, ja bis zum Tod am Kreuze. Darum hat ihn Gott auch so hoch erhoben.« - Außerdem sollte unser Glaube dadurch befestigt werden, ohne den es für den Menschen keine Rechtfertigung gibt. Der stärkste Beweis, dass Christus der Sohn Gottes war, muss ja die Tatsache sein, dass Er aus eigener Kraft von den Toten auferstanden ist. - Weiterhin sollte durch die Auferstehung unsre Hoffnung neue Nahrung und Stütze erhalten. Denn wenn Christus auferstanden ist, so haben wir die sichere Hoffnung, dass auch wir dereinst einmal auferstehen werden, da ja die Glieder notwendig den gleichen Zustand erlangen müssen wie ihr Haupt. In dieser Weise folgert offenbar auch der Apostel in seinen Briefen an die Korinther (1 Kor 15, 12 f) und Thessalonicher (1 Thess 4, 12 f). Und der Apostelfürst Petrus spricht das Wort: »Gepriesen sei Gott, der Vater unsres Herrn Jesus Christus, der uns in seiner großen Barmherzigkeit durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten wieder geboren hat zu lebendiger Hoffnung, zu einem unvergänglichen Erbe« (1 Petr 1, 3. 4). - Endlich zeige man, wie die Auferstehung des Herrn auch deswegen notwendig war, damit das Geheimnis unsrer Rettung und Erlösung zum Abschluss gelange. Durch seinen Tod nämlich hat uns Christus von den Sünden befreit. Durch seine Auferstehung aber hat Er uns die herrlichen Güter wiedergeschenkt, die wir durch die Sünde verloren hatten. Darum spricht der Apostel: »Um unsrer Sünden willen ward er dahin gegeben und um unsrer Rechtfertigung willen ward er zum Leben auferweckt« (Röm 4, 25). Damit also zum Heil des Menschengeschlechts nichts mehr fehle, musste Christus sterben und ebenso wieder auferstehen.

13 Aus dem Bisherigen können wir schon: entnehmen, weIch großen Nutzen die Auferstehung Christi des Herrn den Gläubigen gebracht hat. In der Auferstehung erkennen wir Ihn als den unsterblichen, glorreichen Gott, den Sieger über Tod und Teufel. Wahrheiten, die wir von Christus Jesus ohne jedes Schwanken glauben und bekennen müssen.

Weiterhin hat Christi Auferstehung die Auferstehung auch unsres Leibes gebracht; einmal, weil sie die Ursache dieses Geheimnisses ist, und außerdem, weil wir alle nach dem Vorbild des Herrn auferstehen müssen. Denn bezüglich der leiblichen Auferstehung spricht der Apostel: »Durch einen Menschen kam der Tod und wieder durch einen Menschen die Auferstehung von den Toten« (1 Kor 15, 28). Bei allem, was Gott im Geheimnis unsrer Erlösung wirkte, bediente Er sich der Menschheit Christi als Werkzeug. So war denn auch seine Auferstehung gleichsam ein Werkzeug, um unsre Auferstehung zu bewirken. Vorbild aber kann sie genannt werden, weil die Auferstehung Christi des Herrn unter allen die vollkommenste ist. Wie Christi Leib bei der Auferstehung zu unsterblicher Glorie verklärt wurde, so wird auch unser Leib, der vordem schwach und sterblich war, mit Herrlichkeit und Unsterblichkeit überkleidet wieder erweckt werden. So sagt es der Apostel: »Wir erwarten den Erlöser, den Herrn Jesus Christus. Er wird unsern armseligen Leib umwandeln und gleichgestalten seinem verherrlichten Leib« (Phil 3, 20).

Das gilt auch von der Seele, die in Sünden erstorben ist. In welchem Sinn die Auferstehung Christi dieser ein VorbiId ist, zeigt der gleiche Apostel mit den Worten (Röm 6, 4 f): »Wie Christus durch die Herrlichkeit des Vaters von den Toten auferstanden ist, so sollen auch wir in einem neuen Leben wandeln. Sind wir durch die Ähnlichkeit mit seinem Tod lebendig mit ihm verbunden, so werden wir es auch sein durch die Ähnlichkeit mit seiner Auferstehung.« Und kurz darauf sagt er: »Wir wissen, dass Christus nach seiner Auferstehung von den Toten nicht wieder stirbt. Der Tod hat keine Macht mehr über ihn. Was seinen Tod betrifft, so ist er ein für allemal tot für die Sünde; was aber sein Leben betrifft, so lebt er nur für Gott. So betrachtet auch ihr euch als solche, die der Sünde abgestorben sind, die aber für Gott leben in Christus Jesus« (Röm 6, 4 ff).

Zweifach ist also das Vorbild, das wir uns an der Auferstehung Christi nehmen sollen. Einmal sollen wir, nachdem wir die Sündenmakel getilgt haben, ein neues Leben führen, aus dem Lauterkeit, Unschuld, Heiligkeit, Eingezogenheit, Gerechtigkeit, Wohltun und Demut hervorleuchten. Dann aber sollen wir auch bei diesem neuen Leben so beharrlich bleiben, dass wir mit Gottes Hilfe den Weg der Gerechtigkeit, den wir einmal betreten haben, nicht mehr verlassen.

14 Die Worte des Apostels zeigen aber nicht nur, dass Christi Auferstehung uns als Vorbild der Auferstehung gegeben ist, sie zeigen auch, dass sie uns Kraft gibt zum Auferstehen, dass sie uns jene Stärke, jenen Geist verleiht, wodurch wir in der Heiligkeit und Gerechtigkeit uns erhalten und Gottes Gebote erfüllen können. Wie wir im Tod Christi nicht nur das Vorbild, sondern auch die Kraft finden, den Sünden abzusterben, so gibt uns auch seine Auferstehung die Kräfte, die Gerechtigkeit zu erlangen, damit wir von nun an Gott treu und heilig dienen und so in jenem neuen Leben wandeln, zu dem wir eben auferstehen. Das ist ja die Hauptsache, die der Herr durch seine Auferstehung bewirkt hat, dass wir, die wir zuvor zugleich mit Ihm der Sünde und der Welt gestorben sind, nun auch mit Ihm zu einem neuen Lebenswandel auferstehen.

15 Der Apostel weist auch auf die Erkennungszeichen hin für diese innere Auferstehung. Er sagt: »Wenn ihr mit Christus auferstanden seid, so sucht, was droben ist, wo Christus zur Rechten Gottes sitzt« (Kol 3, 1). Damit zeigt er deutlich, dass jene wahrhaft mit Christus auferstanden sind, die Leben, Ehre, Ruhe und Reichtum vor allem dort zu besitzen trachten, wo Christus ist. - Wenn er aber beifügt: "Habt Geschmack an dem, was droben ist, nicht an dem, was irdisch ist!« so fügt er damit ein zweites Kennzeichen bei, an dem wir sehen können, ob wir wahrhaft mit Christus auferstanden sind. Wie nämlich der Geschmacksinn gewöhnlich das körperliche Befinden und Gesundsein anzeigt, so ist die Tatsache, dass jemand Geschmack findet an allem, »was wahr, was würdig, was recht, was heilig ist« (Phil 4, 8), und im innersten Herzen die Süßigkeit himmlischer Dinge empfindet, der sicherste Beweis dafür, dass ein so gesinnter Mensch zugleich mit Christus Jesus zu neueren, geistlichem Leben auferstanden ist.

Siebtes Kapitel: Sechster Glaubensartikel
»Aufgefahren in den Himmel, sitzet zur Rechten Gottes des allmächtigen Vaters« 

1 Als der Prophet David, von Gottes Geist erfüllt, die glorreich selige Himmelfahrt des Herrn: schaute, rief er die ganze Welt in Freude und Frohlocken auf zur Feier dieses Triumphes: »Ihr Völker alle, klatschet in die Hände, lobsinget Gott im Freudenton: aufstieg Gott im JubelschalI« (Ps 46, 2. 6). Dass wird dem Seelsorger ein Wink sein, dies Geheimnis mit aller Hingebung zu erklären und sich angelegen sein zu lassen, dass die Christen es nicht nur gläubigen Geistes aufnehmen, sondern soweit immer möglich, mit Gottes Hilfe auch in Tat und Leben auszuprägen sich bemühen.


»Aufgefahren in den Himmel« 

Die Erklärung nun des sechsten Glaubensartikels, der die Himmelfahrt Christi zum Hauptgegenstand hat, muss bei dessen erstem Teil beginnen und seinen Inhalt darlegen. Von Christus Jesus muss nämlich der gläubige Christ die Tatsache unbezweifelt für wahr halten, dass Er, nachdem das Geheimnis unsrer Erlösung vollendet war, auch als Mensch mit Leib und Seele in den Himmel aufgestiegen ist. Als Gott war Er ja immer dort geblieben, da Er in seiner Gottheit jeden Ort erfüllt.

2 Aufgestiegen aber ist Er, so lehre man, aus eigener Kraft; nicht etwa durch eine fremde Macht entführt, wie z. B. Elias »auf feurigem Wagen gen Himmel fuhr« (Kön 2, 11), oder der Prophet Habakuk (Dan 14, 35) oder der Diakon PhiIippus (Apg 8, 39), die von göttlicher Kraft durch die Luft getragen, weite Strecken zurücklegten. Und zwar fuhr Er nicht nur als Gott kraft seiner göttlichen Allmacht zum Himmel auf, sondern auch in seiner Eigenschaft als Mensch. Durch rein natürliche Kraft war das allerdings unmöglich. Aber die Macht, die der verklärten Seele Christi innewohnte, konnte den Leib ganz nach Belieben von der Stelle bewegen; und der Leib, der nunmehr im Besitz der Glorie war, gehorchte ohne alle Schwierigkeit der Führung der Seele. Auf diese Weise also, das ist unsre Glaubensüberzeugung, ist Christus als Gott und Mensch aus eigener Kraft zum Himmel aufgefahren.


»Sitzet zur Rechten des Vaters« 

3 Hier haben wir eine Redeweise, die in der Hl. Schrift oft vorkommt: um unserm Verständnis nahe zu kommen, überträgt sie menschliche Zustände und Organe auf Gott. Gott ist ein Geist und somit ist etwas Körperliches in Ihm schlechthin undenkbar. Aber weil unter den Menschen auf der Erde nach unsrer Auffassung jenem der Ehrenvorrang zugeteilt wird, den man zu seiner Rechten sitzen lässt, so übertragen wir das auch auf die Himmlischen, um die Glorie zu verdeutlichen, die Christus als Mensch vor allen andern Geschöpfen erlangt hat. Und darum bekennen wir: Er sitzet zur Rechten des Vaters.

»Sitzen« bedeutet aber hier nicht die Körperhaltung, sondern weist auf die Fülle der Königsgewalt und den unanfechtbaren, dauernden Besitz der Glorie hin, die Er von seinem Vater empfing. Davon spricht der Apostel in den Worten: »Er hat ihn von den Toten erweckt und ihm zu seiner Rechten in Himmels Höhen seinen Sitz gegeben, erhaben über alle Herrschaften und Mächte, Fürstentümer und Gewalten wie über jegliches Wesen, das es in dieser und der zukünftigen Welt gibt. Alles hat er ihm zu Füßen gelegt« (Eph 1, 20-22). Wie die Worte zeigen, ist diese Glorie dem Herrn so einzig eigen, dass sie keiner andern geschaffenen Natur zukommen kann. Darum sagt derselbe Apostel an einer andern Stelle: »Zu welchem der Engel hat er jemals gesagt: ,Sitze zu meiner Rechten ?« (Hebr 1, 13).

4 Der Seelsorger soll den Sinn dieses Glaubensartikels noch weiter dadurch ausführen, dass er den geschichtlichen Verlauf der Himmelfahrt erzählt, wie ihn der hI. Evangelist Lukas in der Apostelgeschichte so wunderbar schön beschreibt (Apg 1).

Bei der Erklärung wird man zunächst die Tatsache im Auge behalten müssen, dass alle übrigen Geheimnisse sich auf die Himmelfahrt wie auf ihren Abschluss beziehen und dass in diesem Einen Geheimnis ihrer aller Krönung und Vollendung enthalten ist. Denn wie in der Menschwerdung unsres Herrn alle Geheimnisse unsrer Religion ihren Anfang nehmen, so wird durch die Himmelfahrt seine irdische Laufbahn abgeschlossen. - Außerdem zeigen die andern Glaubensartikel, die sich auf Christus den Herrn beziehen, dessen tiefste Erniedrigung, ja schmachvolle Behandlung: es lässt sich ja in der Tat nichts Schmachvolleres, Erniedrigenderes denken, als dass der Sohn Gottes für uns die menschliche Natur und Schwäche auf sich nahm und leiden und sterben wollte. Nun aber, da wir im vorigen Artikel seine Auferstehung von den Toten und in diesem seine Himmelfahrt und sein Sitzen zur Rechten Gottes des Vaters bekennen, ist das auch das Großartigste, Wunderbarste, was sich zur Erklärung seiner unendlichen Glorie und göttlichen Majestät sagen lässt.

5 Hierauf ist eingehend darzulegen, warum Christus der Herr zum Himmel aufgefahren ist. Er fuhr auf, erstens weil für seinen Leib, der in der Auferstehung die Glorie der Unsterblichkeit empfangen hatte, nicht mehr die niedrig dunkle Erdenwohnung, sondern nur noch der hohe glänzende Himmel der rechte Aufenthalt war. - Aber nicht nur um den Thron des Reiches der Herrlichkeit in Besitz zu nehmen, das Er sich durch sein Blut verdient hatte, fuhr Er zum Himmel, nein, auch um für all das zu sorgen, was sich auf unser Heil erstreckt. Weiterhin wollte Er durch die Tat beweisen, dass sein Reich nicht von dieser Welt ist (Joh 18, 36). Die Reiche der Welt sind irdisch vergänglich und stützen sich auf den Reichtum und die Macht des Fleisches. Christi Reich hingegen ist kein irdisches, so wie es die Juden erwarteten, sondern ein geistiges und ewiges Reich, und ebenso sind seine Macht und Schätze geistiger Art. Das hat Er eben dadurch gezeigt, dass Er seinen Thron im Himmel aufschlug. In diesem seinem Reich haben jene als die Bessergestellten und überreich Besitzenden zu gelten, die mit größerer Liebe das suchen, was Gottes ist. Der hl. Jakobus sagt es: »Gott hat die Armen dieser Welt auserwählt zu Reichen im Glauben und zu Erben des Reiches, das Gott denen verheißen hat, die ihn lieben« (Jak 2, 5). - Aber auch dies wollte der Herr durch seinen Aufstieg zum Himmel erreichen, dass wir mit Gedanken der Sehnsucht Ihm dahin folgen. Denn wie Er durch seinen Tod und seine Auferstehung uns das Beispiel gegeben, wie auch wir geistigerweise sterben und auferstehen sollen, so ist seine Himmelfahrt eine Lehre, eine Mahnung an uns, dass wir Erdenbewohner unsre Gedanken gen Himmel richten sollen, im Bewusstsein, dass wir nur Pilger und Fremdlinge auf dieser Welt sind, die ihr Vaterland suchen (Hebr 11, 13), dass wir Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen sind (Eph 2, 19). Denn »unsere Heimat ist«, wie derselbe Apostel sagt, »im Himmel« (Phil 3, 19).

6 Die Fülle und Größe der unaussprechlichen Wohltaten, mit denen Er uns in göttlicher Güte (vom Himmel aus) überschüttet, hat der Prophet David nach der Erklärung des Apostels schon lange zuvor verkündet: »Er steigt zur Höh' empor, führt die Gefangenen mit sich fort und gibt den Menschen seine Gaben« (Ps 67, 19; Eph 4, 8). Denn am zehnten Tage gab Er ihnen den Hl. Geist, mit dessen überreicher Kraft Er die versammelte Schar der Gläubigen erfüllte, und löste so das herrliche Versprechen ein, das Er gegeben: »Es ist gut für euch, dass ich hingehe. Denn gehe ich nicht hin, so wird der Beistand nicht zu euch kommen. Gehe ich aber hin, so werde ich ihn euch senden« (Joh 16, 7). - Er stieg nach einem Ausspruch des Apostels auch deshalb in den Himmel auf, »um nunmehr vor dem Angesicht Gottes für uns einzutreten« (Hebr 9, 24) und beim Vater seines Amtes als Fürsprecher zu walten. »Meine Kinder«, sagt der hl. Johannes, »das schreibe ich euch, damit ihr nicht sündigt. Wenn aber jemand sündigt, so haben wir einen Fürsprecher beim Vater: Jesus Christus, den Gerechten. Er ist die Sühne für unsre Sünden« (1 Joh 2, 1 f). Und aus nichts sollten die Gläubigen solche Freude, solch großen Trost schöpfen, als aus der Tatsache, dass Jesus Christus als Sachwalter und Fürbitter für unser Heil aufgestellt ist, Er, der beim ewigen Vater in höchster Gunst und in größtem Ansehen steht. - Er hat uns endlich »eine Wohnung bereitet« (Joh 14, 2), wie Er zu tun versprochen hatte; und in unser aller Namen hat Jesus Christus, unser Haupt, von der Himmelsglorie Besitz ergriffen. Denn da Er zum Himmel ging, öffnete Er die Tore, die durch Adams Sünde verschlossen waren, und bahnte uns den Weg, auf dem wir zur Himmelsseligkeit gelangen können; ganz so wie Er es beim letzten Abendmahl den Jüngern vorausgesagt hatte. Und um sein Wort gleich durch die Tat offen zu bekräftigen, führte Er die Seelen der Gerechten, die Er der Vorhölle entrissen hatte, mit sich in die Wohnung der ewigen Seligkeit ein.

7 Diesen wunderbar reichen Himmelsgaben folgte eine segensvolle Reihe von Heilsgnaden. Zunächst erfuhr die Verdienstlichkeit unsres GIaubens einen ungemein großen Zuwachs. Der Glaube betrifft ja Dinge, die mit dem Auge nicht wahrzunehmen sind und weitab von Menschenverstand und Menschenerkennen liegen. Wäre nun der Herr nicht von uns geschieden, so würde unser Glaubensverdienst geschmälert. Preist doch Christus der Herr jene »selig, die nicht sehen und doch glauben« (Joh 20, 29). - Außerdem hat Christi Himmelfahrt auch hohe Bedeutung für die Befestigung der Hoffnung in unsern Herzen. Denn da wir glauben, dass Christus als Mensch zum Himmel aufgefahren und die menschliche Natur zur Rechten des Vaters gesetzt habe, so lebt in uns die sichere Hoffnung, dass auch wir, seine Glieder, dereinst dahin gelangen und im Himmel mit unserm Haupt vereinigt werden. Das hat der Herr selbst ausgesprochen mit den Worten: »Vater, die du mir gegeben, lass sie bei mir sein, dort wo ich bin« (Joh 17, 24). - Dann ist uns auch die vielleicht größte aller Wohltaten geworden, dass Christus unsre Liebe mit sich zum Himmel emporgehoben und mit göttlichem Geist entflammt hat. Es ist ja ein so wahres Wort, dass unser Herz dort weilt, wo unser Schatz ist (Mt 6, 21).

8 Wirklich, wäre Christus der Herr (sichtbar) hier auf Erden, so würde all unser Denken im Anblick und Umgang des Menschen gebannt sein, wir würden in Ihm nur den Menschen sehen, der uns so große Wohltaten erwiesen hat, und würden Ihm eine sozusagen erdhafte Gegenliebe erweisen. Nun stieg Er aber zum Himmel auf, und damit hat Er unsre Liebe vergeistigt, hat bewirkt, dass wir Ihn den wir uns nun abwesend denken, als Gott verehren und lieben. Wie richtig das ist, sehen wir am Beispiel der Apostel, die, als der Herr noch unter ihnen weilte, offensichtlich im allgemeinen recht menschlich von Ihm urteilten. Außerdem hat der Herr selbst es ausgesprochen, wenn Er (den Aposteln) sagt: »Es ist gut für euch, dass ich hingehe« (Joh 16, 7). Denn die noch unvollkommene Liebe, mit der sie Christus Jesus liebten, da Er noch auf Erden weilte, musste durch die göttliche Liebe vervollkommnet werden, und zwar durch die Ankunft des Hl. Geistes. Darum fügte der Heiland sogleich hinzu: »Gehe ich nämlich nicht hin, so wird der Beistand nicht zu euch kommen.« 

9 Eine weitere Gabe: Christus machte auf diese Weise sein Haus auf Erden, d. h. die Kirche, groß und weit; sie sollte (nicht durch seine sichtbare Gegenwart, sondern) durch die lenkende Kraft des Hl. Geistes regiert werden. Zum Hirten aber und Oberhaupt der Gesamtkirche hienieden ließ Er den Apostelfürsten Petrus zurück. Außerdem »bestimmte er die einen zu Aposteln, andere zu Propheten, wieder andere zu Verkündern des Evangeliums oder zu Hirten und Lehrern« (1 Kor 12, 28; Eph 4, 11). Und in gleicher Weise teilt Er, zur Rechten des Vaters sitzend, ohne Unterlass den einen diese, den andern jene Gaben zu, wie der Apostel es sagt: »Einem jeden von uns ist die Gnade verliehen in dem Maß, wie Christus sie ausgeteilt hat« (Eph 4, 7). - Nun noch ein letztes: was wir früher vom Geheimnis des Todes und der Auferstehung lehrten, das gilt auch von der Himmelfahrt. Gewiss verdanken wir unser Heil und unsre Erlösung dem Leiden Christi, Er hat ja durch dieses sein Verdienst den Gerechten den Weg zum Himmel aufgetan. Dennoch aber ist seine Himmelfahrt nicht nur als Vorbild vor uns hingestellt, damit wir daraus zur Höhe blicken und geistig zum Himmel aufsteigen lernen, sie hat uns vielmehr auch jene Gotteskraft geschenkt, durch die wir dieses unser Ziel wirklich zu erreichen vermögen.

Achtes Kapitel: Siebter Glaubensartikel
»Von dannen Er kommen wird zu richten die Lebendigen und die Toten« 

1 Drei Hauptaufgaben und Ämter hat unser Herr Jesus Christus zum Zweck der Ausgestaltung und Verherrlichung seiner Kirche: die des Erlösers, des Schutzherrn und des Richters. Aus den vorhergehenden Glaubensartikeln wissen wir, dass Christus die Menschheit durch sein Leiden und Sterben erlöst und bei seiner Himmelfahrt für immer unsre Vertretung und unsern Schutz übernommen hat. Nun soll in diesem Artikel auch seine Stellung als Richter erklärt werden. Sinn und Gehalt des Artikels ist, dass Christus der Herr am Jüngsten Tag über das ganze Menschengeschlecht sein Urteil sprechen wird.

2 Die Hl. Schrift redet von einer zweifachen Ankunft des Sohnes Gottes. Einmal als Er unsres Heiles wegen Fleisch annahm und im Schoß der Jungfrau Mensch wurde. Das zweitemal aber wenn Er am Ende der Zeiten kommen wird um alle Menschen zu richten. Diese zweite Ankunft wird in der Hl. Schrift der »Tag des Herrn« genannt (1 Petr 3, 10; Offb 3, 26), und von diesem Tag sagt der Apostel: »Der Tag des Herrn kommt wie ein Dieb in der Nacht« (1 Thess 5, 2), und der Heiland selbst: »Den Tag aber und die Stunde weiß niemand« (Mt 24, 36).

Für die Tatsache des Jüngsten Gerichtes aber möge die Stelle des Apostels genügen: »Wir müssen alle vor dem Richterstuhl Christi erscheinen. Da soll jeder den Lohn empfangen für das, was er im irdischen Leben getan hat, Gutes oder Böses« (2 Kor 5, 10). Die Hl. Schrift ist ja voll von Stellen, die dem Seelsorger auf Schritt und Tritt begegnen, um diese Glaubenswahrheit nicht nur zu beweisen, sondern sie den Christen auch anschaulich vor Augen zu halten. Denn wie von Anbeginn der Welt jener erste Tag des Herrn, an dem Er menschliches Fleisch annahm, für alle immerdar das Ziel heißesten Verlangens war, da auf diesem Geheimnis ihre Hoffnung auf Erlösung ruhte, so sollen wir nach dem Tod und der Himmelfahrt des Gottessohnes diesen zweiten Tag des Herrn voll Verlangen herbeisehnen »in seliger Hoffnung auf die Erscheinung der Herrlichkeit unsres großen Gottes« (Tit 2, 13).

3 Für die Erklärung des Artikels muss der Seelsorger die zwei Zeitpunkte beachten, wo jeder vor dem Herrn erscheinen, über all seine Gedanken, Worte und Werke Rechenschaft ablegen und endlich den vom Richter gefällten Urteilsspruch annehmen muss:

Der erste ist der Augenblick unsres Hinscheidens. Sofort wird die Seele dann vor Gottes Richterstuhl gestellt und dort eine ganz gerechte Untersuchung gehalten über alles, was der Mensch je getan, gesprochen und gedacht hat. Dieses Gericht heißt das besondere Gericht (Einzelgericht).

Das andere aber vollzieht sich dann, wenn an Einem Tag, an Einem Ort alle Menschen zugleich vor dem Stuhl des Richters stehen werden, damit jeder einzelne vor den Augen und Ohren aller Menschen aller Zeiten sein endgültiges Urteil erfahre. Diese Urteilsverkündigung wird für die Gottlosen und Sünder nicht der kleinste Teil ihrer Strafen und Qualen sein; den Frommen und Gerechten hingegen wird dies kein geringer Lohn und Gewinn sein, wenn es offenbar wird, was für ein Mensch jeder in diesem Leben war. Dieses Gericht heißt das allgemeine Gericht.

4 Man muss dann auch die Gründe aufzeigen, warum außer dem besondern Gericht über jeden einzelnen auch noch dieses zweite allgemeine Gericht gehalten wird.

Mag der Mensch auch gestorben sein, es leben doch nicht selten noch Kinder, die es ihren Eltern nachtun; es sind Nachkommen oder Jünger da, die der Verstorbenen Beispiel in Wort und Tat weiter nachahmen und verbreiten. Dieses Fortwirken ihrer Taten muss notwendig den Lohn, aber auch die Pein der Toten vermehren. Und da jene guten oder schlechten Folgen, wenn sie sich auf einen weiten Kreis erstrecken, nicht eher ein Ende finden, als bis der Jüngste Tag gekommen ist, so ist es billig, dass dieses gesamte gute oder böse Verhalten in Tat und Wort zu lückenloser Untersuchung gelangt. Das aber ist nur durch das allgemeine Gericht über die Menschheit möglich.

Ein weiterer Grund: da der gute Name der Gottesfürchtigen oft in den Staub gezogen wird, Sünder hingegen im Ruf unbescholtenen Wandels stehen, so fordert es die göttliche Gerechtigkeit, dass die Guten den ungerechterweise ihnen entrissenen guten Ruf nun auch öffentlich in einer die gesamte Menschheit umfassenden Gerichtsverhandlung wiedererlangen.

Außerdem haben die Guten wie die Schlechten bei allem, was sie in diesem Leben taten, auch den Körper als Mitarbeiter gehabt; somit ist der Körper als Werkzeug des HandeIns auch an allen Taten beteiligt, sie mögen gut oder schlecht gewesen sein. Es ist also auch sehr entsprechend, dass dem Körper zugleich mit der Seele der ihm gebührende Lohn ewiger Herrlichkeit oder aber seine Strafe zuerkannt wird. Das aber ist nur möglich nach der Auferstehung aller eben durch das allgemeine Gericht.

Ein letzter Grund ist dieser: Glück wie Unglück kommen nicht selten unterschiedslos über Gute wie Böse. Darum muss der Beweis geliefert werden, dass dennoch in allem Gottes unendliche Weisheit und Gerechtigkeit wirkt und leitet. So ist es denn in der Ordnung, dass nicht nur die Guten ihren Lohn und die Schlechten ihre Strafe in der künftigen Welt erhalten, sondern dass dieser Entscheid auch in einem öffentlichen, allgemeinen Gericht gefällt, und so für alle leichter erkennbar und eindrucksvoller wird; zugleich soll der Gerechtigkeit und Vorsehung Gottes von allen Anerkennung gezollt werden, zum Ersatz für jene ungerechtfertigten Klagen, in die zuweilen aus menschlicher Schwäche selbst heilige Männer ausbrachen, wenn sie sehen mussten, wie schlechte Menschen in Macht und Ehre standen. So klagt z. B. der Prophet: »Meine Füße schwankten schier, schier glitten meine Tritte aus, da ich mich ob der Frevler ereiferte, als ich der Sünder angenehmes Leben sah« (Ps 72, 2). Und gleich darauf: »Sieh, es sind Sünder und sie haben Überfluss auf Erden und werden reich. Da sagt ich mir: So hab ich denn umsonst mein Herz gerecht erhalten und habe meine Hände immerdar in Unschuld gewaschen und war geplagt den ganzen Tag und jeden Morgen lag aufs neue die Züchtigung auf mir« (ebd 12-14). In ähnlicher Weise haben viele schon geklagt. Darum war es notwendig, ein allgemeines Gericht zu halten, damit nicht etwa die Menschen sagen könnten, »die Räume des Himmelsbaus durchwandle Gott, um das, was auf Erden vor sich geht, kümmere er sich nicht« (Job 22, 14).

Mit Recht wurde darum dieser Glaubenssatz: in die Zahl der zwölf Glaubensartikel aufgenommen, damit, wenn jemand in Gefahr ist, im Glauben an Gottes Vorsehung und Gerechtigkeit schwankend zu werden, die Lehre vom kommenden Gericht ihm Halt und Stütze biete. Und außerdem soll der Gedanke ans Gericht die Guten trösten und die Bösen schrecken; jene sollen, im Gedanken an die Gerechtigkeit Gottes, nicht verzagen, diese durch die Furcht und Aussicht ewiger Strafe vom Bösen zurückgehalten werden.

Darum erklärte unser Herr und Heiland, als Er vom Jüngsten Tag sprach (Mt 24, 29), es werde dereinst ein allgemeines Gericht kommen. Und Er hat die Zeichen für das Nahen dieses Tages angegeben, damit wir aus der Beobachtung dieser Zeichen den Schluss ziehen könnten, dass das Weitende nahe ist. Und als Er dann zum Himmel auffuhr, sandte Er zwei Engel, die den über seinen Heimgang trauernden Aposteln zum Troste sagen sollten: »Dieser Jesus, der von euch weg in G~n Himmel aufgenommen worden ist, wird ebenso wiederkommen, wie ihr ihn zum Himmel habt auffahren sehen« (Apg 1, 11).

5 Christus dem Herrn ist dieses Gericht, wie die Hl. Schrift erklärt, nicht nur als Gott übertragen, sondern auch als Mensch. Zwar ist die Gewalt zu richten allen drei Personen der hlst. Dreieinigkeit gemeinsam, doch legen wir sie in besonderem Sinn dem Sohne bei, weil Ihm auch nach unsrer Redeweise die Weisheit zukommt. Dass Er aber als Mensch die Welt richten wird, bestätigt das Wort des Herrn: »Wie der Vater das Leben in sich hat, so hat Er auch dem Sohn verliehen, das Leben in sich selbst zu haben. Er hat Ihm die Macht gegeben, Gericht zu halten, weil Er der Menschensohn ist« (Job 5, 26-27).

6 Es ist auch sehr entsprechend, dass Christus der Herr dieses Gericht hält. Denn die Menschen, über die ja das Urteil gesprochen wird, sollen ihren Richter auch mit leiblichen Augen sehen, mit eigenen Ohren die Urteilsverkündigung hören und überhaupt das ganze Gericht mit ihren Sinnen auffassen können. Außerdem ist es sehr in der Ordnung, dass eben jener Mensch, der durch das ungerechteste Verfahren der Welt aus Menschenmund verurteilt wurde, nun auch vor aller Augen als Richter aller zu Gericht sitzt. Als deshalb der Apostelfürst im Haus des Cornelius die Hauptlehren des Christentums auseinandergesetzt und unter anderem erklärt hatte, wie Christus von den Juden ans Kreuz geschlagen und getötet wurde, aber am dritten Tag wieder zum Leben erstand, schloss er seine Ausführungen mit den Worten: »Und er hat uns aufgetragen, dem Volk zu predigen und zu bezeugen, dass er der von Gott bestellte Richter der Lebendigen und Toten ist« (Apg 10, 42).

7 Als Vorzeichen, die dem Gericht vorangehen werden, nennt die Hl. Schrift vor allem diese drei: Die Verkündigung des Evangeliums auf dem ganzen Erdenrund, den großen Abfall und den Antichrist. Denn so sprach der Herr: »Die Frohbotschaft vom Reich wird auf der ganzen Welt gepredigt werden zum Zeugnis für alle Völker; erst dann wird das Ende kommen« (Mt 24, 14). Und der Apostel mahnt uns, wir sollten uns nicht einreden lassen, »als ob der Tag des Gerichts nahe bevorstehe. Denn zuvor muss der Abfall kommen und der Mensch der Sünde erscheinen« (2 Thess 2, 3).

8 Den äußeren Vorgang des Gerichts kann der Seelsorger leicht den Weissagungen Daniels (Dan 7, 9) und der Lehre der hl. Evangelien wie des Apostels entnehmen (Mt 24 u. 25; Mk 13; 1 Thess 4, 16). Dabei ist der Urteilsspruch, den der Richter verkünden wird, eingehend zu erwägen. Christus, unser Heiland, wird mit freundlichem Blick die Gottesfürchtigen zu seiner Rechten: anschauen und mit einer Güte ohnegleichen über sie das Urteil sprechen: »Kommt, ihr Gesegneten meines Vaters! Nehmt das Reich in Besitz, das seit der Weltschöpfung für euch bereitet ist !« (Mt 25, 34) Kein Wort kann so süß zum Ohr dringen wie dieses. Das sieht man klar, wenn man es mit dem Verwerfungsurteil über die Sünder vergleicht, und bedenkt, dass dieses Wort die heiligen und gerechten Menschen von der Mühsal weg zur Ruhe, aus dem Tal der Tränen zum Gipfel aller Freude, aus dem Elend zur ewigen Seligkeit ruft, die sie sich durch Taten der Liebe verdient haben.

9 Dann wird der Richter sich zu jenen wenden, die zu seiner Linken stehen, wird seiner Gerechtigkeit über sie freien Lauf lassen und sprechen: »Hinweg von mir, ihr Verfluchten, ins ewige Feuer, das dem Teufel und seinem Anhang bereitet ist !« (Mt 25, 41)

Die ersten Worte »Hinweg von mir!« bezeichnen die schwerste Strafe, die über die Sünder verhängt werden wird: sie werden weit, weit aus Gottes Anblick verstoßen, und nicht die leiseste Hoffnung bleibt ihnen zum Trost übrig, vielleicht doch noch einmal das höchste Gut genießen zu können. Diese Strafe wird von den Gottesgelehrten Strafe des Verlustes genannt, weil die Verworfenen in der Hölle in alle Ewigkeit das Licht der Anschauung Gottes entbehren müssen. - Dass der Richter noch das Wort »ihr Verfluchten« beifügt, das steigert das Elend und Unglück der Verworfenen ins Ungemessene. Würden sie, wenn sie schon aus der Gegenwart Gottes vertrieben werden müssen, doch wenigstens irgend eines Segenswortes gewürdigt, so könnte ihnen das immerhin noch ein großer Trost sein. Da sie aber nichts dergleichen erwarten dürfen, was ihr Unglück lindern könnte, so werden sie, und zwar ganz mit Recht, bei ihrer Vertreibung durch die Strafgerechtigkeit Gottes einzig mit Fluch verfolgt.

Dann heißt es: ... »ins ewige Feuer«. Diese zweite Art von Strafe nennen die Gottesgelehrten die Strafe der Sinne, weil sie mit leiblichen Sinnen empfunden wird, wie dies z. B. bei der Prügelstrafe, bei der Geißelung und andern schweren Strafarten der Fall ist. Unter diesen ruft ohne Zweifel die Feuerqual die höchste Schmerzempfindung hervor. Und da zu dieser Pein noch ihre ewige Dauer hinzukommt, so ergibt sich daraus, dass die Strafe der Verdammten die höchste Fülle aller Strafleiden darstellt. Das machen die letzten Worte des Strafurteils noch deutlicher: » ... das dem Teufel und seinem Anhang bereitet ist«. Wie wir nun einmal sind, tragen wir alle Mühsal leichter, wenn wir einen Gefährten und Mitgenossen unsres Unglücks haben, dessen Klugheit und Güte uns irgendwie hilfreich zur Seite geht. Wie groß muss daher das Elend der Verdammten sein, die bei ihren schrecklichen Qualen in der Gesellschaft der verworfensten Teufel sind und sich davon niemals werden befreien können!

Dieses Strafurteil gegen die Sünder wird unser Herr und Erlöser in voller Gerechtigkeit fällen, da sie all die Werke wahrer Güte vernachlässigt, Hungernden nicht Speise noch Trank gereicht, Fremde nicht gastlich beherbergt, Nackte nicht bekleidet, Gefangene und Kranke nicht besucht haben.

10 Das sind die Wahrheiten, die der Seelsorger dem Christenvolk recht oft einhämmern sollte. Denn die Wahrheit, die in diesem Glau- I bensartikel ausgesprochen ist, hat, einmal gläubig erfasst, die allergrößte Macht, die verkehrten Leidenschaften im Zaum zu halten und die Menschen von der Sünde abzubringen. Darum steht das Wort im Ekklesiastikus (Sir 7, 36): »In all deinen Werken gedenke deiner letzten Dinge und du wirst in Ewigkeit nicht sündigen.« In der Tat, kaum einer wird so leidenschaftlich an der Sünde hangen, dass ihn nicht der Gedanke zu einem gottesfürchtigen Leben zurückriefe: es kommt ein Augenblick, wo ich vor dem allgerechten Richter Rechenschaft über aII meine Werke, Worte und selbst über die allergeheimsten Gedanken ablegen und je nach Verdienst meine Strafe abbüßen muss. Der Gerechte hingegen muss sich notwendig noch mehr zur Pflege der Tugend angespornt und zu großer Freude gestimmt fühlen, mag sein Leben auch in Armut, Verleumdung und Kreuz hinfließen, wenn er an den Tag denkt, da er nach den Kämpfen dieses mühevollen Lebens vor aller Welt als Sieger hingestellt und nach seiner Aufnahme in die Himmelsheimat von Gott mit nimmer endenden Ehren überhäuft wird. So soll man denn die Gläubigen ermahnen, sich eines heiligen Lebenswandels zu befleißen und sich in allen guten Werken eifrig zu üben, damit sie jenem kommenden großen Tag des Herrn mit um so größerer Seelenruhe entgegensehen und ihn, wie es sich für Gotteskinder ziemt, mit innigem Verlangen herbeisehnen können.

Neuntes Kapitel: Achter Glaubensartikel
»Ich glaube an den Heiligen Geist« 

1 Bisher wurde, soweit es der praktische Zweck des Buches fordert, auseinandergesetzt, was sich auf die erste und zweite Person der hlst. Dreifaltigkeit bezieht. Nun soll die Lehre des Glaubensbekenntnisses über die dritte Person, d. i. über den Hl. Geist dargelegt und erklärt werden.

In der Darbietung des hierher Gehörigen möge der Seelsorger allen Eifer und Fleiß aufwenden; der Christ muss ja diesen Teil des Glaubensbekenntnisses ebenso kennen und eine ebenso richtige Auffassung davon haben, wie von den übrigen vorausgegangenen Artikeln. Daher duldete der Apostel nicht, dass einige Christen von Ephesus in Unkenntnis über die Person des Hl. Geistes waren. Als sie nämlich auf seine Frage, ob sie den Hl. Geist empfangen hätten, zur Antwort gaben, sie wüssten nicht einmal, dass es einen Hl. Geist gebe, da stellte er sofort die weitere Frage: »Welche Taufe habt ihr denn empfangen ?« (Apg 19, 2 f) Damit deutete er an, dass eine genaue Kenntnis dieses Artikels für die Gläubigen höchst notwendig ist.

Der Hauptgewinn daraus wäre dieser: wenn sie aufmerksam erwägen, dass sie alles, was sie haben, als Gnadengabe vom Hl. Geist empfangen, dann lernen sie von sich selbst bescheiden und demütig denken und ihr ganzes Vertrauen auf die Hilfe Gottes setzen; und das muss für den Christen der erste Schritt zum Gipfel der Weisheit und des Glückes sein.

2 Die Behandlung des Artikels wird man mit der Erklärung der Bedeutung zu beginnen haben, die das Wort »der Hl. Geist« hier hat. Man könnte nämlich das Wort ebenso gut auch von Gott Vater und Gott Sohn gebrauchen, denn beide sind Geist und heilig; wir bekennen ja Gott als Geist. Außerdem geben wir diesen Namen auch den Engeln und den gerechten Seelen. Darum sorge man, dass die Gläubigen nicht durch die Vieldeutigkeit des Wortes in Irrtum geführt werden. Man lehre also, dass in diesem Artikel unter dem Namen »der Hl. Geist« die dritte Person der Dreieinigkeit gemeint ist, eine Bedeutung, die das Wort in der Hl. Schrift des Alten Testaments zuweilen, in der des Neuen Testaments häufig hat. So betet David: »Nimm deinen Heiligen Geist nicht weg von mir!« (Ps 50, 13); im Buch der Weisheit lesen wir: »Wer wird deinen Sinn erkennen, wenn du ihm nicht Weisheit gibst und deinen Hl. Geist aus der Höhe sendest ?« (Weish 9,17) Und anderswo: »Er schuf sie im Hl. Geiste« (Sir 1, 9). Im Neuen Bund wird uns der Befehl gegeben, uns taufen zu lassen »im Namen des Vaters und des Sohnes und des Hl. Geistes« (Mt 28,19). Die heiligste Jungfrau hat nach dem Evangelium »vom Hl. Geist« empfangen (Mt 1, 18. 20 Lk 1, 35). Und der hl. Johannes weist uns an Christus, der uns »im Hl. Geiste tauft« (Joh 1, 33; Mk 1, 18). Außerdem begegnet uns das Wort an vielen andern Stellen.

3 Dass die dritte Person der hlst. Dreieinigkeit nicht ebenso wie die erste und zweite einen besonderen Namen empfing, soll niemand befremdlich finden. Die zweite Person hat einen eigenen Namen und heißt Sohn deshalb, weil ihr ewiger Ursprung aus dem Vater im eigentlichen Sinn als Zeugung bezeichnet werden muss, wie dies in früheren Artikeln dargelegt wurde. Weil wir nun diesen Ursprung als Zeugung bezeichnen, darum nennen wir die Person, die ihren Ursprung nimmt, im eigentlichen Sinne Sohn, und die Person, aus der sie ihren Ursprung nimmt, Vater. Die Ursprungsweise der dritten Person aber erhielt keinen besondern Namen, sie wird einfach als Hauchung oder als Hervorgehen bezeichnet; und ebendeshalb trägt auch die Person, die hervorgebracht wird, keinen besondern Namen.

Der Grund, weshalb das Hervorgehen der dritten Person keinen besonderen Namen erhielt, ist dieser : Die Bezeichnungen, die wir Gott beilegen, müssen wir aus der geschaffenen Welt entnehmen. Nun finden wir aber in der Schöpfung nur diese eine Art, Natur und Wesen mitzuteilen, die durch die Zeugungskraft geschieht. Daher kommt es, dass wir zum Ausdruck für die Art, in der Gott sich selbst restlos inkraft der Liebe mitteilt, kein eigenes Wort haben. Deshalb erhielt die dritte Person die allgemeine Bezeichnung »der Hl. Geist«, eine Bezeichnung, die offenbar sehr gut für Ihn passt. Denn Er ist es, der uns das geistliche Leben eingießt, und ohne den Anhauch seines allerheiligsten Wesens können wir nichts für das ewige Leben Wertvolles tun.

4 Nach der Erklärung der Wortbedeutung unterrichte man die Gläubigen vor allem darüber, dass der Hl. Geist Gott ist, gleichwie der Vater und der Sohn, beiden ebenbürtig, gleich allmächtig: ewig und unendlich vollkommen, höchst gut und allweise, kurz: gleicher Natur mit dem Vater und dem Sohne. Das findet schon seinen Ausdruck in dem (lateinischen) Wörtchen »in«, wenn wir sagen »Credo in Spiritum Sanctum« Dieses Wörtchen ist nämlich bei jeder der drei Personen gesetzt, um die Grundlage unsres Glaubens auszudrücken (Dieser Satz wird klar durch die Bemerkung unter "20" im folgenden Glaubensartikel). - Dasselbe bestätigen auch klar verschiedene Schriftstellen. So spricht Petrus in der Apostelgeschichte: »Ananias, wie konnte der Satan dein Herz bestricken, dass du den Hl. Geist belogest?« (Apg 5, 3. 4) und fügt sofort bei: »Nicht Menschen hast du belogen, sondern Gott!« Den er eben als Hl. Geist bezeichnet hatte, nennt er also unmittelbar darauf Gott. Auch der Apostel erklärt den Korinthern gegenüber jenen, den er eben Gott genannt hatte, als den Hl. Geist: »Es gibt verschiedene Kräfte, aber es ist ein und derselbe Gott, der alles in allen wirkt.« Und kurz darauf schließt er: »Das alles wirkt ein und derselbe Geist, der jedem seine Gabe zuteilt, wie er will« (1 Kor 12, 6. 11). Weiterhin wird in der Apostelgeschichte dem Hl. Geist zugeschrieben, was die Propheten Gott schlechthin zuschreiben. So hatte Isaias gesprochen: »Ich hörte die Stimme des Herrn, der da sprach: Wen soll ich senden? Und er sprach zu mir: Geh und sage diesem Volk: Verblende das Herz dieses Volkes, mach es schwerhörig und schließe ihre Augen, damit sie nicht etwa mit ihren Augen sehen und mit ihren Ohren hören« (Jes 6, 8-10). Nun erwähnt der Apostel diese Worte und leitet sie ein mit der Bemerkung: » Treffend hat der Hl. Geist durch den Propheten Isaias gesprochen« (Apg 28, 25). - Wenn ferner die Hl. Schrift die Person des Hl. Geistes zugleich mit dem Vater und dem Sohne nennt, wenn sie z. B. den Namen des Vaters und des Sohnes und des HI. Geistes bei der Taufe anzuwenden befiehlt, so ist für uns ein Zweifel an der Wahrheit dieses Geheimnisses ausgeschlossen. Denn wenn der Vater Gott ist und der Sohn Gott ist, so müssen wir doch gewiss gestehen, dass der Hl. Geist, der auf gleicher Stufe der Verehrung mit Ihnen verbunden wird, ebenfalls Gott ist. Dazu beachte man: wer auf den Namen eines geschaffenen Wesens getauft wird, es mag dieses sein was es will, der hat davon keinerlei Nutzen. »Seid ihr denn auf Paulus' Namen getauft?« fragt der Apostel (Kor 1, 13), um zu zeigen, dass ihnen das zur Erlangung des Heiles nichts nützen würde. Wenn wir demnach im Namen des Hl. Geistes getauft werden, dann muss man sagen, Er ist Gott. Diese NebeneinandersteIlung der drei Personen, die die Gottheit des Hl. Geistes erweist, lässt sich auch im Brief des hI. Johannes beobachten: »Drei sind, die Zeugnis geben im Himmel, der Vater, das Wort und der Hl. Geist, und diese drei sind eins« (1 Joh 5, 7 das sog. Comma Johanneum). Und ebenso in dem herrlichen Lobspruch auf die hlst. Dreieinigkeit, mit dem das kirchliche Stundengebet und die Psalmen schließen: »Die Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Hl. Geist.« - Endlich noch ein sehr guter Beweis dieser Wahrheit: alle Eigenschaften Gottes, die der Glaube uns lehrt, kommen nach Ausweis der Hl. Schrift auch dem Hl. Geist zu. So erkennt sie Ihm die Ehre von Tempeln zu, wie z. B. im Wort des Apostels: »Wisst ihr nicht, dass eure Glieder Tempel des Hl. Geistes sind ?« (1 Kor 6, 19) Sie schreibt Ihm die Tätigkeiten der »Heiligung« und »Belebung« zu (1 Ptr 1, 2; Joh 6,63); sie sagt, dass Er »die Tiefen der Gottheit ergründet« (1 Kor 2, 10), dass Er durch die Propheten spreche (2 Per 1, 21) und allgegenwärtig sei (Ps 138, 7). All dies aber lässt sich nur von einem göttlichen Wesen aussagen.

5 Gott der Hl. Geist - so muss den Gläubigen weiterhin genau erklärt werden - ist als die dritte Person der hlst. Dreifaltigkeit innerhalb der göttlichen Wesenheit zu bekennen, unterschieden vom Vater und Sohn, und durch beider Liebeswillen hervorgebracht. Um von andern Zeugnissen der Hl. Schrift abzusehen, zeigt die Taufformel, die unser Erlöser gelehrt, mit aller Klarheit, dass der Hl. Geist die dritte Person ist, die in der göttlichen Natur selbständig besteht und von den andern beiden Personen verschieden ist. Das zeigen auch die Worte des Apostels, wenn er sagt: »Die Gnade unsers Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des HI. Geistes sei mit euch allen, Amen« (2 Kor 13, 13).

Dasselbe beweist noch weit klarer der Absatz, . den die Väter auf dem ersten Konzil von Konstantinopel (381) diesem Glaubensartikel beigefügt haben, um die verwerfliche Irrlehre des Mazedonius zurückzuweisen: »Ich glaube an den Hl. Geist, den Herrn, den Lebendigmacher, der aus dem Vater und dem Sohn hervorgeht. Der mit dem Vater und dem Sohn zugleich angebetet und verherrlicht wird. Der gesprochen hat durch die Propheten.« Wenn sie den HI. Geist als Herrn bekennen, so sprechen sie damit seinen unendlichen Vorrang vor den Engeln aus, die doch von Gott als überaus erhabene Geister erschaffen sind. Denn die Engel sind nach dem Wort des hI. Paulus alle nur »dienende Geister, zum Dienste ausgesandt um derer willen, die das Heil erben sollen« (Hebr 1, 14). Den Lebendigmacher nennen sie Ihn, weil die Seele durch ihre Verbindung mit Gott in höherem Sinn lebt, als der Leib durch die Verbindung mit der Seele am Leben erhalten wird. Weil aber die HI. Schrift diese Verbindung der Seele mit Gott dem Hl. Geist zuschreibt, so heißt der Hl. Geist offenbar mit vollstem Recht der Lebendigmacher.

6 Weiter heißt es: »Der aus dem Vater und dem Sohn hervorgeht.« Man belehre also die Christen, dass der Hl. Geist in ewigem Ausgang vom Vater und Sohn wie aus einem einzigen Urgrund hervorgeht. So lehrt es uns die kirchliche Glaubensregel, von der kein Christ abweichen darf, und die HI. Schrift wie die Autorität der Kirchenversammlungen bestätigen es. Denn Christus der Herr sagt, wo Er vom Hl. Geist spricht: »Er wird mich verherrlichen; denn er wird von dem Meinigen nehmen« (Joh 16, 14). Das gleiche ergibt sich daraus, dass der Hl. Geist in der HI. Schrift manchmal Geist Christi, manchmal Geist des Vaters genannt wird; bald heißt es, Er wird vom Vater, bald vom Sohne gesandt. Darin liegt ein deutlicher Hinweis, dass Er in gleicher Weise vom Vater und vom Sohne ausgeht. »Wer den Geist Christi nicht hat, gehört ihm nicht an«, sagt der hl. Paulus (Röm 8, 9). Und derselbe Apostel nennt Ihn den Geist Christi, wenn er an die Galater schreibt: »Gott hat den Geist seines Sohnes in unser Herz gesandt, der da ruft: Abba, Vater !« (Gal 4, 6). Beim hl. Matthäus wird Er der Geist des Vaters genannt: »Nicht ihr seid es, die da reden, sondern der Geist eures Vaters« (Mt 10, 20). Und der Herr spricht in seiner Abschiedsrede: »Der Tröster, den ich euch senden werde, der Geist der Wahrheit, der vom Vater ausgeht, der wird von mir Zeugnis geben« (Joh 15, 26). Und an anderer Stelle sagt Er, derselbe Hl. Geist solle vom Vater gesandt werden: »Ihn wird der Vater in meinem Namen senden« (Joh 14, 26). Aus diesen Aussprüchen, die über den Ausgang des Hl. Geistes Aufschluss geben, ergibt sich klar, dass Er von beiden ausgeht. - Das ist es, was über die Person des Hl. Geistes zu sagen wäre.

7 Außerdem ist das Volk zu belehren, dass es gewisse erhabene Wirkungen, gewisse kostbare Gnadengaben gibt, die nach den Worten der Schrift vom Hl. Geiste wie aus dem unerschöpflichen Quell der Güte entströmen und uns zufließen. Wohl sind die Werke der allerheiligsten Dreifaltigkeit nach außen allen drei Personen gemeinsam; doch werden viele von ihnen dem HI. Geist in besonderer Weise zugeschrieben, damit wir erkennen, dass sie uns von Gottes unendlicher Liebe zukommen. Da nämlich der Hl. Geist aus dem in Liebe gleichsam flammenden göttlichen Willen hervorgeht, so können wir folgern, dass jene Wirkungen, die in besonderer Weise zum Hl. Geist in Beziehung gebracht werden, in der unendlichen Liebe Gottes gegen uns ihren Ursprung haben. Daher wird auch der Hl. Geist selbst Gabe genannt. »Gabe« (donum) bezeichnet ja eben das, was aus reiner Güte, umsonst, ohne jeden Anspruch auf Wiedervergeltung geschenkt wird. Und so müssen wir denn in dankbarer Liebe alles Gute, alle Wohltaten, die uns von Gott gespendet wurden (»was aber haben wir«, nach dem Wort des Apostels, »das wir nicht von Gott empfangen hätten ?« (1 Kor 4, 7) als durch des Hl. Geistes Huld und Gnade uns gegeben anerkennen.

8 Der Wirkungen des Hl. Geistes sind mehrere. Abgesehen von der Schöpfung der Welt, sowie der Vermehrung und Leitung der geschaffenen Wesen, was im ersten Glaubensartikel erwähnt wurde, wird dem Hl. Geist in besonderer Weise das Lebendigmachen zugeschrieben, worauf wir schon oben hinwiesen. Ein Wort Ezechiels bestätigt dies: »Ich gebe euch den Geist und ihr werdet leben« (Ez 37, 6).

Die wichtigsten und eigentümlichsten Wirkungen des Hl. Geistes aber zählt der Prophet in folgender Weise auf: »Der Geist der Weisheit und des Verstandes, der Geist des Rates und der Stärke, der Geist der Wissenschaft und der Frömmigkeit und der Geist der Furcht des Herrn« (Jes 11, 2. 3). Diese heißen Gaben des Hl. Geistes; doch erhalten sie manchmal auch den Namen des Hl.Geistes selbst. Daher gibt der hl. Augustinus den beachtenswerten Wink, man müsse gut zusehen, wenn in der Hl. Schrift das Wort »der Hl. Geist« gebraucht wird, ob die dritte Person der hlst. Dreifaltigkeit selbst oder aber ihre Wirkungen und Tätigkeiten gemeint seien. Denn zwischen beiden ist ein ebenso großer Unterschied zu machen, als unser Glaube den Schöpfer vom Geschöpf unterscheidet. Die Lehre von den Gaben des Hl. Geistes muss man darum eingehender erklären, weil wir durch sie die Weisungen für das christliche Leben empfangen und inne werden können, ob der Hl. Geist in uns wohnt.

Doch vor all den reichen Gaben des HI. Geistes muss die heiligmachende Gnade hervorgehoben werden, die uns besiegelt »mit dem verheißenen Hl. Geist, der da ist das Unterpfand unsres Erbes« (Eph 1, 13. 14). Denn sie ist es, die unsre Seele durch die innigsten Bande der Liebe mit Gott verbindet, und bewirkt, dass wir, erfüllt von heißem Verlangen nach Hingabe an Ihn, ein neues Leben führen; dass wir, »teilhaft geworden der göttlichen Natur (2 Petr 1, 4), Kinder Gottes heißen und in Wahrheit sind« (1 Joh 3, 1).

Zehntes Kapitel: Neunter Glaubensartikel
»Ich glaube an die heilige katholische Kirche« 
»die Gemeinschaft der Heiligen« 

1 Mit welch großer Sorgfalt der Seelsorger den Wahrheitsgehalt dieses neunten Glaubensartikels den Gläubigen entfalten soll, lassen vor allem zwei Erwägungen unschwer erkennen. Erstens haben, wie der hl. Augustin bemerkt, die Propheten ausführlicher und klarer noch über die Kirche gesprochen als selbst über Christus, wohl eben deshalb, weil sie voraussahen, dass im Geheimnis der Kirche weit mehr Menschen Irrtum und Täuschung anheimfallen können als im Geheimnis der Menschwerdung. Sollte es doch in der Zukunft immer wieder gottlose Verführer geben, die - dem Affen gleich, der menschliches Wesen vortäuschen will (Nach Cypr. ep. 73 ad Jabaj. 2) - sich selbst als die einzig richtigen Katholiken ausgeben und die ebenso verwerfliche wie eingebildete Behauptung aufstellen würden, die katholische Kirche sei bei ihnen und bei ihnen allein.

Zweitens: Wenn man einmal die wahre Lehre von der Kirche mit voller Überzeugung erfasst hat, wird es einem nicht mehr schwer fallen, der furchtbaren Gefahr des Irrglaubens zu entgehen. Es ist ja nicht jeder, der eine Sünde gegen den Glauben begangen hat, schon ohne weiteres als Irrgläubiger zu bezeichnen; das ist vielmehr nur der, der unter Missachtung der kirchlichen Autorität an seinen verkehrten Anschauungen hartnäckig festhält. Somit ist es ganz unmöglich, dass jemand von der Pest des Irrglaubens angesteckt wird, wenn er gläubig an dem festhält, was in diesem Artikel zu glauben vorgelegt wird. So sorge denn der Seelsorger aus aller Kraft dafür, dass die Christen in das Verständnis dieses Glaubensgeheimnisses eindringen, um so gegen die Umtriebe des Widersachers gefeit, im wahren Glauben treu zu beharren.

Es hängt übrigens dieser Glaubensartikel mit dem vorausgegangenen innig zusammen. Denn, wie oben gezeigt wurde, ist der Hl. Geist Quelle und Spender aller Heiligkeit; in diesem Artikel aber bekennen wir, dass von eben diesem Hl. Geist die Kirche den Vorzug der Heiligkeit empfangen hat.

2 Man erkläre zunächst die Bedeutung des Ausdrucks »ecclesia«. Dieses Wort haben die Lateiner aus dem Griechischen entlehnt und erst nach der Verkündigung des Evangeliums auf das religiöse Gebiet übertragen. Ecclesia bedeutet nämlich wörtlich »Aufruf«. Doch haben die Schriftsteller das Wort später gebraucht im Sinn von »Versammlung«, »Volksversammlung«. Dabei wurde zunächst kein Unterschied gemacht, ob es sich um das Volk des wahren Gottes oder um die Anhänger einer falschen Religion handelte. So heißt es in der Apostelgeschichte vom Volk zu Ephesus, der Stadtkanzler habe nach Beschwichtigung der empörten Menge gesagt: »Habt ihr aber sonst noch eine Beschwerde, so mag sie in einer regelrechten Volksversammlung (legitima ecclesia) erledigt werden« (Apg 19, 39). Hier wird also das ephesinische Volk, das doch dem Götzendienst der Diana ergeben war, eine regelrechte Volksversammlung genannt. Aber nicht nur die Heiden, die von Gott nichts wissen, sogar die Gemeinschaft schlechter, verworfener Menschen wird zuweilen als ecclesia, »Versammlung«, bezeichnet. So sagt der Prophet: »Der Frevler Runde (ecclesia) hasse ich, verkehre nicht mit Gottes Feinden« (Ps 25, 5).

Im Sprachgebrauch der Hl. Schrift wurde aber dann allgemein das Wort nur noch zur Bezeichnung der christlichen Reichsgemeinschaft und der Versammlungen von Gläubigen verwendet. Derer nämlich, die aus der Finsternis der Unwissenheit und des Irrtums durch den Glauben zum Licht der Wahrheit und zur Erkenntnis Gottes »berufen« sind, um den wahren lebendigen Gott in heiliger Hingabe zu verehren und Ihm aus ganzem Herzen zu dienen. Und so ist denn die Kirche, um alles mit einem Wort zu sagen, nach St. Augustin »die Gemeinschaft der Gläubigen rings auf der ganzen weiten Welt« (Zu Ps 149 u. ö.).

3 Die Geheimnisse, die dieses Wort (ecclesia) enthält, sind hochbedeutsam. Schon im Begriff »Aufruf«, der Grundbedeutung des Wortes ecclesia, zeigt sich die göttliche Huld und Gnade in strahlend hellem Licht, und wir erkennen daraus sofort, dass die Kirche sich von allen andern menschlichen Gemeinschaften stark unterscheidet. Diese gründen nämlich auf menschlichen Mitteln und menschlicher Weisheit, die Kirche aber ist eine Gründung göttlicher Weisheit und Vorsehung. Gott ist es nämlich, der uns [»aufruft« oder] zu ihr beruft, innerlich durch den Antrieb des HI. Geistes, der das Menschenherz aufschließt, von außen her aber durch das Amt und Wirken der Seelsorger und Verkündiger des Gotteswortes.

Auch das Ziel dieser Berufung, nämlich Erkenntnis und Besitz der ewigen Dinge, kann man sehr gut erkennen, wenn man [den Ausdruck ecclesia mit dem Wort synagoga vergleicht und] beachtet, weshalb einst unter dem mosaischen Gesetz das Volk der Gläubigen »Synagoge«, d. h. wörtlich »Zusammentrieb« genannt wurde. Diese Bezeichnung wurde ihnen, wie St. Augustin meint, deswegen gegeben, weil sie nach Art von Herdentieren, die man eben »zusammentreibt .. , nur auf irdisch-vergängliche Güter eingestellt waren. Das christliche Volk aber heißt daher mit Recht nicht »Synagoge«, sondern Kirche (ecclesia), weil es vergänglichen Erdentand für nichts achtet und nur das Ewige im Sinne hat.

4 Es gibt aber außerdem noch eine Reihe anderer geheimnisvoller Namen, die zur Bezeichnung der Christengemeinschaft verwendet wurden. So nennt sie der Apostel »Haus Gottes« und »Bau Gottes«. »Sollte sich meine Ankunft verzögern«, schreibt er an Timotheus(1 Tim 3, 15), »so sollst du wissen, wie man sich im Hause Gottes zu verhalten hat. Es ist ja die Kirche des lebendigen Gottes die Säule und Grundfeste der Wahrheit.« Ein »Haus wird die Kirche genannt, weil sie wie Eine große Familie ist, in der ein einziger Hausvater waltet und alle geistlichen Güter allen gemeinsam sind. Die Kirche wird auch »Herde« der Schafe Christi genannt, für die Christus Tür und Hirte ist (Joh 10, 1 f). Auch heißt sie »Braut Christi«: »Ich habe euch einem Manne verlobt«, schreibt der Apostel an die Korinther (2 Kor 11, 2), »um euch als reine Jungfrau Christus zuzuführen.« Und an die Epheser schreibt er (Eph 5, 25): »Ihr Männer, liebt eure Frauen, wie Christus die Kirche geliebt hat.« Und dann von der Ehe: »Dieses Geheimnis ist groß. Ich meine wegen seiner Beziehung zu Christus und seiner Kirche« (Eph 5, 32). Endlich heißt die Kirche der »Leib Christi«, wie man aus dem Brief an die Epheser (Eph 1, 23) und an die Kolosser (Kol 1, 18. 24) ersehen kann.

All diese Benennungen sind sehr geeignet, um an sie anschließend die Christen aufzumuntern, dass sie sich würdig erweisen der unermesslichen Barmherzigkeit und Güte Gottes, der sie zum Volk Gottes auserwählt hat.

5 Hierauf wird man die einzelnen Teile der Kirche aufzählen und deren gegenseitige Verschiedenheit darlegen müssen, damit das christliche Volk Wesen und Eigenschaften der gottgeliebten Kirche, ihre Gaben und Gnaden noch deutlicher erkenne und aus dieser Erkenntnis heraus Gottes allerheiligste Majestät unablässig verherrliche.

Die Kirche zerfällt in zwei Hauptteile, die »triumphierende Kirche« und die »kämpfende [streitende] Kirche«. Die triumphierende Kirche ist die herrliche, glückselige Gemeinschaft seliger Geister sowie all derer, die - nach dem Endsieg über die Welt, das Fleisch und den Geist der Bosheit - für immer frei von den Leiden dieses Lebens sich der ewigen Seligkeit erfreuen. - Die kämpfende Kirche aber ist die Gemeinschaft aller Gläubigen, die noch auf Erden leben. Sie heißt kämpfende Kirche deshalb, weil ihre Mitglieder im beständigen Kampf mit den drei Erbfeinden stehen, der Welt, dem Fleisch und dem Satan. - Doch denke man nicht, dass es deswegen zwei Kirchen gebe. Es sind dies nur, wie oben gesagt, zwei Teile einer und derselben Kirche, davon der eine Teil vorangegangen und bereits im Besitz der Himmelsheimat ist, während der andere Teil Tag um Tag nachfolgt, bis auch er dereinst, mit unserm Heiland vereint, ruhen wird in ewiger Glückseligkeit.

6 In der kämpfenden Kirche nun gibt es zwei Arten von Menschen, gute und böse. Die Bösen haben zwar an denselben Sakramenten Teil, bekennen auch den gleichen Glauben wie die Guten, sind ihnen aber sehr ungleich im Handel und Wandel. Die Guten in der Kirche aber sind jene, die nicht nur durch das Bekenntnis des gleichen Glaubens und die Teilnahme an den gleichen Sakramenten, sondern auch durch den Geist der Gnade und das Band der Liebe miteinander eng verbunden sind.

Von ihnen gilt übrigens das Wort: »Der Herr kennt die Seinen« (2 Tim 2, 19); wir Menschen können nur irgendwie mutmaßen, wer etwa zur Zahl der Guten gehört, mit Sicherheit wissen können wir es nicht. Deshalb ist auch die Ansicht unrichtig, Christus der Erlöser habe von diesem Teil der Kirche gesprochen, als Er uns an die Kirche wies und uns gebot, ihr zu gehorchen (Mt 18, 17). Denn da die Kirche der Gerechten nicht erkennbar ist, wie könnte man mit Sicherheit wissen, an wen man sich um ein Urteil wenden und wessen Autorität man gehorchen soll? Es umfasst also die Kirche Gute und Schlechte, wie dies die Hl. Schrift und die Schriften der Heiligen bezeugen. In diesem Sinn schreibt auch der Apostel von »einem Leib und einem Geist« (Eph 4, 4).

7 Die kämpfende Kirche ist leicht erkennbar, der Stadt auf dem Berge gleich, die man von überall sieht (Mt 5, 14). Denn da alle auf sie hören sollen, muss sie auch als solche erkennbar sein.

Dass sie nicht nur Gute in sich birgt, sondern auch Schlechte, zeigt das Evangelium in einer Reihe von Gleichnissen. So vergleicht es z. B. das Himmelreich, d. h. die kämpfende Kirche, mit einem »Netz, das ins Meer geworfen wurde« (Mt 13, 47), oder mit einem Acker, auf den Unkraut gesät ward« (Ebd. 24), mit einer »Tenne, auf der sich Korn und Spreu beflndet« (Ebd. 3, 12), oder mit den zehn teils törichten, teils klugen Jungfrauen (Mt 25, 1). Ja in viel früherer Zeit schon finden wir ein Vorbild und Gleichnis für diese Eigenart der Kirche, nämlich die Arche Noes, die nicht nur reine Tiere, sondern auch unreine in sich barg (Gen 7, 1).

Wiewohl nun also Gute und Schlechte zur Kirche gehören, wie dies der katholische Glaube nachdrücklich von jeher betonte, so muss den Christen doch auf Grund desselben Glaubens erklärt werden, dass zwischen diesen beiden Bestandteilen der Kirche ein sehr starker Unterschied besteht. Denn die Bösen sind nicht anders in der Kirche als etwa die Spreu, die mit dem Weizen auf der Tenne vermengt ist, oder wie manchmal Glieder sich im Körper finden, die mehr oder minder abgestorben sind.

8 Es ergibt sich aus alledem, dass nur drei Menschenklassen von der kirchlichen Gemeinschaft ausgeschlossen sind: zunächst die Ungläubigen, dann die Irrgläubigen und Schismatiker und endlich die von der Kirche besonders Ausgeschlossenen (Exkommunizierten). Die [Ungläubigen oder] Heiden gehören nicht zur Kirche, weil sie niemals in ihr waren, nichts von ihr wissen und durch kein Sakrament Anteil an der Gemeinschaft des Christenvolkes erhalten haben. Die Irrgläubigen und die Schismatiker, weil sie von der Kirche abgefallen sind. Sie gehören ebenso wenig zur Kirche als etwa Fahnenflüchtige zum Heer gehören, dessen Reihen sie eigenmächtig verlassen haben. Doch unterstehen sie unleugbar der kirchlichen Gewalt und können somit von der Kirche zur Verantwortung gezogen, bestraft und mit dem Bann belegt werden. Endlich die Exkommunizierten, da sie nach dem Urteilsspruch der Kirche von ihr ausgeschlossen sind und somit nicht zur kirchlichen Gemeinschaft gehören, bis sie sich bessern.

Alle übrigen aber, mögen sie auch schlecht und verkommen sein, bleiben ohne allen Zweifel im kirchlichen Verband. Darauf muss man die Christen mit Nachdruck aufmerksam machen. So können etwa kirchliche Obere in ihrem Lebenswandel schlecht sein; sie bleiben trotzdem und darüber müssen sich die Untergebenen ganz klar sein - im Verband der Kirche, und ihre Amtsgewalt erleidet deswegen keinerlei Schmälerung.

9 Das Wort »Kirche« wird aber auch zur Bezeichnung von Einzelteilen der Gesamtkirche verwendet. So spricht der Apostel von der Kirche zu Korinth (2 Kor 1, 1), in Galatien (Gal 1, 2), Laodizea (Klo 4,16). Thessalonich (1 Thess 1, 1). Auch private Familien von Gläubigen nennt er »Kirchen«. So will er, dass man der Kirche im Haus der Prisca und des AquiIa einen Gruß überbringe (Röm 16, 5). Und an anderer Stelle schreibt er (1 Kor 16, 19): »Es grüßen euch im Herrn Aquila und Priscilla samt der Gemeinde (»Kirche«) in ihrem Hause.« In seinem Brief an PhiIemon (Phlm 1, 2) gebraucht er ebenfalls diesen Ausdruck.

Zuweilen bezeichnet das Wort Kirche auch deren Vorsteher und Hirten. »Wenn er (dein Bruder) dich nicht hört«, spricht Christus, »so sag es der Kirche« (Mt 18, 17). An dieser Stelle sind die kirchlichen Vorsteher gemeint.

Weiterhin wird auch der Ort, wo sich das Volk, sei es zur Predigt, sei es zu einer gottesdienstlichen Verrichtung versammelt, Kirche genannt.

In diesem Glaubensartikel jedoch dient das Wort vor allem zur Bezeichnung jener oben besprochenenGesamtheit von Guten und Bösen, und zwar von Vorgesetzten wie von Untergebenen.

10 Man zeige den Christen weiterhin aber auch die Eigenschaften der Kirche auf. Denn daraus kommt ihnen eher zum Bewusstsein, welche Wohltat Gott all denen erweist, die das Glück haben, in der Kirche geboren und erzogen zu werden.

Als erste Eigenschaft der Kirche wird im Glaubensbekenntnis der Väter (Gemeint ist das im Messritus vorkommende Nicaenische Glaubensbekenntnis) genannt, dass sie »Eine« ist. Heißt es ja auch in der Hl. Schrift: »Eine ist meine Taube, Eine ist meine Schöne« (Hld 6, 8).

Als »eine« aber wird die ganze gewaltige Vielheit von Menschen, die noch dazu über alle Welt zerstreut ist, aus den Gründen bezeichnet, die der Apostel in seinem Brief an die Epheser angibt: »Es ist nur Ein Herr, nur Ein Glaube, nur Eine Taufe« (Eph 4, 5). Einer auch lenkt und leitet die Kirche: unsichtbar Christus, den der Vater gesetzt hat als »Haupt über die ganze Kirche, seinen Leib« (Eph 1, 22), sichtbar aber der rechtmäßige Nachfolger des Apostelfürsten Petrus auf dem römischen Stuhl.

11 Dieses sichtbare Oberhaupt war nach der übereinstimmenden Ansicht aller Väter notwendig, um die Einheit der Kirche zu begründen und dauernd zu erhalten. Der hl. Hieronymus gibt dieser Erkenntnis treffend Ausdruck, wenn er gegen Jovinian schreibt (Adv. Jovinian 1, 26): »Einer wird zum Oberhaupt erwählt, damit so der Anlass zur Spaltung beseitigt sei.« Und an Papst Damasus schreibt er (Brief 15, 2 an Damasus): »Zurück trete der Neid, es schweige alles ehrgeizige Streben nach Roms höchster Würde. Zum Nachfolger des Fischers spreche ich, zum Jünger des Kreuzes. Weil ich keinem andern Führer folgen will als Christus, darum verbinde ich mich mit deiner Heiligkeit, d. h. mit dem Stuhl Petri. Das ist der Fels, auf den, ich weiß es, die Kirche gebaut ist. Wer außerhalb dieses Hauses das (Passah-)Lamm genießt, gehört nicht zum heiligen Volk (Vgl. Ex 12, 3. 22). Wer sich nicht in der Arche Noes befindet, wird untergehen in den Tagen der Sintflut.« Das gleiche bestätigt schon viel früher Irenäus (Adv. haer. 3, 3) und Cyprian (De unit. eccl. 4). Dieser sagt, wo er von der Einheit der Kirche spricht: »Es sprach der Herr zu Petrus: ,Petrus, ich sage dir, du bist Petrus und auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen' (Mt 16, 18). Auf Einen baut Er also seine Kirche. Und wenn Er auch nach seiner Auferstehung allen Aposteln gleiche Gewalt verlieh mit den Worten: ,Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch. Empfanget den Hl. Geist (Joh 20, 21), so hat Er doch, um die Einheit klar zu offenbaren, in seiner Machtvollkommenheit bestimmt, dass diese Einheit von Einem ihren Ursprung habe.« Optatus von Mileve schreibt (De schism. Don. 2, 2): »Von Unkenntnis kann bei dir nicht die Rede sein; denn du weißt, Petrus war der erste, dem der bischöfliche Stuhl zu Rom verliehen wurde. Das Haupt aller Apostel, Petrus, hatte ihn inne. Denn in ihm, dem Einen, sollte die Einheit der Kathedra von allen anerkannt werden, damit nicht jeder der Apostel eine eigene in Anspruch nehme. Schismatiker und Verräter an der eigenen Sache würde somit sein, wer dieser einzigen Kathedra eine andere entgegenstellte.« Später aber schreibt Basilius (Homil. 29, 4: de poenitentia): »Petrus ist zum Fundament gesetzt; er hat das Wort gesprochen: ,Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes,' und ihm ward darauf die Antwort, er sei der Fels. War er nun auch Fels, so doch nicht im gleichen Sinn wie Christus; denn Christus ist der eigentliche unerschütterliche Fels, Petrus aber ist Fels durch diesen Felsen. Als Gott teilt [Jesus] andern seine Vorzüge mit: Priester ist er und macht zu Priestern; Fels ist er und macht zum Felsen. Und was ihm eigen ist, schenkt er auch seinen Dienern« (Hier steht im Text noch: »Endlich noch ein Wort des hl. Ambrosius«, ohne dass die Stelle angeführt wird. Wahrscheinlich ist folgender Ausspruch gemeint: »Weil Petrus aus aller Runde allein das Wort des Bekenntnisses spricht, erhält er den Vorrang vor allen«. Kommentar zu Lukas n. 175).

[Fortsetzung folgt]

siehe: II. Teil: Von den Sakramenten