Catechismus Romanus I. Teil: Vom Glaubensbekenntnis

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Catechismus Romanus
I. Teil: Vom Glaubensbekenntnis

(Quelle: Das Religionsbuch der Kirche, Katechismus gemäß Beschluß des Konzils von Trient für die Seelsorger herausgegeben auf Geheiß des Papstes Pius V.. In deutscher Übersetzung herausgegeben von Dr. Michael Gatterer SJ, erstes Buch – I Bändchen, übersetzt von Anton Koch S.J., Verlag Felizian Rauch Innsbruck-Leipzig 1940, S. 34-202 (3. Auflage); Imprimatur Nr. 286. Apostolische Administratur Innsbruck, 5. Februar 1940 Dr. Carl Lampert, Prov.; Als Vorlage zur Übersetzung diente die bei Tauchnitz, Leipzig erschienene Ausgabe des Catechismus Romanus, die genau den Text des in Rom erstmals gedruckten Originals wiedergibt. Die Gliederung in Teile und Kapitel ist ursprünglich und offiziell. Die fetten Nummern geben die Nummerierung wieder, die Andreas Fabricius, Professor der Philosophie in Löwen († 1581) erstmals einführte; sie sind nicht in allen Ausgaben gleich. Die in eckigen Klammern stehenden Zusätze sind von Dr. Michael Gatterer (außer wenn sie inerhalb gewöhnlicher Klammer stehen). Die Anmerkungen wurden bei der Digitalisierung im Text in Klammer, die Stellen der Heiligen Schrift nach den Abkürzungen der Einheitsübersetzung [Anhang] wiedergegeben)

Erstes Kapitel:
Vom Glauben und Glaubensbekenntnis

1 Der Ausdruck »Glaube« hat in der HI. Schrift mehrere Bedeutungen. Hier sprechen wir von jenem Glauben, kraft dessen wir alles fest für wahr halten, was von Gott geoffenbart ist.

Dass der Glaube in diesem Sinn notwendig ist, um zum Heil zu gelangen, daran kann mit Grund niemand zweifeln; es steht ja ausdrücklich geschrieben: »Ohne Glauben ist es unmöglich Gott zu gefallen« (Hebr 11,6). Der Grund ist der: das Ziel, das dem Menschen als seine Seligkeit gestellt ist, ist zu hoch, als dass es der menschlichen Geisteskraft einsichtig werden könnte. Somit musste der Mensch die Erkenntnis dieses Ziels von Gott empfangen. Diese Erkenntnis nun ist eben der Glaube, dessen Tugendkraft bewirkt, dass wir als richtig fest halten, was die Autorität unsrer heiligen Mutter, der Kirche, als von Gott geoffenbart erklärt. Ein Zweifel an dem, was Gott geoffenbart hat, ist bei Gläubigen ausgeschlossen. Denn Gott ist die Wahrheit selbst. Daraus ersehen wir auch den großen Unterschied zwischen dem Glauben, den wir Gott leisten, und jenem Glauben, den wir menschlichen Geschichtschreibern schenken.

Der Glaube hat einen weiten Umfang und viele Abstufungen an Größe und Wert, wie es in der Hl. Schrift z. B. heißt: »Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt« (Mt 14,28); ein andermal: »Groß ist dein Glaube« (Mt 15,28); und dann wieder: »Vermehre uns den Glauben« (Lk 17,5); ebenso: »Der Glaube ohne Werke ist tot« (Jak 2m20) und »der Glaube ist durch die Liebe wirksam« (Gal 5,6). Trotzdem ist es nur Eine Tugend, und es lassen sich die verschiedenen Abstufungen des Glaubens unter der gleichen Begriffsbestimmung zusammenfassen. Wie fruchtbar aber der Glaube ist und welchreichen Nutzen wir von ihm haben, das wird bei der Erklärung der Glaubensartikel näher ausgeführt werden.

2 Das erste also, was jeder Christ festhalten muss, sind jene Wahrheiten, die unsre Führer und Lehrer im Glauben, die Apostel, unter dem Beistand des Hl. Geistes in den zwölf Glaubensartikeln niedergelegt haben. Denn als sie vom Herrn den Auftrag erhalten hatten, als Boten an seiner Statt in alle Welt zu ziehen und allen Geschöpfen die Frohbotschaft zu verkünden, da beschlossen sie, für den christlichen Glauben eine bestimmte Formel zusammenzustellen. Es sollte nämlich in aller Denken und Sprechen Übereinstimmung und keinerlei Spaltung unter denen herrschen, die sie zur Einheit des Glaubens beriefen; alle sollten vielmehr »vollkommen eines Geistes und eines Sinnes sein« (1 Kor 1,10).

3 Dieses Apostolische Bekenntnis christlichen Glaubens und christlicher Hoffnung erhielt den Namen Symbol [»Zusammentat« oder auch »Erkennungszeichen«], entweder weil es aus verschiedenen Sätzen besteht, die die einzelnen Apostel dazu beigesteuert haben (Hier ist offenbar an die Legende gedacht, nach der jeder Apostel je einen der zwölf Glaubensartikel verfasst haben soll. Ambros. explic. symb) oder weil man es wie ein Erkennungszeichen gebrauchte, an dem man Abtrünnige, Eindringlinge und falsche Brüder, die das Evangelium zu fälschen suchten, von den wahren Anhängern Christi leicht zu unterscheiden vermochte.

4 In der christlichen Religion wird den Gläubigen vieles vorgelegt, was sie im einzelnen oder doch im ganzen fest und sicher glauben müssen. Das erste und Notwendigste aber, was jeder glauben muss, ist das, was uns gewissermaßen als Grundlage und Inbegriff der Wahrheit Gott selbst gelehrt hat über die Einheit des göttlichen Wesens und die Verschiedenheit der drei Personen, sowie über das Wirken, das den drei Personen in besonderer Weise zugeschrieben wird.

Dieses Grundgeheimnis nun - so lehre der Seelsorger - wird im Apostolischen Glaubensbekenntnis in kurzer Zusammenfassung vorgelegt. Denn dieses zerfällt in drei Hauptteile, wie schon die christliche Vorzeit beobachtet hat, wo man sich mit dem Inhalt des Glaubensbekenntnisses liebevoll und eingehend beschäftigte. Im ersten Teil wird die erste Person in Gott und das wunderbare Schöpfungswerk beschrieben; im zweiten Teil die zweite Person und das Geheimnis der Erlösung; im dritten Teil endlich wird die dritte Person, Urheber und Quell unsrer Heiligkeit, in verschiedenen sehr gut gewählten Sätzen dargestellt.

Diese Sätze des Glaubensbekenntnisses nennen wir nach einem von unsern Vätern häufig gebrauchten Vergleich »Artikel« [Glieder, vgl. Satzglied]. Wie man nämlich die Einzelteile des Körpers nach [Artikeln oder] Gliedern unterscheidet, so können wir auch in diesem unserm Glaubensbekenntnis jeden Einzelsatz, der uns zu glauben vorgelegt wird, ganz entsprechend als [Glied des Ganzen, d. i. als] Artikel bezeichnen.

Zweites Kapitel: Erster Glaubensartikel
»Ich glaube an Gott, den allmächtigen Vater, Schöpfer Himmels und der Erde«

1 Der Sinn dieser Worte ist: mit voller Überzeugung glaube ich und ohne alles Schwanken bekenne ich den Glauben an Gott Vater, die erste Person der hl. Dreieinigkeit, der in seiner Allmacht Himmel und Erde und alles, was darin ist, aus Nichts erschaffen hat und der die Schöpfung erhält und regiert. Und ich glaube an Ihn nicht nur im Herzen, bekenne Ihn nicht nur mit dem Mund - ich strebe auch aus aller Kraft und in kindlicher Hingabe zu Ihm als dem höchsten, vollkommensten Gut.

So etwa lässt sich in Kürze der Inhalt des ersten Glaubensartikels zusammenfassen. Doch birgt hier beinahe ein jedes Wort erhabene Geheimnisse, und darum muss der Seelsorger den Satz nun Wort für Wort eingehend durcharbeiten und dem gläubigen Volk, soweit es dem Herrn gefällt, erklären, damit es seine glorreiche Majestät in tiefer Ehrfurcht betrachten lerne(Ex 20, 18 f).


»Ich glaube« 

2 Das Wort »Glauben« hat hier nicht die Bedeutung von »meinen, wähnen, vermuten«; es bezeichnet vielmehr, wie die Hl. Schrift lehrt, die vollständig sichere Zustimmung, womit der Verstand die Offenbarungen Gottes fest und beharrlich als wahr umfasst. Nur der glaubt eigentlich, um es noch deutlicher zu sagen, der etwas ohne jeden Zweifel als sichere Überzeugung annimmt.

Es darf aber niemand meinen, die durch den Glauben erworbene Kenntnis biete weniger Gewissheit, weil man die Dinge nicht verstehen kann, die die Religion uns zu glauben vorlegt. Gewiss, das übernatürliche Licht, in dem wir diese Wahrheiten erkennen, gestattet uns keinen vollkommenen Einblick in die innern Gründe der Dinge; trotzdem schließt es aber jeden Zweifel an deren Tatsächlichkeit aus. »Denn Gott, der da sprach: ,Aus Finsternis soll Licht aufleuchten', er ist es, der in unsern Herzen aufgeleuchtet ist« (2 Kor 4, 6), so dass uns das Evangelium nicht verhüllt bleibt wie jenen, die verloren gehen.

3 Daraus ergibt sich aber auch die Folgerung, dass der mit dieser Glaubenserkenntnis Begnadete sich mit vorwitzigen Untersuchungen einfach nicht abgibt. Denn indem Gott uns zu glauben befahl, hat Er damit nicht den Auftrag gegeben, seine göttlichen Gedanken und Ratschlüsse zu untersuchen und deren innere Gründe zu erforschen, sondern Er hat uns nur das unwandelbare Fürwahrhalten zur Pflicht gemacht, das die Wirkung hat, dass der Geist in der Erkenntnis der ewigen Wahrheit seine Ruhe findet. Und mit Recht. Denn wenn der Apostel sagt: »Gott ist wahrhaftig, jeder Mensch aber ist ein Lügner« (Röm 3, 4), und wenn es schon eine ungebührliche Herausforderung bedeutet, einem ernsten, weisen Mann den Glauben zu versagen, falls er etwas versichert, und noch weiter in ihn zu dringen, er solle sein Wort durch Gründe oder Zeugen erhärten - ist es da nicht der höchste Grad von Verwegenheit, ja Torheit, wenn einer, der Gottes Offenbarungen hört, noch nach Gründen für die himmlische Heilslehre verlangt? Wir haben uns also an den Glauben zu halten, nicht nur unter Ausschluss jedes Zweifels, sondern auch unter Ausschluss aller Sucht nach Beweisen.

4 Der Pfarrer lehre aber weiterhin auch das: Wer da spricht »Ich glaube«, der erklärt damit nicht nur seine innere Zustimmung (worin der innere Glaubensakt besteht), er muss, was er drinnen im Herzen trägt, auch durch das offene Bekenntnis seines Glaubens nach außen zeigen und frisch und freudig öffentlich im Leben kundgeben. Der Christ sollte jene Gesinnung in sich tragen, die den Propheten mit solcher Zuversicht sprechen ließ: »Ich glaubte, darum redete ich« (Ps 115, 10). Er sollte es den Aposteln nachtun, die zu den Führern des jüdischen Volkes sprachen: »Wir können unmöglich von dem schweigen, was wir gesehen und gehört haben« (Apg 4, 20). Er sollte sich an dem herrlichen Wort des Apostels Paulus begeistern: »Ich schäme mich des Evangeliums nicht. Denn es ist Gottes Kraft zur Rettung für jeden, der glaubt« (Röm 1, 61). Oder an dem andern Wort, das die Berechtigung unsrer Forderung am besten bestätigt: »Mit dem Herzen glaubt man, um gerechtfertigt zu werden, mit dem Munde bekennt man, um zum Heil zu gelangen« (Röm 10, 10).


»An Gott« 

5 Die Worte »an Gott« zeigen uns den einzigartigen Vorrang christlicher Weisheit und damit zugleich das andere: welch großen Dank wir Gottes Güte schulden, da Er uns die Gnade gab, mittels des Glaubens sofort zur Erkenntnis des höchsten und für uns bedeutungsvollsten Wesens emporzusteigen. 6 Das ist ja gerade der große Unterschied zwischen der Weisheit des Christen und der Weltweisheit: diese kann unter Führung des Lichtes der Vernunft nur Schritt für Schritt vorandringen und kommt aus der Erkenntnis der Werke [Gottes] und der sichtbaren Dinge kaum nach langem Bemühen soweit, dass sie »das Unsichtbare an Gott schaut« (Röm 1, 20), dass sie aller Dinge erste Ursache, den Schöpfer erkennt und erfasst. Ganz anders der Glaube. Er schärft die geistige Sehkraft des Menschen in solchem Grad, dass der Blick mühelos bis in den Himmel vordringt; dass er, von übernatürlichem Licht erfüllt, zunächst den ewigen Quell des Lichtes selbst und dann von Ihm aus alle Dinge unter Ihm betrachtet; so dass wir, wie der Apostelfürst sagt (1 Petr 2, 9), »unsrer Berufung aus der Finsternis in sein wunderbares Licht« mit unbeschreiblicher Wonne innewerden, und »im Glauben unaussprechliche Freude genießen« (1 Petr 1, 8). Es ist also ganz in der Ordnung, wenn der Christ zuerst seinen Glauben an Gott bekennt.

Gottes Erhabenheit nun ist nach Jeremias' Wort (Jer 32, 13) »unbegreiflich«. »Er wohnt in unzugänglichem Licht«, wie der Apostel sagt (1 Tim 6, 16), »kein Mensch hat ihn gesehen und keiner kann ihn sehen«. Gott selbst hat ja zu Moses das Wort gesprochen: »Kein Mensch erblickt mich und bleibt dabei am Leben« (Ex 33; 20). Denn wenn unser Geist zu Gott selbst, dem höchsten aller Wesen vordringen sollte, so müsste er sich von aller sinnlichen Erkenntnis freimachen, was wir aber hienieden natürlicherweise nicht vermögen. Nun hat sich aber Gott trotzdem »nicht unbezeugt gelassen. Denn er ist es, der die Wohltaten spendet: der vom Himmel her Regen und fruchtbare Zeiten sendet, der Nahrung gibt und die Herzen mit Fröhlichkeit erfüllt« (Apg 14, 16) - Solche Überlegungen veranlassten die alten Weltweisen, jede Gottes unwürdige Vorstellung abzuweisen und alles Körperhafte, sinnlich Greifbare, Unvollkommene vom Gottesbegriff auszuschließen. Ihm schrieben sie Macht über alle Dinge und die Fülle des Guten zu, so zwar, dass von Ihm, wie aus dem ewigen, unerschöpflichen Quell der Vollkommenheit und Güte, sämtlichen Geschöpfen alle Vollkommenheit und Güte zuströme. Ihn nannten sie den Weisen, den Urheber und Freund der Wahrheit, den Gerechten, unendlich Wohltätigen, und bezeichneten Ihn mit ähnlichen Ausdrücken höchster, allseitiger Vollkommenheit. Seine Kraft war nach ihrer Anschauung ohne Maß und Grenze, sie erfüllte jeden Ort und erstreckte sich über das ganze All.

Doch all das steht noch weit schöner und großartiger auf den Blättern der HI. Schrift. Nur einige Stellen mögen dies dartun: »Gott ist Geist« (Joh 4, 24), »Seid vollkommen, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist!« (Mt 5, 48). »Alles liegt bloß und offen vor seinen Augen« (Hebr 4, 13). »O Tiefe des Reichtums der Weisheit und der Erkenntnis Gottes !« (Röm 11, 33). »Gott ist wahrhaftig« (Röm 3, 4). »Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben« (Joh 14, 6). »Deine Rechte ist voll der Gerechtigkeit« (Ps 47, 11). »Du öffnest deine Hand, erfüllst mit Segen alles, was da lebt« (Ps 144, 16). »Wo soll ich mich verbergen vor deinem Geist? Wohin nur fliehen vor deinem Angesicht? Stiege ich zum Himmel empor, so bist du da; stieg' ich zur Hölle hinab, du bist da. Nähme ich der Morgenröte Schwingen und ließe ich mich nieder am fernsten Meeresgestade, so würde deine Hand auch dort mich führen und deine Rechte mich erfassen« (Ps 138, 7 f). »,Erfülle ich nicht Himmel und Erde', spricht der Herr« ? (Jer 23, 24).

Sind auch die Erkenntnisse, die die Weltweisen von der Schöpfung ausgehend in Übereinstimmung mit der Lehre der HI. Schrift über das Wesen Gottes gewonnen haben, groß und erhaben, so sehen wir doch auch hier, wie notwendig die Offenbarung ist, wenn wir nämlich folgendes beachten: erstens, dass der Glaube, wie gesagt, auch dem einfachen Menschen ohne höhere Bildung sofort klar vermittelt, was solch große Gelehrte erst nach langem Studium erkannt haben; dass außerdem die aus dem Glauben geschöpfte Erkenntnis weit sicherer und irrtumsfreier ist, als das Erfassen dieser Dinge auf, Grund rein wissenschaftlicher Erwägungen; vor allem aber, dass jene besondere Gotteserkenntnis, zu der nicht der für alle gangbare Weg der Naturbetrachtung, sondern das Licht des Glaubens den Christen führt, weit vorzüglicher ist. Man denke nur einmal an den Inhalt der einzelnen Glaubensartikel: Sie geben uns Kunde von der Einheit des Wesens Gottes, von der Dreiheit der Personen, und von des Menschen letztem Ziel, das Gott selbst ist. Von Ihm haben wir den Besitz der himmlischen, ewigen Seligkeit zu erwarten, nach dem Wort des hl. Paulus, dass Gott »denen, die ihn suchen, ein Vergelter sein wird« (Hebr 11, 6). Die Größe dieses Lohnes und die Unmöglichkeit für den Menschen, sich diesen auch nur schwach vorzustellen, hat lange vor Paulus (1 Kor 2, 4) der Prophet Isaias schon ausgesprochen (Is 64, 4), wenn er sagt: »Von Ewigkeit her hat es niemand gehört, kein Ohr hat es vernommen, kein Auge es gesehen, außer dir o Gott, was du denen bereitet hast, die auf dich hoffen«.

7 Aus den bisherigen Ausführungen ergibt sich auch die Wahrheit, dass es nur Einen Gott gibt, nicht mehrere Götter. Denn: wir schreiben Gott die allerhöchste Güte und Vollkommenheit zu. Das höchste und vollkommenste Sein aber kann sich unmöglich in mehreren finden, [weil dann dem einen fehlte, was die andern haben.] Würde nun einem auch nur etwas von dieser höchsten Vollkommenheit fehlen, so wäre er eben damit schon nicht mehr schlechthin vollkommen, es käme ihm somit auch das Wesen Gottes nicht zu.

Diese Einheit Gottes beweisen eine ganze Reihe von Schrifstellen. So steht geschrieben: »Höre, Israel: der Herr, unser Gott, ist Ein Gott !« (Deut 6, 4). Und Gott selbst befahl: »Du sollst keine andern Götter neben mir haben !« (Ex 20, 4). Durch den Propheten lässt Er dann wiederholt die Mahnung ergehen: »Ich bin der erste und der letzte, und außer mir ist kein Gott« (Jes 44, 6). Und der Apostel bezeugt es vor aller Welt: »Ein Herr, Ein Glaube, Eine Taufe« (Eph 4, 5).

8 Wenn die Hl. Schrift Propheten und Richter zuweilen »Götter« nennt, so tut sie das nicht im Sinn der Heiden, die ebenso unverständig wie frevelhaft eine Großzahl von Göttern ausdachten; sie will vielmehr durch diese Redensart nur die außerordentliche Gewalt oder Amtsbefugnis bezeichnen, die ihnen durch Gottes Gnade verliehen war.

Dass Gott nach Natur, Substanz und Wesen Einer ist, wie es im Symbol des Konzils von Nizäa ausdrücklich festgelegt wurde, das hält der gläubige Christ fest und bekennt es. Aber er erhebt sich auf eine noch höhere Stufe und glaubt an Einen Gott in der Weise, dass er diese Einheit in der Dreifaltigkeit anbetet und die Dreifaltigkeit in der Einheit. Von diesem Geheimnis soll nun die Rede sein. Denn es folgt im Glaubensartikel das Wort


»Vater«

9 Die Bezeichnung Vater wird Gott in mehrfacher Rücksicht beigelegt. Deshalb muss zunächst der eigentliche Sinn, den das Wort an dieser Stelle hat, erklärt werden.

Sogar in der Finsternis des Heidentums ohne das Licht des Glaubens haben einige schon Gott als das von Ewigkeit her in sich bestehende Wesen erkannt, von dem alles seinen Ursprung hat, dessen Vorsehung alles leitet und in Ordnung und Bestand erhält. Wie man nun den, der die Familie begründet und durch seine Vernunft und Autorität leitet, Vater nennt, so wollten sie in Anlehnung an die menschlichen Verhältnisse auch Gott, den sie als Werkmeister und Lenker aller Dinge anerkannten, Vater genannt wissen. Auch die Hl. Schrift braucht den Ausdruck in diesem Sinn, wenn sie von Gott spricht und Ihm die Schöpfung des Alls sowie Allmacht und wunderbare Vorsehung zuschreiben will. Wir lesen da: »Ist nicht er dein Vater, der dich erworben, der dich gebildet und erschaffen?«(Deut 32, 6) Und anderswo: »Ist nicht Einer unser aller Vater? Hat nicht Ein Gott uns erschaffen ?«(Mal 2, 10).

Viel häufiger aber noch und in einem ganz besondern Sinn wird Gott - vor allem im Neuen Testament - der Vater der Christen genannt, die da »nicht empfangen haben den Geist der Knechtschaft in Furcht, sondern den Geist der Kindschaft Gottes, in dem sie rufen: Abba, Vater!« (Röm 8. 15). Das ist ja »die Liebe, die uns der Vater erwiesen hat, dass wir Kinder Gottes heißen und sind« (1 Jo 3. 1). »Wenn aber Kinder, dann auch Erben, Erben Gottes und Miterben Christi« (Röm 8, 17), der da ist »der Erstgeborne unter vielen Brüdern« (Röm 8, 29), »der sich nicht schämt, uns Brüder zu nennen« (Hebr 2, 11). Ob wir also auf den allgemeinen Grund der Schöpfung und Vorsehung oder auf den besondern der übernatürlichen Annahme an Kindes Statt sehen - auf jeden Fall bekennt der Christ mit Recht den Glauben an Gott als Vater.

10 Doch muss der Geist, - so lehre der Seelsorger - beim Klang des Wortes »Vater« über die bisher erklärten Begriffe noch höher aufsteigen in die Welt der Geheimnisse. Was in jenem »unnahbaren Licht, in dem Gott wohnt« (1 Tim 6, 16), tief verborgen liegt, was menschliche Geisteskraft nicht zu ersinnen, ja nicht einmal zu ahnen vermochte, das erschließt uns erstmals die Offenbarung in dem Wort »Vater«. Dieses Wort weist darauf hin, dass wir in der Einen göttlichen Wesenheit nicht nur Eine Person, sondern verschiedene Personen zu glauben haben. Und zwar sind drei Personen in der Einen göttlichen Wesenheit: der Vater, der von niemand gezeugt ist; der Sohn, der vor aller Zeit vom Vater gezeugt ist; der Hl. Geist, der ebenfalls von Ewigkeit aus dem Vater und dem Sohn hervorgeht. Der Vater nun ist in der Einen göttlichen Wesenheit die erste Person, Er ist »mit seinem eingebornen Sohn und dem Hl. Geist Ein Gott und Ein Herr, nicht in der Einzigkeit Einer Person, sondern in der Dreifaltigkeit Einer Natur«(Präfation v. d. hl. Dreifaltigkeit).

In diesen drei Personen eine Verschiedenheit im Sinn einer Ungleichheit auch nur zu denken, ist unstatthaft; sie sind demnach als einzig durch ihre persönlichen Eigentümlichkeiten unterschieden aufzufassen: Der Vater ist ungezeugt: der Sohn ist vom Vater gezeugt; der Hl. Geist geht aus dem Vater und dem Sohn hervor. So bekennen wir denn von allen drei Personen ein und dieselbe Substanz und Wesenheit in dem Sinn, dass wir »im Bekenntnis der wahren und ewigen Gottheit in den Personen die Besonderheit und im Wesen die Einheit und in der Majestät (In der Präfation heißt es majestate; im Religionsbuch aus Versehen Trinitate) die Gleichheit« (Ebda) in heiliger Ehrfurcht glauben und verehren. Wenn wir sagen, die Person des Vaters ist die erste, so ist das nicht so zu verstehen, als dächten wir in der Dreieinigkeit an ein Früher oder Später, Größer oder Kleiner. Fern sei es, so etwas auch nur zu denken; die christliche Religion behauptet ja von allen drei Personen die gleiche Ewigkeit, die gleiche Gottesherrlichkeit. Wir bekennen vielmehr den Vater deshalb wahrhaft und ohne Zweifel als die erste Person, weil Er Urgrund ohne andern Grund ist. Und wie die erste Person durch ihre Vaterschaft verschieden ist, so kommt Ihr auch allein insbesondere die ewige Zeugung des Sohnes zu. Dass Sie nämlich immerdar Gott und zugleich Vater war, wird durch die Verbindung des Wortes »Vater« mit dem Worte »Gott« im Glaubensbekenntnis angedeutet.

Nun sind auf keinem Gebiet die Gefahren verhängnisvoller Irrtümer so groß, wie in der Erkenntnis und Erklärung dieses höchsten und schwierigsten aller Geheimnisse. Darum sage der Pfarrer, dass hier die Fachausdrücke für dieses Geheimnis, »Wesen« und »Person«, genau beizubehalten sind. Die Gläubigen sollen nämlich festhalten, dass die Einheit im Wesen, die Verschiedenheit aber in den Personen besteht. In feinere Fragen lasse man sich nicht ein, eingedenk des Schriftwortes : »Wer die Majestät ergründen will, wird von der Herrlichkeit erdrückt« (Spr 25, 27). Es muss uns die volle Glaubensgewissheit genug sein, dass Gott es uns so gesagt; und seinem Offenbarungswort die Zustimmung verweigern, wäre ebenso töricht wie unheilvoll. Er spricht aber: »Lehret alle Völker und taufet sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des Hl. Geistes« (Mt 28, 19). Und an anderer Stelle heißt es (1 Joh 5, 7 im sog. Comma Johanneum): »Drei sind, die Zeugnis geben im Himmel, der Vater, das Wort und der Hl. Geist, und diese drei sind Eins.« 

Wer durch Gottes Gnade dieses Geheimnis glaubt, der bete und flehe eifrig zu Gott und dem Vater, der alles aus Nichts erschuf und alles mit Milde lenkt (Weish 8, 1), der uns »die Macht gab, Kinder Gottes zu werden«, der dem Menschengeist das Mysterium der Dreifaltigkeit geoffenbart - er bete also ohne Unterlass, dass er, dereinst »in die ewigen Wohnungen aufgenommen« (Lk 16, 9), als würdig erfunden werde zu sehen: wie unendlich groß die Fruchtbarkeit Gottes des Vaters ist, dass Er durch das Schauen und Erkennen seines eigenen Wesens den Ihm wesensgleichen Sohn erzeugt; wie beider vollkommen gleicher Liebesodem, nämlich der Hl. Geist, der aus dem Vater und dem Sohn hervorgeht, den Erzeuger und den Gezeugten mit ewigem, unauflöslichem Bande umschlingt; und wie auf diese Weise das Wesen der göttlichen Dreifaltigkeit Eines ist und doch alle drei Personen vollkommen voneinander verschieden sind.


»den Allmächtigen« 

11 Die Hl. Schrift gebraucht viele Ausdrücke zur Bezeichnung der göttlichen Allgewalt und unendlichen Majestät, um uns die hohe Ehrfurcht und volle Hingabe zu lehren, die wir dem allerheiligsten Gott schulden. Besonders aber und am häufigsten wird Ihm die Allmacht zugeschrieben. Gott spricht von sich selbst: »Ich bin der Herr, der Allmächtige« (Gen 17, 1). Und Jakob betete für seine Söhne, als er sie zu Josef sandte: »Mein Gott, der Allmächtige, mache ihn euch geneigt« (Ebd 43, 14). In der Geheimen Offenbarung (Offb 1, 8) steht das Wort: »Gott der Herr, der da ist, der war und der kommen wird, der Allmächtige«. Und an anderer Stelle (Ebd 16, 14) spricht der Apostel vom »großen Tag des allmächtigen Gottes«. Nicht selten wird die Allmacht Gottes mit andern Worten umschrieben. Hierher gehören die Stellen: »Bei Gott ist kein Ding unmöglich«(Lk 1, 37). »Ist die Hand des Herrn etwa kraftlos«? (Num 11,23). »Dir steht, wenn du nur willst, das Können zu Gebote« (Weish 12, 18), u. a. m. Alle diese Wendungen haben den gleichen Sinn, der sich offenbar in dem einen Wort zusammenfassen lässt »der Allmächtige«.

Wir verstehn darunter, dass es nichts gibt und nichts sich erdenken und ersinnen lässt, was Gott nicht bewirken könnte. In seiner Macht steht es, alles in das Nichts zurücksinken und wiederum eine ganze Reihe von Welten mit einem Mal aus dem Nichts erstehen zu lassen. Und doch fällt das, so groß es ist, noch irgend wie in den Bereich dessen, was wir selbst ausdenken können; es stehen aber noch viele gewaltigere Dinge in seiner Macht, Dinge, von denen der menschliche Geist nicht einmal eine Ahnung hat.

12 Wenn Gott auch alles vermag, so kann Er deswegen doch nicht etwa lügen oder betrügen oder betrogen werden; Er kann nicht sündigen, nicht aufhören zu sein oder etwas nicht wissen. Denn all das kommt nur einem Wesen zu, das in seinem Tun unvollkommen ist; Gott, dessen Wirken stets das vollkommenste ist, kann all das deshalb nicht, weil ein solches »Können« Schwäche ist, und nichts zu tun hat mit jener höchsten, unbegrenzten Macht über alle Dinge, wie sie Gott besitzt. Wenn wir also an Gottes Allmacht glauben, so halten wir zugleich alles weit von Ihm fern, was sich mit seiner Wesensvollkommenheit nicht vereint und verträgt.

13 Der Seelsorger mache darauf aufwerksam, wie wohlbegründet es ist, dass mit Übergehung anderer Eigenschaften Gottes nur diese Eine im Glaubensbekenntnis genannt wird. Denn wenn wir Gott als allmächtig anerkennen, müssen wir notwendig auch bekennen, dass Er um alle Dinge weiß und dass alles seiner Macht und Oberhoheit unterworfen ist. Wenn wir nicht daran zweifeln, dass Er alles vermag, so sind uns ganz folgerichtig auch diese weiteren Eigenschaften klar; denn hätte Er diese nicht ebenfalls, so könnten wir es gar nicht verstehen, wie Er allmächtig sein sollte.

Weiterhin: Nichts vermag unserm Glauben und unsrer Hoffnung solchen Rückhalt zu geben, als die feste Überzeugung, dass Gott alles vermag. Was nur immer in der Folge uns zu glauben vorgelegt wird, so groß, so wunderbar, so alle Ordnungen und Maße der Natur überragend es auch sein mag - die menschliche Vernunft wird ohne Schwierigkeit und ohne Schwanken ihre Zustimmung geben, wenn sie einmal die Lehre von Gottes Allmacht voll verstanden hat. Mehr noch. Sie wird um so williger glauben, je erhabener die Wahrheiten sind, die Gottes Mund offenbart. Und was die Hoffnung betrifft, lässt sich der Christ niemals entmutigen durch die Größe des Gutes, das er ersehnt; er reckt sich auf und erstarkt vielmehr im steten Gedanken, dass es ja nichts gibt, was Gottes Allmacht nicht wirken könnte. Mit diesem gläubigen Vertrauen müssen wir uns vor allem bewaffnen, wenn die Aufgabe an uns herantritt, zum Wohl des Nächsten eine Großtat zu vollbringen oder wenn wir von Gott etwas erflehen wollen. Das erste hat der Herr selbst gelehrt, als Er den Aposteln Kleingläubigkeit vorwarf: »Wenn ihr nur Glauben habt so groß wie ein Senfkorn, so könnt ihr zu diesem Berg sagen: Rücke von da nach dort, und er wird hinrücken. Nichts wird euch unmöglich sein« (Mt 17, 20). Vom zweiten aber schreibt der hl. Jakobus: »Man muss mit Glauben bitten, ohne zu zweifeln. Denn wer zweifelt, gleicht einer Meereswoge, die vom Wind getrieben und umher geworfen wird. Ein solcher Mensch bilde sich nicht ein, etwas vom Herrn zu empfangen« (Jak 1, 6 f).

Der Glaube an Gottes Allmacht hat für uns noch manch andern Nutzen. Vor allem lehrt er uns allseitige Bescheidenheit und Demut nach dem Worte des Apostelfürsten: »Beugt euch unter die mächtige Hand Gottes« (1 Petr 5, 6). Er mahnt uns auch, dort nicht zu fürchten, wo kein Grund zur Furcht ist; sondern Gott allein zu fürchten, in dessen Gewalt wir selbst und all das Unsre steht. Hat doch der Erlöser das Wort gesprochen: »Ich will euch zeigen, wen ihr fürchten sollt: fürchtet den, der über den Tod hinaus auch noch in die Hölle stürzen kann« (Lk 12,5) Dieser Glaube hilft uns auch zur Erkenntnis und zum Preis der unermesslichen Wohltaten Gottes gegen uns. Wer sich an Gottes Allmacht erinnert, der kann nicht so undankbar sein, dass er nicht immer wieder ausriefe: »Großes hat an mir getan, der da mächtig ist« (Lk 1,49).

14 Wenn wir aber in diesem Glaubensartikel den Vater allmächtig nennen, so soll deshalb niemand wähnen, weil Ihm diese Eigenschaft beigelegt wird, sei sie nicht auch dem Sohne und dem Hl. Geist eigen. Wie wir den Vater Gott, den Sohn Gott und den Hl. Geist Gott nennen, und doch nicht drei Götter, sondern nur Einen Gott anerkennen, so nennen wir den Vater, den Sohn und den Hl. Geist allmächtig und bekennen damit doch nicht drei Allmächtige, sondern nur Einen Allmächtigen (Vgl das Symb. Athanasianum). Allerdings nennen wir den Vater allmächtig aus einem besonderen Grund, weil Er nämlich der Urquell aller Dinge ist. So legen wir auch dem Sohn, der das ewige Wort des Vaters ist, die Weisheit bei, und dem Hl. Geist, der beider Liebe ist, die Güte, wiewohl nach katholischer Glaubensregel diese und ähnliche Bezeichnungen von allen drei Personen gemeinsam ausgesagt werden.


»Schöpfer Himmels und der Erde« 

15 Wie notwendig die vorhergehende Belehrung der Christen über die Allmacht Gottes war, zeigt sich aus dem, was jetzt über die Erschaffung aller Dinge darzulegen ist. Das Wunder, das in einem solch gewaltigen Werk liegt, findet leichter Glauben, wenn keine Zweifelsmöglichkeit an der unermesslichen Macht des Schöpfers im Herzen mehr Platz hat. Gott hat die Welt nämlich nicht aus einem bereits vorhandenen Stoff aufgebaut, Er hat sie aus dem Nichts geschaffen.

Und zwar nicht unter dem Druck einer fremden Macht oder in blinder Notwendigkeit, sondern in voller Unabhängigkeit und Freiheit. Der einzige Grund, der Ihn zur Schöpfungstat bewog, war: den Wesen, die Er schaffen wollte, von seiner eigenen Güte [Vollkommenheit] mitzuteilen. Gottes Wesen, an sich schon im Besitz aller Seligkeit, mangelt nichts, wie David es in dem Wort ausspricht: »Ich sprach zum Herrn: mein Gott bist du, denn meiner Güter bedarfst du nicht« (Ps 15, 1 nach der Vulgata). Und wie Er alles, was Er wollte, rein aus Güte schuf, so folgte Er bei der Schöpfung auch nicht einem Vorbild, das etwa außer Ihm gewesen wäre; vielmehr sah Er, der erhabenste Werkmeister, der aller Dinge Urbild in seinem göttlichen Erkenntnisakt trägt, den ganzen Schöpfungsplan in sich selbst, und dieses innere Bild führte Er aus. So schuf Er mit seiner unendlichen Weisheit und unbegrenzten Kraft im Anbeginn die ganze Welt. »Er sprach - da wurde sie; er rief - da war sie geschaffen !« (Ps 148, 5).

16 Unter dem Ausdruck Himmel und Erde ist alles zu verstehen, was Himmel und Erde umfasst. Außer dem Himmel, den der Prophet »das Werk seiner Hände« (Ps 8, 4) nannte, schuf Er die leuchtende Sonne, den Mond und die anderen herrlichen Sterne. Und auf dass sie »zu Zeichen seien und zu Zeiten und zu Tagen und zu Jahren« (Gen 1, 14), ordnete Er die Himmelsbahnen zu solch sicherem festem Lauf, dass man nirgends größere Beweglichkeit sehen kann als bei der Gestirne ununterbrochenem Umlauf und doch zugleich nirgends größere Zuverlässigkeit als in diesen ihren Bewegungen.

17 Außerdem hat Gott die Geisterwelt aus Nichts erschaffen, unzählbare Engel, auf dass sie Ihm dienen und an seinem Throne stehen. Ihnen allen hat Er auch die herrliche Gabe seiner wunderbaren Gnade und Macht verliehen. Denn wenn es in der Hl. Schrift heißt, der Teufel habe in der Wahrheit nicht bestanden (Joh 8, 44), so war er und die andern abtrünnigen Engel offenbar im Anfang ihres Daseins im Stand der Gnade. S. Augustin schreibt darüber (S. Aug. Gottesstaat 12, 9): »Er schuf die Engel begabt mit gutem Willen, das heißt mit keuscher Liebe, in der sie ihm anhangen. Er schuf ihre Natur und schenkte ihnen zugleich die Gnade. Daher glauben wir, dass die hl. Engel nie ohne guten Willen, d. h. ohne Gottesliebe, gewesen sind«. Ihr Wissen geht aus dem Wort der Hl. Schrift hervor: »Mein Herr und König, du bist weise wie ein Engel Gottes, dass du alles auf Erden erkennst« (2 Kön 14, 20). Die Macht endlich schreibt David ihnen zu mit den Worten: »Gewaltig an Kraft vollzieht ihr seinen Willen«(Ps 102, 20). Deshalb werden sie auch in der Hl. Schrift nicht selten Kräfte und Heerscharen des Herrn genannt.

Allein, obwohl solche Himmelsgaben sie alle auszeichneten, fiel ein großer Teil der Engel von Gott, ihrem Vater und Schöpfer ab. Sie wurden dafür von ihrem erhabenen Thron gestürzt und in die tiefste Finsternis des unterirdischen Kerkers eingeschlossen, wo sie durch ewige Strafe für ihren Stolz büßen. Von ihnen schreibt der Apostelfürst: »Gott hat die sündigen Engel nicht geschont, sondern sie mit Ketten der Hölle gefesselt in die finsteren Abgründe hinabgestürzt und der Pein übergeben, um sie zum Gericht aufzubewahren« (2 Petr 2, 4).

18 Auch die Erde hat Gott durch sein Wort »fest gegründet« und ihr ihre Stellung im Weltall angewiesen. Er ließ »die Berge sich heben und die Täler sich senken, am Ort, den er für sie bestimmt« (Ps 103, 5. 8). Und damit die Wassermassen die Erde nicht überfluteten, »setzte er ihnen die Grenzen, die sie nicht überschreiten; nicht werden sie je die Erde bedecken« (Ps 103, 9). Dann hat Er die Erde mit dem Schmuck der Bäume und all der Pracht von Grün und Blumen bekleidet, und hat sie weiterhin, wie vorher schon das Wasser und die Luft, mit unzähligen Tieren aller Art erfüllt.

19 Zuletzt bildete Gott den Menschen seinem Leibe nach aus dem Lehm der Erde, und zwar so, dass er, nicht kraft seiner Natur, sondern aus besonderer Gunst Gottes, unsterblich und leidensunfähig war. Die Seele aber schuf Er nach seinem Bild und Gleichnis und stattete sie mit freiem Willen aus. Außerdem ordnete Er im Menschen alle Regungen der Seele und alle Begierden in der Art, dass diese stets dem Gebot der Vernunft gehorchten. Endlich gab Er ihm noch das wunderbare Gnadengeschenk der ursprünglichen Heiligkeit und setzte ihn als Herrscher über alle Lebewesen. All das kann der Seelsorger unschwer zur Unterweisung der Gläubigen dem hl. Geschichtsbuch der Genesis entnehmen.

20 Das also hat man unter der »Schöpfung aller Dinge«, unter den Worten »Himmel und Erde« zu verstehen. Der Prophet fasst es kurz zusammen in den Worten: »Dein sind die Himmel und dein ist die Erde; den Erdkreis und was ihr erfüllt, hast du gegründet« (Ps 88, 12). Noch kürzer haben das die Väter des Konzils von Nizäa bezeichnet indem sie im Glaubensbekenntnis dem Wort »Schöpfer« noch die beiden Ausdrücke hinzufügten »der sichtbaren und der unsichtbarer Dinge«. Denn alles, was die Welt umfasst und was wir als von Gott geschaffen bekennen, fällt entweder in die Sinne und wird »sichtbar« genannt, oder es kann nur geistig durch den Verstand von uns erfasst werden und wird dann als »unsichtbar« bezeichnet.

21 Doch dürfen wir nicht in der Weise all Gott als Schöpfer glauben, als hätten die erschaffenen Dinge nach Vollendung des Schöpfungswerkes nun ohne Gottes Allmacht weiter bestehen können. Denn weil alles durch des Schöpfers Allmacht, Weisheit und Güte ins Dasein gerufen wurde, so würde alles sofort wieder ins Nichts zurücksinken, wenn nicht Gottes Vorsehung beständig mit den geschaffenen Dingen wäre und die gleiche Kraft, die sie uranfänglich schuf, sie dauernd im Dasein erhielte. Die HI. Schrift erklärt das mit den Worten: »Wie könnte etwas bestehen ohne deinen Willen, oder wie könnte etwas, was du nicht gerufen, erhalten bleiben ?« (Weish 11, 26)

22 Gott erhält also und regiert durch seine Vorsehung alles, was da ist. Aber noch mehr. Was sich bewegt, was in Tätigkeit ist, dem gibt Er durch innerliche Kraft den Antrieb zu Bewegung und Tätigkeit, so zwar, dass Er, ohne die Wirksamkeit der geschaffenen Ursachen zu hindern, ihnen doch zuvorkommt. Denn seine ganz verborgene Macht erstreckt sich auf alles Einzelne und reicht nach dem Wort der Schrift »von einem Ende zum andern mit Macht und ordnet alles mit Milde« (Weish 8, 1). Darum spricht auch der Apostel, wo er vor den Athenern von dem Gott predigte, den sie verehrten ohne ihn zu kennen: »Er ist nicht fern von jedem aus uns; denn in ihm leben wir und bewegen wir uns und sind wir« (Apg 17, 27 f).

23 Das mag zur Erklärung des ersten Glaubensartikels genügen. Doch sei noch darauf aufmerksam gemacht, dass das Schöpfungswerk allen Personen der heiligen ungeteilten Drei eini g kei t gem ei ns amist. Hier bekennen wir nach der Lehre der Apostel den Vater als Schöpfer Himmels und der Erde. In der HJ. Schrift lesen wir aber auch vom Sohne: »Alles ist durch ihn geworden« (Joh 1,3); und vom Hl. Geist: »Der Geist des Herrn schwebte über den Wassern« (Gen 1, 2); und an anderer Stelle: »Durch das Wort des Herrn sind festgefügt die Himmel und durch den Hauch seines Mundes all ihre Kraft« (Ps 32, 6).

Drittes Kapitel: Zweiter Glaubensartikel
«Und an Jesus Christus seinen eingebornen Sohn unsern Herrn« 

1 Wunderbar und überreich sind die Früchte, die uns Menschen aus dem Glauben an diesen Artikel und aus dessen Bekenntnis zuteil geworden sind. Darauf weist schon das Wort des hl. Johannes hin: »Wer bekennt, dass Jesus der Sohn Gottes ist, in dem bleibt Gott und der bleibt in Gott« (1 Joh 4, 15). Das beweist weiterhin die Seligpreisung, die dem Apostelfürst von Christus dem Herrn zuteil wurde: »Selig bist du, Simon, Sohn des Jonas! Denn nicht Fleisch und Blut haben dir das geoffenbart, sondern mein Vater, der im Himmel ist«(Mt 16. 17). Es ist eben dieser Glaube und dieses Bekenntnis das felsenfeste Fundament unsres Heils und unsrer Erlösung.

2 Am besten lässt sich die erhabene Bedeutung dieser Heilswahrheit verstehen aus dem Zusammenbruch jenes glückseligen Urzustandes, in den Gott die ersten Menschen versetzt hatte. Und darum gebe sich der Seelsorger alle Mühe, die Gläubigen diesen Grund des Elends und der Plagen erkennen zu lassen, an denen wir alle zu tragen haben.

Da nämlich Adam Gott den Gehorsam aufkündigte und das Verbot übertrat: » Von allen Bäumen des Gartens darfst du essen, aber vom Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen sollst du nicht essen. An dem Tag, an dem du davon issest, musst du des Todes sterben« (Gen 2, 16. 17) da stürzte er sich damit zugleich in jenes unsagbar große Unglück: er verlor die Heiligkeit und Gerechtigkeit, in der er erschaffen war, und musste all die andern Strafen auf sich nehmen, wie sie das hl. Konzil von Trient des näheren ausführt (Conc. Trid. V de pecc. orig.). Doch blieb die Sünde und deren Strafe nicht bei Adam allein stehen -- so fahre der Seelsorger fort - sie ging vielmehr, und zwar mit Recht, von Adam wie aus ihrem Samen und ihrer Ursache auf alle Nachkommen über.

3 So war denn unser Geschlecht jählings aus seiner erhabenen Höhe herabgestürzt. Wieder erhoben und in den frühem Zustand zurückversetzt werden konnte es aber nicht durch Menschen- und nicht durch Engelskraft - es blieb nur Ein Rettungsmittel aus dem Zusammenbruch und all seinen üblen Folgen: dass der Sohn Gottes nach Annahme unsres schwachen Fleisches mit seiner unendlichen Macht die unendliche Last der Sünden hinweg nahm und uns wieder mit Gott versöhnte in seinem Blut.

4 Dieser Glaube an die Erlösung durch Jesus und sein Bekenntnis ist für den Menschen notwendig zur Erlangung des Heils und war es zu jeder Zeit. Darum hat Gott auch von Anbeginn darauf hingewiesen. Schon bei jenem Strafurteil über das Menschengeschlecht, das der Sünde auf dem Fuß folgte, wurde der Hoffnungsstern der Erlösung von ferne gezeigt, dort nämlich, wo Gott dem Teufel die empfindliche Niederlage vorausverkündete, die ihn durch die Erlösung der Menschheit treffen sollte: »Ich will Feindschaft setzen zwischen dir und der Frau, zwischen deinen Nachkommen und ihren Nachkommen. Sie wird dir den Kopf zertreten und du wirst ihrer Ferse nachstellen« (Gen 3, 15).

Dieselbe Verheißung hat Gott in der Folge oft bestätigt, und seinen Heilsplan vor allem solchen Menschen deutlicher geoffenbart, denen Er sich besonders gewogen zeigen wollte. Einer aus diesen war der Patriarch Abraham. Gott hat ihm mehrmals Andeutungen über dieses Geheimnis gemacht. Vor allem klar ließ Er es ihn aber damals erkennen, als Abraham in Gehorsam gegen Gottes Gebot seinen einzigen Sohn Isaak opfern wollte. Da sprach Er zu ihm: »Weil du das getan und deines einzigen Sohnes nicht geschont hast, will ich dich segnen und deine Nachkommen zahlreich machen wie die Sterne des Himmels und wie den Sand am Meeresufer. Dein Stamm soll besitzen die Pforten deiner Feinde und in deinem Samen sollen gesegnet werden alle Völker der Erde, weil du meiner Stimme gehorcht hast« (Gen 22, 16. 17). Aus diesen Worten ließ sich unschwer erkennen, dass von Abraham jener abstammen werde, der allen die Befreiung aus der furchtbaren Gewaltherrschaft Satans und das Heil bringen werde. Der Verheißene musste aber auch Sohn Gottes sein, wiewohl dem Fleische nach aus dem Samen Abrahams geboren. - Nicht lange darnach hat der Herr, um das Andenken an diese Verheißung lebendig zu erhalten, einen gleichen Bund mit Abrahams Enkel Jakob geschlossen. Als dieser nach dem Bericht der Hl. Schrift im Traum eine Leiter, deren Spitze bis zum Himmel reichte, auf der Erde stehen und Engel Gottes auf ihr auf- und niedersteigen sah, da hörte er den Herrn vom obern Ende der Leiter zu ihm sprechen: »Ich bin der Herr, der Gott deines Vaters Abraham und der Gott Isaaks.

Das Land, auf dem du schläfst, will ich dir und deinem Stamme geben und deine Nachkommenschaft soll zahlreich werden wie der Staub der Erde. Du wirst dich ausbreiten nach Ost und West und Nord und Süd und gesegnet sollen werden in dir und deinem Nachkommen alle Völker der Erde« (Gen 28, 12 f). - Auch später hörte Gott nicht auf, das Andenken an diese seine Verheißung aufzufrischen und unter den Abkömmlingen Abrahams und weit darüber hinaus in vielen andern die Erwartung des Erlösers rege zu halten. Nach der Gründung des jüdischen Staates und der Stiftung der israelitischen Religion wurde diese Erwartung Allgemeingut des Volkes. Denn Dinge ohne Sprache wurden zu Vorbildern und Menschen erhoben ihre Stimme um vorauszukünden, welche und welch große Güter dieser unser Heiland und Erlöser Jesus Christus bringen werde. Die Propheten, den Geist von Himmelslicht erfüllt, sprachen vor allem Volk und weissagten des Gottessohnes Geburt, weissagten die Wunderwerke, die Er nach seiner Menschwerdung wirken werde, seine Lehre, seine Charakterzüge, sein Leben, seinen Tod, seine Auferstehung und die übrigen Geheimnisse - und all das in einer Weise, als ob sie selbst Augenzeugen von alle dem gewesen wären. Nimmt man nämlich das zeitliche Auseinander von Vergangenheit und Zukunft weg, so möchte man kaum einen Unterschied wahrnehmen zwischen den Weissagungen der Propheten und der Predigt der Apostel, zwischen dem Glauben der Patriarchen und unserm Glauben.

Doch nun zur Behandlung der einzelnen Teile dieses Artikels.


»Jesus« 

5 Jesus ist der eigentliche Name des Gottmenschen. Er bedeutet soviel wie »Erlöser«. Nicht aus Zufall oder menschlicher Willkür wurde Ihm dieser Name gegeben, es geschah dies vielmehr nach Gottes Ratschluss und Befehl. Der Engel hat es so seiner Mutter Maria angekündigt: »Siehe, du wirst empfangen und einen Sohn gebären; dem sollst du den Namen Jesus geben« (Lk 1, 31). Und dann gab der Engel Josef, dem Bräutigam der Jungfrau, den Auftrag, dem Kind diesen Namen zu geben, und fügte überdies den Grund dafür bei: »Josef, Sohn Davids, trage kein Bedenken, Maria als deine Gemahlin heimzuführen! Denn was in ihr erzeugt worden ist, stammt vom Hl. Geist. Sie wird einen Sohn gebären, dem sollst du den Namen Jesus geben. Denn er wird sein Volk von dessen Sünden erlösen« (Mt 1, 20. 21).

6 Viele Personen in der Hl. Schrift tragen den Namen Jesus. Der Sohn Naves hieß so (Sir 46, 1), der Nachfolger Moses', der das von Moses aus Ägypten befreite Volk ins Land der Verheißung führte, was jenem versagt geblieben war. Denselben Namen trug Josedech, der Sohn des Hohenpriesters (Sir 49, 14). Aber mit wie viel mehr Berechtigung muss dieser Name nicht unserm Erlöser zukommen! Ihm, der nicht ein einzelnes Volk, sondern alle Menschen aller Zeiten nicht bloß aus Hungersnot oder aus dem Druck ägyptischer oder babylonischer Knechtschaft, sondern aus der Finsternis des Todes und den furchtbar harten Banden der Sünde und des Teufels zu Licht, Freiheit und Glück geführt hat. Ihm, der ihnen Anrecht und Erbanspruch aufs Himmelreich erworben und sie Gott dem Vater wieder versöhnt hat.

So sehen wir in jenen alttestamentlichen Gestalten Christus den Herrn vorgebildet, durch den die Menschheit mit all den genannten Wohltaten überreich beschenkt wurde.

Alle andern Namen, die außerdem noch nach den Weissagungen durch göttlichen Ratschluss dem Gottessohn zukommen sollten, gehen letzten Endes auf diesen einen Namen Jesus zurück; denn während sie das Heil, das Er uns geben sollte, unter irgend einer Teilrücksicht andeuten, umfasst dieser Name den ganzen Inhalt und die ganze Tragweite der Erlösung der gesamten Menschheit.


»Christus« 

7 Dem Namen Jesus ist der Name Christus beigefügt. Die Bedeutung dieses Wortes ist »der, Gesalbte«. Es ist ein Ehren- und Amtsname, und zwar nicht nur für Ein Amt, sondern für mehrere zugleich. Denn die Väter der Vorzeit, bezeichneten mit dem Namen »Christus« Priester und Könige, deren Salbung Gott mit Rücksicht auf ihr hohes Amt angeordnet hatte. Des Priesters Beruf ist es ja, das Volk in immerwährendem Gebet Gott zu befehlen, Gott Opfer darzubringen, Fürbitte fürs Volk einzulegen. Den Königen aber ist die Regierung der Völker anvertraut, ihre Aufgabe vor allem ist es, Hoheit und Ansehen der Gesetze aufrecht zu erhalten, das Leben der Guten zu schützen und den Übergriffen der Bösen zu wehren. So sind denn beide Ämter ein Abbild der Gotteshoheit hier auf Erden, und aus diesem Grund wurden die zur Übernahme des Königs- oder Priesteramtes Ausersehenen gesalbt. Die Propheten zu salben war gleichfalls altes Herkommen, da sie als Dolmetscher und Boten des ewigen Gottes uns des Himmels Geheimnisse enthüllten und durch Predigt wie durch Weissagungen über die Zukunft zur Lebensbesserung aufriefen.

Unser Heiland Jesus Christus nun übernahm bei seinem Eintritt in die Welt Stellung und Amt aller drei: des Propheten, des Hohenpriesters und des Königs. Aus diesem Grund erhielt Er den Namen "Christus« und wurde zur Ausübung dieser drei Aufgaben gesalbt. Nicht durch die Hand eines Sterblichen, sondern durch die Kraft des himmlischen Vaters; nicht mit irdischer Salbung, sondern mit geistlichem Salböl, da die Gnadenfülle des Hl. Geistes und all dessen Gaben sich in seine allerheiligste Seele ergossen in einem Maß, wie es kein anderes Geschöpf je zu fassen vermocht hätte. Sehr schön hat das der Prophet angedeutet, wenn er den Erlöser selbst mit den Worten anredet: »Du liebst das Recht und hassest den Frevel. Darum salbte dich der Herr, dein Gott, mit Freudenöl vor deinen Genossen« (Ps 44, 8). Ähnlich, aber noch klarer, spricht Isaias den Gedanken aus: »Der Geist des Herrn ist über mir; denn der Herr hat mich gesalbt. Den Sanftmütigen zu predigen hat er mich gesandt« (Jes 61, 1).

So war denn Jesus Christus der höchste Prophet und Lehrer, der uns den Willen Gottes wies und dessen Lehre aller Welt die Kunde vom Vater im Himmel brachte. Der Name Prophet kommt Ihm in um so höherem, vorzüglicherem Sinn zu, weil alle, die der Bezeichnung »Prophet« gewürdigt wurden, nur seine Schüler sind und vor allem zu dem Zweck gesandt wurden, um jenen Einen Propheten voraus zu künden, der da zur Rettung aller kommen sollte.

Christus war zugleich Hoherpriester, freilich nicht nach der Ordnung, nach der im Alten Bund die Priester aus Levis Stamm hervorgingen, sondern nach jener, von der der Prophet David sang: »Du bist Priester ewiglich nach Ordnung des Melchisedech« (Ps 109, 4). Der hl. Paulus hat in seinem Brief an die Hebräer dieses Thema weiter ausgeführt (Herb 5, 6).

Aber wir anerkennen Christus auch als König, nicht nur in seiner Gottheit, sondern auch soweit Er Mensch und Teilhaber unsrer Natur ist. Von Ihm hat der Engel gesagt: «Er wird herrschen im Hause Jakob in Ewigkeit und seines Reiches wird kein Ende sein« (Lk 1, 32. 33) Dieses Reich Christi ist geistiger Natur und von ewiger Dauer. Auf Erden beginnt es und im Himmel wird es vollendet. In der Tat erfüllt auch Christus mit wunderbar fürsorglichem Weitblick gegen seine Kirche die Aufgaben eines Königs: Er regiert sie; Er schützt sie vor Feindes Angriff und Hinterlist; Er gibt ihr Gesetze; Er spendet Heiligkeit und Gerechtigkeit und gibt darüber hinaus Fähigkeit und Kraft zu beharren. Wohl wohnen innerhalb der Grenzen dieses Reiches Gute und Böse, ja von Rechts wegen gehören alle Menschen zu diesem Reich; aber die unendliche Güte, das ganze Wohlwollen unsres Königs erfahren doch vor allem jene, die seinen Geboten getreu ein reines, sündenfreies Leben führen. - Doch erhielt Christus dieses Reich nicht durch Erbrecht oder sonst auf Grund eines menschlichen Rechtes, obwohl Er seinen Stammbaum auf hochberühmte Könige zurückführen konnte. König war Er, weil Gott Ihm als Menschen an Gewalt, an Machtfülle und Würde verlieh, was nur immer eine Menschennatur zu fassen vermag. Ihm übergab Er die Herrschaft über die ganze Welt und Ihm wird dereinst alles in der Tat, wie es schon jetzt angebahnt ist, restlos und vollkommen unterworfen werden am Tag des Gerichts.


»Seinen eingebornen Sohn« 

8 Mit diesen Worten wird dem Christen ein noch höheres Geheimnis über Jesus zu gläubiger Betrachtung vorgestellt: die Tatsache nämlich, dass Er der Sohn Gottes und wahrer Gott ist wie der Vater, der Ihn von Ewigkeit her zeugt. Außerdem bekennen wir Ihn damit als die zweite Person der göttlichen Dreieinigkeit, als vollkommen gleich den beiden anderen göttlichen Personen. Es darf ja nichts in den drei Personen ungleich oder unähnlich sein oder auch nur gedacht werden, da wir in Ihnen nur Ein Wesen, Einen Willen und Eine Macht anerkennen. Das geht aus vielen Aussprüchen der Hl. Schrift hervor. Besonders klar zeigt es das Wort des hl. Johannes: » Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und Gott war das Wort« (Joh 1, 1).

Doch wenn wir hören, Jesus ist der Sohn Gottes, so darf man seine Zeugung nicht in irdisch-menschlicher Weise auffassen. Wir können jene Zeugung, durch die der Vater von Ewigkeit her den Sohn hervorbringt, mit dem Verstand überhaupt nicht durchschauen und vollkommen erfassen. Dafür müssen wir dieses Geheimnis fest und standhaft glauben, müssen es mit tiefster Andacht verehren und, von Staunen über dieses Geheimnis gleichsam hingerissen, mit dem Propheten sprechen: » Wer wird seine Zeugung erklären?« (Jes 53, 8)

Das also müssen wir glauben, dass der Sohn Eines Wesens, Einer Macht und Weisheit mit dem Vater ist, so, wie wir es im Nizänischen Glaubensbekenntnis ausführlicher bekennen mit den Worten: »Und an Jesus Christus, seinen eingebornen Sohn, aus dem Vater geboren vor aller Zeit. Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott. Gezeugt, nicht geschaffen, Eines Wesens mit dem Vater, durch den alles geschaffen ist.« 

Von all den Vergleichen, die sich zur Erklärung der Art und Weise dieser ewigen Zeugung vorbringen lassen, kommt wohl jener der Sache am nächsten, der aus dem Denken unsrer Seele genommen ist. Der hl. Johannes hat aus diesem Grund den Sohn Gottes »das Wort« genannt. Wie unser Geist, indem er sich selbst in gewissem Grad erkennt, ein Bild seiner selbst hervorbringt, das die Theologen als» Wort« bezeichnet haben, so bringt Gott (wenn und soweit Menschliches mit Göttlichem verglichen werden kann), indem Er sich selbst erkennt, das Ewige Wort hervor.

Freilich, besser ist es zu betrachten, was der Glaube lehrt, und mit aufrichtigem Herzen Jesus Christus als wahren Gott und wahren Menschen gläubig zu bekennen: als Gott aus dem Vater gezeugt vor aller Zeit, als Mensch geboren in der Zeit aus Maria, der jungfräulichen Mutter.

9 Wiewohl wir demnach für Ihn einen doppelten Ursprung anerkennen, so halten wir doch daran fest, dass nur Ein Sohn ist. Eine nämlich ist die Person, der die göttliche wie die menschliche Natur zukommt.

10 Im Hinblick auf seine göttliche Zeugung hat Christus keine Brüder oder Miterben, da Er des Vaters einziger Sohn ist, wir Menschen aber nur das Gebilde und Werk seiner Hände. In Rücksicht aber auf seine menschliche Geburt nennt Er viele nicht nur dem Namen nach Brüder, Er betrachtet sie auch wirklich als seine Brüder, auf dass sie zugleich mit Ihm die väterliche Erbschaft in der Glorie erlangen. Es sind das jene, die Christus den Herrn durch den Glauben aufgenommen haben und den Glauben, den sie durch ihren Namen [»Christen«] bekennen, auch im Werk durch Taten der Liebe ausüben. Daher wird Er vom Apostel »der Erstgeborne unter vielen Brüdern« (Röm 8, 29) genannt.


»Unsern Herrn« 

11 Vieles ist, was in der Hl. Schrift von unserm Heiland ausgesagt wird. Davon kommt Ihm einiges offenbar als Gott, anderes als Mensch zu. Denn von den zwei verschiedenen Naturen hat Er auch deren verschiedene Eigenschaften empfangen. So sagen wir ganz richtig: Christus ist allmächtig, ewig, unermesslich, da Er dies von der göttlichen Natur hat. Und wiederum sagen wir von Ihm: Er hat gelitten, Er ist gestorben, ist auferstanden, was zweifellos nur seiner menschlichen Natur zukommt.

Doch ist außerdem manches andere, was beiden Naturen zukommt, wie eben hier der Name »unser Herr«. Wenn sich also dieser Name auf beide Naturen bezieht, dann muss Christus mit Recht in vollkommenster Weise unser Herr genannt werden. - Wie Er nämlich ewiger Gott ist wie der Vater, so ist Er auch in gleicher Weise aller Dinge Herr wie der Vater; und wie Er und der Vater nicht zweierlei Götter sind, sondern vollkommen der gleiche Gott, so sind auch Er und der Vater nicht zwei verschiedene Herren.

Aber auch als Mensch wird Er mit Recht unser Herr genannt, und zwar aus mehreren Gründen. Zunächst: Weil Er unser Erlöser ist und uns von den Sünden befreit hat, darum hat Er auch mit Recht die Befugnis empfangen, in Wahrheit unser Herr zu sein und zu heißen. So lehrt der Apostel: »Er hat sich selbst erniedrigt und ward gehorsam bis zum Tod, ja bis zum Tod am Kreuze. Darum hat Gott ihn auch erhöht und ihm einen Namen gegeben, der ist über alle Namen, auf dass im Namen Jesu sich beuge jedes Knie im Himmel, auf Erden und unter der Erde, und jede Zunge bekenne, dass Jesus Christus der Herr ist in der Herrlichkeit Gottes des Vaters« (Phil 2, 8 f). Und Er selbst sprach von sich nach der Auferstehung: »Mir ist alle Gewalt gegeben im Himmel und auf Erden« (Mt 28, 18). - Er wird auch deshalb Herr genannt, weil in Ihm meiner Person zwei Naturen, die göttliche und die menschliche, vereint sind. Durch diese wunderbare Vereinigung hätte Er, auch wenn Er nicht für uns gestorben wäre, verdient, als Herr über die ganze Schöpfung gesetzt zu werden, vor allem aber über die Christen, die Ihm gehorchen und von Herzen mit allem Eifer dienen.

12 Der Pfarrer fordere demnach die Gläubigen auf, zu bedenken, wie entsprechend es ist, dass vor allen andern Menschen wir, die wir von Ihm den Namen erhielten und Christen heißen, wir, die wir die Größe seiner Wohltaten gegen uns gar nicht übersehen können, zumal da wir all das durch seine Gnade im Glaubenslicht erkennen, - wie entsprechend es also ist, dass wir uns selbst unserm Herrn und Erlöser nicht anders denn als Leibeigene für immer schenken und weihen. Als wir die Taufe empfingen, haben wir denn auch diesen EntschIuss vor den Toren der Kirche kundgegeben. Wir haben erklärt, dem Satan und der Welt widersagen und uns ganz Jesus Christus hingeben zu wollen. Wenn wir uns also in solch heiligem, feierlichem Bekenntnis unserm Herrn geweiht haben, um in die christliche Streiterschar Aufnahme zu finden: welche Strafe würden wir da nicht verdienen, wenn wir nach unserm Eintritt in die Kirche, nach der Erkenntnis des Willens und der Gesetze Gottes, nach dem Empfang der sakramentalen Gnaden, nun den Geboten und Gesetzen der Welt und des Teufels gemäß lebten, gerade als ob wir uns bei der Taufe der Welt und dem Teufel und nicht Christus, unserm Herrn und Heiland verschrieben hätten. Ja wessen Herz sollte nicht vollends in Liebe erglühen gegenüber solcher Güte und herzlichen Liebe eines so erhabenen Herrn zu uns: der uns, die Er durch sein Blut erkauft und daher als Hörige in seiner Macht und Gewalt hat, dennoch mit solcher Liebe umfängt, dass Er uns nicht Knechte nennt, sondern Freunde, Brüder ! Das ist wahrhaftig der gerechteste und wohl auch der allerstärkste Grund, weshalb wir Ihn immerdar als unsern Herrn anerkennen, verehren und Ihm dienen müssen.

Viertes Kapitel: Dritter Glaubensartikel
»Der empfangen ist vom Hl. Geist, geboren aus Maria der Jungfrau« 

1 Unendlich groß und einzig in seiner Art ist das Gnadengeschenk, das Gott dem Menschengeschlecht durch die Befreiung aus der furchtbar harten Tyrannei des Teufels erwies; das können die Christen aus all dem erkennen, was im vorhergehenden Glaubensartikel auseinandergesetzt wurde. Vergegenwärtigen wir uns aber auch noch die ganze Art und Weise, in der Gott diese Befreiungstat durchführen wollte, dann zeigt sich noch klarer, dass Gottes Güte und Wohlwollen gegen uns in der Tat über alles Maß herrlich und erhaben ist. Die Größe dieses vornehmsten Geheimnisses der Erlösung, das uns die Hl. Schrift oft zur Betrachtung vor Augen hält, suche daher der Seelsorger in der Erklärung dieses und der folgenden Artikel aufzuweisen.

Der Sinn des dritten Glaubensartikels - so lehre er - ist der: Wir glauben und bekennen, dass derselbe Jesus Christus, der unser alleiniger Herr und der Sohn Gottes ist, als Er zu unserm Heil im Schoß der Jungfrau Fleisch annahm, nicht durch Mannessamen wie die andern Menschen, sondern über alle Ordnung der Natur durch die Kraft des Hl. Geistes empfangen wurde, so zwar, dass dieselbe Person Gott blieb, was sie von Ewigkeit war, und Mensch wurde, was sie vorher nicht war.

Dass man die Worte des Glaubensartikels tatsächlich so verstehen muss, ergibt sich klar aus dem Bekenntnis des hl. Konzils von Konstantinopel. Dort heißt es nämlich: »Der wegen uns Menschen und wegen unsres Heiles vom Himmel herabgestiegen ist. Und Fleisch angenommen hat durch den Hl. Geist aus Maria, der Jungfrau, und Mensch geworden ist.« - Das gleiche hat der hl. Evangelist Johannes (Joh 1, 1. 14) ausgesprochen, er, der die Kenntnis dieses erhabensten Geheimnisses aus dem Herzen unsres Herrn und Heilands selbst geschöpft hat. Denn nachdem er die Natur des Göttlichen Wortes folgendermaßen erklärt hat: »Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und Gott war das Wort,« sagt er am Schluss: »Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt.« 

2 Das Wort, das eine Person der Gottheit ist, hat also die menschliche Natur in der Weise angenommen, dass ein und dieselbe Person Träger der göttlichen und der menschlichen Natur ist. So kam es, dass bei dieser wunderbaren Vereinigung die Tätigkeiten und Eigenschaften beider Naturen erhalten blieben, und dass nach dem Wort des hl. Papstes Leo des Großen »weder die Herrlichkeit der höhern die niedere Natur vernichtete, noch die Annahme der niedern der höhern Natur Eintrag tat« (Serm. 21, 2).


»Empfangen vom Hl. Geist« 

3 Im einzelnen mache der Seelsorger zunächst aufmerksam: wenn wir auch sagen, der Sohn ist empfangen durch die Kraft des Hl. Geistes, so hat doch diese Person der göttlichen Dreifaltigkeit das Geheimnis der Menschwerdung nicht allein gewirkt. Gewiss, der Sohn allein hat die menschliche Natur angenommen, aber es haben alle drei Personen der Allerheiligsten Dreifaltigkeit, der Vater, der Sohn und der Hl. Geist bei der Ausführung dieses Geheimnisses gemeinsam gewirkt.

Es ist überhaupt als eine christliche Glaubensnorm festzuhalten: Alles was Gott nach außen in den geschaffenen Dingen wirkt, das ist allen drei Personen gemeinsam; keine wirkt mehr als die andere, keine wirkt ohne die andere. Nur das innere Hervorgehen der einen Person aus der anderen kann nicht allen drei gemeinsam sein. Denn der Sohn wird nur vom Vater gezeugt und der Hl. Geist geht aus dem Vater und dem Sohn hervor. Alles aber, was von Ihnen nach außen geschieht, wirken ohne Unterschied alle drei Personen. Und zu dieser Art von Tätigkeiten gehört die Menschwerdung des Gottessohnes.

Trotzdem teilt die Hl. Schrift auch von dem allen drei Personen Gemeinsamen in der Regel manches der einen und manches einer andern zu, so z. B. die Oberhoheit über die gesamte Schöpfung dem Vater, die Weisheit dem Sohn, und dem Hl. Geist die Liebe. Und weil nun das Geheimnis der Menschwerdung Gottes die ganz einzigartige, unermessliche Güte Gottes gegen uns offenbart, wird dieses Werk in besonderer Weise dem Hl. Geist zugeschrieben.

4 Es ist dieses Geheimnis die Wirkung teils übernatürlicher Vorgänge, teils natürlicher Kräfte. Wenn uns der Glaube sagt, dass der Leib Christi aus dem allerreinsten Geblüt der jungfräulichen! Mutter gebildet wurde, so sehen wir darin nur einen natürlich-menschlichen Vorgang, da der menschliche Leib nach allgemeinem Naturgesetz aus dem Geblüt der Mutter gebildet wird. Was aber Naturordnung wie menschliche Fassungskraft übersteigt, ist die Tatsache, dass im gleichen Augenblick, wo die seligste Jungfrau mit den Worten »Siehe, ich bin die Magd des Herrn, mir geschehe nach deinem Worte« (Lk 1, 38) ihre Zustimmung zu der Botschaft des Engels gab, der allerheiligste Leib Christi gebildet und die Seele im Besitz des Gebrauchs der Vernunft mit dem Leibe verbunden wurde, - dass also im gleichen Augenblick der unendlich vollkommene Gott auch vollkommener Mensch wurde. Dass dies ungewöhnlich und ein erhabenes Werk des Hl. Geistes war, daran lässt sich nicht zweifeln (Der lateinische Text fügt noch die Worte hinzu: »Denn nach dem gewöhnlichen Lauf der Natur kann kein Körper vor einer bestimmten Zeit durch die menschliche Seele belebt werden.« Dies beruht auf der alten Anschauung, dass die geistige Seele den Leib erst 40 (bzw. 80) Tage nach der Empfängnis belebe).

Dazu die weitere wunderbare Tatsache: in demselben Augenblick, wo die Seele sich mit dem Leib verband, einte sich auch die Gottheit mit Leib und Seele. Sobald also der Leib gebildet und beseelt war, verband sich die Gottheit mit Leib und Seele. So ward denn im sei ben Augenblick der wahre Gott auch wahrer Mensch, und die heiligste Jungfrau wird mit Recht im eigentlichsten Sinn Mutter des Gottmenschen genannt, weil sie im gleichen Augenblick Gott und Mensch empfing. Das wurde ihr auch vom Engel angedeutet mit den Worten: »Siehe, du wirst im Schoße empfangen und einen Sohn gebären und seinen Namen wirst du Jesus nennen. Dieser wird groß sein und Sohn des Allerhöchsten genannt werden« (Lk 1,31). Das gleiche sprach Elisabeth aus, als sie vom Hl. Geist erfüllt die Empfängnis des Sohnes Gottes erkannt hatte: »Woher kommt mir dies, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt?« (Lk 1, 43) So wurde zur Tatsache, was Isaias (Jes 7, 14) vorausverkündet hatte: »Siehe, die Jungfrau wird empfangen und einen Sohn gebären.« 

Doch wie der Leib Christi, wie bereits gesagt, ohne alles Zutun des Mannes aus dem reinsten Blut der unversehrten Jungfrau, allein durch die Kraft des Hl. Geistes gebildet wurde, so erhielt auch seine Seele im ersten Augenblick der Empfängnis die reichste Fülle des Hl. Geistes und ein Übermaß von Gnadengaben aller Art. Denn Ihm gab Gott nicht wie anderen heiligen und begnadeten Menschen, den Geist »nach Maß«, wie der hl. Johannes sagt (Joh 3, 34); in seine Seele goss Er alle Gnade so überreich, dass »wir von seiner Fülle alle empfangen haben« (Joh 1, 16)

5 Obwohl also Christus jenen Geist besaß, durch den Gott die Gerechtfertigten an Kindes Statt annimmt, so darf man Ihn doch nicht [angenommen oder] Adoptivsohn Gottes nennen. Denn Er ist Gottes Sohn von Natur und darum kann bei Ihm an die Gnade oder auch nur an den Namen der Adoption nicht im entferntesten gedacht werden.

6 Damit aus dieser Erklärung des wunderbaren Geheimnisses der Empfängnis heilsame Frucht reichlich auf die Gläubigen überströme, müssen sie sich vor allem folgende Punkte wiederholt ins Gedächtnis rufen und öfter von Herzen erwägen: Es ist Gott, der menschliches Fleisch annimmt; und Er wurde Mensch auf eine Weise, die wir nicht ausdenken, geschweige denn mit Worten ausdrücken können; endlich, Er wollte Mensch werden, auf dass wir Menschen zu Kindern Gottes wieder geboren würden. Indem sie diese Wahrheiten aufmerksam betrachten, sollen sie alle Geheimnisse, die dieser Glaubensartikel enthält, mit demütigem und gläubigem Herzen annehmen und anbeten, sie aber nicht neugierig durchforschen und ergründen wollen; denn das ist fast immer mit Gefahren verbunden.


»Geboren aus Maria der Jungfrau« 

7 Der Seelsorger erkläre sorgfältig auch den zweiten Teil dieses Artikels, der von den Christen den Glauben verlangt, dass der Herr Jesus nicht nur durch die Kraft des Hl. Geistes empfangen, sondern auch aus Maria der Jungfrau geboren und zur Welt gebracht wurde. Mit welch inniger Herzensfreude diese Glaubenswahrheit erwogen werden soll, drückt das Wort des Engels aus, der der Welt als erster die selige Botschaft brachte: »Siehe, ich verkünde euch eine große Freude, die allem Volk zuteil wird«; und dann das Lied, das die Engelscharen sangen: »Ehre sei Gott in der Höhe und Friede den Menschen auf Erden, die eines guten Willens sind« (Lk 2, 10. 14). Jetzt begann die großartige Verheißung Gottes an Abraham sich zu erfüllen: in seinem Nachkommen sollten alle Völker gesegnet werden (Gen 22, 18). Maria nämlich, die wir als wahre Gottesmutter preisen und verehren, weil sie die erhabene Person gebar, die Gott und Mensch zugleich war - Maria führte ihre Abkunft auf David und damit auf Abraham zurück.

8 Wie aber schon die Empfängnis Christi alle Ordnung der Natur einfachhin übersteigt, so ist auch in der Geburt alles göttlich, was wir auch betrachten mögen.

Zudem - und das gehört zum Wunderbarsten, was sich sagen oder auch nur denken lässt - Er wird von der Mutter geboren, ohne die Jungfrauschaft der Mutter auch nur im geringsten zu verletzen. Wie Er später aus dem verschlossenen und versiegelten Grab hervorging und »bei verschlossenen Türen zu den Jüngern kam« (Joh 20, 19), oder - um bei Dingen zu bleiben, die wir tagtäglich sich ereignen sehen, - wie die Sonnenstrahlen die feste Glasmasse durchdringen ohne sie zu brechen oder irgendwie zu beschädigen: so und erhabener noch ging Jesus Christus aus dem Schoß der Mutter ohne jede Versehrung der mütterlichen Jungfräulichkeit hervor; wir feiern und preisen ja diese ihre unversehrte, immerwährende Jungfrauschaft mit den berechtigsten Lobgesängen. Bewirkt wurde dieses Wunder durch die Kraft des Hl. Geistes, der bei der Empfängnis und Geburt des Sohnes gnadenvoll mit der Mutter war, so zwar, dass Er ihr Fruchtbarkeit schenkte und dabei doch die immerwährende Jungfräulichkeit bewahrte.

9 Der Apostel nennt Christus Jesus zuweilen »den zweiten Adam« und vergleicht Ihn mit dem ersten Adam. Denn wie im ersten alle Menschen sterben, so werden im zweiten alle wieder zum Leben erweckt (1 Kor 15, 22); und wie Adam für das Menschengeschlecht Stammvater der Natur nach war, so ist Christus Urheber der Gnade und Glorie. In ähnlicher Weise können wir auch die Jungfrau-Mutter mit Eva vergleichen, so dass der ersten Eva Maria als zweite Eva gegenübersteht, wie Christus als zweiter Adam dem ersten Adam. Eva hat Fluch und Tod über das Menschengeschlecht gebracht, weil sie der Schlange Glauben schenkte. Maria hingegen schenkte dem Engel Glauben, und da geschah es durch Gottes Huld, dass Segen und Leben über die Menschheit kam. Eva haben wir es zu verdanken, dass wir als Kinder des Zornes geboren werden. Von Maria haben wir Jesus Christus empfangen, durch den wir zu Kindern der Gnade wieder geboren werden. Zu Eva ward das Wort gesprochen: »In Schmerzen sollst du Kinder gebären« (Gen 3, 16). Maria blieb von diesem Gesetz befreit, sie hat in unversehrter jungfräulicher Reinheit und ohne alle Wehen Jesus, den Sohn Gottes, zur Welt geboren.

10 Da also der Geheimnisse dieser staunenswerten Empfängnis und Geburt so viele und so große sind, so entsprach es ganz der göttlichen Vorsehung, dass sie durch zahlreiche Vorbilder und Weissagungen angekündet wurden. Hierauf bezieht sich nach den hl. Lehrern vieles, was wir an verschiedenen Stellen der Hl. Schrift lesen. Vor allem jene Pforte des Heiligtums, die Ezechiel geschlossen sah (Ez 44, 2). Dann das Gesicht Daniels von dem »Stein, der sich vom Berge losriss ohne menschliches Zutun, und zu einem großen Berge ward und die ganze Erde erfüllte« (Dan 2, 34). Ferner der Stab Aarons, der »allein unter den Stäben der Fürsten Israels grünte« (Num 17, 8), und der Dornbusch, den Moses brennen sah und der doch nicht verzehrt wurde (Ex 3, 2).

Die Geschichte der Geburt Christi hat der hl. Evangelist ausführlich beschrieben. Deshalb braucht hier nicht weiter davon gesprochen werden, da es der Seelsorger selber leicht nachlesen kann. 11 Er muss sich aber Mühe geben, dass diese Geheimnisse, die »zu unserer Unterweisung aufgezeichnet sind« (Röm 15, 4), tief in Herz und Sinn der Gläubigen haften bleiben. Zunächst einmal, damit sie durch die Beherzigung einer so großen Wohltat zur Dankbarkeit gegen Gott, ihren Urheber, angeregt werden. Dann auch, damit sie sich dieses herrliche, ganz einzigartige Beispiel von Demut zur Nachahmung vor Augen halten. Wahrlich, was könnte für uns nützlicher, was noch geeigneter sein, unsern Stolz und unsre Überhebung niederzuzwingen, als wenn wir immer wieder bedenken, wie Gott sich soweit herablässt, dass Er uns Menschen Anteil gibt an seiner Herrlichkeit und darum unsre Schwächen und unser Elend auf sich nimmt; wie Gott Mensch wird und wie die höchste, unendliche Majestät sich dem Menschen dienstbar macht, Sie, auf deren Wink wie die Schrift sagt, »die Himmel erzittern und beben« (Job 26, 11); wie endlich derjenige auf Erden geboren wird, den im Himmel die Engel anbeten. Wenn Gott all das unsertwegen tut, was sollten dann nicht wir zu seinem Dienste tun? Wie sollten wir nicht alle Werke der Demut mit willigem, freudigem Herzen lieben, umfassen und in die Tat umsetzen!

Möchten die Gläubigen doch erkennen, welch heilsame Predigt uns Christus in seiner Geburt hält, noch bevor Er ein Wort zu reden beginnt. Er kommt zur Welt in Armut. Er kommt zur Welt wie ein Fremdling in einer Herberge. Er kommt zur Welt in einer armseligen Krippe. Er kommt zur Welt mitten im Winter. Schreibt doch der hl. Lukas (Lk 2, 6. 7): »Während sie dort waren, kam für sie die Zeit, da sie gebären sollte. Und sie gebar ihren erstgebornen Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe; denn in der Herberge war für sie kein Platz.« Konnte der Evangelist wohl all die Majestät und Herrlichkeit des Himmels und der Erde in schlichtere Worte hüllen? Er schreibt ja nicht: es war in der Herberge kein Platz, sondern es war für Ihn kein Platz, für Ihn, der da sagt: »Mein ist der Erdkreis und was ihn erfüllt« (Ps 49, 12). Die gleiche Wahrheit fasst ein anderer Evangelist in die Worte: »Er kam in sein Eigentum und die Seinigen nahmen ihn nicht auf« (Joh 1, 11).

Wenn die Gläubigen sich das vergegenwärtigen, sollen sie weiter erwägen, dass Gott unsres Fleisches Niedrigkeit und Schwäche zudem Zweck auf sich nehmen wollte, um unser menschliches Geschlecht zur höchsten Ehrenstufe zu erheben. Denn nichts beweist mehr die hohe Würde und erhabene Stellung, die dem Menschen durch Gottes Güte zuteil ward, als dass es einen Menschen gibt, der zugleich wahrhaft und vollkommen Gott ist. Wir dürfen uns darum in Wahrheit rühmen, dass der Sohn Gottes »unser Bein und unser Fleisch« (Gen 29, 14) ist, ein Vorzug, der selbst den seligen Geistern versagt bleibt; denn der Apostel sagt: »Nicht die lNatur der] Engel nahm er an« (Hebr 2, 16).

Außerdem müssen wir uns vor Einem hüten, damit es nicht zu unserm eigenen Schaden doch geschehe: dass nämlich Jesus jetzt, wo Er nicht mehr im Fleisch geboren wird, keinen Platz in unsern Herzen finde, um dort im Geist geboren zu werden, wie einst in der Herberge zu Bethlehem kein Platz war, wo Er geboren werden konnte. Das ist es ja, wonach Er in seiner großen Sorge für unser Heil sehnlichst verlangt. Wie Er nämlich selbst durch die Kraft des Hl. Geistes in übernatürlicher Weise Mensch geworden und zur Welt gekommen ist, und wie Er selbst heilig, ja die Heiligkeit selber ist, so müssen auch wir »nicht aus dem Geblüt, nicht aus dem Begehren des Fleisches, sondern aus Gott« (Joh 1, 13) geboren werden, und dann als »neue Schöpfung« »in neuem Geiste wandeln« (Röm 6, 4; Gal 6, 15) und jene Heiligkeit und Lauterkeit des Herzens bewahren, die der herrlichste Schmuck der durch Gottes Geist Wiedergeborenen ist. So wiederholt sich in uns geistiger Weise die Empfängnis und Geburt des Gottessohnes, an die wir fest glauben; und wenn wir dieses [geistliche Werden] im Glauben erleben, dann erst beten wir »Gottes geheimnisvoll verborgene Weisheit« (1 Kor 2, 7) das Geheimnis der Menschwerdung] mit staunender Bewunderung an.

[Fortsetzung folgt]

siehe: II. Teil: Von den Sakramenten