Africae munus (Wortlaut)

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Nachsynodales Apostolisches Schreiben
Africae munus

Seiner Heiligkeit
Benedikt XVI.
an die Bischöfe, den Klerus, die Personen geweihten Lebens und an die christgläubigen Laien
über die Kirche in Afrika im Dienst an Versöhnung, Gerechtigkeit und Frieden.
Die II. Sonderversammlung der Weltbischofssynode für Afrika im Vatikan fand am 4. bis 25. Oktober 2009 statt.
19. November 2011
(Offizieller französischer Text: AAS 104 [2012/4] 239-314)

(Quelle: Die deutsche Fassung auf der Vatikanseite; auch in: VAS 190)
Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


»Ihr seid das Salz der Erde (…)
Ihr seid das Licht der Welt« (Mt 5,13.14)

Inhaltsverzeichnis

EINLEITUNG

1. Das Engagement Afrikas für den Herrn Jesus Christus ist ein kostbarer Schatz, den ich zu Beginn des dritten Jahrtausends den Bischöfen, den Priestern, den ständigen Diakonen, den Personen gottgeweihten Lebens, den Katecheten und den Laien dieses werten Kontinents und der benachbarten Inseln anvertraue. Dieser Auftrag führt Afrika zu einer Vertiefung der christlichen Berufung. Er lädt es ein, im Namen Jesu die Versöhnung zwischen den einzelnen Menschen sowie zwischen den Gemeinschaften zu leben und für alle den Frieden und die Gerechtigkeit in der Wahrheit zu fördern.

2. Ich wollte, dass die Zweite Sonderversammlung der Bischofssynode für Afrika, die vom 4. bis zum 25. Oktober 2009 abgehalten wurde, in der Kontinuität mit der Versammlung von 1994 stünde, » die sich als Ereignis der Hoffnung und Wiedererstehung herausstellte, gerade zu dem Zeitpunkt, als die menschlichen Geschehnisse Afrika eher in Entmutigung und Verzweiflung zu treiben schienen «.<ref>Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Ecclesia in africa (14. September 1995), 1: AAS 88 (1996), 5.</ref> Das Nachsynodale Apostolische Schreiben Ecclesia in Africa meines Vorgängers, des seligen Johannes Paul II., nahm die Richtlinien und die pastoralen Optionen der Synodenväter für eine Neuevangelisierung des afrikanischen Kontinents auf. Am Ende des ersten Jahrzehnts dieses dritten Jahrtausends war es angebracht, unseren Glauben und unsere Hoffnung neu zu beleben, um auf den Wegen der Wahrheit und der Gerechtigkeit, der Liebe und des Friedens (vgl. Ps 85,11) zum Aufbau eines versöhnten Afrikas beizutragen! Gemeinsam mit den Synodenvätern erinnere ich daran: » Wenn nicht der Herr das Haus baut, müht sich jeder umsonst, der daran baut « (Ps 127,1).

3. Eine außerordentliche kirchliche Vitalität und die theologische Entwicklung der Kirche als Familie Gottes<ref>Vgl. Erste Sonderversammlung der Bischofssynode für Afrika, Schlussbotschaft (6. Mai 1994), 24-25: L’Osservatore Romano (dt.), Jg. 24 (1994), Nr. 23 (10. Juni 1994), 8; Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Ecclesia in africa (14. September 1995), 1: AAS 88 (1996), 39-40. </ref> waren die sichtbarsten Ergebnisse der Synode von 1994. Um der Kirche Gottes, die sich auf dem afrikanischen Kontinent und den angrenzenden Inseln befindet, einen neuen Impuls voller Hoffnung und Liebe aus dem Evangelium zu geben, schien es mir notwendig, eine zweite Synodenversammlung einzuberufen. Dank der Unterstützung durch die tägliche Anrufung des Heiligen Geistes und das Gebet von unzähligen Gläubigen haben die Synodensitzungen Früchte hervorgebracht, die ich durch dieses Dokument der Weltkirche und insbesondere der Kirche in Afrika<ref> gl. Zweite Sonderversammlung der Bischofssynode für Afrika, Propositio 1.</ref> übermitteln möchte, damit sie wirklich » Salz der Erde « und » Licht der Welt « sei (vgl. Mt 5,13.14).<ref>Vgl. Propositio 2.</ref> Angeregt durch einen » Glauben, der in der Liebe wirksam ist « (vgl. Gal 5,6), möchte die Kirche Früchte der Liebe tragen: Versöhnung, Frieden und Gerechtigkeit (vgl. 1 Kor 13,4-7). Das ist ihre besondere Aufgabe.

4. Die Qualität der Beiträge der Synodenväter und der anderen Personen, die während der Sitzungen das Wort ergriffen, hat mich beeindruckt. Der Realismus und der Weitblick ihrer Aussagen haben die christliche Reife des Kontinents bewiesen. Sie scheuten sich nicht, der Wahrheit ins Auge zu sehen, und sie haben sich ernstlich bemüht, über mögliche Lösungen der Probleme nachzudenken, mit denen ihre Teilkirchen und sogar die Weltkirche konfrontiert werden. Sie stellten auch fest, dass der Segen Gottes, des Vaters von allem, unermesslich ist. Gott lässt sein Volk niemals im Stich. Es scheint mir unnötig, näher auf die verschiedenen gesellschaftspolitischen, ethnischen, wirtschaftlichen oder ökologischen Probleme einzugehen, die die Afrikaner täglich erleben und die nicht außer Acht gelassen werden dürfen. Die Afrikaner wissen besser als alle anderen, wie schwierig, dramatisch und sogar tragisch diese Situationen leider allzu oft sind. Ihnen und allen Christen jenes Kontinents, die diesen Gegebenheiten mit Mut und Würde begegnen, drücke ich meine Hochachtung aus. Sie wünschen zu Recht, dass diese Würde anerkannt und respektiert wird. Ich kann ihnen versichern, dass die Kirche Afrika achtet und liebt.

5. Angesichts der zahlreichen Herausforderungen, die Afrika in den Griff bekommen möchte, um immer mehr ein Land der Verheißungen zu werden, könnte die Kirche wie Israel versucht sein, den Mut zu verlieren, aber unsere Vorfahren im Glauben haben uns gezeigt, wie man sich recht verhalten muss. So hielt Mose, der Diener des Herrn, » aufgrund des Glaubens (…) standhaft aus, als sähe er den Unsichtbaren « (Hebr 11,27). Der Autor des Hebräerbriefes ruft uns ins Gedächtnis: » Glaube aber ist: Feststehen in dem, was man erhofft, Überzeugtsein von Dingen, die man nicht sieht « (11,1). Ich appelliere also an die gesamte Kirche, Afrika mit diesem Blick des Glaubens und der Hoffnung anzusehen. Jesus Christus, der uns eingeladen hat, » das Salz der Erde « und » das Licht der Welt « (Mt 5,13.14) zu sein, schenkt uns die Kraft des Geistes, um dieses Ideal immer besser zu verwirklichen.

6. In meiner Vorstellung sollte das Wort Christi: » Ihr seid das Salz der Erde (…) ihr seid das Licht der Welt « der Leitfaden der Synode und auch der nachsynodalen Zeit sein. Zur Gesamtheit der afrikanischen Gläubigen hatte ich in in Yaoundé gesagt: » Durch Jesus hat Gott selbst schon vor zweitausend Jahren das Salz und das Licht nach Afrika gebracht. Seit damals ist der Same seiner Gegenwart tief in die Herzen dieses geliebten Kontinents eingegraben, und jenseits der Wechselfälle der menschlichen Geschichte eures Kontinents wie auch durch sie keimt er allmählich auf «.<ref>Benedikt XVI., Ansprache an die Mitglieder des Sonderrats der Bischofssynode für Afrika (Yaoundé, 19. März 2009): AAS 101 (2009), 310.</ref>

7. Das Nachsynodale Apostolische Schreiben Ecclesia in Africa hat » als Leitgedanken (…) die Idee von der Kirche als Familie Gottes « übernommen, und die Synodenväter » erkannten darin einen für Afrika besonders passenden Ausdruck für das Wesen der Kirche. Dieser bildhafte Ausdruck betont nämlich die Sorge um den anderen, die Solidarität, die Herzlichkeit der Beziehungen, die Annahme, den Dialog und das Vertrauen «.<ref>Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Ecclesia in africa (14. September 1995), 63: AAS 88 (1996), 39-40.</ref> Das Schreiben lädt die christlichen afrikanischen Familien ein, » Hauskirchen «<ref> Vgl. Nr. 92: AAS 88 (1996), 57-58; Zweites Vatikanisches Konzil, Dogm. Konst. über die Kirche Lumen gentium, 11; Dekret über das Laienapostolat Apostolicam actuositatem, 11; Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Familiaris consortio (22. November 1981), 21: AAS 74 (1982), 104-106.</ref> zu werden, um ihren jeweiligen Gemeinschaften zu der Erkenntnis zu verhelfen, dass sie ein und demselben Leib angehören. Dieses Bild ist in einer Zeit, in der die Familie durch diejenigen bedroht ist, die ein Leben ohne Gott wollen, nicht nur für die Kirche in Afrika wichtig, sondern auch für die Weltkirche. Dem afrikanischen Kontinent Gott zu entziehen, würde bedeuten, ihn allmählich sterben zu lassen, indem man ihm seine Seele nimmt.

8. In ihrer lebendigen Tradition und gemäß der Aufforderung des Apostolischen Schreibens Ecclesia in Africa<ref>Vgl. Nr. 63: AAS 88 (1996), 39-40.</ref> die Kirche als eine Familie und eine Bruderschaft zu sehen heißt, einen Aspekt ihres Erbes wiederherzustellen. In dieser Wirklichkeit, wo Jesus Christus, » der Erstgeborene von vielen Brüdern « (Röm 8,29), alle Menschen mit Gott Vater versöhnt (vgl. Eph 2,14-18) und den Heiligen Geist gesandt hat (vgl. Joh 20,22), wird die Kirche ihrerseits Überbringerin dieser Frohen Botschaft von der Gotteskindschaft aller Menschen. Sie ist aufgerufen, sie an die gesamte Menschheit weiterzugeben, indem sie das von Christus für uns verwirklichte Heil verkündet, die Gemeinschaft mit Gott feiert und die Brüderlichkeit in der Solidarität lebt.

9. Das Gedächtnis Afrikas bewahrt die schmerzliche Erinnerung an die Narben, welche die Bruderkriege zwischen den Ethnien, die Sklaverei und die Kolonisation hinterlassen haben. Noch heute muss sich der Kontinent mit Rivalitäten sowie mit neuen Formen von Sklaverei und von Kolonisation auseinandersetzen. Die Erste Sonderversammlung hatte ihn mit dem halbtot am Wegrand liegen gelassenen Opfer von Räubern verglichen (vgl. Lk 10,25-37). Darum konnte man von der » Ausgrenzung « Afrikas sprechen. Eine auf afrikanischem Boden entstandene Überlieferung identifiziert den barmherzigen Samariter mit dem Herrn Jesus selbst und lädt zur Hoffnung ein. Clemens von Alexandrien schrieb nämlich: » Wer hat mehr Mitleid mit uns gehabt als er – mit uns, die wir gleichsam getötet waren durch die Mächte der Welt der Finsternis, gequält von einer Vielzahl von Verwundungen, von Ängsten, Wünschen, Wut, Kümmernissen, von Lügen und von Vergnügungen? Der einzige Arzt für diese Verwundungen ist Jesus «.<ref>Quis dives salvetur, 29: PG 9, 633.</ref> Es gibt also viele Gründe zur Hoffnung und zur Danksagung. So bewahrt Afrika zum Beispiel trotz der großen Pandemien wie Malaria, Aids, Tuberkulose und andere, die seine Bevölkerung dezimieren und die die Medizin immer wirksamer auszurotten versucht, seine Lebensfreude, das vom Schöpfer kommende Leben in der Annahme von Geburten zu feiern, damit die Familie und die menschliche Gemeinschaft wachsen. Ebenfalls einen Grund zur Hoffnung sehe ich in dem reichen intellektuellen, kulturellen und religiösen Erbe, das Afrika hütet. Es möchte dieses Erbe schützen, mehr erforschen und es der Welt bekannt machen. Dabei handelt es sich um einen wesentlichen und positiven Beitrag.

10. Die zweite Synodenversammlung für Afrika hat sich dem Thema der Versöhnung, der Gerechtigkeit und des Friedens gewidmet. Die reiche Dokumentation, die mir nach den Sitzungen überreicht wurde – die Lineamenta, das Instrumentum laboris, die vor und nach den Diskussionen redigierten Berichte, die von den Arbeitsgruppen abgegebenen Beiträge und Protokolle – lädt dazu ein, » die Theologie zur Pastoral zu machen, das heißt zu ganz konkretem Hirtendienst, in dem die großen Visionen der Heiligen Schrift und der Überlieferung praktisch angewandt werden auf das Wirken der Bischöfe und Priester in einer bestimmten Zeit und an einem bestimmten Ort «.<ref> Benedikt XVI., Ansprache an die Römische Kurie beim Weihnachtsempfang (21. Dezember 2009): AAS 102 (2010), 35. </ref>

11. Es geschieht also aus väterlicher und pastoraler Sorge, dass ich dieses Dokument an das Afrika von heute richte, das die uns bekannten Traumata und Konflikte erlebt hat. Der Mensch ist geprägt von seiner Vergangenheit, aber er lebt und geht seinen Weg im Heute. Und er blickt in die Zukunft. Wie die übrige Welt erlebt Afrika einen Kulturschock, der die tausendjährigen Fundamente des gesellschaftlichen Lebens erschüttert und manchmal die Begegnung mit der Modernität erschwert. In dieser anthropologischen Krise, in die der afrikanische Kontinent geraten ist, kann er Wege der Hoffnung finden, indem er einen Dialog zwischen den Mitgliedern der religiösen, gesellschaftlichen, politischen, wirtschaftlichen, kulturellen und wissenschaftlichen Komponenten einleitet. Er muss dann eine Auffassung des Menschen und seiner Beziehung zur Wirklichkeit wieder finden und fördern, die auf einer tiefen geistigen Erneuerung beruht.

12. In dem Apostolischen Schreiben Ecclesia in Africa machte Johannes Paul II. darauf aufmerksam, dass » trotz der heutigen Zivilisation des „Weltdorfes“ in Afrika wie anderswo auf der Welt der Geist des Dialogs, des Friedens und der Versöhnung noch weit davon entfernt (ist), in den Herzen aller Menschen zu wohnen. Kriege, Konflikte, rassistische und fremdenfeindliche Haltungen beherrschen noch immer allzu sehr die Welt der menschlichen Beziehungen «.<ref>Nr. 79: AAS 88 (1996), 51.</ref> Die Hoffnung, die das echt christliche Leben kennzeichnet, erinnert daran, dass der Heilige Geist überall am Werk ist, auch auf dem afrikanischen Kontinent, und dass die Kräfte des Lebens, die aus der Liebe erwachsen, immer den Sieg über die Kräfte des Todes davontragen (vgl. Hld 8,6-7). Aus diesem Grund haben die Synodenväter gesehen, dass die Schwierigkeiten, auf die die Länder und die Teilkirchen in Afrika gestoßen sind, keine Hindernisse darstellten, die ein Vorankommen unterbanden, sondern dass sie vielmehr eine Herausforderung für das Beste in uns waren: für unsere Phantasie, unsere Intelligenz, für unsere Berufung, bedingungslos den Spuren Jesu Christi zu folgen, Gott, » die ewige Liebe und die absolute Wahrheit «<ref>Benedikt XVI., Enzyklika Caritas in veritate (29. Juni 2009), 1: AAS 101 (2009), 641.</ref> zu suchen. Gemeinsam mit allen Beteiligten der afrikanischen Gesellschaft fühlt sich die Kirche also aufgerufen, sich den Herausforderungen zu stellen. Das ist gewissermaßen wie eine Forderung des Evangeliums.

13. Durch dieses Dokument möchte ich die Früchte und die Ermutigungen der Synode weitergeben, und ich lade alle Menschen guten Willens ein, Afrika mit den Augen des Glaubens und der Liebe anzuschauen, um ihm zu helfen, durch Christus und den Heiligen Geist Licht der Welt und Salz der Erde zu werden (vgl. Mt 5,13.14). Ein kostbarer Schatz liegt im Herzen Afrikas, wo ich so etwas wahrnehme wie die » geistliche »Lunge« für eine Menschheit, die sich in einer Krise des Glaubens und der Hoffnung befindet «<ref> Ders., Predigt in der Eucharistiefeier zur Eröffnung der Zweiten Sonderversammlung der Bischofssynode für Afrika (4. Oktober 2009): AAS 101 (2009), 907.</ref> – und das dank dem außerordentlichen menschlichen und geistlichen Reichtum seiner Söhne und Töchter, seiner vielfarbigen Kulturen, seines Erdbodens und seiner unermesslichen unterirdischen Ressourcen. Um sich jedoch in Würde aufrecht zu erhalten, muss Afrika die Stimme Christi hören, der heute die Liebe zum anderen, sogar zum Feind verkündet, bis zur Hingabe des eigenen Lebens, und der heute für die Einheit und die Gemeinschaft aller Menschen in Gott betet (vgl. Joh 17,20-21).

ERSTER TEIL: »SEHT, ICH MACHE ALLES NEU« (OFFB 21,5)

14. Die Synode hat es ermöglicht, die wichtigsten Leitlinien der Mission für ein Afrika zu ermitteln, das sich nach Versöhnung, Gerechtigkeit und Frieden sehnt. Es obliegt den Teilkirchen, diese Leitlinien in » feste Vorsätze und konkrete Handlungsvorgaben«<ref> Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Novo millennio ineunte (6. Januar 2001), 3: AAS 93 (2001), 267.</ref> zu übersetzen. Denn » in den Ortskirchen kann man jene konkreten programmatischen Züge – Arbeitsziele und -methoden, Ausbildung und Förderung der Mitarbeiter sowie die Suche nach den notwendigen Mitteln – festschreiben, die es der Verkündigung Christi erlauben, die Menschen zu erreichen, die Gemeinschaften zu kräftigen und durch das Zeugnis der Werte des Evangeliums in die (afrikanische) Gesellschaft und die Kultur einzuwirken«.<ref> Ebd., 29: AAS 93 (2001), 286.</ref>

Kapitel I: Im Dienst der Versöhnung, der Gerechtigkeit und des Friedens

I. Echte Diener des Wortes Gottes

15. Ein Afrika, das fröhlich und lebendig voranschreitet, bringt das Lob Gottes zum Ausdruck, wie der heilige Irenäus bemerkte: » Gottes Ruhm ist der lebendige Mensch. « Doch er fügt sofort hinzu: » Das Leben des Menschen ist die Schau Gottes «.<ref> Adversus haereses, IV, 20, 7: PG 7, 1037.</ref> Darum ist es noch heute eine wesentliche Aufgabe der Kirche, die Botschaft des Evangeliums in das Herz der afrikanischen Gesellschaften zu tragen, zur Schau Gottes hinzuführen. Wie das Salz den Speisen Geschmack verleiht, so macht diese Botschaft die Menschen, die aus ihr leben, zu authentischen Zeugen. Alle, die auf diese Weise wachsen, werden fähig, sich in Jesus Christus zu versöhnen. Sie werden Licht für ihre Brüder. So lade ich gemeinsam mit den Synodenvätern » die Kirche (…) in Afrika (ein), im Dienst der Versöhnung, der Gerechtigkeit und des Friedens Zeugin zu sein als „Salz der Erde“ und „Licht der Welt“ «,<ref> Propositio 34.</ref> damit ihr Leben diesem Aufruf gerecht wird: » Steh auf, Kirche in Afrika, Familie Gottes, denn es ruft dich der himmlische Vater «!<ref> Benedikt XVI., Predigt in der Eucharistiefeier zum Abschluss der Zweiten Sonderversammlung der Bischofssynode für Afrika (25. Oktober 2009): AAS 101 (2009), 918.</ref>

16. Gott hat es glücklich gefügt, dass die zweite Synode für Afrika ausgerechnet nach derjenigen abgehalten wurde, die dem Wort Gottes im Leben und in der Sendung der Kirche gewidmet war. Diese Synode hat an die unumstößliche Pflicht des Jüngers erinnert, hinzuhören auf Christus, der durch sein Wort ruft. Durch dieses Wort lernen die Gläubigen, Christus zu verstehen und sich durch den Heiligen Geist führen zu lassen, der uns den Sinn von allem offenbart (vgl. Joh 16,13). Denn die » Lektüre und die Meditation des Wortes Gottes verwurzeln uns tiefer in Christus und lenken unser Tun als Diener der Versöhnung, der Gerechtigkeit und des Friedens «.<ref> Propositio 46.</ref> Jene Synode rief in Erinnerung: » Um seine (Christi) Brüder und Schwestern zu werden, muss man unter denen sein, „die das Wort Gottes hören und danach handeln“ (Lk 8,21). Echtes Hören heißt zu gehorchen und zu handeln, es heißt im Leben Gerechtigkeit und Liebe walten zu lassen, in der eigenen Existenz und in der Gesellschaft ein Zeugnis zu geben, das mit dem Ruf der Propheten übereinstimmt, der beständig Wort Gottes und Leben, Glaube und Gerechtigkeit, Kult und sozialen Einsatz vereint hat «.<ref>XII. Ordentliche Vollversammlung der Bischofssynode, Schlussbotschaft (24. Oktober 2008), 10: L’Osservatore Romano (dt.), Jg. 38 (2008), Nr. 44 (31. Oktober 2008), 21. </ref> Das Wort Gottes anzuhören und zu meditieren bedeutet zu wünschen, dass es in unser Leben eindringe und es forme, um uns mit Gott zu versöhnen, um Gott zu erlauben, uns zu einer Versöhnung mit dem Nächsten zu führen – ein Weg, der für den Aufbau einer Gemeinschaft von Menschen und von Völkern notwendig ist. Möge auf unseren Gesichtern und in unserem Leben das Wort Gottes wirklich Fleisch werden!

II. Christus im Herzen der afrikanischen Gegebenheiten: Quelle von Versöhnung, Gerechtigkeit und Frieden

17. Die drei Hauptbegriffe des Synodenthemas – Versöhnung, Gerechtigkeit und Frieden – haben der Synode ihre » theologische und gesellschaftliche Verantwortung «<ref>Benedikt XVI., Ansprache an die Römische Kurie beim Weihnachtsempfang (21. Dezember 2009): AAS 102 (2010), 35.</ref> vor Augen geführt und es gestattet, auch nach der öffentlichen Rolle der Kirche und nach ihrem Platz im afrikanischen Umfeld von heute zu fragen.<ref>Vgl. ders., Enzyklika Caritas in veritate (29. Juni 2009), 5-9: AAS 101 (2009), 643-647.</ref> » Man könnte sagen, dass Versöhnung und Gerechtigkeit die beiden wesentlichen Voraussetzungen von Friede sind und so bis zu einem gewissen Grad auch dessen Wesen definieren «.<ref>Ders., Ansprache an die Römische Kurie beim Weihnachtsempfang (21. Dezember 2009): AAS 102 (2010), 35.</ref> Die Aufgabe, die wir genau definieren müssen, ist nicht leicht, denn sie liegt zwischen dem unmittelbaren Engagement in der Politik – was nicht in die direkte Zuständigkeit der Kirche fällt – und dem Rückzug oder dem möglichen Ausweichen in theologische und spirituelle Theorien; diese laufen Gefahr, eine Flucht angesichts einer konkreten Verantwortung in der Menschheitsgeschichte zu sein.

18. » Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch «, sagt der Herr und fügt hinzu: » nicht einen Frieden, wie die Welt ihn gibt. « (Joh 14,27). Der Friede der Menschen, den man ohne die Gerechtigkeit erreicht, ist illusorisch und kurzlebig. Die Gerechtigkeit der Menschen, deren Quelle nicht die Versöhnung durch die Wahrheit in der Liebe (vgl. Eph 4,15) ist, bleibt unvollständig; sie ist nicht wirklich Gerechtigkeit. Die Liebe zur Wahrheit – zur » ganzen Wahrheit «, in die nur der Geist uns führen kann (vgl. Joh 16,13) – ist es, die den Weg aufzeigt, den alle menschliche Gerechtigkeit einschlagen muss, um die Bande der Brüderlichkeit in der durch Christus mit Gott versöhnten » Menschheitsfamilie, einer Gemeinschaft des Friedens «<ref> Vgl. ders., Botschaft zum Weltfriedenstag 2008: AAS 100 (2009), 38-45.</ref> wiederherzustellen. Die Gerechtigkeit ist nicht entfleischlicht. Sie ist notwendig in der menschlichen Kohärenz verankert. Eine Nächstenliebe, die nicht die Gerechtigkeit und das Recht aller achtet, ist verfehlt. Ich ermutige deshalb alle Christen, in der Gerechtigkeit und der Liebe vorbildlich zu werden (vgl. Mt 5,19-20).

A. »Lasst euch mit Gott versöhnen« (2 Kor 5,20b)

19. » Versöhnung ist ein vorpolitischer Begriff und eine vorpolitische Realität, die gerade so von höchster Bedeutung für die Aufgabe der Politik selber ist. Wenn nicht in den Herzen die Kraft des Versöhnens geschaffen wird, fehlt dem politischen Ringen um den Frieden die innere Voraussetzung. In der Synode haben sich die Hirten der Kirche um jene innere Reinigung des Menschen gemüht, die die wesentliche Voraussetzung für den Aufbau der Gerechtigkeit und des Friedens darstellt. Diese innere Reinigung und Reifung zu wahrer Menschlichkeit gibt es aber nicht ohne Gott «.<ref> Ders., Ansprache an die Römische Kurie beim Weihnachtsempfang (21. Dezember 2009): AAS 102 (2010), 37.</ref>

20. Tatsächlich ist es die Gnade Gottes, die uns ein neues Herz schenkt und die uns mit ihm und mit den anderen versöhnt.<ref>Vgl. Propositio 5.</ref> Christus ist es, der die Menschheit in der Liebe des Vaters wiederhergestellt hat. Die Versöhnung hat also ihren Ursprung in dieser Liebe; sie wird aus der Initiative des Vaters geboren, die durch die Sünde des Menschen abgebrochene Beziehung zur Menschheit zu erneuern. In Jesus Christus, » in seinem Leben und Wirken, vor allem aber in seinem Tod und seiner Auferstehung hat der Apostel Paulus gesehen, wie Gott die Welt (alles im Himmel und auf der Erde) mit sich versöhnte, indem er den Menschen ihre Verfehlungen nicht anrechnete (vgl. 2 Kor 5,19; Röm 5,10; Kol 1,21-22). Paulus hat gesehen, wie Gott Juden und Heiden mit sich versöhnte, indem er die zwei in der Person Christi zu dem einen neuen Menschen machte (vgl. Eph 2,15; 3,6). So stellt die Erfahrung der Versöhnung die Gemeinschaft auf zwei Ebenen her: einerseits die Gemeinschaft zwischen Gott und den Menschen und andererseits – aufgrund der Tatsache, dass die Erfahrung der Versöhnung auch uns (die versöhnte Menschheit) zu „Botschaftern der Versöhnung“ macht – stellt sie ebenso die Gemeinschaft unter den Menschen wieder her «.<ref>Zweite Sonderversammlung der Bischofssynode für Afrika, Relatio ante disceptationem (5. Oktober 2009), II, a: L’Osservatore Romano (dt.), Jg. 39 (2009), Nr. 42 (16. Oktober 2009), 9.</ref> » So beschränkt sich die Versöhnung nicht nur auf den Plan Gottes, in Christus die gespaltene und durch die Sünde befleckte Menschheit durch Vergebung der Vergehen und aus Liebe zu sich zurückzuholen. Auch die Beziehungen zwischen den Menschen werden wiederhergestellt, indem ihre Streitigkeiten gelöst werden und alles, was ihren Beziehungen im Wege steht, dank ihrer Erfahrung der Liebe Gottes aufgehoben wird «.<ref> Ebd.</ref> Das Gleichnis vom verlorenen Sohn beschreibt das, wenn der Evangelist uns in der Heimkehr, d.h. in der Bekehrung des jüngeren Sohnes die Notwendigkeit zeigt, sich einerseits mit seinem Vater und andererseits, durch die Vermittlung des Vaters, mit seinem älteren Bruder zu versöhnen (vgl. Lk 15,11-32). Bewegende Zeugnisse von Gläubigen aus Afrika, » Zeugnisse konkreten Leidens und Versöhnens in den Dramen der jüngsten Geschichte des Kontinents «<ref>Benedikt XVI., Ansprache an die Römische Kurie beim Weihnachtsempfang (21. Dezember 2009): AAS 102 (2010), 35.</ref> haben die Macht des Geistes gezeigt, der die Herzen der Opfer und ihrer Peiniger verwandelt, um die Brüderlichkeit wiederherzustellen.<ref>Vgl. ders., Predigt in der Eucharistiefeier zum Abschluss der Zweiten Sonderversammlung der Bischofssynode für Afrika (25. Oktober 2009): AAS 101 (2009), 916.</ref>

21. Tatsächlich bringt nur eine echte Versöhnung einen dauerhaften Frieden in der Gesellschaft hervor. Die Protagonisten dieser Versöhnung sind gewiss die Regierungsträger, die traditionellen Häuptlinge, aber gleichermaßen die einfachen Bürger. Nach einem Konflikt stellt die oft in Stille und Diskretion geführte und vollbrachte Versöhnung die Einheit der Herzen und das friedliche Zusammenleben wieder her. Durch sie finden Nationen nach langen Zeiten des Krieges wieder zum Frieden, durch Bürgerkrieg oder Völkermord zutiefst verletzte Gesellschaften erneuern ihren Zusammenhalt. In der Gewährung und der Annahme von Vergebung<ref>Vgl. Johannes Paul II., Botschaft zum Weltfriedenstag 1997, 1: AAS 89 (1997), 1.</ref> konnten die verletzten Erinnerungen von Menschen und Gemeinschaften heilen, und vorher geteilte Familien haben wieder zur Eintracht gefunden. » Die Versöhnung überwindet die Krisen, stellt die Würde der Menschen wieder her und öffnet den Weg für Entwicklung und dauerhaften Frieden unter den Völkern auf allen Ebenen «;<ref>Propositio 5.</ref> das zu betonen, war den Synodenvätern wichtig.

Damit diese Versöhnung wirksam wird, muss sie von einem mutigen und ehrlichen Handeln begleitet werden: von der Suche nach den Verantwortlichen für diese Konflikte, nach denen, die die Verbrechen finanziert haben und die sich allen möglichen Machenschaften widmen, und von der Ermittlung ihrer Verantwortung. Die Opfer haben ein Recht auf Wahrheit und Gerechtigkeit. Es ist heute und für die Zukunft wichtig, das Gedächtnis zu reinigen, mit dem Ziel, eine bessere Gesellschaft aufzubauen, in der solche Tragödien sich nicht mehr wiederholen.

B. Gerecht werden und eine gerechte Gesellschaftsordnung aufbauen

22. Es besteht kein Zweifel, dass die Schaffung einer gerechten Gesellschaftsordnung in die Zuständigkeit der Politik fällt.<ref>Vgl. Benedikt XVI., Enzyklika Deus caritas est (25. Dezember 2005), 28: AAS 98 (2006), 238-240.</ref> Doch eine der Aufgaben der Kirche in Afrika besteht darin, Gewissen zu formen, die aufrichtig und offen für die Forderungen der Gerechtigkeit sind, damit Männer und Frauen heranwachsen, die darauf bedacht und fähig sind, diese gerechte Gesellschaftsordnung durch ihr verantwortliches Verhalten zu verwirklichen. Das Vorbild schlechthin, von dem aus die Kirche denkt und urteilt und das sie allen vorschlägt, ist Christus.<ref>Vgl. Propositio 14.</ref> Gemäß ihrer Soziallehre » hat die Kirche keine technischen Lösungen anzubieten und beansprucht keineswegs, „sich in die staatlichen Belange einzumischen“. Sie hat aber (…) eine Sendung der Wahrheit zu erfüllen (…) Diese Sendung der Wahrheit ist für die Kirche unverzichtbar. Ihre Soziallehre ist ein besonderer Aspekt dieser Verkündigung: Sie ist Dienst an der Wahrheit, die befreit «.<ref>Benedikt XVI., Enzyklika Caritas in veritate (29. Juni 2009), 9: AAS 101 (2009), 646-647.</ref>

23. Dank der Kommissionen für Gerechtigkeit und Frieden hat die Kirche sich in der staatsbürgerlichen Bildung der Bürger und in der Begleitung des Wahlvorgangs in verschiedenen Ländern engagiert. Sie trägt so zur Erziehung der Bevölkerungen und zum Erwachen ihres bürgerlichen Bewusstseins und ihrer bürgerlichen Verantwortung bei. Diese besondere erzieherische Rolle genießt die Wertschätzung einer großen Anzahl von Ländern, die die Kirche als Friedensstifterin, als Agentin der Versöhnung und als Verkünderin der Gerechtigkeit anerkennen. Es ist gut zu wiederholen, dass – bei allem Unterschied zwischen der Rolle der Hirten und jener der gläubigen Laien – die Sendung der Kirche nicht politischer Art ist.<ref> Vgl. ders., Enzyklika Deus caritas est (25. Dezember 2005), 28-29: AAS 98 (2006), 238-240; Internationale Theologische Kommission, Quelques questions sur la Théologie de la Rédemption (29. November 1994), 14-20: Ench. Vat. 14, Nrn. 1844-1850.</ref> Ihre Aufgabe liegt darin, durch die Verkündigung Christi die Welt zum religiösen Empfinden zu erziehen. Die Kirche möchte Zeichen und Schutz der Transzendenz der menschlichen Person sein. Sie muss die Menschen auch dazu erziehen, die höchste Wahrheit über ihr eigenes Sein und über ihre Fragen zu suchen, um rechte Lösungen für ihre Probleme zu finden.<ref> Vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Past. Konst. über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, 40; Päpstlicher Rat für Gerechtigkeit und Frieden, Kompendium der Soziallehre der Kirche, 49-51.</ref>

1. Aus der Gerechtigkeit Christi leben

24. Auf sozialer Ebene ist das menschliche Gewissen durch schwere Ungerechtigkeiten auf den Plan gerufen, die allgemein in unserer Welt und speziell innerhalb Afrikas existieren. Die Inanspruchnahme der Güter der Erde durch eine Minderheit zu Lasten ganzer Völker ist unannehmbar, weil unmoralisch. Die Gerechtigkeit verlangt, » jedem das Seine zu geben « – ius suum unicuique tribuere.<ref>Vgl. Thomas von Aquin, Summa Theologiae, IIa-IIae, q. 58, a. 1.</ref> Es geht also darum, den Völkern Gerechtigkeit zu erweisen. Afrika ist in der Lage, jedem einzelnen sowie allen Nationen auf dem Kontinent die Grundbedingungen für die Teilnahme an der Entwicklung sicherzustellen.<ref> Johannes Paul II., Enzyklika Centesimus annus (1. Mai 1991), 35 : AAS 83 (1991), 837.</ref> Die Afrikaner können also die Fähigkeiten und die Reichtümer, die Gott ihnen geschenkt hat, in den Dienst ihres Landes und ihrer Mitmenschen stellen. Die in allen Dimensionen des Lebens, privat und öffentlich, im wirtschaftlichen wie im sozialen Bereich praktizierte Gerechtigkeit muss durch die Subsidiarität und die Solidarität unterstützt und – noch dringender – durch die Liebe beseelt werden. » Gemäß dem Subsidiaritätsprinzip dürfen weder der Staat noch größere Gesellschaften die Initiative und Verantwortung der Personen und der kleineren Gemeinwesen verdrängen «.<ref>Katechismus der Katholischen Kirche, 1894.</ref> Die Solidarität ist eine Garantie für die Gerechtigkeit und den Frieden, also für die Einheit – in der Weise, dass » der Überfluß der einen den Mangel der anderen ausgleicht «. )<ref> Zweite Sonderversammlung der Bischofssynode für Afrika, Lineamenta (27. Juni 2006), 44. </ref> Und die Liebe, die die Verbindung mit Gott sicherstellt, reicht weiter als die verteilende Gerechtigkeit. Denn wenn » die Gerechtigkeit die Tugend ist, die jedem das Seine zuteilt (…) ist die Gerechtigkeit, die den Menschen dem wahren Gott entzieht, keine Gerechtigkeit für den Menschen «.<ref>Augustinus, De civitate Dei, XIX, 21: PL 41, 649. </ref>

25. Gott selbst zeigt uns die wahre Gerechtigkeit, wenn wir zum Beispiel sehen, wie Jesus in das Leben des Zachäus eintritt und so dem Sünder die Gnade seiner Gegenwart schenkt (vgl. Lk 19,1-10). Welches ist also diese Gerechtigkeit Christi? Die Zeugen dieser Begegnung mit Zachäus beobachten Jesus (vgl. Lk 19,7); ihr mißbilligendes Murren versteht sich als Ausdruck der Liebe zur Gerechtigkeit. Die Gerechtigkeit der Liebe aber, die sich bis zum Äußersten öffnet, so weit, dass sie den » Fluch «, den die Menschen verdienten, auf sich nimmt, damit sie dafür den » Segen « empfangen, der eine Gabe Gottes ist (vgl. Gal 3,13-14) – diese Gerechtigkeit kennen sie nicht. Die göttliche Gerechtigkeit bietet der immer begrenzten und unvollkommenen menschlichen Gerechtigkeit den Horizont, dem sie zustreben muss, um sich zu vervollkommnen. Sie macht uns außerdem unsere eigene Bedürftigkeit bewusst, in der wir auf Vergebung und auf die Freundschaft Gottes angewiesen sind. Das ist es, was wir in den Sakramenten der Buße und der Eucharistie erleben, die aus dem Handeln Christi hervorgehen. Dieses Handeln führt uns in eine Gerechtigkeit ein, in der wir weit mehr empfangen als wir von Rechts wegen zu erwarten hätten, denn in Christus ist die Liebe die Zusammenfassung des Gesetzes (vgl. Röm 13,8-10).<ref> Vgl. Benedikt XVI., Botschaft für die Fastenzeit 2010 (30. Oktober 2009): L’Osservatore Romano (dt.), Jg. 40 (2010), Nr. 6 (12. Februar 2010), 7.</ref> Durch Christus, das einzige Vorbild, ist der Gerechte eingeladen, in die Ordnung der Liebe einzutreten, die Agape ist.

2. Eine gerechte Ordnung in der Logik der Seligpreisungen schaffen

26. Der Jünger Christi muss, vereint mit seinem Meister, dazu beitragen, eine gerechte Gesellschaft zu schaffen, in der alle mit den ihnen eigenen Begabungen aktiv am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben teilnehmen können. Sie sollen also das verdienen können, was sie brauchen, um ihrer Menschenwürde entsprechend zu leben, in einer Gesellschaft, in der die Gerechtigkeit durch die Liebe belebt wird.<ref> Vgl. ebd.</ref> Christus schlägt nicht eine Revolution sozialer oder politischer Art vor, sondern jene Revolution der Liebe, die in der Ganzhingabe seiner Person durch den Kreuzestod und die Auferstehung verwirklicht wurde. Auf dieser Revolution der Liebe beruhen die Seligpreisungen (vgl. Mt 5,3-10). Sie zeigen einen neuen Horizont der Gerechtigkeit auf, der im Paschamysterium eröffnet wurde und durch den wir gerecht werden und eine bessere Welt aufbauen können. Die Gerechtigkeit Gottes, die uns die Seligpreisungen offenbaren, erhebt die Niedrigen und erniedrigt diejenigen, die sich selbst erhöhen. Ihre vollkommene Gestalt erreicht sie zwar erst im Reich Gottes, das sich am Ende der Zeiten verwirklichen wird. Aber schon jetzt zeigt sie sich dort, wo die Armen getröstet und zum Gastmahl des Lebens zugelassen werden.

27. Nach der Logik der Seligpreisungen muss eine vorrangige Aufmerksamkeit dem Armen, dem Hungrigen, dem Kranken – der zum Beispiel an Aids, an Tuberkulose oder an Malaria leidet –, dem Fremden, dem Gedemütigten, dem Gefangenen, dem verachteten Einwanderer, dem Flüchtling oder dem Vertriebenen entgegengebracht werden (vgl. Mt 25,31-46). Die Antwort auf ihre Bedürfnisse in Gerechtigkeit und Liebe hängt von allen ab. Afrika erwartet diese Aufmerksamkeit von der gesamten Menschheitsfamilie sowie von sich selbst.<ref> Vgl. Propositio 17.</ref> Es muss jedoch beginnen, in seinem Innern entschlossen die politische, soziale und administrative Gerechtigkeit einzuführen – Elemente der politischen Kultur, die für die Entwicklung und den Frieden notwendig sind. Die Kirche wird ihrerseits ihren spezifischen Beitrag leisten, indem sie sich auf die Lehre der Seligpreisungen stützt.

C. Die Liebe in der Wahrheit: Quelle des Friedens

28. Die soziale Perspektive, die durch das auf die Liebe gegründete Handeln Christi veranschaulicht wird, geht über das von der menschlichen Gerechtigkeit geforderte Minimum, dass man dem anderen das gibt, was ihm zusteht, hinaus. Die innere Logik der Liebe übertrifft diese Gerechtigkeit und geht so weit, das Eigene zu verschenken:<ref>Vgl. Benedikt XVI., Enzyklika Caritas in veritate (29. Juni 2009), 6: AAS 101 (2009), 644.</ref> » Wir wollen nicht mit Wort und Zunge lieben, sondern in Tat und Wahrheit « (1 Joh 3,18). Nach dem Bild seines Meisters wird der Jünger Christi noch weiter gehen, bis zur Hingabe seiner selbst für die Brüder (vgl. 1 Joh 3,16). Das ist der Preis des echten Friedens in Gott (vgl. Eph 2,14).

1. Konkreter brüderlicher Dienst

29. Keine Gesellschaft, auch nicht eine entwickelte, kann ohne den von der Liebe geleiteten brüderlichen Dienst auskommen. » Wer die Liebe abschaffen will, ist dabei, den Menschen als Menschen abzuschaffen. Immer wird es Leid geben, das Tröstung und Hilfe braucht. Immer wird es Einsamkeit geben. Immer wird es auch die Situationen materieller Not geben, in denen Hilfe im Sinn gelebter Nächstenliebe nötig ist «.<ref>Ders., Enzyklika Deus caritas est (25. Dezember 2005), 28: AAS 98 (2006), 240.</ref> Die Liebe ist es, die die verwundeten, vereinsamten, verlassenen Herzen beruhigt. Die Liebe ist es, die im menschlichen Herzen Frieden einkehren lässt oder wiederherstellt und ihn zwischen den Menschen begründet.

2. Die Kirche als Wächterin

30. In der augenblicklichen Situation Afrikas ist die Kirche aufgerufen, die Stimme Christi zu Gehör zu bringen. Sie möchte der Empfehlung Jesu an Nikodemus folgen, der sich fragte, wie es denn möglich sei, von neuem geboren zu werden: » Ihr müsst von oben geboren werden « (vgl. Joh 3,7). Die Missionare haben den Afrikanern diese neue Geburt » aus Wasser und Geist « (Joh 3,5) angeboten – eine Gute Nachricht, die zu hören jeder Mensch das Recht hat, um seine Berufung völlig zu verwirklichen.<ref>Vgl. Paul VI., Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi (8. Dezember 1975), 53.80: AAS 68 (1976), 41-42. 73-74; Johannes Paul II., Enzyklika Redemptoris missio (7. Dezember 1990), 46: AAS 83 (1991), 293.</ref> Die Kirche in Afrika lebt von diesem Erbe. Um Christi willen und aus Treue zu seiner Lebenslehre fühlt sie sich gedrängt, dort anwesend zu sein, wo die Menschheit Leid erfährt, und dem lautlosen Schrei der unschuldig Verfolgten oder dem jener Völker, deren Regierende zugunsten persönlicher Interessen die Gegenwart und die Zukunft belasten, eine Stimme zu geben.<ref>Vgl. Zweite Sonderversammlung der Bischofssynode für Afrika, Schlussbotschaft (23. Oktober 2009), 36: L’Osservatore Romano (dt.), Jg. 39 (2009), Nr. 45 (6. November 2009), 14-15.</ref> Durch ihre Fähigkeit, das Antlitz Christi in dem des Kindes, des Kranken, des Leidenden oder des Bedürftigen zu erkennen, trägt die Kirche dazu bei, langsam aber sicher das neue Afrika zu gestalten. In ihrer prophetischen Rolle möchte die Kirche jedesmal, wenn die Völker ihr zurufen: » Wächter, wie lange noch dauert die Nacht? « (Jes 21,11), bereit sein, Rechenschaft abzulegen von der Hoffnung, die sie in sich trägt (vgl. 1 Petr 3,15), denn ein neuer Morgen leuchtet am Horizont auf (vgl. Offb 22,5). Nur die Ablehnung der Entmenschlichung des Menschen und die Verweigerung des Zugeständnisses aus Furcht vor der Prüfung oder dem Martyrium wird der Sache des Evangeliums der Wahrheit dienen. » In der Welt seid ihr in Bedrängnis «, sagt Christus, » aber habt Mut: Ich habe die Welt besiegt! « (Joh 16,33). Der echte Friede kommt von Christus (vgl. Joh 14,27). Er ist also mit dem der Welt nicht zu vergleichen. Er ist nicht das Ergebnis von Verhandlungen und diplomatischen Vereinbarungen, die auf Interessen beruhen. Es ist der Friede der in Gott mit sich selbst versöhnten Menschheit, dessen Sakrament die Kirche ist.<ref>Vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Dogm. Konst. über die Kirche Lumen gentium, 1.</ref>

KAPITEL II: DIE ARBEITSFELDER FÜR DIE VERSÖHNUNG, DIE GERECHTIGKEIT UND DEN FRIEDEN

31. An diesem Punkt möchte ich einige Arbeitsfelder nennen, die die Synodenväter für den gegenwärtigen Einsatz der Kirche ausgemacht haben, die Sorge trägt, Afrika zu helfen, sich von den Kräften, die es lähmen, frei zu machen. Hat Christus nicht zuallererst zu dem Gelähmten gesagt: » Deine Sünden sind dir vergeben « und dann: » Steh auf! « (Lk 5,20.24)?

I. DIE AUFMERKSAMKEIT GEGENÜBER DER PERSON

A. Die metanoia: eine echte Bekehrung

32. Die Hauptsorge der Synodenmitglieder angesichts der Situation des Kontinents galt der Frage, wie man den Afrikanern, die Jünger Christi sind, den Willen ins Herz legen könne, sich wirklich zu engagieren, um in ihrem Leben und in der Gesellschaft das Evangelium zu leben. Christus ruft ständig zur » metanoia «, zur Umkehr auf.<ref> Vgl. Kongregation für die Glaubenslehre, Lehrmäßige Note zu einigen Aspekten der Evangelisierung (3. Dezember 2007), 9: AAS 100 (2008), 497-498.</ref> Die Christen sind durch den Geist und die Gewohnheiten ihrer Zeit und ihres Milieus geprägt. Aber durch die Taufgnade sind sie eingeladen, auf herrschende schädliche Tendenzen zu verzichten und gegen den Strom zu schwimmen. Ein solches Zeugnis erfordert ein entschlossenes Engagement in » einer ständigen Umkehr zum Vater, der Quelle allen wahren Lebens, dem einzigen, der fähig ist, uns vom Bösen und von allen Versuchungen zu befreien und uns in seinem Geist zu bewahren, sogar mitten im Kampf gegen die Kräfte des Bösen «.<ref>Lineamenta, 48.</ref> Diese Umkehr ist nur möglich, wenn man sich auf Glaubensüberzeugungen stützt, die durch eine authentische Katechese gefestigt sind. Es ist also angebracht, » eine lebendige Verbindung zwischen dem auswendig gelernten Katechismus und der gelebten Katechese zu erhalten, um zu einer tiefen und dauerhaften Umkehr des Lebens zu führen «.<ref> Propositio 43.</ref> In besonderer Weise wird die Umkehr im Sakrament der Versöhnung gelebt, dem eine besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden soll, um es zu einer wirklichen » Schule des Herzens « zu machen. In dieser Schule erwirbt der Jünger Christi sich allmählich ein ausgereiftes christliches Leben, achtsam auf die theologalen und moralischen Dimensionen seines Tuns, und wird so fähig, » den Schwierigkeiten des gesellschaftlichen, politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Lebens entgegenzutreten «<ref>Ebd.</ref> durch ein vom Geist des Evangeliums geprägtes Leben. Der Beitrag der Christen in Afrika wird nur dann entscheidend sein, wenn das Glaubensverständnis zum Wirklichkeitsverständnis wird.<ref>Vgl. Benedikt XVI., Ansprache an die Teilnehmer der 24. Vollversammlung des Päpstlichen Rates für die Laien (21. Mai 2010): L’Osservatore Romano (dt.), Jg. 40 (2010), Nr. 22 (4. Juni 2010), 7.</ref> Deswegen ist die Erziehung zum Glauben unerlässlich, andernfalls wird Christus nur ein zusätzlicher, an unsere Theorien angefügter Name sein. Das Wort und das Lebenszeugnis gehören zusammen.<ref>Vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit Ad gentes, 15.</ref> Aber das Zeugnis allein genügt nicht mehr, denn » auch das schönste Zeugnis erweist sich auf die Dauer als unwirksam, wenn es nicht erklärt, begründet – was Petrus „Rechenschaft über seine Hoffnung ablegen“ (1 Petr 3,15) nennt – und durch eine klare und eindeutige Verkündigung des Herrn Jesus Christus entfaltet wird «.<ref> Paul VI., Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi (8. Dezember 1975), 22: AAS 68 (1976), 20.</ref>

B. Die Wahrheit des Sakraments der Buße und der Versöhnung leben

33. Die Synodenmitglieder haben außerdem betont, dass eine große Anzahl der Christen in Afrika gegenüber der Feier des Sakraments der Versöhnung eine zweideutige Haltung einnimmt, während dieselben Christen oft sehr gewissenhaft in der Erfüllung traditioneller Riten der Versöhnung sind. Um den katholischen Gläubigen zu helfen, in der Feier des Sakraments der Versöhnung einen echten Weg der metanoia zu gehen, in dem die ganze Gesinnung sich auf die Begegnung mit Christus hin umorientiert,<ref> Vgl. Propositio 9.</ref> wäre es gut, wenn die Bischöfe die traditionellen afrikanischen Versöhnungszeremonien ernsthaft untersuchten, um deren positive Aspekte sowie ihre Grenzen zu beurteilen. Denn diese pädagogischen traditionellen Vermittlungen<ref> Vgl. Propositio 8.</ref> können keinesfalls das Sakrament ersetzen. Das Nachsynodale Apostolische Schreiben Reconciliatio et Paenitentia des seligen Johannes Paul II. hat deutlich daran erinnert, wer der Spender und welches die Formen des Sakraments der Buße und der Versöhnung sind.<ref> Vgl. Nrn. 28-34: AAS 77 (1985) 250-273. Diese Lehre wurde durch das Apostolische Schreiben in Form eines Motu proprio Misericordia Dei (2. Mai 2002) bekräftigt: AAS 94 (2002), 452-459.</ref> Die pädagogischen traditionellen Vermittlungen können nur dazu beitragen, den Bruch, den manche Gläubige empfinden und erleben, zu vermindern, indem sie ihnen helfen, sich tiefer und wahrhaftiger Christus, dem einzigen großen Mittler zu öffnen, um die Gnade des Sakraments der Buße zu empfangen. Im Glauben gefeiert, reicht dieses Sakrament aus, um uns mit Gott und mit dem Nächsten zu versöhnen.<ref>Vgl. Propositio 7.</ref> Letztlich ist es Gott, der uns in seinem Sohn mit sich und mit den anderen versöhnt.

C. Eine Spiritualität der Gemeinschaft

34. Die Versöhnung ist kein isolierter Akt, sondern ein langer Prozess, durch den jeder sich in der Liebe wiederhergestellt sieht, in einer Liebe, die durch das Wirken des Wortes Gottes heilt. Die Versöhnung wird dann zugleich eine Lebensweise und eine Sendung. Um eine wirkliche Versöhnung zu erreichen und durch sie die Spiritualität der Gemeinschaft einzuführen, braucht die Kirche Zeugen, die zutiefst in Christus verwurzelt sind und sich von seinem Wort und seinen Sakramenten nähren. So sind diese Zeugen in ihrem Streben nach Heiligkeit in der Lage, sich in dem Werk der Gemeinschaft der Familie Gottes einzusetzen, indem sie der Welt, nötigenfalls bis zum Martyrium, den Geist der Versöhnung, der Gerechtigkeit und des Friedens vermitteln, nach dem Vorbild Christi.

35. Ich möchte an das erinnern, was Papst Johannes Paul II. der ganzen Kirche als Bedingungen für eine Spiritualität der Gemeinschaft vorgelegt hat: fähig zu sein, das Licht des Mysteriums der Dreifaltigkeit auf dem Angesicht der Brüder und Schwestern neben uns wahrzunehmen;<ref> Vgl. Apostolisches Schreiben Novo millennio ineunte (6. Januar 2001), 43: AAS 93 (2001), 297.</ref> sich einfühlsam zu erweisen für » den Bruder und die Schwester im Glauben in der tiefen Einheit des mystischen Leibes, ihn also als „einen, der zu mir gehört“ ansehen, damit ich seine Freuden und seine Leiden teilen, seine Wünsche erahnen und mich seiner Bedürfnisse annehmen und ihm schließlich echte, tiefe Freundschaft anbieten kann «;<ref> Ebd.</ref> außerdem fähig zu sein, das Positive im anderen anzuerkennen, um es anzunehmen und hochzuschätzen als ein Geschenk, das Gott mir macht durch den, der es empfangen hat, weit über seine Person hinaus, die dann zu einem Verwalter göttlicher Gnaden wird; schließlich muss man » dem Bruder „Platz machen“ können, indem „einer des anderen Last trägt“ (Gal 6,2) und den egoistischen Versuchungen widersteht, die uns dauernd bedrohen und Rivalität, Karrierismus, Misstrauen und Eifersüchteleien erzeugen «.<ref>Ebd.</ref>

So reifen Männer und Frauen des Glaubens und der Gemeinschaft, die ihren Mut in der Wahrheit und in der Entsagung unter Beweis stellen und vor Freude strahlen. Sie geben dann ein prophetisches Zeugnis eines Lebens im Einklang mit ihrem Glauben. Maria, die Mutter der Kirche, die das Wort Gottes aufzunehmen verstand, ist ihr Vorbild: Durch das Hören auf das Wort wußte sie die Nöte der Menschen zu verstehen und in ihrem Mitleid für sie einzutreten.<ref> Vgl. Propositio 9.</ref>

D. Die Inkulturation des Evangeliums und die Evangelisierung der Kultur

36. Um diese Gemeinschaft zu verwirklichen, wäre es gut, auf eine Notwendigkeit zurückzukommen, die schon bei der Ersten Synodenversammlung für Afrika angeklungen ist: ein vertieftes Studium der afrikanischen Traditionen und Kulturen. Die Synodenväter haben festgestellt, dass zwischen manchen traditionellen Praktiken der afrikanischen Kulturen und den spezifischen Erfordernissen der Botschaft Christi eine Dichotomie besteht. Das Bemühen um Sachdienlichkeit und Glaubwürdigkeit verlangt von der Kirche eine gründliche Unterscheidung, um die Aspekte der Kultur zu ermitteln, die der Inkarnation der Werte des Evangeliums hinderlich sind, wie auch jene, die sie fördern.<ref>Vgl. Propositio 33.</ref>

37. Man darf jedoch nicht vergessen, dass der eigentliche Protagonist der Inkulturation der Heilige Geist ist; » er leitet in fruchtbarer Weise den Dialog zwischen dem in Christus offenbarten Wort Gottes und den tiefsten Fragen, die aus den vielen Menschen und Kulturen aufsteigen. So setzt sich in der Geschichte – in der Einheit ein und desselben Glaubens – das Pfingstereignis fort, das durch die verschiedenen Sprachen und Kulturen bereichert wird «.<ref>Kongregation für die Glaubenslehre, Lehrmäßige Note zu einigen Aspekten der Evangelisierung (3. Dezember 2007), 6: AAS 100 (2008), 494.</ref> Der Heilige Geist bewirkt, dass das Evangelium alle Kulturen zu durchdringen vermag, ohne sich von einer einzigen unterwerfen zu lassen.<ref>Vgl. Paul VI., Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi (8. Dezember 1975), 19-20: AAS 68 (1976), 18-19.</ref> Den Bischöfen soll es ein Herzensanliegen sein, über dieses Erfordernis der Inkulturation unter Beachtung der durch die Kirche festgesetzten Normen zu wachen. Die Unterscheidung, welche kulturellen und welche traditionellen Elemente mit dem Evangelium unvereinbar sind, wird es ermöglichen, den guten Weizen vom Unkraut zu trennen (vgl. Mt 13,26). So wird das Christentum, obgleich es in absoluter Treue zur Verkündigung des Evangeliums und zur Überlieferung der Kirche seine Identität völlig wahrt, das Erscheinungsbild der vielen Kulturen und Völker annehmen, in denen es Aufnahme gefunden und Wurzeln geschlagen hat. Dann wird die Kirche Ikone der Zukunft, die Gottes Geist für uns bereitet,<ref>Vgl. Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Novo millennio ineunte (6. Januar 2001), 40: AAS 93 (2001), 295.</ref> eine Ikone, zu der Afrika seinen eigenen Beitrag liefern wird. In diesem Werk der Inkulturation sollte die ebenfalls wesentliche Aufgabe der Evangelisierung der Welt der zeitgenössischen afrikanischen Kunst nicht vergessen werden.

38. Die Initiativen der Kirche für die positive Beurteilung und die Erhaltung der afrikanischen Kulturen sind bekannt. Es ist sehr wichtig, diese Aufgabe zu verfolgen, da die Vermischung der Völker, obwohl sie eine Bereicherung darstellt, häufig die Kulturen und die Gesellschaften schwächt. Es steht in diesen Begegnungen zwischen den Kulturen die Identität der afrikanischen Gemeinschaften auf dem Spiel. Man muss sich also dafür einsetzen, die Werte weiterzugeben, die der Schöpfer seit Menschengedenken in die Herzen der Afrikaner gelegt hat. Sie haben als Grundmodell gedient, um lebendige Gesellschaften in einer gewissen Harmonie zu bilden, denn sie tragen traditionelle Weisen der Regelung für ein friedliches Zusammenleben in sich. Es geht also darum, diese positiven Elemente zur Geltung zu bringen, indem man sie von innen her erleuchtet (vgl. Joh 8,12), damit der Christ wirklich von der Botschaft Christi erreicht wird und so das Licht Gottes vor den Augen der Menschen leuchten kann. Dann werden die Männer und Frauen, wenn sie die guten Taten der Christen sehen, » den Vater im Himmel preisen « (Mt 5,16) können.

E. Die Gabe Christi: die Eucharistie und das Wort Gottes

39. Jenseits der Unterschiede der Herkunft und der Kultur besteht die große Herausforderung, die uns alle erwartet, darin, im Menschen, der von Gott geliebt ist, die Grundlage für eine Gemeinschaft auszumachen, die die besonderen Beiträge der verschiedenen Kulturen respektiert und integriert.<ref> Vgl. Propositio 32.</ref> » Wir müssen die Grenzen zwischen Stämmen, Ethnien, Religionen zur Universalität der Liebe Gottes hin öffnen «.<ref> Benedikt XVI., Zweite Sonderversammlung der Bischofssynode für Afrika, Betrachtung während des Gebets der Terz (5. Oktober 2009): AAS 101 (2009), 924.</ref> Männer und Frauen unterschiedlicher Herkunft, Kultur, Sprache oder Religion können harmonisch zusammenleben.

40. Tatsächlich hat der Sohn Gottes sein Zelt unter uns aufgeschlagen; er hat sein Blut für uns vergossen. Getreu seinem Versprechen, bis zum Ende der Welt bei uns zu sein (vgl. Mt 28,20), schenkt er sich uns jeden Tag in der Eucharistie und in der Heiligen Schrift als Nahrung. Im Nachsynodalen Apostolischen Schreiben Verbum Domini habe ich geschrieben: » Wort und Eucharistie gehören so eng zueinander, dass eines nicht ohne das andere verstanden werden kann: Das Wort Gottes wird im eucharistischen Geschehen sakramentales Fleisch. Die Eucharistie öffnet uns für das Verständnis der Heiligen Schrift, ebenso wie die Heilige Schrift ihrerseits das eucharistische Geheimnis beleuchtet und erklärt «.<ref> Nr. 55: AAS 102 (2010), 734-735.</ref>

41. Die Heilige Schrift bestätigt in der Tat, dass das von Christus vergossene Blut durch die Taufe der Ursprung und das verbindende Element einer neuen Brüderlichkeit wird. Diese steht im Gegensatz zu Spaltung, Tribalismus, Rassismus, Ethnozentrismus … (vgl. Gal 3,26-28). Die Eucharistie ist die Kraft, die die verstreuten Kinder Gottes versammelt und sie in der Gemeinschaft bewahrt,<ref>Vgl. Propositio 45.</ref> » da in unseren Adern dasselbe Blut Christi fließt, das uns zu Kindern Gottes, zu Gliedern der Familie Gottes macht «.<ref>Benedikt XVI., Ansprache an die Mitglieder des Sonderrats der Bischofssynode für Afrika (Yaoundé, 19. März 2009): AAS 101 (2009), 313.</ref> Durch den Empfang Jesu in der Eucharistie und in der Schrift werden wir in die Welt zurückgesandt, um ihr Christus anzubieten, indem wir den anderen dienen (vgl. Joh 13,15; 1 Joh 3,16).<ref> Vgl. ders., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Sacramentum caritatis (22. Februar 2007), 51: AAS 99 (2007), 144.</ref>

II. MITEINANDER LEBEN

A. Die Familie

42. Die Familie ist das » Heiligtum des Lebens « und eine lebenswichtige Zelle der Gesellschaft und der Kirche. » Hier wird nämlich das Antlitz eines Volkes geformt, hier eignen sich seine Glieder die grundlegenden Kenntnisse an. Sie lernen lieben, weil sie selber umsonst geliebt werden; sie lernen jede andere Person achten, weil sie selber geachtet werden; sie lernen das Antlitz Gottes kennen, weil sie dessen erste Offenbarung von einem Vater und einer Mutter erhalten, die ihnen ihre ganze Zuwendung schenken. Jedes Mal, wenn diese Grunderfahrungen fehlen, wird der ganzen Gesellschaft Gewalt angetan und bringt die Gesellschaft dann ihrerseits vielfältige Formen der Gewalt hervor «.<ref> Kongregation für die Glaubenslehre, Schreiben an die Bischöfe der katholischen Kirche über die Zusammenarbeit von Mann und Frau in der Kirche und in der Welt (31. Mai 2004), 13: AAS 96 (2004), 682.</ref>

43. Die Familie ist wirklich der geeignete Ort für das Erlernen und Praktizieren der Kultur des Verzeihens, des Friedens und der Versöhnung. » Tatsächlich macht man in einem gesunden Familienleben die Erfahrung einiger grundsätzlicher Komponenten des Friedens: Gerechtigkeit und Liebe unter den Geschwistern, die Funktion der Autorität, die in den Eltern ihren Ausdruck findet, der liebevolle Dienst an den schwächsten – weil kleinen oder kranken oder alten – Gliedern, die gegenseitige Hilfe in den Bedürfnissen des Lebens, die Bereitschaft, den anderen anzunehmen und ihm nötigenfalls zu verzeihen. Deswegen ist die Familie die erste und unersetzliche Erzieherin zum Frieden «.<ref>Benedikt XVI., Botschaft zum Weltfriedenstag 2008, 3: AAS 100 (2008), 38-39.</ref> Angesichts ihrer grundlegenden Bedeutung und der Bedrohungen, die auf dieser Institution lasten – die Verzerrung des Begriffs der Ehe und der Familie selbst, die Abwertung der Mutterschaft und die Banalisierung der Abtreibung, die Erleichterung der Ehescheidung und der Relativismus einer » neuen Ethik « – muss die Familie geschützt und verteidigt werden,<ref> Vgl. Propositio 38.</ref> damit sie der Gesellschaft den Dienst erbringt, den diese von ihr erwartet, d. h. ihr Männer und Frauen schenkt, die fähig sind, ein soziales Netz des Friedens und der Harmonie aufzubauen.

44. Darum empfehle ich den Familien dringend, Inspiration und Kraft aus dem Sakrament der Eucharistie zu schöpfen, um die radikale Neuheit zu leben, die durch Christus mitten in die allgemeinen Lebensbedingungen hineingetragen wurde – eine Neuheit, die jeden einzelnen dazu führt, ein strahlender Zeuge in seiner Arbeitsumwelt und in der gesamten Gesellschaft zu sein. » Die Liebe zwischen Mann und Frau, das Annehmen des Lebens und die Erziehungsaufgabe erweisen sich als bevorzugte Gebiete, in denen die Eucharistie ihre Fähigkeit zeigen kann, das Leben zu verwandeln und zur Sinnfülle zu führen «.<ref>Benedikt XVI., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Sacramentum caritatis (22. Februar 2007), 79: AAS 99 (2007), 165-166.</ref> Es wird deutlich, dass die Teilnahme an der sonntäglichen Eucharistie eine Forderung des christlichen Gewissens ist und dieses zugleich bildet.<ref> Vgl. ebd., 73: AAS 99 (2007), 160-161.</ref>

45. In der Familie dem persönlichen und gemeinschaftlichen Gebet den gebührenden Raum zu geben bedeutet überdies, ein wesentliches Prinzip der christlichen Lebensauffassung zu respektieren: den Vorrang der Gnade. Das Gebet erinnert uns ständig an den Vorrang Christi und, in Verbindung damit, an den Vorrang des innerlichen Lebens und der Heiligkeit. Der Dialog mit Gott öffnet das Herz dem Fluß der Gnade und gestattet dem Wort Christi, uns mit all seiner Kraft zu durchdringen! Deswegen sind das regelmäßige Hören und das aufmerksame Lesen der Heiligen Schrift im Herzen der Familie notwendig.<ref> Vgl. Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Novo millennio ineunte (6. Januar 2001), 38 und 39: AAS 93 (2001), 293-294.</ref>

46. Außerdem ist » die Erziehungsaufgabe der christlichen Familie (…) ein echtes Amt (…), durch welches das Evangelium vermittelt und verbreitet wird bis zu dem Punkt, dass das Familienleben selbst zu einem Weg des Glaubens und in gewisser Weise christliche Initiation und Schule der Nachfolge Christi wird. „In der Familie, die sich dieses Geschenkes bewusst ist, verkünden alle Familienmitglieder das Evangelium, und es wird ihnen verkündet“, wie Paul VI. schreibt. Kraft dieses Erziehungsauftrags sind die Eltern durch ihr Lebenszeugnis die ersten Verkünder des Evangeliums für ihre Kinder. (…) Sie werden (…) auf vollkommene Weise Eltern, das heißt, Eltern nicht nur des leiblichen Lebens, sondern auch desjenigen, das durch die Erneuerung im Heiligen Geist aus Christi Kreuz und Auferstehung strömt «.<ref> Ders., Apostolisches Schreiben Familiaris consortio (22. November 1981), 39: AAS 74 (1982), 130-131; vgl. Paul VI., Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi (8. Dezember 1975), 71: AAS 68 (1976), 60-61.</ref>

B. Die alten Menschen

47. In Afrika sind die alten Menschen von einer besonderen Verehrung umgeben. Sie werden nicht aus den Familien verbannt oder ins Abseits gedrängt wie in anderen Kulturen. Im Gegenteil, sie werden hoch geschätzt und sind vollkommen in ihre Familie eingegliedert, deren höchste Instanz sie darstellen. Diese schöne afrikanische Realität müsste die westlichen Gesellschaften anregen, das Alter mit mehr Würde anzunehmen. Die Heilige Schrift spricht oft von den alten Menschen. » Ein Ehrenkranz der Alten ist reiche Erfahrung, ihr Ruhm ist die Gottesfurcht « (Sir 25,6). Das Alter ist trotz der Gebrechlichkeit, die es zu kennzeichnen scheint, ein Geschenk, das es täglich in der gelassenen Verfügbarkeit gegenüber Gott und dem Nächsten zu leben gilt. Es ist auch die Zeit der Weisheit, denn die durchlebte Zeitspanne hat die Größe und die Not des Lebens gelehrt. Voll Geist und Weisheit nimmt der greise Simeon als gläubiger Mann nicht mit angsterfüllten Worten Abschied vom Leben, sondern mit einem Dankgebet an den Retter der Welt (vgl. Lk 2,25-32).

48. Aufgrund dieser manchmal teuer erkauften Weisheit können die alten Menschen in verschiedener Weise auf die Familie einwirken. Ihre Erfahrung führt sie natürlich nicht nur dazu, den Graben zwischen den Generationen aufzufüllen, sondern auch die Notwendigkeit der wechselseitigen menschlichen Abhängigkeit zu betonen. Sie sind ein Schatz für alle Familienmitglieder, vor allem für die jungen Paare und die Kinder, die bei ihnen Verständnis und Liebe finden. Da sie nicht nur das Leben weitergegeben haben, tragen sie durch ihr Verhalten dazu bei, ihre Familie zu festigen (vgl. Tit 2,2-5) und durch ihr Gebet und ihr Glaubensleben alle Glieder ihrer Familie und der Gemeinschaft spirituell zu bereichern.

49. Sehr oft sind in Afrika die Stabilität und die gesellschaftliche Ordnung noch einem Ältestenrat oder den traditionellen Häuptlingen anvertraut. Auf diesem Weg können die alten Menschen wirksam zum Aufbau einer gerechteren Gesellschaft beitragen, die nicht durch – manchmal gewagte – Experimente vorankommt, sondern stufenweise und in wohlbedachter Ausgewogenheit. So können die alten Menschen durch ihre Weisheit und ihre Erfahrung an der Versöhnung von Menschen und Gemeinschaften teilhaben.

50. Die Kirche betrachtet die alten Menschen mit großer Achtung. Mit dem seligen Johannes Paul II. möchte ich euch sagen: » Die Kirche braucht euch! Aber auch die zivile Gesellschaft braucht euch! (…) Wißt die Zeit, über die ihr verfügt, und die Talente, die Gott euch verliehen hat, großherzig einzusetzen (…) Leistet euren Beitrag, das Evangelium zu verkünden (…) Widmet Zeit und Kräfte dem Gebet «.<ref>Johannes Paul II., Predigt zur Heiligjahrfeier der Senioren (17. September 2000), 5: AAS 92 (2000), 876; vgl. ders., Brief an die alten Menschen (1. Oktober 1999): AAS 92 (2000), 186-204.</ref>

C. Die Männer

51. In der Familie haben die Männer eine besondere Aufgabe zu erfüllen. In ihrer Rolle als Ehemann und Vater tragen sie die noble Verantwortung, der Gesellschaft durch die eheliche Beziehung und die Erziehung der Kinder die Werte zu vermitteln, deren sie bedarf.

52. Mit den Synodenvätern ermutige ich die katholischen Männer, in ihren Familien wirklich zur menschlichen und christlichen Erziehung der Kinder sowie zur Annahme und zum Schutz des Lebens vom Augenblick der Empfängnis an beizutragen.<ref>Vgl. Schlussbotschaft, 26: L’Osservatore Romano (dt.), Jg. 39 (2009), Nr. 45 (6. November 2009), 14.</ref> Ich lade sie ein, einen christlichen Lebensstil einzuführen, der in der Liebe verwurzelt und auf sie gegründet ist (vgl. Eph 3,17). Mit dem heiligen Paulus wiederhole ich ihnen: » Liebt eure Frauen, wie Christus die Kirche geliebt und sich für sie hingegeben hat (…) Darum sind die Männer verpflichtet, ihre Frauen so zu lieben wie ihren eigenen Leib. Wer seine Frau liebt, liebt sich selbst. Keiner hat je seinen eigenen Leib gehaßt, sondern er nährt und pflegt ihn, wie auch Christus die Kirche « (Eph 5,25.28-29). Fürchtet euch nicht, sichtbar und greifbar zu machen, dass es keine größere Liebe gibt als sein Leben für die hinzugeben, die man liebt (vgl. Joh 15,13), das heißt in erster Linie für die eigene Frau und die eigenen Kinder. Pflegt eine ungetrübte Freude in eurem Heim! Die Ehe ist eine » Gabe des Herrn «, sagte der heilige Fulgentius von Ruspe.<ref> Epistula 1, 11: PL 65, 306C.</ref> Das Zeugnis, das ihr für die unantastbare Würde jedes Menschen gebt, wird ein wirksames Mittel sein, um gegen traditionelle Gepflogenheiten anzugehen, die im Gegensatz zum Evangelium stehen und die besonders die Frauen unterdrücken.

53. Indem ihr auf Erden die Vaterschaft Gottes selbst (vgl. Eph 3,15) zum Ausdruck bringt und lebt, seid ihr aufgerufen, die persönliche Entwicklung aller Mitglieder der Familie zu gewährleisten, die die Geburtsstätte und das wirksamste Mittel einer Humanisierung der Gesellschaft, des Ortes der Begegnung mehrerer Generationen, ist.<ref>Vgl. Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Familiaris consortio (22. November 1981), 25.43: AAS 74 (1982), 110-111.134-135.</ref> Durch die schöpferische Dynamik des Wortes Gottes selbst<ref>Vgl. Propositio 45.</ref> möge euer Verantwortungsbewusstsein wachsen, bis es euch zu einem konkreten Engagement in der Kirche führt! Diese braucht überzeugte und wirksame Glaubenszeugen, die die Versöhnung, die Gerechtigkeit und den Frieden fördern<ref>Vgl. Schlussbotschaft, 26: L’Osservatore Romano (dt.), Jg. 39 (2009), Nr. 45 (6. November 2009), 14.</ref> und ihren begeisterten und mutigen Beitrag zur Verwandlung des Lebensumfeldes und der Gesellschaft im ganzen leisten. Ihr seid diese Zeugen durch eure Arbeit, die es ermöglicht, gewöhnlich den Lebensunterhalt für euch und eure Familie zu sichern. Weit darüber hinaus aber seid ihr dadurch, dass ihr diese Arbeit Gott darbringt, mit dem Erlösungswerk Jesu Christi verbunden. Denn er hat der Arbeit eine herausragende Würde verliehen, indem er in Nazaret mit eigenen Händen arbeitete.<ref>Vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Past. Konst. über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, 67.</ref>

54. Die Qualität und die Ausstrahlung eures christlichen Lebens hängen von einem tiefen Gebetsleben ab, das vom Wort Gottes und von den Sakramenten genährt wird. Achtet also darauf, diese wesentliche Dimension eures christlichen Engagements lebendig zu erhalten; euer Glaubenszeugnis in den täglichen Aufgaben und eure Teilnahme an den kirchlichen Bewegungen finden in ihr die Quelle ihrer Dynamik! Wenn ihr so handelt, werdet ihr auch Vorbilder, die die jungen Menschen nachahmen wollen, und ihr könnt ihnen auf diese Weise helfen, in ein verantwortungsvolles Erwachsenenleben einzutreten. Scheut euch nicht, ihnen von Gott zu sprechen und sie durch euer Beispiel in das Glaubensleben und in das Engagement in den sozialen oder karitativen Aktivitäten einzuführen und sie so in Wahrheit entdecken zu lassen, dass sie als Abbild Gottes, ihm ähnlich erschaffen sind: » Die Zeichen dieses göttlichen Bildes im Menschen können nicht in der Form des Leibes, der vergeht, erkannt werden, sondern in der Klugheit der Einsicht, in der Gerechtigkeit, der Mäßigung, dem Mut, der Weisheit, der Unterweisung «.<ref>Origenes, De principiis, IV, 4, 10: SC 268, 427.</ref>

D. Die Frauen

55. Die Frauen in Afrika leisten mit ihren zahlreichen Talenten und ihren unersetzlichen Gaben einen großen Beitrag zur Familie, zur Gesellschaft und zur Kirche. Wie Johannes Paul II. sagte, » ist die Frau diejenige, in der die Ordnung der Liebe in der geschaffenen Welt der Personen das Erdreich für ihr erstes Wurzelfassen findet «.<ref>Apostolisches Schreiben Mulieris dignitatem (15. August 1988), 29: AAS 80 (1988), 1722; vgl. Benedikt XVI., Begegnung mit Vertretern katholischer Bewegungen zur Förderung der Frau (Luanda, 22. März 2009): L’Osservatore Romano (dt.), Jg. 39 (2009), Nr. 14 (3. April 2009), 11.</ref> Für die Kirche und die Gesellschaft ist es notwendig, dass den Frauen der ganze ihnen zukommende Raum gegeben wird, » damit der Mensch in ihr leben kann, ohne völlig entmenschlicht zu werden «.<ref>Benedikt XVI., Begegnung mit Vertretern katholischer Bewegungen zur Förderung der Frau (Luanda, 22. März 2009): L’Osservatore Romano (dt.), Jg. 39 (2009), Nr. 14 (3. April 2009), 11.</ref>

56. Auch wenn unleugbar Fortschritte erzielt worden sind, um die Entfaltungsmöglichkeiten und die Bildung der Frau in manchen afrikanischen Ländern zu fördern, sind doch ihre Würde, ihre Rechte sowie ihr wesentlicher Beitrag zur Familie und zur Gesellschaft weiterhin weder voll anerkannt noch geschätzt. So wird die Förderung der Mädchen und der Frauen häufig weniger begünstigt als die der Jungen und der Männer. Allzu zahlreich sind noch die Praktiken, die die Frauen demütigen, sie im Namen der überkommenen alten Tradition erniedrigen. Mit den Synodenvätern fordere ich die Jünger Christi nachdrücklich auf, jede Form von Gewalt gegen Frauen zu bekämpfen, sie zu denunzieren und zu verurteilen.<ref>Vgl. Propositio 47.</ref> In diesem Zusammenhang sollten die Verhaltensweisen innerhalb der Kirche selbst ein Vorbild für die Gesellschaft im ganzen sein.

57. Als ich mich nach Afrika begab, habe ich mit Nachdruck daran erinnert: » Die Gleichheit der Würde von Mann und Frau muss anerkannt, bekräftigt und verteidigt werden: Beide sind Personen, im Unterschied zu den anderen Lebewesen der Welt, die sie umgibt «.<ref> Benedikt XVI., Begegnung mit Vertretern katholischer Bewegungen zur Förderung der Frau (Luanda, 22. März 2009): L’Osservatore Romano (dt.), Jg. 39 (2009), Nr. 14 (3. April 2009), 11.</ref> Die Entwicklung der Mentalität ist auf diesem Gebiet leider sehr langsam. Die Kirche muss zu dieser Anerkennung und zu dieser Befreiung der Frau beitragen, indem sie dem Beispiel Christi folgt, der ihr Geltung verschaffte (vgl. Mt 15,21-28; Lk 7,36-50; 8,1-3; 10,38-42; Joh 4,7-42). Für sie einen Raum zu schaffen, in dem sie zu Wort kommt und ihre Talente zum Ausdruck bringt durch Initiativen, die ihrem Wert, ihrer Selbstachtung und ihrer Besonderheit Nachdruck verleihen, würde ihr erlauben, in der Gesellschaft eine Position einzunehmen, die der des Mannes ebenbürtig ist – ohne Verwechslung oder Nivellierung der jeweiligen Besonderheit –, denn beide sind » Abbild « des Schöpfers (vgl. Gen 1,27). Mögen die Bischöfe die Bildung der Frauen anregen und fördern, damit sie » ihren Anteil an der Verantwortung und der Beteiligung am Gemeinschaftsleben der Gesellschaft (…) und der Kirche «<ref>Zweite Ordentliche Vollversammlung der Bischofssynode, Dokument De iustitia in mundo (30. November 1971), 45: AAS 63 (1971), 933; vgl. Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Ecclesia in africa (14. September 1995), 121: AAS 88 (1996), 71-72.</ref> übernehmen. So werden die Frauen zur Humanisierung der Gesellschaft beitragen.

58. Ihr katholischen Frauen, ihr reiht euch in die Tradition der Frauen des Evangeliums ein, die Jesus und die Jünger unterstützten (vgl. Lk 8,3)! Ihr seid für die Ortskirchen gleichsam das » Rückgrat «,<ref>Schlussbotschaft, 25: L’Osservatore Romano (dt.), Jg. 39 (2009), Nr. 45 (6. November 2009), 14.</ref> denn eure zahl, eure aktive Präsenz und eure Organisationen sind eine große Unterstützung für das Apostolat der Kirche. Wenn der Friede bedroht und die Gerechtigkeit verhöhnt wird, wenn die Armut zunimmt, seid ihr zur Stelle, um die Menschenwürde, die Familie und die Werte der Religion zu verteidigen. Möge der Heilige Geist unaufhörlich heilige und mutige Frauen in der Kirche erwecken, die ihren kostbaren spirituellen Beitrag zum Gedeihen unserer Gemeinschaften leisten!

59. Liebe Töchter der Kirche, geht ständig wie Maria von Betanien in die Schule Christi, um sein Wort erkennen zu können (vgl. Lk 10,39). Bildet euch anhand des Katechismus und der Soziallehre der Kirche, um euch mit Grundsätzen auszustatten, die euch helfen werden, als wirkliche Jüngerinnen zu handeln. So werdet ihr euch mit Unterscheidungsvermögen in den verschiedenen, die Frauen betreffenden Projekten einsetzen können. Verteidigt weiterhin das Leben, denn Gott hat euch zu Empfängerinnen des Lebens gemacht. Die Kirche wird immer eure Unterstützung sein. Helft durch euren Rat und euer Beispiel den jungen Mädchen, dass sie sorglos auf das Erwachsenenleben zugehen. Unterstützt euch gegenseitig! Ehrt die Ältesten unter euch. Die Kirche zählt auf euch, um eine » Humanökologie «<ref>Benedikt XVI., Botschaft zum Weltfriedenstag 2010, 11: AAS 102 (2010), 49; vgl. ders., Enzyklika Caritas in veritate (29. Juni 2009), 51: AAS 101 (2009), 687.</ref> zu schaffen durch Liebe und Zärtlichkeit, Aufnahmebereitschaft und Feingefühl und schließlich durch Barmherzigkeit – Werte, die ihr euren Kindern einzuprägen wißt und deren die Welt so sehr bedarf. So werdet ihr durch den Reichtum eurer typisch weiblichen Gnadengaben<ref>Vgl. Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Mulieris dignitatem (15. August 1988), 31: AAS 80 (1988), 1727-1729; ders., Brief an die Frauen (29. Juni 1995), 12: AAS 87 (1995), 812.</ref> die Versöhnung der Menschen und der Gemeinschaften begünstigen.

E. Die jungen Menschen

60. Die jungen Menschen bilden in Afrika die Mehrheit der Bevölkerung. Diese Jugend ist eine Gabe und ein Schatz Gottes, wofür die ganze Kirche dem Herrn des Lebens dankbar ist.<ref>Vgl. Schlussbotschaft, 27-28: L’Osservatore Romano (dt.), Jg. 39 (2009), Nr. 45 (6. November 2009), 14.</ref> Man muss diese Jugend lieben, sie schätzen und respektieren – sie, » die trotz möglicher Widersprüchlichkeiten ein tiefes Verlangen nach jenen echten Werten zum Ausdruck bringt, die in Christus ihre Erfüllung haben. Ist Christus etwa nicht das Geheimnis der wahren Freiheit und der tiefen Freude des Herzens? Ist Christus nicht der erhabenste Freund und zugleich der Mentor jeder echten Freundschaft? Wenn Christus den Jugendlichen mit seinem wahren Gesicht vorgestellt wird, empfinden sie ihn als eine überzeugende Antwort und sind imstande, seine Botschaft anzunehmen, auch wenn sie anspruchsvoll und vom Kreuz gezeichnet ist «.<ref> Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Novo millennio ineunte (6. Januar 2001), 9: AAS 93 (2001), 271-272.</ref>

61. In Gedanken an die Jugendlichen habe ich im Nachsynodalen Apostolischen Schreiben Verbum Domini erklärt: » In der Jugendzeit tauchen nämlich unbezwingbar und aufrichtig die Fragen nach dem Sinn und der zukünftigen Ausrichtung des eigenen Lebens auf. Auf diese Fragen kann nur Gott eine wahre Antwort geben. Die Aufmerksamkeit für die Welt der Jugendlichen verlangt den Mut zu einer klaren Verkündigung; wir müssen den Jugendlichen helfen, Vertrauen in die Heilige Schrift zu gewinnen und zur Vertrautheit mit ihr zu gelangen, damit diese gleichsam ein Kompaß ist, der den Weg weist, dem man folgen muss. Daher brauchen sie Zeugen und Lehrmeister, die mit ihnen gehen und sie anleiten, das Evangelium zu lieben und es ihrerseits vor allem an ihre Altersgenossen weiterzugeben und so selbst zu wahren und glaubwürdigen Verkündern zu werden «.<ref>Nr. 104: AAS 102 (2010), 772.</ref>

62. In seiner Regel fordert der heilige Benedikt den Abt des Klosters auf, die Jüngsten anzuhören, wenn er sagt: » Oft offenbart der Herr einem Jüngeren, was das Bessere ist «.<ref>Regel, III, 3; vgl. Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Novo millennio ineunte (6. Januar 2001), 45: AAS 93 (2001), 298-299. </ref> Versäumen wir also nicht, die Jugendlichen direkt in das Leben der Gesellschaft und der Kirche einzubeziehen, damit sie angesichts der Unmöglichkeit, ihre Zukunft in die Hand zu nehmen, nicht Gefühlen der Frustration und der Ablehnung verfallen, besonders in den Situationen, in denen die Jugend durch mangelnde Ausbildung, Arbeitslosigkeit, politische Ausbeutung und alle Arten von Abhängigkeit verletzlich geworden ist.<ref>Vgl. Propositio 48.</ref>

63. Liebe Jugendliche, alle möglichen Einflüsse – Ideologien, Sekten, Geld, Drogen, leichter Sex, Gewalt… – können euch in Versuchung führen. Seid wachsam: Diejenigen, die euch solches vorschlagen, wollen eure Zukunft zerstören! Lasst euch trotz der Schwierigkeiten nicht entmutigen und gebt eure Ideale, euren Fleiß und eure Beharrlichkeit in der menschlichen, intellektuellen und geistlichen Bildung nicht auf! Um das Unterscheidungsvermögen, die nötige Kraft und die Freiheit zu erwerben, solchem Druck zu widerstehen, ermutige ich euch, Jesus Christus ins Zentrum eures ganzen Lebens zu setzen durch das Gebet, aber auch durch das Studium der Heiligen Schrift, den Empfang der Sakramente, die Schulung anhand der Soziallehre der Kirche, sowie durch eure aktive und begeisterte Teilnahme an den kirchlichen Gruppen und Bewegungen. Pflegt in euch das Streben nach Brüderlichkeit, Gerechtigkeit und Frieden. Die Zukunft liegt in den Händen derer, die tragende Gründe zu finden wissen, um zu leben und zu hoffen. Wenn ihr es wollt, liegt die Zukunft in euren Händen, denn die Gaben, die der Herr in jeden von euch gelegt hat, können – ausgestaltet durch die Begegnung mit Christus – der Welt eine echte Hoffnung vermitteln!<ref>Vgl. Benedikt XVI., Botschaft zum 25. Weltjugendtag 2010 (22. Februar 2010), 7: AAS 102 (2010), 253-254; ders., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Verbum Domini (30. September 2010), 104: AAS 102 (2010), 772-773.</ref>

64. Wenn es um die Orientierung in eurer Lebensentscheidung geht, wenn sich euch die Frage nach einer vollkommenen Weihe stellt – für das Amtspriestertum oder das Ordensleben – stützt euch auf Christus, nehmt ihn zum Vorbild, hört auf sein Wort, indem ihr es regelmäßig meditiert. In der Predigt der Messe zur Einführung in mein Pontifikat habe ich euch mit diesen Worten ermutigt, die ich euch gerne wiederholen möchte, weil sie immer aktuell sind: » Wer Christus einlässt, dem geht nichts, nichts – gar nichts verloren von dem, was das Leben frei, schön und groß macht. Nein, erst in dieser Freundschaft öffnen sich die Türen des Lebens. Erst in dieser Freundschaft gehen überhaupt die großen Möglichkeiten des Menschseins auf. (…) Liebe junge Menschen, (…) habt keine Angst vor Christus! Er nimmt nichts, und er gibt alles. Wer sich ihm gibt, der erhält alles hundertfach zurück. Ja, öffnet die Tore für Christus, reißt sie weit auf – dann findet Ihr das wirkliche Leben «.<ref>AAS 97 (2005), 712.</ref>

F. Die Kinder

65. Genauso wie die Jugendlichen sind die Kinder ein Geschenk Gottes an die Menschheit. Sie müssen also von ihren Familien, von der Kirche, der Gesellschaft und den Regierungen mit besonderer Fürsorge bedacht werden, denn sie sind im Leben eine Quelle der Erneuerung und der Hoffnung. Gott ist ihnen besonders nahe, und ihr Leben ist in seinen Augen kostbar, selbst wenn die Umstände ungünstig oder unmöglich erscheinen (vgl. Gen 17,17-18; 18,12; Mt 18,10).

66. In der Tat, » was das Recht auf Leben betrifft, ist jedes unschuldige Menschenwesen allen anderen absolut gleich. Diese Gleichheit bildet die Grundlage jeder echten sozialen Beziehung, die, wenn sie wirklich eine solche sein soll, auf der Wahrheit und der Gerechtigkeit gründen muss, indem sie jedes Kind, jeden Mann und jede Frau als Person anerkennt und schützt und nicht als eine Sache betrachtet, über die man verfügen kann «.<ref> Johannes Paul II., Enzyklika Evangelium vitae (25. März 1995), 57: AAS 87 (1995), 466.</ref>

67. Wie könnte man also die unannehmbare Behandlung so vieler Kinder in Afrika nicht mit Nachdruck beklagen und anprangern?<ref> Die Synodenväter haben sich auf verschiedene Situationen bezogen, wie zum Beispiel: vor der Geburt getötete Kinder, unerwünschte Kinder, Waisenkinder, Albinos, Straßenkinder, verlassene Kinder, Kindersoldaten, Kinder als Gefangene, zur Arbeit gezwungene Kinder, Kinder, die aufgrund einer körperlichen oder geistigen Behinderung mißhandelt werden, als Hexen bezeichnete Kinder, als Schlangen bezeichnete Kinder, Kinder, die als sexuelle Sklaven verkauft werden, traumatisierte Kinder ohne Zukunftsperspektiven … (vgl. Propositio 49). </ref> Die Kirche ist Mutter und könnte sie nicht verlassen, wer auch immer sie sind. Wir müssen das Licht Christi auf sie werfen, indem wir ihnen seine Liebe schenken, damit sie hören, wie zu ihnen gesagt wird: » Du bist in meinen Augen teuer und wertvoll, und ich liebe dich « (vgl. Jes 43,4). Gott will das Glück und das Lächeln eines jeden Kindes, und seine Gunst gehört ihm, » denn Menschen wie ihnen gehört das Reich Gottes « (Mk 10,14).

68. Christus Jesus hat immer seine Vorliebe für die Kleinsten gezeigt (vgl. Mk 10,13-16). Das Evangelium selbst ist zutiefst von der Wahrheit über das Kind durchdrungen. Was heißt denn: » Wenn ihr nicht umkehrt und wie die Kinder werdet, könnt ihr nicht in das Himmelreich kommen « (Mt 18,3)? Stellt Jesus nicht das Kind als Vorbild auch für die Erwachsenen hin? Im Kind gibt es etwas, das einem, der in das Himmelreich kommen will, nie fehlen darf. Der Himmel ist allen zugesagt, die einfältig sind wie die Kinder, allen, die wie sie von vertrauensvoller Hingabe erfüllt, die rein und reich an Güte sind. Sie allein können in Gott einen Vater finden und durch Jesus zu Kindern Gottes werden. Söhne und Töchter unserer Eltern, Gott will, dass wir alle durch Gnade seine Adoptivkinder sind!<ref> Vgl. Johannes Paul II., Brief an die Kinder (13. Dezember 1994): L’Osservatore Romano (dt.), Jg. 24 (1994), Nr. 51/52 (23. Dezember 1994), 10.</ref>

III. DIE AFRIKANISCHE SICHT DES LEBENS

69. In der afrikanischen Sicht der Welt wird das Leben als eine Wirklichkeit aufgefasst, die die Vorfahren, die Lebenden und die Kinder, die erst geboren werden sollen, die gesamte Schöpfung und alle Wesen umfasst und einbezieht: die sprechenden und die stummen, die denkenden und die, welche kein Denken haben. Das sichtbare und das unsichtbare Universum wird dort als Lebensraum der Menschen angesehen, aber auch als ein Raum des Miteinanders, wo vergangene Generationen unsichtbar mit den gegenwärtigen in Kontakt treten, die ihrerseits Mütter der zukünftigen Generationen sind. Diese weite Öffnung des Herzens und des Geistes der afrikanischen Tradition schafft in euch, liebe Brüder und Schwestern, die Voraussetzung dafür, die Botschaft Christi zu hören und zu empfangen und das Geheimnis der Kirche zu verstehen, um dem menschlichen Leben und den Bedingungen für seine volle Entfaltung ihre ganze Bedeutung beizumessen.

A. Der Schutz des Lebens

70. Unter den Maßnahmen zum Schutz des menschlichen Lebens auf dem afrikanischen Kontinent haben die Synodenmitglieder die Anstrengungen der internationalen Einrichtungen zugunsten mancher Aspekte der Entwicklung in Betracht gezogen.<ref>Vgl. Schlussbotschaft, 30: L’Osservatore Romano (dt.), Jg. 39 (2009), Nr. 45 (6. November 2009), 14.</ref> Mit Sorge haben sie jedoch einen Mangel an ethischer Klarheit bei den internationalen Treffen festgestellt, ja sogar eine verwirrende Ausdrucksweise, die Werte vermittelt, die mit der katholischen Moral unvereinbar sind. Die Kirche hegt die ständige Sorge um eine ganzheitliche Entwicklung » jedes Menschen und des ganzen Menschen «, wie Papst Paul VI. sich ausdrückte.<ref>Vgl. Enzyklika Populorum progressio (26. März 1967), 14: AAS 59 (1967) 264; vgl. Benedikt XVI., Enzyklika Caritas in veritate (29. Juni 2009), 18: AAS 101 (2009), 653-654.</ref> Aus diesem Grund wollten die Synodenväter die fragwürdigen Aspekte gewisser Dokumente internationaler Einrichtungen hervorheben: besonders jene, die die reproduktive Gesundheit der Frauen betreffen. Die Position der Kirche duldet keinerlei Zweideutigkeit hinsichtlich der Abtreibung. Das Kind im Mutterschoß ist ein zu schützendes Menschenleben. Die Abtreibung, die darin besteht, ein unschuldiges ungeborenes Leben zu beseitigen, ist dem Willen Gottes entgegengesetzt, denn der Wert und die Würde des menschlichen Lebens müssen von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod geschützt werden. Die Kirche in Afrika und den angrenzenden Inseln muss sich engagieren, um den Frauen und den Paaren, die versucht sind abzutreiben, zu helfen und sie zu begleiten, und sie muss denen nahe sein, die bereits diese traurige Erfahrung gemacht haben, um sie zur Achtung vor dem Leben zu erziehen. Sie begrüßt den Mut der Regierungen, die gegen die Kultur des Todes, die in der Abtreibung einen dramatischen Ausdruck findet, Gesetze zugunsten der Kultur des Lebens erlassen haben.<ref>Vgl. Propositio 20.</ref>

71. Die Kirche weiß, dass die Zahl derer, die eine diesbezügliche gesunde Lehre verwerfen – Einzelpersonen, Vereinigungen, Spezialbüros oder Staaten – hoch ist. » Wir dürfen nicht Feindseligkeit und Unpopularität fürchten, wenn wir jeden Kompromiß und jede Zweideutigkeit ablehnen, die uns der Denkweise dieser Welt angleichen würde (vgl. Röm 12,2). Wir sollen in der Welt, aber nicht von der Welt sein (vgl. Joh 15,19; 17,16), mit der Kraft, die uns von Christus kommt, der durch seinen Tod und seine Auferstehung die Welt besiegt hat (vgl. Joh 16,33) «.<ref>Johannes Paul II., Enzyklika Evangelium vitae (25. März 1995), 82: AAS 87 (1995), 495.</ref>

72. Auf dem menschlichen Leben in Afrika lasten gravierende Bedrohungen. Zu beklagen sind – wie auch anderswo – die schädlichen Auswirkungen der Droge und der Missbrauch von Alkohol, die das menschliche Potential des Kontinents zerstören und vor allem die Jugendlichen heimsuchen.<ref>Vgl. Propositio 53.</ref> Die Malaria<ref>Vgl. Propositio 52.</ref> wie auch die Tuberkulose und die Aids-Erkrankung dezimieren die afrikanischen Bevölkerungen und fügen ihrem sozioökonomischen Leben schweren Schaden zu. Insbesondere die Aids-Frage verlangt gewiss eine medizinische und pharmazeutische Antwort. Diese ist jedoch ungenügend, denn das Problem liegt tiefer. Es ist vor allem ein ethisches. Die dafür notwendige Verhaltensänderung – zum Beispiel sexuelle Enthaltsamkeit, Ablehnung sexueller Freizügigkeit, Treue in der Ehe – wirft letztlich die Frage nach der ganzheitlichen Entwicklung auf, die einen umfassenden Ansatz und eine erschöpfende Antwort der Kirche erfordert. Um nämlich wirksam zu sein, muss sich die Aids-Vorsorge auf eine Sexualerziehung stützen, die ihrerseits auf einer im Naturrecht verankerten und durch das Wort Gottes und die Lehre der Kirche erleuchteten Anthropologie basiert.

73. Im Namen des Lebens – das zu verteidigen und zu schützen eine Pflicht der Kirche ist – und gemeinsam mit den Synodenvätern sage ich erneut meine Unterstützung zu und wende mich an alle Institutionen sowie an alle kirchlichen Bewegungen, die im Bereich des Gesundheitswesens und speziell in dem der Aidserkrankung arbeiten. Ihr leistet eine wunderbare und wichtige Arbeit. Ich ersuche die internationalen Einrichtungen, euch anzuerkennen und zu helfen unter Achtung eurer jeweiligen Besonderheit und im Geist der Zusammenarbeit. Erneut ermutige ich nachdrücklich die Institute und die laufenden Programme therapeutischer und pharmazeutischer Forschung, die sich die Ausrottung der Pandemien zum Ziel gesetzt haben. Scheut keine Mühe, um so schnell wie möglich zu Ergebnissen zu gelangen, aus Liebe zu dem kostbaren Geschenk des Lebens.<ref>Vgl. Propositio 51.</ref> Möget ihr Lösungen finden und die Behandlungen sowie die Medikamente allen zugänglich machen, wobei Notsituationen zu berücksichtigen sind! Die Kirche plädiert seit langem für eine hoch qualifizierte und preisgünstigere medizinische Behandlung für alle Betroffenen.<ref>Vgl. Schlussbotschaft, 31: L’Osservatore Romano (dt.), Jg. 39 (2009), Nr. 45 (6. November 2009), 14.</ref>

74. Die Verteidigung des Lebens beinhaltet ebenso die Beseitigung des Bildungsmangels durch Alphabetisierung der Bevölkerungen und durch eine qualifizierte Erziehung, die den ganzen Menschen umfasst. Im Laufe ihrer Geschichte hat die katholische Kirche der Erziehung eine besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Immer hat sie den Eltern ihre Verantwortung als erste Erzieher des Lebens und des Glaubens ihrer Kinder bewusst gemacht und sie ermutigt und ihnen geholfen, diese wahrzunehmen. In Afrika bieten ihre Einrichtungen – wie Schulen, Gesamtschulen, Gymnasien, Berufsschulen, Universitäten – der Bevölkerung, ungeachtet der Herkunft, der wirtschaftlichen Verhältnisse oder der Religion, Wege, zum Wissen zu gelangen. Die Kirche leistet ihren Beitrag, um zu ermöglichen, dass die Talente, die Gott ins Herz eines jeden Menschen gelegt hat, zur Geltung kommen und Frucht bringen. Zahlreiche Ordenskongregationen sind mit dieser Zielsetzung entstanden. Unzählige Heilige haben begriffen, dass die Heiligung des Menschen vor allem bedeutet, seine Würde durch die Erziehung zu fördern.

75. Die Synodenmitglieder haben festgestellt, dass Afrika – im übrigen ganz so wie die restliche Welt – eine Bildungskrise erlebt.<ref>Vgl. Propositio 19.</ref> Sie haben die Notwendigkeit eines Erziehungsprogramms betont, das den Glauben mit der Vernunft verbindet, um die Kinder und die Jugendlichen auf das Erwachsenenleben vorzubereiten. So gelegte Fundamente und gesunde Grundlagen würden ihnen erlauben, sich den täglichen Entscheidungen zu stellen, und so das ganze Erwachsenenleben auf affektiver, gesellschaftlicher, beruflicher und politischer Ebene prägen.

76. Der Analphabetismus stellt eine der größten Hindernisse für die Entwicklung dar. Das ist eine ebensolche Geißel wie die Pandemien. Gewiss, sie tötet nicht unmittelbar, doch trägt sie aktiv zur Ausgrenzung der Person – einer Form gesellschaftlichen Todes – bei und macht den Zugang zum Wissen unmöglich. Den einzelnen zu alphabetisieren heißt, ihn zu einem vollwertigen Mitglied der res publica zu machen, zu deren Aufbau er beitragen kann,<ref>Vgl. Benedikt XVI., Enzyklika Caritas in veritate (29. Juni 2009), 21: AAS 101 (2009), 655-656.</ref> und es bedeutet, dem Christen Zugang zu dem unermesslichen Schatz der Heiligen Schrift zu verschaffen, die sein Glaubensleben nährt.

77. Ich lade die katholischen Gemeinschaften und Einrichtungen ein, sich großherzig dieser enormen Herausforderung, die ein wahres Laboratorium der Humanisierung ist, zu stellen und – je nach ihren Möglichkeiten – ihre Anstrengungen zu steigern, um allein oder in Zusammenarbeit mit anderen Organisationen wirksame und auf die Bevölkerung zugeschnittene Programme zu entwickeln. Die katholischen Gemeinschaften und Einrichtungen werden dieser Herausforderung nur gerecht werden, wenn sie ihre kirchliche Identität wahren und der Botschaft des Evangeliums wie dem Charisma ihres Gründers sorgsam treu bleiben. Die christliche Identität ist ein kostbares Gut, das man schützen und pflegen muss in der Furcht, das Salz könne seinen Geschmack verlieren und schließlich zertreten werden (vgl. Mt 5,13).

78. Sicherlich ist es angebracht, die Regierungen zu sensibilisieren, damit sie ihre Hilfe zugunsten der schulischen Ausbildung verstärken. Die Kirche erkennt die Rolle des Staates auf dem Gebiet der Erziehung an und respektiert sie. Sie behauptet jedoch ihr legitimes Recht, daran teilzunehmen, indem sie ihren besonderen Beitrag dazu liefert. Und es mag gut sein, den Staat daran zu erinnern, dass die Kirche das Recht hat, nach ihren eigenen Regeln und in ihren eigenen Gebäuden zu erziehen. Es handelt sich dabei um ein Recht, das zu der Handlungsfreiheit gehört, die » die Sorge für das Heil der Menschen erfordert «.<ref>Zweites Vatikanisches Konzil, Erklärung über die Religionsfreiheit Dignitatis humanae, 13.</ref> Zahlreiche afrikanische Staaten erkennen die herausragende und selbstlose Rolle an, die die Kirche durch ihre Erziehungsstrukturen beim Aufbau ihrer Nation spielt. Ich ermutige also die Regierenden nachdrücklich in ihren Anstrengungen, dieses Erziehungswerk zu unterstützen.

B. Achtung der Schöpfung und das Ökosystem

79. Gemeinsam mit den Synodenvätern fordere ich alle Glieder der Kirche auf, sich in Wort und Tat für eine Wirtschaft einzusetzen, die sich um die Armen sorgt und sich entschieden einer ungerechten Ordnung entgegenstellt, die unter dem Vorwand, die Armut zu verringern, oft dazu beigetragen hat, sie zu verschärfen.<ref>Vgl. Propositiones 17.29.</ref> Gott hat Afrika bedeutende natürliche Ressourcen geschenkt. Angesichts der chronischen Armut seiner Bevölkerungen, die Opfer von Ausbeutung und örtlicher wie fremder Veruntreuungen sind, schockiert der Überfluß mancher Gruppen das menschliche Gewissen. Errichtet für die Schaffung von Reichtümern in ihren eigenen Ländern und oft mit der Komplizenschaft derer, die in Afrika die Macht ausüben, sichern diese Gruppen allzu häufig ihr eigenes Funktionieren auf Kosten des Wohlstands der örtlichen Bevölkerungen.<ref>Vgl. Schlussbotschaft, 32: L’Osservatore Romano (dt.), Jg. 39 (2009), Nr. 45 (6. November 2009), 14.</ref> In Zusammenarbeit mit allen anderen Komponenten der Zivilgesellschaft muss die Kirche die ungerechte Ordnung anprangern, die die afrikanischen Völker hindert, ihre Ökonomien zu konsolidieren<ref>Vgl. Benedikt XVI., Enzyklika Caritas in veritate (29. Juni 2009), 42: AAS 101 (2009), 677-678; Propositio 15.</ref> und » sich gemäß ihren kulturellen Merkmalen zu entwickeln «.<ref>II. Ordentliche Vollversammlung der Bischofssynode, Dokument De iustitia in mundo (30. November 1971), Propositio 8a: AAS 63 (1971), 941.</ref> Im übrigen ist es eine Pflicht der Kirche, dafür zu kämpfen, » dass jedes Volk selbst die führende Rolle in der Verwirklichung seines wirtschaftlichen und sozialen Fortschritts spielt (…) und als aktives und verantwortliches Mitglied der menschlichen Gesellschaft auf einer Ebene der Gleichheit mit den anderen Völkern an der Verwirklichung des weltweiten Allgemeinwohls teilnehmen kann «.<ref>Ebd., Propositiones 8b und 8c: AAS 63 (1971), 941.</ref>

80. Geschäftsmänner und -frauen, Regierungen und Wirtschaftsgruppen engagieren sich in Ausbeutungsprogrammen, die die Umwelt verschmutzen und eine beispiellose Versteppung verursachen. Schwerer Schaden werden der Natur und den Wäldern, der Flora und der Fauna zugefügt, und unzählige Arten drohen für immer zu verschwinden. All das bedroht das gesamte Ökosystem und folglich das Überleben der Menschheit.<ref>Vgl. Propositio 22. </ref> Ich rufe die Kirche in Afrika auf, die Regierenden zu ermutigen, die fundamentalen Güter – die Erde und das Wasser – zu schützen für das menschliche Leben der gegenwärtigen und der zukünftigen Generationen<ref>Vgl. Propositio 30.</ref> sowie für den Frieden unter den Bevölkerungen.

C. Die gute Regierung der Staaten

81. Eines der wichtigsten Mittel im Dienst der Versöhnung, der Gerechtigkeit und des Friedens kann die politische Institution sein, deren wesentliche Pflicht die Einsetzung und die Verwaltung der gerechten Ordnung ist.<ref>Vgl. Kongregation für die Glaubenslehre, Lehrmäßige Note zu einigen Fragen über den Einsatz und das Verhalten der Katholiken im politischen Leben (24. November 2002): AAS 96 (2004), 359-370.</ref> Diese Ordnung dient ihrerseits der » Berufung zu personaler Gemeinschaft «.<ref>Katechismus der Katholischen Kirche, 2419.</ref> Um ein solches Ideal zu konkretisieren, muss die Kirche in Afrika in Zusammenarbeit mit den Regierungsträgern und den in der Förderung des Gemeinwohls engagierten öffentlichen wie privaten Institutionen zum Aufbau der Gesellschaft beitragen.<ref>Vgl. Propositio 24; Benedikt XVI., Enzyklika Caritas in veritate (29. Juni 2009), 58.60.67: AAS 101 (2009), 693-694. 695.700-701; Katechismus der Katholischen Kirche, 1883.1885.</ref> Die traditionellen Häuptlinge können in sehr positiver Weise zur guten Regierung beitragen. Die Kirche setzt sich ihrerseits ein, in ihrem Innern und in der Gesellschaft eine Kultur zu fördern, die auf den Vorrang des Rechtes bedacht ist.<ref>Vgl. Propositio 25.</ref> Die Wahlen bilden zum Beispiel ein Ausdrucksort der politischen Entscheidung eines Volkes und sind ein Zeichen der Legitimität für die Machtausübung. Sie sind der bevorzugte Moment für eine seriöse und gelassene öffentliche politische Debatte, die durch die Achtung der verschiedenen Meinungen und der verschiedenen politischen Gruppen gekennzeichnet ist. Die Sorge um einen guten Verlauf der Wahlen wird zu einer wirklichen und aktiven Teilnahme der Bürger am politischen und sozialen Leben führen und sie dazu ermutigen. Die Nichtachtung der nationalen Verfassung, des Gesetzes oder des Wahlergebnisses würde dort, wo die Wahlen frei, fair und transparent waren, ein schweres Versagen in der Regierungsführung offenbaren und einen Mangel an Kompetenz in der Handhabung der öffentlichen Angelegenheiten bedeuten.<ref>Vgl. Propositio 26.</ref>

82. Viele Entscheidungsträger sowohl auf politischem als auch auf wirtschaftlichem Gebiet bilden sich heute ein, niemandem etwas schuldig zu sein außer sich selbst. » Sie meinen, nur Rechte zu besitzen, und haben oft große Schwierigkeiten, eine Verantwortung für ihre eigene und die ganzheitliche Entwicklung des anderen reifen zu lassen. Es ist deshalb wichtig, eine neue Reflexion darüber anzuregen, dass die Rechte Pflichten voraussetzen, ohne die sie zur Willkür werden «.<ref>Benedikt XVI., Enzyklika Caritas in veritate (29. Juni 2009), 43: AAS 101 (2009), 679.</ref>

83. Das Anwachsen der Kriminalitätsrate in den zunehmend städtischen Gesellschaften ist ein Thema großer Besorgnis für alle Verantwortlichen und für alle Regierenden. Es ist also dringlich, unabhängige Justiz- und Gefängnissysteme einzurichten, um das Recht wiederherzustellen und die Schuldigen neu zu erziehen. Auch müssen die Fälle von Justizirrtümern und die Misshandlungen von Gefangenen, die zahlreichen Vorfälle von Nichtbeachtung des Gesetzes, die einer Menschenrechtsverletzung entsprechen<ref>Vgl. Propositio 54.</ref> und die Einkerkerungen, die erst spät oder nie in einen Prozess münden, ausgeschlossen werden. » Die Kirche in Afrika (…) erkennt ihre prophetische Mission gegenüber all denen, die von der Kriminalität betroffen sind, und ihr Bedürfnis nach Versöhnung, Gerechtigkeit und Frieden «.<ref>Ebd.</ref> Die Gefangenen sind menschliche Personen, die trotz ihres Vergehens verdienen, respektvoll und würdig behandelt zu werden. Sie bedürfen unserer Fürsorge. Darum muss die Kirche die Gefängnisseelsorge organisieren, zum materiellen und spirituellen Wohl der Gefangenen. Diese pastorale Aktivität ist ein wirklicher Dienst, den die Kirche der Gesellschaft bietet und den der Staat zugunsten des Allgemeinwohls fördern muss. Gemeinsam mit den Synodenmitgliedern mache ich die Verantwortlichen der Gesellschaft zum einen auf die Notwendigkeit aufmerksam, alles im Bereich des Möglichen zu tun, um die Abschaffung der Todesstrafe zu erlangen,<ref>Vgl. Propositio 55.</ref> zum anderen auf die Strafrechtsreform, damit die Menschenwürde des Gefangenen geachtet wird. Den in der Seelsorge Tätigen kommt die Aufgabe zu, die restitutive Justiz als Mittel und Verfahren zur Förderung der Versöhnung, der Gerechtigkeit und des Friedens sowie der Wiedereingliederung der Opfer und der Straffälligen in die Gemeinschaften zu untersuchen und vorzuschlagen.<ref>Vgl. Propositio 54.</ref>

D. Migranten, Vertriebene und Flüchtlinge

84. Millionen von Migranten, Vertriebenen oder Flüchtlingen suchen eine Heimat und ein Land des Friedens in Afrika oder in anderen Kontinenten. Die Dimensionen dieses Exodus, der alle Länder betrifft, offenbaren das verborgene Ausmaß der verschiedenen Formen von Armut, die oft durch Versagen in der öffentlichen Verwaltung verursacht sind. Tausende von Menschen haben versucht und versuchen immer noch, die Wüsten und die Meere zu überqueren, auf der Suche nach Oasen des Friedens und des Wohlstands, nach einer besseren Ausbildung und einer größeren Freiheit. Unglücklicherweise erleiden zahlreiche Flüchtlinge oder Vertriebene alle Arten von Gewalt und Ausbeutung, ja sogar Gefangenschaft und allzu häufig den Tod. Manche Staaten haben auf dieses Drama mit einer repressiven Gesetzgebung reagiert.<ref>Vgl. Propositio 28.</ref> Die Notsituation dieser Armen müsste das Mitleid und die großzügige Solidarität aller wecken, doch im Gegenteil lässt sie oft Angst und Sorge aufkommen. Denn viele sehen die Migranten als eine Belastung an und betrachten sie mit Argwohn, weil sie in ihnen nur Gefahr, Unsicherheit und Bedrohung sehen. Solches Empfinden führt zu Reaktionen der Intoleranz, der Fremdenfeindlichkeit und des Rassismus. Die Migranten selbst, aber, sind aufgrund der Unsicherheit ihrer Lage gezwungen, schlecht bezahlte, oft illegale, demütigende und degradierende Arbeiten zu übernehmen. Das menschliche Gewissen kann sich über diese Situationen nur empören. Die Migration innerhalb und außerhalb des Kontinents wird so zu einem vielschichtigen Drama, das die Humanressourcen Afrikas ernsthaft erschüttert, indem es die Destabilisierung oder die Zerstörung der Familien auslöst.

85. Die Kirche erinnert sich daran, dass Afrika ein Zufluchtsort für die Heilige Familie war, die vor der blutrünstigen politischen Macht des Herodes floh,<ref>Vgl. Benedikt XVI., Ansprache an die Mitglieder des Sonderrats der Bischofssynode für Afrika (Yaoundé, 19. März 2009): AAS 101 (2009), 310.</ref> auf der Suche nach einem Land, das ihnen Sicherheit und Frieden versprach. Die Kirche wird weiterhin ihre Stimme erheben und sich engagieren, um alle Menschen zu schützen.<ref>Vgl. ders., Enzyklika Caritas in veritate (29. Juni 2009), 62: AAS 101 (2009), 696-697.</ref>

E. Die Globalisierung und die internationale Hilfe

86. Die Synodenväter haben ihre Ratlosigkeit und ihre Besorgnis angesichts der Globalisierung ausgedrückt. Ich habe bereits darauf aufmerksam gemacht, dass diese Realität eine Herausforderung darstellt, der man sich stellen muss. » Die Wahrheit des Globalisierungsprozesses und sein grundlegendes ethisches Kriterium sind in der Einheit der Menschheitsfamilie und in ihrem Voranschreiten im Guten gegeben. Es ist daher ein unablässiger Einsatz zur Förderung einer personalistischen und gemeinschaftlichen sowie für die Transzendenz offenen kulturellen Ausrichtung des globalen Integrationsprozesses erforderlich «.<ref>Ebd., 42: AAS 101 (2009), 677.</ref> Die Kirche wünscht sich, dass die Globalisierung der Solidarität dahin gelangt, » in die geschäftlichen Beziehungen das Prinzip der Unentgeltlichkeit und die Logik des Geschenks als Ausdruck der Brüderlichkeit «<ref>Ebd., 36: AAS 101 (2009), 672.</ref> einzuführen, indem sie der Versuchung einer einheitlichen Vorstellung von Leben, Kultur, Politik, Wirtschaft entgeht und statt dessen eine beständige ethische Achtung der unterschiedlichen menschlichen Wirklichkeiten für eine tatsächliche Solidarität pflegt.

87. Diese Globalisierung der Solidarität kommt bereits in gewissem Maße in der internationalen Hilfe zum Ausdruck. Heute verbreitet sich die Nachricht von einer Katastrophe schnell über den ganzen Erdball und löst sehr oft eine Welle des Mitleids und des konkreten großzügigen Handelns aus. Die Kirche leistet einen großen Liebesdienst, indem sie sich für die wirklichen Bedürfnisse des Empfängers einsetzt. Im Namen des Rechts der Bedürftigen und derer, die keine Stimme haben, und im Namen der ihnen gebührenden Achtung und Solidarität fordert sie, » dass sich alle internationalen Organismen und die Nichtregierungsorganisationen zu einer größeren Transparenz verpflichten «.<ref>Ebd., 42: AAS 101 (2009), 684; vgl. Propositio 31.</ref>

IV. DER DIALOG UND DIE GEMEINSCHAFT UNTER DEN GLÄUBIGEN

88. Wie uns viele soziale Bewegungen offenbaren, beeinflussen in Afrika wie andernorts die interreligiösen Beziehungen den Frieden. Folglich ist es wichtig, dass die Kirche den Dialog als geistige Haltung fördert, damit die Gläubigen lernen, gemeinsam zu arbeiten – zum Beispiel in Vereinigungen, die auf Frieden und Gerechtigkeit ausgerichtet sind – im Geist des Vertrauens und der gegenseitigen Hilfe. Die Familien müssen zum Hören, zur Geschwisterlichkeit und zur furchtlosen Achtung vor dem anderen erzogen werden.<ref>Vgl. Propositiones 10.11.12.13.</ref> Nur eines ist notwendig (vgl. Lk 10,42), und dies kann den Durst nach Ewigkeit eines jeden Menschen und die Sehnsucht der gesamten Menschheit nach Einheit stillen: den zu lieben und zu betrachten, vor dem der heilige Augustinus ausgerufen hat: » Oh ewige Wahrheit, wahre Liebe, liebe Ewigkeit «!<ref>Confessiones, VII, 10, 16: PL 32, 742.</ref>

A.   Der ökumenische Dialog und die Herausforderung der neuen religiösen Bewegungen

89. Mit der Einladung an unsere orthodoxen, koptisch orthodoxen, lutherischen, anglikanischen und methodistischen christlichen Brüder – und besonders an Seine Heiligkeit Abuna Paulos, den Patriarchen der orthodoxen Kirche Tewahedo von Äthiopien, einer der ältesten christlichen Gemeinschaften des afrikanischen Kontinents –, an der Synodenversammlung teilzunehmen, wollte ich zeigen, dass der Weg zur Versöhnung in erster Linie über die Gemeinschaft der Jünger Christi führt. Ein gespaltenes Christentum bleibt ein Skandal, weil es de facto dem Willen des göttlichen Meisters widerspricht (vgl. Joh 17,21). Der ökumenische Dialog ist also bestrebt, unseren gemeinsamen Weg auf die Einheit der Christen hin auszurichten, im beständigen Hören auf das Wort Gottes, in der Treue zur brüderlichen Gemeinschaft, zum Brechen des Brotes und zum Gebet (vgl. Apg 2,42). Ich ermahne die ganze kirchliche Familie – die Teilkirchen, die Institute geweihten Lebens und die Vereinigungen und Laienbewegungen – diesen Weg noch entschlossener zu verfolgen, im Geist und auf der Basis der Anordnungen des Ökumenischen Direktoriums und durch die verschiedenen bestehenden ökumenischen Vereinigungen. Ich lade außerdem zur Bildung neuer solcher Vereinigungen ein, wo dies für die Mission hilfreich sein kann. Könnten wir doch gemeinsam Werke der Nächstenliebe vollbringen und die religiösen Erbgüter schützen, durch die die Jünger Christi die geistigen Kräfte finden, die sie für den Aufbau der Menschheitsfamilie brauchen!<ref>Vgl. Propositio 10.</ref>

90. Im Laufe dieser letzten Jahrzehnte hat sich die Kirche in Afrika eindringlich mit der Frage des Entstehens und der Verbreitung von nicht katholischen, manchmal auch autochthon afrikanisch genannten Gemeinschaften (African Independent Churches) beschäftigt. Oft stammen sie von traditionellen christlichen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften ab und übernehmen Elemente traditioneller afrikanischer Kulturen. Diese Gruppen sind in jüngster Zeit am ökumenischen Horizont aufgetaucht. Die Hirten der katholischen Kirche müssen für die Förderung der Einheit der Christen in Afrika diese neue Wirklichkeit berücksichtigen. Folglich müssen sie im Hinblick auf eine tiefergreifende Evangelisierung eine dem Kontext angemessene Antwort finden, um den Afrikanern die Wahrheit Christi in wirkungsvoller Weise nahezubringen.

91. Zahlreiche synkretistische Bewegungen und Sekten sind in den letzten Jahrzehnten auch in Afrika entstanden. Manchmal ist es schwierig zu unterscheiden, ob sie eine authentisch christliche Prägung haben oder ob sie einfach die Frucht einer Schwärmerei für einen Leader sind, der vorgibt, außerordentliche Gaben zu besitzen. Ihr Name und ihr Vokabular können leicht mißverstanden werden und gutgläubige Christen in die Irre führen. Indem sie von im Aufbau befindlichen staatlichen Strukturen, vom Zerbröckeln der traditionellen familiären Solidarität und von einer unzureichenden Katechese profitieren, nutzen diese zahlreichen Sekten die Leichtgläubigkeit aus und bieten vielgestaltigen, heterodox nichtchristlichen Glaubensüberzeugungen eine religiöse Bürgschaft. Sie zerstören den Frieden von Ehepaaren und Familien aufgrund von falschen Prophetien oder Visionen. Sie verführen sogar politisch Verantwortliche. Die Theologie und die Pastoral der Kirche müssen die Ursachen dieses Phänomens ermitteln, nicht nur, um die Abwanderung der Gläubigen aus den Pfarrgemeinden zu diesen Bewegungen und zu diesen Sekten einzudämmen, sondern auch, um angesichts der Attraktion, die sie auf die Menschen ausüben, die Grundlagen für eine geeignete pastorale Antwort zu schaffen. Das bedeutet noch einmal: die Seele Afrikas bis in die Tiefe evangelisieren.

B. Der interreligiöse Dialog
1. Die traditionellen afrikanischen Religionen

92. Die Kirche lebt jeden Tag mit den Anhängern der traditionellen afrikanischen Religionen. Diese Religionen, die sich auf die Ahnen und auf eine Form von Vermittlung zwischen dem Menschen und dem Immanenten beziehen, sind der kulturelle und spirituelle Nährboden, aus dem die meisten konvertierten Christen kommen und zu dem sie in täglichem Kontakt bleiben. Unter den Konvertiten sollte man gut informierte Personen auswählen, damit diese die Kirche in eine immer tiefere und genauere Kenntnis der Traditionen, der Kultur und der traditionellen Religionen führen! Die Ermittlung der wahren Bruchstellen wird dadurch erleichtert. Man wird auch zur notwendigen Unterscheidung zwischen Kulturellem und Kultischem gelangen, und man wird die magischen Elemente verwerfen, die Ursache sind für das Auseinanderbrechen und den Ruin der Familien und der Gesellschaften. Das Zweite Vatikanische Konzil hat in diesem Sinn genauer erklärt, dass die Kirche » ihre Söhne mahnt, dass sie mit Klugheit und Liebe, durch Gespräch und Zusammenarbeit mit den Bekennern anderer Religionen sowie durch ihr Zeugnis des christlichen Glaubens und Lebens jene geistlichen und sittlichen Güter und auch die sozial-kulturellen Werte, die sich bei ihnen finden, anerkennen, wahren und fördern «.<ref>Erklärung über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen Nostra aetate, 2; vgl. Propositiones 3.13.</ref> Damit die Schätze des sakramentalen Lebens und der Spiritualität der Kirche in ihrer ganzen Tiefe entdeckt und in der Katechese besser vermittelt werden können, könnte die Kirche gewisse Elemente der traditionellen afrikanischen Kulturen, die mit der Lehre Christi übereinstimmen, in einer theologischen Studie untersuchen.

93. Durch ihren Rückhalt in den traditionellen Religionen erlebt die Hexerei augenblicklich wieder einen gewissen Aufschwung. Ängste kommen wieder auf und schaffen lähmende Bindungen der Abhängigkeit. Sorgen um die Gesundheit, den Wohlstand, die Kinder, das Klima, den Schutz gegen böse Geister führen hin und wieder dazu, auf Praktiken der traditionellen afrikanischen Religionen zurückzugreifen, die mit der christlichen Lehre unvereinbar sind. Das Problem der » doppelten Zugehörigkeit « – zum Christentum und zu den traditionellen afrikanischen Religionen – bleibt eine Herausforderung. Für die Kirche in Afrika besteht die Notwendigkeit, die Menschen durch eine Katechese und eine tiefe Inkulturation dahin zu führen, dass sie die Fülle der Werte des Evangeliums entdecken. Man muss die tiefe Bedeutung dieser Praktiken der Hexerei ermitteln, indem man die theologischen, gesellschaftlichen und pastoralen Implikationen ausmacht, die durch diese Plage vermittelt werden.

2. Der Islam

94. Die Synodenväter haben die Vielschichtigkeit der muslimischen Wirklichkeit auf dem afrikanischen Kontinent herausgestellt. In manchen Ländern herrscht ein gutes Einvernehmen zwischen Christen und Muslimen; in anderen besitzen die ortsansässigen Christen nur eine Staatsbürgerschaft zweiten Ranges, und ausländische Katholiken, Ordensangehörige wie Laien, können nur schwer ein Visum und eine Aufenthaltsbewilligung erhalten; in wieder anderen sind die religiösen und die politischen Elemente nicht ausreichend unterschieden; und schließlich in anderen gibt es Aggressivität. Ich rufe die Kirche auf, in allen Situationen nicht nachzulassen in ihrer Achtung für die » Muslime, die einen alleinigen Gott anbeten, den lebendigen und in sich seienden, barmherzigen und allmächtigen, den Schöpfer Himmels und der Erde, der zu den Menschen gesprochen hat «.<ref>Zweites Vatikanisches Konzil, Erklärung über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen Nostra aetate, 3.</ref> Wenn wir alle, die wir an Gott glauben, der Versöhnung, der Gerechtigkeit und dem Frieden dienen möchten, müssen wir gemeinsam wirken, um alle Formen von Diskriminierung, Intoleranz und konfessionellem Fundamentalismus auszuschließen. In ihrem Sozialwerk macht die Kirche keine religiösen Unterschiede. Sie hilft dem, der in Not ist, ob er nun Christ, Muslim oder Animist ist. So bezeugt sie die Liebe Gottes, des Schöpfers aller, und ermutigt die Anhänger der anderen Religionen zu einem respektvollen Verhalten und zu gegenseitiger Wertschätzung. Ich fordere die ganze Kirche auf, in einem geduldigen Dialog mit den Muslimen die rechtliche und praktische Anerkennung der Religionsfreiheit anzustreben, so dass in Afrika jeder Bürger nicht nur das Recht auf die freie Wahl seiner Religion<ref>Vgl. Schlussbotschaft, 41: L’Osservatore Romano (dt.), Jg. 39 (2009), Nr. 45 (6. November 2009), 15.</ref> und die Ausübung des Kultes genießen kann, sondern auch das Recht auf Gewissensfreiheit.<ref>Vgl. Propositio 12.</ref> Die Religionsfreiheit ist der Weg des Friedens.<ref>Vgl. Benedikt XVI., Botschaft zum Weltfriedenstag 2011: AAS 103 (2011), 46-58.</ref>

C. »Salz der Erde« und »Licht der Welt«  werden

95. Der Evangelisierungsauftrag der Kirche in Afrika schöpft aus mehreren Quellen: aus der Heiligen Schrift, der Tradition und dem sakramentalen Leben. Viele Synodenväter haben darauf hingewiesen, dass der Dienst der Kirche sich effizient auf den Katechismus der Katholischen Kirche stützt. Außerdem ist das Kompendium der Soziallehre der Kirche ein Leitfaden in bezug auf die Sendung der Kirche als » Mutter und Erzieherin « in der Welt und in der Gesellschaft und genau dadurch ein erstklassiges pastorales Hilfsmittel.<ref>Vgl. Propositio 18.</ref> Ein Christ, der seine Nahrung aus der authentischen Quelle, aus Christus bezieht, wird durch ihn in » Licht der Welt « (Mt 5,14) verwandelt, und er vermittelt den, der » das Licht der Welt « ist (Joh 8,12). Seine Kenntnis muss von der Liebe beseelt sein. Wenn nämlich das Wissen » Weisheit sein will, die imstande ist, den Menschen im Licht der Grundprinzipien und seiner letzten Ziele zu orientieren, dann muss es mit dem „Salz“ der Liebe „gewürzt“ sein «.<ref>Benedikt XVI., Enzyklika Caritas in veritate (29. Juni 2009), 30: AAS 101 (2009), 665.</ref>

96. Um die Aufgabe zu erfüllen, zu der wir berufen sind, machen wir uns die Ermahnung des heiligen Paulus zu eigen: » Seid also standhaft: Gürtet euch mit Wahrheit, zieht als Panzer die Gerechtigkeit an und als Schuhe die Bereitschaft, für das Evangelium vom Frieden zu kämpfen. Vor allem greift zum Schild des Glaubens! Mit ihm könnt ihr alle feurigen Geschosse des Bösen auslöschen. Nehmt den Helm des Heils und das Schwert des Geistes, das ist das Wort Gottes. Hört nicht auf, zu beten und zu flehen! Betet jederzeit im Geist « (Eph 6,14-18).

ZWEITER TEIL: »JEDEM ABER WIRD DIE OFFENBARUNG DES GEISTES GESCHENKT, DAMIT SIE ANDEREN NÜTZT« (1 Kor 12,7)

97. Die Ausrichtungen der Mission, die ich soeben angegeben habe, werden nur Wirklichkeit, wenn die Kirche einerseits unter der Leitung des Heiligen Geistes und andererseits wie ein einziger Leib handelt, um das Bild des heiligen Paulus aufzunehmen, der diese beiden Bedingungen detailliert darlegt. In der Tat muss die Kirche in einem von Gegensätzen gekennzeichneten Afrika klar den Weg zu Christus angeben. Sie muss zeigen, wie die vom Apostel gelehrte Einheit in der Verschiedenheit in Treue zu Jesus Christus gelebt wird: » Es gibt verschiedene Gnadengaben, aber nur den einen Geist. Es gibt verschiedene Dienste, aber nur den einen Herrn. Es gibt verschiedene Kräfte, die wirken, aber nur den einen Gott: Er bewirkt alles in allen. Jedem aber wird die Offenbarung des Geistes geschenkt, damit sie anderen nützt « (1 Kor 12,4-7). Indem ich jedes Mitglied der kirchlichen Familie aufrufe, » Salz der Erde « und » Licht der Welt « (Mt 5,13.14) zu sein, beabsichtige ich, die Betonung auf dieses » Sein « zu legen, das durch den Geist bewegt im Blick auf das Gemeinwohl handeln müsste. Christ ist man nie ganz allein. Die Gaben, die der Herr jedem – den Bischöfen, den Priestern, den Diakonen, den gottgeweihten Frauen und Männern, den Katechisten, den Laien – gibt, müssen zur Eintracht, zur Gemeinschaft und zum Frieden in der Kirche selbst und in der Gesellschaft beitragen.

98. Wir kennen die Begebenheit vom Gelähmten gut, den man zu Jesus bringt, damit er ihn heile (vgl. Mk 2,1-12). Für uns symbolisiert dieser Mann heute alle unsere Brüder und Schwestern in Afrika und anderswo, die auf verschiedene Weisen gelähmt und leider oft in tiefer Not sind. Angesichts der Herausforderungen, die ich im Anschluß an die Mitteilungen der Synodenväter ganz kurz skizziert habe, denken wir über die Haltung der Träger des Gelähmten nach. Dieser konnte nur mit der Hilfe jener vier gläubigen Menschen zu Jesus gelangen, die dem physischen Hindernis der Menge getrotzt haben und so einen Beweis der Solidarität und des absoluten Vertrauens in Jesus gegeben haben. Christus » sieht ihren Glauben «. Er nimmt dann das geistliche Hindernis weg, als er zum Gelähmten sagt: » Deine Sünden sind dir vergeben. « Er nimmt das weg, was diesen Mann hindert, sich wieder aufzurichten. Dieses Beispiel mahnt uns, im Glauben zu wachsen und auch unsererseits einen Beweis von Solidarität und Kreativität zu geben, um jene zu entlasten, die schwere Bürden tragen, und sie so für die Fülle des Lebens in Christus zu öffnen (vgl. Mt 11,28). Setzen wir angesichts der physischen wie geistlichen Hindernisse, die vor uns auftauchen, die geistlichen Kräfte und die materiellen Ressourcen des ganzen Leibes der Kirche ein in der Überzeugung, dass Christus durch den Heiligen Geist in jedem seiner Glieder wirkt.

Kapitel I: Die Glieder der Kirche

99. Liebe Söhne und Töchter der Kirche, besonders liebe Gläubige Afrikas, die Liebe Gottes hat euch mit jeder Art von Segen erfüllt und euch fähig gemacht, als Salz der Erde zu wirken. Als Glieder der Kirche müsst ihr euch alle bewusst sein, dass Frieden und Gerechtigkeit vor allem aus der Versöhnung des Menschen mit sich selbst und mit Gott hervorgehen. Allein Christus ist der wahre und einzige » Friedensfürst «. Seine Geburt ist das Unterpfand des messianischen Friedens, so wie er von den Propheten angekündigt wurde (vgl. Jes 9,5-6; 57,19; Mi 5,4; Eph 2,14-17). Dieser Friede stammt nicht von den Menschen, sondern von Gott. Er ist die messianische Gabe schlechthin. Dieser Friede führt zur Gerechtigkeit des Reiches, die es jederzeit in allem zu suchen gilt (vgl. Mt 6,33), damit in allen Umständen Gott verherrlicht werde (vgl. Mt 5,16). Nun aber wissen wir, dass der Gerechte dem Gesetz Gottes treu ist, weil er sich bekehrt hat (vgl. Lk 15,7; 18,14). Diese neue Treue wurde durch Christus gebracht, um uns » rein und ohne Tadel « (Phil 2,15) zu machen.

I. DIE BISCHÖFE

100. Liebe Brüder im Bischofsamt, die Heiligkeit, zu der der Bischof berufen ist, erfordert das Üben der Tugenden – zuallererst der göttlichen Tugenden – und der evangelischen Räte.<ref>Vgl. Kongregation für die Bischöfe, Direktorium für den Hirtendienst der Bischöfe Apostolorum successores (22. Februar 2004), 33-48: Ench. Vat. 22, Nrn. 1650-1676.</ref> Eure persönliche Heiligkeit muss zum Nutzen jener aufleuchten, die eurer Hirtensorge anvertraut wurden und denen ihr dienen müsst. Euer Gebetsleben wird von innen her euer Apostolat nähren. Ein Bischof muss ein in Christus Verliebter sein. Eure moralische Autorität und euer Auftreten, die der Ausübung eurer Jurisdiktionsgewalt förderlich sind, werden nur von der Heiligkeit eures Lebens herrühren.

101. Der heilige Cyprian hat in der Mitte des 3. Jahrhunderts in Karthago gesagt: » Die Kirche ist auf die Bischöfe gegründet, und jede kirchliche Handlung wird durch eben diese Vorgesetzten geleitet «.<ref>Epistula 33, 1: PL 4, 297.</ref> Die Gemeinschaft, die Einheit und die Zusammenarbeit mit dem Presbyterium dienen als Gegengift gegen die Keime der Spaltungen, und sie werden euch helfen, alle gemeinsam auf den Heiligen Geist zu hören. Er wird euch auf rechten Pfaden leiten (vgl. Ps 23,3). Liebt und achtet eure Priester! Sie sind die kostbaren Mitarbeiter eures bischöflichen Dienstes. Ahmt Christus nach! Er hat um sich herum eine Atmosphäre der Freundschaft, des brüderlichen Wohlwollens und der Gemeinschaft geschaffen, die er aus den Tiefen des trinitarischen Geheimnisses geschöpft hat. » Ich lade euch ein, euren Priestern weiterhin fürsorglich zu helfen, in einer tiefen inneren Einheit mit Christus zu leben. Ihr geistliches Leben ist das Fundament ihres apostolischen Lebens. Ermahnt sie sanft zum täglichen Gebet und zur würdigen Feier der Sakramente, vor allem der Eucharistie und des Sakramentes der Versöhnung, wie es der heilige Franz von Sales für seine Priester getan hat. (…) Die Priester brauchen euer Wohlwollen, eure Ermutigung und eure Fürsorge «.<ref>Benedikt XVI., Ansprache an die französische Bischofskonferenz (Lourdes, 14. September 2008): L’Osservatore Romano (dt.), Jg. 38 (2008), Nr. 43 (19. September 2008), 18.</ref>

102. Seid zusammen mit euren Priestern und allen euren Gläubigen dem Nachfolger Petri verbunden. Vergeudet eure menschlichen und pastoralen Kräfte nicht in der unnützen Suche nach Antworten auf Fragen, die nicht in eure direkte Zuständigkeit fallen, oder in den Windungen eines Nationalismus, der blind machen kann. Diesem falschen Ideal wie auch dem der Verabsolutierung der afrikanischen Kultur nachzulaufen ist leichter, als den Forderungen Christi zu folgen. Diese Vorstellungen sind Illusionen. Darüber hinaus stellen sie eine Versuchung dar zu glauben, dass man durch menschliche Kräfte allein dem Reich des ewigen Glücks auf Erden den Weg bereiten kann.

103. Eure erste Pflicht ist es, allen die Frohe Botschaft vom Heil zu bringen und den Gläubigen eine Katechese zu geben, die zu einer tieferen Kenntnis Jesu Christi beiträgt. Achtet darauf, den Laien ein wahres Bewusstsein für ihre kirchliche Sendung zu geben, und regt sie an, diese mit Verantwortungsgefühl zu verwirklichen und dabei immer das Gemeinwohl im Blick zu haben. Die Programme zur Fortbildung der Laien, besonders für die politischen und wirtschaftlichen Führungspersönlichkeiten, müssen auf die Umkehr als notwendige Bedingung für eine Veränderung der Welt bestehen. Es ist gut, immer mit dem Gebet zu beginnen und dann mit der Katechese fortzufahren, die zum konkreten Handeln hinführen will. Die Schaffung von Strukturen, wenn wirklich nötig, kommt danach, weil diese niemals die Macht des Gebetes ersetzen dürfen.

104. Liebe Brüder im Bischofsamt, seid in der Nachfolge Christi, des Guten Hirten, gute Hirten und Diener der Herde, die euch anvertraut ist, vorbildlich durch euer Leben und euer Verhalten. Die gute Verwaltung eurer Diözesen erfordert eure Anwesenheit. Damit eure Botschaft glaubwürdig sei, trachtet danach, dass eure Diözesen Vorbilder in bezug auf das Verhalten der Personen, die Transparenz und die gute finanzielle Geschäftsführung werden. Fürchtet euch nicht davor, auf das Gutachten von Rechnungsprüfern zurückzugreifen, um sowohl den Gläubigen als auch der ganzen Gesellschaft ein Beispiel zu geben. Fördert das gute Funktionieren der kirchlichen, diözesanen und pfarrlichen Einrichtungen, so wie sie vom Kirchenrecht vorgesehen sind. Die Suche nach Einheit, Gerechtigkeit und Frieden kommt zuallererst euch zu, da ihr die Verantwortung für die Teilkirchen tragt.

105. Die Synode hat daran erinnert, dass » die Kirche eine Gemeinschaft ist, die eine organische pastorale Solidarität hervorbringt. In Gemeinschaft mit dem Bischof von Rom sind die Bischöfe die ersten Initiatoren der Gemeinschaft und der Mitarbeit am Apostolat der Kirche «.<ref>Propositio 3.</ref> Die nationalen und regionalen Bischofskonferenzen haben die Aufgabe, diese kirchliche Gemeinschaft zu festigen und diese pastorale Solidarität zu fördern.

106. Für ein größeres Maß an Sichtbarkeit, Zusammenhalt und Wirksamkeit in der Sozialen Pastoral der Kirche hat diese Synode das Bedürfnis eines solidarischeren Wirkens auf allen Ebenen verspürt. Es wäre gut, wenn die regionalen und nationalen Bischofskonferenzen sowie die Versammlung der katholischen Hierarchie in Ägypten (AHCE) ihr Engagement der kollegialen Solidarität erneuerten.<ref>Vgl. Propositio 4.</ref> Dies schließt konkret eine merkliche Teilnahme an den Aktivitäten dieser Einrichtungen ein, auch was das Personal sowie die finanziellen Mittel derselben betrifft. Die Kirche wird so die Einheit bezeugen, für die Christus gebetet hat (vgl. Joh 17,20-21).

107. Es scheint mir ebenfalls wünschenswert, dass die Bischöfe sich vor allem dafür einsetzen, das Symposium der Bischofskonferenzen Afrikas und Madagaskars (SCEAM) wirksam und wohlwollend als kontinentale Einrichtung der Solidarität und der kirchlichen Gemeinschaft zu fördern und zu unterstützen.<ref>Vgl. ebd.</ref> Es empfiehlt sich auch, gute Beziehungen mit der Vereinigung der Konferenzen der Höheren Ordensoberen Afrikas und Madagaskars (COSMAM), mit den Vereinigungen der katholischen Universitäten und anderer kirchlicher Einrichtungen des Kontinents zu pflegen.

II. Die PRIESTER

108. Als engste und unverzichtbare Mitarbeiter des Bischofs haben die Priester<ref>Vgl. Propositio 39.</ref> die Aufgabe, das Werk der Evangelisierung fortzuführen. Die Zweite Versammlung der Bischofssynode für Afrika wurde während jenes Jahres abgehalten, das ich dem Priestertum gewidmet hatte und mit dem ich einen besonderen Aufruf zur Heiligkeit verband. Liebe Priester, erinnert euch daran, dass euer Zeugnis eines friedvollen Lebens über alle Stammes– und Volksgrenzen hinaus die Herzen berühren kann.<ref>Vgl. Schlussbotschaft, 20: L’Osservatore Romano (dt.), Jg. 39 (2009), Nr. 45 (6. November 2009), 13.</ref> Der Aufruf zur Heiligkeit lädt uns ein, Hirten nach dem Herzen Gottes zu werden,<ref>Vgl. Propositio 39.</ref> die für die Herde sorgen, wie es recht ist (vgl. Ez 34,16). Der Versuchung nachzugeben, sich in politische Führer<ref>Vgl. Benedikt XVI., Ansprache an die Römische Kurie beim Weihnachtsempfang (21. Dezember 2009): AAS 102 (2010), 35.</ref> oder Sozialarbeiter zu verwandeln, würde eure priesterliche Sendung verraten und der Gesellschaft zum Schaden gereichen, die von euch prophetische Worte und Gesten erwartet. Schon der heilige Cyprian sagte: » Alle, die des göttlichen Priestertums gewürdigt und in ein kirchliches Amt eingesetzt sind, sollten sich nur dem Altar und Opferdienst widmen und ihre Zeit mit Bitten und Gebet verbringen «.<ref>Epistula 66, 1: PL 4, 398.</ref>

109. Wenn ihr euch vor allem jenen widmet, die der Herr euch anvertraut, um sie nach den christlichen Tugenden zu formen und sie zur Heiligkeit zu führen, gewinnt ihr sie nicht nur für die Sache Christi, sondern macht aus ihnen auch die Hauptpersonen einer erneuerten afrikanischen Gesellschaft. Angesichts der Komplexität der Situationen, mit denen ihr konfrontiert seid, lade ich euch ein, das Gebetsleben und die Fortbildung zu vertiefen; diese sei zugleich geistlich und intellektuell. Werdet mit der Heiligen Schrift vertraut, mit dem Wort Gottes, das ihr jeden Tag betrachtet und den Gläubigen erklärt. Erweitert auch eure Kenntnis des Katechismus, der Dokumente des Lehramtes sowie der Soziallehre der Kirche. So werdet ihr eurerseits fähig sein, die Glieder der christlichen Gemeinschaft, für die ihr die unmittelbaren Verantwortlichen seid, zu formen, damit sie authentische Jünger und Zeugen Christi werden.

110. Lebt den Gehorsam gegenüber dem Bischof eurer Diözese mit Einfachheit, Demut und kindlicher Liebe. » Zur Ehre dessen nun, der uns erwählt hat, ziemt es sich, ohne jede Heuchelei gehorsam zu sein; denn man täuscht nicht diesen sichtbaren Bischof, sondern man spottet über den unsichtbaren. Ein solches Handeln aber bezieht sich nicht auf das Fleisch, sondern auf Gott, der das Verborgene weiß «.<ref>Ignatius von Antiochien, Ad Magnesios, III, 2: ed. F. X. Funk, 233.</ref> Es scheint mir nützlich, wenn im Rahmen der Priesterfortbildung gewisse Dokumente wie das Konzilsdekret über den Dienst und das Leben der Priester Presbyterorum ordinis, das Nachsynodale Apostolische Schreiben Pastores dabo vobis aus dem Jahr 1992 oder das Direktorium für Dienst und Leben der Priester aus dem Jahr 1994 oder auch die Instruktion Der Priester, Hirte und Leiter der Pfarrgemeinde aus dem Jahr 2002 wieder gelesen und meditiert werden.

111. Baut die christlichen Gemeinden durch euer Beispiel auf, indem ihr eure priesterlichen Versprechen in Wahrheit und Freude lebt: den Zölibat in der Keuschheit und die Loslösung von den materiellen Gütern. Wenn sie mit Reife und Ausgeglichenheit gelebt werden, drücken diese Zeichen, die dem Lebensstil Jesu besonders entsprechen, die » völlige und ausschließliche Hingabe an Christus, an die Kirche und an das Reich Gottes «<ref>Benedikt XVI., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Sacramentum caritatis (22. Februar 2007), 24: AAS 99 (2007), 125.</ref> aus. Setzt euch nachdrücklich für die Umsetzung der Pastoral der Diözese für Versöhnung, Gerechtigkeit und Frieden ein, besonders durch die Feier des Bußsakramentes und der Eucharistie, durch die Katechese, die Ausbildung der Laien und die Begleitung der Verantwortlichen der Gesellschaft. Jeder Priester muss sich glücklich fühlen können, der Kirche zu dienen.

112. Christus auf dem Weg des Priestertums zu folgen erfordert, Entscheidungen zu treffen. Diese sind nicht immer einfach zu leben. Die Forderungen des Evangeliums, die im Laufe der Jahrhunderte durch das Lehramt in Gesetze gefasst wurden, erscheinen in den Augen der Welt radikal. Es ist mitunter schwer, sie einzuhalten, aber es ist nicht unmöglich. Christus lehrt uns, dass es nicht möglich ist, zwei Herren zu dienen (vgl. Mt 6,24). Gewiss bezieht er sich auf das Geld als jenen irdischen Schatz, der unser Herz beschäftigen kann (vgl. Lk 12,34), aber er nimmt ebenso Bezug auf die unzähligen anderen Güter, die wir besitzen: unser Leben, unsere Familie, unsere Erziehung, unsere persönlichen Beziehungen beispielsweise. Es handelt sich dabei um kostbare und wunderbare Güter, die grundlegend für uns Menschen sind. Aber Christus verlangt von jenem, den er ruft, sich ganz der Vorsehung zu überlassen. Er verlangt eine uneingeschränkte Wahl (vgl. Mt 7,13-14), die für uns manchmal schwer zu verstehen und zu leben ist. Aber wenn Gott unser Schatz ist, die seltene Perle, die es um jeden Preis und selbst auf Kosten großer Opfer zu erweben gilt (vgl. Mt 13,45-46), dann werden wir danach verlangen, dass unser Herz und unser Leib, unser Geist und unser Verstand nur ihm gehören. Dieser Glaubensakt wird uns befähigen, das, was uns wichtig erscheint, mit anderen Augen zu sehen und unser Verhältnis zu unserem Leib und unsere menschlichen Beziehungen in Familie oder Freundschaft im Licht des Rufes Gottes und seiner Erfordernisse im Dienst der Kirche zu leben. Es empfiehlt sich, darüber gründlich nachzudenken. Diese Erwägung muss schon im Seminar beginnen und während des ganzen Priesterlebens fortdauern. Christus sagt uns, um uns zu ermutigen, da er die Stärken und Schwächen unseres Herzens kennt: » Euch aber muss es zuerst um sein Reich und um seine Gerechtigkeit gehen; dann wird euch alles andere dazugegeben « (Mt 6,33).

III. DIE MISSIONARE

113. Die nicht-afrikanischen Missionare, die großherzig und mit glühendem apostolischem Eifer auf den Ruf des Herrn geantwortet haben, sind gekommen, um die Freude der Offenbarung zu teilen. In ihrer Nachfolge sind heute Menschen aus Afrika Missionare in anderen Kontinenten. Wie sollte man sie an dieser Stelle nicht besonders würdigen? Die Missionare, die nach Afrika gekommen sind – Priester, gottgeweihte Männer und Frauen sowie Laien – haben Kirchen, Schulen und Krankenstationen gebaut und erheblich zum heutigen Erscheinungsbild der afrikanischen Kulturen beigetragen, vor allem aber haben sie den Leib Christi aufgebaut und die Wohnstatt Gottes bereichert. Sie haben es verstanden, den Geschmack des » Salzes « des Wortes zu vermitteln und das Licht der Sakramente leuchten zu lassen. Und vor allen Dingen haben sie Afrika das kostbarste gegeben, das sie besaßen: Christus. Dank ihrer sind zahlreiche traditionelle Kulturen von Ängsten vor den Ahnen und von unreinen Geistern befreit worden (vgl. Mt 10,1). Aus dem guten Samen, den sie gesät haben (vgl. Mt 13,23), sind viele afrikanische Heilige hervorgewachsen, die Vorbilder sind, von denen man sich noch mehr inspirieren lassen muss. Es wäre wünschenswert, dass ihre Verehrung neu belebt und gefördert wird. Ihr Einsatz für die Sache des Evangeliums geschah zuweilen mit Heroismus und sogar um den Preis ihres Lebens. Ein weiteres Mal ist die Aussage Tertullians wahr geworden: » Das Blut der Märtyrer ist Same der Christen «.<ref>Vgl. Apologeticum, 50, 13: PL 1, 603.</ref> Ich danke dem Herrn für diese heiligen Männer und Frauen, die Zeichen für die Lebenskraft der Kirche in Afrika sind.

114. Ich ermutige die Hirten der Ortskirchen, unter den afrikanischen Dienern des Evangeliums jene auszumachen, die nach den Normen der Kirche heiliggesprochen werden könnten, nicht nur, um die Zahl der afrikanischen Heiligen zu vergrößern, sondern um neue Fürsprecher im Himmel zu erhalten, damit sie die Kirche auf ihrer irdischen Pilgerschaft begleiten und bei Gott Fürsprache für den afrikanischen Kontinent einlegen. Ich vertraue Unserer Lieben Frau von Afrika und den Heiligen dieses teuren Kontinents die Kirche, die sich dort befindet, an.

IV. DIE STÄNDIGEN DIAKONE

115. Die Größe des Rufes, der an die ständigen Diakone ergangen ist, verdient es, hervorgehoben zu werden. In Treue zur vor Jahrhunderten erhaltenen Sendung lade ich sie ein, in Demut eng mit den Bischöfen zusammenzuarbeiten.<ref>Vgl. Kongregation für das Katholische Bildungswesen, Grundnormen für die Ausbildung der ständigen Diakone (22. Februar 1998), 8: Ench. Vat. 17, Nr. 167; Kongregation für den Klerus, Direktorium für den Dienst und das Leben der ständigen Diakone (22. Februar 1998), 6.8.48: Ench. Vat. 17, Nrn. 291.294-297.376-378.</ref> Ich bitte sie herzlich, weiterhin das vorzustellen, was Christus uns im Evangelium lehrt: Zuverlässigkeit in der gut erledigten Arbeit,<ref>Vgl. Lineamenta, 89.</ref> moralische Stärke in der Beachtung der Werte, Rechtschaffenheit, Einhalten des gegebenen Wortes, Freude darüber, seinen Stein zum Aufbau der Gesellschaft und der Kirche beizutragen, Naturschutz, Sinn für das Gemeinwohl. Liebe Diakone, helft allen Gliedern der afrikanischen Gesellschaft, dass die Verantwortung der Männer als Ehegatten und Väter zur Geltung kommt, die Frau geachtet wird, die dem Mann an Würde gleich ist, und Sorge getragen wird für Kinder, die sich selbst überlassen und ohne Erziehung sind.

116. Versäumt es nicht, den geistig und körperlich kranken Menschen<ref>Vgl. Propositio 50.</ref> besondere Aufmerksamkeit zu schenken, den schwächsten und den ärmsten eurer Gemeinden. Möge eure Liebe erfinderisch werden! Denkt in der Pfarrseelsorge daran, dass nur eine gesunde Spiritualität es dem Geist Christi ermöglicht, den Menschen zu befreien, damit er in der Gesellschaft erfolgreich tätig ist. Die Bischöfe sollen dafür sorgen, eure Ausbildung zu vervollständigen, damit sie zur Ausübung eures Charismas beiträgt.<ref>Vgl. Propositio 41.</ref> Bemüht euch, wie die heiligen Diakone und Märtyrer Stephanus, Laurentius und Vinzenz in der Eucharistie und in den Armen Christus zu erkennen und zu begegnen. Dieser Dienst am Altar und in der Caritas wird euch die Begegnung mit dem Herrn lieben lassen, der auf dem Altar und in den Armen gegenwärtig ist. Ihr werdet dann bereit, euer Leben für ihn zu geben bis zum Tod.

V. DIE GOTTGEWEIHTEN PERSONEN

117. Durch die Gelübde der Keuschheit, der Armut und des Gehorsams ist das Leben der gottgeweihten Personen ein prophetisches Zeugnis geworden. Sie können so Vorbilder auf dem Gebiet der Versöhnung, der Gerechtigkeit und des Friedens sein, sogar dort, wo große Spannungen herrschen.<ref>Vgl. Propositio 42.</ref> Das Gemeinschaftsleben zeigt, dass es möglich ist, als Brüder oder Schwestern und selbst bei verschiedener ethnischer Herkunft und Abstammung in Einheit zu leben (vgl. Ps 133,1). Es kann und muss sichtbar und glaubhaft machen, dass heute in Afrika jene, die Jesus Christus nachfolgen, in ihm das Geheimnis der Freude des Zusammenlebens finden: die gegenseitige Liebe und die brüderliche Gemeinschaft, die täglich durch die Eucharistie und das Stundengebet gefestigt werden.

118. Mögt ihr, liebe gottgeweihte Männer und Frauen, weiterhin euer Charisma mit wahrhaft apostolischem Eifer in den verschiedenen Bereichen leben, die von euren Gründern und Gründerinnen angegeben wurden. So werdet ihr größere Sorge dafür aufwenden, eure Lampen brennend zu halten! In Antwort auf seinen Ruf wollten eure Gründer Christus in Wahrheit folgen. Verschiedene Werke, welche die Früchte davon sind, stellen Edelsteine dar, die die Kirche schmücken.<ref>Vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Dogm. Konst. über die Kirche Lumen gentium, 46.</ref> Es empfiehlt sich daher, sie in der größtmöglichen Treue gegenüber dem Charisma, dem Denken und den Vorhaben eurer Gründer zu entfalten. Ich möchte hier den wichtigen Anteil der gottgeweihten Männer und Frauen am kirchlichen und missionarischen Leben hervorheben. Sie sind eine notwendige und wertvolle Hilfe für das seelsorgliche Wirken, aber auch ein Ausdruck des innersten Wesens der christlichen Berufung.<ref>Vgl. Zweiter Vatikanisches Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche Ad gentes, 18.</ref> Daher lade ich euch ein, liebe gottgeweihte Männer und Frauen, in enger Gemeinschaft mit der Ortskirche und dem Bischof als ihrem ersten Verantwortlichen zu bleiben. Ebenso lade ich euch ein, die Gemeinschaft mit dem Bischof von Rom zu festigen.

119. Afrika ist die Wiege des christlichen kontemplativen Lebens. Es war immer in Nordafrika, besonders in Ägypten und Äthiopien, gegenwärtig und hat im vergangenen Jahrhundert Wurzeln im Afrika südlich der Sahara geschlagen. Der Herr segne die Männer und Frauen, die sich entschieden haben, ihm bedingungslos nachzufolgen! Ihr verborgenes Leben ist wie die Hefe im Sauerteig. Ihr beständiges Gebet wird das apostolische Bemühen der Bischöfe, der Priester, der anderen gottgeweihten Männer und Frauen, der Katechisten und der ganzen Kirche unterstützen.

120. Die Treffen der verschiedenen nationalen Konferenzen der Höheren Oberen und jene der COSMAM machen es möglich, die Überlegungen und Kräfte nicht nur zur Sicherstellung der Zielsetzungen jedes Instituts zu vereinen, stets unter Wahrung ihrer Autonomie, ihres Charakters und des ihnen eigenen Geistes, sondern auch, um die gemeinsamen Angelegenheiten in einem Klima der Brüderlichkeit und Solidarität zu behandeln. Es ist gut, den kirchlichen Geist durch die Zusicherung einer gesunden Koordinierung und einer angemessenen Zusammenarbeit mit den Bischofskonferenzen zu pflegen.

VI. DIE SEMINARISTEN

121. Die Synodenväter haben den Seminaristen besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Ohne die natürlich vorrangige theologische und spirituelle Ausbildung zu vernachlässigen, haben sie die Wichtigkeit des menschlichen und psychologischen Wachstums jedes Kandidaten hervorgehoben. Die zukünftigen Priester müssen in sich ein rechtes Verständnis ihrer Kulturen entwickeln, ohne sich in ihren ethnischen und kulturellen Grenzen zu verschließen.<ref>Vgl. Propositio 40.</ref> Desgleichen müssen sie Wurzeln schlagen in den Werten des Evangeliums, um ihren Einsatz in Treue und Ergebenheit gegenüber Christus zu festigen. Die Fruchtbarkeit ihrer zukünftigen Sendung wird sehr von ihrer tiefen Christusverbundenheit abhängen, von der Qualität des Gebetslebens und des innerlichen Lebens, von den menschlichen, geistlichen und moralischen Werten, die sie sich während der Ausbildung angeeignet haben. Möge jeder Seminarist ein Mann Gottes werden, der » Gerechtigkeit, Frömmigkeit, Glaube, Liebe, Standhaftigkeit und Sanftmut « (1 Tim 6,11) sucht und lebt!

122. » Die Seminaristen müssen das Gemeinschaftsleben so lernen, dass später das brüderliche Leben bei ihnen zur Quelle einer authentischen Erfahrung des Priestertums als innige priesterliche Brüderlichkeit wird «.<ref>Ebd.</ref> Die Seminardirektoren und -ausbilder sollen zusammenarbeiten, indem sie die Hinweise der Bischöfe befolgen, damit den Seminaristen, die ihnen anvertraut sind, eine umfassende Ausbildung gewährleistet wird. Die Auswahl der Kandidaten muss mit gewissenhafter Unterscheidung und qualitätsvoller Begleitung durchgeführt werden, damit jene, die zum Priestertum zugelassen werden, wahre Jünger Christi und authentische Diener der Kirche seien. Es muss ein Herzensanliegen sein, sie in die unzähligen Reichtümer des biblischen, theologischen, geistlichen, liturgischen, moralischen und rechtlichen Erbes der Kirche einzuführen.

123. Ich habe mich mit einem Brief,<ref>Vgl. Benedikt XVI., Brief an die Seminaristen (18. Oktober 2010): L’Osservatore Romano (dt.), Jg. 40 (2010), Nr. 43 (29. Oktober 2010), 5-6.</ref> den ich ihnen nach dem im Juni 2010 zu Ende gegangenen Priesterjahr schrieb, an die Seminaristen gewandt. Darin habe ich die Identität, die Spiritualität und das Apostolat des Priesters betont. Ich empfehle jedem Seminaristen sehr, dieses kurze Dokument, das für ihn persönlich bestimmt ist und das die Ausbilder ihm zur Verfügung stellen sollen, zu lesen und zu betrachten. Das Seminar ist eine Zeit der Vorbereitung auf das Priestertum, eine Zeit des Studiums. Es ist eine Zeit der Unterscheidung, der Ausbildung und des menschlichen und geistlichen Reifens. Mögen die Seminaristen diese Zeit gut nützen, die ihnen gegeben ist, um geistliche und menschliche Vorräte anzulegen, aus denen sie während ihres Priesterlebens schöpfen können.

124. Liebe Seminaristen, seid Apostel für die jungen Menschen eurer Generation und ladet sie ein, sich im priesterlichen Leben in die Nachfolge Christi zu begeben. Habt keine Angst! Das Gebet vieler Menschen begleitet und stützt euch (vgl. Mt 9,37-38).


VII. DIE KATECHISTEN

125. Die Katechisten sind wertvolle pastorale Kräfte im Einsatz zur Evangelisierung. Sie hatten eine sehr wichtige Rolle bei der Erstevangelisierung, in der Begleitung der Katechumenen, in der Belebung und Unterstützung der Gemeinden. » Auf natürliche Art haben sie eine gelungene Inkulturation vollbracht, die wunderbare Früchte getragen hat (vgl. Mk 4,20). Es waren die Katechisten, die es möglich machten, dass »das Licht vor den Menschen leuchtet« (Mt 5,16), denn ganze Völker konnten, als sie sahen, was die Katechisten Gutes taten, unseren Vater im Himmel lobpreisen. Es sind Afrikaner, die Afrika evangelisiert haben «.<ref>Ders., Ansprache an die Mitglieder des Sonderrats der Bischofssynode für Afrika (Yaoundé, 19. März 2009): AAS 101 (2009), 311-312.</ref> Diese wichtige Rolle in der Vergangenheit bleibt grundlegend für die Gegenwart und die Zukunft der Kirche. Ich danke für ihre Liebe zur Kirche.

126. Ich ermutige die Bischöfe und Priester, für die menschliche, intellektuelle, theologische, moralische, geistliche und pastorale Ausbildung der Katechisten Sorge zu tragen und dabei ihren Lebensbedingungen großes Augenmerk zu schenken, um ihre Würde zu wahren. Sie mögen ihre berechtigten materiellen Bedürfnisse<ref>Vgl. Propositio 44; Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Ecclesia in africa (14. September 1995), 91: AAS 88 (1996), 57.</ref> nicht vergessen, da der treue Arbeiter im Weinberg des Herrn ein Recht auf einen angemessenen Lohn hat (vgl. Mt 20,1-16) in Erwartung jenes Lohnes, den der Herr in gerechter Weise geben wird, denn er allein ist gerecht und kennt die Herzen.

127. Liebe Katechisten, denkt daran, dass ihr für viele Gemeinden das konkrete und unmittelbare Gesicht des eifrigen Jüngers und das Vorbild für das christliche Leben seid. Ich ermutige euch, durch euer Beispiel zu verkünden, dass das Familienleben sehr große Beachtung verdient, dass die christliche Erziehung die Kinder darauf vorbereitet, in der Gesellschaft ehrlich und zuverlässig in den Beziehungen mit anderen zu sein. Nehmt jeden ohne Diskriminierung auf: Arme und Reiche, Einheimische und Fremde, Katholiken und Nicht-Katholiken (vgl. Jak 2,1). Achtet nicht auf das Ansehen der Person (vgl. Apg 10,34; Röm 2,11; Gal 2,6; Eph 6,9). Durch die Aneignung der Heiligen Schrift und der Verkündigungen des Lehramts wird es euch gelingen, eine zuverlässige Katechese zu geben, die Gebetsgruppen zu begleiten und den Gemeinden, für die ihr Sorge tragt, die lectio divina anzubieten. Euer Wirken wird dann kohärent, beharrlich und zu einer Quelle der Inspiration. In dankbarer Erinnerung an das ruhmvolle Andenken eurer Vorgänger grüße ich euch und ermutige euch, heute mit derselben Selbstlosigkeit, demselben apostolischen Mut und demselben Glauben zu arbeiten. Im Bemühen um die Treue zu eurer Sendung werdet ihr nicht nur zu eurer persönlichen Heiligkeit, sondern auch wirksam zum Aufbau des Mystischen Leibes Christi, der Kirche, beitragen.

VIII. DIE LAIEN

128. Die Kirche wird durch ihre Laien im Leben der Welt gegenwärtig und aktiv. Die Laien haben in der Kirche und in der Gesellschaft eine große Rolle auszuüben. Damit sie diese Rolle gut erfüllen können, ist es angebracht, in den Diözesen Schulen oder Bildungszentren für Bibel, Spiritualität, Liturgie und Pastoral einzurichten. Ich wünsche von ganzem Herzen, dass die Laien, die Verantwortung politischer, wirtschaftlicher und sozialer Natur haben, sich eine gediegene Kenntnis der Soziallehre der Kirche aneignen, die Handlungsprinzipien gibt, die dem Evangelium gemäß sind. Sie sind in der Tat im öffentlichen Leben, im Herzen der Welt » Gesandte an Christi Statt « (2 Kor 5,20).<ref>Vgl. Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Christifideles laici (30. Dezember 1988), 15.17: AAS 81 (1989), 413-416.418-421.</ref> Ihr christliches Zeugnis wird nur glaubwürdig sein, wenn sie fachkundige und rechtschaffene Berufstätige sind.

129. Die Laien, Männer und Frauen, sind vor allem zur Heiligkeit berufen und dazu, diese Heiligkeit in der Welt zu leben. Liebe Gläubige, pflegt sorgfältig euer inneres Leben und eure Beziehung zu Gott, so dass der Heilige Geist euch in allen Umständen erleuchtet. Damit die menschliche Person und das Gemeinwohl wirklich im Mittelpunkt des menschlichen, politischen, wirtschaftlichen oder sozialen Handelns bleiben, verbindet euch mit Christus, um ihn zu kennen und zu lieben. Widmet dazu Gott Zeit im Gebet und im Empfang der Sakramente. Lasst euch durch Gott und durch sein Wort erleuchten und unterweisen.

130. Ich möchte auf die Besonderheit des Berufslebens des Christen zurückkommen. Kurz gesagt geht es darum, Christus in der Welt zu bezeugen, indem man zum Beispiel zeigt, dass die Arbeit ein sehr positiver Ort persönlicher Verwirklichung sein kann und dass sie nicht vor allem ein Weg zu Profit ist. Die Arbeit erlaubt es euch, am Schöpfungswerk teilzunehmen und den Brüdern und Schwestern zu dienen. Wenn ihr so handelt, werdet ihr » Salz der Erde « und » Licht der Welt « sein, wie der Herr es von uns verlangt. Verwirklicht in eurem täglichen Leben, unabhängig von eurer Stellung in der Gesellschaft, die vorrangige Option für die Armen gemäß dem Geist der Seligpreisungen (vgl. Mt 5,3-12), um in ihnen das konkrete Gesicht Jesu zu sehen, der euch aufruft, ihm zu dienen (vgl. Mt 25,31-46).

131. Es kann hilfreich sein, sich in Vereinigungen zusammenzuschließen, um euer christliches Gewissen weiter zu bilden und euch gegenseitig im Ringen um Gerechtigkeit und Frieden zu stützen. Die Communautés Ecclésiales Vivantes de Base (CEV) oder Small Christian Communities (SCC) und die » neuen Gemeinschaften «<ref>Propositio 37.</ref> stellen tragende Bereiche dar, um die lebendige Flamme eurer Taufe am Brennen zu halten. Bringt auch eure Sachkenntnis zur Mitgestaltung der katholischen Universitäten ein, die sich seit den Empfehlungen des Apostolischen Schreibens Ecclesia in Africa<ref>Vgl. Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Ecclesia in africa (14. September 1995), 103: AAS 88 (1996), 62-63.</ref> unaufhörlich entfalten. Ich möchte euch ebenso ermuntern, aktiv und mutig in der Welt der Politik, der Kultur, der Kunst, der Medien und in den verschiedenen Vereinigungen präsent zu sein. Möge diese Präsenz ohne Komplexe und ohne Scham erfolgen, denn sie ist sich voll Stolz des wertvollen Beitrags bewusst, den sie für das Gemeinwohl leisten kann!

Kapitel II: Hauptbereiche des Apostolats

132. Der Herr hat uns eine besondere Sendung anvertraut, und er hat uns nicht ohne Mittel gelassen, um sie zu erfüllen. Er hat nicht nur jeden von uns mit persönlichen Gaben für den Aufbau seines Leibes, der Kirche, ausgestattet, sondern er hat auch der ganzen kirchlichen Gemeinschaft besondere Gaben anvertraut, die es ihr erlauben, die Sendung fortzuführen. Die Gabe schlechthin ist der Heilige Geist. Durch ihn bilden wir einen einzigen Leib und » nur in der Kraft des Heiligen Geistes können wir das finden, was richtig ist, und es dann umsetzen «.<ref>Benedikt XVI., Zweite Sonderversammlung der Bischofssynode für Afrika, Betrachtung während des Gebets der Terz (5. Oktober 2009): AAS 101 (2009), 920.</ref> Die Mittel sind nötig, damit wir handeln können, aber sie bleiben unzulänglich, wenn es nicht Gott selbst ist, der uns durch » all unsere Fähigkeiten zu denken, zu sprechen, zu hören, zu handeln «<ref>Ebd.</ref> bereit macht, um an seinem Werk der Versöhnung mitzuwirken. Durch den Heiligen Geist werden wir wirklich » Salz der Erde « und » Licht der Welt « (Mt 5,13.14).

I. DIE KIRCHE ALS GEGENWART CHRISTI

133. Die Kirche ist » in Christus gleichsam das Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit «.<ref>Zweites Vatikanisches Konzil, Dogm. Konst. über die Kirche Lumen gentium, 1.</ref> Als Gemeinschaft von Jüngern Christi können wir die Liebe Gottes sichtbar machen und mitteilen. Die Liebe » ist das Licht – letztlich das einzige –, das eine dunkle Welt immer wieder erhellt und uns den Mut zum Leben und zum Handeln gibt «.<ref>Benedikt XVI., Enzyklika Deus caritas est (25. Dezember 2005), 39: AAS 98 (2006), 250.</ref> Diese Wirklichkeit wird in der Kirche auf universaler, diözesaner und pfarrlicher Ebene sichtbar, in den CEV/SCC,<ref>Vgl. Propositio 35.</ref> in den Bewegungen und Vereinigungen bis hinein in die christlichen Familien, » die gerufen sind, „Hauskirche“ zu sein, ein Ort des Glaubens, des Gebets und der liebevollen Sorge um das wahre und dauerhafte Wohl jedes ihrer Glieder «,<ref>Benedikt XVI., Pilgerreise ins Heilige Land, Predigt in Nazaret (14. Mai 2009): AAS 101 (2009), 480.</ref> eine Gemeinschaft, in der man den Friedensgruß lebt.<ref>Vgl. ders., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Sacramentum caritatis (22. Februar 2007), 49: AAS 99 (2007), 143.</ref> Die CEV/SCC, die Bewegungen und die Vereinigungen können günstige Orte in einer Pfarrei sein, um die von Christus, unserem Frieden, angebotene Gabe der Versöhnung zu empfangen und zu leben. Jedes Glied der Gemeinschaft muss zum Hüter des anderen werden: das ist eine der Bedeutungen des Friedensgrußes in der Feier der Eucharistie.<ref>Vgl. Propositio 36.</ref>

II. DER BEREICH DER BILDUNG

134. Die katholischen Schulen sind wertvolle Instrumente, um durch die Erziehung zu den afrikanischen Werten, die durch jene des Evangeliums aufgenommen wurden, in der Gesellschaft von Kindesalter an Bande des Friedens und der Harmonie knüpfen zu lernen. Ich ermutige die Bischöfe und die Institute des geweihten Lebens dahin gehend tätig zu sein, dass die Kinder im Schulalter eine Schule besuchen können: Es ist dies eine Frage der Gerechtigkeit für jedes Kind, und – mehr noch – die Zukunft Afrikas hängt davon ab. Die Christen, insbesondere die jungen Menschen, mögen sich den Erziehungswissenschaften widmen, um ein Wissen voller Liebe zur Wahrheit weiterzugeben, ein Know-how und eine Lebensqualität auf der Grundlage eines im Licht der Soziallehre der Kirche geformten christlichen Gewissens. Man muss auch darauf bedacht sein, den Angestellten in den Bildungseinrichtungen der Kirche und der Gesamtheit der Belegschaft in den kirchlichen Einrichtungen eine angemessene Entlohnung zu gewährleisten, um die Glaubwürdigkeit der Kirche zu stärken.

135. Im aktuellen Kontext der großen Vermischung von Völkern, Kulturen und Religionen ist die Rolle der katholischen Universitäten und Hochschuleinrichtungen wesentlich für die geduldige, gewissenhafte und demütige Suche des Lichtes, das von der Wahrheit kommt. Nur eine Wahrheit, die das menschliche Maß, das durch Grenzen bedingt ist, übersteigt, stellt den Frieden unter den Menschen her und versöhnt die Gesellschaften untereinander. Zu diesem Zweck ist es angebracht, dort neue katholische Universitäten zu errichten, wo noch keine bestehen. Liebe Brüder und Schwestern, die ihr an den katholischen Universitäten und Hochschuleinrichtungen tätig seid, euch kommt es einerseits zu, den Verstand und den Geist der jungen Generationen im Licht des Evangeliums zu bilden, und andererseits den afrikanischen Gesellschaften zu helfen, die Herausforderungen besser zu verstehen, mit denen Afrika heute konfrontiert ist, indem ihr durch eure Forschungen und Analysen das nötige Licht dafür bereitstellt.

136. Die Sendung, die den katholischen Universitäten durch das Apostolische Schreiben Ecclesia in Africa anvertraut wurde, behält ihre ganze Relevanz. Mein seliger Vorgänger hat darüber geschrieben: » Die katholischen Universitäten und Hochschulen in Afrika spielen eine wichtige Rolle bei der Verkündigung des heilbringenden Gotteswortes. Sie sind ein Zeichen für das Wachstum der Kirche, weil sie in ihre Forschungen die Wahrheiten und Erfahrungen des Glaubens einbeziehen und sie zu verinnerlichen helfen. Diese Studienzentren dienen somit der Kirche, indem sie sie mit gut ausgebildetem Personal versorgen; wichtige theologische und soziale Fragen erforschen; die afrikanische Theologie entwickeln; die Inkulturationsarbeit fördern, (…) Bücher publizieren und das katholische Gedankengut verbreiten; die ihnen von den Bischöfen aufgetragenen Untersuchungen vornehmen und zu einer wissenschaftlichen Erforschung der Kulturen beitragen. (…) Die katholischen Kulturzentren bieten der Kirche einzigartige Möglichkeiten für ihre Präsenz und Wirksamkeit auf dem Gebiet der kulturellen Veränderungen. Sie stellen in der Tat öffentliche Foren dar, die durch den kreativen Dialog die weitreichende Verbreitung der christlichen Anschauungen über den Menschen, die Familie, die Arbeit, die Wirtschaft, die Gesellschaft, die Politik, über das internationale Leben und über die Umwelt ermöglichen. Sie sind so Stätten des Anhörens, der Achtung und der Toleranz «.<ref>Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Ecclesia in africa (14. September 1995), 103: AAS 88 (1996), 62-63.</ref> Die Bischöfe müssen darüber wachen, dass diese universitären Einrichtungen ihre katholische Prägung bewahren, indem sie sich stets treu am Lehramt der Kirche ausrichten.

137. Um einen starken und qualifizierten Beitrag für die afrikanische Gesellschaft zu leisten, ist es unerlässlich, den Studenten eine Ausbildung in der Soziallehre der Kirche zu bieten. Dies soll so der Kirche in Afrika helfen, sachlich eine Seelsorge vorzubereiten, die das Wesen des Afrikaners erreicht und ihn in der Verbundenheit mit Christus mit sich selbst versöhnt. Den Bischöfen obliegt ferner, eine Seelsorge im Bereich von Wissenschaft und Vernunft zu stützen, die den sachgemäßen Dialog und die kritische Analyse in der Gesellschaft und in der Kirche zur Gewohnheit macht. In Yaoundé hatte ich gesagt: » Vielleicht wird dieses Jahrhundert mit Gottes Gnade auf eurem Kontinent das Wiedererstehen – natürlich in anderer und neuer Gestalt – der berühmten Schule von Alexandrien ermöglichen. Warum soll man nicht hoffen, dass sie für die heutigen Afrikaner und für die gesamte Kirche große Theologen und geistliche Lehrer bereitstellen könnte, die zur Heiligung der Bewohner dieses Kontinents und der ganzen Kirche beitragen würden «?<ref>Benedikt XVI., Ansprache an die Mitglieder des Sonderrats der Bischofssynode für Afrika (Yaoundé, 19. März 2009): AAS 101 (2009), 312.</ref>

138. Es ist gut, wenn die Bischöfe die Hochschulgemeinden an den Universitäten und Bildungseinrichtungen der Kirche unterstützen und solche in den öffentlichen Einrichtungen errichten. Die Kapelle der Hochschulseelsorge soll darin wie das Herz sein. Sie wird es dem Studenten ermöglichen, Gott zu begegnen und sich unter seinen Blick zu stellen. Sie wird es auch dem Hochschulseelsorger ermöglichen, der sorgfältig aufgrund seiner priesterlichen Tugenden ausgewählt werden soll, seinen pastoralen Dienst des Lehrens und des Heiligens auszuüben.

III. DER BEREICH DER GESUNDHEIT

139. Die Kirche hat sich zu allen Zeiten um die Gesundheit gesorgt. Das Beispiel dafür kommt von Christus selbst, der, nachdem er das Wort verkündet und die Kranken geheilt hat, seinen Jüngern dieselbe Autorität übertragen hat, damit sie » alle Krankheiten und Leiden heilen « (Mt 10,1; vgl. 14,35; Mk 1,32.34; 6,13.55). Es ist dieselbe Sorge um die Kranken, die die Kirche durch ihre Gesundheitseinrichtungen den Leidenden weiter zukommen lässt. Die Kirche setzt sich, wie die Synodenväter hervorgehoben haben, entschieden im Kampf gegen Leiden, Krankheiten und große Pandemien ein.<ref>Vgl. Schlussbotschaft, 31: L’Osservatore Romano (dt.), Jg. 39 (2009), Nr. 45 (6. November 2009), 14.</ref>

140. Die Gesundheitseinrichtungen der Kirche und alle Menschen, die in verschiedenen Funktionen darin arbeiten, mögen danach streben, in jedem Kranken ein leidendes Glied des Leibes Christi zu sehen. Auf ihrem Weg treten Schwierigkeiten aller Art auf: die steigende Zahl der Kranken, unzureichende materielle und finanzielle Mittel, der Wegfall von Institutionen, die sie lange unterstützt haben und sie verlassen, all das erweckt gelegentlich den Eindruck einer Arbeit ohne greifbare Ergebnisse. Liebe Brüder und Schwestern im Gesundheitswesen, seid für die leidenden Menschen Überbringer der mitfühlenden Liebe Jesu! Seid geduldig, seid stark und bewahrt den Mut! Was die Pandemien betrifft, so sind finanzielle und materielle Mittel unerlässlich, aber bemüht euch auch unermüdlich um Information und Aufklärung bei der Bevölkerung und vor allem bei den Jugendlichen.<ref>Ebd.</ref>

141. Die Gesundheitseinrichtungen sollen nach den ethischen Regeln der Kirche geführt und die Dienste in Übereinstimmung mit ihrer Lehre und ausschließlich zugunsten des Lebens gewährleistet werden. Sie dürfen nicht zu einer Quelle der Bereicherung für einzelne werden. Die Verwaltung der zur Verfügung gestellten Gelder muss auf Transparenz abzielen und vor allem dem Wohl des Kranken dienen. Schließlich sollte jede Gesundheitseinrichtung eine Kapelle haben. Ihr Vorhandensein erinnert das Personal (Leitung, Verwaltung, Ärzte und Pflegepersonal usw.) und die Kranken daran, dass Gott allein der Herr über Leben und Tod ist. Es ist ebenfalls angebracht, dass nach Möglichkeit die Zahl der kleinen Krankenstationen erhöht wird, welche die Nahversorgung und Erste Hilfe gewährleisten.

IV. DIE WELT DER INFORMATION UND DER KOMMUNIKATION

142. Das Apostolische Schreiben Ecclesia in Africa stellte Überlegungen dazu an, dass die modernen Massenmedien nicht nur Kommunikationsmittel sind, sondern auch eine Welt, die es zu evangelisieren gilt.<ref>Vgl. Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Ecclesia in africa (14. September 1995), 124: AAS 88 (1996), 72-73.</ref> Sie müssen einer authentischen Kommunikation dienen, die eine Priorität in Afrika darstellt, weil sie ein wichtiger Antrieb für die Entwicklung des Kontinents<ref>Vgl. Propositio 56.</ref> und für die Evangelisierung sind. » Die Medien können eine wertvolle Hilfe darstellen, um die Gemeinschaft der menschlichen Familie und das Ethos der Gesellschaften wachsen zu lassen, wenn sie Werkzeuge zur Förderung der allgemeinen Teilnahme an der gemeinsamen Suche nach dem, was gerecht ist, werden «.<ref>Benedikt XVI., Enzyklika Caritas in veritate (29. Juni 2009). 73: AAS 101 (2009), 705.</ref>

143. Wir wissen alle, dass die neuen Informationstechnologien machtvolle Mittel für Zusammenhalt und Frieden, aber auch wirksame Urheber von Zerstörung und Spaltung werden können. Sie können auf moralischer Ebene dienen oder schaden, Wahres wie Falsches verbreiten und Häßliches wie Schönes darbieten. Die Fülle an Nachrichten und Gegennachrichten sowie an Bildern kann interessant sein, kann aber auch zu einer großen Manipulation führen. Information kann leicht zu Desinformation werden und Bildung zu Verbildung. Die Medien können eine authentische Humanisierung fördern, sie können aber ebenso eine Entmenschlichung nach sich ziehen.

144. Die Medien werden diese Klippe vermeiden, wenn sie » im Licht eines Bildes vom Menschen und vom Gemeinwohl, das deren universale Bedeutung widerspiegelt, organisiert und ausgerichtet werden. Die sozialen Kommunikationsmittel begünstigen weder die Freiheit noch globalisieren sie die Entwicklung und die Demokratie für alle einfach deshalb, weil sie die Möglichkeiten der Verbindung und Zirkulation von Ideen vervielfachen. Um solche Ziele zu erreichen, müssen sie auf die Förderung der Würde der Menschen und der Völker ausgerichtet sein, ausdrücklich von der Liebe beseelt sein und im Dienst der Wahrheit, des Guten sowie der natürlichen und übernatürlichen Brüderlichkeit stehen «.<ref>Ebd., 73: AAS 101 (2009), 704-705.</ref>

145. Die Kirche muss in den Medien noch mehr präsent sein, um aus ihnen nicht nur ein Mittel zur Verbreitung des Evangeliums zu machen, sondern auch ein nützliches Werkzeug für die Bildung der Völker Afrikas hin zur Versöhnung in der Wahrheit, zur Förderung der Gerechtigkeit und zum Frieden. Dafür wird eine gediegene Ausbildung der Journalisten in Ethik und in der Achtung der Wahrheit diesen helfen, die Verlockungen durch das Sensationelle sowie die Versuchung zur Manipulation von Information und des schnell verdienten Geldes zu meiden. Die christlichen Journalisten mögen keine Angst davor haben, ihren Glauben kundzutun. Sie sollen stolz darauf sein. Es ist ebenfall gut, die Präsenz und das Wirken kompetenter Laien in der Welt der öffentlichen und privaten Kommunikation zu fördern. Wie die Hefe im Sauerteig werden sie auch weiterhin den positiven und konstruktiven Beitrag bezeugen, den die Lehre Christi und seiner Kirche der Welt bringt.

146. Ferner hat sich die von der Ersten Sonderversammlung für Afrika getroffene Option, die Kommunikation als eine Hauptachse der Evangelisierung zu betrachten, als fruchtbar für den Ausbau der katholischen Medien erwiesen. Es wäre vielleicht auch zweckmäßig, die bestehenden Einrichtungen zu koordinieren, wie dies mancherorts bereits geschieht. Eine auf diese Weise verbesserte Nutzung der Medien wird zu einer größeren Förderung der von der Synode verteidigten Werte Frieden, Gerechtigkeit und Versöhnung in Afrika<ref>Vgl. Propositio 56.</ref> beitragen und es diesem Kontinent ermöglichen, an der gegenwärtigen Entwicklung der Welt teilzunehmen.

Kapitel III: »STEH AUF, NIMM DEINE BAHRE UND GEH« (Joh 5,8)

I. DIE LEHRE JESU AM TEICH BETESDA

147. Liebe Brüder im Bischofsamt, liebe Söhne und Töchter Afrikas, nach der Übersicht der wichtigsten Tätigkeiten und einiger Mittel, die von der Sonderversammlung der Bischofssynode für Afrika zur Erfüllung der Sendung der Kirche vorgeschlagen wurden, möchte ich auf einige Punkte zurückkommen, die schon vorher in allgemeiner Weise kurz angeschnitten wurden.

148. Das Johannesevangelium schildert uns im 5. Kapitel eine ergreifende Szene am Teich Betesda. » In diesen Hallen lagen viele Kranke, darunter Blinde, Lahme und Verkrüppelte « (V. 3), die auf das Aufwallen des Wassers warteten, das heißt auf die Gelegenheit zur Heilung. Unter ihnen befand sich » ein Mann, der schon achtunddreißig Jahre krank war « (V. 5), der aber niemanden hatte, der ihm half, in den Teich zu steigen. Und hier tritt Jesus in sein Leben. Alles ändert sich, als Jesus zu ihm sagt: » Steh auf, nimm deine Bahre und geh! « (V. 8). » Sofort «, sagt der Evangelist, » wurde der Mann gesund « (V. 9). Er brauchte das Wasser des Teiches nicht mehr.

149. Die Aufnahme Jesu bietet Afrika eine Heilung an, die wirksamer und tiefgreifender ist als alle anderen. Wie der Apostel Petrus in der Apostelgeschichte (3,6) erklärt hat, so wiederhole ich, dass Afrika nicht zuerst Gold oder Silber braucht: Es wünscht, sich aufzurichten wie der Mann am Teich Betesda; es wünscht, Vertrauen in sich selbst zu haben, in seine Würde als ein von seinem Gott geliebtes Volk. Es ist daher diese Begegnung mit Jesus, die die Kirche den gebrochenen und verwundeten Herzen anbieten muss, die nach Versöhnung und Frieden verlangen und nach Gerechtigkeit dürsten. Wir müssen das Wort Christi, das heilt, befreit und versöhnt, anbieten und verkünden.

II. DAS WORT GOTTES UND DIE SAKRAMENTE

A. Die Heilige Schrift

150. Der heilige Hieronymus sagt: » Die Schrift nicht kennen heißt Christus nicht kennen «.<ref>Commentariorum in Isaiam prophetam libri, Prol.: PL 24, 17.</ref> Das Lesen und die Betrachtung des Wortes Gottes schenkt uns nicht nur die » Erkenntnis Christi Jesu, (…) die alles übertrifft « (Phil 3,8), sondern verwurzelt uns auch tiefer in Christus und gibt unserem Dienst der Versöhnung, der Gerechtigkeit und des Friedens Orientierung. Die Feier der Eucharistie, deren erster Teil der Wortgottesdienst ist, bildet dazu die Quelle und den Höhepunkt. Ich empfehle daher, dass das Bibelapostolat in jeder christlichen Gemeinschaft, in der Familie und in den kirchlichen Bewegungen gefördert wird.

151. Jeder Christgläubige soll sich die Gewohnheit der täglichen Schriftlesung aneignen! Eine aufmerksame Lektüre des letzten Nachsynodalen Apostolischen Schreibens Verbum Domini bietet nützliche pastorale Hinweise. Man möge also dafür Sorge tragen, die Gläubigen in die ehrwürdige und fruchtbare Tradition der lectio divina einzuführen. Das Wort Gottes kann zur Kenntnis Jesu Christi beitragen und die Umkehr bewirken, die zur Versöhnung führt, da es » die Regungen und Gedanken des Herzens « (Hebr 4,12) prüft. Die Synodenväter ermutigen die Pfarrgemeinden, die CEV/SCC, die Familien, die Vereinigungen und die kirchlichen Bewegungen zu Zeiten des gemeinsamen Austausches über das Wort Gottes.<ref>Vgl. Propositio 46.</ref> So werden sie mehr zu Orten, an denen das Wort Gottes, das die Gemeinschaft der Jünger Christi aufbaut, gemeinsam gelesen, betrachtet und gefeiert wird. Dieses Wort erneuert unaufhörlich die brüderliche Gemeinschaft (vgl. 1 Petr 1,22-25).

B. Die Eucharistie

152. Das wirksamste Mittel für den Aufbau einer versöhnten, gerechten und friedlichen Gesellschaft ist ein Leben der innigen Gemeinschaft mit Gott und mit den anderen. In der Tat sind um den Tisch des Herrn Männer und Frauen verschiedener Herkunft, Kulturen, Stämme, Sprachen und Völker versammelt. Dank des Leibes und Blutes Christi bilden sie ein und dieselbe Einheit. Durch den eucharistischen Christus werden sie Blutsverwandte und so durch das Wort und durch den Leib und das Blut Jesu Christi selbst wirklich Brüder und Schwestern. Dieses Band der Brüderlichkeit ist stärker als das unserer menschlichen Familien und unserer Stämme. » Denn alle, die er im voraus erkannt hat, hat er auch im voraus dazu bestimmt, an Wesen und Gestalt seines Sohnes teilzuhaben, damit dieser der Erstgeborene von vielen Brüdern sei « (Röm 8,29). Das Beispiel Jesu macht sie fähig, einander zu lieben und ihr Leben füreinander hinzugeben, denn die Liebe, mit der jeder geliebt wird, muss sich in Tat und in Wahrheit mitteilen.<ref>Vgl. Benedikt XVI., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Sacramentum caritatis (22. Februar 2007), 82: AAS 99 (2007), 168-169; ders., Enzyklika Deus caritas est (25. Dezember 2005), 14: AAS 98 (2006), 228-229.</ref> Es ist also unerlässlich, den Sonntag, den Tag des Herrn, sowie die gebotenen Feiertage in Gemeinschaft zu begehen.

153. Ich möchte an dieser Stelle keine theologische Darlegung über die Eucharistie machen. Im Nachsynodalen Apostolischen Schreiben Sacramentum caritatis habe ich die Grundzüge davon skizziert. Ich rufe hier die ganze Kirche in Afrika auf, besonders für die Feier der Eucharistie Sorge zu tragen, die das Gedächtnis des Opfers Jesu Christi, das Zeichen der Einheit und Band der Liebe, das österliche Festmahl und das Unterpfand des ewigen Lebens ist. Die Eucharistie muss mit Würde und Schönheit unter Einhaltung der festgelegten Normen gefeiert werden. Die persönliche und gemeinschaftliche eucharistische Anbetung wird zur Vertiefung dieses großen Geheimnisses führen. In diesem Sinne könnte ein kontinentaler eucharistischer Kongreß abgehalten werden. Dieser würde die Anstrengungen der Christen in ihrem Bemühen unterstützen, allen Gesellschaften in Afrika die grundlegenden Werte der Gemeinschaft zu bezeugen.<ref>Vgl. Propositio 8.</ref>

154. Damit das eucharistische Geheimnis geachtet wird, erinnern die Synodenväter daran, dass die Kirchen und Kapellen heilige Orte sind, die allein den liturgischen Feiern vorbehalten sind, um nach Möglichkeit zu vermeiden, dass sie lediglich zu Räumen des gesellschaftlichen oder kulturellen Lebens werden. Es ist angezeigt, ihre erste Aufgabe zu fördern, nämlich ein bevorzugter Ort der Begegnung zwischen Gott und seinem Volk, zwischen Gott und seinem gläubigen Geschöpf zu sein. Außerdem soll darauf geachtet werden, dass die Architektur der Gebäude für den Gottesdienst des gefeierten Geheimnisses würdig ist und der kirchlichen Gesetzgebung und dem lokalen Stil entspricht. Die Errichtung der Bauwerke hat, nachdem das Urteil von Fachleuten in Liturgie und Architektur eingeholt wurde, unter der Verantwortung des Bischofs zu erfolgen. Wenn man die Schwelle überschreitet, soll man sagen können: » Wirklich, der Herr ist an diesem Ort (…) Hier ist nichts anderes als das Haus Gottes und das Tor des Himmels « (Gen 28,16.17). Diese Orte werden dann ihren Zweck erreichen, wenn sie für die Gemeinschaft, die in der Eucharistie und in den anderen Sakramenten erneuert wurde, eine Hilfe sind, um ihr Wirken im gesellschaftlichen Leben zu verlängern und das Beispiel Christi selbst fortzusetzen (vgl. Joh 13,15).<ref>Vgl. Benedikt XVI., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Sacramentum caritatis (22. Februar 2007), 51: AAS 99 (2007), 144.</ref> Dieser » eucharistische Zusammenhang «<ref>Ebd., 83: AAS 99 (2007), 169.</ref> ruft jedes christliche Gewissen auf (vgl. 1 Kor 11,17-34).

C. Die Versöhnung

155. Um den afrikanischen Gesellschaften zu helfen, von den Wunden der Spaltung und des Hasses zu genesen, laden die Synodenväter die Kirche ein, sich daran zu erinnern, dass sie in ihrem Schoß dieselben Wunden und Bitterkeiten trägt. Demzufolge hat sie es nötig, vom Herrn geheilt zu werden, damit sie auf glaubwürdige Weise bezeugen kann, dass das Sakrament der Versöhnung die verwundeten Herzen verbindet und heilt. Dieses Sakrament erneuert die zerrissenen Bande zwischen dem Menschen und Gott und stellt die Bande in der Gesellschaft wieder her. Es erzieht auch unsere Herzen und unseren Geist, damit wir lernen, » eines Sinnes, voll Mitgefühl und brüderlicher Liebe, (…) barmherzig und demütig « (1 Petr 3,8) zu leben.

156. Ich erinnere an die Bedeutung der Einzelbeichte, die durch keinen anderen Akt der Versöhnung oder keine andere religiöse Feier ersetzt werden kann. Ich rufe also die Gläubigen der Kirche, den Klerus, die gottgeweihten Männer und Frauen sowie die Laien auf, dem Sakrament der Versöhnung in seiner persönlichen und gemeinschaftlichen Doppeldimension seinen wahren Platz zurückzugeben.<ref>Vgl. Propositio 5.</ref> Die Gemeinschaften, die aufgrund der Entfernungen oder aus anderen Gründen keine Priester haben, können den kirchlichen Charakter der Buße und der Versöhnung durch nichtsakramentale Formen leben. Die Christen in irregulären Situationen können sich so dem Bußweg der Kirche anschließen. Wie die Synodenväter angedeutet haben, kann die nichtsakramentale Form als Mittel der Vorbereitung für die Gläubigen für einen fruchtbaren Empfang des Sakramentes betrachtet werden,<ref>Vgl. Propositio 6; Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Reconciliatio et Paenitentia (2. Dezember 1984), 23: AAS 77 (1985), 233-235.</ref> aber sie darf nicht zur gewöhnlichen Norm werden und noch weniger das Sakrament selbst ersetzen. Ich rufe die Priester aus ganzem Herzen dazu auf, dieses Sakrament persönlich zu leben und sich wirklich verfügbar zu machen für seine Feier.

157. Um die Versöhnung auf gemeinschaftlicher Ebene zu fördern, empfehle ich nachdrücklich, wie dies die Synodenväter gewünscht haben, jedes Jahr in jedem afrikanischen Land » einen Tag oder eine Woche der Versöhnung zu feiern, besonders im Advent oder in der Fastenzeit «.<ref>Propositio 8.</ref> Die SCEAM kann zu seiner Verwirklichung beitragen und in Absprache mit dem Heiligen Stuhl ein Jahr der Versöhnung auf kontinentaler Ebene durchführen, um von Gott besondere Vergebung für alles Böse und alle Verletzungen zu erbitten, die Menschen in Afrika einander zugefügt haben, und damit sich die Personen und Gruppen versöhnen, die in der Kirche und in der ganzen Gesellschaft verwundet wurden.<ref>Vgl. ebd.</ref> Dabei würde es sich um ein außerordentliches Jubiläumsjahr handeln, » in dem die Kirche in Afrika und auf den vorgelagerten Inseln mit der Universalkirche Dank sagt und um die Gaben des Heiligen Geistes bittet «,<ref>Ebd.</ref> besonders um die Gabe der Versöhnung, der Gerechtigkeit und des Friedens.

158. Für diese Art von Feiern ist nützlich, dem Rat der Synodenväter zu folgen: » Es möge das Gedenken der großen Zeugen, die ihr Leben im Dienst des Evangeliums und des Gemeinwohls oder für die Verteidigung der Wahrheit und der Menschenrechte hingegeben haben, bewahrt und daran getreulich erinnert werden «.<ref>Propositio 9.</ref> In dieser Hinsicht sind die Heiligen die wahren Sterne unseres Lebens, sie, » die recht zu leben wußten. Sie sind Lichter der Hoffnung. Gewiss, Jesus Christus ist das Licht selber, die Sonne, die über allen Dunkelheiten der Geschichte aufgegangen ist. Aber wir brauchen, um zu ihm zu finden, auch die nahen Lichter – die Menschen, die Licht von seinem Licht schenken und so Orientierung bieten auf unserer Fahrt «.<ref>Benedikt XVI., Enzyklika Spe salvi (30. November 2007), 49: AAS 99 (2007), 1025.</ref>

III. DIE NEUEVANGELISIERUNG

159. Vor dem Abschluß dieses Dokuments möchte ich neuerlich auf die Aufgabe der Kirche in Afrika zurückkommen, die im Einsatz für die Evangelisierung besteht, in der missio ad gentes sowie in der Neuevangelisierung, damit die Gestalt des afrikanischen Kontinents sich immer mehr nach der stets aktuellen Lehre Christi, des wahren » Lichts der Welt « und des echten » Salzes der Erde «, ausrichte.

A. Träger Christi, des »Lichts der Welt«

160. Das dringende Werk der Evangelisierung verwirklicht sich in verschiedener Weise, entsprechend der Vielfalt der Situationen in jedem Land. » Im eigentlichen Sinn gibt es die missio ad gentes zu denen, die Christus nicht kennen. In einem weiteren Sinn spricht man von „Evangelisierung“, um die gewöhnliche Seelsorge zu bezeichnen, und von „Neuevangelisierung“, um die Sorge für jene zu beschreiben, die den christlichen Glauben nicht mehr praktizieren «.<ref>Kongregation für die Glaubenslehre, Lehrmäßige Note zu einigen Aspekten der Evangelisierung (3. Dezember 2007), 12: AAS 100 (2008), 501.</ref> Nur die Evangelisierung, die von der Kraft des Heiligen Geistes beseelt wird, wird zum » neuen Gesetz des Evangeliums « und trägt geistliche Früchte.<ref>Vgl. Thomas von Aquin, Summa Theologiae, Ia-IIæ, q. 106, a. 1.</ref> Das Herz aller Evangelisierungstätigkeit ist die Verkündigung der Person Jesu, des fleischgewordenen Wortes Gottes (vgl. Joh 1,14), der gestorben und auferstanden und für immer in der Gemeinschaft der Gläubigen, in seiner Kirche gegenwärtig ist (vgl. Mt 28,20). Es handelt sich nicht nur um eine dringende Aufgabe für Afrika, sondern für die ganze Welt, weil die Sendung, die Christus, der Erlöser, seiner Kirche anvertraut hat, noch nicht zur vollen Verwirklichung gelangt ist.

161. Das » Evangelium Jesu Christi, des Sohnes Gottes « (Mk 1,1), ist der sichere Weg, um der Person des Herrn Jesus zu begegnen. Die Erforschung die Schrift erlaubt es uns, immer mehr das wirkliche Gesicht Jesu, der Offenbarung Gottes, des Vaters (vgl. Joh 12,45), und seines Heilswerkes zu entdecken. » Wenn wir die Zentralität des göttlichen Wortes im christlichen Leben wiederentdecken, finden wir den tiefsten Sinn dessen wieder, was Papst Johannes Paul II. nachdrücklich angemahnt hat: die missio ad gentes fortzusetzen und mit allen Kräften eine Neuevangelisierung vorzunehmen «.<ref>Benedikt XVI., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Verbum Domini (30. September 2010), 122: AAS 102 (2010), 785.</ref>

162. Unter der Führung des Heiligen Geistes muss die Kirche in Afrika das Heilsgeheimnis jenen, die es noch nicht kennen, verkünden, indem sie es lebt. Der Heilige Geist, den die Christen in der Taufe empfangen haben, ist das Feuer der Liebe, die jede Evangelisierungstätigkeit antreibt. Nach Pfingsten haben die Jünger, » mit dem Heiligen Geist erfüllt « (Apg 2,4), den Abendmahlssaal, in den sie sich aus Angst eingeschlossen hatten, verlassen, um die Frohbotschaft Jesu Christ zu verkünden. Das Pfingstereignis hilft uns, die Sendung der Christen als » Licht der Welt « und » Salz der Erde « auf dem afrikanischen Kontinent besser zu verstehen. Das Eigentümliche des Lichtes besteht darin, sich zu verbreiten und zahlreiche Brüder und Schwestern zu erleuchten, die noch im Dunkeln sind. Die missio ad gentes bezieht alle Christen in Afrika ein. Angetrieben durch den Geist, müssen sie überall auf dem Kontinent, in allen Bereichen des persönlichen, familiären und gesellschaftlichen Lebens Träger Jesu Christi, des » Lichts der Welt « sein. Die Synodenväter haben » die Dringlichkeit und Notwendigkeit der Evangelisierung, die die Sendung und wahre Identität der Kirche ist, hervorgehoben «.<ref>Propositio 34.</ref>

B. Zeugen des auferstandenen Christus

163. Jesus, der Herr, mahnt noch heute die Christen in Afrika, in seinem Namen » allen Völkern (zu) verkünden, sie sollen umkehren, damit ihre Sünden vergeben werden « (Lk 24,47). Daher sind sie gerufen, Zeugen des auferstandenen Herrn zu sein (vgl. Lk 24,48). Die Synodenväter haben hervorgehoben, dass die Evangelisierung » wesentlich darin besteht, in der Kraft des Geistes durch das Leben und dann durch das Wort für Christus Zeugnis zu geben, und zwar im Geist der Offenheit und des Respekts gegenüber anderen und des Dialogs mit ihnen, wobei man sich an die Werte des Evangeliums hält «.<ref>Ebd.; vgl. Paul VI., Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi (8. Dezember 1975), 21: AAS 68 (1976), 19-20. </ref> Was die Kirche in Afrika betrifft, so muss dieses Zeugnis im Dienst der Versöhnung, der Gerechtigkeit und des Friedens stehen.

164. Die Verkündigung des Evangeliums muss das Feuer der Anfänge der Evangelisierung des afrikanischen Kontinents wiedererlangen, die dem Evangelisten Markus zugeschrieben wird, dem eine » zahllose Schar von Heiligen, Märtyrern, Bekennern, Jungfrauen «<ref>Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Ecclesia in africa (14. September 1995), 31: AAS 88 (1996), 21.</ref> gefolgt ist. Mit Dankbarkeit muss man von der Begeisterung vieler Missionare lernen, die während mehrerer Jahrhunderte ihr Leben geopfert haben, um ihren afrikanischen Brüdern und Schwestern die Frohbotschaft zu bringen. Im Laufe der letzten Jahre hat die Kirche in verschiedenen Ländern des hundertsten Jahrestages der Evangelisierung gedacht. Sie hat sich mit Recht darauf verpflichtet, das Evangelium zu jenen zu bringen, die den Namen Jesu Christi noch nicht kennen.

165. Damit dieses Bemühen immer wirksamer wird, muss die missio ad gentes mit der Neuevangelisierung Hand in Hand gehen. Auch in Afrika sind die Situationen, die eine neue Darlegung des Evangeliums verlangen – nämlich » neu in ihrem Eifer, in ihren Methoden und in ihrer Ausdrucksweise «<ref>Ders., Ansprache bei der Eröffnung der 19. Versammlung des Lateinamerikanischen Bischofsrates (Port-au-Prince, 9. März 1983): AAS 75 (1983), 778.</ref> –, nicht selten. Insbesondere muss die Neuevangelisierung die intellektuelle Dimension des Glaubens in die lebendige Erfahrung der Begegnung mit dem in der kirchlichen Gemeinschaft gegenwärtigen und handelnden Jesus Christus einbeziehen. Denn am Anfang des Christ-Seins steht nicht eine ethische Entscheidung oder eine große Idee, sondern die Begegnung mit einem Ereignis, mit einer Person, die dem Leben einen neuen Horizont und dadurch seine entscheidende Orientierung gibt. Die Katechese muss daher den theoretischen Teil, der aus auswendig gelernten Begriffen besteht, in den praktischen einbeziehen, der auf liturgischer, spiritueller, kirchlicher, kultureller und karitativer Ebene gelebt wird, damit der Same des Wortes Gottes, der auf fruchtbare Erde gefallen ist, tiefe Wurzeln treibt und wachsen und zur Reife gelangen kann.

166. Damit dies geschieht, ist es unerlässlich, neue Methoden anzuwenden, die uns heute zur Verfügung stehen. Wenn es sich um die sozialen Kommunikationsmittel handelt, von denen ich schon gesprochen habe, darf man nicht vergessen, was ich jüngst im Nachsynodalen Apostolischen Schreiben Verbum Domini hervorgehoben habe: » Der hl. Thomas von Aquin sagt unter Berufung auf Augustinus mit Nachdruck: „Auch der Buchstabe des Evangeliums tötet, wenn im Innern die heilsame Gnade des Glaubens fehlt“ «.<ref>Nr. 29: AAS 102 (2010), 708.</ref> Im Bewusstsein dieser Forderung muss man sich auch immer daran erinnern, dass kein Mittel den persönlichen Kontakt, die mündliche Verkündigung sowie das Zeugnis eines authentischen christlichen Lebens ersetzen kann noch darf. Dieser persönliche Kontakt und diese mündliche Verkündigung müssen den lebendigen Glauben ausdrücken, der die Existenz einbezieht und umwandelt und die Liebe Gottes, die jeden erreicht und berührt, so wie er ist.

C. Missionare in der Nachfolge Christi

167. Die Kirche in Afrika ist gerufen, auch in den säkularisierten Ländern zur Neuevangelisierung beizutragen, aus denen vorher zahlreiche Missionare kamen und in denen heute leider Berufungen zum Priestertum und zum gottgeweihten Leben fehlen. Inzwischen hat eine große Zahl von Afrikanern und Afrikanerinnen die Einladung des Herrn der Ernte (vgl. Mt 9,37-38) angenommen, in seinem Weinberg zu arbeiten (vgl. Mt 20,1-16). Ohne den missionarischen Elan ad gentes in den verschiedenen Ländern und auf dem ganzen Kontinent selbst zu vermindern, müssen die Bischöfe Afrikas großherzig der Bitte ihrer Mitbrüder aus den Ländern, in denen es an Berufungen fehlt, stattgeben und den Gläubigen ohne Priester zu Hilfe kommen. Diese Zusammenarbeit, die durch Vereinbarungen zwischen der aussendenden und der aufnehmenden Kirche geregelt werden muss, wird zu einem konkreten Zeichen der Fruchtbarkeit der missio ad gentes. Vom Herrn, dem Guten Hirten (vgl. Joh 10,11-18), gesegnet, stützt sie so auf wertvolle Weise die Neuevangelisierung in den Ländern alter christlicher Tradition.

168. Die Verkündigung der Frohbotschaft bringt in der Kirche neue, den Bedürfnissen der Zeit und der Kulturen sowie den Erwartungen der Menschen angemessene Ausdrucksformen hervor. Der Heilige Geist wird bestimmt auch in Afrika Männer und Frauen erwecken, die in verschiedenen Vereinigungen, Bewegungen und Gemeinschaften vereint ihr Leben der Ausbreitung des Evangeliums Jesu Christi weihen. Gemäß dem Aufruf des Völkerapostels: » Löscht den Geist nicht aus! Verachtet prophetisches Reden nicht! Prüft alles, und behaltet das Gute! Meidet das Böse in jeder Gestalt! « (1 Thess 5,19-22), haben die Hirten die Pflicht, darüber zu wachen, dass sich diese neuen Ausdrucksformen der ewigen Fruchtbarkeit des Evangeliums in das pastorale Wirken der Pfarreien und Diözesen einfügen.

169. Liebe Brüder und Schwestern, im Licht des Themas der Zweiten Sonderversammlung für Afrika betrifft die Neuevangelisierung besonders den Dienst der Kirche hinsichtlich der Versöhnung, der Gerechtigkeit und des Friedens. Daher ist es nötig, die Gnade des Heiligen Geistes aufzunehmen, der uns einlädt: » Lasst euch mit Gott versöhnen! « (2 Kor 5,20). Die Christen sind daher alle eingeladen, sich mit Gott zu versöhnen. Dann seid ihr in der Lage, in den Gemeinschaften der Kirche und der Gesellschaft, in denen ihr lebt und arbeitet, Versöhnung zu stiften. Die Neuevangelisierung setzt die Versöhnung der Christen mit Gott und untereinander voraus. Sie erfordert die Versöhnung mit dem Nächsten, das Überwinden von Schranken aller Art, wie jene der Sprache, der Kultur und der Abstammung. Wir sind alle Kinder des einen Gottes und Vaters, der » seine Sonne über Bösen und Guten aufgehen lässt, und regnen lässt über Gerechte und Ungerechte «  (Mt 5,45).

170. Gott wird ein versöhntes Herz segnen und ihm seinen Frieden gewähren. Der Christ wird so in dem Maß, in dem er in der göttlichen Gnade verwurzelt ist und mit seinem Schöpfer am Aufbau und an der Förderung der Gabe des Friedens mitarbeitet, zu einem Friedensstifter (vgl. Mt 5,9). Der versöhnte Gläubige wird an jedem Ort auch zu einem Stifter von Gerechtigkeit, besonders in den gespaltenen afrikanischen Gesellschaften, die eine Beute der Gewalt und des Krieges sind und hungern und dürsten nach wahrer Gerechtigkeit. Der Herr lädt uns ein: » Euch aber muss es zuerst um sein Reich und um seine Gerechtigkeit gehen; dann wird euch alles andere dazugegeben «  (Mt 6,33).

171. Die Neuevangelisierung ist eine dringende Aufgabe für die Christen in Afrika, weil auch sie ihren Enthusiasmus über die Zugehörigkeit zur Kirche wieder entfachen müssen. Unter der Eingebung des Geistes des auferstandenen Herrn sollen sie auf persönlicher, familiärer und gesellschaftlicher Ebene die Frohbotschaft leben, sie mit frischem Eifer den nahen und fernen Menschen verkünden und für ihre Verbreitung die neuen Methoden, die die göttliche Vorsehung uns zur Verfügung stellt, gebrauchen. Die Gläubigen, die Gott, den Vater, lobpreisen für die Wunder, die er weiterhin in seiner Kirche an jedem ihrer Glieder vollbringt, sind eingeladen, ihre christliche Berufung in der Treue zur lebendigen Tradition der Kirche zu beleben. Die Christen müssen offen sein für die Eingebung des Heiligen Geistes, der weiterhin verschiedene Charismen in der Kirche erweckt, und den Weg der Heiligkeit mit Entschiedenheit fortsetzen oder einschlagen, um immer mehr zu Aposteln der Versöhnung, der Gerechtigkeit und des Friedens zu werden.

SCHLUSS: »HAB NUR MUT, STEH AUF, ER RUFT DICH« (Mk 10,49)

172. Liebe Brüder und Schwestern, das letzte Wort der Synode war ein an Afrika gerichteter Aufruf zur Hoffnung. Ein solcher Aufruf wird umsonst sein, wenn er nicht in der trinitarischen Liebe verwurzelt ist. Von Gott, dem Vater aller, erhalten wir die Sendung, Afrika die Liebe zu bringen, mit der Christus, der eingeborene Sohn, uns geliebt hat, damit unser Wirken unter der Anregung des Heiligen Geistes von der Hoffnung getragen sei und gleichzeitig zu einer Quelle der Hoffnung werde. Mit dem Anliegen, die Umsetzung der Orientierungen der Synode zu den brennenden Themen der Versöhnung, der Gerechtigkeit und des Friedens zu fördern, wünsche ich, dass die » Theologen weiterhin die Tiefe des trinitarischen Geheimnisses und seine Bedeutung für den afrikanischen Alltag untersuchen «.<ref>Benedikt XVI., Ansprache an die Mitglieder des Sonderrats der Bischofssynode für Afrika (Yaoundé, 19. März 2009): AAS 101 (2009), 312.</ref> Weil die Berufung eines jeden Menschen einzigartig ist, lassen wir in uns den lebenswichtigen Impuls der Versöhnung der Menschheit mit Gott durch das Geheimnis unseres Heils in Christus nicht erlahmen. Die Erlösung ist für uns der Grund zu verlässlicher und fester Hoffnung, » von der her wir unsere Gegenwart bewältigen können: Gegenwart, auch mühsame Gegenwart, kann gelebt und angenommen werden, wenn sie auf ein Ziel zuführt und wenn wir dieses Ziels gewiss sein können «.<ref>Ders., Enzyklika Spe salvi (30. November 2007), 1: AAS 99 (2007), 985.</ref>

173. Ich bekräftige: » Steh auf, Kirche in Afrika, Familie Gottes, denn es ruft dich der himmlische Vater, den deine Vorfahren schon als Schöpfer anriefen, bevor sie seine barmherzige Nähe erkannten, die er in seinem Sohn Jesus Christus offenbart hat. Begib dich auf den Weg der Neuevangelisierung, erfüllt vom Mut, der vom Heiligen Geist stammt! «<ref>Ders., Predigt in der Eucharistiefeier zum Abschluss der Zweiten Sonderversammlung der Bischofssynode für Afrika (25. Oktober 2009): AAS 101 (2009), 918. </ref>

174. Das Gesicht der Evangelisierung heißt heute Versöhnung, »die eine Voraussetzung dafür ist, in Afrika Beziehungen der Gerechtigkeit zwischen den Menschen herzustellen und einen gerechten und dauerhaften Frieden in der Achtung jedes einzelnen und aller Völker zu schaffen; einen Frieden, der die Mitwirkung aller Menschen guten Willens jenseits ihrer religiösen, ethnischen, sprachlichen, kulturellen und sozialen Zugehörigkeit braucht und für diese offen ist «.<ref>Ebd. </ref> Die ganze katholische Kirche begleite die Brüder und Schwestern des afrikanischen Kontinentes mit Wohlwollen! Mögen die Heiligen Afrikas sie durch ihr Fürbittgebet stützen!<ref>Vgl. Ebd. </ref>

175. » Der gute Hausvater Sankt Josef, der das sorgende und hoffende Abwägen der weiteren Wege der Familie selbst gut kennt, uns liebevoll zugehört und uns auch sein Geleit in die Synode selbst hineingegeben hat «,<ref>Benedikt XVI., Ansprache an die Römische Kurie beim Weihnachtsempfang (21. Dezember 2009): AAS 102 (2010), 34.</ref> er beschütze und begleite die Kirche in ihrer Sendung im Dienste Afrikas, jenes Erdteils, auf dem er für die Heilige Familie Zuflucht und Schutz gefunden hat (vgl. Mt 2,13-15)! Die Allerseligste Jungfrau Maria, die Mutter des Wortes Gottes und Unsere Liebe Frau von Afrika, begleite weiterhin die ganze Kirche mit ihrer Fürsprache und ihren Einladungen, alles zu tun, was ihr Sohn uns sagt (vgl. Joh 2,6)! Das Gebet Marias, der Königin des Friedens, deren Herz immer auf den Willen Gottes ausgerichtet ist, unterstütze jede Bemühung zur Umkehr, festige jede Initiative der Versöhnung und stärke jede Anstrengung zugunsten des Friedens in einer Welt, die hungert und dürstet nach Gerechtigkeit (vgl. Mt 5,6)!<ref>Vgl. Propositio 57.</ref>

176. Liebe Brüder und Schwestern, durch die Zweite Sonderversammlung der Bischofssynode für Afrika erinnert euch der gute und barmherzige Herr eindringlich daran, dass ihr » das Salz der Erde … das Licht der Welt « (Mt 5,13-14) seid. Mögen diese Worte euch die Würde eurer Berufung als Kinder Gottes, als Glieder der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche in Erinnerung rufen! Diese Berufung besteht darin, in einer oft dunklen Welt die Helligkeit des Evangeliums, den Glanz Jesu Christi, des wahren Lichtes, das » jeden Menschen erleuchtet « (Joh 1,9), zu verbreiten. Außerdem müssen die Christen den Menschen den Geschmack an Gott, dem Vater, und die Freude über seine schöpferische Gegenwart in der Welt anbieten. Sie sollen auch mit der Gnade des Heiligen Geistes mitarbeiten, damit sich das Pfingstwunder auf dem afrikanischen Kontinent fortsetze und jeder immer mehr zu einem Apostel der Versöhnung, der Gerechtigkeit und des Friedens werde.

177. Möge die katholische Kirche in Afrika stets eine der geistlichen Lungen für die Menschheit sein und jeden Tag mehr zu einem Segen für den edlen afrikanischen Kontinent und für die ganze Welt werden!

Gegeben zu Ouidah in Benin, am 19. November 2011,

im siebten Jahr meines Pontifikats.

BENEDICTUS PP. XVI

Anmerkungen

<references />

Weblinks